Die Buddhas des Mitleids

Das große, klassische Werk der hinduistischen Yoga-Schulen ist die Bhagavad-Gītā, und sie wird von den Mahatmas und H. P. Blavatsky oft mit großer Achtung erwähnt und zitiert. Die Schrift ist unentbehrlich für all jene, die ernsthaft nach Selbsterkenntnis suchen, aber sie bringt das göttliche Mitleid, das Buddha in seinem Yoga der großen Entsagung unterrichtete, nicht deutlich zum Ausdruck, so dass wir uns damit nun etwas näher beschäftigen wollen. Auch H. P. Blavatsky scheint dies so empfunden zu haben, und so schenkte sie uns gegen Ende ihres Lebens einen wundervollen Auszug aus der östlichen heiligen Literatur, und zwar das Büchlein Die Stimme der Stille,1 übertragen aus dem „Buch der Goldenen Vorschriften“; es beginnt: „Gewidmet den Wenigen“ – nämlich jenen, die sich danach sehnen, das theosophische Ideal zu leben und der Menschheit ‘bis an das endlose Ende’ zu dienen. Aus diesem kleinen Buch können wir die Grundsätze ersehen, auf welchen die Schulung der Chelas durch die Meister beruht. Würden diese Grundsätze in einem weiteren Kreise akzeptiert werden, käme das nicht nur unserer Erkenntnisfähigkeit der ewigen Dinge zugute, sondern würde auch die Welt zu einem unendlich besseren Ort machen, um darin zu leben.

In Bezug auf das Mitleid finden wir in dem Büchlein Die Stimme der Stille:

Könntest du göttliches MITLEID austilgen? Mitleid ist kein Attribut. Es ist das GESETZ der Gesetze – ist ewige Harmonie, Alayas SELBST; eine uferlose, universale Essenz, das Licht immerwährenden Rechts, die Folgerichtigkeit aller Dinge, das Gesetz ewiger Liebe.

– S. 93

Alaya ist das, was Emerson die ‘Überseele’ nannte. Sie „spiegelt sich in jedem Gegenstand des Universums wider“ (The Secret Doctrine, I:48). Dieselbe Lehre des Mitleids ist ein wesentlicher Bestandteil des wahren Christentums. „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe“ und „Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben“ (1 Joh 4,8; 4,20).

Viele Aphorismen aus der Mahāyāna-Lehre, die von Evans-Wentz in Tibetan Yoga and Secret Doctrines angeführt werden, geben die Grundlehren der Stimme der Stille wieder, deren Leitprinzip Selbstaufopferung und Liebe für die Menschheit ist. Zum Beispiel:

Solange das Denkvermögen nicht geschult ist, uneigennützig und unendlich von Mitleid erfüllt zu sein, verfällt man leicht in den Irrtum, nur für sich selbst Befreiung zu suchen.

– S. 75

Das Geringste, das wir für andere tun, ist kostbarer als alles, was wir für unser eigenes Wohl tun.

– S. 90

Wenn man bei allem, was man tut, nur das Wohl der anderen beabsichtigt, ist es nicht nötig, nach eigenem Vorteil zu streben.

– S. 90

Wie unwichtig der wahre Yogi okkulte Phänomene findet, wird deutlich beschrieben:

Für denjenigen, der die erhabene Weisheit erworben hat, ist es gleich, ob er wunderliche Kräfte anwenden kann oder nicht.

– S. 92

Das letzte Zitat aus den Yoga-Abhandlungen bezieht sich auf eine Lehre, die das Herz und die Seele der Stimme der Stille bilden. Es ist die erhabenste Möglichkeit der spirituellen Bestrebung:

Die Tatsache, dass es Menschen gibt, die die bodhische Erleuchtung erreicht haben und die imstande sind, als göttliche Inkarnationen zur Erde zurückzukehren und bis zu der Zeit der Auflösung des physischen Universums für die Befreiung der Menschheit und aller Lebewesen zu arbeiten, zeigt die Tugend des Heiligen Dharma. …

– S. 95

Dies ist ein Hinweis auf „die Große Entsagung“, ein Ideal, das alle anderen Ideale überragt und das der heutigen Welt angeboten wird; es spricht für die Tibeter, dass sie solche heiligen Männer (Bodhisattvas oder Nirmāṇakāyas) mehr verehren als einen fortgeschrittenen Yogi oder ‘Heiligen’, wie erhaben er auch sein möge. Damit verbunden ist das Thema der Pratyeka-Buddhas, über das es immer wieder Missverständnisse gibt, obschon H. P. Blavatsky dies in der Stimme der Stille und The Theosophical Glossary ausführlich erläutert hat.

Dr. Evans-Wentz behauptet mit Recht, dass die Befreiung des Menschen von der Unwissenheit das letztendliche Ziel des Buddhismus in seiner tiefsten Bedeutung ist, die Überwindung von Māyā, was wir nur unzureichend mit dem Wort Illusion übersetzen. Er weist darauf hin, dass Buddha lehrte, dass das erstrebenswerte Ziel, nämlich in Nirvāṇa einzugehen, aufgeschoben werden kann. Das gilt für jene erhabenen Seelen, die bereit sind, dem höchsten Weg der Selbstverleugnung zu folgen und die Große Entsagung zu vollziehen. Das bedeutet, dass der nach spiritueller Meisterschaft Strebende beschließt, niemals aus dem Saṁsāra oder dem Weltbewusstsein der Phänomene zu treten und in den unsagbar gesegneten Zustand von Nirvāṇa einzugehen, bevor nicht die müden Pilger in allen Welten das Beste ihrer Möglichkeiten in diesem Manvantara erreicht haben. Dies ist zweifellos die höchste mögliche Form Universaler Bruderschaft! Die heiligen Männer, die zurückkehrten, um der Erde unter Verzicht auf ihren eigenen Fortschritt zu helfen, werden die Buddhas des Mitleids genannt, womit man sie von den Pratyeka-Buddhas unterscheidet, deren Ideal nicht so erhaben ist.

Gemäß den führenden tibetischen Anhängern des Mahāyāna und durch den Lama Samdup bestätigt, werden die Pratyeka-Buddhas allgemein so betrachtet, wie es hier von Dr. Evans-Wentz formuliert wird:

Selbsterleuchtete (Sanskrit: Pratyeka) Buddhas unterrichten die Lehre nicht in der Öffentlichkeit, sondern tun nur denjenigen Gutes, die in persönlichen Kontakt mit ihnen treten, während allwissende Buddhas, zu denen Gautama der Buddha gehörte, die Lehre im großen Kreis predigen. …

Die Gurus der Schule des Großen Symbols lehren, dass Nirvāṇa nicht für ein Endstadium gehalten werden soll, in welchem derjenige, der diesen Zustand erreicht hat, sich in vollkommenem Frieden und Glückseligkeit selbstsüchtig aufhält. Das heißt, dass Nirvāṇa nicht ein Zustand ist, der nur zum eigenen Wohlergehen erreicht werden muss, sondern um des größeren Wohles willen, das jedem bewussten Wesen zuteil wird, ausschließlich aus diesem Grund. Deshalb ist es so, dass in Tibet alle, die nach göttlicher Weisheit streben, nach vollkommener Erleuchtung, bekannt als Nirvāṇa, das Gelübde ablegen, den Zustand des Bodhisattva oder Großen Lehrers anzustreben. Dieses Gelübde enthält, dass der Gelobende erst dann in Nirvāṇa eintreten wird, wenn sämtliche Lebewesen, angefangen von den niedrigsten Bewohnern der unterhalb des Menschen stehenden Reiche, … sicher über den Ozean von Saṁsāra zum anderen Ufer geführt worden sind.

Die südlichen Buddhisten neigen dazu, Nirvāṇa, wenn es von Pratyeka (oder nicht lehrenden) Buddhas erreicht wurde, als einen Endzustand zu betrachten. Diejenigen, die zur Mahāyāna-Schule gehören sagen jedoch, dass Nirvāṇa ein Zustand des Geistes ist, der infolge einer evolutionären spirituellen Entwicklung erreicht wird, und deshalb nicht als ein Endzustand betrachtet werden kann, da Evolution kein vorstellbares Ende hat, sondern ewig fortdauert.

Tibetan Yoga and Secret Doctrines, S. 94, 144

Hieraus können wir ersehen, dass die Pratyeka-Buddhas in ihrer spirituellen Entwicklung weit fortgeschritten sind, und trotzdem spricht H. P. Blavatsky von ihrer ‘spirituellen Selbstsucht’! Zu Beginn stiftete diese Aussage einige Verwirrung, aber sie wiederholte sie in ihrem später veröffentlichten Theosophical Glossary und G. de Purucker erläuterte diese scheinbare Schwierigkeit in seinen Goldenen Regeln der Esoterik. Da das Thema für den Studierenden des „Pfades der Rechten Hand“ von großer Bedeutung ist, zitieren wir einige Passagen aus diesem Buch:

(Die Pratyeka-Buddhas) sind sehr erhabene Menschen, sehr heilige Menschen, in jeder Hinsicht sehr reine Menschen, deren Erkenntnis weit, umfassend und tief, deren geistiger Zustand erhaben ist, die aber nach Erreichung der Buddhaschaft, anstatt den Ruf allmächtiger Liebe zu fühlen, anstatt umzukehren und jenen zu helfen, die weniger weit voran sind, weiterschreiten und hinübergehen in das höchste Licht und in die unaussprechliche Glückseligkeit Nirvāṇas eintreten und die Menschheit zurücklassen. Das sind die Pratyeka-Buddhas. Obwohl erhaben, stehen sie doch nicht auf gleicher Stufe wie die Buddhas des Mitleids in ihrer unsagbaren Erhabenheit.

Der Pratyeka-Buddha, der die Buddhaschaft für sich selbst verwirklicht, tut dies nicht selbstsüchtig, er macht es nicht um seiner selbst willen, und er fügt anderen damit keinen Schaden zu. Wenn das so wäre, könnte er ja nie seine Einzel-Buddhaschaft erlangen. Er erreicht sie aber, und er erreicht Nirvāṇa sozusagen automatisch, … .

Es besteht ein eigenartiger Widerspruch im Begriff Pratyeka-Buddha. Der Name ‘Pratyeka’ bedeutet ‘jeder für sich selbst’; und dieser ‘jeder-für-sich-selbst’-Geist ist gerade das Gegenteil von dem Geist, der in dem Orden der Buddhas des Mitleids herrscht, denn in dem Orden des Mitleids herrscht der Geist: Gib auf dein Leben für alles, was da lebt. …

Die Zeit kommt, wo der Pratyeka-Buddha, so heilig er ist, so erhaben er in Ideal und Streben auch ist, einen Entwicklungszustand erreicht, von dem aus er auf jenem Pfad nicht weiter vorwärts gehen kann. Hingegen hat der andere, der sich gleich von Anfang an mit der ganzen Natur und mit ihrem Herzen verbindet, ein ständig wachsendes Arbeitsgebiet, so wie sich sein Bewusstsein weitet und dieses Gebiet erfüllt. Und dieses wachsende Gebiet ist einfach unbegrenzt, weil es die grenzenlose Natur selbst ist. Er wird völlig eins mit dem spirituellen Universum, während der Pratyeka-Buddha nur eins wird mit einem besonderen Strang oder Strom der Entwicklung im Universum. …

So kommt auch die Zeit, wo der Buddha des Mitleids, obgleich er allem entsagt hat, weit über den Zustand hinausgelangt ist, den der Pratyeka-Buddha erreicht hat. Und wenn der Pratyeka-Buddha nach einer bestimmten Zeit aus dem nirvanischen Zustand heraustritt, um seine evolutionäre Reise erneut anzutreten, dann wird er sich weit hinter dem Buddha des Mitleids finden.

Goldene Regeln der Esoterik, S. 172-177

Der Pratyeka-Pfad ist kein Pfad, der nach unten führt, es sei denn, man vergleicht ihn mit dem Pfad der Buddhas des Mitleids, mit dem ‘Geheimen PFAD’, wie ihn H. P. Blavatsky in der Stimme der Stille bezeichnet. Zu Beginn gibt es nur einen Pfad, aber schließlich muss die große Entscheidung getroffen werden; und der Pratyeka-Buddha wählt die Richtung, die von der Welt der Menschen wegführt, während der andere den Weg wählt, auf dem „er in dem glorreichen Körper, den er für sich selbst webte, verbleibt, unsichtbar für die nicht eingeweihte Menschheit, um über sie zu wachen und sie zu schützen“, wie ein Stein in dem mystischen ‘Schutzwall’.

Gautama der Buddha ermutigte auch die einfachen Menschen, indem er ihnen zeigte, wie er die furchterregenden und scheinbar endlosen Zyklen von Tod und Wiedergeburt durchbrechen konnte, um das ewige Drehen des karmischen Rades zu überwinden, während er gleichzeitig die Fesseln schmiedete, die ihn am Ende zurückhielten. Indem er das Gute Gesetz treu befolgte, konnte er einst die unsagbare Glückseligkeit der Befreiung erreichen. Aber für diejenigen, die durch ihre übergroße Liebe für die Menschheit dieses Recht erworben haben, erklärte der Buddha den erhabenen Pfad der Selbstaufopferung, den Pfad der Großen Entsagung.

Gautama der Buddha gehörte zu der Hierarchie des Mitleids, aus der von Zeit zu Zeit große Lehrer und Boten ausgesandt werden, um die Menschheit bei ihrer Evolution zu unterstützen. Die Spitze dieser Hierarchie ist der Stille Wächter, „der Namenlose Eine“, wie H. P. Blavatsky ihn nennt. Und sie sagt:

Er ist der „Initiator“, genannt das „GROSSE OPFER“. Denn an der Schwelle des LICHTES sitzend, blickt er in das LICHT aus dem Kreise der Dunkelheit, den er nicht überschreiten will; noch wird er seinen Posten verlassen vor dem letzten Tage dieses Lebenszyklus. Warum bleibt der einsame Wächter auf seinem selbsterwählten Posten? Warum sitzt er an der Quelle der ursprünglichen Weisheit, von der er nicht länger mehr trinkt, weil er nichts zu lernen hat, das er nicht wüsste – führwahr, weder auf dieser Erde noch in ihrem Himmel? Weil die einsamen Pilger mit wunden Füßen, auf ihrer Rückreise in ihre Heimat, bis zum letzten Augenblick niemals sicher sind, ihren Weg in dieser grenzenlosen Wüste von Illusion und Materie, Erdenleben genannt, nicht zu verlieren. Weil er gern einem jeden Gefangenen, dem es gelungen ist, sich von den Banden des Fleisches und der Illusion zu befreien, den Weg zeigen möchte zu jener Region der Freiheit und des Lichtes, aus der er sich selbst freiwillig verbannt hat.

The Secret Doctrine, I:208

Wir mögen uns fragen, warum die Kenntnis der Lehren von den Pratyeka-Buddhas und den Buddhas des Mitleids für unsere eigene Existenz von Bedeutung ist. Das Erreichen dieses hohen Evolutionsstadiums liegt in so ferner Zukunft, dass uns die Bedeutung für unser heutiges, praktisches Leben nicht klar ist.

Es ist aber keine Angelegenheit der fernen Zukunft, die uns nur in dem Maße interessieren sollte, wie eine schöne, idealistische Theorie. Wir müssen in unserem Leben stets erneut wählen, und wenn wir die ‘Große Entsagung’ auch noch nicht erreicht haben, so spielt sie im Prinzip dennoch bei jeder von uns getroffenen Entscheidung eine Rolle. Oft ist unser Motiv Eigeninteresse, aber andererseits gibt es in jedem Menschenleben zahllose Beispiele manchmal ganz unscheinbarer Taten, die von dem Verlangen getragen werden, anderen zu helfen oder zu dienen.

Der Entschluss, dem einen oder dem anderen Pfad zu folgen, wird jeden Tag von uns gefasst, und wir werden ständig zwischen dem einen und dem anderen Pfad hin und her pendeln, bis wir stark genug sind, um den entscheidenden Schritt zu tun.

Fußnoten

1. H. P. BLAVATSKY, Die Stimme der Stille, Theosophischer Verlag GmbH, Paperback | Geschenkausgabe, Leinen mit Goldschnitt. [back]

Christentum und Moral

Wenn das Christentum (so wie es üblicherweise aufgefasst wird) abgelehnt wird, könnte man sich fragen, ob damit die Grundlage für sittliches Benehmen verloren geht und allgemein ein Niedergang in Zügellosigkeiten jeglicher Art einsetzen würde. Das ist eine ernste Frage, die man nicht einfach mit kühnen Behauptungen abtun kann. Manche Menschen behaupten, dass die Quelle für gutes Benehmen in der menschlichen Intelligenz und in menschlichen Instinkten zu finden sei, sie meinen, dass die Religion eher ein Hindernis als eine Hilfe sei und dass diese Quelle ausreichen würde. Das Gegenargument könnte sein, dass diese Menschen vom Kapital der guten Gewohnheiten, das über Jahrhunderte durch den religiösen Einfluss angesammelt wurde, profitieren, dass dieses Kapital sich schnell erschöpfen könnte, und dass die menschliche Intelligenz und menschlichen Instinkte zu dessen Erneuerung nicht ausreichen würde.

Hier liegt tatsächlich der Schwachpunkt in der Argumentation. Was dieser Philosophie fehlt, ist eine Grundlage. Wenn die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird, versteckt man sich leicht hinter Agnostizismus – der Auffassung, dass diese fundamentalen Fragen außerhalb des Bereiches der Untersuchung liegen und der Versuch sinnlos wäre, sie zu durchschauen. Vielleicht müssen wir hier die Frage stellen, ob Sittlichkeit eine Ursache ist oder eine Folge. Wenn wir sagen, dass Moral aus Intelligenz und Instinkt hervorgeht, weichen wir der Schwierigkeit eigentlich nur aus.

Wir müssen etwas über die geheimnisvollen Kräfte im Menschen wissen. Aus welcher Quelle stammen sie? Sollen wir sie als eine Art erleuchtetes Selbst-Interesse bezeichnen? In diesem Falle unterstützen wir die Meinung, dass Sittlichkeit auf Selbst-Interesse beruht und Selbst-Interesse die Grundlage menschlichen Verhaltens ist. Die das Materielle beherrschenden Kräfte müssen selbst immateriell sein, denn sonst drehen wir uns im Kreis und behaupten, dass die Dampfmaschine ihren eigenen Dampf erzeugt oder ein Motor und ein Dynamo sich gegenseitig in Bewegung halten. Das trifft auch auf unser Problem zu. Das menschliche Sozialverhalten kann man sich nicht als einen Mechanismus vorstellen, der unentwegt aus eigener Kraft in Bewegung bleibt; ein solcher Mechanismus könnte sich niemals selbst veredeln und würde höchstwahrscheinlich mit der Zeit verfallen. Seine wahre Quelle ist das ‘Unerkennbare’, dessen Existenz man zwar anerkennt, aber meist nicht einer Untersuchung wert erachtet.

Hier kommt die Religion ins Spiel. Man hat das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Es ist der Geist der Religion, die Religion selbst, welche die ewige Vitalität der menschlichen Rasse am Leben erhält, Gehorsam gegenüber den essenziellen Gesetzen sittlicher Gesundheit erzwingt und den aus reiner Selbstsucht resultierenden totalen Zusammenbruch verhindert.

Und diese wahre Religion hat ihren Altar im menschlichen Herzen. Eine fromme, hingebungsvolle, emotionale Haltung genügt aber nicht, um das Feuer in einer Zeit lebendig zu halten, in welcher der Intellekt so in den Vordergrund gestellt wird. Dieser Intellekt hat sich zur Selbstsucht gesellt – mit allen von uns befürchteten Folgen. Wir werden moralisch bankrott gehen, wenn die Reichweite des Intellekts nicht so erweitert werden kann, dass wir auch jene Anteile der menschlichen Natur, die unter der Oberfläche liegen, erforschen und kennen lernen können. Um im körperlichen Sinne gesund zu leben, müssen wir die Gesetze der Hygiene und Gesundheit kennen; wir können uns nicht auf blinden Glauben und Vermutungen verlassen. Und es ist die Religion, die eine tiefere Erkenntnis des Lebens geben kann und muss.

Dass das Christentum in dieser Hinsicht oft ziemlich versagt hat, ist auf eine Vermischung des ‘Weizens mit der Spreu’ zurückzuführen. In früheren Abschnitten haben wir versucht, die essenziellen Wahrheiten des Christentums hervorzubringen und so zu erklären, dass sie auf das menschliche Leben eine größere Kraft und Wirkung ausstrahlen. Wir haben den Menschen nichts weggenommen, was sie zu ihrer Unterstützung brauchen. Alles, was man zu Gunsten des christlichen Einflusses sagen könnte, könnte mit mehr Überzeugung durch eine theosophische Interpretation des Christentums vorgebracht werden. Wir haben ausdrücklich erklärt, dass wir denjenigen, die in ihrer Religion das finden, was sie brauchen und nichts weiter suchen, nichts wegnehmen wollen. Unser Ziel ist es, denjenigen zu helfen, denen das nicht genügt, und die ernsthaft nach der wahren Grundlage für menschliches Wohlergehen suchen.

Eine Religion, die lehrt, dass der Mensch im Grunde seines Wesens göttlich ist, kann in ihrem Einfluss nicht unmoralischer sein als eine Religion, die lehrt, dass er ein armer Sünder ist. Gemäß der theosophischen Interpretation des Christentums ist das Sittengesetz das essenzielle Gesetz des menschlichen Verhaltens. Nur dadurch kann der Mensch Glück, Selbstverwirklichung und ein Leben in Harmonie mit seinen Mitmenschen finden. Es ist allein diese Interpretation, die das Leben vereint und Intellekt und Herz in Harmonie bringt, damit all unsere Fähigkeiten zusammenarbeiten können, um Vollkommenheit zu erlangen.

Gott

Gott ist nicht eine Person, die außerhalb des Universums existiert. Er ist auch nicht getrennt vom Menschen. Gott ist überall; es gibt nichts, das nicht Gott ist. Gott ist das Essenzielle, die Wurzel aller Existenz, die spirituelle Grundlage von allem, was ist. Viele Philosophen sind zu dieser Vorstellung von Gott gekommen und sich bewusst, dass der theologische Gott ein vermenschlichtes Ideal ist. Gott, Universum und Mensch sind untrennbar und bilden eine Einheit. Wir können uns Gott nur nähern, indem wir die Tiefen unseres eigenen Wesens ergründen, denn der Mensch selbst ist eine Offenbarung der Gottheit. Was er durch Selbsterkenntnis erreichen kann, ist grenzenlos.

Die vielen Vorbehalte gegen den Gedanken eines persönlichen und außerkosmischen Gottes sind hinreichend bekannt und müssen hier nicht erwähnt werden. Ein solcher Gott scheint wenig Interesse an menschlichen Angelegenheiten zu haben und von der Natur getrennt zu sein, die eine Art sekundäre Gottheit geworden ist. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass viele Menschen sich nicht mehr mit dem Gedanken an Gott beschäftigen, obwohl der Sinn aller Dinge unverständlich bleibt. Dieses Bild von Gott aufzugeben bedeutet nicht, sich das Universum als eine auf gut Glück arbeitende Maschine vorzustellen.

Die Lehre des extremen Materialismus hat keine Grundlage. Agnostizismus ist ein Bekenntnis der Unwissenheit und Hilflosigkeit. Wir könnten uns Humanisten nennen und den Menschen zum Mittelpunkt aller Dinge machen. Aber was ist denn dieser Mensch? Jeder, der die Wunder seines eigenen bewussten Seins studiert, weiß, dass hinter den Grenzen des Denkens ein tiefes Mysterium liegt. Wenn wir annehmen, dass das Mysterium völlig unerklärlich ist, machen wir aus dem ganzen Universum und dem menschlichen Leben eine grausame Komödie.

Es hat immer christliche Mystiker gegeben, die lehrten, dass eine Offenbarung die Folge von Selbstreflexion ist. Das ist der einzige Weg, um Gott zu erfahren. Wie bereits erwähnt, hat Jesus den Weg aufgezeigt, wie diese Erkenntnis gewonnen werden kann. Im Menschen liegen latente Fähigkeiten, die den Intellekt, so wie wir ihn jetzt kennen, übersteigen – die ihn nicht beiseite schieben oder auflösen, sondern ergänzen. Der Mensch kennt die Erhabenheit seiner eigenen Natur wenig, auch wenn einige von uns in seltenen Augenblicken einen Schimmer davon erhaschen. Wir wollen nach dem Höchsten streben, das wir erreichen können, und wir wollen unsere Vision durch die Vorstellung eines persönlichen Gottes – das wahrlich ein Götzenbild wäre – nicht länger einengen.

Das Gebet

Wenn wir zu einem persönlichen Gott beten, suchen wir an der falschen Stelle nach Hilfe. Das würde bedeuten, dass göttliche Güte und Weisheit unsere Gebete als Stütze benötigen. Ein extremes Beispiel davon ist, wenn feindliche Armeen den eigenen Sieg erbitten. Das beinhaltet, dass ein persönlicher Gott eigentlich Partei ergreift und mit einer bestimmten Gegend und mit einem bestimmten Volk verbunden ist. Wenn jedes Volk seine eigene spezielle Gottheit hätte – wie manche Völker meinen –, hätten derartige Anrufe ein wenig Sinn. Es ist aber eine ganz andere Sache, wenn solche gegensätzlichen Gebete an ein und denselben Gott gerichtet sind.

Wahres Gebet bedeutet Kontemplation, begleitet von hohen Aspirationen, und es sollte im Geist von ‘Nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe’ stattfinden. Für bestimmte Zwecke zu beten, ist nicht gut, weil wir nicht wissen, was für uns das Beste ist. Wahres Gebet bedeutet Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel durch den Sohn, das Streben nach dem Höchsten und Besten in uns selbst. Persönliche Wünsche müssen beiseite gestellt werden und sollten zu einem möglichst umfassenden Bild der Einheit gelangen.

Das Problem von Gut und Böse

Im Laufe der Geschichte wurde schon oft die Frage gestellt, wie ein guter Gott das Böse zulassen kann. Das Böse ist Unvollkommenheit, und diese Welt ist nur eine unvollkommene Offenbarung der Gottheit – des Unfehlbaren. Wir finden überall Kontraste und Gegensätze. Es sind notwendige Bedingungen für Wachstum und Erfahrung. Das Böse wurde auch als der Schatten Gottes beschrieben. Der Versuch, das Gute und Böse philosophisch zu definieren, hat nur wenig mit menschlichem Verhalten und mit Pflichterfüllung zu tun, und oft werden die Menschen nur verwirrt. Im täglichen Leben ist der Unterschied zwischen Gut und Böse, so wie zwischen einem guten und einem faulen Ei. Jeder Mensch besitzt Unterscheidungsvermögen.

Die Worte Gut und Böse sind sehr vage, und da sie in unterschiedlichem Sinne angewendet werden, stiften sie Verwirrung. Man kann sagen, dass sie angenehm und unangenehm bedeuten, aber das ist offensichtlich eine Geschmackssache und als Kriterium unzuverlässig. Was unangenehm ist, kann sehr wohl gut für uns sein; und was angenehm ist, ist vielleicht schlecht für uns. Man kann sagen, dass sie Gut und Schlecht bedeuten, aber auch hier können sie sich auf moralische, gesellschaftliche oder bürgerliche Gesetze beziehen.

Ein wahrer Philosoph kann einen Zustand erreichen, in dem er sich bewusst ist, dass ihm nichts Schlechtes widerfahren kann, weil er akzeptiert, dass jedes Ereignis Teil seines Schicksals ist – die stoische Philosophie. Wir können also erkennen, dass die Worte Gut und Böse in diesem Fall einen Kontrast bedeuten, den wir in unserem eigenen Denken hervorbringen, indem wir Erfahrungen als angenehm oder unangenehm klassifizieren und von einem guten oder bösen Schicksal sprechen.

Solange ein Mensch persönliches Vergnügen als Ziel hat, wird er sich ohne Zweifel Leid zufügen – Leid, das nach demselben Gesetz wie übermäßiges Essen und Alkoholmissbrauch zu Krankheit führt. Der Versuch, das eigene Ich zu befriedigen, zerstört das moralische Gleichgewicht; und die Natur stellt durch eine entsprechende entgegengesetzte Erfahrung das Gleichgewicht wieder her. Aber wie ist es mit unserem Benehmen anderen gegenüber? Menschen mit Herz und Gewissen sollten sich vor allem um das Wohl anderer kümmern. Und es wäre besser, sich über das Glück oder Unglück, das gute oder schlechte Schicksal anderer Gedanken zu machen. Dadurch wird die eigene Person unwichtiger.

Alles, was einem Menschen passiert, ist gewiss sein Karma. Wenn jemand allerdings auf Grund dieser Regel der Meinung ist, sein Benehmen habe auf seine Mitmenschen keinen Einfluss und dieses Argument als Entschuldigung für sein Fehlverhalten anwendet, ist das eine bedauernswerte Haltung, die auf einer falschen Auffassung beruht. Es ist eine rein verstandesmäßige Argumentation, die vollkommen in Widerspruch zu jedem menschlichen, ethischen Bewusstsein steht – getrennt von jeder Religion oder Philosophie, zu der er sich bekennt.

Wenn wir die Gottheit zu einem persönlichen Gott machen, bringt das die Notwendigkeit mit sich, einen persönlichen Satan als Gegenpol zu schaffen. Aber wie bereits vorher erwähnt, war die Schlange aus dem Garten Eden der Lehrmeister des Menschen, sie erweckte in ihm die Intelligenz. Sie ist deshalb kein Teufel, sondern eher eine Mitarbeiterin, die bei der Evolution des Menschen eine wichtige Rolle spielt. Es gibt keinen Teufel mit Hörnern und Hufen, der uns im Leben bedroht und dessen Absicht es ist, uns nach dem Tode zu quälen. Es ist leider wahr, dass die menschlichen Leidenschaften in Verbindung mit dem Intellekt eine Art bösartiges Selbst hervorbringen können, das zu unserem Feind wird – diesen müssen wir besiegen.

Schluss

Die ausführliche Behandlung unserer sehr umfangreichen Thematik mussten wir notwendigerweise etwas einschränken. Sie enthält jedoch genügend Stoff, um den interessierten Leser zu einem weiteren Studium dieses Themas zu ermutigen. Theosophie und Christentum stehen einander nicht wie zwei unterschiedliche Mächte gegenüber. Das Christentum war anfänglich eine Offenbarung oder Wiedergabe der alten Weisheit, die universal ist und in unserer Zeit unter dem Namen Theosophie der Welt aufs Neue gebracht wurde.

Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass man in dem Maße, in dem großzügigeres Denken die Oberhand gewinnt, auch in der Religion lernen wird, die alten universalen Ideen des Christentums davon zu unterscheiden, was fast zwei Jahrtausende kirchlicher Autorität und Theologie diesen zugefügt, daran verändert und verschleiert haben.

Alle Religionen lehrten ursprünglich die göttliche Natur des Menschen. Später verlor man diese Lehre aus den Augen, und wir bekamen ein Glaubenssystem unter der Leitung einer Hierarchie, die für die Erlösung die Bedingung aufstellte, dass bestimmte Lehren so angenommen werden müssen, wie die Kirche sie lehrt. Eine gewisse Organisation ist unvermeidlich und notwendig, auch das Geistige benötigt eine Verkörperung in der einen oder anderen Form. Aber so wie der physische Körper einer Pflanze ihr Wachstum oder ihre Veränderung nicht aufhalten kann, so sollte sich die äußere Form einer Religion von Jahrhundert zu Jahrhundert ändern, um sich den wachsenden Bedürfnissen der Menschheit anzupassen.

Die dritte Wurzelrasse

Die dritte Wurzelrasse wurde Zeuge großer Veränderungen. An erster Stelle entwickelten sich diese ‘Schweißtropfen’ der zweiten Wurzelrasse zu großen Eiern, die von der Sonne erwärmt und zur Entwicklung gebracht wurden – ein Vorgang, der mit dem unserer heutigen Vögel verglichen werden kann. In diesen Eiern wuchsen die Föten mehrere Jahre heran. Auch die menschliche Form durchlief eine Reihe von Veränderungen ihrer Gestalt. So gab es in dieser hermaphroditischen Periode eine Zeit, in welcher der Mensch vier Arme und drei Augen hatte. Aber diese Varianten entstanden natürlich sehr allmählich, in einer Zeit von mehreren Millionen von Jahren. Schließlich fand im letzten Teil dieser Rasse die Trennung in die beiden Geschlechter statt.

Das wunderbare Ereignis, der Wendepunkt, der den gesamten Verlauf der Geschichte verändern sollte, die großartige Epoche im Leben der Menschheit, auf die zahllose Hierarchien zeitalterlang hingearbeitet hatten, stand nun unmittelbar bevor. Drei Runden und beinahe die Hälfte der vierten hatten die Vorbereitungen zu diesem glorreichen Erwachen in Anspruch genommen. Im Verhältnis betrachtet, trat es plötzlich ein. Wer die Theorie unterstützt, dass sich der Verstand im Tierreich entwickelte, übersieht dabei, dass Ewigkeiten erforderlich sind, um auch nur den menschlichen Körper und die niederen Prinzipien zu entwickeln.

Bis zu dieser Zeit hatten sich nur zwei der evolutionären Ströme manifestiert, die durch die Natur tätig sind – und zwar der physische und der spirituelle, der durch die monadische Essenz, den Gottesfunken, zum Ausdruck kommt. Dieser steht zu hoch über dem physischen Strom, um ohne das Verbindungsglied des Verstandes einen Austausch zustande bringen zu können. In der Geheimlehre wird behauptet, dass – wenn die spirituelle Monade eines Newton mit der spirituellen Monade des größten Heiligen auf Erden verbunden und die beiden in einem vollkommenen Körper inkarnieren würden, jedoch ohne das dazwischen stehende Prinzip des Verstandes zur Vereinigung der spirituellen Monade mit dem physischen Körper – das Resultat auf dieser Ebene ein Idiot wäre. Alles ist latent vorhanden, sogar im Atom, und so war es auch der Verstand in der dritten Wurzelrasse im menschlichen Tier.1 Um ihn zu erwecken, bedurfte es der höheren Götter und der Zeit.

Dieses Ereignis der Erweckung des Verstandes im Menschen war engstens verknüpft mit dem Schicksal anderer Wesenheiten aus dem vorhergehenden großen Manvantara – Wesen, die im Vergleich zu den niederen Menschen Götter waren. Die niederen Wesen der Mondkette hatten erreicht, was sie konnten. Sie und ihre Scharen von Helfern hatten alles gegeben, was ihnen möglich war. Verstand hatten sie jedoch nie besessen. Aber es gab andere, bekannt als die Mānasaputras oder Söhne des Denkens, die dazu bereit waren, in die für sie vorbereiteten Tempel einzutreten. Und diese Tatsache bedeutet, dass sie zu ihnen gehörten, dass sie karmisch mit ihnen verbunden waren. So traten jene Wesen, die zuvor auf der Mondkette das Prinzip des Verstandes vollständig entwickelt hatten, in den niederen Menschen ein, um seinen latenten Funken zur Tätigkeit zu erwecken. Nach dieser Inkarnation fanden scheinbar wunderbare Veränderungen statt.

Dieses Geschehen wird in dem Mythos von Prometheus symbolisch dargestellt. Er brachte den Sterblichen das spirituelle Feuer und wurde an den Felsen der Materie, unseren menschlichen Körper, gekettet, wo er die Äonen hindurch verweilen wird, bis der Mensch selbst zu seiner Höhe emporsteigen und ihn erlösen wird. Die Geschichte von Adam und Eva im Garten Eden hat dieselbe Grundlage, wo Luzifer, der Lichtbringer, als Satan getarnt ist, eine böse Macht.

Diese Inkarnation der Söhne des Denkens brachte dem niederen Ego Schmerz und Leiden, aber auch die Möglichkeit, das Göttliche zu erlangen. H. P. Blavatsky behauptet, dass wir ohne die Hilfe dieser höheren Wesen noch immer nicht weit über dem Animalischen stehen würden. Seit jener Zeit hat es immer zwei Stimmen im Menschen gegeben, die sich Gehör verschaffen wollen – bis zu dem Tag, an dem die eine die andere absolut beherrscht. Und doch ist der niedere Mensch nie ohne Hilfe. Er ist mit freiem Willen und einem Gewissen begabt – die Stimme des Gottes im Inneren kann von jenen immer vernommen werden, die Ohren haben zu hören.

Es ist unmöglich, diese Philosophie ohne die Erkenntnis zu verstehen, dass das Universum aus unzähligen Abstufungen von Bewusstseinsarten zusammengesetzt ist, dass jedes Wachstum ein Wachstum des Bewusstseins bedeutet und dass überall im Universum in der Verschiedenheit die Einheit existiert. Etwas, das von irgendeinem anderen Teil unabhängig ist, existiert nicht. Alle Wesen tragen Verantwortung für die unterhalb von ihnen stehenden, und sobald das Stadium des Selbstbewusstseins erreicht ist, tragen sie auch für die über ihnen stehenden Wesenheiten Verantwortung. Historiker haben oft bemerkt, dass keiner seine Rasse über ein gewisses Maß hinaus übersteigen kann. So wie es auf Erden ist, ist es auch im Himmel. Wie oben, so unten. Die Großen verspüren die Last jener, die ihre Chancen vergeben und sich weigern zu wachsen.

Nicht alle menschlichen Rassen waren gleich weit entwickelt; einige blieben hinter anderen zurück. Strophe VII der Geheimlehre verweist folgendermaßen auf diesen Teil der Geschichte:

24. DIE SÖHNE DER NACHT, DIE SÖHNE DER WEISHEIT (hervorgegangen aus dem Körper Brahmas, als es Nacht wurde), BEREIT ZUR WIEDERGEBURT, KAMEN HERAB. SIE SAHEN DIE (intellektuell) SCHLECHTEN FORMEN DER ERSTEN DRITTEN (noch unvernünftigen Rasse). „WIR KÖNNEN WÄHLEN“, SAGTEN DIE HERREN, „WIR HABEN WEISHEIT.“ EINIGE TRATEN IN DIE CHHĀYĀS EIN. EINIGE SANDTEN EINEN FUNKEN AUS. EINIGE WARTETEN BIS ZUR VIERTEN (Rasse). AUS IHRER EIGENEN ESSENZ FÜLLTEN (verstärkten) SIE KĀMA (das Vehikel der Begierden). JENE, WELCHE NUR EINEN FUNKEN ERHIELTEN, BLIEBEN OHNE (höhere) ERKENNTNIS. DER FUNKE LEUCHTETE SCHWACH. DIE DRITTEN BLIEBEN GEMÜTLOS. IHRE JĪVAS (Monaden) WAREN NICHT BEREIT. DIESE WURDEN BEISEITE GESETZT UNTER DEN SIEBEN (ursprünglichen Menschenrassen). SIE WURDEN ZU DEN SCHWACHKÖPFIGEN. DIE DRITTEN WAREN BEREIT. „IN DIESEN WERDEN WIR WOHNEN“, SPRACHEN DIE HERREN DER FLAMME UND DER DUNKLEN WEISHEIT.

The Secret Doctrine, II:161

Diese Ereignisse erklären die Ungleichheiten in unserer menschlichen Art, die relativ hohen und niederen Möglichkeiten verschiedener Menschen. H. P. Blavatsky deutet auch darauf hin, dass diese Ereignisse den gesamten Schlüssel zum Geheimnis des Bösen darstellen.

Mit dem Erscheinen der Mānasaputras in diesem Drama unseres menschlichen Lebens wird der Mensch in Bezug auf seine Konstitution vollkommener. Er ist jetzt dazu bereit, seiner Bestimmung zu folgen und vereint in seiner Natur, bereit zur Entwicklung, alle Prinzipien des Kosmos. Das ist die wahre Bedeutung der Worte in der christlichen Bibel: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild.“ Diese Inkarnation initiiert in der Menschheit den dritten evolutionären Strom – den intellektuellen. Genau an diesem Punkt begegnen sich im Menschen die Ströme von oben und von unten.

In den großen Kreisläufen des Kosmos steigt der Geist ewig in die Materie hinab, und die Materie steigt ewig zum Geist empor. Sie unterstützen sich gegenseitig. Keiner von beiden könnte sein Ziel ohne den anderen erreichen. Die niederen Leben können ihr Bewusstsein nur erweitern, indem sie Schale um Schale ihrer Umhüllung zerbrechen und in immer weiter reichende Räume des Denkens und des Geistes emporstreben. Die Großen Geister und Götter können das Mitleid, das tatsächlich ihre Essenz ist, nur zum Ausdruck bringen, indem sie ihren jüngeren Brüdern helfen. Sie können an Macht und Kraft nur gewinnen, indem sie den Widerstand der Materie und der Gedankenformen überwinden und immer größere Verantwortung auf sich nehmen. Diese Lebensströme befinden sich in einer universalen Bewegung. Sie sind nicht nur in den großen Kanälen wahrnehmbar, sondern sie sind überall vorhanden – in jeder Ebbe und Flut. Es gibt keinen Tropfen im Ozean des Seins, der nicht den Einfluss beider in sich verspürt. Von da an treten in der menschlichen Natur die relativen, als Gut und Böse bekannten Neigungen, zu Tage. Aus der komplizierten Wechselbeziehung zwischen diesen evolutionären Strömen erwuchsen der jungen Menschheit falsche Vorstellungen von sich selbst. In den letzten Jahrhunderten, als die alten Lehren immer mehr in den Schatten traten, entstand das irreführende Bild des ‘in Sünde geborenen’ Menschen, was eine lange Spur entwürdigender Einflüsse hinterließ. Verloren in den Nebeln der Unwissheit sind wir teilweise vom Weg abgekommen und das Bewusstsein unserer göttlichen Abstammung trat in den Hintergrund.

Fußnoten

1. Das Denkprinzip war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Tätigkeit erweckt worden, deshalb war das menschliche Stadium noch nicht wirklich erreicht –der Mensch befand sich noch in einem mehr tierischen Stadium seiner Evolution. D. Ü. [back]

Spuren der Zyklen auf der Erde

Es muss sowohl geologische und physische als auch intellektuelle und spirituelle Zyklen geben; sowohl Globen und Planeten als auch Rassen und Nationen werden geboren, wachsen, machen Fortschritte, werden schwächer und – sterben. Große Nationen spalten sich, zerstreuen sich in kleine Stämme, verlieren jede Erinnerung an ihre Größe, fallen allmählich in ihren primitiven Zustand zurück und – verschwinden eine nach der anderen vom Erdboden. Dasselbe geschieht mit großen Kontinenten. Ceylon muss einst Teil des indischen Kontinents gewesen sein. So war offensichtlich Spanien einmal mit Afrika verbunden und der schmale Kanal zwischen Gibraltar und Afrika war früher einmal trockenes Land.

The Theosophist, „A Land of Mystery“

Die Geologen sind auf dem Wege, immer mehr überzeugende Beweise zu finden, dass diese ‘gute Erde’ Aufzeichnungen von gewaltigen Ereignissen ihrer wunderbaren Laufbahn als menschentragender Planet bewahrt. Tatsächlich ist unser irdisches Zuhause eine sich verändernde Bühne, auf der sich das Drama des menschlichen Lebens regelmäßig abspielt – seit Millionen von Jahren immer wieder aufs Neue. Dieses planetarische Bühnenbild hat sich immer wieder verändert, jedoch stets in Übereinstimmung mit dem menschlichen Plan des sich entfaltenden rassischen Dramas, für das es als Hintergrund diente. Es stellt einen außerordentlich gut reagierenden Hintergrund dar, da auch die Erde selbst eine Wesenheit ist und eine ständige elektromagnetische Wechselbeziehung zwischen ihr und ihren Bewohnern existiert. Die Körper der Menschen sind aus demselben Stoff gemacht und sie beeinflussen die Erde mit dem, was sie denken, fühlen und tun. Die Erde ihrerseits beeinflusst die Menschen, so dass die Erde und die Menschheit gemeinsam aufstiegen und verschiedene kleinere und größere Zyklen durchliefen.

Die Erde erzählt ihre Geschichte – nicht in der Sprache einer bestimmten Zeit oder eines bestimmten Volkes, sondern in der universalen Muttersprache der Natur. Wer seine eigene zusammengesetzte Natur versteht, kann deshalb erkennen, wie die Laufbahnen der Menschheit und des Globus während aller Veränderungen auf dasselbe große Ziel des irdischen Lebens abgestimmt sind. Rassische und planetarische Zyklen haben der Erde geologische Stempel ihrer gemeinsamen evolutionären Perioden der Veränderung und des Wachstums eingeprägt. Deshalb wird der Geologe, der seine Sammlung wissenschaftlicher Daten interpretiert, im Licht der planetarischen Geschichte – wie diese in der Geheimlehre gegeben wird – auf Beweise für zyklische Perioden des Wachstums von Mutter Erde stoßen, die genauso deutlich aufgezeichnet sind, wie die Jahresringe im Querschnitt riesiger Bäume. Über Zeitalter hinweg wurden von der Weißen Bruderschaft detaillierte Aufzeichnungen angefertigt und als heilige Lehren in den Mysterienschulen aufbewahrt.

Agassiz sagte: „Die Kruste unserer Erde ist ein großer Friedhof, auf dem die Felsen die Grabsteine sind und die dort begrabenen Toten ihre eigenen Grabinschriften geschrieben haben.“ Diese ziemlich düstere Aussage vermittelt ein einseitiges Bild des menschlichen Lebens auf der Erde, es trägt dem von der Alten Weisheit betonten dauerhaften Prinzip im Menschen keine Rechnung. Denn dieselben unsterblichen Egos, die ihre vielen Erdenleben in der Zeit des „Garten Eden“ begonnen haben, haben nie aufgehört zu sein.

Es gibt eine interessante Analogie zwischen der Art, wie die Erde ihre frühen Perioden der Verkörperung durchlief und unserem eigenen physischen Anfang bei jeder neuen Inkarnation. In den Mahatma-Briefen an A. P. Sinnett schreibt der Meister KH.:

Wie Sie durch Analogie folgern können, muss jeder Globus durch eine – ebenfalls siebenfache – Formungsperiode hindurchgehen, ehe er die Zeit seines Erwachsenseins erreicht. Das Gesetz in der Natur ist einheitlich, und die Empfängnis, Formung und Geburt, das Wachstum und die Entwicklung eines Kindes unterscheiden sich von jener eines Globus nur der Größe nach. Der Globus durchläuft zwei Perioden, in welchen er zahnt und die ersten Haare verliert – seine ersten Gesteine, die er ebenfalls abschüttelt, um Platz für neue zu schaffen, und seine Farne und Moose, bevor er Wälder erhält. So wie die Atome im Körper alle sieben Jahre wechseln, erneuert auch der Globus seine Schichten nach sieben Zyklen. …

… Die Analogie zwischen einem Mutter-Globus und ihrem Menschen-Kind kann somit ausgearbeitet werden. Beide haben ihre sieben Prinzipien.

– S. 93-94, Brief XV

In The Secret Doctrine, II:149, ist zu lesen, dass die Periode der mineralischen und pflanzlichen Entwicklung nicht weniger als 300 000 000 Jahre andauerte, bevor der Mensch in seiner damaligen astralen Form seine „Kleider von Fellen“ erwarb. Als der Astralkörper physisch wurde, begann die Trennung der Geschlechter – vor ungefähr 18 000 000 Jahren. Damals wurden auch die latenten Feuer des Verstandes des Menschen entzündet, und er begann seine Kreisläufe der Erfahrung als ein selbstbewusstes menschliches Wesen.

Der aktivste Entwicklungszyklus des mineralischen und pflanzlichen Reiches fand während der ersten Runden statt, bevor der Astralkörper des Menschen physisch wurde. Heute ist die Kombination der mentalen und materiellen Natur des Menschen die vorherrschende Kraft auf der Erde, während die niederen Reiche in einem Zyklus verhältnismäßiger Ruhe verharren. Die Erschütterungen in der Natur, die für uns so beunruhigend sind – wie Erdbeben, Vulkanausbrüche und so weiter –, sind sanft im Vergleich zu den Perioden intensiver Aktivität der felsigen Erde während ihrer ersten Stadien. Die theosophische Lehre besagt, dass – obwohl die Körper der späteren dritten Wurzelrasse ausreichend physisch waren, um fossile Spuren zu hinterlassen – die heftigen Vulkanausbrüche, Erdbeben und andere Kataklysmen, die seitdem periodisch auftraten, ohne Zweifel jede Spur davon ausgelöscht haben.

Weiter sind Kontinente im Ozean versunken, und in vielen Teilen der Erde sind neue Länder aus den Wellen emporgetaucht, seit sich die Materie von ihrem ursprünglichen Zustand verfestigt hat. Der Globus selbst hat sich durch seine aufeinander folgenden Zyklen hindurch in Übereinstimmung mit dem Evolutionsprozess der verschiedenen Wurzelrassen entwickelt; und die fünfte Wurzelrasse ist jene, in der wir uns jetzt befinden.

Natürlich gibt es keine scharfe Trennung zwischen den einander folgenden Rassen oder Kontinenten, genauso wenig wie der Mensch von einem Tag auf den anderen plötzlich und vollständig seinen Körper oder seinen Charakter ändert. Es war die Rede von derselben Vermischung und Überlappung von rassischen und kontinentalen Zyklen, wie sie gegenwärtig stattfinden, obwohl schließlich gewaltige Naturkatastrophen die Oberfläche der Erde veränderten. Diese Erschütterungen löschten den degenerierten Teil einer Rasse aus. Mittlerweile hatten die würdigen Überlebenden in Ländern Zuflucht gefunden, die genauso langsam aus dem Ozean emportauchten, wie andere Teile ihrer früheren Heimat im Laufe der Zeitalter versunken waren.

Eine bleibende Erinnerung an diese wichtigen Ereignisse in der Geschichte der Rassen findet man in den übereinstimmenden Überlieferungen aller Völker. H. P. Blavatsky weist darauf hin:

Dass Welten (und auch Rassen) periodisch abwechselnd durch Feuer (Vulkane und Erdbeben) und Wasser vernichtet und wieder erneuert werden, ist eine Lehre, die so alt ist wie der Mensch. Manu, Hermes, die Chaldäer, das ganze Altertum glaubte daran. Zweimal bereits hat sich die Oberfläche des Globus durch Feuer und zweimal durch Wasser verändert, seitdem der Mensch auf ihm erschienen ist. Genau wie das Land Ruhe und Erneuerung, neue Kräfte und eine Veränderung seiner Böden braucht, benötigt es das Wasser ebenso. Daraus entsteht eine periodische Neuverteilung von Land und Wasser, eine Veränderung des Klimas usw. – alles durch geologische Umwälzungen verursacht und schließlich in einer Veränderung der Erdachse endigend. … Es gibt säkulare Änderungen in der Neigung der Erdachse, und ihre festgelegte Zeit ist in einem der großen geheimen Zyklen aufgezeichnet.

The Secret Doctrine, II: 725-726

Die enge Beziehung zwischen Mensch und Natur lässt ein so wichtiges Ereignis, wie den Anfang und das Ende eines großen Rassenzyklus, mit planetarischen Veränderungen zusammenfallen. Immer und überall wird von einer gemeinsamen Wirkung der Gesetze von Karma (Ursache und Wirkung), Wiederverkörperung und den Zyklen gesprochen. Diese Gesetze beherrschen nicht nur das menschliche Leben, sondern bestimmen ebenso die Lebensgeschichte eines jeden Atoms der Materie. Daher kommt es, dass sich die gesamte Materie ständig verändert und Modifikationen aufweist, welche den Veränderungen entsprechen, die der denkende Mensch erlebt.

Diese gleichzeitigen evolutionären Veränderungen von Geist und Materie stimmen mit der Tatsache überein, dass alle Materie lebt und in gewissem Maße bewusst ist, obwohl nur der Mensch selbstbewusst ist. Materie wird auf die eine oder andere Weise ohne Berührung durch den Kontakt mit den Zuständen des menschlichen Lebens beeinflusst. Ein greifbarer Beweis für den Einfluss des Menschen auf die irdische Materie liefert unsere heutige komplizierte materielle Zivilisation. Im Vergleich zu dem einfachen Leben unserer Vorfahren besteht ein riesengroßer Unterschied zwischen ihrer Lebensweise, zwischen ihren Bedürfnissen und unseren. Wir wollen einmal die schwachen Spuren, welche die alten Völker auf dem von ihnen bewohnten Boden hinterließen, mit dem vergleichem, was heute im selben Gebiet stattfindet. Heute hat man in der Landschaft viele Tunnel gegraben, überall sind Brücken, hier hat man einen Wald abgeholzt und dort einen Deich errichtet, der Boden und sogar das Wetter haben sich verändert, Ozeane hat man durch künstliche Kanäle miteinander verbunden, Elektrizität und Wasserkraft sind nutzbar gemacht, Autobahnen wurden angelegt und Flugwege markiert – das gesamte Bild der Natur hat sich in Übereinstimmung mit einem geänderten Zyklus des menschlichen Denkens und Empfindens verändert.

Eine interessante Bemerkung über die Beziehung zwischen Mensch und Natur wird in Isis Unveiled, I: 395 gemacht, wo über die magnetischen Emanationen des Menschen gesagt wird:

„Magnetische Ströme entwickeln sich beim Verlassen des Körpers zu Elektrizitität.“

Angesichts dieser Wechselwirkung von Kräften kann man leicht verstehen, dass ein andauernder und unausgeglichener Strom bestimmter magnetischer menschlicher Emanationen periodisch einen Punkt der Spannung erreichen kann, der sich stark auf die Erde auswirkt. Die feste Masse der Erde unterliegt unentwegt dem Einfluss elektrischer und anderer Kräfte, wodurch materielle Folgen hervorgebracht werden. Der Zeitpunkt der Entladung, sozusagen, fällt mit der Veränderung eines großen Zyklus zusammen, wodurch heftige Erschütterungen in Form von Erdbeben, Überschwemmungen, Bränden und Eisbildungen hervorgerufen werden. William Q. Judge geht in seinem Buch Das Meer der Theosophie näher darauf ein, wo er sagt:

Am Schnittpunkt der großen Zyklen treten dynamische Wirkungen in Erscheinung und verändern die Oberfläche des Planeten aufgrund einer Verlagerung der Pole des Globus oder anderer Umwälzungen. Diese Theorie mag keine allgemeine Aufnahme finden, aber wir halten sie für zutreffend. Der Mensch ist ein großer Dynamo, der Energie erzeugt, aufspeichert und ausstrahlt. Und wenn große Menschenmassen eine Rasse bilden und auf diese Weise Energie erzeugen und verbreiten, dann resultiert daraus eine dynamische Wirkung auf die Substanzen des Globus, die mächtig genug ist, um Kataklysmen und andere fühlbare Störungen zu erzeugen. Dass sich in den Erdschichten bereits ungeheure und furchtbare Störungen abgespielt haben, wird allgemein zugegeben und erfordert jetzt keine Beweisführung. Diese Katastrophen entstanden, geologisch gesehen, durch Erdbeben und Eisbildung. Für die Tierformen bedeutet das zyklische Gesetz, dass bestimmte, jetzt ausgestorbene Tierformen und auch bestimmte menschliche Formen, die man heute nicht kennt, deren frühere Existenz man jedoch vermutet, mit ihrem eigenen Zyklus wiederkehren werden. …

– S. 149-150

Seit William Quan Judge das im Jahr 1893 geschrieben hat, wurden in tropischen Teilen Afrikas und anderswo alte Gebiete entdeckt, die früher mit Eis bedeckt waren, was darauf hinweist, dass sie einst Polargebiete waren. Die alten Lehren sagen, dass Katastrophen nicht nur Veränderungen in den warmen Strömungen des Ozeans und den heißen magnetischen Strömen der Erde hervorrufen, sondern auch Veränderungen an den Polen mit sich bringen, die sich schon mehrere Male gedreht haben. Das wurde jedesmal von einer völligen Veränderung der Erdoberfläche begleitet, abwechselnd durch Feuer und Wasser verursacht; und darauf beruht die biblische Erzählung über die Sintflut. Die Überlieferungen von Noah und allen Bewohnern der Arche beziehen sich auf die Überlebenden der zum Untergang verurteilten vierten Rasse, welche den Beginn der nächsten Rasse bildeten. Diese Geschichte unserer Sintflut, die aus der grauen Vergangenheit zu uns gekommen ist, ist eine universale Überlieferung. Man findet sie sowohl in den Religionen verschiedenster Nationen, wie bei den Peruanern, Azteken, Chaldäern, Chinesen, Ägyptern, Phoeniziern, Hindus und so weiter, als auch bei Naturvölkern.

Die Geologie zeigt, dass die Polargebiete einst warme und blühende Länder waren. Die Theosophie sagt uns, dass selbst der Mensch damals anwesend und verkörpert war. Arktische sowie antarktische Entdecker haben in sehr hohen Breiten Fossilien subtropischer Pflanzen und Korallen gefunden, die einst an den Küsten von Grönland und so weiter wuchsen. Große wandernde Eisflächen haben ihre Spuren auf der Erdoberfläche hinterlassen und klimatologische Veränderungen verursacht.

Die Geologie ist ein fesselndes Thema, denn weit davon entfernt, ein trockenes Studium zu sein, studiert man eine planetarische Wesenheit, die eine graphische Skizze riesiger Zyklen in unserer wunderbaren Vergangenheit bewahrt hat. Der durch diese Perioden der Erfahrung laufende evolutionäre Plan beinhaltet das Versprechen einer größeren Entfaltung in der Zukunft. Intuitive Forscher werden entdecken, dass die Phänomene der Erde und der Naturkräfte die Sprache sind, welche die Materie in dem universalen Drama des sich entfaltenden, verkörperten, zyklischen Lebens spricht.

In Kapitel 3 haben wir bereits das Thema der versunkenen Kontinente erwähnt, welche die Heimat früherer Menschenrassen waren und die im Laufe vieler Zeitalter unter der Oberfläche unserer heutigen Ozeane versanken. Die Namen Lemurien und Atlantis sind jedem bekannt, obschon man sie meistens mit legendären Erzählungen in Zusammenhang bringt, die nicht auf Wahrheit gründen.

Schon seit langem untersuchen Wissenschaftler mit Hilfe speziell ausgerüsteter Schiffe den Meeresboden. Die daraus resultierenden Entdeckungen passen oft sehr gut zu der Vorstellung von versunkenen Kontinenten, aber dennoch wird heute der Gedanke an ein Versinken und erneutes Emportauchen von Kontinenten im Allgemeinen von der Wissenschaft nicht anerkannt.

Es gab eine Zeit, da die Wissenschaft sehr wohl Wert auf diese Ansicht legte, aber die moderne Geologie akzeptiert im Moment ganz allgemein die sogenannte Schollentheorie, die besagt, dass die Erdkruste in eine Anzahl kontinentaler Schollen auseinander gefallen ist, die in früheren Perioden ineinander passten, aber von bestimmten Kräften auseinander getrieben wurden. Die alte Weisheit hält ihre Behauptung aufrecht, dass der heutige Meeresboden einst die Oberfläche mächtiger Kontinente bildete, auf denen sich die Evolution der Menschheit jener Tage vollzog.

Unterseeische Forschungsarbeiten bringen viele Veränderungen des Wasserstands zum Vorschein – ein Phänomen, das offensichtlich zu den universalen Ebbe- und Flutbewegungen der Dinge zu gehören scheint. Es ist bekannt, dass solche Veränderungen auch heute in vielen Teilen der Erde stattfinden. Einige amerikanische Küsten heben sich langsam, während andere versinken; die Berge des Himalaya und Kaliforniens heben sich ständig und so weiter. Das passt in das Bild ineinander übergehender und sich vermischender großer und kleiner Zyklen – sowohl in Bezug auf die Wurzelrassen als auch auf die Kontinente. Teile Kaliforniens, Ceylons und Australiens fallen in einen überlappenden geologischen Zyklus, der bis zur dritten Wurzelrasse zurückreicht.

Diese geologischen Anzeichen von Zuständen, die wir und Mutter Erde gemeinsam erlebten, haben mehr als nur eine wissenschaftliche Bedeutung. Zurückblickend geben sie uns eine panoramische Vision von der Reise der Seele. Der spirituelle Plan, der den Hintergrund der gesamten Vorstellung bildet, erhebt und veredelt den Pfad unseres täglichen Lebens. Die Vergangenheit, das Heute und die Zukunft sind das ewige JETZT für den inneren Menschen, der seine Zyklen außerhalb der Grenzen der Zeit – in der grenzenlosen Ewigkeit – vollendet. Zu jedem Menschen spricht Die Stimme der Stille:

Deine Schatten leben und vergehen. Das, was in dir für immer leben wird, das, was in dir weiß, weil es Wissen ist, ist nicht von flüchtigem Leben: Es ist der Mensch, der war, der ist und sein wird, für den die Stunde niemals schlägt.

– S. 48

Können wir mit den Verstorbenen in Verbindung treten?

Unsere alten, kindlichen Vorstellungen von Himmel und Hölle sind zurückzuführen auf Unwissenheit über unsere wahre Natur und über die Natur des Universums, zu dem wir gehören. Der ‘Himmel’ – und es ist gut, dies nochmals zu betonen – ist kein Ort, sondern ein Zustand des Seins, des Bewusstseins. Und unser Himmel ist keine Belohnung, wie wir bereits gezeigt haben, sondern eine natürliche Folge dessen, was wir aus uns selbst gemacht haben. Das trifft auch auf die ‘Hölle’ oder Kāma-Loka zu, die keine Strafe ist, sondern eine Folge unserer Taten auf Erden.

Wer mit diesem Bild von Himmel und Hölle nicht vertraut ist, könnte vielleicht fragen: „Aber wie ist es mit denjenigen, die ich liebe? Werde ich ihnen nach dem Tod wirklich nicht mehr begegnen?“ Wie wenig verstehen wir doch von uns selbst oder wissen darüber Bescheid, was unsere innersten Bedürfnisse sind! Denken wir an einen Mann, an einen alten Mann, der seine betagte Frau verloren hat, seine Gefährtin vieler von Freude und Sorge erfüllter Jahre. Wie möchte er sie wohl in der Himmelswelt anzutreffen, wenn sie dort als ihr wahres Selbst mit ihm vereint ist? Soll es die junge und schöne Freundin seiner Jugend sein oder die gebrechliche, jedoch geliebte Partnerin seiner alten Tage? Wird das für ihn nicht schwierig sein, wenn im Himmel buchstäblich wahr werden soll, was er fordert? Und die Mutter: Wird der Sohn, den sie als Kind verloren hat, immer noch ein Kind sein, oder wird sie ihn zufälligerweise nicht mehr erkennen, weil er mittlerweile aufgewachsen war? Das sind logische Fragen, die der Vorstellung entspringen, der Himmel sei eine bloße Örtlichkeit und unsere Lieben bloße physische Persönlichkeiten, an die wir uns so gerne erinnern. Der Mensch ist jedoch keine Persönlichkeit. Er ist ein spirituelles Wesen, das die Persönlichkeit als sein Instrument zum Sammeln von Erfahrung benützt.

… Der Mensch ist ein Embryo-Gott, eingekerkert in Gewänder aus Emotionen, Gedanken und Gefühlen, umhüllt von lähmenden inneren Schleiern, die ihrerseits in einen Körper aus Fleisch gekleidet sind; und der Mensch sollte wieder an eine Wahrnehmung des göttlichen Lichts im Inneren, des göttlichen Geistes im Inneren, erinnert werden … .

Mensch erkenne dich selbst, sagte das delphische Orakel, denn wenn du dich selbst kennst, wirst du das Universum kennen.

– G. DE PURUCKER, Lucifer, Mai 1933, S. 488 ff

Die Idee, dass wir im Himmel unseren Freunden tatsächlich so begegnen werden, wie sie mit uns in diesem Leben zusammen waren, ist eine materialistische Vorstellung, die direkt unseren persönlichen Vorstellungen entspringt und dazu beiträgt, die vorher erwähnten Schleier und lähmenden Fesseln zu errichten. Wenn wir die spirituelle Natur in uns studieren wollen – die der einzige dauerhafte Teil von uns ist –, werden wir erkennen, dass die wahre Himmelswelt mit unserer Persönlichkeit und den Persönlichkeiten unserer Freunde nur wenig gemeinsam haben kann; denn aus unseren eigenen Fehlern und Begrenzungen und denen anderer resultieren unsere größten Versuchungen.

Devachan ist vor allem ein Ort der Ruhe. Es ist der ‘Schlaf’ des Egos – vergleichbar mit dem Schlaf des Körpers –, während dessen er das assimiliert, was er an Kenntnis und Erfahrung in dem gerade beendeten Erdenleben gesammelt hat.

Wenn wir noch einmal auf unser Leben zurückblicken, entdecken wir, dass aus unseren menschlichen Beziehungen das herrührte, was uns am stärksten versucht und enttäuscht hat. Die Schwierigkeiten, die hauptsächlich aus den Umständen entstehen – wie frühe Behinderungen, Geldmangel oder Gelegenheiten verschiedener Art –, erwiesen sich in vielen Fällen als anregend und brachten das Beste zum Vorschein, das in uns schlummerte. Es sind die Menschen, die uns ermüden. Eine Mutter zum Beispiel, die lange, herzzerreißende Jahre gekämpft hat, ihren ungeratenen Sohn zu bessern und die schließlich daran scheiterte – wie könnte sie nach dem Tod ruhen, wenn sie wieder mit seiner ungestümen Natur vereint würde? Und wenn er seinen Unterhalt teilweise mit Verbrechen bestritt, mit starken animalischen Wünschen und Neigungen lebte, wie könnte er mit ihr zusammen in Devachan existieren? Er hat für sich keine Himmelswelt aufgebaut. Er wird stattdessen eine Periode der Unruhe in Kāma-Loka durchlaufen und schließlich in Schlaf versinken, um auf der Erde wiedergeboren zu werden. Und da sich seine Mutter im Gegensatz zu ihm eine lange und segensreiche Ruhe in Devachan verdient hat, wird er vielleicht lange vor ihr reinkarnieren und – indem er durch Leiden und die Folgen schlechter Handlungen in seinem vergangenen Leben lernt und sich entwickelt – ihr vielleicht in einer späteren Inkarnation als ein besseres und liebevolleres Kind begegnen. So wird die aufrichtige Mutter ihren Lohn erhalten; denn in Devachan werden alle ihre Träume für diesen Sohn verwirklicht, und sie wird freudig erleben, wie ihre liebevollen Opfer in seinem Charakter Früchte tragen. Weil die Liebe die durchdringendste und schöpferischste Energie im Universum ist, und weil wir eine tiefe innere Verbindung mit unseren Toten haben, wird ihn ihre Freude über seine erfolgreiche Besserung erreichen, wo immer er ist und sie wird vielleicht ein mächtigerer Einfluss zum Guten sein –denn sie wird unbewusst auf ihn wirken –, als ihre lebendige Gegenwart mit ihren möglicherweise irritierenden Einschränkungen. Denn es gibt Träume, die mächtiger sind als sogenannte Realitäten.

Die Natur ist weise und voller Mitleid. Während wir in der Himmelswelt ruhen, schützt sie uns vor allen äußeren und störenden Einflüssen. Sie erlöst uns von unseren emotionalen Wünschen und Begierden und heilt unser verletztes und müdes Herz. Und wenn diese Zeit der Erholung vorüber ist, werden wir auf der Erde wiedergeboren und schließen uns wieder denen an, die zu uns gehören – in neuen Beziehungen, welche bessere Gelegenheiten und weiteres Wachstum bieten.

Natürlich führen uns diese Gedanken zu einer Betrachtung des Themas über den ‘Kontakt mit den Toten’. Damit meinen wir allerdings nicht die unterschiedlichen Methoden sogenannter Kommunikation, die in den Séancezimmern praktiziert werden. Die Theosophie bestreitet, dass es sich dabei tatsächlich um Botschaften des spirituellen Selbst unserer Verstorbenen handelt. Es wurde bereits erklärt, dass Kāma-Loka, das sich in seinen unterschiedlichen Stufen– höheren und niederen – mit der Gedankenatmosphäre unserer Welt vermischt, mit den Kāma-Rūpas oder Hüllen von kürzlich verstorbenen Menschen erfüllt ist. Diese Hüllen werden auch Elementare und Spuk genannt.

Um es zu wiederholen: Die Hülle ist das Doppel oder das scheinbare Ebenbild in Aussehen und Charakter der verstorbenen Persönlichkeit. Wie ein ausgezogener Handschuh bewahren sie die Form desjenigen, der sie so lange benützt hat. Diese Hüllen sind aus Lebensatomen aufgebaut und spiegeln nicht nur die Gesichtszüge wider, sondern auch die Gewohnheiten und mentalen Merkmale des Verstorbenen. Das ist möglich, weil ihr Eigenleben aus mechanischen Erinnerungen des gerade beendeten Lebens besteht. Denn sie sind in der Tat nichts anderes als Automaten; und als Automaten sind sie sich ihrer selbst nicht bewusst, es sei denn, sie werden durch Medien so sehr angeregt, dass sie zu einem falschen und gefährlichen Scheinleben erweckt werden. Aber für gewöhnlich sind die Botschaften, die sie auf Drängen von Medien und Anwesenden überbringen, nichts anderes als das gespensterhafte Echo einer Stimme, dessen Eigentümer verschieden ist. Das Ego, das diese astral-psychologischen Gewänder abgeworfen hat, wartet auf den zweiten Tod und die Stunde, wenn es in die Ruhe von Devachan eingehen kann. Diese gesegnete Stunde der Erlösung für das Ego wird verzögert, wenn seine kāma-rūpische Schale durch die Anstrengung von Medien und anderen intakt gehalten wird, anstatt dem natürlichen Prozess der Auflösung zu folgen.

Diese psychischen Praktiken können noch weitaus schlimmere Wirkungen erzeugen. Durch das Medium und die Aktivitäten während der Séance kann eine falsche und gefährliche Liaison zwischen der sich auflösenden Hülle und den unglücklichen Verwandten des Verstorbenen zustande gebracht werden; das kann zu unglücklichen karmischen Konsequenzen für alle führen, die betroffen sind. Es wird davor gewarnt, dass alle nekromantischen Praktiken die Tür eines psychischen Leichenhauses öffnen, dessen Ausdünstungen viel ungesünder und gefährlicher für den Menschen sind, als jene der letzten Ruhestätten der physischen Überreste. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten zeigt die Theosophie der westlichen Welt jene Philosophie und Wissenschaft spiritueller Hygiene, durch welche dieser schädliche Psychismus aus unserem Leben ausgeschlossen werden kann.

Die Theosophie verwirft den sogenannten ‘Kontakt mit den Toten’. H. P. Blavatsky schrieb in ihrem Buch Der Schlüssel zur Theosophie, über den Unterschied zwischen Theosophie und Spiritismus:

… Die Spiritisten sind der Auffassung, dass alle diese Manifestationen von den ‘Geistern’ verstorbener Menschen hervorgerufen werden, meist von ihren Verwandten, von denen sie sagen, dass sie zur Erde zurückkehren, um mit jenen, die sie geliebt haben und denen sie ergeben sind, Verbindung aufzunehmen. Das bestreiten wir entschieden. Wir behaupten, dass die Geister der Verstorbenen nicht zur Erde zurückkehren können, außer in seltenen Ausnahmefällen, über die ich später sprechen werde; sie können sich Menschen auch nicht mitteilen, außer auf eine rein subjektive Weise. Was objektiv erscheint, ist nur das Phantom des physisch nicht mehr existierenden Menschen.

– S. 27/28

Über die wenigen Fälle wirklicher Verbindung zwischen den Toten und den Lebenden sagt sie im selben Kapitel:

… es sind nicht die Geister der Toten, die zur Erde heruntersteigen, sondern die Geister der Lebenden, die zu der reinen Spirituellen Seele aufsteigen. In Wahrheit gibt es weder ein Auf- noch ein Absteigen, sondern eine Veränderung des Zustandes oder der Bedingung. …

– S. 30

Und wenn sie über die ursprüngliche Verbindung – nicht ‘Verständigung’ – mit den Dahingeschiedenen spricht, erläutert sie sehr klar im selben Absatz:

… es gibt kaum einen Menschen, dessen Ego – während sein Körper schläft – keinen freien Umgang mit seinen entschlafenen Lieben hätte; da seine physische Hülle und sein Gehirn jedoch viel zu positiv und unempfänglich sind, erinnert er sich nicht daran, sie ziehen sich höchstens vage, traumhaft unbestimmt, leise in die Erinnerung des wachen Menschen hinein.

– Ebenda

In den vorhergehenden Passagen finden sich verschiedene Vorstellungen, die einleuchtend sind, wenn wir darüber nachdenken. Die Begriffe ‘objektiv’ und ‘subjektiv’ sowie ‘eine Veränderung des Zustands oder der Bedingung’ enthalten beispielsweise den Schlüssel zu der wahren Verbindung mit unseren Toten. Diese Ausdrücke betonen die Tatsache, dass das spirituelle Hellsehen – kein astrales oder psychisches – zu unserer inneren oder subjektiven Natur gehört und nichts mit den materiellen oder astralen Sinnen zu tun hat. Das trifft sowohl bei Medien und Sensitiven als auch bei normalen Menschen zu. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Manifestation ist leicht erkennbar: Die objektive oder psychische ist irreführend und die Moral zersetzend, während die subjektive oft eine segensreiche und tief spirituelle Erfahrung bedeutet.

Eine der größten, von den meisten Menschen gehegten Illusionen ist heutzutage die Ansicht, dass wir die Verbindung zu den geliebten Menschen verlieren, wenn sie sterben; und selbst viele, die glauben, dass sie ihre geliebten Mitmenschen in einem künftigen Erdenleben wieder treffen, leiden unter der gleichen Illusion. Nun ist es auf keinen Fall wahr, dass der Geist jemals nach dem Tode zurückkehren kann, um mit den Lebenden in irgendeiner Weise Umgang zu haben, ganz abgesehen von der unzweifelhaften Grausamkeit sowohl für den Verstorbenen als auch für diejenigen, die er zurückließ, ganz abgesehen von der außerordentlich materialistischen Atmosphäre dieses Gedankens – es sollte einleuchtend sein, dass ein entkörperter Geist weder zu irgendeiner Zeit noch unter irgendwelchen Umständen auf die Erde ‘herunterkommen’ kann. Nach dem Tode und nachdem die prāṇischen Hüllen in verschiedenen Prozessen im Kāma-Loka abgeworfen worden sind, erhebt sich das menschliche Ego in seine devachanische Ruhe und ist danach von allem unerreichbar, ausgenommen von dem, was von seinem eigenen Charakter oder von seiner eigenen hohen spirituellen Art ist. Gerade in diesem letzten Satz liegt der Grund, warum wir niemals annehmen sollten, dass wir jede spirituelle Verbindung mit den Menschen verlieren, die wir geliebt haben; denn die höheren Teile unseres Wesens können in jedem beliebigen Augenblick durch gleichgestimmte Sympathie ihre Schwingungen mit denen des Devachanī verbinden und so zeitweilig mit ihm eins werden. …

…, wenn tatsächlich aufrichtige spirituelle Liebe vorhanden ist, die sich nicht einmal bemühen muss, um mit dem Verstorbenen in Verbindung zu treten, denn eine solche unpersönliche Liebe wird sich ganz automatisch zu dem Devachanī erheben und wird dem, der sich auf Erden befindet, die innere Überzeugung geben, dass die Verbindung nicht abgebrochen ist.

Der Devachanī wird durch die der Natur eigenen Gesetze beschützt. Nichts auf der Erde kann ihn erreichen, … . Nur die spirituelle Liebe kann zu einer inneren Verbindung mit denjenigen, die uns vorausgingen, aufsteigen. Eine Liebe, die irgendetwas Selbstsüchtiges oder Persönliches in sich hat, kann niemals die devachanischen Zustände erreichen. Es ist jedoch meine tiefe Überzeugung, dass es unvergleichlich besser ist, nicht einmal zu versuchen, mit dem Devachanī in Verbindung zu treten, weil die Liebe der wenigsten von uns von solch reinem und heiligem Charakter ist, dass sie geeignet oder auch nur imstande ist, zu dieser hohen Ebene der Unpersönlichkeit aufzusteigen.

– G. DE PURUCKER, Quelle des Okkultismus, III:150-151

Das Alter des Menschen

Der Gedanke, der Mensch sei an sich schlecht und seine Erziehung sei nicht viel mehr als eine dünne Schale, ist tiefer verwurzelt, als allgemein angenommen wird. Diesem Gedanken zufolge ist der Mensch den ernsthaften Heimsuchungen des Lebens nicht gewachsen, wodurch sein ‘wahres Gesicht’ schnell ans Tageslicht tritt. Ob diese Meinung aus dem religiösen Glauben an den Sündenfall entsprungen ist oder aus der Überzeugung, dass der Mensch aus niedrigeren Wesen evolvierte, ist nicht von Bedeutung. Dass diese Meinung allerdings einen ungünstigen Einfluss auf das allgemeine Benehmen und Denken des Menschen ausgeübt hat, ist eine Tatsache.

Aber der Mensch hat das, was an ihm wertvoll ist und im tiefsten Kern seines Wesens wohnt, nie ganz verleugnen können. Außerdem hat jedes Volk große Menschen hervorgebracht, die mehr ihrer Intuition vertrauten als allgemein üblichen Meinungen und welche die Menschen in Wort und Tat stets an ihre wahre Herkunft und Bestimmung erinnerten.

Auch die Vorstellung, dass der Mensch ursprünglich zögernd und als Statist auf der Bühne erschien und erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit anfing, eine bedeutende Rolle zu spielen, gibt ein falsches Bild des großen Evolutionsdramas auf der Erde. Nach der Alten Weisheit war und ist der Mensch auf der Erde eine wichtige Erscheinung, mit der gesamten Verantwortung, die daraus resultiert – auch für die niederen Wesen, die in irgendeiner Weise in verschiedenen Perioden ihren Ursprung im menschlichen Stamm nahmen. In diesem Zusammenhang müssen wir erneut auf die falsche Annahme hinweisen, die Evolution habe sich entlang einer Linie vollzogen – von primitiven bis hin zu den kompliziertesten Formen. Eine logische Folge dieser Ansicht ist, dass die kompliziertesten Erscheinungen auch die jüngsten wären. Das beinhaltet außerdem, dass der heutige Mensch den gebildetsten und intellektuell und moralisch am weitesten entwickelten Menschentypus repräsentiert und dass die uns vorausgegangenen Völker umso weniger zivilisiert waren, je weiter wir in der Geschichte zurückgehen.

Hinsichtlich dieses Gedankens müssen wir bemerken, dass einige moderne Anthropologen anhand von Funden zu der Schlussfolgerung gelangt sind, dass man bezüglich der Abstammung des Menschen von Polygenese und nicht von Monogenese sprechen muss – also nicht von einer Entwicklung aus einem einzelnen Punkt. Das steht mit der archaischen Weisheitslehre in Übereinstimmung.

Die Menschheit bildet den Stamm, aus dem andere organische Formen zu verschiedenen Zeit hervorgingen. Das ist die theosophische Vorstellung, die jedoch nicht als Dogma akzeptiert werden muss, denn die ans Licht kommenden Tatsachen werden diese Lehre mehr und mehr bestätigen. Selbst wenn wir eine Lehre nicht blindlings akzeptieren und immer mit unserem eigenen Unterscheidungsvermögen die Bestätigung suchen müssen, ist es doch hilfreich und spart sehr viel Zeit, wenn wir Seitenwege vermeiden und von Anfang an über den Schlüssel verfügen. Alle Lehrer stellen Thesen auf, die dann zu beweisen sind; damit appellieren sie an die Vernunft und das Vertrauen ihrer Schüler, die bereit sind, diese Behauptungen vorläufig zu akzeptieren – bis die Zeit kommt, in der sie bestätigt werden können.

Die Forschungsergebnisse der Archäologie in Bezug auf den Ursprung weisen mehr auf die Richtigkeit der theosophischen Lehren hin, als auf die gängigen Theorien. Die Evolution verläuft eher zyklisch als in einer durchgehenden, geraden Linie. Aus Ausgrabungen ist ersichtlich, dass sich primitive Völker ihrer Art und Kultur nach von Völkern, die jetzt auf der Erde leben, nicht unterscheiden. Und neben solchen Primitiven gab es, sowohl in der Vergangenheit als auch heute, mächtige Zivilisationen. Die Menschheit ist in Rassen und in endlose kleinere Gruppierungen unterteilt; und von diesen befindet sich jede in einer speziellen Phase ihrer eigenen Rassenevolution. So finden wir heute auf der Erde Rassen, die aufsteigen, andere, die ihren Höhepunkt überschritten haben, während wieder andere im Begriff sind, sich zurückzuziehen.

Es ist nur wenige Jahrzehnte her, dass die Wissenschaft der Spezies Homo – das heißt den direkten Ahnen des jetzigen Menschen – ein Alter von höchstens 500 000 Jahren zugestand. Neue Funde fossiler Überreste brachten die Archäologen dazu, das Alter mit ungefähr 1,6 und später sogar mit 2,6 Millionen Jahren anzusetzen. Dabei blieb es nicht. Denn in den Jahren 1974 und 1975 wurden in Äthiopien und Tansania Funde gemacht, bei denen die betreffenden Forscher ein Alter von etwa 3,75 Millionen Jahren bestimmten.1

Die Schlüsse, die man aus diesen Funden zog, betrafen nicht nur das Alter der Menschen, deren Überreste man studierte, sondern auch deren einstige Lebensumstände. Das Bild des agressiven Wilden, das man sich meistens von unseren Ahnen machte, wurde durch das einer sozialen Gemeinschaft ersetzt, deren Mitglieder Intelligenz und gegenseitige Solidarität bewiesen. Was die Hominiden anbelangt – das ist die viel größere Kategorie aller Formen der menschlichen Ahnen und daher nicht nur der Spezies Homo Sapiens, über die wir gesprochen haben und die als unsere direkten Vorfahren betrachtet werden müssen –, musste man im Lauf der Zeit das Alter wesentlich erhöhen. Man ging von dem Gedanken aus, dass es ein gemeinsames Glied gegeben haben müsse, aus dem die Hominiden und die Affen hervorgegangen sind; und man meinte, dass die Trennung vor ungefähr sechs oder sieben Millionen Jahren stattgefunden haben müsse. Weitere Untersuchungen zeigten jedoch, dass einige Varianten echter Hominiden bereits vor 15, möglicherweise vor 20 oder mehr Millionen Jahren auf der Erde existierten. Die Spezies Homo erschien also viel später auf der Bühne – vor etwa 3 oder 4 Millionen Jahren; sie ist der direkte Urahne des heutigen physischen Menschen, der anatomisch und der Gehirnentwicklung gemäß uns in etwa entspricht. Hier müssen wir allerdings bemerken, dass nicht alle auf diesem Gebiet tätigen Gelehrten dieselben Auffassungen vertreten, weder in Bezug auf die Bedeutung der Funde noch auf deren Alter.

Die ganze Geschichte der kosmischen Evolution, so wie sie die archaische Weisheitslehre widerspiegelt, ist zu komplex, um hier tiefer erörtert zu werden; wir wiederholen deshalb, dass ein Planeten-Manvantara (die Dauer der Lebenszeit eines Planeten) aus sieben großen Zeitaltern besteht, die als Globenrunden bezeichnet werden. Gegenwärtig befinden wir uns in der vierten Runde.

In jeder Globenrunde gibt es sieben Wurzelrassen und wir sind jetzt in der fünften, die vor ungefähr 5 Millionen Jahren begann. Die erste Wurzelrasse erschien vor etwa 132 bis 150 Millionen Jahren. In seiner physischen Form erschien der Mensch vor 18 Millionen Jahren zum ersten Mal auf der Erde; aber vorher existierte er bereits in feinstofflicheren Formen, die astral oder ätherisch genannt werden.

Die Wurzelrassen sind in Unterrassen eingeteilt; und die Unterrassen ihrerseits sind wieder mehrfach unterteilt; die Zivilisationen der verschiedenen Rassen, die heute auf der Erde existieren, vertreten somit kleinere Äste.

Fußnoten

1. Die archäologischen Forschungen befinden sich in einer ständigen Entwicklung. Michael A. Cremo und Richard L. Thompson fassen in ihrem Buch Verbotene Archäologie (Bettendorf’sche Verlagsanstalt, ISBN 3-88498-070-X) zusammen: „ … bleibt die Schlussfolgerung, dass der Gesamtbefund (Fossilien und Artefakte eingeschlossen) sich bestens mit der Ansicht vereinbaren lässt, dass anatomisch moderne Menschen und andere Primaten seit mehreren zehn Millionen Jahren nebeneinander gelebt haben“. [back]

Der Mensch – das Kind eines siebenfältigen Universums

Das Universum selbst hat eine siebenfältige Konstitution. Eine der wichtigsten Lehren der Theosophie ist die Erkenntnis, dass das, was wir vom wirklichen Universum wahrnehmen, nicht mehr als sein Äußeres oder sein stofflicher Aspekt ist. Die übrigen sechs Aspekte sind unsichtbar für uns. Ihre Materie ist von ätherischerer Art als die uns vertraute, mit höheren und feineren Schwingungszahlen. Wir können sie nicht wahrnehmen, weil wir die dafür notwendigen ätherischen Sinne oder feineren Wahrnehmungsorgane nicht entwickelt haben. Deshalb sind sechs Siebtel des großen Organismus von Mutter Natur für uns immer noch verborgen. Auch in der Struktur des Lichts gibt es Bereiche – wie Ultraviolett auf der einen und Infrarot auf der anderen Seite –, deren Frequenzen entweder zu hoch oder zu niedrig sind, um durch unser Sehvermögen wahrgenommen zu werden. Aber trotzdem haben sie einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit und auf andere Bereiche in der Welt der materiellen Ursachen. Die Tatsache, dass alle Dinge durch innere, unsichtbare Kräfte und Impulse angetrieben werden, können wir sogar in der physischen Welt um uns herum erkennen. Ist das Leben und Wachstum einer Blume oder eines Baumes – die mit der Verteilung von Säften und Farbveränderungen usw. einhergehen – für uns nicht ebenso unsichtbar, abgesehen von den äußeren Wirkungen? Und wird ein Stein nicht durch die Kräfte von Anziehung und Abstoßung der Atome und Elektronen zusammengehalten, welche die unsichtbare Seite seiner Struktur bilden? Diese Tatsache, dass das physische und äußere Wesen sozusagen ‘von innen in Gang gehalten wird’, können wir ein Gesetz nennen, weil es überall in der Natur herrscht.

Diese inneren und unsichtbaren Reiche sind die ursächlichen oder schöpferischen Welten. Aus ihnen geht das physische Universum hervor. Die Natur, so wie wir sie um uns herum wahrnehmen, ist nur der physische Organismus in all seinen Aspekten, durch den die inneren Reiche der schöpferischen Evolution wirken. Aber die Natur ist viel mehr. Sie sollte eigentlich die Universalnatur genannt werden, die folgendermaßen definiert ist:

… die „Universalnatur“ . . . beinhaltet die spirituelle und materielle Natur mit all den zahllosen hierarchischen Ebenen, die dazwischen liegen, einschließlich den sichtbaren und unsichtbaren Welten, den göttlichen, spirituellen, intellektuellen, ätherischen, astralen und physischen Wesen.

– G. DE PURUCKER:The Esoteric Tradition, I:4.

Das Vorhergehende wird mit der Hilfe eines uns vertrauten Beispiels leichter verständlich. Denken wir an diejenigen, die uns am liebsten und teuersten sind. Was wir von ihnen sehen können, ist ihre physische Erscheinung, sowie ihr Tun und Lassen. Aber das ist der unwichtigste Aspekt dessen, was sie uns bedeuten. Es ist ihr komplexes inneres Selbst, das wir lieben. Wir lieben sie, weil ihr Intellekt, ihr Temperament oder ihre moralische Haltung uns fesselt. Dies alles zusammen macht den Menschen aus. Jemand, der uns bei einer ersten Bekanntschaft in körperlicher Hinsicht hässlich erschien, kann uns durch seinen noblen und menschenfreundlichen Charakter schließlich den Eindruck der Schönheit vermitteln. Und ein anderer, der uns anfangs durch äußerliche Schönheit fesselte, kann uns am Ende zuwider sein, wenn wir feststellen müssen, dass er oder sie von egoistischer und grausamer Natur ist. So ist es auch mit der Welt um uns herum. Sie besteht aus inneren Kräften und unsichtbaren schöpferischen Energien, welche die Realität bilden und deren physische Natur nichts weiter ist als das Äußerliche oder die Form.

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den unsichtbaren sechs Teilen der Konstitution eines Menschen und den unsichtbaren sechs Teilen der Konstitution der Natur. In beiden Fällen ist der physische Aspekt der niederste oder das siebte Prinzip – der Körper oder Sthūla-Śarīra. Genau wie wir unseren Körper der Erde entnehmen und unsere Vitalität indirekt von der physischen Sonne erhalten, entnehmen wir unsere unsichtbaren sechs Prinzipien den unsichtbaren sechs Prinzipien der Universalnatur.

‘Aber’, wird jemand vielleicht einwenden, ‘vorher wurde gesagt, dass wir all unsere Prinzipien von der Monade herleiten. Die Monade, sagten Sie uns, bringt Buddhi hervor, ihre Hülle oder ihr Kleid spirituell-intellektueller Substanz. Dann erzeugt Buddhi Manas, Manas entfaltet Kāma, und so weiter nach unten, entlang der siebenfältigen Leiter des Seins. Und nun sollte der Mensch seine Prinzipien von den sieben Prinzipien der Natur herleiten? Liegt hier nicht ein Widerspruch?’

Dies ist nicht der Fall, denn es verhält sich genauso wie beim Menschen. Was hat den größten Einfluss auf die Entwicklung des Menschen – sein angeborener Charakter oder das Milieu, in dem er geboren wurde? Am Ende müssen wir zugeben, dass – obschon die Umgebung von sehr großer Bedeutung ist – tatsächlich der Charakter als gestaltende Kraft maßgebend ist. Wäre es anders, so könnte es niemals vorkommen, dass Menschen, die in Armut oder in Elendsvierteln geboren wurden, sich zu den Spitzen des Erfolgs hocharbeiten. Der bekannte Ausdruck vom ‘Self-made-man’ verdankt seine Herkunft der Tatsache, dass die wirklich führende Kraft im Leben eines Menschen in ihm selbst liegt. Wenn diese Kraft stark genug ist, kann sie durch die Umgebung nicht ausgeschaltet werden.

Unsere eigenen charakteristischen Prinzipien entspringen unserer spirituellen Individualität, der Monade. Aber diese Prinzipien unterliegen selbstverständlich auch dem Einfluss der Prinzipien der Natur. Eine Eichel kann nur eine Eiche erzeugen. Aber die Eichel wird genährt durch Wasser, Luft und durch chemische Bestandteile des Bodens. Später nimmt sie für den Aufbau der Zellen und die Produktion von Farbe in den Blättern und Blüten die Sonnenvitalität in sich auf. Auch der Mensch, der göttliche Same des Universums, entzieht seine Nahrung den ihn umgebenden sieben Prinzipien der Natur. Der Astralkörper kann nicht von der Erde ernährt werden, sondern nur von seinen eigenen Elementen, die in den niedersten astralen Ebenen enthalten sind. So ist es entlang der ganzen Lebensleiter. Jedes Prinzip entnimmt das, wovon es erhalten wird, den entsprechenden Ebenen der unsichtbaren sechs höheren Prinzipien der Natur.

All unsere Prinzipien sind zweifältig. Nicht zweifältig in dem Sinne, dass sie aus zwei Teilen bestehen, wie eine Dose mit Deckel, sondern aus zwei Teilen, die auf die gleiche Art und Weise funktionieren wie eine elektrische Ladung, die einen positiven und einen negativen Pol hat. Jedes Prinzip hat eine energetische, das heißt eine positive Bewusstseinsseite und eine substantielle oder negative Seite. Durch letztere ist das Bewusstsein, das seine Existenz der Monade entnimmt, imstande, in den niederen Bereichen des Seins zu wirken. Die Bewusstseinsseite ist spirituelle Elektrizität, die der Lebenskraft der Monade entnommen wird. Die materielle Seite wird durch die magnetische Anziehung dieser Lebenskraft hervorgebracht – aus dem Reservoir der Lebensatome von den entsprechenden Prinzipien in der siebenfachen Natur.

Wir müssen auch bedenken, dass die Monade selbst ein wesentlicher Teil der integralen Natur ist. Sie ist eine Emanation oder Ausstrahlung des Wurzel-Bewusstseins unseres Universums, des kosmischen Selbstes, und sie bringt ihre homogene Energie durch ihr unmittelbares Vehikel, Buddhi, zum Ausdruck. So wie wir unsere physische Energie indirekt der Sonne entnehmen, so entnehmen wir unser spirituelles Leben indirekt über die Monade den spirituellen Energien der Universalnatur. Hier könnte man noch hinzufügen, dass die Sonne und alle Planeten ebenfalls siebenfältig sind.

Dieses Thema ist eines der fesselndsten aller theosophischen Lehren und ist aufs engste mit der großartigen Bestimmung des Menschen und seinen Erfahrungen und Abenteuern in den inneren Welten verknüpft. Aber es würde uns zu weit führen, wenn wir dieses Thema hier ausführlich behandeln würden. Hierzu verweisen wir den Leser auf die weiterführende theosophische Lieteratur.

Fatalismus – oder Schicksal ?

‘Dieses Gesetz – sei es bewußt oder unbewußt – prädestiniert nichts und niemanden. Es existiert von und in Ewigkeit, fürwahr, denn es ist EWIGKEIT selbst; und als solches, da keine Handlung der Ewigkeit gleich sein kann, kann man von ihm nicht sagen, daß es handelt, denn es ist HANDLUNG selbst. Es ist nicht die Welle, die einen Menschen ertränkt, sondern die persönliche Handlung des Unglücklichen, der vorsätzlich hingeht und sich unter die unpersönliche Wirkung der Gesetze begibt, welche die Bewegung des Ozeans beherrschen.’

– H. P. BLAVATSKY, Die Geheimlehre, Bd. II, S. 319

Wahrscheinlich gibt es keine Wahrheit, die nicht so verdreht werden kann, daß sie etwas anderes darstellt, als sie wirklich ist. Wie schon erwähnt, ist Karma im Grunde die Lehre des freien Willens. Dennoch wird diese Lehre, welche die Wahl des Handelns beinhaltet, durch eine merkwürdige Verdrehung der Gedanken oft als Fatalismus ausgelegt. Welcher dunkle Geist hat irgendwann suggeriert, daß das Leben des Menschen – eines Gottes im Embryostadium und des Gestalters seines eigenen Schicksals – einem vorbestimmten Schicksal untergeordnet sei ? Aber was immer jemand in einer niedergeschlagenen Stimmung auch sagen möge, jeder Mensch weiß tief im Herzen, daß er frei ist im Denken und Handeln. Das zeigt sich in der Tatsache, daß er fortwährend in der Richtung arbeitet, von der er sich Erfolg verspricht. Wenn er günstige Resultate sich selbst zuschreibt, ist es wohl eine merkwürdige Logik, für andere, weniger gute Erfolge den Willen Gottes verantwortlich zu machen, es sei denn, man meint den Willen seines eigenen inneren Gottes. Dies wird im folgenden Zitat aus der Zeitschrift Lucifer, Teil VI, Nr. 9, März 1935, erläutert:

Im praktischen täglichen Leben besteht kein Zweifel, daß der Mensch einen freien Willen hat. Die Freiheit des Menschen innerhalb bestimmter natürlicher Grenzen ist offensichtlich. In der Beziehung zu seinen Mitmenschen hat er grundsätzlich die Freiheit, zu wählen und ist daher verantwortlich. Unsere gesamte gesellschaftliche Struktur und unsere Gesetze beruhen darauf. Die Idee der moralischen Verantwortung setzt den freien Willen voraus. Einen Menschen, der sich weigert, zu handeln oder die Verantwortung für seine Taten auf sich zu nehmen, mit der Begründung, er habe keinen freien Willen, wird man als einen Einfaltspinsel betrachten oder als jemanden, der durch unsinniges Nörgeln die Erfüllung der Pflicht und richtiges Handeln verhindert. Ein Mensch, dem es nicht möglich ist, seine Handlungen mit seinem Willen zu beherrschen, ist schwachsinnig, ein Hysteriker oder geisteskrank. Ein Richter würde ihn nicht in das Gefängnis, sondern in eine Pflegeanstalt einweisen. Wenn der freie Wille eines Menschen solcherart gehemmt ist, wird er nicht verurteilt.

Die Frage des freien Willens wird durch die übertriebene Vorstellung von dem, was Freiheit ist, sehr unklar. Unbewußt meint man vielleicht, daß es keine Freiheit gibt, wo einige Begrenzungen vorhanden sind.

Freiheit kann nur unter der Bedingung gewährt werden, daß sie nicht mißbraucht wird. Der Mensch hat innerhalb der sozialen Gesetze der Gesellschaft, welcher er angehört, persönliche Freiheit. Wenn er diese Gesetze übertritt, wird seine Freiheit durch Gefängnismauern beschränkt. Bezweifelt oder stellt es jemand in Frage, daß ein Mensch draußen, verglichen mit einem Gefangenen, Freiheit besitzt?

In einer Gesellschaft, wo Gesetz und Ordnung herrschen, sind alle Menschen, innerhalb der Grenzen des Gesetzes und solange sie sich an die soziale Ordnung halten, frei. Ein gesetzestreuer Bürger ist kein Sklave, weil er sich an die notwendigen Beschränkungen der gesellschaftlichen Ordnung hält.

Menschen, die das Gesetz brechen, müssen die Folgen davon in Kauf nehmen, erst recht, wenn es sich um die höheren Gesetze der Einheit, Zusammenarbeit und Mitleid handelt, welche das Universum zusammenhalten und den tiefsten Kern, die Essenz der Dinge, formen. Jede in Bewegung gesetzte Strömung erreicht ihr Ziel und wird mit der gleichen Kraft zurückgeworfen, mit der sie bewußt gegen das höhere Gesetz gerichtet war. Aber es ist immer möglich, diese Kraft durch eine Gegenströmung abzuschwächen oder zu neutralisieren. Angenommen, jemand ist in eine Familienfehde verstrickt, wie sie früher im mittelalterlischen Venedig vorkamen, die das Leben durch Konflikte vergifteten, sich ständig weiter aufschaukelten und durch jede Generation neu genährt wurden. Nehmen wir an, daß ein solcher Mensch dann beschließt, wie es in jenen Tagen vorkam, den Bann zu brechen, die Freundschaft anzubieten und den alten Streit beizulegen. Das könnte den Anfang eines neuen Karmas bedeuten, welches das alte neutralisiert und das schließlich Frieden bringt, wo Zwietracht herrschte.

Manchmal verdreht das selbstsüchtige menschliche Denken diese Lehre noch in einer anderen Weise. Wir alle kommen dann und wann in Kontakt mit den Leiden anderer Menschen, die durch Unglücksfälle oder Schicksalsschläge getroffen wurden, womit wir scheinbar nichts zu tun haben. Man stellt sich dann manchmal die Frage, ob man nicht in das Karma eingreift, wenn man den Betroffenen hilft und versucht, ihr Leiden zu mildern. Das ist mehr oder weniger eine theoretische Frage, weil die meisten Menschen in der Praxis des täglichen Lebens unmittelbar bereit sind, zu helfen, wo es möglich ist, und damit einem angeborenen Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Verantwortung Folge leisten. Womöglich haben wir mit den Beteiligten in der Vergangenheit Bande geknüpft und die Umstände mitverursacht, die sie nun trafen. Wir sollten daher stets im Auge behalten, daß ‘das Unterlassen einer barmherzigen Tat eine Todsünde ist’ (Die Stimme der Stille). In unserer Blindheit verwirren wir oft die Fäden dieses komplizierten Lebensgewebes, das uns alle verbindet. Hüten wir uns vor Gleichgültigkeit. Der Mensch, der ‘auf dem Weg liegen blieb’, auf dem wir uns gerade befinden, hat ein Recht auf unsere Hilfe. Wenn es sein Karma ist, vom Unglück heimgesucht zu werden, ist es auch sein Karma, daß jemand vorbeikommt, der ihm Hilfe leisten kann. Das ist selbstverständlich. Denn über dem Gesetz der Ursache und Wirkung, das uns dorthin brachte, steht das ‘Gesetz der Gesetze, das Mitleid.’ Es ist eindeutig unsere Pflicht, ihm zu helfen und Beistand zu leisten. Wir können es getrost den Gesetzen der göttlichen Gerechtigkeit überlassen, darauf zu vertrauen, daß ein Mensch bekommt, was er verdient, und wir brauchen dabei nicht nachzuhelfen.

Wir sind unseres Bruders Hüter. Wehe dem, der hartherzig an ihm vorbeigeht.

Es wäre besser, wenn man einen Mühlstein um seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer.

(Lukas, 17,2)

Manche Dinge sind in der Tat unvermeidlich. Wir alle befinden uns im Universum und wir müssen leben. Wir sind hier auf der Erde und werden solange zurückkehren müssen, bis wir unsere Lektionen gelernt haben, und bis zu diesem Tage werden wir mit ihr verbunden bleiben. Aber wir selbst lenken unser Schiff in vernünftiger oder unvernünftiger Weise durch den Strom. Wenn wir die Probleme dieser Erde und die unsrigen, die damit verbunden sind, überwunden haben, steht es uns frei, weiter zu gehen, tatsächlich bestimmen dann wir, daß wir weiter gehen. Wer Karma als Fatalismus bezeichnet, übersieht die grundlegende Tatsache, daß der Mensch im Innersten seines Wesens eins ist mit dem Herzen des Universums, worüber keine höhere Macht steht.

Jeden Tag schnitzen wir mit unseren eigenen Händen diese zahlreichen Windungen in unser Schicksal, indes bilden wir uns ein, daß wir der königlichen Heerstraße der Ehrbarkeit und Pflicht folgen, und beklagen uns dann, daß diese Windungen so dunkel und so verworren sind. Wir stehen verwirrt vor dem Geheimnis, das wir selbst erschufen, und vor den Rätseln des Lebens, die wir nicht lösen wollen, und dann klagen wir die große Sphinx an, daß sie uns verschlingt. Aber fürwahr, es gibt keinen Zufall in unserem Leben, keinen mißratenen Tag und kein Mißgeschick, die nicht auf unser eigenes Handeln in diesem oder in einem anderen Leben zurückgeführt werden könnten. Wenn man die Gesetze der Harmonie bricht, … so muß man darauf gefaßt sein, in das Chaos zu stürzen, das man selber bereitet hat. …

Wenn daher irgend jemand hilflos vor diesen unveränderlichen Gesetzen steht, so sind das nicht wir selbst, wir, die Schmiede unserer eigenen Geschicke, sondern jene Engel, die Hüter der Harmonie. Karma-Nemesis ist nichts weiter, als die spirituelle, dynamische Wirkung von Ursachen, hervorgebracht durch unsere eigenen Handlungen, und von Kräften, die von eben denselben zur Tätigkeit erweckt wurden. …

Dieser Zustand der Dinge wird andauern, bis die spirituellen Wahrnehmungsfähigkeiten der Menschen voll eröffnet sind, … Bis dahin sind die einzigen Abwehrmittel gegen die Übel des Lebens Einigkeit und Harmonie – eine Bruderschaft DER TAT, und Altruismus, der nicht bloß dem Namen nach besteht. Die Unterdrückung einer einzigen schlechten Ursache wird nicht eine, sondern viele schlechte Wirkungen unterdrücken.

– H. P. BLAVATSKY, Die Geheimlehre, Bd. I, S. 705-706

Der Prozeß der Reinkarnation

Ausgehend von dem Gedanken der Reinkarnation können wir uns die Frage stellen: „Wo waren wir vor der Geburt?“ Bisher haben wir wenig über den Tod gesagt, und wir werden auch nun nicht näher darauf eingehen. Der Tod ist einer der erhabensten und bedeutendsten Lebensprozesse und wird in einem anderen Handbuch besprochen.

Wie bereits dargelegt, ist der Mensch allgemein ausgedrückt ein dreifach gegliedertes Wesen, und von diesen drei Grundelementen ausgehend schreitet die Evolution entlang dreier verschiedener Linien voran: der spirituellen, der mental-emotionalen und der astral-vitalen, die alle durch den Kanal des physischen Körpers zum Ausdruck kommen. Wenn der Körper stirbt und zerfällt und seine astral-vitalen Kräfte frei werden, folgt diesem Vorgang die allmähliche Auflösung der ganzen Persönlichkeit, des mental-emotionalen Wesens. Doch etwas von der Persönlichkeit wird noch fortbestehen, in einigen Fällen sogar ein großer Teil. Das spirituelle Ego wird nämlich soviel wie möglich von der Persönlichkeit in sich aufnehmen, das heißt, jene Elemente, die von seiner eigenen Art sind – die spirituellen Bestrebungen seiner Persönlichkeit, ihre selbstlosen und reinen Wünsche. Alles, was im Menschen Spiritualität besitzt, hat Anteil an dem Universal – Göttlichen, das den Kosmos beseelt und trägt. Das Ideal der Selbstlosigkeit, der Reinheit und der edlen Taten, nach dem konsequent gelebt wurde, wandelt die strebenden persönlichen Elemente in das unvergängliche Gold des Geistes um. Es verhilft dem Sterblichen zur Unsterblichkeit. Wenn der Tod eintritt, wird diese umgewandelte Energie nicht aufgelöst. Das reinkarnierende Ego fügt sie seiner eigenen Art hinzu.

Dieser Prozeß wird von einer sehr mystischen Erfahrung während des Sterbens unterstützt. In dem Moment, in dem der letzte Atemzug getan wird, betritt das Ego für kurze Zeit die Schwelle des irdischen Portals. Vor seinem nun unverschleierten Blick entrollt sich gleich einem Film ein Panorama all dessen, was in dem gerade beendigten Leben geschehen ist – bis zur letzten Einzelheit.

Im Lichte der sich ihm nun offenbarenden Freiheit folgt der selbstbewußte Denker diesen Lebensbildern, und er erkennt den Plan und die Bedeutung all seiner Erfahrungen, er sieht die Beziehung der Einzelteile zum Ganzen und dieses Lebens zu den vorausgegangenen. Das Verständnis der Gerechtigkeit und des Nutzens seiner Leiden und Prüfungen dringen zum Bewußtsein des Egos vor. Wenn es in die ‘Himmelswelt’, die Devachan genannt wird, aufsteigt, nimmt es diese Erinnerungen mit sich. Hier verbringt es eine lange Ruhezeit. Diese spirituelle Ruhe in der inneren ‘Himmelswelt’ gibt dem reinkarnierenden Wesen Gelegenheit, die Erfahrungen seines vergangenen Lebens auf Erden aufzunehmen und zu verarbeiten. Denn derselbe rhythmische Zyklus der Tätigkeit – Schlaf und Ruhe, Assimilation, gefolgt von erneuerten Energien, ist nicht nur für unseren physischen Körper kennzeichnend, sondern gehört zu allen lebenden Wesen, ob materiell, psychologisch oder spirituell. Natürlich gilt dies gleichermaßen für atomare, planetarische, stellare und kosmische Organismen.

Schließlich schlägt die Uhr und das Ego muß zum irdischen Leben zurückkehren. Warum? Nur deshalb, weil das Ego ausgeruht ist und wieder nach Leben und Wirken verlangt? Dies ist zweifelsohne einer der Gründe, denn der Durst nach Leben und das Wiederholen früherer Erfahrungen ist eine mächtige Ursache der materiellen Wiedergeburt.

Unbestimmte und flüchtige Erinnerungen an die früheren irdischen Schauplätze, die das reinkarnierende Ego einst kannte und liebte, beginnen nun panoramagleich an seinem Bewußtsein vorbeizuziehen. Diese aus dem früheren Erdenleben erwachenden Erinnerungen ziehen das Ego stetig zu den anderen Sphären, die es früher bewohnte, und es beginnt, durch Zwischensphären, -ebenen und -welten ‘hinabzusteigen’; mit dem Niedersinken der Monade werden diese Impulse im Verlaufe der Zeit immer stärker, so daß es, angezogen durch unseren Erdball, schließlich zu einer neuen Verkörperung in irdischer Existenz bereit ist.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 874

Die Hauptgründe, warum das Ego im Menschen, der Denker, aus seiner Zeit der Ruhe geweckt wird, um zu den Aufgaben, den Freuden und Leiden eines weiteren Erdenlebens zurückzukehren, sind folgende: zum ersten ist der Mensch dem kosmischen Gesetz der Wiederverkörperung unterworfen, dem alles was lebt, selbst die Himmelskörper und die Universen, gehorchen müssen. Auf die zweite Ursache wurde bereits hingewiesen: der Durst nach materiellem Leben, der Hunger, die Sehnsucht nach den Schauplätzen und Erfahrungen der Vergangenheit, an denen wir bewußt oder unbewußt hängen. Dies ist möglicherweise eine der bedeutendsten Ursachen für die Wiedergeburt.

Aber, wie bereits erwähnt, gibt es auch Menschen, die mit großem Nachdruck erklären, daß sie nicht auf die Erde zurückkehren wollen. Der Mensch sagt oder denkt dies, weil die Möglichkeiten und der Kummer in seinem Leben derart waren, daß er sich alles nur keine Wiederholung wünscht. Er fürchtet jedoch nicht das Leben, sondern die Sorgen, den Kummer und die Pein, die das Leben brachte.

Unser Bedauern wegen begangener Fehler oder Unfreundlichkeiten, ein lebenslanger Traum von einer Karriere, die nie möglich war, unbefriedigte Sehnsucht nach Büchern, Musik, Reisen, Luxus, nach passenden Freunden oder nach der Kraft, anderen zu helfen – das sind tatsächliche Energien. Einmal müssen sie eine Auswirkung zeigen. All diese Dinge erzeugen den unbewußten Durst im menschlichen Herzen und nur das menschliche Leben kann den Durst löschen.

Dieser ‘Durst’ ist eine zusammengesetzte unwillkürliche Gewohnheit, bestehend aus einer Reihe von Dingen, wie es bei allen Gewohnheiten der Fall ist, wenn wir uns selbst analysieren. Er besteht aus Liebe, Haß, Zuneigung der verschiedensten Art, aus magnetischer Anziehung der Scharen von Lebensatomen, welche die menschliche Konstitution zusammensetzen, sowohl die sichtbare wie die unsichtbare, und er besteht aus Sehnsüchten und Verlangen von vielerlei Arten, die sich alle während der verschiedenen Lebenszeiten auf Erden in der menschlichen Seele und im Geist ansammeln und die deshalb von den Theosophen kurz ‘Gedanken-Niederschläge’ genannt werden – emotionale, mentale und psychische Neigungen und Vorlieben. Das sind alles Energien, … und sie werden auf das Schicksal des reinkarnierenden Egos einwirken, bis die Evolution und das sich erweiternde Bewußtsein und die Reinigung durch Leiden schließlich das Bewußtsein des Menschen als Individuum zu höheren Ebenen übergehen läßt. . .

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 874

Dann hat die Sache noch eine andere Seite, nämlich die Anziehungskraft der Lebensatome. Dieses ist die dritte Ursache für die Rückkehr des Egos auf die Erde. Wenn die Zeit für die Reinkarnation gekommen ist, ‘steigt’ das Ego entlang dem gleichen Weg ‘hinab’, den es nach dem Ende des letzten Lebens ‘aufgestiegen’ war. Auf dem Wege nimmt es die gleichen Lebensatome wieder auf, die es zuvor zurückgelassen hatte und die nun wieder helfen, seine verschiedenen Vehikel aufzubauen. Die Lebensatome gehören nicht alle zur physischen Ebene. Es gibt verschiedene Klassen, die auf den drei allgemeinen Ebenen der Evolution wirksam sind, nämlich der physischen, der mental-emotionalen und der spirituellen. Diese Klassen von Lebensatomen manifestieren jeweils eine Stufe der Evolution, entsprechend der Ebene, zu der sie gehören. Lebensatome sind unendlich kleine, unentwickelte Gottesfunken, emaniert aus der Zentralen Lebensflamme im Herzen des Universums, und sie bilden die Bausteine auf allen Ebenen des Kosmos; sie formen den ‘Stoff’, aus dem die drei erwähnten Ebenen der Evolution aufgebaut sind und aus welchem die höheren Wesen auf dieser Ebene ihre Vehikel bilden, wodurch sie sich manifestieren können. So werden körperliche Handlungen und Funktionen des Menschen durch die Lebensatome ermöglicht, Lebensatome, die seinen Körper bilden, bis der Tod eintritt, wonach sie befreit werden, um ihre Transmigrationen fortzusetzen. Ebenso besitzt der Mensch seine mental-emotionalen und auch seine spirituellen Lebensatome, durch die sein persönliches Leben und das des Ego zum Ausdruck kommen.

Es gibt natürlich noch andere Ursachen, die zu dem unwiderstehlichen Drang des Ego, zum Erdenleben zurückzukehren, beitragen, aber wir haben hier genug gesagt, um deutlich zu machen, welche ‘Gesetze’ hier zugrunde liegen.

Wir kommen nun zu dem Vorgang, durch den das Ego sein Dasein auf diesem Planeten Erde wieder beginnt. Aus den oben erwähnten Gründen, verbunden mit anderen, die ebenso zwingend sind, erwacht das spirituelle Ego schließlich aus seinem glücklichen Traumzustand und beginnt seinen ‘Abstieg’ zur Erde. Das geschieht ganz allmählich. Die Zustände, die das Ego auf seinem Weg zum stofflichen Leben durchschreitet, sind zuerst psychologischer Art, da das Ego, Manas, das denkende Prinzip ist, das schöpferische, formende, selbstbewußte und intellektuelle Element in uns. Dieses psychologische Element formt zusammen mit dem emotionalen die Persönlichkeit, die das spezifische ‘menschliche’ Bewußtsein im Menschen ausmacht. Die psychologisch-emotionalen Lebensatome, die das Ego an der Schwelle zur Wiedergeburt erwarten, werden gebraucht, um das erste Gewand oder Vehikel zu formen, mit dem sich das Ego umgibt, wenn es aus den höheren, spirituellen Bereichen heraustritt. Dann sind die niederen vitalen Kräfte an der Reihe, die Lebensatome aus etherischer oder astraler und physischer Substanz, die von ihren formativen Neigungen geleitet werden, die im letzten Leben eingeprägt wurden und die dann durch ihre Transmigrationen noch verstärkt werden.

Diese Lebensatome sind die Träger der Skandhas, über die wir schon sprachen. Durch ihre Verbindung mit dem reinkarnierten Wesen werden die Lebensatome durch die physischen, mentalen und emotionalen Neigungen des vergangenen Lebens geprägt oder geformt. Die Transmigrationen der Lebensatome selbst, die nach dem Tode des Körpers beginnen, werden von diesen Skandhas bestimmt. Wenn die Lebensatome zu dem Wesen zurückkehren, das dabei ist, zu reinkarnieren, dann sind es diese Skandhas, die in den Lebensatomen verkörpert sind, welche die Natur und die charakteristischen Merkmale der mentalen, emotionalen und physischen Hüllen des neuen Erdenlebens liefern.1

… Das reinkarnierende Ego … wird magnetisch und psychisch zu der Familie hingezogen … wo schwingungsmäßige Bedingungen bestehen, die seinen eigenen am ähnlichsten sind. Seine niedrigste, d.h. mehr materielle Kraft und Substanz verbindet sich psycho-magnetisch durch ihr eigenes astral-vitales Fluid mit dem ‘Laya-Zentrum’ einer menschlichen Fortpflanzungszelle, wenn die geeignete Zeit kommt; und vom Augenblick der Empfängnis an, ‘der geeigneten Zeit’, überschattet das reinkarnierende Wesen dieses Teilchen, während es von der Empfängnis an durch seine verschiedenen Phasen wächst, vom Leben im Mutterleib zur Geburt, Kindheit und in das Erwachsenenleben.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 893

Hier stoßen wir natürlich auf die allgemein verbreiteten Theorien der Vererbung, die als die entscheidenden Ursachen aller unserer geistigen und körperlichen Eigenschaften betrachtet werden. Durch die Vererbungstheorie werden die Ungleichheiten im menschlichen Leben nicht erklärt, sondern einfach nur ein wenig in den Hintergrund geschoben. Warum werden einige in den schwierigsten und andere in den scheinbar günstigsten Verhältnissen geboren? Dergleichen Fragen entmutigen den Durchschnittsmenschen mehr als alles andere und sie verlangen dringend nach einer Erklärung. Wenn wir jedoch an die auswählenden Eigenschaften der verschiedenen psychologischen, emotionalen, astralen und vitalen Vehikel denken, die sich bereits vor der Empfängnis um das Ego formen, können wir begreifen, daß ein reinkarnierendes Wesen automatisch aus dem Strom der Erbanlagen seiner Familie genau jene Neigungen verkörpert, welche seiner eigenen Natur entsprechen, wie es sie in der Vergangenheit entwickelte. So gesehen sind die Erbanlagen das, was sie wirklich sind, nur ein anderer Name für die Wirkung der schöpferischen Energien, hoch oder niedrig, die von dem Individuum selbst in seiner Vergangenheit geschaffen wurden. Die Familie und die Eltern sind nur der unumgängliche Kanal, durch welchen diese selbstgeschaffenen Energien sich als Konsequenz in Charakter, Temperament und in der physischen Konstitution auswirken.

An diesem Punkt angekommen, erkennen wir von Neuem, wie die schöpferischen Prozesse der Natur sich wiederholen. Denn ebenso wie das Ego, das den Körper verläßt, ein lebendiges Bild des eben beendeten Lebens an sich vorbeiziehen sieht, so übersieht es nun an der Schwelle des menschlichen Daseins die Ereignisse des kommenden Lebens. Das spirituelle Ego nimmt alles, was geschehen wird, als notwendig und gerecht an; es unternimmt dann freiwillig einen neuen Versuch, um die menschliche Persönlichkeit über das Gewissen und durch die Liebe auf dem Weg zu leiten, der zur Selbsterkenntnis und Selbstbemeisterung führt.

Es ist interessant, darüber nachzudenken, daß wir in gewissen Sinne dieselbe Persönlichkeit sind wie im vorigen Leben, da unser ganzes Wesen aus Lebensatomen aufgebaut ist, die wir in vergangenen Leben benützten. Dennoch, weil alle diese Lebensatome sich bei der Geburt in neuen Kombinationen verbinden und nachdem wir außerdem in Übereinstimmung mit unserer Vergangenheit vielerlei Erfahrungen gemacht haben, so ist unsere neue Persönlichkeit doch gänzlich verschieden von jener, deren wir so überdrüssig waren, als der Tod uns freundlich zwang, sie wie ein abgetragenes Kleid beiseite zu legen.

Ist es nicht sonderbar, stets derselbe und doch immer wieder neu zu sein – die Bewußtseins- und Energiesubstanzen und alle Grade von Materie, durch welche wir als spirituelle Egos tätig sind, zu entwickeln, zu verändern und zu vervollkommnen?

Über die Dauer der Periode zwischen zwei Inkarnationen schreibt Dr. de Purucker folgendes:

Es gibt ein Gesetz oder eine Regel im Okkultismus, die ganz auf dem Wirken der Natur basiert, daß ein Mensch gewöhnlich nach einer Zeitdauervom etwa einhundertfachen der Jahre, die das letzte Erdenleben dauerte, reinkarniert. … Je höher ein Mensch auf der evolutionären Leiter steht, desto länger dauert in der Regel sein Devachan; je materieller ein Mensch dagegen ist, desto kürzer währt sein Devachan. Menschen mit einer sehr materialistischen Einstellung reinkarnieren dann, relativ gesprochen, auch sehr schnell, und diejenigen, die spirituell eingestellt sind bleiben, wie gesagt, viel länger in den unsichtbaren Welten. Warum? Weil ihre Seele dort zuhause ist und sie, je nach dem Grad ihrer Spiritualität, ihre Verbundenheit mit den Welten stärker fühlen. Die grobstoffliche Sphäre, worin sich das irdische Leben vollzieht, ist in gewissem Sinne fremdes Land für ihre Seele. Sie übt auf den spirituell eingestellten Menschen wenig Anziehungskraft aus, jedoch für den Menschen mit materialistischer Einstellung gilt das Gegenteil.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 680, 684

Dies ist die allgemeine Regel, aber natürlich gibt es Ausnahmen.

Diese kurze Skizze gibt dem Suchenden hoffentlich eine Vorstellung, sei sie auch unvollständig, von der komplexen Thematik der Reinkarnation. Und doch ist sie so einfach zu verstehen, wenn wir die Grundprinzipien der Evolution einmal verstanden haben. Die Grundprinzipien sind: Die Einheit aller Wesen, die zyklische und periodische Natur allen manifestierten Lebens und die Verpflichtung aller Wesen, die den Kosmos bilden, sich entlang der stets aufstrebenden Spirale der Wiederverkörperung zu entwickeln.

Fußnoten

1. Für eine Beschreibung der physischen Prozesse der Reinkarnation siehe The Esoteric Tradition, Bd. II, Kapitel XXX. [back]

Nach dem Tod

Der Tod ist nicht der ‘König der Schrecken’, sondern ein freundlicher Befreier, eine segensreiche Befreiung für den Geist. Er ist an sich schmerzlos und das Tor zur Ruhe und zu unaussprechlicher Seligkeit. ‘Tod ist Geburt’ in einem sehr realen Sinne. Er ist ein völlig natürlicher Vorgang, notwendig für die Evolution des Menschen über die Zyklen des Erden-Lebens hinweg; er ist so notwendig wie der Schlaf, dem er auf mehr als eine Weise gleicht.

Der Tod ist jedoch keine endgültige Befreiung; er ist nicht das, was die östliche Philosophie als ein Überqueren oder Erreichen des ‘Anderen Ufers’ bezeichnet. Das ist ein dichterischer Ausdruck für die Tatsache, daß die Erkenntnis des inneren Gottes erreicht ist, das Resultat, das man sich durch viele Tode und Geburten erkämpft hat. Es ist der Zustand hoher Adeptschaft.

Die Menschen, welchen die inneren Bereiche der Natur wie ein Buch offenliegen, die durch spirituelle Entwicklung und Initiation den Schleier in vollem Bewußtsein durchdrungen haben, gaben uns einen allgemeinen Überblick über die Stufen des Fortschritts und des Freiwerdens nach dem Tod, einen Überblick, der logisch, wissenschaftlich und in Übereinstimmung mit unseren Idealen ist.

Kurz gesagt, sind die wichtigsten Einzelheiten diese: nachdem der verbrauchte physische Körper abgelegt wurde, zerfällt der halb-physische Astralkörper, Linga-śarīra, und es folgt ein Prozeß der Vorbereitung, in dem das menschliche Ego allmählich von den niedrigeren, weltlichen und alltäglichen Wünschen befreit wird. Das Niedere Manas durchschreitet sozusagen einen Prozeß, in dem es gereinigt wird, so ähnlich wie Metall durch Hitze von der Schlacke befreit wird. Das Kāma-Prinzip schwindet als aktive Kraft mit den niedrigen Erinnerungen der vergangenen Persönlichkeit dahin. Manchmal ist dieses Prinzip so stark und die Verbindung so eng, daß es lange Zeit als trügerische oder Pseudo-Persönlichkeit, Kāma-Rūpa genannt, zurückbleiben kann. Aber das wahre menschliche Ego schreitet vorwärts und läßt das Abbild oder den Rückstand der früheren Persönlichkeit, ihrer spirituellen Qualitäten beraubt, zurück, auch wenn diese zeitweise ein gewisses Maß an Bewußtsein und sogar Gedächtnis beibehalten mag.

Das wirkliche Menschliche Ego oder die Monade ist von den niedrigen leidenschaftlichen Elementen befreit oder technisch ausgedrückt, es ist durch den ‘Zweiten Tod’ gegangen und geht in den devachanischen Zustand ein, wo es uneingeschränkte Glückseligkeit in einer ‘Himmels-Welt’ genießt, der subjektiven Schöpfung der höchsten spirituellen Gedanken und Bestrebungen ‘im Busen der Göttlichen Monade’.

‘Denn welche Träume auch immer im Todesschlaf kommen mögen …’

– SHAKESPEARE, Hamlet, III. Akt, 1. Szene

Das geläuterte menschliche reinkarnierende Ego erfährt in seinem eigenen devachanischen Zyklus ein völliges Erwachen zu spirituellem Bewußtsein, einen Höhepunkt und einen Abstieg in einen Zustand der Lethargie, welcher der nächsten Verkörperung auf Erden vorausgeht. Die karmischen Samen beginnen zu keimen, während der Zyklus seine Runde vollendet; dann erblickt ein neugeborenes Kind das Licht des vertrauten irdischen Tages.

Im Augenblick des Todes, vor der Bewußtlosigkeit, die der Vorbereitung für das Devachan vorausgeht, entrollt sich vor dem inneren Auge des Ego ein vollständiges Panorama des vergangenen Lebens. Jedes Ereignis wird in seinem richtigen Zusammenhang gesehen. Alle Handlungen und Gedanken werden von uns selbst beurteilt, und es wird deutlich, daß selbst die geringsten davon unter das unpersönliche Walten der ausgleichenden Gerechtigkeit von Karma fallen. Auch vor der Wiedergeburt entrollt sich ein ähnliches Bild von den Bedingungen, die das menschliche Ego in der kommenden Inkarnation antrifft – was es sich selbst durch seine eigenen Handlungen und Gedanken bereitet hat. Alles wird deutlich gezeigt. Wenn daher die äußere Persönlichkeit, die nichts von den vergangenen karmischen Ursachen weiß, in der bevorstehenden Inkarnation das Unglück verflucht, das ihr beharrlich auf den Fersen blieb, und sich bitter über das Mißgeschick beschwert – so beklagt sich der innere Mensch nicht, denn er weiß, es ist die Ernte früherer Saaten. Wenn wir den Schlüssel zum Wissen finden und lernen, nach innen zu schauen, werden wir dies alles erkennen und ungeachtet äußerer Mißgeschicke Frieden haben. Die Menschen, die über die Tiefschläge des Lebens nicht klagen, haben schon ein intuitives Wissen davon, wenn sie auch vielleicht ihre Gefühle nicht analysieren können.

Außergewöhnliche Fälle und abweichende Umstände im nachtodlichen Zustand können an dieser Stelle nicht besprochen werden. Einen sehr wichtigen Vorgang, der nach dem Tod des Körpers und im devachanischen Zustand des menschlichen Egos stattfindet, können wir in diesem Zusammenhang aber nicht übergehen. Das menschliche Ego selbst wird dadurch nicht bewußt beeinflußt, denn der Prozeß betrifft ausschließlich die höhere Monade, das essentielle Selbst, aus dem das menschliche Ego oder die Monade hervorging, als sie ihre letzte Inkarnation begann und zu der sie zu ihrer Ruhe und spirituellen Erholung zurückkehrt.

Dieser besondere Prozeß besteht in der Wanderung der spirituellen Monade von einem Planeten der sogenannten ‘Sieben Heiligen Planeten’ zum anderen, wenn sie dem Pfade folgt, der als die Äußere Runde bekannt ist. In dieser Äußeren Runde sammelt die höhere Monade Erfahrungen hinsichtlich der Formen von Leben und Materie, die sich von jenen unterscheiden, welche sie auf der Erde kannte, die aber für ihren eigenen Fortschritt notwendig sind. Obwohl die menschliche Monade oder das Ego im Busen der höheren Monade ruht, hat es keinen Anteil an diesen Erfahrungen, die ihm nicht zugänglich sind, bis es eine weit höhere Stufe erreicht hat. Die menschliche Monade bleibt in ihrer devachanischen Seligkeit, während das spirituelle Elter eine Zeitlang auf jedem der ‘Heiligen Planeten’ verweilt.

Übereinstimmend warnen die großen Seher und Weisen aller Zeitalter nachdrücklich vor der Praktik, die Schatten der Verstorbenen zurückzurufen. G. de Purucker sagt in The Esoteric Tradition, S. 761:

‘Nachdem der physische Körper abgeworfen wurde und das Reinkarnierende Ego von der Anziehung der stofflichen Sphäre befreit ist, bleibt es für eine bestimmte Zeit in den niederen Ebenen oder Reichen des Astrallichts, und schließlich findet der ‘Zweite Tod’ statt, d. h., das Reinkarnierende Ego wirft seinen Kāma-Rūpa ab, die mehr oder minder exakte Kopie in Gestalt und Erscheinung des Menschen wie er war, als er noch auf der Erde lebte. Daher spricht man davon, daß die niederen Reiche des Astrallichts buchstäblich überhäuft sind mit einer großen Anzahl solcher Kāma-Rūpas oder Formen und Gestalten, und jede von ihnen ist eine mehr oder weniger perfekte Kopie des früher auf der Erde lebenden Wesens. Diese Kāma-Rūpas oder astralen Überbleibsel, die Schatten oder astralen Bildnisse der Wesen, die auf der Erde gelebt haben, sind die ‘Spukgeister’ oder Trugbilder, von welchen in der Esoterischen Philosophie gesprochen wird. Sie sind alle seelenlos, sind lediglich ‘Hüllen’, weil das Reinkarnierende Ego, das seinen Kāma-Rūpa früher als ein Bindeglied zwischen sich selbst und dem physischen Körper benutzte, nun von seinem Kāma-Rūpa befreit und auf seinem Weg ins Devachan ist.’

Die Theosophie leugnet nicht, daß viele Phänomene der spiritistischen Sitzungen echt sind. Tatsächlich begann H. P. Blavatsky ihre Arbeit in der Öffentlichkeit bei den Spiritisten, weil sie wußte, daß diese für psychische Phänomene aufgeschlossener waren als die damaligen Wissenschaftler oder Theologen; sie hoffte, daß sie das Licht begrüßen würden, das die Östliche Philosophie auf dieses gesamte Gebiet wirft.

Gemäß der Alten Weisheit ist es völlig ausgeschlossen, daß die spirituellen Egos sich jemals ‘materialisieren’; abgesehen von Ausnahmefällen stammen die Mitteilungen, die der Mensch empfängt, von dem Kāma-Rūpa oder der Pseudo-Persönlichkeit, die sich noch nach dem Kontakt mit der irdischen Ebene sehnt, wenn sie auch nur eine ‘Hülle’ ist, aus der sich die höhere Triade wie ein Schmetterling aus seinem Kokon zurückgezogen hat.

Eine weitere Verwirrung, die sehr häufig vorkommt, entsteht durch die Possen von Naturgeistern oder Elementalen, welche die verblassenden gespenstischen Schatten beleben und die abgeschiedene Persönlichkeit vortäuschen können, wie sie sich oft höhnisch rühmen. Jene Wesen werden als Elementale bezeichnet,

‘die einen Zyklus evolutionären Wachstums beginnen und sich im elementalen Zustand ihres Wachstums befinden. Es ist ein vereinfachender, verallgemeinernder Ausdruck für alle Wesen, die in ihrer Entwicklung unter den Mineralien stehen.’ …

‘Ein Elemental ist ein Wesen, das in unserem Universum die niederste Ebene oder die niederste Welt, den untersten Grad oder die unterste Stufe der aufsteigenden Lebensleiter dieses Universums betreten hat. Diese Lebenstreppe beginnt in jedem Universum auf seiner untersten Stufe und endet für jedes Universum auf seiner höchsten Stufe – auf der des universalen, kosmischen Geistes. Daher wandert das Elemental bei seinem Aufstieg auf der Lebensleiter vom elementalen Zustand durch alle Reiche des Seins, geht durch den menschlichen Zustand, wird übermenschlich, halbgöttlich – ein Halbgott – und wird dann ein Gott. Auf diese Weise betraten auch wir Menschen zuerst dieses gegenwärtige Universum.

Jede Menschenrasse auf der Erde hat an diese Scharen elementaler Wesen geglaubt, von denen einige sichtbar sind wie die Menschen, die Tiere und die lebenden Pflanzen, während andere unsichtbar sind. Die unsichtbaren Wesen erhielten verschiedene Namen: Feen, Naturgeister, Poltergeister, Alben, Heinzelmännchen, Wichtelmänner, Nixen, Trolle, Kobolde, weiße Frauen, Faune, Satyre, Devas, Dschinns usw.’

Okkultes Wörterbuch, G. de Purucker, S. 48

Man muß sich ganz klar darüber werden, daß die astrale Welt, besonders in ihren zugänglicheren Bereichen, von feinen Täuschungen erfüllt ist, in denen sich der nicht geschulte Forscher, wie intelligent er auch sein mag, wie in einem Irrgarten schnell verliert. Die Türe, einmal geöffnet, ist schwer zu schließen; das haben viele zu ihrem Schaden erfahren, wenn sie unwissend in den sogenannten ‘okkulten Künsten’ herumgepfuscht haben oder versuchten, die niederen physischen Kräfte zu entwickeln, die fälschlicherweise spirituell genannt werden.

In der westlichen Welt vermutet man kaum, daß das menschliche Wesen von einem so vielfältigen ‘Bewußtseinsstrom’ gebildet wird; und noch weniger kennt man die ‘Geographie’ der unsichtbaren Ebenen.

Wir tun gut daran, die astrale Ebene jenen zu überlassen, welche die Aufgabe haben, die dortigen Täuschungen zu untersuchen; jenen, die die notwendige Schulung der Selbstkontrolle und der Selbsterkenntnis durchgemacht haben, die nicht lediglich danach streben, die intellektuelle Neugier zu befriedigen, und die durch den starken Schutz der unpersönlichen Liebe behütet werden. Für uns befindet sich unsere Schule der Erfahrung hier und jetzt, in den Ereignissen des täglichen Lebens.

Das bedeutet natürlich nicht, daß man das gesammelte Wissen und die Lehren über das Thema des Psychismus und die Gesetze, die diesen Erscheinungen zugrunde liegen, nicht studieren sollte. W. Q. Judge sagt:

‘Unsere Philosophie erklärt die bereits verfügbaren Tatsachen und zeigt deutlich, daß zuerst die Tugenden und edlen Charakterstärken entwickelt werden müssen, bevor wir auch nur einigermaßen imstande sind, uns praktisch mit psychischen Kräften zu beschäftigen. Gleichzeitig kann sie dazu beitragen, dem gesamten Aberglauben bezüglich der vielen sich täglich ereignenden paranormalen Erscheinungen zuvorzukommen und damit abzurechnen, indem sie die zusammengesetzte Natur des Menschen hinreichend erklärt.’

The Theosophical Forum, Aug. 1894

Der zeitweilige Trost, der den Trauernden durch die angeblichen Verbindungen gespendet wird und auf Kosten des Mediums geht, wird reichlich durch die von der Theosophie erklärten Übel aufgewogen. Wenn wir unsere verstorbenen Freunde wirklich lieben, dürfen wir nicht versuchen, sie auf diese irdische Ebene zurückzuholen, von der sie zu dem unaussprechlichen Frieden Devachans aufgestiegen sind. Selbst der Kāma-Rūpa, die Hülle, sollte nicht wiederbelebt und mit ‘scheinbarem’ Leben und Intelligenz ausgestattet werden. Es ist ein Verbrechen gegen den wohltätigen Prozeß des Loslösens von der Natur.

Es ist besser, daß wir unsere Freunde ihren natürlichen Weg empor und nach innen beschreiten lassen, darauf vertrauend, daß wir sie sicherlich erneut treffen werden, wenn wir sie wirklich lieben, denn Liebe zieht Liebe an. In den östlichen Ländern wird das Zurückrufen der Schatten als ungehörig und schlimm betrachtet, und die mit der Mediumschaft verbundenen Gefahren sind nur zu gut bekannt.

Wir sind jedoch von den Freunden, die wir im Leben liebten, nicht gänzlich getrennt, selbst jetzt nicht. Es besteht die Möglichkeit einer sehr realen Verbindung zwischen unserem und ihrem spirituellen Ego. Das geschieht im Schlaf, wenn wir von den Begrenzungen der niederen Persönlichkeit befreit sind und unser besseres Selbst, das Höhere Manas, sich in hochspirituelle Bereiche zurückzieht. Es ist auch sehr selten, daß man sich beim Aufwachen an eine Spur von einer derartigen Verbindung erinnern kann, wenn auch ein Gefühl zurückbleiben kann, daß man ein wunderbares Erlebnis gehabt hat. Solche Erfahrungen haben jedoch nichts mit den Banalitäten der gewöhnlichen spiritistischen Sitzung oder mit den astralen Untersuchungen der parapsychologischen Forschung zu tun.

Die Großen Lehrer sagen uns, daß wir – um das Leben zu kennen – den Tod kennen müssen, und daß das ‘Abenteuer des Lebens’ in seiner Gesamtheit die Intervalle zwischen den Inkarnationen einschließt, denn der Tod des zeitweiligen Vehikels ist für das wahre Ego nur eine Tür zu neuen Erfahrungen. Die Abenteuer des Spirituellen Egos können aber von jenen verstanden werden, die zu hohem spirituellem Bewußtsein emporgestiegen sind und durch Einweihung den Schleier durchschritten haben. Die anderen können nur den äußeren Rand des Wissens berühren.

Der Adept und das Medium befinden sich an entgegengesetzten Polen; der erstgenannte kann nicht durch unbekannte Kräfte oder Wesen beherrscht werden; seine Schulung entwickelt die positiven, gottähnlichen Eigenschaften. Er ist ein Meister des Lebens, kein passiver Vermittler, der selbst die Gesetze der halbmateriellen, astralen Bereiche nicht kennt.