Die Theosophische Gesellschaft und ihre Ziele
Die Theosophische Gesellschaft ist eine weltweite Vereinigung von Menschen, die sich der praktischen Verwirklichung der Einheit allen Lebens und der unabhängigen spirituellen Suche widmet. Sie wurde im Jahre 1875 in New York City von Helena Petrovna Blavatsky, Henry Steel Olcott, William Quan Judge und anderen gegründet.
H. P. Blavatskys Schriften und die Überlieferungen ihrer Lehrer stellen die grundlegenden Gedanken dieser Philosophie dar. Blavatsky war gebürtige Russin und bereiste zwanzig Jahre lang Europa, die beiden Teile Amerikas, Asien und den Nahen Osten, um Mystik und Okkultismus zu studieren. Mehr über ihr Leben und ihre Arbeit kann man in Biographien finden wie HPB Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der der modernen Theosophie von Sylvia Cranston (ISBN 3894271914, Aquamarin Verlag) und H. P. Blavatsky and the Theosophical Movement von Charles J. Ryan (ISBN 0911500804, Theosophical University Press).
Die Theosophische Gesellschaft hat drei Hauptziele. Das erste ist, die Einheit allen Lebens als eine Tatsache der Natur aufzuzeigen und einen Kern einer universalen Bruderschaft zu bilden. Das geschieht deshalb, weil nach Blavatsky …
(a) alle Menschen spirituell und physisch denselben Ursprung haben; dies ist eine fundamentale theosophische Lehre.
(b) Da die Menschheit im wesentlichen aus derselben Essenz stammt, und diese Essenz eine Einheit ist – unendlich, unerschaffen und ewig, ob wir sie Gott oder Natur nennen – kann nichts ein Volk oder einen Menschen betreffen, ohne auch alle anderen Völker und alle anderen Menschen zu beeinflussen. Das ist so gewiss und so offensichtlich wie die Tatsache, dass ein in einen Teich geworfener Stein früher oder später jeden einzelnen Wassertropfen darin in Bewegung versetzen wird.The Key to Theosophy, S. 41
Um ein besseres Verständnis unter allen Völkern und die Erkenntnis der essenziellen Einheit allen Lebens zu fördern, stellt das zweite Ziel eine Aufforderung dar, alte und moderne Religionen, Wissenschaften und Philosophien zu studieren:
Nur durch das Studium der verschiedenen großen Religionen und Philosophien der Menschheit, durch einen sachlichen Vergleich mit vorurteilsfreiem Gemüt, können die Menschen hoffen, zur Wahrheit zu gelangen. Besonders wenn wir die verschiedenen Punkte der Übereinstimmung herausfinden und bemerken, können wir dieses Ergebnis erreichen. Denn nicht eher werden wir zu deren innerer Bedeutung gelangen – sei es durch Studium oder dadurch, dass uns ein Wissender belehrt – als dass wir sie, in fast allen Fällen, als Ausdruck einer großen Wahrheit in der Natur erkennen.
ebenda, S. 59
Das dritte Ziel ist, die Gesetze und Kräfte – spirituelle, psychologische und materielle – die im Kosmos und im Menschen wirken, zu erforschen. Jeder Mensch ist ein Teil des Ganzen und enthält – latent oder offenbart – alle Eigenschaften und Attribute des Kosmos. Daher bedeutet sich selbst gänzlich zu kennen, das Universum und alles darin zu verstehen. Die Gesellschaft warnt jedoch davor, vorsätzlich psychische Kräfte hervorzubringen, Nebenprodukte der Evolution, die mit der Zeit auf natürliche Weise zum Vorschein kommen. Die Förderung derartiger Kräfte lenkt von den tieferen Zielen des menschlichen Wachstums ab und kann zu Missverhältnissen in der Entwicklung und im Bewusstseinszustand führen.
Das Hauptziel der Theosophischen Gesellschaft ist es, Altruismus und Mitleid zu fördern. Wer ihr beitreten möchte, muss keinen besonderen Glauben annehmen, er sollte lediglich ihre Ziele unterstützen; die Mitglieder können jeder beliebigen Religion angehören – oder auch keiner. Während die Mitglieder jede beliebige Tätigkeit nach eigenem Gutdünken ausüben können, ist die Gesellschaft unsektiererisch und unpolitisch und offen für alle Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität, der Klasse, des Glaubens oder des Geschlechtes. Ihr Bestreben ist es, der Menschheit zu helfen und nicht, die Eigeninteressen ihrer Mitglieder zu fördern oder zu stärken.
Was ist ein Theosoph? Als Blavatsky diese Frage beantwortete, sagte sie, dass die „eigentliche Wurzelidee der Gesellschaft freies und furchtloses Forschen sei“. Um ein Theosoph zu sein, fuhr sie fort,
muss man nicht notwendigerweise die Existenz eines besonderen Gottes oder einer Gottheit anerkennen. Man muss jedoch den Geist der lebenden Natur verehren und versuchen, sich mit ihr in Einklang zu bringen… Wenn ein Schüler, er mag sein, was er will, einmal den alten und vielbegangenen Weg der Routine verlassen hat und den einsamen Pfad des unabhängigen Denkens betritt – gottwärts – dann ist er ein Theosoph, ein unabhängiger Denker, ein Sucher nach der ewigen Wahrheit mit „eigener Inspiration“, um die universalen Probleme zu lösen.
The Theosophist, Oktober 1879, S. 6