Historischer Überblick

Kirby van Mater

 

 

Alle zitierten Bücher und Zeitschriften und alle Briefe und Dokumente, bei denen nichts Besonderes vermerkt ist, befinden sich im Archiv der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Kalifornien.

 

 

Fast ein Jahrhundert ist vergangen, seit H. P. Blavatsky ihre Briefe an die Amerikanischen Konvente gesandt hat. Sie sind auch heute für uns wichtig geblieben, obwohl sich die Welt und die Struktur der theosophischen Bemühungen beträchtlich verändert haben. Während jeder von uns ihre Aussagen auf seine individuelle Situation anwenden kann, mag es aber hilfreich sein, kurz die allgemeine Situation zu betrachten, die ihre Feststellungen veranlassten, wobei an mehrere wichtige Ereignisse gedacht werden muss, die sich nach Beginn ihrer öffentlichen Arbeit entwickelten.

Die theosophischen Bemühungen von Mme. Blavatsky scheinen sich in drei Perioden zu gliedern: Amerika, 1873 bis 1878; Indien, 1879 bis 1885; und Europa, 1885 bis zu ihrem Tod im Jahr 1891. Die erste Periode begann im Juli 1873, als sie auf Anordnung ihres Lehrers von Paris in die Vereinigten Staaten kam. Anfangs versuchte sie, die Mitglieder der spiritistischen Bewegung für die Philosophie und Bedeutung hinter deren Phänomenen zu interessieren. Als dieser Versuch aber fehlschlug, wurde sie im Juli 1975 beauftragt, „eine philosophisch-religiöse Gesellschaft zu gründen und einen Namen dafür zu wählen – ebenso Oberst Olcott [als Vorstand] zu wählen“. 1 Infolgedessen gründeten H. P. Blavatsky und Henry S. Olcott, William Q. Judge und dreizehn weitere Personen in New York City die Theosophische Gesellschaft, mit Olcott als Präsident, der auf ihrem ersten offiziellen Treffen am 17. November 1975 die Gründungsansprache hielt.

Die in der Präambel und in den Statuten der Gesellschaft festgelegten Zielen und Zwecke waren noch nicht so definiert wie später. Grundsätzlich wollten die Mitglieder „Kenntnisse über die Gesetze, die das Universum regieren, sammeln und verbreiten“, und alle Philosophien, Religionen und Wissenschaften erforschen. Sie befürworteten selbstlose Hingabe, Mut, Reinheit, im Leben und Denken bei der Suche nach Wahrheit. Bei der Prüfung der Eignung von Bewerbern um Mitgliedschaft machte die Gesellschaft keinen Unterschied in Bezug auf Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, Staatsangehörigkeit oder Glaubensbekenntnis. 2

Im September 1875 begann Mme. Blavatsky Isis Unveiled zu schreiben, als sie in Ithaca, New York, als Gast bei Professor Hiram Corson weilte. Sie schrieb fast ununterbrochen und hatte das umfangreiche, zweibändige Werk 1877 vollendet. Da sie nich fließend Englisch konnte, wurde sie bei der Herausgabe von Oberst Olcott und Dr. Alexander Wilder unterstützt. Neben dem Angriff auf Dogmatismus und Materialismus in Wissenschaft und Religion waren ihre Hauptziele, dem Menschen die verloren gegangenen Erkenntnis wiederzugeben, dass er essenziell ein spirituelles Wesen ist, und auf das Bestehen einer uralten Weisheit hinzuweisen, die allen Völkern in allen Zeitaltern bekannt war. Als der Vertrag mit ihrem New York Verleger unterschrieben war, sagte sie zu William Q. Judge: „Jetzt muss ich nach Indien gehen.“ Sie hatte schon immer erklärt, dass sie nach Indien gehen würde, sobald Isis fertig wäre und die Gesellschaft in Fahrt sei. Das geschah jedoch erst am Ende des nächsten Jahres.

Während dieser Zeit wurden die Ziele der Theosophischen Gesellschaft geklärt, wie die eine Seite umfassende, von Präsident Olcott im Mai 1887 herausgegebene Erklärung zeigt. Sie lautet auszugsweise:

Die Gesellschaft lehrt ihre Mitglieder und erwartet von ihnen, persönlich höchste Moral und religiöses Streben vorzuleben;dem wissenschaftlichen Materialismus und jeder Form dogmatischer Theologie entgegenzutreten …, die westlichen Nationen mit den lange unterdrückten Tatsachen über die religiösen Philosophien des Osten, ihre Ethik, Chronologie, Esoterik und Symbolik bekanntzumachen …; ein Wissen über die erhabenen Lehren jedes reinen esoterischen Systems der archaischen Periode zu verbreiten …; schließlich und hauptsächlich, bei der Errichtung einer Bruderschaft der Menschheit mitzuhelfen, in der sich alle guten und reinen Menschen jeder Rasse gegenseitig als die gleichen Wirkungen (auf diesem Planeten) einer Unerschaffenen, Universalen, Unendlichen und immerwährenden Ursache anerkennen sollen. 3

Im Dezember 1887 reisten H. P. Blavatsky und Oberst Olcott über England nach Indien und hinterließen eine relativ kleine Mitgliederschaft, die das Werk der Theosophischen Gesellschaft weiterführen sollte. General Abner Doubleday wurde zum Interims-Präsidenten ernannt und William Q. Judge zum Protokollführer. Während der nächsten Jahre wuchs die Gesellschaft in Amerika jedoch nicht sehr. Die Korrespondenz wurde mit Indien viele Monate geführt und General Doubleday fühlte sich für seine Aufgabe unvorbereitet und wenig über sie informiert. Wie er später an Dr. Elliot Coues schrieb:

Ich will Ihnen nun kurz meine eigene Darlegung über den N. Y. Zweig geben. Als H. P. Blavatsky abreiste, bat sie mich als Präsident des N. Y. Zweiges tätig zu sein. Ich war über das Ersuchen sehr erstaunt, denn ich war nur ein Interessent. Ich war erst vor kurzem in die Gesellschaft eingetreten und sehr unvollständig mit der Angelegenheit vertraut. In jener Zeit war ich zu keiner Aufgabe verpflichtet. Alle anderen waren zu sehr damit beschäftigt, ihren Lebensunterhalt zu erwerben, um der Theos. die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Judge, der mit HPB und Olcott von Anfang an verbunden war, war die geeignete Person für die Aufgabe. Aber er war zu der Zeit in großer Not und wusste nicht, wie er seine Familie ernähren sollte. Wilder und Weisse waren Vize-Präsidenten. Es wurde vereinbart, dass im Augenblick auf Versammlungen der Gesellschaft verzichtet würde und alle Geschäfte von einem Rat getätigt werden sollen, bestehend aus Doubleday, Wilder, Weisse und Curtis (dem Zeitungsreporter). Judge war Schriftführer und Maynard Schatzmeister.

Ich nahm die Position auf das ernsthafte Ersuchen von HPB hin an und beabsichtigte, mich prinzipiell auf den Rat und die Unterstützung von Judge zu verlassen. Aber Judge glaubte, einen Bergwerksort in Venezuela gefunden zu haben, wo viel wertvolles Blei leicht abgebaut werden könnte. Er gind nach Campana in Venezuela und ließ mich, unwissend und unerfahren wie ich war, zurück, um die Gesellschaft zu leiten, ohne dass ich irgendetwas über die Menschen wusste, von denen sie gebildet wurde …

Ich konnte nie mehr als ein halbes Dutzend Mitglieder zu einer Versammlung zusammenbringen. Judge war stets abwesend. Sein Bruder ließ uns im Stich. Maynard fühlte sich beleidigt und ging. Wilder trat aus Armut zurück, Weisse trat zurück. Die Mitglieder aus Brooklyn wollten ohne eine genaue Erklärung über das, was ich auf den Versammlungen zu tun beabsichtigte, nicht nach New York kommen. Dann wurden wir zwei Jahre lang aufgehalten und warteten auf ein Ritual, von dem Olcott meinte, dass wir es haben müssten …

Ich nehme an, dass diese ganze Verzögerung zum Besten ist und diese Hindernisse absichtlich in unseren Weg gelegt worden sind … 4

In Indien fand die Theosophie einen beachtungswerten Widerhall, und es gab viel zu tun. Mme. Blavatsky und Oberst Olcott reisten kreuz und quer durch Indien und empfingen oft bis spät in die Nacht Besucher – Gelehrte, Leiter religiöser und verschiedener anderer Gesellschaften und auch Fragesteller. Sie führten eine umfangreiche Korrespondenz, die bald nicht mehr persönlich erledigt werden konnte. Als Folge gründeten sie im Oktober 1879 die Zeitschrift The Theosophist, nicht nur um der Forderung nach einer verständlichen Darstellung der alten Weisheit zu entsprechen, sondern auch als Forum für Gelehrte der philosophischen und religiösen Anschauungen in aller Welt. Die Zeitschrift wurde von Mme. Blavatsky geführt. Ihre Verbreitung in der ganzen Welt erreichte bald solche Ausmaße, dass sie sich selbst zu tragen begann.

Es sollte erwähnt werden, dass sich die Theosophische Gesellschaft, wenige Monate bevor Mme. Blavatsky und Oberst Olcott die Vereinigten Staaten verließen, mit der „Arya-Samaj von Arya-wart“ verbunden hatte. Das war eine neue und schnell wachsende Bewegung in Indien, deren Prinzipien und Ziele denen der Theosophischen Gesellschaft nahestanden. Olcott und , als sie bekannt wurde, auch HPB, arbeiteten innerhalb dieser Verbindung bis 1882, als sie sich wegen der immer engstirniger werdenden Ansichten ihres Leiters Swami Dya Nand Saraswati über jene Philosophien und Religionen, die nicht auf den Veden basierten, aus eigenem Antrieb zu einer Trennung gezwungen sahen. Da sich die Theosophen aus Amerika mit allen Völkern verbrüderten, wurden sie von der einheimischen Bevölkerung akzeptiert; und mehrere indische philosophische und literarische Körperschaften schlossen sich der Theosophischen Gesellschaft an. 5 Andererseits wurden sie von der anglo-indischen Gemeinde, besonders von Seiten der Mission, mit Misstrauen betrachtet.

Es ist nicht unsere Absicht, hier einen vollständigen Überblick über die vielen Tätigkeiten in Asien zu geben oder alle Auswirkungen von HPBs und Olcotts Bemühungen zu verfolgen. Aber es ist bemerkenswert, dass vom Februar 1879 bis Januar 1883 in Indien und Ceylon (Sri Lanka) 39 Zweige gegründet wurden, während in der übrigen Welt nur sechs bestanden. 46 neue Urkunden wurden allein 1883 in Indien und Ceylon ausgestellt, bei nur einem halben Dutzend neu beurkundeter Zweige in der übrigen Welt. Für die Wiederbelebung der Sanskrit-Gelehrsamkeit und die allgemeine Bildung wurden Schulen und Sanskrit-Klassen für Jungen, Mädchen und auch Erwachsene eingerichtet. 27 dieser Schulen waren in Indien Ende 1883 tätig, die Eröffnung von drei weiteren Schulen und eines College für Sanskritunterricht war in jenem Jahr geplant. Die Arbeit in Ceylon ist vielleicht das dramatischste Symbol für die Kraft des theosophischen Einflusses in Asien. Mit Hilfe der Theosophischen Gesellschaft, in erster Linie den Anstrengungen von Henry S. Olcott, erlangten die singhalesischen Buddhisten religiöse und kulturelle Freiheit, und ihr Glaube bekam in ihren eigenen Augen und in den Augen der Welt eine neue Gestalt und Bedeutung.

Die Statuten und Ziele der TG wurden in Indien verschiedentlich abgeändert und gewannen allmählich eine einfache und umfassende Ausdrucksweise, die das wachsende Verständnis der Mitgliederschaft widerspiegelte. Schon 1879 lautete die Überschrift der gedruckte Regeln „DieTheosophische Gesellschaft und Universale Bruderschaft“, und seit 1882 gab es drei erklärte Ziele: „Erstens – die Bildung des Kerns einer Universalen Bruderschaft der Menschheit, ohne Unterschied von Rasse, Glaube, oder Hautfarbe; Zweitens – das Studium von indoiranischer und anderer östlicher Literatur, von Religionen und Wissenschaften zu fördern und ihre Bedeutung zu bestätigen: Drittens – die verborgenen Geheimnisse der Natur und die im Menschen ruhenden psychischen Kräfte zu erforschen“. 6

Eines der vielleicht bedeutsamtsten Ereignisse jener Zeit war die Verbindung mit A. P. Sinnett, dem Herausgeber von The Pioneer, einer einflussreichen Zeitung in Allahabad. Nachdem er von Isis Unveiled gehört hatte und den Verfasser kennenlernen wollte, begann er mit Mme Blavatsky und Oberst Olcott kurz nach deren Ankunft in Indien im Februar 1879 einen Briefwechsel. Im Dezember luden Mr. und Mrs. Sinnett die Reisenden ein, sie in ihrem Heim in Allahabad zu besuchen, wo sie während dieser Zeit die Bekanntschaft mehrerer angesehener Persönlichkeiten machten, unter ihnen A. O. Hume, der im britischen Regierungsdienst tätig war. Während eines Besuches in deren Sommerhaus in Simla im Herbst 1880 begann der bekannte Briefwechsel zwischen Sinnett und Hume und den Meistern KH und M. 7 Weil Hume und Sinnett für psychische Dinge großes Interesse zeigten, erzeugte H. P. Blavatsky ihretwegen ziemlich viele Phänomene. Mit diesen Erfahrungen und den von den Meistern empfangenen Briefen verfasste Sinnett sein erstes Buch, The Occult World, das 1881 veröffentlicht wurde. Ein zweites Werk, Esoteric Buddhism, erschien 1883 und basierte auf dem weiteren Schriftwechsel mit den Meistern. In diesem Band schilderte er seine Ansicht über die Theosophie hinsichtlich der Geschichte und in Bezug auf den Menschen und das Universum. Beide Bücher erregten sofort großes Aufsehen in der westlichen Welt. So dankbar die Adepten für diese Veröffentlichungen waren, so gefielen ihnen doch Sinnetts Hervorhebung der „Brüder“ und die Phänomene in The Occult World und bestimmte irrtümliche Feststellungen über die Philosophie in Esoteric Buddhism nicht ganz. 8 Darüber hinaus verstärkten die Popularität dieser Werke und die okkulte Philosophie, die sie erläuterten, zusammen mit dem offentsichtlichen Erfolg der Theosophischen Gesellschaft in ganz Indien die wachsende Feindschaft der Missionare, die ein Klima schuf, das schließlich zu dem Angriff auf H. P. Blavatsky in The Christian College Magazine führte.

Das Jahr 1884 brachte für die Theosophische Gesellschaft Schwierigkeiten und Veränderungen. Es wurde beschlossen, dass Oberst Olcott nach England reisen sollte, um die Differenzen in der Londoner Loge zwischen ihrer Präsidentin Dr. Anna Kingsford und Mr. Sinnett zu lösen. Gleichzeitig wollte er im Auftrag der Buddhisten in Ceylon gewisse wichtige religiöse und schulische Angelegenheiten mit der Britischen Regierung regeln. Im letzten Augenblick wurde beschlossen, dass HPB mit ihm nach Europa reisen sollte. Sie verließen Bombay in Richtung Marseille am 20. Februar und kehrten erst zum Jahresende zurück. Während ihrer Abwesenheit von Adyar konspirierten Mr. und Mme. Coulomb, Angehörige des Haushaltstabes, um Mme. Blavatsky in Misskredit zu bringen. Da es ihnen nicht gelang, mit theosophischen Angelegenheiten beauftragte Mitglieder an der Hauptstelle durch die Drohung zu erpressen, sie würden gewisse Aussagen veröffentlichen, die geeignet schienen, die Existenz von HPBs Lehrern und die Echtheit der von ihr erzeugten Phänomene zu bestreiten, wandten sich die Coulombs an die christlichen Missionare. Später, am 11. September 1884, druckte The Christian College Magazine eine bösartige Geschichte ab, die auf Aussagen und gefälschten Dokumenten der Coulombs beruhte, die behaupteten, dass H. P. Blavatsky nicht nur auf betrügerische Weise Phänomene erzeugte, sondern auch Briefe im Namen der Meister schrieb.

Es ist interessant zu beachten, dass Judge zur Zeit der Veröffentlichung dieser Beschuldigungen in Indien weilte. Der Beginn seiner Reise war mit HPBs und Olcotts Reise nach Europa zusammengefallen, so dass sich die drei Mitbegründer Ende März in Paris trafen. Judge weilte drei Monate bei ihnen und nahm einen engen Anteil an allen Vorgängen; er schrieb auf HPBs Ersuchen ein Kapitel über Elementale für die geplante Secret Doctrine (obwohl es, wie er später erzählte, nicht verwendet wurde). Gegen Ende Juni setzte er seine Reise nach Indien fort, ausgerüstet mit Dokumenten von Olcott, um im Namen des Präsidenten in allen der Hauptstelle betreffenden Angelegenheiten zu handeln und, wenn er es für ratsam hielt, das Board of Control in Adyar aufzulösen.9 Aber Judge blieb nur wenige Monate dort. Kaum lange genug, um eine wahrnehmbare Veränderung in der grundlegenden Situation in Adyar zu bewirken. Nach seiner Rückkehr aus Indien widmete er seine ganze Energie dem Aufbau des Werkes in Amerika.

Inzwischen war Mme. Blavatsky im Dezember nach Madras zurückgekehrt. Sie erklärte sofort ihre Absicht, gegen ihre Ankläger gerichtlich vorzugehen, wurde daran aber trotz ihrer leidenschaftlichen Aussprüche von Oberst Olcott gehindert. Olcott schrieb zur Verteidigung von H. P. Blavatsky mehrere Jahre später folgende Erklärung:

Man hat viel aus der Tatsache gemacht, dass sie nicht vor Gericht ging, um sich wegen der eindeutigen Verleumdungen der Missionare und der mit ihnen verbundenen Kreise zu rechtfertigen. Aber daran ist sie nicht schuld: ganz im Gegenteil. Wären nicht meine lebhaften Protesten erfolgt, würde sie gleich ihre Gegner vor den Gerichtshof von Madras geschleppt haben, als sie 1884 von London via Kairo zurückkam. Ein Freund hatte ihr 10 000 Rupien zur Deckung der Kosten angeboten. Es war dies knapp vierzehn Tage vor dem Jahreskonvent unserer Gesellschaft – am 27. Dezember 1884 –, als ich darauf bestand, dass sie warte, bis ein unparteiisches Sonderkomitee des Konvents ihr zu einem geeigneten Schritt raten würde. Wir wären, sagte ich ihr, das Eigentum der Gesellschaft und verpflichtet, unsere privaten Vorlieben und Ichs für das öffentliche Wohl zurückzudrängen. Sie war in einem solchen Maß hartnäckig, dass ich mit der Zurverfügungstellung meines Amtes drohen musste, bevor sie Vernunft annahm. Der Konvent fand statt und der Fall wurde einem Komitte vorgetragen, das sich aus Hindu-Richtern und anderen juristischen Herren von hohem Amt und privatem Stand zusammensetzte. Sie stimmten einmütig dagegen, dass HPB vor Gericht ginge; … 10

Zur gleichen Zeit traf ein junger Mann, Richard Hodgson, in Adyar ein, den die Society for Psychical Research (SPR) zur Untersuchung der Beschuldigungen gegen H. P. Blavatsky von London aus gesandt hatte. Ein Jahr später bezeichnete das Komitee, das berufen worden war, seinen Befund zu studieren, sie als „eine der vollendetsten erfinderischten und interessantesten Betrügerinnen der Geschichte.“ 11 Olcott fährt fort:

An dem Tag, an dem die Beschuldigung gegen sie erstmals in der Times veröffentlicht wurde, schrieb sie – damals in London – an jene Zeitung eine empörte Zurückweisung. Ich habe seitdem keinen Beweis gesehen, der das Gegenteil aufrechthielt. Die angeblichen Briefe an Mme. Coulomb wurden ihr oder mir nie gezeigt;die Coulombs stehen unter der Selbstanklage eines unerhrenhaften Charakters. Mr. Hodgsons Bericht spricht für seine damalige völlige Unkenntnis über psychische und mediumistische Gesetze und über die unumgänglichen Regeln für die spiritualistische Untersuchung, selbst von den allgemeinsten Regeln einer legalen Beweisführung: … 12

Der Coulomb-Missionars-Angriff gegen HPB und der zusätzlich auf ihr lastende Druck, weil es ihr nicht erlaubt war, die Ehre ihrer Lehrer zu verteidigen, zerbrach ihre stets labile Gesundheit. Gefährten und Freunde bangten um ihr Leben, und ihr Arzt drängte darauf, dass sie Indien sofort verlasse, denn ein gemäßigteres Klima sei die einzig mögliche Chance, sie am Leben zu erhalten. Im September, nachdem die Anschuldigungen in der Zeitung von Madras erschienen waren, reichte Mme. Blavatsky, die sich damals in Elberfeld in Deutschland aufhielt, ihren Rücktritt als Korrespondierende Sekretärin ein. Sie wurde aber „auf dringendes Ersuchen und Bitten von Freunden der Gesellschaft“ überredet, ihn zurückzunehmen. Nichtsdestoweniger bot sie ihn im nächsten Frühjahr, am 21. März, erneut an, und diesmal wurde er angenommen. Zehn Tage später verließ sie Indien, um niemals mehr in dieses Land zurückzukehren. 13 Sie reiste, alleingelassen, ab, nur mit dem Ziel, wenn möglich, ihre Gesundheit in Europa wiederherzustellen. In den Augen der Welt verließ sie das Feld ihrer Ankläger, ohne sich gegen deren Beschuldigungen zu verteidigen.

HPBs eigene Gefühle werden in ihrem Brief vom 11. April 1885 wiedergegeben, den sie an Bord der S. S. Pehio [Pei Ho], in der Nähe von Aden, an Olcott geschrieben hatte:

Wozu und weshalb ich weggehe, weiß ich bis zu diesem Tag nicht. Natürlich werden wir irgendwo in der Nähe von Neapel stoppen – und was dann? Was soll ich mit H. [Franz Hartmann] tun? Wie werden wir leben? Wenn ich die Kraft habe, werde ich für die russischen Zeitungen schreiben – und was, wenn ich keine mehr habe? Hast du mich weggeschickt, um weit weg zu sterben oder um zu … [Wort unleserlich] und zurückzukommen. Wenn das erstere, dann sage es und ich werde wissen, was zu tun ist; wenn das letztere, was muss dann geschehen, wie und unter welchen Umständen, dass ich heimkommen sollte. Denn wohlgemerkt, ich nehme an, du würdest es zulassen, dass die Leute glauben, die Gesellschaft habe mich weggeschickt, entlassen wie einen durchtriebenen Diener, wie die Coulombs. Denn genau das wünschten die Coulombs und die Patres. Sie haben laut danach geschrien, haben es gedruckt und diesen Wunsch veröffentlicht, in dem sie öffentlich erklärten, das die Gesellschaft „verpflichtet sei, mich hinauszuwerfen“ usw. Wolltest du diesem Wunsch nachkommen? Ich hoffe für dein Wohl und das der Gesellschaft, dass es nicht so ist. Denn der Meister sagte mir ausdrücklich, dass SIE jede Verbindung mit der Gesellschaft lösen würden, wenn diese mich nicht vor 1886 zurückrufe. Das gilt auch für die L. L. [Londoner Lodge] und andere europäische und amerikanische Gesellschaften. Es bedeutet auch, dass SIE jede Verbindung mit jedem Mitglied abbrechen würden, SIE wollen keine Undankbarkeit unterstützen, Olcott, so schuldig ich auch in den Augen von Dummköpfen erscheinen mag oder, was das betrifft, sogar klugen Menschen. ES GIBT SIE – mit oder ohne Phänomene; aber wie „Benjamin“ [Djual Kul] bemerkte – ich bin zur Zeit der einzige Mensch, der im vollen Besitz ihrer Lehren und bereit ist, soviel davon mitzuteilen, wie ich kann. Nach mir kommt Subba Row, der mehr weiß als ich, aber nicht für ein Königreich ein Tüpfelchen davon im richtigen Licht bekanntgeben würde. Die Gesellschaft braucht mich, während ich völlig ohne sie auskommen kann. Aber, es ist keine Frage des Interesses, sondern der GERECHTIGKEIT und des Stolzes. Es ist nicht Selbstsucht oder persönlicher Stolz. Aber ich wurde von IHNEN gesandt, und was auch immer mein Versagen sei, ich bin IHR Beauftragter: Wenn man mich beleidigt, beleidigt die Gesellschaft SIE – das ist alles. Gut, lass das traurige Experiment geschehen … 14

H. P. Blavatskys Übersiedlung nach Europa im Jahr 1885 bezeichnet den Anfang des letzten Stadiums ihrer Aufgabe. In den folgenden Jahre sollte sie den größten Teil ihrer literarischen Arbeiten schreiben und eine starke Gesellschaft im Westen begründen – sie in Europa und Judge in Amerika. Aber es gibt in allen Zyklen Überschneidungen: Während die Vitalität in der alten Periode schwindet, erfolgt eine fortdauernde Hauptaktivität unter einem frischen Impuls in die neue Zeit hinein. Um dem Bedürfnis nach einer verständlicheren Darstellung der theosophischen Lehren nachzukommen, die man verstreut in den Seiten von Isis Unveiled und The Theosophist fand, war im Januar 1884 im Supplement dieser Zeitschrift eine Anzeige erschienen, die erklärte, dass Isis Unveiled neu geschrieben und unter dem Titel The Secret Doctrine in Fortsetzungen herausgegeben werden würde. H. P. Blavatsky hatte mit der Arbeit am Manuskript schon in Adyar begonnen und sie fortgesetzt, nachdem sie im Frühjahr 1884 nach Europa ging. Als sie im folgenden Januar wieder in Indien war, erhielt sie von ihrem Lehrer „den Plan“ für The Secret Doctrine, und obwohl sie ständig daran arbeitete, konnten die Bände erst 1888 veröffentlicht werden. Erst nachdem Gräfing Wachtmeister im Dezember 1885 in Würzburg zu Mme. Blavatsky zog, ihre Gesellschafterin wurde und sich aller Haushaltsangelegenheiten annahm, konnte HPB echte Fortschritte in ihrer Arbeit machen. Sie konnte nun vom frühen Morgen bis zum Abend schreiben. Die Gräfin betreute ihre Freundin in jeder nur möglichen Weise und schrieb für sie die korrigierten Manuskripte in lesbarer Handschrift ab. Sie zogen im Mai 1886, mit einigen Unterbrechungen auf der Reise, von Würzburg nach Ostende und setzten dort die Arbeiten am Manuskript fort.

Anfang 1887 reisten Bertram Keightley und später sein Neffe Archibald nach Ostende, um HPB zu besuchen. Sie repräsentierten eine kleine Gruppe von Mitgliedern der Londoner Loge, die empfanden, dass die öffentliche Arbeit dort einen neuen Impuls benötige und drängten HPB, nach England zu kommen. Sie war damit einverstanden, wenn eine geeignete Unterkunft zur Verfügung gestellt werden könnte. Bald erkrankte sie jedoch schwer und es bestand Lebensgefahr. Zum Erstaunen ihres Arztes und ihrer Freune erholte sie sich wieder, und die Keightleys kamen wieder, um die letzten Vorbereitungen für den Umzug über den Kanal zu treffen. Im Mai führte ihr Weg per Schiff und Zug in das Haus von Mrs. Mabel Cook, vielen als Mabel Collins 15 bekannt, in Maycott, London. Hier wurde mit Hilfe mehrerer junger Mitglieder mit den letzten Vorbereitungen zu The Secret Doctrine begonnen. Am 28. desselben Monats schrieb Bertram Keightley an Judge:

HPB geht es ziemlich gut und sie arbeitet recht hart an The Secret Doctrine, die unheimlich gut ist, und ich bin sicher, dass sie dir ungemein gefallen wird. Obwohl ich dies von Linden Gardens aus schreibe, wohne ich mit HPB in Maycot, Crown Hill, Upper Norwood, S. E., wo sie, wie ich annehme, die nächsten zwei oder drei Monate bleiben wird. Wir haben einen Plan in Angriff genommen, HPB in einem Winterquartier in der Nähe von London unterzubringen, wo sie in Frieden leben und die wahren Arbeiter in der Gesellschaft um sich sammeln kann. Ob es aber klappt oder je richtig anfangen wird, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass wir unser möglichstes tun werden, um es zu verwirklichen. Doch erwähne nichts darüber, denn „man soll nicht über ungelegte Eier sprechen“, und man sagt am besten über diese Dinge nichts, bevor sie erledigt sind. Wie dem auch sei, wir beabsichtigen, dieser stumpfen L. L. neues Leben einzuhauchen, und die neue Zeitschrift ist der erste Schritt. Der zur Zeit favorisierte Titel ist Lucifer: the Lightbearer, aber es ist noch keine endgültige Entscheidung gefällt worden. Auf jeden Fall beabsichtigen wir zwei Dinge: Es HPB so angenehm zu machen, wie wir können, und ihr zu beweisen, dass es wenigstens einige gibt, die ihre unaufhörliche Aufopferung und unermüdliche Arbeit für die Sache wirklich zu schätzen wissen.

Der vorgeschlagene Umzug von Maycot nach Landsdowne Road Nr. 17 und die erste Ausgabe von Lucifer wurden im September verwirklicht. Ein Jahr später, am 1. Noverber 1888, wurde The Secret Doctrine in Englang und Amerika veröffentlicht.

In den frühen Jahren gab es Mitglieder in der Theosophischen Gesellschaft, die für die Förderung der Ziele der TG das Beste ihres Lebens hingaben und von deren hingebungsvoller Arbeit das Leben der Gesellschaft abhing. Einige Wenigen handelten zuweilen aus Motiven, die eine konfuse Vorstellung über die Ziele und Zwecke der TG widerspiegelten, und speziell diese Tätigkeiten führten gelegentlich zu ernsten Spannungen in der Gesellschaft. Als feinfühliges Herz des „Werkes“ war H. P. Blavatsky dazu gezwungen, zum Schutze der TG zu handeln, so wie sie auch dankbar jenen gegenüber reagierte, die deren wirkliche Aufgabe verstanden.

Während dieser Jahre (1885–1887), in denen sich Mme. Blavatsky von der direkten Teilnahme an den theosophischen Angelegenheiten zurückgezogen hatte, war die Gesellschaft aus dem Einflussbereich der Adepten weggetriftet. Das zeigt ein Gespräch, das sie mit einem ihrer Lehrer hatte, in dem dieser bemerkte, dass es Oberst Olcott, trotz seiner großen Anstrengungen während dieser Zeit, zugelassen hätte, dass sich die TG von ihrem Einfluss gelöst hatt, und dass die Gesellschaft seinen Tod nicht lange überleben würde. 16 Obwohl das Datum dieser Unterredung nicht angegeben wird, kann sie ungefähr auf die letzten Monaten von 1887 oder auf Anfang 1888 festgesetzt werden. Von dieser Zeit an bis zu ihrem Tod im Jahr 1891 spielte H. P. Blavatsky eine zunehmend wichtige Rolle in der Verwaltung der Gesellschaft, um das Werk im ursprünglichen Sinn wieder herzustellen und zu erhalten. Dadurch entstanden zwischen ihr und Oberst Olcott einige unglückliche Differenzen und Missverständnisse. Schließlich erklärte er 1890, von den Verhältnissen sehr erschöpft, er würde auf dem nächsten Konvent im Dezember sein Amt als Präsident aufgeben. Im letzten Augenblick kündigte er jedoch an, dass er seine Absicht geändert habe, und er hielt sein Amt in der Gesellschaft bei, obwohl seine Ansichten und sein fehlendes Vertrauen in HPBs Arbeitsmethoden unverändert blieben.

Die ernste Situation, die durch die Vernachlässigung des inneren Geistes des Werkes entstanden war, stellte nun HPB vor die Aufgabe, die Haltung der Mitglieder neu zu orientieren. Die nächsten vier Jahre, von Mai 1887 bis Mai 1891, waren eine Periode der Erneuerung für die theosophische Sache. Als sie Indien 1885 verließ, gab es nur wenige starke Zentren außerhalb Asiens. In den letzten Monaten von 1890 war der Westen unter ihrer Anregung jedoch erwacht und der aktivste Teil der Gesellschaft geworden.

Die Reorganisation und Ausdehnung der theosophischen Arbeit im United Kingdom und auf dem Kontinent waren in mancher Hinsicht in Amerika unter der Leitung von William Q. Judge vorgezeichnet worden und entsprachen der Arbeit in Amerika. Am 13. Mai 1884 war durch eine besondere Anweisung von Präsident Olcott ein American Board of Control (Aufsichtsrat) gegründet worden, als Judge auf seinem Weg nach Indien mit Mme. Blavatsky und Oberst Olcott in Paris zusammen war. Der Aufsichtsrat wurde gebildet, um die Arbeit zu leiten und örtliche Probleme für die Mitglieder in den Vereinigten Staaten zu behandeln und auch, um neue Mitglieder aufzunehmen und vorläufige Urkunden für neue Zweige zu verleihen ohne Bezug auf die zentrale Hauptstelle. Der Aufsichtsrat wirkte in dieser Eigenschaft zwei Jahre lang bis zum 6. Juni 1886, als Präsident Olcott auf Drängen von Judge und HPB um Auflösung des American Board of Control ersuchte. Statt dessen wurde eine Abteilung der Gesellschaft gebildet, die als American Section of the General Council of the Theosophical Society bekannt geworden ist. Die neue Organisation wurde auf einem Konvent aller Logen am 30./31. Oktober in Cincinati, Ohio, ins Leben gerufen, mit Judge als Generalsekretär und Schatzmeister. Am 24. April 1887 fand der erste Konvent der Amerikanischen Abteilung in New York statt, bei dem eine Verfassung und Statuten angenommen und die Verbindung zum Generalrat bestätigt wurden. Judge war wieder zum Generalsekretär für das folgende Jahr gewählt worden.

Von Judge in New York und dem Stab in Adyar wurden alle Versuche unternommen, eine arbeitsfähige Abteilung der Theosophischen Gesellschaft tausende Meilen von der Hauptstelle entfernt zu begründen. Die Probleme vervielfachten sich noch, weil Olcott während langer Zeiträume in theosophischen Angelegenheiten abwesend war und für letzte Entscheidungen nicht immer zur Verfügung stand. Judges Eifer, die Arbeit in Amerika voranzutreiben, verbunden mit den ständigen Verzögerungen an der Hauptstelle, erzeugte zwischen ihm und Olcott Spannungen, die die Zeit nicht milderte. Judges Brief an Oberst Olcott vom 24. Juli 1888 enthüllt die Enttäuschung, die viele westliche Theosophen und besonders Amtsinhaber gegenüber der Hauptstelle in Indien empfanden:

Es ist bedeutsam, dass die TG hier [in der USA] gestartet wurde. Indien ist für sie notwendig, wie ich in The Path sagte, und sie für Indien. Aber Indien kann nicht beanspruchen, alles zu sein. Ich glaube, es ist in der Tat im Begriff, zweitrangig zu sein, selbst wenn die Adepten noch dort wohnen. Ich stimme völlig mit dir über die Bedeutung der Bücherei und allem übrigen überein. Aber ich möchte daran erinnern, dass die TG, wenn sie ist, was sie zu sein beansprucht, eine Sache der ∴ Gründung, nicht da bleiben kann, wo sie anfangs war und wohin sie 1884 gelangte. Sie muss weitereilen und sie muss sich verändern oder – sie muss sterben. Daher wird in ihrem 14. Jahr eine Veränderung erwartet, die zu Beginn ihres 13. Jahres angekündigt und empfunden wurde. Dieses ist das 13. Jahr und es wird eine Veränderung erleben. Ich weiß nicht, ob du bereit bist, ihr zu entsprechen. Ich habe den Eindruck, dass du neuerdings eine Vorliebe für Formalien angenommen hast, und ich habe immer gemeint, dass du deine Kräfte zu sehr für Boards und Komitees verschwendet hast. Deine Vorstellung, dass die TG in eine solche Form gebracht werden muss, dass sie nach deinem Tod weiterleben kann, basiert auf der Annahme, dass du der einzige Mensch wärest, der sie weiterführen könnte, und dass sie nach deinem Tod eingehen würde, wenn ihre Regeln und ihre Verfassung nicht fixiert wären. Hiermit stimme ich nicht überein. Wenn du stirbst, werden andere bereit sein. Die TG ist dabei steckengeblieben und muss aus dem alten Trott herausgeholt werden. Das sind natürlich nur meine Ansichten. 17

Mit der Ausweitung der Arbeit in Europa wurden die Schwierigkeiten zwischen der Adyar-Hauptstelle und dem Westen beigelegt. Im nächsten Monat, am 16. August, schrieb Judge an Archibald Keightley, dass Olcott für Europa eine Organisation möchte, wie die in Amerika, und Keightley einen Konvent einberufen und HPB zum Präsidenten der neuen Abteilung machen sollte. 18 Die Europäsiche Abteilung wurde jedoch erst 1890 gebildet. Dafür wurde bereits im Dezember 1888 eine Britische Abteilung gegründet mit Hilfe von Präsident Olcott, der in jenem Herbst London besuchte.

Der wirkungvollste Schritt, den Mme. Blavatsky in jener Zeit unternahm, um die Arbeit der Gesellschaft mit den ursprünglichen Zielen in Einklang zu bringen, war die Organisation einer formellen Esoterischen Abteilung, obwohl die Esoterische Schule – eine Verbindung von Schülern zu Adepten – seit alten Zeiten bestanden hatte und ihr Einfluss in der TG von Anfang an offensichtlich war. Seitens der ernsthaften Schüler hatte seit jeher der Wunsch bestanden, den Meistern näherzukommen, und 1883 schrieb H. P. Blavatsky einen informativen Artikel mit der Überschrift „Chelas und Laienchelas“, der diesen Kommentar enthielt:

Seit Jahrhunderten wurde die Auswahl von Chelas – außerhalb der bestehenden Gruppe im Gon-pa [Tempel] – von den himalajischen Meistern aus der Gruppe der natürlichen Mystiker – in Tibet eine zahlenmäßig beträchtliche Gruppe – selbst vorgenommen. Die einzigen Ausnahmen bei den westlichenMenschen waren solche wie Fludd, Thomas Vaughan, Paracelsus, Pico de la Mirandola, Graf St. Germain usw. gewesen, deren veranlagungsmäßige Affinität zu dieser himmlischen Wissenschaft die weit entfernten Adepten mehr oder weniger zwang, persönlich Kontakt mit ihnen aufzunehmen, wodurch sie einen kleinen (oder großen) Teil der ganzen Wahrheit erlangen konnten, soweit es unter ihren gesellschaftlichen Umständen möglich war …

Aber seit dem Erscheinen der Theosophischen Gesellschaft, die neben anderen Aufgaben die mühevolle Aufgabe hatte, die schlafende Erinnerung an die Existenz dieser Wissenschaft und der transzendenten menschlichen Fähigkeiten im indogermanischen Denken wieder zu erwecken, sind die Regeln für die Auswahl von Chelas in einer Hinsicht etwas gelockert worden. Viele Mitglieder der Gesellschaft gelangten durch praktische Beweise in obigen Angelegenheiten zu der Überzeugung, und zwar berechtigterweise, dass auch sie – mit natürlicher Befähigung – durch Beschreiten des gleichen Pfades das Ziel erreichen könnten, da andere Menschen bisher das Ziel ebenfalls erreicht hatten, und daher drängten sie darauf, als Kandidat angenommen zu werden. Da es eine Einmischung zu Karma bedeutet hätte, ihnen die Chance, wenigstens zu beginnen, zu verweigern – wurde sie ihnen gegeben, weil sie so drängten. Die Ergebnisse waren bis heute wenig ermutigend gewesen, und weil diesen Unglücklichen die Ursache ihres Versagens ebenso gezeigt werden soll, wie andere davor gewarnt werden sollen, unbekümmert in ein ähnliches Schicksal zu rennen, wurde angeordnet, den gegenwärtigen Artikel zu schreiben. Die betreffenden Kandidaten, obgleich sie im Voraus deutlich davor gewarnt worden waren, fingen in falscher Weise an, indem sie selbstsüchtig auf die Zukunft schauten und den Blick auf die Vergangenheit verloren. Sie vergaßen, dass sie nichts getan haten, um die seltene Ehre einer Wahl zu verdienen, nichts, was ihre Erwartung eines solchen Privilegs rechtfertigte … 19

Im nächsten Jahr, 1884, baten Mitglieder der Londoner Loge die Meister, eine „Innere Gruppe“ zu bilden. Sie erhielten dazu die Erlaubnis, aber sie hielt nicht lange. 20 1887 schrieb Judge wieder an H. P. Blavatsky und fragte, ob esoterische Studien eingeführt werden dürften, um Wünschen, die er erhalten hatte, zu entsprechen. Er fügte Vorschläge für Richtlinien und Formalitäten zur Verwendung für sie bei, wenn sie sie für angebracht hielte. Sie antwortete, dass er ohne Dokument beginnen könne und dass sie bald weiteres unternehmen würde. 1888 lud sie ihn nach London ein, um ihr zu helfen, die Grundlagen für dieses Werk zu legen.

Mme. Blavatsky schrieb im gleichen Jahr an Olcott über den Plan zur Bildung der Esoterischen Abteilung. Da es einige Schwierigkeiten mit dem Isis-Zweig in Paris gab, ging er am 7. August an Bord der S. S. Shannon, um nach London zu reisen und mit ihr diese und andere Angelegenheiten zu besprechen. Später schrieb er an Judge, dass er an Bord des Schiffes einen Brief von KH erhalten habe und zwar einen Tag, bevor sie Brindisi erreichten, Dieser Brief ist hinsichtlich der Beziehungen der Meister zu HPB und zu Olcott informativ:

Wieder, da du dich London näherst, habe ich dir ein oder zwei Worte zu sagen. Deine Empfänglichkeit ist so veränderlich, dass ich mich in dieser kritischen Zeit nicht ganz darauf verlassen darf. Natürlich weißt du, dass die Dinge so in den Brennpunkt gerückt sind, dass die gegenwärtige Reise notwendig ist und dass die Inspiration, sie zu unternehmen, zu dir von außen kam, ebenso wie zu den Mitgliedern des Rates, sie zu gestatten. Gebiete deinen Gefühlen alle notwendige Zurückhaltung, damit du in diesem westlichen Wirrwarr die richtigen Dinge tun kannst. Beachte deine ersten Eindrücke. Die Fehler, die du machst, kommen daher, dass du das nicht tust. Lasse deine Handlungen weder von persönlichen Voreingenommenheiten, Zuneigungen und Argwohn noch durch Antipathien beeinflussen.

Zwischen Gefährten in London und Paris sind Missverständnisse entstanden, welche die Interessen der Bewegung gefährden. Man wird dir erzählen, dass der Haupturheber der meisten, wenn nicht aller dieser Unruhen HPB sei. Das ist nicht so, obwohl ihre Anwesenheit in England natürlich einen Anteil daran hat. Aber der Teil beruht auf anderen, deren gelassene Unkenntnis ihrer eigenen Mängel sehr eingeprägt und sehr zu tadeln ist. Einer der wertvollsten Wirkungen von Upāsikas 21 Mission ist, dass sie die Menschen zum Selbststudium drängt und ihre blinde Unterwürfigkeit Personen gegenüber zerstört. Betrachte zum Beispiel deinen eigenen Fall. Nur ist deine Revolte, guter Freund, gegen ihre Unfehlbarkeit – wie du sie einst angenommen hattest – zu weit gegangen, und du bist ungerecht zu ihr gewesen, wofür du künftig, wie ich leider sagen muss, zusammen mit anderen wirst leiden müssen. Gerade jetzt an Deck waren deine Gedanken über sie finster und sündhaft, und so fand ich, es sei der passende Augenblick dich zur Wachsamkeit zu ermahnen. Versuche, die Missverständnisse, die du vorfinden wirst, durch freundliche Überzeugung und einen Appell an die Gefühle der Loyalität zur Sache der Wahrheit, wenn nicht gegenüber uns, aus dem Weg zu räumen. Lasse alle diese Menschen verstehen, dass wir keine Lieblinge haben, noch Zuneigungen zu Personen, sondern nur zu ihren guten Taten und zur Menschheit als Ganzes. Aber wir benutzen Vermittler – die besten verfügbaren. Von diesen ist in den letzten dreißig Jahren die der Welt (aber uns in anderer Weise) als HPB bekannte Person das Haupt gewesen. Unvollkommen und sehr schwierig, ohne Zweifel, wie sie einigen bewies, besteht dennoch keine Wahrscheinlichkeit, dass wir in den kommenden Jahren ein besseres finden können – und deine Theosophen sollten lernen, das zu begreifen. Seit 1885 habe ich keinen Brief und keine Zeile an irgendjemand in Europa oder Amerika geschrieben noch zu schreiben veranlasst, außer durch ihre direkte oder indirekte Vermittlung, noch habe ich mich mündlich mit oder durch einen Dritten mitgeteilt. Theosophen sollten das lernen. Du wirst später die Bedeutung dieser Erklärung verstehen, behalte sie deshalb im Gedächtnis. Da ihre Treue zu unserem Werk beständig ist, und ihre Leiden von daher rühren, werden weder ich noch einer meiner Brudergefährten sie verlassen oder ersetzen. Wie schon früher einmal bemerkte, gehört Undankbarkeit nicht zu unseren Fehlern.

Mit dir haben wir direkte Verbindungen und zwar – abgesehen von den dir bekannten seltenen Ausnahmen wie der gegenwärtigen – auf der psychischen Ebene, und wir werden der Macht der Umstände entsprechend so fortfahren. Dass sie so selten sind – ist dein eigener Fehler, wie ich dir in meinem letzten Brief sagte.

Um dir in deiner gegenwärtigen Verwirrung zu helfen: HPB hat praktisch nichts mit administrativen Einzelheiten zu tun und sollte davon freigehalten werden, soweit ihre starke Natur davon abgehalten werden kann. Aber allen musst du sagen: – Mit den okkulten Angelegenheiten hat sie alles zu tun. Wir haben sie nicht aufgegeben; sie wird nicht „den Chelas übergeben“. Sie ist unser direkter Vermittler. Ich warne dich davor, durch deinen Argwohn und dein Ressentiment wegen „ihren vielen Torheiten“, deine Loyalität zu ihr beeinträchtigen zu lassen. Bei der Regulierung dieser europäischen Angelegenheiten wirst du zwei Dinge beachten müssen – die äußeren, administrativen, und die inneren, psychischen. Behalte erstere unter deiner Aufsicht und der deiner verständigsten Mitarbeiter, und überlasse letztere ihr. Du solltest die praktischen Details mit deiner gewohnten Begabung festlegen. Nur sei sehr achtsam, wenn man sich an dich wendet, weil sie sich in irgendwelche praktische Angelegenheiten einmischt, und unterscheide dann zwischen dem, was in Ursprung und Wirkung bloß exoterisch ist, und dem, was zwar im Praktischen beginnt, aber die Neigung zu Konsequenzen auf spiritueller Ebene in sich trägt. Für ersteres bist du der beste Richter, für letzteres sie.

Ich habe auch deine Gedanken über The Secret Doctrine bemerkt. Sei versichert, dass das, was sie nicht mit einem Hinweis auf wissenschaftliche oder andere Werke versehen hat, ihr von uns gegeben oder eingegeben wurde. Alle Fehler oder irrtümlichen Feststellungen aus den Werken anderer Theosophen, die sie korrigierte oder erklärte, wurden von mir oder nach meiner Unterweisung korrigiert. Es ist ein wertvolleres Werk als sein Vorgänger, ein Auszug okkulter Wahrheiten, die es für ernste Schüler vieler kommender Jahr zu einer Quelle der Information und Instruktion machen werden …

Du solltest besser diesen Brief einstweilen keinem gegenüber erwähnen – nicht einmal gegenüber HPB, es sei denn, sie spricht selbst zu dir darüber. Es reicht noch, wenn du die Gelegenheit kommen siehst. Er ist lediglich für dich als Warnung und Richtschnur geschrieben; für andere nur als Warnung, denn du kannst ihn diskret verwenden, wenn nötig. 22 – KH

Olcott kam Ende August 1888 in London an und fand H. P. Blavatsky in keinem guten Zustand und mit viel Arbeit vor. Einige Wochen später schrieb er am 3. Oktober an Judge, dass er ihr bei The Secret Doctrine und Lucifer helfe und die Angelegenheiten in Paris regle – dass er „im Sinne“ des Briefes handle, den er von KH an Bord der Shannon erhalten habe.

Die Gründung der Esoterischen Abteilung wurde von H. S. Olcott, Präiedent des Rates, und von H. P. Blavatsky bestätigt, in der Oktober- und November-Ausgabe des Lucifer angezeigt. Der einleitende Abschnitt enthielt den bedeutungsvollen Satz „organisiert nach den URSPRÜNGLICHEN, von den wahren Gründern der TG gegebene RICHTLINIEN“ – ein Hinweis auf HPBs fortgesetzte Bemühung, die Gesellschaft wieder unter den Einfluss der Adepten zu bringen. 23 Auf dem 1888 in Adyar abgehaltenen Konvent sagte Olcott, dass er als Präsident nun alle Verantwortlichkeiten wieder übernehmen würde, die er mehrere Jahre lang gemeinsam mit dem Executive Council (Verwaltungsausschuss) für die „praktische Verwaltung zur ständigen Förderung der Gesellschaft in Richtung der von ihr gewählten Zweckerfüllung“ ausgeübt hatte. Er sagte, es sei seine Aufgabe, „den Körper lebendig zu erhalten, der den innewohnenden Geist, genannt Theosophie, enthält“. Er habe niemals von sich behauptet, „ein kompetenter Lehrer zu sein. Das ist Frau Blavatskys Eigenschaft“. Deshalb hätter er „seine Anweisung herausgegeben …, eine Esoterische Abteilung unter ihrer alleinigen Leitung zu bilden, als eine von der eigentlichen Gesellschaft völlig getrennte und unterschiedene Körperschaft oder Gruppe …“ 24 Dennoch machte die Gründung der Esoterischen Abteilung mit der Zeit die Schwierigkeiten Olcotts sichtbar, HPBs Verbindung zur theosophischen Bemühung zu verstehen. Das Unvermögen, ihre wirkliche Position zu erkennen, erweckte seine Zweifel hinsichtlich ihrer Motive. Er befürchtete, die esoterische Arbeit würde die Gesellschaft spalten und ihr die Kraft nehmen.

In Amerika beantragten so viele Mitglieder die Aufnahme in die Esoterische Abteilung, dass Judge, darüber beunruhigt, sie verständen die altruistischen Ziele nicht, seine Sorge Mme. Blavatsky vortrug. Dr. A. Keightley gab ihre Antwort in seinem Brief von 11. September 1889 wieder:

Sie sagte, du habest völlig recht und doch auch nicht. Die zur Zeit geleistete Arbeit, wie sie verstand, ist für die Zukunft des nächsten Jahrhunderts. Sie ist sich dessen so gut bewusst wie du, dass ein wahlloses Ansammeln der E. S. nicht gut ist. Aber sie sagt, dass es absolut notwendig ist, eine große Menge zu haben, aus der die Leute sich selbst auswählen würden, und so müssen beide die TG und die E. S. weit geöffnet sei, um allen die Chance zu geben zu prüfen, woraus er oder sie gemacht ist …

Er schließt seinen Brief mit folgendem Kommentar:

HPB sagt, der Meister wird deinen Brief an sie beantworten.

Nach der Veröffentlichung von The Secret Doctrine und dem Tätigsein der Esoterischen Abteilung in Europa und den Vereinigten Staaten ließ Mme. Blavatsky ihre beträchtlichen Energien in das Werk im Westen einfließen, das besonders in Amerika mit fast unkontrollierbarer Geschwindigkeit wuchs. Sie schrieb auch The Key to Theosophy (1889), eine Einführung in die grundlegenden Begriffe, die zur Korrektur falscher Vorstellungen über die Gesellschaft und den Ursprung ihrer Lehren dringend benötigt wurde. Kurz darauf folgte The Voice of the Silence, ein den ernsthaft Studierenden gewidmetes Buch. Sie bereitete Studienmaterial für die esoterischen Schüler vor, führte eine ausgedehnte Korrespondenz, gab Lucifer heraus, schrieb regelmäßig dafür, und steuerte für eine Anzahl anderer theosophischer Zeitschriften Artikel bei, während die weitgehend von Gräfin Wachtmeister geführte Theosophical Publishing Society, unterstützt von Judge in Amerika, ihre Tätigkeiten erheblich ausweitete. Es gab auch private und öffentliche Interviews und Treffen mit H. P. Blavatsky, bei denen sie Fragen beantwortete. In den ersten Monaten des Jahres 1889 wurde eine Reihe von Studienzusammenkünften über die Stanzen des Dzyan aus dem ersten Band von The Secret Doctrine veranstaltet, die später als Transactions of the Blavatsky Lodge herausgegeben und veröffentlicht wurde.

Im August des gleichen Jahres besuchte Olcott wieder Europa in der Hoffnung, der wachsenden Forderung der westlichen Abteilungen nach mehr Selbstständigkeit in ihrer Arbeit nachzukommen. Seit mehreren Monaten war in The Theosophist, in Lucifer und auch im Schriftwechsel viel über die Notwendigkeit diskutiert worden, ob es eine dominierende zentrale Hauptstelle geben sollte, das alle Angelegenheiten gesetzgebend regeln würde und an die sich alle Mitglieder als „Zentrum“ des Werkes wenden könnten, oder ob die verschiedenen Abteilungen der Gesellschaft einen größeren Handlungsspielraum haben sollten. Der Bericht des Britisch Section General Council vom 18. Dezember 1889 sagt aus, dass folgende Empfehlung vorgeschlagen wurde und dass der in der Versammlung anwesende Präsident Olcott seine Bereitschaft bekundete, „die verlangte Vollmacht an Mme. Blavatsky und an den Rat, den er zu ihrer Unterstützung ernennen würde“, zu geben.

Infolge der großen Entfernung der britischen Abteilung von der Hauptstelle wird es als ratsam erachtet, dass H. P. Blavatsky, unterstützt durch einen von Oberst Olcott ernannten Rat, ermächtigt werden soll, in dringenden Fällen alle auftauchenden Fragen zu behandeln, die eigentlich dem Präsidenten vorgelegt werden müssten, wenn eine durch die Länge der Zeit verzögerte Antwort aus Indien zu ernsten und sogar verhängnisvollen Folgen für die Abteilung führen könnte … 25

Im Laufe der Monate blieb jedoch die Beziehung zwischen dem Gründerpräsidenten zu den Logen und Mitgliedern in Britannien und auf dem Kontinent schwach. Deshalb gab Mme. Blavatsky auf Ersuchen „der aktiven Logen in Europa und … einer großen Mehrheit von Einzelmitgliedern“ ihre Zurückhaltung bezüglich der administrative Angelegenheiten der TG zögernd auf und übernahm die direkte Verantwortung für die europäische Arbeit. In der Juli-Ausgabe 1890 des Lucifer erschien folgende Ankündigung:

MITTEILUNG

DEM FAST EINMÜTIGEN RUF DER GEFÄHRTEN DER THESOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN EUROPA FOLGEND, NEHME ICH H. P. BLAVATSKY, URHEBER UND MITGRÜNDER DER THEOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT, DIE PFLICHTEN DER PRÄSIDENTSCHAFT FÜR GANZ EUROPA AUF MICH; KRAFT DIESER AUTORITÄT ERKLÄRE ICH, DASS DIE HAUPTSTELLE DER THEOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN LONDON, WO ICH RESIDIERE, KÜNFTIG DIE HAUPTSTELLE FÜR DIE ABWICKLUNG ALLER OFFIZIELLEN TÄTIGKEITEN DER THEOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN EUROPA SEIN WIRD.

H. P. BLAVATSKY

___________

Niemand möge glauben, diese Reform deute in irgendeinem Sinn auf eine Trennung von meinem Mitarbeiter in Adyar oder sogar auf eine Loslösung von dessen Amtsgewalt hin. Oberst H. S. Olcott bleibt, wie bisher der Gründerpräsident der Theosophischen Gesellschaft für die ganze Welt. Aber es hat sich für ihn als unmöglich erwiesen, auf eine so große Entfernung exakte Entscheidungen in den laufenden Führungsangelegenheiten der Theosophischen Gesellschaft zu treffen …

Olcott glaubte, dass die Europäische Abteilung „irregulär gebildet“ worden war, wie er später an Judge schrieb. Deshalb gab er zur Legalisierung der Angelegenheit am 9. Juli 1890 eine offizielle Anweisung heraus, mit der Bitte, dass eine Europäische Abteilung gegründet und H. P. Blavatsky die „volle Leitung“ derselben übertragen werde. Die neue Abteilung erhielt die gleiche Selbstständigkeit wie die Amerikanische Abteilung. 26

Inzwischen waren Judge und seine wenigen Helfer in Amerika in der Hauptstelle der Abteilung lange Zeit mit der TG- und ES-Korrespondenz, der Herausgabe von Büchern, Druckschriften und Abhandlungen und auch mit der Herausgabe seiner Monatszeitschrift The Path beschäftigt. 1889 wurde von Theosophen in New York und Chicago und mit Unterstützung der amerikanischen Mitglieder eine Druckmaschine gekauft. Mit dieser Hilfe wurde das Verlagsprogramm wesentlich erweitert. Mehrere kleine Zeitschriften wurden zur Unterstützung der Zweige und Einzelmitglieder verteilt: The Theosophical Forum, in dem Judge und verschiedene Schüler Fragen beantworteten; Department of Branch Work, das bei Zweigversammlungen verlesene Schriftstücke im Land bekannt machte; und später die Reihen der Oriental Department-Schriften mit Übersetzungen aus der Sanskrit-Literatur. Es erschienen auch die Yoga-Aphorisms von Patañjali, mit einer Einführung von W. Q. Judge, denen 1890 die Echoes From the Orient, die Bhagavad-Gītā und Letters That Have Helped Me folgten. Wegen des Erfolges ihrer Verlagstätigkeit wurde eine größere Druckmaschine gekauft und mit einem New Yorker Mitglied, James M. Pryse nach London geschickt, der sie bedienen sollte.

Es gab viele ergebene Theosophen, die HPB in ihren letzten Jahren unterstützten, aber keiner ging mehr auf die innere Richtung ihrer Bemühungen ein als William Q. Judge. Er schien die dringende Notwendigkeit der Arbeit, die sie so verzweifelt erfüllen wollte, vorauszusehen und stellte auf vielerlei Art die Mittel und Wege zur Ausführung für sie bereit. Angesichts ihrer Briefe, die sie während dieser Jahre an ihn richtete und von denen wir die folgende Auswahl wiedergeben wollen, sollten uns seine Einsicht und Hingabe nicht überraschen. Am 3. Oktober 1886 hatte sie ihm geschrieben:

Die Schwierigkeit bei dir ist, dass du die große Veränderung, die vor einigen Jahren in dir geschah, nicht erkennst. Andere haben gelegentlich ihre Astralkörper getauscht und mit solchen von Adepten (oder auch Elementarwesen) ersetzt, und diese beeinflussen den äußeren und den höheren Menschen. Bei dir verband sich der Nirmāṇakāya und nicht der „astrale“ mit deinem Astralen. Daher die duale Natur und der Kampf.

Im folgenden Jahr erhielt Judge ein Telegramm von HPB aus London, datiert 12. August 1887, mit folgendem Inhalt: „MEISTER SCHLÄGT DICH ALS SEKRETÄR AUF LEBENSZEIT VOR, WAS ICH BIN, WENN ZUM OPFER BEREIT, WIRD ER HELFEN. [gezeichnet] UPĀSIKA. Judge hat auf das Telegramm geschrieben: „Antwort – Bereit. Welcher Art ist das Opfer, Sekretär hier oder wo, wann“.

Über ein Jahr nach der Bildung der Esoterischen Abteilung schrieb HPB am 23. Oktober 1889 an Judge:

Die Esoterische Abteilung und ihr Leben in den USA hängen von WQ J ab, der ihr Bevollmächtigter bleibt und das, was er jetzt ist. An dem Tag, an dem WQ J zurücktritt, wird HPB für die Amerikaner faktisch tot sein. WQ J ist das Antaskaraṇa [Brücke] zwischen den zwei Manas (en), dem amerikanischen Denken und dem indischen – oder besser dem transhimalajanischen Esoterischen Wissen. DIXI

HPB ∴

PS: WQ J sollte lieber das alles denen zeigen und deren Gemüt einprägen, die es betrifft, HPB

In diesen letzten Lebensjahren von H. P. Blavatsky kam die Flut der Lehre, die für die Welt so wichtig ist. Theosophie war weder orientalisch noch westlich, sondern vielmehr eine Erneuerung der ewigen Tradition, der Urquelle der Weisheit. Diese Begriffe waren dem östlichen Denken nicht neu. Aber es bestand die Hoffnung, das schlafende Asien zu individueller religiöser Freiheit für alle seine Völker zu wecken, unabhängig von Kaste oder Geschlecht. Für den Westen, ein Land, in dem in Wissenschaft und Theologie Materialismus herrschte und keine gültigen Erklärungen für die psychischen Erscheinungen geboten wurden, war sie jedoch eine Offenbarung.

Die Zeitspanne gewährt eine bessere Übersicht, und wir können heute, nach über einem Jahrhundert, bis zu einen gewissen Grad H. P. Blavatskys Beziehung zur Theosophischen Gesellschaft erkennen und ihre Bemühung, sie davor zu bewahren, nur eine weitere Organisation außerhalb des Einflusses ihrer Lehrer zu werden. Wir können auch verstehen, warum sie so an die amerikanischen Mitglieder schrieb und William Q. Judge als einen ehrte, der ihre wahre Position und die tiefere Bedeutung der theosophischen Aufgabe richtig einzuschätzen vermochte, nämlich: Die Errichtung einer Körperschaft, durch welche die nötigen spirituellen Lebenskräfte und Ideen fließen würden, um die Menschheit zu erheben, nicht nur in ihrer Zeit und in dem kommenden Jahrhundert, sondern während des ganzen vor uns liegenden messianischen Zyklus. Dafür gab sie ihr Leben.

Fußnoten

1. H. P. Blavatskys „Scrap-Books“ zitiert in The Golden Book of the Theosophical Society, S. 19. [back]

2. Präambel und Statuten der Theosophischen Gesellschaft, 30. Oktober 1875. An diesem Tag wurde Henry S. Olcott zum Präsidenten gewählt, H. P. Blavatsky zum korrespondierenden Sekretär und William Q. Judge zum Berater der Gesellschaft. [back]

3. Die Theosophische Gesellschaft: Ihr Ursprung, ihr Plan und ihre Ziele. [back]

4. Von Abner Doubleday an Elliot Coues gesandter Bericht. Er ist ohne Datum, aber wahrscheinlich 1885 geschrieben, als Professor Coues im Juli jenes Jahres Präsident des Amerikanischen Kontrollauschusses der TG wurde.
General Doubleday trat der Theosophischen Gesellschaft bald nach ihrer Gründung bei und unterstützte ihre Arbeit unentwegt bis zu seinem Tod im Jahr 1893.
Alexander Wilder, M. D., Platon-Gelehrter und Schriftsteller, wurde von Verlegern J. W. Bouton beauftragt, Isis Unveiled herauszugeben. Als Folge davon wurde er persönlicher Freund von H. P. Blavatsky und trat der Gesellschaft 1876 bei. Der von General Doubleday erwähnte „Rücktritt“ betraf nur seine Ernennung zum Vize-Präsidenten der Gesellschaft im Jahr 1897. Er meinte, dass die Gesellschaft einen wirkungsvolleren Beauftragten zur Förderung ihrer Sache benötigte. Er blieb bis zur Jahrhundertwende aktives Mitglied. [back]

5. H. P. Blavatsky an A. B. Griggs, 16. Februar 1881, Kopie in Doubledays Notizbuch Nr. 8, S. 104; siehe auch A Report of the Sixth Aniversary of the Theosophical Society, Bombay, 12. Januar 1882; S. 6.
Am 7. März 1879, drei Wochen nach ihrer Ankunft in Indien, mieteten Mme. Blavatsky und Oberst Olcott ein kleines Haus im Zentrum von Bombay in der Girgaum Back Road 108. Bis Dezember 1880 diente es als Hauptstelle für ihre theosophischen und redaktionellen Tätigkeiten. Dann bezogen sie einen geräumigeren Bungalow, „TheCrow’s Nest“ in Breach Candy in den Außenbezirken von Bombay. Hier blieben sie bis Dezember 1882, als eine formelle Hauptstelle für die Theosophische Gesellschaft in Adyar, Madras, errichtet wurde. [back]

6. Ebenda, S. 11. [back]

7. 1923 unter dem Titel The Mahatma Letters to A. P. Sinnett veröffentlicht, zusammengestellt und herausgegeben von A. Trevor Barker. [back]

8. Siehe The Mahatma Letters to A. P. Sinnett, S. 227, 292, 323, 356, 364. [back]

9. Das Board of Control war ein Exekutiv-Komitee an der Hauptstelle, das Oberst Olcott durch besondere Anordnung ernannt hatte und das für Finanzen, Verwaltung und Aufsicht der Gesellschaft zuständig war, während er in Europa weilte (siehe Supplement to the Theosophist, Februar und März 1884). [back]

10. „HPBs Abreise“ Lucifer, August 1891, S. 447. [back]

11. Proceedings of the Society for Psychical Research, Dezember 1885, S. 207; siehe auch Charles Ryans H. P. Blavatsky and the Theosophical Movement, Kapitel 13; und Obituary: The „Hodgson Report“ on Madame Blavatsky von Adlai E. Waterman. [back]

12. Lucifer, August 1891, S. 447. Es sollte daran gedacht werden, dass Oberst Olcott von Beruf Rechtsanwalt war und dass er während des Bürgerkrieges zum Sonderbeauftragten des Kriegsministeriums (USA), ernannt worden war und dafür verantwortlich war, Betrügereien seitens Vertragspartnern gegen die Regierung aufzudecken. [back]

13. Supplement to The Theosophist, Mai 1885, S. 195. [back]

14. The Theosophist, März 1925, S. 784-785. [back]

15. Verfasserin von Light on the Path, Through the Gates of Gold und weiteren Werken. [back]

16. Letters from the Masters of the Wisdom, Erste Serie, Brief 47, 5. Auflage. [back]

17. Siehe: Practical Occultism From the Private Letters of William Q. Judge, S. 109-110. [back]

18. Ebenda. S. 112. [back]

19. Supplement in The Theosophist, Juli 1883, S. 10. [back]

20. Siehe: H. P. Blavatsky: Colleted Writings, Band 6, S. 250-254. [back]

21. Upasika bedeutet „Schülerin“. Die Bezeichnung wurde von den Meistern oft für H. P. Blavatsky gebraucht. [back]

22. Letters from the Masters of theWisdom, First Series, Brief 19, 5. Auflage. [back]

23. Damals entstanden unvermeidlich „pseudo-esoterische und pseudo-okkulte Gesellschaften“ auf die sich HPB in ihrem Brief von 1889 als „unsere heimtückischsten Feinde“ bezieht. Gegen diese Pseudo-Theosophie protestierte sie heftig; siehe Lucifer, März 1889, S. 1-12. [back]

24. General Report of the Thirteenth Convention and Anniversary of the Theosophical Society, Adyar, Madras, 27. bis 29. Dezember 1888, S. 3-4. [back]

25. Supplement to the Theosophist, März 1890, S. CVII. [back]

26. Supplement to the The Theosophist, August 1890, S. 9. [back]

Glossar

1.) Das Paliwort Iddhi ist mit dem Sanskritwort Siddhi sinnverwandt. Es bezeichnet psychische Fähigkeiten, abnormale Kräfte im Menschen. Es gibt zwei Arten von Siddhis. Eine Gruppe umfaßt die niederen, einfachen psychischen und mentalen Energien, die andere erfordert die höchste Schulung spiritueller Kräfte. Krishna sagt im Shrimad Bhagavat:

»Wer Yoga ausübt, wer seine Sinne unterworfen und sein Gemüt auf mich (Krishna) konzentriert hat, einem solchen Yogi stehen alle Siddhis zur Verfügung.«

 

2.) Die »Tonlose Stimme« oder die »Stimme der Stille«. Wörtlich übersetzt müßte man vielleicht »Stimme im spirituellen Ton« lesen, da Nāda im Sanskrit das entsprechende Wort für die Bezeichnung im Senzar ist.

 

3.) Dhāranā ist die intensive und vollkommene Konzentration des Geistes auf ein inneres Objekt, begleitet von völliger Außerachtlassung von allem, was dem äußeren Universum oder der Welt der Sinne angehört.

 

4.) Der »große Meister« ist eine von den Lanus oder Chelas gebrauchte Bezeichnung für das »Höhere Selbst«. Sie ist gleichbedeutend mit Avalokiteśvara und dasselbe wie Ādi-Buddha bei den buddhistischen Okkultisten, wie ĀTMAN, das »Selbst« (das Höhere Selbst) bei den Brahmanen und CHRISTOS bei den alten Gnostikern.

 

5.) Seele steht hier für das menschliche Ego oder Manas, das, worauf in unserer okkulten siebenfachen Einteilung als auf die »menschliche Seele« (Siehe Die Geheimlehre) im Gegensatz zur spirituellen oder tierischen Seele hingewiesen wird.

 

6.) Mahā Māyā ist die große »Illusion«, das objektive Universum.

 

7.) Sakkāyaditthi ist die »Selbsttäuschung« der Persönlichkeit.

 

8.) Attavāda, die Ketzerei des Glaubens an die Seele oder vielmehr an die Getrenntheit der Seele oder des Selbst von dem Einen, Universalen, Unendlichen SELBST.

 

9.) Tattva-jñānin ist der »Kenner oder der Unterscheider« der Prinzipien in der Natur und im Menschen. Ein Ātma-jñānin ist einer, der ĀTMAN oder das Universale, EINE SELBST kennt.

 

10.) Kala Hamsa, der »Vogel« oder Schwan (siehe Nr. 12). Wie die Nāda-Bindu Upanishad (Rig Veda), übersetzt von der Theosophischen Gesellschaft in Kumbakonam, sagt: »Die Silbe A wird als sein (des Vogels Hamsa) rechter, U als sein linker Flügel, M als sein Schwanz erachtet und der Ardhamātrā (Halbmesser) soll sein Kopf sein.«

 

11.) Ewigkeit hat für die Menschen des Orients eine ganz andere Bedeutung als bei uns. Dieses Wort steht gewöhnlich für die 100 Jahre oder das »Lebensalter« Brahmās, die Dauer eines Kalpa oder eine Periode von 4 320 000 000 Jahren.

 

12.) Die schon erwähnte Nāda-Bindu sagt: »Ein Yogi, der den Hamsa besteigt (somit über Aum nachsinnt), ist von karmischen Einflüssen oder ungezählten Sünden unberührt.«

 

13.) Gib das Leben der physischen Persönlichkeit auf, wenn du im Geistigen leben willst.

 

14.) Die drei Zustände des Bewußtseins, nämlich Jāgrat, der Wachzustand, Svapna, der Traumzustand und Sushupti, der Tiefschlafzustand. Diese drei Yogi-Zustände führen zum vierten oder –

 

15.) dem Turīya, dem Zustand jenseits der Traumlosigkeit, dem über allen anderen stehenden höchstspirituellen Bewußtseinszustand.

 

16.) Einige Sanskrit-Mystiker lokalisieren die sieben Daseinsebenen, die sieben spirituellen Lokas oder Welten in den Körper von Kala Hamsa, den Schwan außerhalb von Zeit und Raum, der, wenn er anstelle Brahma (neutrum) zu Brahmā wird, sich in den Schwan innerhalb der Zeit verwandelt.

 

17.) Nur die phänomenale Welt der Sinneserscheinungen und des irdischen Bewußtseins.

 

18.) Die Astralregion, die psychische Welt der übersinnlichen Wahrnehmungen und der trügerischen Gesichte – die Welt der Medien. Sie ist bei Éliphas Lévi die große »Astrale Schlange«. Keine in jenen Regionen gepflückte Blüte wurde je zur Erde herabgebracht, ohne daß sich deren Schlange um den Stengel ringelte. Es ist die Welt der Großen Illusion.

 

19.) Die Region des unbeschränkt spirituellen Bewußtseins, ab der es keine Gefahr mehr für den gibt, der sie erreicht hat.

 

20.) Der Initiierte, der den Schüler aufgrund des Wissens, das er ihm gibt, zu seiner spirituellen oder zweiten Geburt führt, wird Vater guru oder Meister genannt.

 

21.) Ajñāna ist Unwissenheit oder Nicht-Weisheit, das Gegenteil von Jñāna, »Wissen«.

 

22.) Māra ist in exoterischen Religionen ein Dämon, ein Asura. In der esoterischen Philosophie stellt er die personifizierte Versuchung durch die menschlichen Laster dar. Wörtlich übersetzt bedeutet Māra »das, was die Seele tötet«. Er wird als König (der Māras) mit einer Krone dargestellt, in der ein Juwel mit solchem Glanz strahlt, daß er jene blendet, die ihn ansehen. Natürlich bezieht sich dieser Glanz auf die Faszination, die das Laster auf gewisse Naturen ausübt.

 

23.) Die innere Kammer des Herzens, im Sanskrit Brahmapura genannt. Die »feurige Kraft« ist Kundalinī.

 

24.) Die »Kraft« und die »Weltmutter« sind Ausdrücke für Kundalinī, eine der mystischen »Yogi Kräfte«. Sie ist Buddhi als ein aktives, nicht als passives Prinzip betrachtet. (Als passives Prinzip gilt es gemeinhin, wenn es als das Vehikel oder der Behälter des Höchsten Geistes, ĀTMA angesehen wird). Kundalinī ist eine elektro-spirituelle Kraft, eine schöpferische Kraft, die ebenso leicht töten wie auch erschaffen kann, wenn sie zur Tätigkeit erweckt wird.

 

25.) Khe-Chara – »Himmelswanderer« oder »Himmelsreisender«. Wie in dem 6. Adhyāya des Jñāneśvarī beschrieben, diesem bedeutsamsten der mystischen Werke, wird der Körper des Yogi wie vom Wind geformt, wie »eine Wolke, aus der Glieder herauswachsen«, wonach »er (der Yogi) die Dinge jenseits der Meere und Sterne sieht. Er hört die Sprache der Devas und begreift sie. Er erfaßt selbst, was im Gemüt der Ameise vorgeht.«

 

26.) Vīnā ist ein der Laute ähnliches indisches Saiteninstrument.

 

27.) Die sechs Prinzipien. Damit ist gemeint, wenn die niedere Persönlichkeit vernichtet und die innere Individualität in das siebente Prinzip, den Geist, eingetaucht ist und sich in ihm verloren hat.

 

28.) Der Schüler ist eins mit Brahmā oder ĀTMAN.

 

29.) Die Astralform, erzeugt vom kāmischen Prinzip, der Kāma rūpa oder der Begierdenkörper.

 

30.) Mānasa rūpa. Während sich die erstere Form auf das astrale oder persönliche Ego bezog, ist jetzt die Individualität oder das reinkarnierende Ego gemeint. Sein Bewußtsein auf unserer Ebene, im niederen Manas, muß man unwirksam machen.

 

31.) Kundalinī wird die »schlangenartige« oder ringförmige Kraft genannt, weil sie sich im Körper des Asketen, der diese Kraft in sich entwickelt, spiralartig äußert oder wirkt. Sie ist eine elektrisch-feurige, okkulte oder fohatische Kraft, die große, ursprüngliche Energie, die aller organischen und anorganischen Materie zugrunde liegt.

 

32.) Dieser »Pfad« ist in allen mystischen Werken erwähnt. Wie Krishna im Jñāneśvarī sagt: »Wenn dieser Pfad erblickt wird… ob man zur Schönheit des Ostens oder zu den Gemächern des Westens auszieht, wandelt man bereits auf ihm, Bogenhalter, ohne der Bewegung zu bedürfen. Dieser Pfad liegt, wo immer man sich befindet, stets im eigenen Selbst.« »Du bist der Pfad«, wird zum Adept-Guru gesagt und letzterer sagt nach der Initiation zum Schüler dasselbe. »Ich bin der Weg und der Pfad«, sagt ein anderer MEISTER.

 

33.) Adeptschaft – die »Bodhisattva-Blüte«.

 

34.) Tanhā – »der Lebenswille«, die Todesfurcht und die Liebe zum Leben, die Kraft oder Energie, die die Wiedergeburten verursacht.

 

35.) Diese mystischen Töne oder Melodien, die vom Asketen am Beginn seines Meditationszyklusses gehört werden, werden von den Yogis Anāhata-śabda genannt.

 

36.) Dies heißt, daß auf der sechsten Entwicklungsstufe, im okkulten System Dhāranā genannt, jeder Sinn als individuelle Fähigkeit auf dieser Ebene »unwirksam gemacht« (oder ausgelöscht werden) und in den Siebenten Sinn, den spirituellsten aller Sinne, eingehen und in ihm aufgehen muß.

 

37.) Siehe Anmerkung 3.

 

38.) Jede Entwicklungsstufe im Rāja Yoga wird durch eine geometrische Figur symbolisiert. Die hier erwähnte ist das heilige Dreieck und geht Dhāranā voraus. Das ist das Zeichen der hohen Chelas; eine andere Dreiecksart symbolisiert hohe Initiierte. Es ist das Symbol »I«, von dem Buddha sprach und das von ihm als ein Symbol der verwirklichten Form des Tathāgata verwendet wurde, nachdem dieser von den drei Methoden der Prajñā befreit worden war. Wenn der Schüler die allerersten und niederen Stufen überschritten hat, sieht er das nicht mehr, sondern –, die Abkürzung von –, die ganze Siebenheit. Die wahre Form des Symbols wird hier nicht gegeben, da es sonst sicherlich von einigen Scharlatanen aufgegriffen und – für betrügerische Zwecke benützt – entheiligt werden würde.

 

39.) Der Stern, der über dem Haupt flammt, ist »der Stern der Invitation«. Das Kastenzeichen der Śaivas oder der Sektenanhänger Śivas, des großen Schutzherrn aller Yogis, ist ein schwarzer, runder Fleck, heutzutage vielleicht das Symbol der Sonne, in alten Zeiten bedeutete es jedoch im Okkultismus den Stern der Initiation.

 

40.) Die Grundlage (upādhi) der immer unerreichbaren »FLAMME«, solange der Asket noch in diesem Leben weilt.

 

41.) Dhyāna ist die vorletzte Stufe auf dieser Erde, vorausgesetzt, man wird ein vollkommener MAHĀTMA. Wie bereits gesagt, ist sich der Rāja-Yogi auf dieser Stufe spirituell noch des Selbst und der Tätigkeit seiner höheren Prinzipien bewußt. Einen Schritt weiter und er wird auf der Ebene jenseits der siebenten (oder der vierten, wie einige Schulen sagen) sein. Diese Schulen geben nach der Ausübung von Pratyāhāra, einer vorbereitenden Übung zur Gefühls- und Gedankenkontrolle, folgende Aufzählung: Dhāranā, Dhyāna und Samādhi, wobei sie diese drei unter dem Sammelbegriff SANNYĀSA zusammenfassen.

 

42.) Samādhi ist der Zustand, in dem der Asket das Bewußtsein jeder Individualität, einschließlich seiner eigenen, verliert. Er wird – das ALL.

 

43.) Die »vier Wahrheiten« sind im nördlichen Buddhismus: Ku, »Leiden oder Elend«, Tu, »die Ansammlung der Versuchungen«, Mu, »ihre Vernichtung« und Tau, »der Pfad«. Die »fünf Hindernisse« sind: Die Erkenntnis des Leidens, die Wahrheit über die menschliche Gebrechlichkeit, die bedrückenden Hemmnisse und die absolute Notwendigkeit der Trennung von allen Banden der Leidenschaft, selbst der Wünsche. Der »Pfad der Erlösung« ist das letzte Hindernis.

 

44.) Am Tor der »Versammlung« steht der König der Māras, der Mahā Māra und sucht den Kandidaten durch den Glanz seines »Juwels« zu blenden.

 

45.) Dies ist der vierte »Pfad« von den fünf Pfaden der Wiedergeburt, die alle Menschen beständig in Zustände der Sorge und Freude führen, bzw. stürzen. Diese »Pfade« sind nur Unterteilungen des einen Pfades, dem Karma folgt.

 

46.) Die zwei Schulen der Lehre Buddhas, die esoterische und die exoterische, vertreten dementsprechend die »Herzenslehre« und die »Augenlehre«. In China – von dort erreichten die Bezeichnungen Tibet – bezeichnete Bodhidharma ihre Anhänger als Tsung-Menschen (die Esoterische Schule) und die Kiau-Menschen (die Exoterische Schule). Die erstere ist so benannt, weil sie die Lehre ist, die aus Gautama Buddhas Herz hervorging, während die »Augenlehre« das Werk seines Kopfes oder Verstandes war. Die »Herzenslehre« wird auch »das Siegel der Wahrheit« oder das »wahre Siegel« genannt, ein Symbol, das am Anfang fast aller esoterischen Werke zu finden ist.

 

47.) »Baum der Erkenntnis« ist ein Titel, der von den Anhängern des Bodhidharma (der Weisheitsreligion) jenen gegeben wird, die den Gipfel mystischer Erkenntnis erlangt haben – den Adepten. Nāgārjuna, der Gründer der Mādhyamika Schule, wurde der »Drachenbaum« genannt, weil der Drache als Symbol der Weisheit und Erkenntnis gilt. Der Baum wird verehrt, weil Buddha unter dem Bodhibaum (Weisheitsbaum) seine Geburt und Erleuchtung empfing, seine erste Predigt hielt und starb.

 

48.) Das »Geheime Herz« ist die esoterische Lehre.

 

49) »Diamant-Seele« – »Vajrasattva« ist ein Titel des höchsten Buddha, des »Herrn aller Mysterien«, auch Vajradhara oder Ādi-Buddha genannt.

 

50.) SAT, die eine, ewige und absolute Wirklichkeit und Wahrheit; alles übrige ist Täuschung.

 

51.) Aus der Lehre von Shen-hsiu, die das menschliche Denken mit einem Spiegel vergleicht, da dieser jedes Atomstäubchen anzieht und widerspiegelt. Es muß daher, wie ein Spiegel, täglich überwacht und entstaubt werden. Shen-hsiu war der sechste Patriarch Nordchinas. Er lehrte die esoterische Lehre des Bodhidharma.

 

52.) Das reinkarnierende Ego wird von den nördlichen Buddhisten der »wahre Mensch« genannt. Durch die Vereinigung mit seinem Höheren Selbst wird dieser – ein Buddha.

 

53.) »Buddha« bedeutet »der Erleuchtete«.

 

54.) Siehe Anmerkung 46. Der exoterische Buddhismus der Massen.

 

55.) Die gebräuchliche Formel, die den buddhistischen Schriften vorangestellt wird. Sie bedeutet, daß das Folgende durch direkte mündliche Überlieferung von Buddha und den Arhats überliefert wurde.

 

56.) Rathapāla, der große Arhat, spricht in der Legende Rathapāla Sūtrasanne so seinen Vater an. Aber alle derartigen Legenden sind allegorisch aufzufassen (so hat z. B. Rathapālas Vater ein Haus mit sieben Türen), daher die Warnung an jene, die sie wortwörtlich lesen.

 

57.) Das »Höhere Selbst«, das »siebente Prinzip«.

 

58.) Unsere physischen Körper werden in den mystischen Schulen »Schatten« genannt.

 

59.) Ein Einsiedler, der sich in die Dschungel zurückzieht und im Wald lebt, um ein Yogi zu werden.

 

60.) Julaï ist der chinesische Name für Tathāgata, ein Titel der auf jeden Buddha angewandt wird.

 

61.) Alle nördlichen und südlichen Überlieferungen berichten übereinstimmend, daß Buddha seine Einsamkeit aufgab, als er das Problem des Lebens gelöst hatte – d. h. die innere Erleuchtung erlangte – und fortan die Menschheit öffentlich belehrte.

 

62.) Jedes spirituelle EGO ist nach der Esoterischen Lehre ein Strahl eines »Planetengeistes«.

 

63.) »Persönlichkeiten« oder physische Körper, »Schatten« genannt, sind vergänglich.

 

64.) Der Intellekt (Manas), das Denkprinzip oder das EGO im Menschen wird zum »Wissen« selbst in Beziehung gebracht, weil die menschlichen Egos Mānasa-putras, Söhne des (universalen) Intellekts genannt werden.

 

65.) Siehe Anmerkung 117 usw.

 

66.) Ebenda.

 

67.) Das Shangna-Gewand hat seinen Namen von Shangnavesu aus Rajagriha, dem dritten, großen Arhat oder »Patriarchen«, wie die Orientalisten die Hierarchieglieder der dreiunddreißig Arhats nennen, die den Buddhismus verbreiten, »Shangna Gewand« bedeutet, bildlich gesprochen, die Erlangung von Weisheit, mit der das Nirvāna der Auslöschung (der Persönlichkeit) erlangt wird. Es bedeutet buchstäblich das »Initiationsgewand« der Neophyten. Edkins erklärt, daß dieses »Grasgewand« während der Tong-Dynastie von Tibet nach China gebracht wurde. »Wenn ein Arhan geboren wird, findet man diese Pflanze an einem reinen Ort wachsen« sagt die chinesische wie auch die tibetische Legende.

 

68.) Den »Pāramitā-Pfad ausüben« bedeutet, zunächst ein Yogi und später ein Asket zu werden.

 

69.) »Morgen« bedeutet die folgende Wiedergeburt oder Reinkarnation.

 

70.) »Große Reise« oder der ganze, vollständige Zyklus der Existenzen in einer »Runde«.

 

71.) Nyima bedeutet in der tibetischen Astrologie die Sonne. Migmar oder Mars wird durch ein »Auge« und Lhagpa oder Merkur durch eine »Hand« symbolisch dargestellt.

 

72.) Ein Srotāpatti oder »einer, der in den Strom Nirvānas eintritt«, kann Nirvāna selten in einer einzigen Geburt erlangen, es sei denn, er erreicht das Ziel auf Grund außergewöhnlicher Umstände. Man sagt, daß ein Chela, der in einem Leben beginnt, sich Anstrengungen zu widmen, die ihn nach oben führen, diese erst in der siebenten darauffolgenden Geburt erfolgreich abgeschlossen, bzw. bewältigt hat.

 

73.) Bedeutet das persönliche, niedere »Selbst«.

 

74.) Tīrthikas sind Angehörige brahmanischer Sekten »jenseits« des Himalaya; von den Buddhisten im heiligen Land, Tibet, werden sie »Ungläubige« genannt und ebenso umgekehrt.

 

75.) Unbegrenzte Vision oder psychisches, übermenschliches Sehen. Einem Arhan wird die Fähigkeit zugeschrieben, alles aus der Entfernung ebensogut wie aus der Nähe »sehen« und erkennen zu können.

 

76.) Siehe unter Anmerkung 67: Shangna-Pflanze.

 

77.) Das »Lebende« ist das unsterbliche, höhere Ego und das »Tote« das niedere persönliche Ego.

 

78.) Siehe Anmerkung 117.

 

79.) Das »Geheime Leben« führen bedeutet, als ein Nirmānakāya zu leben.

 

80.) Der »Offene« – und der »Geheime Pfad« – der erstere ist der den Laien gelehrte, der exoterische und allgemein übliche. Die Natur des anderen, des Geheimen Pfades, wird bei der Initiation erklärt.

 

81.) Menschen, die von den esoterischen Wahrheiten und der esoterischen Weisheit nichts wissen, werden die »lebendig Toten« genannt.

 

82.) »Buddhas des Mitleids« nennt die gleiche volkstümliche Verehrung jeneBodhisattvas, die, nachdem sie den Rang eines Arhats erreicht haben (d. h. denviertenodersiebentenPfad vollendeten), sich weigern, in den nirvānischen Zustand einzugehen oder »dasDharmakāya-Gewand anzulegen und zum anderen Ufer überzusetzen«, weil es dann außerhalb ihrer Macht läge, den Menschen beizustehen – selbst in dem geringen Maße, das Karma gestattet. Sie ziehen es vor, unsichtbar (sozusagen geistig) in der Welt zu bleiben und zur Erlösung der Menschen beizutragen, indem sie diese beeinflussen, dem Guten Gesetz zu folgen, d. h. sie auf den Pfad der Rechtschaffenheit führen. Es ist Bestandteil des exoterischen nördlichen Buddhismus, alle derart großen Charaktere als Heilige zu verehren und ihnen sogar Gebete darzubringen, wie es die Griechen und Katholiken mit ihren Heiligen und Schutzpatronen tun. Die esoterischen Lehren lehnen Derartiges jedoch ab. Zwischen den beiden Lehren besteht ein großer Unterschied. Der exoterische Laie kennt schwerlich die wirkliche Bedeutung des WortesNirmānakāya– daher die Verwirrung und die unzutreffenden Erklärungen der Orientalisten. Schlagintweit glaubt z. B., daß derNirmānakāya-Körper die von den Buddhas bei ihrer Verkörperung auf Erden angenommene Form sei – »die am wenigsten erhabene ihrer irdischen Hüllen« (sieheBuddhism in Tibet) – und entwickelt dann eine völlig falsche Anschauung über den Gegenstand. Die wirkliche Lehre ist jedoch die folgende:

Die drei Buddhischen Körper oder Formen sind:

1. Nirmānakāya

2. Sambhogakāya

3. Dharmakāya

Der erste ist jene ätherische Form, die einer annähme, wenn er beim Verlassen seines physischen Körpers in seinem Astralkörper erscheinen würde – wobei er zusätzlich das Wissen eines Adepten besitzt. Der Bodhisattva entwickelt ihn in sich in dem Maße, wie er auf dem Pfad fortschreitet. Nachdem er das Ziel erreicht und seinen Früchten entsagt hat, verbleibt er auf der Erde als ein Adept; wenn er stirbt, verbleibt er, anstatt in Nirvāna einzugehen, in jenem glorreichen Körper, den er sich selbst gewebt hat, unsichtbar für die uneingeweihte Menschheit, um über sie zu wachen und sie zu beschützen.

Sambhogakāya ist der gleiche Körper, aber mit dem zusätzlichen Glanz der »drei Vollkommenheiten«, von denen eine das völlige Entrücktsein von allen irdischen Angelegenheiten ist.

Der Dharmakāya-Körper ist der eines vollständigen Buddha, d. h. er ist überhaupt kein Körper, sondern ein idealer Hauch: Bewußtsein, verschmolzen mit dem Universal-Bewußtsein oder Seele bar jeglichen Attributs. Sobald er einmal ein Dharmakāya ist, läßt der Adept oder Buddha jede mögliche Verbindung zu dieser oder jeglichen Gedanken für diese Erde hinter sich. Um also der Menschheit helfen zu können, »verzichtet« der Adept, der das Recht auf Nirvāna erworben hat, mystisch gesprochen, »auf den Dharmakāya-Körper«. Er behält vom Sambhogakāya nur das große, vollständige Wissen und verbleibt in seinem Nirmānakāya-Körper. Die esoterische Schule lehrt, daß Gautama Buddha mit mehreren seiner Arhats solch ein Nirmānakāya ist. Auf Grund der großen Entsagung und des Opfers für die Menschheit ist kein höherer bekannt.

 

83.) Pratyeka Buddhas sind jene Bodhisattvas, die nach dem Dharmakāya-Gewand streben und es nach einer Reihe von Leben auch oft erreichen. Da sie sich um das Leid der Menschheit und seine Linderung nicht kümmern, vielmehr nur um ihre eigene Seligkeit, gehen sie in Nirvāna ein und – verschwinden aus den Augen und Herzen der Menschen. Im nördlichen Buddhismus ist ein »Pratyeka-Buddha« gleichbedeutend mit spiritueller Selbstsucht.

 

84.) Ein Upādhyāya ist ein spiritueller Unterweiser, ein Guru. Die nördlichen Buddhisten wählen dieselben gewöhnlich unter den Naljor, heiligen Männern, Lehrern der Geheimen Weisheit, die in gotrabhūjñāna und Jñāna-darśana-śuddhi bewandert sind.

 

85.) Yāna bedeutet Fahrzeug. Mahāyāna ist daher das »Große Fahrzeug« und Hināyāna das »Kleine Fahrzeug«. Dies sind im nördlichen Buddhismus die Namen für die beiden Schulen religiöser und philosophischer Gelehrsamkeit.

 

86.) Śrāvaka ist ein Hörer oder ein Studierender, der an den religiösen Unterweisungen teilnimmt. Das Wort ist von der Wurzel »Sru« abgeleitet. Wenn diese Studierenden von der Theorie zur Praxis oder zur Ausübung der Askese übergehen, werden sie Sramanas, »Ausübende«, abgeleitet vom Wort Srama, was soviel wie Handlung bedeutet. Wie Hardy zeigt, entsprechen die zwei Benennungen den Griechischen Worten ακουστικοι und ασκηται.

 

87.) Samtan (tibetisch) ist das gleiche wie die Sanskritbezeichnung Dhyāna oder der Zustand der Meditation. Davon gibt es vier Stufen.

 

88.) Pāramitās, die sechs transzendentalen Tugenden. Für die Priester gibt es zehn.

 

89.) Srotāpatti – »derjenige, der in den Strom eingetreten ist, der zum nirvānischen Meer führt«. Dieser Name bezeichnet den ersten Pfad. Der Name des zweiten Pfades ist Sakridāgāmin-Pfad, ihn geht »derjenige, der (nur) noch einmal geboren wird«. Der dritte wird Anāgāmin genannt. Ihn geht »derjenige, der nicht mehr wiederverkörpert wird«, es sei denn, er wünscht dies, um der Menschheit zu helfen. Der vierte Pfad ist der, den ein Rahat oder Arhat beschreitet. Dies ist der höchste Pfad. Ein Arhat erlangt Nirvāna noch während seines Lebens. Für ihn ist es kein Bewußtseinszustand, den er erst nach dem Tode erfährt, sondern ein Zustand von Samādhi, in dem er alle nirvānische Seligkeit erfährt.1

 

90.) Die »Ankunft am Ufer« ist bei den nördlichen Buddhisten gleichbedeutend mit dem Erreichen Nirvānas, durch die Ausübung der sechs oder zehn Pāramitās (Tugenden).

 

91.) Die »MEISTER-SEELE« ist Alaya, die Universal-Seele oder Ātman. Jeder Mensch trägt einen Strahl davon in sich. Es wird angenommen, daß er fähig ist, sich mit ihr zu identifizieren und zu verschmelzen.

 

92.) Antaskarana ist das niedere Manas, der Pfad der Kommunikation oder der engen Gemeinschaft zwischen der Persönlichkeit und dem höheren Manas, d. h. der menschlichen Seele. Beim Tode wird es als Kommunikationspfad oder -mittel zerstört. Seine Überreste überleben in einer Form als das Kāma-Rūpa – die »Hülse«.

 

93.) Die nördlichen Buddhisten und in der Tat alle Chinesen finden in dem tiefen Rauschen einiger der großen und heiligen Ströme den Grundton der Natur. Daher der Vergleich. In der Physik wie auch im Okkultismus gilt es als wohlbekannte Tatsache, daß das Gesamtgeräusch der Natur – vernommen im Tosen großer Flüsse, im Geräusch der wogenden Baumwipfel großer Wälder oder im Lärm einer entfernt liegenden Großstadt – ein bestimmter Einzelton von ganz genau feststellbarer Höhe ist. Dies ist Physikern und Musikern gut bekannt. So zeigt Prof. Rice (Chinese Music), daß die Chinesen diese Tatsache schon vor Jahrtausenden kannten. Sie sagten, daß »die vorüberrauschenden Wasser des Hoangho den kung ertönen lassen würden«, der in der chinesischen Musik »der große Ton« genannt wird. Er zeigt weiter, daß dieser Ton dem F entspricht, das »von modernen Physikern als der tatsächliche Grundton der Natur betrachtet wird.« Dies wird auch von Prof. B. Silliman in seinen Principles of Physics erwähnt. Er sagt, daß »dieser Ton für das mittlere F des Klaviers gehalten werden muß; es muß daher als der Grundton in der Natur gelten.«

 

94.) Die Bhöns oder Dugpas, die Sekte der »Rotkappen« werden als die erfahrensten Zauberer betrachtet. Sie leben in West- und Kleintibet, sowie in Bhutan. Sie sind alle Tantriker. Es ist geradezu grotesk, wie Orientalisten, die die Grenzländer Tibets besucht haben, wie z. B. Schlagintweit und andere, die Riten und abstoßenden Gebräuche der Rotkappen mit den religiösen Überzeugungen der östlichen Lamas, der »Gelbkappen« und ihrer Naljors oder heiligen Männer verwechseln. Die nächste Anmerkung gibt ein Beispiel.

 

95.) Dorje entspricht dem Sanskritwort Vajra. Es ist eine Waffe oder ein Instrument in der Hand einiger Götter (der tibetischen Dragshed, der Devas, die die Menschen beschützen). Man schreibt ihr dieselben okkulten Kräfte der Luftreinigung durch Vertreibung übler Einflüsse zu, wie dem in der Chemie bekannten Ozon. Es bezeichnet auch ein Mudrā, eine Hand– und Sitzstellung, die bei der Meditation eingenommen wird. Es ist kurz gesagt, ein Symbol der Macht über unsichtbare, üble Einflüsse, ob nun als Körperhaltung oder als Talisman. Die Bhöns oder Dugpas, die sich das Symbol aneigneten, mißbrauchen es jedoch für Zwecke der schwarzen Magie. Bei den »Gelbkappen« oder Gelugpas ist es, wie das Kreuz bei den Christen, ein Machtsymbol. Dies ist keinesfalls »abergläubisch«. Bei den Dugpas ist es, wie das umgekehrte doppelte Dreieck, das Zeichen der Zauberei.

 

96.) Virāga ist das Gefühl absoluten Gleichmuts gegenüber dem objektiven Universum, gegenüber Lust und Schmerz, »Abneigung« drückt seine Bedeutung nicht aus, ist begrifflich jedoch damit verwandt.

 

97.) Ahankāra – das »Ich« oder unser Persönlichkeitsgefühl, das »Ichbewußtsein«.

 

98.) Die genaue Bedeutung des Namens Tathāgata ist: »Einer, der in den Fußstapfen seiner Vorgänger wandelt oder jener, die vor ihm kamen«.

 

99.) Samvriti ist die eine der zwei Wahrheiten, die den illusionären Charakter oder die Leerheit aller Dinge darlegt. In diesem Falle ist es relative Wahrheit. Die Mahāyāna-Schule lehrt den Unterschied zwischen diesen beiden Wahrheiten – Paramārtha-satya und Samvriti-satya (Satya bedeutet »Wahrheit«). Dies ist der Zankapfel zwischen den Mādhyamikas und den Yogāchāryas, wobei die ersteren verneinen und die letzteren behaupten, daß jedes Ding auf Grund einer vorhergegangenen Ursache oder durch eine Verkettung von Ursache und Wirkung besteht. Die Mādhyamikas sind die großen Nihilisten und Verneiner. Für sie ist jedes Ding parikalpita, eine Täuschung und ein Irrtum in der Welt der Gedanken, im subjektiven wie auch im objektiven Universum. Die Yogāchāryas sind die großen Spiritualisten. Deshalb ist Samvriti, als lediglich relative Wahrheit, der Ursprung aller Illusion.

 

100.) Lhamayin sind Elementale und böse Geister, den Menschen entgegenstehend und feindlich.

 

101.) Dhyāna-Mārga heißt wörtlich Dhyāna-Pfad, d. h. der Pfad reiner Erkenntnis, der zu Paramārtha oder Sva-samvedana führt, der »unmittelbar selbsterkennenden oder selbstanalysierenden Reflektion«.

 

102.) Siehe Anmerkung 49. Über den Dhyāni-Buddhas steht die »Diamant-Seele« oder der Vajradhara.

 

103.) Dies ist eine Anspielung auf einen im Osten weitverbreiteten Glauben (der übrigens auch im Westen vorhanden ist), daß jeder hinzukommende Buddha oder Heilige ein neuer Kämpfer in der Heerschar jener ist, die für die Befreiung oder Erlösung der Menschen arbeiten. In den Ländern des nördlichen Buddhismus, wo die Lehre von den Nirmānakāyas verbreitet ist – von jenen Bodhisattvas, die auf das wohlverdiente Nirvāna oder das Dharmakāya-Gewand verzichten (durch beides würden sie für immer von der Menschenwelt abgeschnitten), um der Menschheit unsichtbar beizustehen und sie schließlich dem Paranirvāna zuzuführen –, wird jeder neue Bodhisattva oder initiierte, große Adept ein »Menschheitsbefreier« genannt. Die von Schlagintweit in seinem Buddhism in Tibet gegebene Erklärung, der Prulpai Ku oder der »Nirmānakāya« sei »der Körper, in dem Buddhas oder Bodhisattvas auf Erden erscheinen, um die Menschen zu belehren« – ist sinnwidrig, ungenau und erklärt nichts.

 

104.) Ein Hinweis auf menschliche Leidenschaften und Sünden, die während der Prüfungen in der Probezeit überwunden werden und als gut vorbereiteter Boden dienen, in dem »heilige Keime« oder Samen transzendentaler Tugenden sprießen können. Präexistente oder angeborene Tugenden, Talente oder Geistesgaben werden als Eigenschaften betrachtet, die in einer früheren Geburt erworben wurden. Genie ist ausnahmslos eine Begabung oder Fähigkeit, die aus einer früheren Geburt stammt.

 

105.) Titikshā ist der fünfte Rāja-Yoga Zustand – ein Zustand höchsten Gleichmuts; wenn notwendig, Unterwerfung unter »die allgemeinen Freuden und Schmerzen« ohne jedoch Freude und Schmerz aus einer solchen Unterwerfung zu ziehen – kurz, es bedeutet physisch, mental und moralisch gleichmütig und gleichgültig gegenüber Freud oder Leid zu werden.

 

106.) Ein Sowani ist einer, der Sowan ausübt, einer, der den ersten Pfad in Dhyāna beschreitet. Der Ausdruck ist gleichbedeutend mit Srotāpatti.

 

107.) »Tag« bedeutet hier ein ganzes Manvantara, eine Periode von unvorstellbarer Dauer.

 

108.) Der Berg Meru, der heilige Berg der Götter.

 

109.) In der nordbuddhistischen Symbologie wird von Amitābha oder dem »Grenzenlosen Raum« (Parabrahman) gesagt, er habe in seinem Paradies zwei Bodhisattvas – Kwan-Shai-Yin und Tashishi – die beständig Licht auf die drei Welten, in denen sie lebten, unsere eigene eingeschlossen (siehe Anmerkung 110), ausbreiten, um mit diesem Licht (der Erkenntnis) bei der Unterweisung der Yogis zu helfen, die ihrerseits Menschen erlösen werden. Ihre erhabene Stellung in Amitābhas Reich beruht, der Allegorie zufolge, auf barmherzigen Taten, die die beiden vollbrachten, als sie noch als Yogis auf Erden lebten.

 

110.) Diese drei Welten sind die drei Ebenen des Seins, die irdische, die astrale und die spirituelle Ebene.

 

111.) Der »Schutzwall« oder »Abwehrwall«. Es wird gelehrt, daß die angesammelten Anstrengungen langer Generationen von Yogis, Heiligen und Adepten, besonders der Nirmānakāyas sozusagen eine Schutzmauer um die Menschheit geschaffen haben, die diese unsichtbar vor noch schlimmeren Übeln schützt.

 

112.) Kleśa ist die allgemeine, oft unmoralische Vergnügungssucht oder die Liebe zu weltlichem Genuß.

 

113.) Tanhā ist der Wunsch zu leben, das, was Wiedergeburt erzeugt.

 

114.) Dieses »Mitleid« darf nicht im gleichen Licht wie Gott, die göttliche Liebe der Theïsten betrachtet werden. Mitleid steht hier als ein abstraktes, unpersönliches Gesetz, dessen Wesen, absolute Harmonie, durch Streit, Leid und Sünde in Verwirrung gebracht wird.

 

115.) In der nordbuddhistischen Ausdrucksweise werden alle großen Arhats, Adepten und Heilige als Buddhas bezeichnet.

 

116.) In der Hierarchie steht ein Bodhisattva tiefer als ein »vollkommener Buddha«. In exoterischer Redeweise werden diese beiden (Ausdrücke) sehr oft verwechselt. Die natürliche und richtige volkstümliche Auffassung stellt jedoch einen Bodhisattva – auf Grund jenes Selbstopfers – in der Verehrung über einen Buddha.

 

117.) »Buddhas des Mitleids« nennt die gleiche volkstümliche Verehrung jene Bodhisattvas, die, nachdem sie den Rang eines Arhats erreicht haben (d. h. den vierten oder siebenten Pfad vollendeten), sich weigern, in den nirvānischen Zustand einzugehen oder »das Dharmakāya-Gewand anzulegen und zum anderen Ufer überzusetzen«, weil es dann außerhalb ihrer Macht läge, den Menschen beizustehen – selbst in dem geringen Maße, das Karma gestattet. Sie ziehen es vor, unsichtbar (sozusagen geistig) in der Welt zu bleiben und zur Erlösung der Menschen beizutragen, indem sie diese beeinflussen, dem Guten Gesetz zu folgen, d. h. sie auf den Pfad der Rechtschaffenheit führen. Es ist Bestandteil des exoterischen nördlichen Buddhismus, alle derart großen Charaktere als Heilige zu verehren und ihnen sogar Gebete darzubringen, wie es die Griechen und Katholiken mit ihren Heiligen und Schutzpatronen tun. Die esoterischen Lehren lehnen Derartiges jedoch ab. Zwischen den beiden Lehren besteht ein großer Unterschied. Der exoterische Laie kennt schwerlich die wirkliche Bedeutung des Wortes Nirmānakāya – daher die Verwirrung und die unzutreffenden Erklärungen der Orientalisten. Schlagintweit glaubt z. B., daß der Nirmānakāya-Körper die von den Buddhas bei ihrer Verkörperung auf Erden angenommene Form sei – »die am wenigsten erhabene ihrer irdischen Hüllen« (siehe Buddhism in Tibet) – und entwickelt dann eine völlig falsche Anschauung über den Gegenstand. Die wirkliche Lehre ist jedoch die folgende:

Die drei Buddhischen Körper oder Formen sind:

1. Nirmānakāya

2. Sambhogakāya

3. Dharmakāya

Der erste ist jene ätherische Form, die einer annähme, wenn er beim Verlassen seines physischen Körpers in seinem Astralkörper erscheinen würde – wobei er zusätzlich das Wissen eines Adepten besitzt. Der Bodhisattva entwickelt ihn in sich in dem Maße, wie er auf dem Pfad fortschreitet. Nachdem er das Ziel erreicht und seinen Früchten entsagt hat, verbleibt er auf der Erde als ein Adept; wenn er stirbt, verbleibt er, anstatt in Nirvāna einzugehen, in jenem glorreichen Körper, den er sich selbst gewebt hat, unsichtbar für die uneingeweihte Menschheit, um über sie zu wachen und sie zu beschützen.

Sambhogakāya ist der gleiche Körper, aber mit dem zusätzlichen Glanz der »drei Vollkommenheiten«, von denen eine das völlige Entrücktsein von allen irdischen Angelegenheiten ist.

Der Dharmakāya-Körper ist der eines vollständigen Buddha, d. h. er ist überhaupt kein Körper, sondern ein idealer Hauch: Bewußtsein, verschmolzen mit dem Universal-Bewußtsein oder Seele bar jeglichen Attributs. Sobald er einmal ein Dharmakāya ist, läßt der Adept oder Buddha jede mögliche Verbindung zu dieser oder jeglichen Gedanken für diese Erde hinter sich. Um also der Menschheit helfen zu können, »verzichtet« der Adept, der das Recht auf Nirvāna erworben hat, mystisch gesprochen, »auf den Dharmakāya-Körper«. Er behält vom Sambhogakāya nur das große, vollständige Wissen und verbleibt in seinem Nirmānakāya-Körper. Die esoterische Schule lehrt, daß Gautama Buddha mit mehreren seiner Arhats solch ein Nirmānakāya ist. Auf Grund der großen Entsagung und des Opfers für die Menschheit ist kein höherer bekannt.

 

118.) Myalba ist unsere Erde – von der esoterischen Schule bezeichnenderweise »Hölle« genannt, die größte aller Höllen. Die esoterische Lehre kennt keine Hölle oder keinen anderen Ort der Bestrafung außer einen menschentragenden Planeten oder die Erde. Avīchi ist ein Zustand, keine Örtlichkeit.

 

119.) Dies bedeutet, daß ein neuer, weiterer Erlöser der Menschheit geboren wurde, der die Menschen am Ende des Lebensszyklus zum endgültigen Nirvāna führen wird.

 

120.) Dies ist eine der Variationen der Formel, die jeder Abhandlung, Anrufung oder Unterweisung unabänderlich folgt: »Friede allen Wesen«, »Segen allem, das da lebt«, usw., usw.

Fußnoten

1. Wie wenig man sich hinsichtlich der richtigen Worte und Bedeutung auf die Orientalisten verlassen kann, kann am Beispiel dreier »sogenannter« Autoritäten gezeigt werden. So werden die gerade erklärten vier Namen von R. Spence Hardy wie folgt gegeben: 1. Sowān; 2. Sakradāgāmi; 3. Anāgāmi und 4. Arya. Bei Rev. J. Edkins heißen sie: 1. Sro-tāpanna; 2. Sagardagam; 3. Anāgāmin und 4. Arhan. Schlagintweit schreibt sie wiederum anders, wobei noch bemerkt werden muß, daß jeder den Ausdrücken eine andere, neue Bedeutungsvariante beilegt. [back]

[SD # 643]

BAND II – TEIL III
Anhänge

Wissenschaft und die Geheimlehre einander gegenübergestellt

 

 

 

 

 

„Das Wissen dieser nieder’n Welt ,

Sag, Freund — ist es falsch oder wahr?

Falsches, was Sterblicher ersehnt? —

Wahres, was er vormals wusste gar? ”

 

 

 

 

 

[SD # 644] [SD # 645]

Anhänge zum 2. Band

 

 

 

§ I
Archaische oder moderne Anthropologie?

Wann immer einem vorurteilslosen, ehrlichen und ernsthaften Wissen­schaftler die Frage nach dem Ursprung des Menschen gestellt wird, kommt die Antwort: „Wir wissen es nicht.“ De Quatrefages mit seiner agnostischen Haltung ist einer dieser Anthropologen.

Das bedeutet nicht, die übrigen Wissenschaftler seien nicht aufrichtig oder unehrlich, da eine solche Bemerkung nicht sehr taktvoll wäre. Es wird jedoch geschätzt, dass 75 % der europäischen Gelehrten Evolutionisten sind. Machen sich diese Repräsentanten des modernen Denkens allesamt einer offenkundigen Verdrehung der Tatsachen schuldig? Niemand sagt das – aber es gibt ein paar stark herausragende Fälle. Die Wissenschaftler sind aber in ihrer antiklerikalen Begeisterung und in ihrer Hoffnungslosigkeit, dass es neben der Idee der „speziellen Schöpfung“ irgendeine Alternatividee zum Darwinismus gibt, unbewusst unaufrichtig, wenn sie eine Hypothese „erzwingen“, deren Elastizität unzulänglich ist und die den auf ihr lastenden hohen Druck verübelt. In kirchlichen Kreisen hingegen ist die Unaufrichtigkeit in Bezug auf denselben Gegenstand offenkundig. Bischof Temple tat sich in seiner „The Relations Between Religion and Science“ als entschiedener Unterstützer des Darwinismus hervor. Dieser kirchliche Schriftsteller geht so weit, die Materie – nachdem sie ihre „ursprünglichen Prägung“ erhalten hatte – als die alleinige Entwicklerin sämtlicher kosmischer Phänomene zu betrachten. Diese Anschauung unterscheidet sich von der Haeckels lediglich dahingehend, dass sie „hinter dem Jenseits“ eine hypothetische Gottheit verlangt, eine Gottheit, die vollständig jenseits des Wechselspiels der Kräfte steht. Eine solche metaphysische Wesenheit ist genauso wenig der theologische Gott wie jener von Kant. Bischof Temples Waffenstillstand mit der materialistischen Wissenschaft ist unserer Ansicht nach unpolitisch – abgesehen von der Tatsache, dass er eine vollständige Ablehnung der biblischen Kosmogonie in sich einschließt. Angesichts dieser zur Schau getragenen Unterwürfigkeit gegenüber dem Materialismus unseres „gelehrten“ Zeitalters können wir Okkultisten nur lächeln. Aber wie steht es mit der Loyalität gegenüber den Meistern, denen diese theologischen Schulschwänzer zu dienen vorgeben, nämlich Christus und der Christenheit im Allgemeinen?

Wir haben gegenwärtig aber kein Verlangen danach, dem Klerus den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Wir haben jetzt nur mit der materialistischen Wissenschaft allein zu tun. Letztere antwortet in Person ihrer besten Vertreter auf unsere Frage: „Wir wissen es nicht.“ Doch die Mehrzahl der Wissenschaftler tut so, als wäre Allwissenheit ihr Erbe, und als wüssten sie einfach alles.

Tatsächlich hat diese negative Erwiderung nicht verhindert, dass die Mehrzahl der Wissenschaftler über diese Frage spekuliert und dabei jeder von ihnen versucht, seine [SD # 646] eigene spezielle Theorie durchzusetzen und damit alle anderen auszuschließen. So unterschieden sich die Theorien über den Ursprung des Menschengeschlechts von Maillet 1748 bis herab zu Haeckel 1870 genauso stark wie die Persönlichkeiten ihrer Erfinder. Buffon, Bory de Saint-Vincent, Lamarck, É. G. Saint-Hilaire, Gaudry, Naudin, Wallace, Darwin, Owen, Haeckel, Filippi, Vogt, Huxley, Agassiz etc. haben jeder Einzelne eine mehr oder weniger wissenschaftliche Hypothese der Genesis aufgestellt. De Quatrefages teilt diese Theorien in zwei Hauptgruppen ein – in der einen Hauptgruppe gehen die Theorien von einer raschen Umwandlung aus, in der anderen von einer sehr allmählichen; Erstere neigen zu der Ansicht eines neuen Typus (Menschen), welcher von einem gänzlich anderen Wesen hervorgebracht wurde; Letztere lehren die Evolution des Menschen durch fortschreitende Differenzierungen.

Merkwürdigerweise ging von der wissenschaftlichsten dieser Autoritäten die allerunwissenschaftlichste Theorie über den Ursprung des Menschen aus. Es ist so offenkundig, dass die Stunde rasch herannaht, in der die gegenwärtige Lehre von der Abstammung des Menschen von einem affenartigen Säugetier mit weniger Ehrfurcht betrachtet werden wird als die Entstehung Adams aus Lehm und Evas aus der Rippe Adams. Denn:

„Es ist einleuchtend, insbesondere zufolge der ersten fundamentalen Prinzipien des Darwinismus, dass ein organisiertes Wesen nicht ein Abkömmling eines anderen sein kann, dessen Entwicklung im Vergleich zu seiner eigenen in entgegengesetzter Reihenfolge abläuft. . . . Folglich kann in Übereinstimmung mit diesen Prinzipien der Mensch nicht als Abkömmling irgendeines beliebigen Affentypus betrachtet werden.1

Lucaes Argument gegen die Affentheorie, das sich auf die unterschiedlichen Biegungen der Knochen stützt, die die Schädelachse beim Menschen und bei den Anthropoiden bilden, wird von Schmidt ausführlich diskutiert („The Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 290). Er räumt ein, dass „der Affe in seinem Wachstum immer tierischer wird; der Mensch . . . immer menschlicher“ und scheint in der Tat einen Augenblick zu zögern, ehe er fortfährt: z. B. „die Biegung der Schädelachse mag daher im Gegensatz zu den Affen immerhin als menschliches Merkmal hervorgehoben werden; das besondere Merkmal einer Ordnung kann daraus jedoch schwerlich abgeleitet werden; und insbesondere in Bezug auf die Abstammungslehre scheint dieser Umstand nicht im Geringsten ausschlaggebend zu sein.“ Der Verfasser ist bezüglich seines eigenen Argumentes offenbar nicht besonders beunruhigt. Er versichert uns, jede Möglichkeit sei ausgeschlossen, dass die gegenwärtigen Affen die Vorfahren der Menschheit gewesen sein könnten. Aber negiert das nicht auch die Möglichkeit, dass der Mensch und der Anthropoide einen gemeinsamen – wenn auch bis jetzt nur einen absolut theoretischen – Vorfahren gehabt haben könnten?

[SD # 647] Selbst die „natürliche Selektion“ gerät mit jedem weiteren Tag noch stärker unter Druck. Es gibt viele Deserteure aus dem Darwinschen Lager, und diejenigen, die einst die eifrigsten Schüler waren, bereiten sich infolge neuer Entdeckungen langsam, aber stetig darauf vor, eine neue Seite aufzuschlagen. Im „Journal of the Royal Microscopical Society “ vom Oktober 1886 können wir Folgendes lesen:

Physiologische Selektion – G. J. Romanes sieht gewisse Schwierigkeiten darin, die natürliche Selektion als Theorie über den Ursprung adaptiver Strukturen zu sehen. Er schlägt vor, sie durch die von ihm als physiologische Selektion oder Absonderung der Tauglichen zu ersetzen. Seine Ansicht beruht auf der außerordentlichen Empfindlichkeit des Fortpflanzungssystems gegenüber kleinsten Veränderungen in den Lebensbedingungen, und er glaubt, dass bei wilden Arten Variationen in Richtung umfassenderer oder begrenzter Sterilität häufig vorkommen müssen. Eine Variation, bei der das Fortpflanzungssystem fruchtbar bleibt, während es bei der elterlichen Form einen gewissen Grad von Sterilität aufweist, würde die Variation weder durch Kreuzung verdrängt werden noch infolge von Sterilität aussterben. Entwickelt sich eine Variation dieser Art, muss die physiologische Schranke die Spezies zweiteilen. . . . . Der Verfasser betrachtet gegenseitige Sterilität nicht als eine der Auswirkungen spezifischer Differenzierung, sondern als deren Ursache.“2

Es wird der Versuch unternommen, das Obige als Ergänzung und Folge der Darwinschen Theorie darzustellen. Das ist im besten Fall sehr plump. Die Öffentlichkeit wird bald aufgefordert werden zu glauben, dass C. Dixons „Evolution without Natural Selection“ ebenfalls Darwinismus ist – erweiterter, wie der Verfasser sicherlich behaupten wird!

Das ist jedoch dasselbe, als würde man den Körper eines Menschen in drei Stücke oder verschiedene Teile zerstückeln und dann behaupten, jedes davon sei derselbe Mensch wie zuvor, lediglich – erweitert. Doch der Verfasser sagt auf S. 79: „Man möge klar verstehen, dass nicht eine einzige Silbe der vorangehenden Seiten gegen Darwins Theorie von der natürlichen Selektion geschrieben wurde. Alles, was ich getan habe, war, gewisse Erscheinungen zu erklären. . . . Je mehr man Darwins Werke studiert, desto mehr wird man von der Wahrheit seiner Hypothese überzeugt.“ (!!)

Und zuvor spielt er auf S. 48 an auf „die überwältigende Reihe von Tatsachen, die Darwin zur Unterstützung seiner Hypothese auflistete, welche die natürliche Selektion triumphierend über sämtliche Hindernisse und Einwendungen hinwegtrug“.

Das hindert den gelehrten Verfasser jedoch nicht, diese Theorie ebenso „triumphierend“ umzustoßen und sein Werk sogar offen [SD # 648] „evolution without natural selection“ zu nennen oder mit ebenso vielen Worten Darwins Grundidee darin völlig zu zerlegen.

Was die natürliche Selektion selbst betrifft, herrscht heute bei vielen Denkern der größte Irrglaube darüber vor, weil sie die Schlussfolgerungen des Darwinismus stillschweigend akzeptieren. Es ist z. B. lediglich ein rhetorischer Kunstgriff, der „natürlichen Selektion“ die Kraft zuzuschreiben, Arten entstehen zu lassen. Die „natürliche Selektion“ ist keine Wesenheit, sondern eine bequeme Form, die Art und Weise zu beschreiben, wie das Überleben des Tauglichsten und die Eliminierung des Untauglichsten der Organismen im Überlebenskampf zustande kommt. Jede Gruppe von Organismen strebt danach, sich über die Selbsterhaltung hinaus zu vermehren; der beständige Überlebenskampf – der „Kampf um ausreichend Nahrung; und darum, selbst nicht gefressen zu werden“, neben den Umgebungsbedingungen – macht ein beständiges Ausjäten des Untauglichen erforderlich. Die Elite einer Art, die auf diese Art selektiert wird, pflanzt die Art fort und gibt ihre organischen Merkmale an ihre Nachkommen weiter. Alle nützlichen Mutationen werden so weitergeführt und eine fortschreitende Vervollkommnung bewirkt. Aber nach der bescheidenen Meinung der Verfasserin ist die natürliche Selektion, die „Selektion als eine Kraft“, in Wirklichkeit ein reiner Mythos; besonders wenn sie als Erklärung für den Ursprung der Arten herangezogen wird. Sie ist lediglich ein bildlicher Ausdruck zur Darstellung der Art und Weise, wie „nützliche Variationen“ stereotypisiert werden, wenn sie auftreten. Aus sich selbst kann „sie“ nichts hervorbringen, und bearbeitet lediglich das „ihr“ dargebotene rohe Material. Die wirkliche Frage, um die es sich dreht, ist folgende: Welche Ursache – in Verbindung mit anderen sekundären Ursachen – bringt die „Variationen“ in den Organismen selbst hervor? Viele dieser sekundären Ursachen sind rein physikalischer, klimatischer, nahrungsbedingter Natur etc. etc. Sehr gut. Hinter den sekundären Aspekten der organischen Evolution muss jedoch ein tieferes Prinzip gesucht werden. Die „spontanen Variationen“ und „zufälligen Abweichungen“ des Materialismus stellen in einem Universum von „Materie, Kraft und Notwendigkeit“ widersprüchliche Formulierungen dar. Ohne die beaufsichtigende Anwesenheit eines quasi intelligenten Antriebs ist die Veränderung des Typus an sich ohnmächtig, beispielsweise die erstaunliche Komplexität und die Wunder des menschlichen Körpers zu erklären. Die Unzulänglichkeit der mechanischen Theorie der Darwinisten wurde von Dr. v. Hartmann gründlich entlarvt, zusammen mit anderen rein negativen Denkern. Es ist eine Schmähung der Intelligenz des Lesers, wenn man wie Haeckel von blinden, indifferenten Zellen spricht, „die sich selbst zu Organen anordnen“. Die esoterische Erklärung des Ursprungs der Tierarten wird an anderer Stelle gegeben.

Diese rein sekundären Ursachen der Differenzierung, die unter der Überschrift der geschlechtlichen Selektion, natürliche Selektion, Klima, Isolierung etc. etc. zusammengefasst werden, führen den westlichen Evolutionisten irre und bieten überhaupt keine wirkliche Erklärung für das „Woher?“ der „Ahnentypen“, die als Ausgangspunkt für die physische Entwicklung dienten. Die Wahrheit ist, dass die der modernen Wissenschaft bekannten [SD # 649] differenzierenden „Ursachen“ erst nach der Verkörperung der ursprünglichen tierischen Wurzeltypen aus dem Astralen zu wirken beginnen. Der Darwinismus begegnet der Evolution erst auf der Mitte des Weges – d. h., wenn die astrale Evolution dem Spiel der gewöhnlichen physikalischen Kräfte Platz gemacht hat, mit denen unsere gegenwärtigen Sinne uns bekannt machen. Doch auch hier reicht die Darwinsche Theorie nicht aus, nicht einmal mit den jüngst versuchten „Erweiterungen“, den Tatsachen der Angelegenheit gerecht zu werden. Die der physiologischen Variation in Arten zugrundeliegende Ursache – die allen anderen Gesetzen untergeordnet und sekundär ist – ist eine unterbewusste, die Materie durchdringende Intelligenz, welche letztlich auf eine Reflexion der göttlichen und dhyan-chohanischen Weisheit zurückgeführt werden kann.3 Zu einer nicht ganz unähnlichen Schlussfolgerung gelangte ein so wohlbekannter Denker wie Ed. v. Hartmann, der an der Wirksamkeit der nicht unterstützten natürlichen Selektion verzweifelnd davon ausgeht, dass die Evolution intelligent geleitet wird, und zwar durch das Unbewusste (den kosmischen Logos des Okkultismus). Letzterer wirkt jedoch nur mittels Fohat, oder der dhyan-chohanischen Energie, und nicht ganz auf die unmittelbare Art, die der große Pessimist beschreibt.

Es ist diese Divergenz unter den Wissenschaftlern, ihre Widersprüche untereinander und häufig auch gegen sich selbst, die der Schreiberin der vorliegenden Bände den Mut gaben, andere und ältere Lehren ans Licht zu bringen – wenn auch nur als Hypothesen für zukünftige wissenschaftliche Würdigung. Die wissenschaftlichen Trugschlüsse und Lücken sind selbst für die bescheidene Aufzeichnerin dieser archaischen Lehre so augenscheinlich, obwohl sie in den modernen Wissenschaften durchaus nicht sehr gelehrt ist, dass sie sich entschlossen hat, all das zu berühren, um die beiden Lehren nebeneinander zu stellen. Für den Okkultismus ist es eine Frage der Selbstverteidigung und nichts weiter.

Bis jetzt hat sich „Die Geheimlehre“ mit reiner und einfacher Metaphysik beschäftigt. Sie ist jetzt auf der Erde angekommen und findet sich innerhalb des Bereichs der Naturwissenschaft und praktischen Anthropologie oder jener Studienzweige, welche die materialistischen Naturforscher als ihr rechtmäßiges Gebiet beanspruchen, wobei sie außerdem sehr kühn behaupten, das Wirken der Seele, je höher und vollkommener es ist, sei umso mehr der Untersuchung und den Erklärungen des Zoologen und des Physiologen allein zugänglich (Haeckel über „Zellseelen und Seelenzellen“). Diese fantastische Anmaßung kommt von einem, der, um seine pithekoide Abstammung zu beweisen, nicht gezögert hat, die Lemuren unter die Ahnen des Menschen einzureihen; sie wurden von ihm in den Rang von Halbaffen erhoben, von dezidualosen Säugetieren, denen er fälschlicherweise eine Dezidua [SD # 650] und eine scheibenförmige Plazenta zuschreibt.4 Dafür wurde Haeckel von de Quatrefages streng getadelt, und von seinen eigenen Brudermaterialisten und Agnostikern kritisiert, von Virchow und du Bois-Reymond, ebenso großen, wenn nicht größeren Autoritäten als er selbst.5

Ungeachtet einer solchen Opposition werden die wilden Theorien Haeckels bis heute von einigen noch immer als wissenschaftlich und logisch bezeichnet. Nachdem die mysteriöse Natur des Bewusstseins, der Seele und des Geistes im Menschen heute lediglich als Fortschritt der Tätigkeit der protoplasmischen Moleküle der lebendigen Protisten erklärt wird, und die allmähliche Evolution und das Wachstum des menschlichen Denkvermögens und der „sozialen Instinkte“ in Richtung der Zivilisation auf ihren Ursprung in den Zivilisationen von Ameisen, Bienen und anderen Geschöpfen zurückgeführt werden müssen, sind die verbleibenden Aussichten für eine unparteiische Anhörung der archaischen Weisheitslehren in der Tat sehr gering. Den gebildeten Profanen wird gesagt, „die sozialen Instinkte der niederen Tiere seien neuerdings von verschiedener Seite mit vollem Recht als der Urquell auch der menschlichen Moral (!) bezeichnet worden“, und dass sich unser göttliches Bewusstsein, unsere Seele, unser Intellekt und unsere Bestrebungen „von der niederen Stufe der einfachen Zellseele“ des gallertartigen Bathybius emporgearbeitet haben (siehe Haeckels „Present Position of Evolution“ in: „The Pedigree of Man“, Anmerkungen) – und sie scheinen es zu glauben. Auf solche Menschen muss die Metaphysik des Okkultismus den Effekt hervorbringen, welche unsere großartigsten Orchester- und Vokaloratorien auf die Chinesen haben: Klänge, die an ihren Nerven zerren.

Sind aber unsere esoterischen Lehren über „Engel“, über die ersten drei vortierischen Menschenrassen und über den Fall der vierten auf einer niedrigeren Stufe der Fiktion und des Selbstbetrugs angesiedelt als das Haeckelsche „Plastidul“ oder die anorganischen „Molekularseelen der Protisten“? Zwischen der Evolution der spirituellen Natur des Menschen aus den oben genannten Amöbenseelen und der behaupteten Entwicklung seiner körperlichen Gestalt aus dem protoplastischen Bewohner des Meeresschlamms liegt ein Abgrund, der von keinem sich im vollen Besitz seiner intellektuellen Fähigkeiten befindlichen Menschen leicht überschritten werden könnte. Die physische Evolution, wie die moderne Wissenschaft sie lehrt, ist Gegenstand einer offenen Kontroverse. Die spirituelle und moralische Entwicklung nach denselben Regeln ist der wahnsinnige Traum eines krassen Materialismus.

Außerdem lehrt die tägliche Erfahrung sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart, dass von den Kreisen der Gelehrten noch niemals eine Wahrheit akzeptiert wurde, die nicht [SD # 651] mit den gewohnheitsmäßig vorgefassten Ideen ihrer Professoren innig übereinstimmte. „Die Krone des Erneuerers ist eine Dornenkrone“ – sagte G. St.-Hilaire. Es ist im Allgemeinen die Regel, dass nur das an Boden gewinnt, was den volkstümlichen Hobbys und akzeptierten Vorstellungen entspricht. Daher der Triumph der Haeckelschen Ideen, trotzdem sie von Virchow, du Bois Reymond und anderen als „Testimonium Paupertatis der Naturwissenschaft“ bezeichnet werden.

Wenn auch der Materialismus der deutschen Evolutionisten den spirituellen Vorstellungen der Esoterischen Philosophie diametral entgegengesetzt sein mag, so wie ihr akzeptiertes anthropologisches System mit den wirklichen Tatsachen der Natur streng unvereinbar ist – ist die heute das englische Denken färbende pseudo-idealistische Tendenz fast noch gefährlicher. Die rein materialistische Lehre erlaubt eine unmittelbare Widerlegung und einen Appell an die Logik der Tatsachen. Der Idealismus der Gegenwart schafft es nicht nur, sich einerseits die grundlegenden Negationen des Atheismus einzuverleiben, sondern er wirft seine Anhänger in ein unwirkliches Wirrwarr, das in einem praktischen Nihilismus gipfelt. Eine Auseinandersetzung mit solchen Schriftstellern kommt fast gar nicht in Betracht. Die Idealisten werden daher den jetzt gegebenen okkulten Lehren noch feindseliger gegenüberstehen als selbst die Materialisten. Aber da die Vertreter der esoterischen Anthropogenesis kein schlechteres Schicksal treffen könnte als von ihren Feinden öffentlich mit ihren alten und altehrwürdigen Namen als „Wahnsinnige“ und „Dummköpfe“ beschimpft zu werden, können die vorliegenden archaischen Theorien mit Sicherheit den vielen modernen Spekulationen hinzugefügt werden und die Zeit ihrer vollen oder auch teilweisen Anerkennung abwarten. Nur müssen wir, da die Existenz dieser „archaischen Theorien“ wahrscheinlich abgestritten werden wird, unsere besten Beweise darlegen und bis zum bitteren Ende zu ihnen stehen.

In seltenen Fällen befindet sich in unserer Rasse und Generation der eine „Tempel im Universum“ – in uns; aber unsere Körper und unser Denken sind zu sehr verunreinigt, sowohl von der Sünde als auch von der Wissenschaft, als dass sie äußerlich gegenwärtig irgend etwas Besseres sein könnten als eine Stätte des Lasters und des Irrtums. Und hier sollte unsere gegenseitige Position – die des Okkultismus und der modernen Wissenschaft – ein für alle Mal definiert werden.

Wir Theosophen sind gewillt, uns vor solchen gelehrten Wissenschaftlern wie dem verstorbenen Prof. Balfour Stewart, Crookes, de Quatrefages, Wallace, Agassiz, Butlerov und anderen zu verneigen, obwohl wir vom Standpunkt der Esoterischen Philosophie nicht mit allem übereinstimmen mögen, was sie sagen. Aber nichts wird uns dahin bringen, anderen Wissenschaftlern wie Haeckel, Carl Vogt oder Ludwig Büchner in Deutschland, oder auch Huxley und seine Geistesverwandten im Materialismus in England, auch nur Respekt für deren Meinung zu zollen – trotz der ungeheuren Gelehrsamkeit des Erstgenannten. Solche Männer sind lediglich die intellektuellen und moralischen Mörder zukünftiger Generationen; insbesondere Haeckel, dessen krasser Materialismus sich in seiner Beweisführung oft bis in die Höhe idiotischer Naivitäten aufschwingt. Man braucht nur sein Werk „The Pedigree of Man, and Other Essays“ (Avelings Übers.) zu lesen, um ein Verlangen zu empfinden, dass mit den Worten Hiobs sein [SD # 652] Gedächtnis vergehen möge im Lande, und dass er „keinen Namen haben soll auf der Gasse“. Man höre ihn die Idee von der Entstehung des Menschengeschlechts „als einen übernatürlichen (?) Vorgang“ verspotten, „der nicht lediglich durch mechanische Ursachen, durch physikalische und chemische Kräfte bewirkt werden könne, jedoch den unmittelbaren Eingriff einer schöpferischen Persönlichkeit erfordere. . . “

. . . . „Der Schwerpunkt von Darwins Lehre liegt nun aber darin“, . . fährt der Schöpfer der mythischen Sozura fort, „dass er die einfachsten, mechanisch wirkenden Ursachen, rein physikalisch-chemische Naturvorgänge, als vollkommen ausreichend nachweist, um die höchsten und schwierigsten aller Aufgaben zu lösen. Darwin setzt also an die Stelle einer bewussten Schöpferkraft, welche die organischen Körper der Tiere und Pflanzen nach einem entworfenen Plan aufbaut und arrangiert, eine Reihe von Naturkräften, die blind (oder wie wir sagen) ohne Zweck und Plan tätig sind. An die Stelle eines willkürlichen Schöpferaktes tritt ein notwendiges Evolutionsgesetz . . . .“ (das hatten Manu und Kapila auch, und gleichzeitig leitende, bewusste und intelligente Kräfte). . . „Darwin selbst hatte klugerweise . . . die Frage der ersten Entstehung des Lebens beiseite geschoben. Doch bald darauf wurde die bedeutendste und weitreichendste Schlussfolgerung von ausgezeichneten und mutigen Naturforschern öffentlich verkündet, namentlich Huxley, Carl Vogt und Ludwig Büchner. Ein mechanischer Ursprung der ersten Lebensform wurde als notwendige Ergänzung von Darwins Lehre betrachtet. Und uns interessiert gegenwärtig nur eine einzige Schlussfolgerung der Lehre, der natürliche Ursprung des Menschengeschlechts durch die allmächtige Evolution“ (S. 34, 37).

Darauf erwidert der Okkultismus, ohne sich von diesem wissenschaftlichen Mischmasch verwirren zu lassen: Im Verlauf der Evolution, als die physische über die spirituelle und mentale triumphierte und sie mit ihrem Gewicht fast erdrückte, war die große Gabe Kriyashakti6 in allen Zeitaltern das Erbe lediglich weniger auserwählter Menschen . . . . Der Geist bemühte sich vergebens, sich als Ganzes in rein organischen Formen zu manifestieren (wie im ersten Teil dieses Bandes erklärt wurde), und während die frühe Menschheit der dritten Rasse diese Fähigkeit noch als natürliches Attribut aufwies, wurde sie fortan von Spiritualisten und Okkultisten als lediglich phänomenal betrachtet und von Materialisten als wissenschaftlich unmöglich erachtet.

In unserer modernen Zeit ist schon allein die Behauptung der Existenz einer Kraft, welche menschliche Formen erschaffen kann – fertige Hüllen, in welche sich die „bewussten Monaden“ oder Nirmanakayas vergangener Manvantaras inkarnieren können – natürlich unsinnig, lächerlich! Im Gegensatz dazu wird es als vollkommen natürlich angesehen, dass ein Frankensteinsches Monster hervorgebracht wird, dazu moralisches Bewusstsein, religiöses Streben, Genius und eine Empfindung der eigenen unsterblichen Natur in sich selbst – von „physikalisch-chemischen Kräften, von der blinden allmächtigen Evolution gelenkt“ („The Pedigree of Man“). [SD # 653] Was den Ursprung des Menschen anbelangt, so ist er nicht aus einem Nichts entstanden, das von ein wenig rotem Lehm zusammengehalten wird, sondern von einer lebendigen göttlichen Wesenheit, die den Astralkörper mit den umgebenden Materialien verfestigt – diese Vorstellung ist zu absurd, um nach Meinung der Materialisten überhaupt erwähnt zu werden. Nichtsdestoweniger sind die Okkultisten und Theosophen bereit, ihre Behauptungen und Theorien – wie unwissenschaftlich und abergläubisch sie auch auf den ersten Blick hin erscheinen mögen – in Bezug auf ihren inneren Wert und ihre Wahrscheinlichkeit mit jenen der modernen Evolutionisten vergleichen zu lassen. Die esoterische Lehre ist also der Darwinschen Evolution vollkommen entgegengesetzt, wenn sie auf den Menschen und teilweise auch auf andere Arten angewendet wird.

Es wäre interessant, einen Blick auf die mentale Vorstellung von der Evolution im wissenschaftlichen Gehirn eines Materialisten werfen zu können. Was ist Evolution? Auf die Bitte, die ganze und vollständige Bedeutung des Begriffs zu erklären, würden weder Huxley noch Haeckel imstande sein, das irgendwie besser zu machen als Webster: „Der Akt der Entfaltung; der Prozess des Wachstums, der Entwicklung; wie die Evolution einer Blume aus einer Knospe, oder eines Tieres aus dem Ei.“ Aber die Knospe muss durch ihre mütterliche Pflanze auf den Samen zurückgeführt werden, und das Ei auf das Tier oder den Vogel, der es gelegt hat; oder auf jeden Fall das Protoplasmaklümpchen, aus dem es sich erweitert hat und hervorgewachsen ist. Und sowohl der Same als auch das Klümpchen müssen die latenten Möglichkeiten zur Reproduktion und stufenweisen Entwicklung in sich tragen, um tausendundeine Formen oder Phasen der Evolution entfalten zu können, durch die sie hindurchgehen müssen, bevor die Blume oder das Tier vollständig entwickelt ist. Daher muss der zukünftige Plan, wenn nicht ein Modell, existieren. Außerdem muss dieser Same zurückverfolgt und seine Natur ermittelt werden. Waren die Darwinisten darin erfolgreich? Oder wird uns die Monere vorgehalten? Dieses Atom der wässrigen Abgründe ist aber keine homogene Materie; und es muss etwas oder irgend jemand existieren, der es geformt und ins Dasein gebracht hat.

Hier wiederum ist die Wissenschaft schweigsam. Aber nachdem bis jetzt, sowohl den Materialisten als auch den Psychologen der modernen Schule zufolge, weder das Klümpchen, noch der Samen oder der Keim Selbstbewusstsein enthalten – worin die Okkultisten ausnahmsweise mit ihren natürlichen Feinden übereinstimmen – was leitet dann die Kraft oder die Kräfte so unfehlbar in diesem Evolutionsvorgang? Blinde Kraft? Genauso gut könnte man das Gehirn blind nennen, das Haeckel in seinen „The Pedigree of Man“ und anderen Publikationen entwickelte. Wir können uns leicht vorstellen, dass dem genannten Gehirn ein oder zwei wichtige Windungen fehlen: Denn wer immer irgend etwas über die Anatomie des menschlichen oder auch eines beliebigen tierischen Körpers weiß, und noch immer Atheist und Materialist ist, muss „hoffnungslos wahnsinnig“ sein, sagt Lord Herbert, der mit Recht in der Gestalt des menschlichen Körpers und im Zusammenhang seiner Teile etwas so Seltsames und Paradoxes sieht, dass er ihn für das „größte Naturwunder“ hält. Blinde Kräfte und „keinerlei Gestaltung“ in irgendetwas unter der Sonne; während kein zurechnungsfähiger Wissenschaftler zögern würde das zu sagen, selbst in Anbetracht des Wenigen, was er über die im Kosmos wirkenden Kräfte weiß und bisher entdeckt hat, sieht er sehr klar, [SD # 654] dass jeder Teil, jedes Pünktchen und Atom, sich mit seinen Mitatomen in Harmonie befindet, und diese mit dem Ganzen, indem jedes einzelne im gesamten Lebenszyklus seinen bestimmten Auftrag hat. Aber glücklicherweise beginnen die größten, die hervorragendsten Denker und Gelehrten von heute, sich gegen seinen „Stammbaum“ und auch gegen Darwins Theorie von der natürlichen Selektion aufzulehnen, obwohl ihr Urheber wahrscheinlich niemals so weitreichende Schlussfolgerungen in Betracht gezogen hat. Der russische Gelehrte N. J. Danilewski stürzt diesen Darwinismus in seinem bemerkenswerten Buch „Der Darwinismus, eine kritische Untersuchung“ vollkommen und ohne Einspruch, und dasselbe macht de Quatrefages in seinem letzten Werk. Wir empfehlen unseren Lesern, den gelehrten Vortrag von Dr. Bourgès zu prüfen, eines Mitglieds der Pariser Anthropologischen Gesellschaft, den er anlässlich einer kürzlich stattgefundenen Versammlung dieser Gesellschaft unter dem Titel „Evolutionäre Psychologie; die Evolution des Geistes etc.“ hielt. Darin vereinigt er die beiden Lehren vollständig – die von der physischen und von der spirituellen Evolution. Er erklärt den Ursprung der Vielfalt der organischen Formen, die so offensichtlich mit einer intelligenten Planung an ihre Umgebung angepasst sind, und zwar durch die Existenz und die gegenseitige Unterstützung und Interaktion zweier Prinzipien der (manifestierten) Natur, dem inneren, bewussten Prinzip, das sich der physischen Natur anpasst, und den angeborenen Möglichkeiten der Letzteren. So muss der französische Gelehrte auf unseren alten Freund – den Archaeus oder das Lebensprinzip – zurückgreifen, ohne es zu benennen, wie es Dr. Richardson in England mit seiner „Nervenkraft“ getan hat etc. Dieselbe Idee wurde kürzlich in Deutschland von Freiherr von Hellenbach in seinem bemerkenswerten Werk „Der Individualismus im Lichte der Biologie und Philosophie der Gegenwart“ entwickelt.

Dieselben Schlussfolgerungen finden wir auch noch in einem weiteren ausgezeichneten Werk eines anderen tiefgründigen Denkers, N. N. Strachof, der in seinem „Die Welt als Ganzes, Grundkonzepte der Physiologie und Psychologie“ sagt: „Der deutlichste sowie bekannteste Typus der Entwicklung findet sich in unserer eigenen spirituellen oder körperliche Evolution, die anderen zum Vorbild gedient hat . . . . Wenn Organismen Entitäten sind . . . dann ist es nur Recht zu schließen und zu behaupten, dass das organische Leben psychisches Leben zu erzeugen strebt. Aber es wäre noch richtiger und würde mit dem Geist dieser beiden Kategorien der Evolution noch besser übereinstimmen zu behaupten, die wahre Ursache des organischen Lebens sei das Bestreben des Geistes, sich in substanziellen Formen zu manifestieren und sich in eine substanzielle Wirklichkeit zu kleiden. Die höchste Form ist es, welche die vollkommene Erklärung der niedersten enthält, und niemals umgekehrt.“ Das heißt ebenso, wie es Bourgès in dem oben zitierten Mémoire getan hat, die Identität dieses mysteriösen, integral wirkenden und organisierenden Prinzips mit dem Selbstbewusstsein und dem inneren Subjekt zuzugestehen, das wir das Ego nennen, und die Welt insgesamt – die Seele. So nähern sich die besten Gelehrten und Denker in ihren allgemeinen Schlussfolgerungen allmählich den Okkultisten an.

Derartige metaphysisch veranlagte Wissenschaftler sind jedoch indiskutabel und werden schwerlich Gehör finden. Schiller lässt in seinem großartigen Gedicht über [SD # 655] den Schleier der Isis den jungen Sterblichen, der es gewagt hat, die undurchdringliche Hülle zu heben, ohnmächtig zu Boden fallen, nachdem er im Angesicht der strengen Göttin die nackte Wahrheit erschaut hatte. Haben einige unserer in natürlicher Selektion und geistiger Übereinstimmung so liebevoll miteinander vereinten Darwinisten ebenfalls die ihres Schleiers beraubte saïtische Mutter angestarrt? Man möchte das fast vermuten, wenn man ihre Theorien gelesen hat. Ihre großen Intellekte müssen zusammengebrochen sein, als sie das unbedeckte Antlitz der Natur zu nah erblickten, so dass nur die graue Substanz und die Ganglien in ihren Gehirnen verblieben, um auf die blinden physikalisch-chemischen Kräfte zu reagieren. Auf jeden Fall passen Shakespeares Verse wunderbar auf unseren modernen Evolutionisten, der den „stolzen Mann“ symbolisiert:

Gehüllt in kleine, flücht’ge Wichtigkeit ;
Am dümmsten dort, wo er sich weise dünkt,
Sein starres Wesen – wie ein zorn’ger Aff,
Spielt tolle Possen vor dem Himmel,
Doch drüben Engel weinen ! . . . . ”

Diese haben nichts mit den „Engeln“ zu tun. Ihr einziges Anliegen ist der menschliche Vorfahr, der pithekoide Noah, der drei Söhne zeugte – den geschwänzten Zyno-Cephalus, den schwanzlosen Affen und den „Bäume bewohnenden“ paläolithischen Menschen. In diesem Punkt wird ihnen nicht widersprochen. Jeder darüber formulierte Zweifel wird sofort als Versuch betrachtet, die wissenschaftliche Forschung zu lähmen. Die unüberwindliche Schwierigkeit an der Basis der Evolutionstheorie, nämlich dass kein Darwinist in der Lage ist, eine auch nur annähernde Bestimmung der Zeitperiode und Form anzugeben, in welcher der erste Mensch erschien, wird zu einem geringfügigen, angeblich bedeutungslosen Hindernis abgemildert. Alle Wissenszweige befänden sich in derselben Verlegenheit, wird uns gesagt. Der Chemiker begründe seine höchst verwickelten Berechnungen lediglich „auf einer Hypothese über Atome und Moleküle, von denen nicht ein einziges jemals gesehen, isoliert, gewogen oder bestimmt worden sei. Der Elektriker spräche von magnetischen Fluiden, die sich niemals greifbar offenbarten. Ein bestimmter Ursprung könne weder den Molekülen noch dem Magnetismus zugeschrieben werden. Die Wissenschaft könne keine Kenntnis von den Anfängen des Gesetzes, der Materie oder des Lebens für sich in Anspruch nehmen und tut das auch nicht . . .“ etc. etc. („Knowledge“, Januar, 1882)

Nichtsdestotrotz kommt es einer unentschuldbaren Sünde gleich, eine wissenschaftliche Hypothese zu verwerfen, wie absurd auch immer sie sein mag! Wir riskieren es.

[SD # 656]
§ II
Die von der Wissenschaft
der Menschheit angebotenen Vorfahren

„Die Frage aller Fragen für die Menschheit – das Problem, das allen anderen zugrunde liegt und weit interessanter ist als sie – ist die Festlegung der Stellung des Menschen in der Natur und seiner Beziehungen zum Universum der Dinge.“

Huxley

Geteilt und zögernd steht die Welt heutzutage zwischen den göttlichen Vorfahren – ob es sich dabei um Adam und Eva handelt oder die lunaren Pitris – und dem Bathybius Haeckelii, dem gallertartigen Einsiedler der salzigen Tiefe. Nachdem wir die okkulte Theorie erklärt haben, kann sie jetzt mit der des modernen Materialismus verglichen werden. Der Leser ist eingeladen, zwischen den beiden zu wählen, nachdem er sie nach ihren entsprechenden Verdiensten beurteilt hat.

Einigen Trost für die Ablehnung unserer göttlichen Vorfahren können wir aus der Beobachtung ableiten, dass die Spekulationen Haeckels von der streng exakten Wissenschaft keine bessere Behandlung erfahren als unsere eigenen. Die Feinde seiner fantastischen Evolution, andere und größere Gelehrte, lachen nicht weniger über Haeckels Phylogenesis als sie über unsere ursprünglichen Rassen lachen werden. Wie du Bois-Reymond es ausdrückt, können wir ihm gerne glauben, dass die „in der ‘Schöpfungsgeschichte’ entworfenen Stammbäume unserer Rasse etwa so viel wert sind wie die Stammbäume homerischer Helden in den Augen der historischen Kritik.“

Wenn das feststeht, wird jeder sehen, dass die eine Hypothese so gut ist wie die andere. Und da wir bei diesem deutschen Naturforscher (Haeckel) selbst das Eingeständnis finden, dass weder die Geologie (in ihrer Geschichte der Vergangenheit) noch die Stammesgeschichte der Organismen sich jemals „zu einer wirklich exakten Naturwissenschaft gestalten“ wird,7 ist der okkulten Wissenschaft ein breiter Rand für ihre Anmerkungen und Proteste gelassen. Die Welt hat die Wahl zwischen den Lehren von Paracelsus, des „Vaters der modernen Chemie“, und jenen Haeckels, des Vaters der mythischen Sozura. Mehr verlangen wir nicht.

Ohne uns anzumaßen, in dem Streit derartig gelehrter Naturforscher wie du Bois-Reymond und Haeckel über unsere Blutsverwandtschaft mit „jenen Ahnen (von uns), die von den einzelligen Klassen über die Würmer, die Schädellosen, die Fische, Amphibien und Reptilien zu den Vögeln emporgeführt haben“ Partei zu ergreifen, dürfen wir zur Information unserer Leser mit ein paar wenigen Worten eine oder zwei kurze Fragen aufwerfen. Indem wir uns die Gelegenheit zunutze machen und uns [SD # 657] Darwins Theorien von der natürlichen Selektion etc. vor Augen halten, wollen wir die Wissenschaft in Bezug auf den Ursprung des Menschen und der Tierarten fragen, welche der beiden folgenden Evolutionstheorien die wissenschaftlichere oder, wenn man es vorzieht, die unwissenschaftlichere ist.

(1) Handelt es sich um eine Evolutionslehre, die von Anfang an mit geschlechtlicher Fortpflanzung einsetzt?

(2) Oder um eine Lehre, welche die allmähliche Entwicklung der Organe zeigt; ihre Verfestigung und die Hervorbringung jeder Art zunächst durch einfache, leichte Trennung von einem in zwei oder auch mehrere Individuen; dann eine neue Entwicklung – der erste Schritt in Richtung einer Art mit getrennten, unterschiedlichen Geschlechtern – in den hermaphroditischen Zustand; dann wieder eine Art von Parthenogenese, „jungfräuliche Fortpflanzung“, wenn die im Körper gebildeten Eizellen in atomischen Emanationen aus ihm hervorgehen und außerhalb von ihm heranreifen; bis sich die Menschenwesen schließlich nach einer klaren Trennung in Geschlechter durch geschlechtliche Verbindung fortzupflanzen beginnen?

Von diesen beiden wird die erste „Theorie“ – oder vielmehr „geoffenbarte Tatsache“ – von allen exoterischen Bibeln (mit Ausnahme der Puranas) und insbesondere von der jüdischen Kosmogonie verkündet. Die zweite ist die, die von der okkulten Philosophie gelehrt wird, wie von Anfang an erklärt worden ist.

Eine Antwort auf unsere Frage findet sich in einem Werk, das soeben von Samuel Laing – dem besten Laien-Erklärer der modernen Wissenschaft8 – herausgegeben wurde. Im achten Kapitel seines letzten Werkes „A Modern Zoroastrian“ beginnt der Verfasser mit einem Tadel „aller alten Religionen und Philosophien“, weil sie „ein männliches und weibliches Prinzip als ihre Götter annehmen“. Auf den ersten Blick, sagt er, „erscheint diese Unterscheidung der Geschlechter ebenso grundlegend wie die von Pflanze und Tier“. . . . „Der über dem Chaos brütende und die Welt hervorbringende Geist Gottes“, fährt er mit seiner Beschwerde fort, „ist lediglich eine spätere, auf die monotheistischen Ideen angepasste Version der viel älteren chaldäischen Legende, welche die Schöpfung des Kosmos aus dem Chaos durch das Zusammenwirken großer männlicher und weiblicher Gottheiten beschreibt . . “ So werden wir im orthodoxen christlichen Glauben gelehrt, zu verbreiten: „Gezeugt, nicht erschaffen“, eine Phrase, die absoluter Unsinn ist, das heißt ein Beispiel dafür, dass Worte wie falsche Banknoten gebraucht werden, welche nicht über den soliden Wert einer dahinterstehenden Idee verfügen. Denn „gezeugt“ ist ein sehr bestimmter Ausdruck, der „die Verbindung von zwei entgegengesetzten Geschlechtern zur Hervorbringung eines neuen Individuums impliziert.“

Wie sehr wir auch mit dem gelehrten Verfasser in Bezug auf die Unratsamkeit der Benutzung falscher Worte und auf das schreckliche anthropomorphische und phallische Element in den alten Schriften – insbesondere in der orthodoxen christlichen Bibel – übereinstimmen mögen, könnte es in diesem Fall nichtsdestotrotz zwei mildernde Umstände geben. Erstens sind alle diese „alten Philosophien“ und „modernen [SD # 658] Religionen“ – wie in diesen beiden Bänden hinlänglich gezeigt worden ist – ein über das Antlitz der esoterischen Wahrheit geworfener exoterischer Schleier; und – als unmittelbares Resultat davon – sie sind allegorisch, d. h. der Form nach mythologisch. Aber dem Wesen nach sind sie dennoch unermesslich philosophischer als jede beliebige der neuen, sogenannten wissenschaftlichen Theorien. Zweitens war, von der orphischen Theogonie bis hinab zur Esras letzter Umarbeitung des Pentateuchs, jede alte Schrift, die in ihrem Ursprung Fakten aus dem Osten entlehnte, beständigen Veränderungen durch Freund und Feind unterworfen, bis von der ursprünglichen Version nur mehr der Name übrig war, eine tote Hülle, aus welcher der Geist allmählich eliminiert worden war.

Das allein sollte zeigen, dass keines der gegenwärtig existierenden Religionswerke ohne die Unterstützung der archaischen Weisheit verstanden werden kann, der ersten Grundlage, auf welcher sie alle errichtet sind.

Doch kehren wir zu der direkten Antwort zurück, die von der Wissenschaft auf unsere direkte Frage erwartet wird. Derselbe Verfasser gibt sie, indem er seinen Gedankengang über den unwissenschaftlichen Euhemerismus der Naturkräfte in den alten Glaubensrichtungen verfolgt und sie mit den folgenden Worten verdammt:

„Auf traurige Weise zerstört die Wissenschaft jedoch den Eindruck, die geschlechtliche Zeugung sei die ursprüngliche und einzige Fortpflanzungsart9 und das Mikroskop und Seziermesser des Naturforschers führe uns in neue und gänzlich unerwartete (?) Lebenswelten ein. . . .“

So „unerwartet“ tatsächlich, da die ursprünglich ungeschlechtlichen „Fortpflanzungsarten“ auf jeden Fall den alten Indern bekannt gewesen sein müssen – ungeachtet der gegenteiligen Behauptungen Laings. Angesichts der von uns und anderwärts angeführten Behauptungen des Vishnu-Puranas“, dass Daksha „den Geschlechtsverkehr als Mittel zur Vermehrung einführte“, aber erst nach einer Reihe anderer „Methoden“, die alle darin aufgezählt werden (Bd. II, S. 12, 15, Wilsons Übers.), wird es schwierig, die Tatsache zu leugnen. Diese Behauptung findet sich außerdem, man bemerke das wohl, in einem exoterischen Werk. Zunächst fährt Samuel Laing fort, uns zu erklären, dass

. . . . „der weitaus größere Teil der Lebewesen, was die Anzahl betrifft . . . . ohne die Hilfe geschlechtlicher Fortpflanzung ins Dasein gekommen ist.“ Er führt dann als Beispiel Haeckels Monere an, die sich . . . . „durch Selbstteilung vermehrt“. Das nächste Stadium zeigt der Verfasser in der Kernzelle, „die genauso verfährt“. Im darauffolgenden Stadium „trennt sich der Organismus nicht in zwei gleiche Teile, sondern ein kleiner Teil desselben schwillt an . . . . und trennt sich schließlich ab und beginnt eine eigene Existenz, und wächst schließlich durch seine innewohnende Fähigkeit, frisches Protoplasma aus den umgebenden anorganischen Materialien zu erzeugen, bis zur Größe der Mutter heran.“10

[SD # 659] Daraus entsteht ein vielzelliger Organismus, gebildet aus „von der Mutter ausgesendeten Keimknospen, die auf Sporen oder Einzelzellen reduziert sind“ . . . . wenn „wir an der Schwelle des Systems geschlechtlicher Fortpflanzung sind, das (jetzt) in allen höheren Tierfamilien zur Regel geworden ist.“ . . . . Wenn ein „Organismus im Überlebenskampf Vorteile hat, etabliert er sich dauerhaft“ . . . . und besondere Organe werden entwickelt, um den geänderten Bedingungen zu entsprechen . . . . als sich ein Unterschied „fest etablierte zwischen einem das Ei oder die ursprüngliche Zelle enthaltenden weiblichen Organ oder Ovarium, aus welchem das neue Wesen entwickelt werden soll.“ . . . . „Das wird durch ein Studium der Embryologie bestätigt, die aufzeigt, dass bei den menschlichen und höheren tierischen Arten die unterschiedlichen Geschlechter nicht entwickelt sind, bevor ein beträchtlicher Fortschritt im Wachstum des Embryos erzielt worden war . . . . Bei der großen Mehrzahl der Pflanzen und bei einigen niederen Tierfamilien . . . werden die männlichen und weiblichen Organe innerhalb desselben Wesens entwickelt . . . . zu Hermaphroditen. Des Weiteren entwickeln sich in der jungfräulichen Fortpflanzung Keimzellen, die scheinbar in allen Beziehungen Eizellen ähnlich sind, ohne irgendwelche befruchtenden Elemente zu neuen Individuen“ etc. etc. (S. 103-107).

Das alles ist uns genauso wohlbekannt wie dass das Obige niemals von dem sehr gelehrten englischen Verbreiter der Huxley-Haeckelschen Theorien auf den Genus homo angewendet wurde. Er beschränkt das auf Protoplasmaklümpchen, Pflanzen, Bienen, Schnecken etc. Aber wenn er der Abstammungstheorie gerecht werden will, muss er auch der Ontogenie gerecht werden, in der das fundamentale biogenetische Gesetz, wie uns gesagt wird, folgendermaßen lautet: „Die Entwicklung des Embryos (Ontogenese) ist eine kondensierte und gekürzte Wiederholung der Evolution der Rasse (Phylogenese). Diese Wiederholung ist um so vollständiger, je stärker die wahre ursprüngliche Evolutionsfolge (Palingenese) durch beständige Vererbung beibehalten wird. Andererseits ist die Wiederholung um so unvollständiger, je stärker die spätere Scheinentwicklung (Zenogenese) durch wechselnde Anpassung eingetreten ist.“ („Anthrop.“, 3. Ausg., S. 11)

Das zeigt uns, dass sich jedes lebende Geschöpf und Ding auf der Erde, einschließlich des Menschen, aus einer gemeinsamen Urform entwickelt hat. Der körperliche Mensch muss dieselben Stadien des Entwicklungsprozesses in den verschiedenen Fortpflanzungsarten durchlaufen haben wie andere Tiere auch: Er muss sich selbst geteilt haben; als Hermaphrodit muss er dann seine Jungen parthenogenetisch (Jungfernzeugung) hervorgebracht haben; das nächste Stadium wäre das ovipare – zuerst „ohne irgendein befruchtendes Element“, dann „mit Hilfe der befruchtenden Spore“; und erst nach der endgültigen und eindeutigen Entwicklung der beiden Geschlechter konnte er individuell zu „Mann und Frau“ werden, als sich die Fortpflanzung mittels der geschlechtlichen Vereinigung zu einem universalen Gesetz formte. So weit ist alles wissenschaftlich bewiesen. Es bleibt nur eine Sache zu ermitteln: nämlich die klar und verständlich beschriebenen [SD # 660] Vorgänge einer solchen vorgeschlechtlichen Fortpflanzung. Das geschah in den okkulten Büchern, in Teil I dieses Bandes versuchte die Schreiberin einen schwachen Abriss davon zu geben.

Entweder das, oder – der Mensch ist ein besonderes Wesen. Die okkulte Philosophie kann ihn, wegen seiner besonderen dualen Natur, so nennen. Die Wissenschaft kann das nicht, sobald sie jede Beeinflussung mit Ausnahme der mechanischen Gesetze leugnet und außerhalb der Materie kein Prinzip zugesteht. Erstere – die archaische Wissenschaft – anerkennt, dass die physische Gestalt des Menschen alle Formen durchlaufen hat, von der niedrigsten bis zur allerhöchsten, ihrer gegenwärtigen, oder von der einfachen zur zusammengesetzten – um die anerkannten Begriffe zu verwenden. Sie behauptet aber, dass die Gestalt in diesem Zyklus (dem vierten), da sie bereits in den vorangegangenen Runden zu den Typen und Modellen der Natur gehörte, für den Menschen vom Anfang der gegenwärtigen Runde an vollständig bereitstand.11 Die Monade hatte lediglich in den Astralkörper der Vorfahren einzutreten, damit das Werk der physischen Verfestigung rund um den schattenhaften Prototyp beginnen konnte.12

Was würde die Wissenschaft dazu sagen? Sie würde natürlich sagen, dass der Mensch, weil er als das späteste Säugetier auf der Erde erschien, es nicht mehr als irgendeines dieser Säugetiere nötig hatte, die oben beschriebenen ursprünglichen Fortpflanzungsstadien zu durchlaufen. Seine Fortpflanzungsart war auf der Erde bereits eingerichtet, als er erschien. In diesem Fall können wir antworten: Nachdem bis zum heutigen Tag noch nicht die entfernteste Spur eines Bindegliedes zwischen Mensch und Tier gefunden worden ist, muss er (wenn die okkulte Lehre abgelehnt werden soll) durch ein Wunder in der Natur zum Vorschein gekommen sein wie Minerva, die in voller Rüstung aus Jupiters Gehirn entsprang. Und in solchen Fällen hat die Bibel Recht, wie andere nationale „Offenbarungen“ auch. So wird die wissenschaftliche Verachtung, die der Verfasser von „A Modern [SD # 661] Zoroastrian“ so freigiebig an alte Philosophien und exoterische Glaubensrichtungen verschwendet, voreilig und ungerechtfertigt. Auch würde die plötzliche Entdeckung eines Fossils in der Art des „fehlenden Gliedes“ die Sache nicht verbessern. Denn weder ein solches Einzelexemplar, noch die daraus gezogenen wissenschaftlichen Schlussfolgerungen könnten die Sicherheit geben, dass es sich dabei um das lange gesuchte Relikt handelt, d. h. das eines unentwickelten, aber doch einstmals sprechenden Menschen. Für einen endgültigen Beweis wäre etwas mehr erforderlich (vide infra, Anmerkung). Abgesehen davon, beginnt selbst die Genesis mit dem Menschen, ihrem Adam aus Staub, erst dort, wo die Geheimlehre ihre „Söhne von Gott und Weisheit“ verlässt und den physischen Menschen der dritten Rasse ansetzt. Eva wird nicht „gezeugt“, sondern sie wird aus Adam extrahiert, nach Art der „Amöbe A“, die sich in der Mitte zusammenzieht und Amöbe B abspaltet – durch Teilung (siehe S. 103, „A Modern Zoroastrian“). Auch hat sich die menschliche Sprache nicht aus den verschiedenen Tierlauten entwickelt.

Haeckels Theorie, dass „die Sprache erst allmählich aus wenigen einfachen, tierisch-rohen Lauten entstand . . . .“, wie sie „auch heute noch bei einigen Naturvölkern niederen Ranges existiert“ („The Darwinian Theory“ in „The Pedigree of Man“, S. 22), ist unhaltbar, wie unter anderem von Professor Max Müller bewiesen wurde. Er behauptet, dass bis jetzt noch keine einleuchtende Erklärung dafür gegeben wurde, wie die „Wurzeln“ der Sprache entstanden. Für die menschliche Sprache ist ein menschliches Gehirn notwendig. Und Zahlen, welche die verhältnismäßige Größe der Gehirne von Mensch und Affe darstellen, zeigen, wie tief die beide voneinander trennende Kluft ist. Vogt behauptet, dass das Gehirn des größten Affens, des Gorillas, nicht mehr als 30,51 Kubikzoll misst, während die Durchschnittsgehirne der flachköpfigen australischen Eingeborenen – jetzt die niederste Menschenrasse – sich auf 99,35 Kubikzoll belaufen! Zahlen sind lästige Zeugen und können nicht lügen. Wie daher von Dr. F. Pfaff richtig bemerkt wurde, dessen Voraussetzungen ebenso gesund und korrekt sind wie seine biblischen Schlussfolgerungen albern: „Das Gehirn der menschenähnlichsten Affen erreicht nicht ganz ein Drittel des Gehirns der niedrigsten Menschenrassen: es ist nicht halb so groß wie das Gehirn eines neugeborenen Kindes.“ („The Age and Origin of Man“) Aus dem Vorangehenden ist somit sehr leicht zu entnehmen, dass zum Beweis der Huxley-Haeckelschen Theorien von der Abstammung des Menschen nicht ein Einziges, sondern eine große Anzahl von „fehlenden Gliedern“ – eine wahre Leiter von fortschreitenden Entwicklungsstufen – zuerst aufgefunden und dann von der Wissenschaft der denkenden und überlegenden Menschheit vorgelegt werden müsste, bevor diese den Glauben an Götter und die unsterbliche Seele zugunsten der Anbetung vierfüßiger Ahnen aufgeben könnte. Bloße Mythen werden jetzt als „axiomatische Wahrheiten“ begrüßt. Selbst Alfred Russel Wallace behauptet mit Haeckel, dass der Urmensch ein sprachloses Affengeschöpf war. Darauf antwortet Professor Joly: „Der Mensch war meiner Ansicht nach niemals dieser Pithecanthropus alalus, dessen Porträt Haeckel so gezeichnet hat, als ob er ihn gesehen und gekannt hätte, dessen einzigartige und vollständig hypothetische Genealogie er ebenfalls angab, von der bloßen Anhäufung lebendigen Protoplasmas an bis zum Menschen, der mit Sprache und Zivilisation [SD # 662] analog der Australier und Papuas begabt ist.“ („Man Before Metals“, S. 320, N. Joly, Inter. Scient. Series)

Haeckel kommt unter anderem oft in direkten Konflikt mit der Sprachwissenschaft. Im Verlauf seines Angriffs auf den Evolutionismus (1873, „Three Lectures on Mr. Darwin’s Philosophy of Language“) brandmarkte Prof. Max Müller die Theorie Darwins als „vom Anfang bis zum Ende verwundbar“. Tatsache ist, dass es außer Zweifel steht, dass viele der sekundären „Gesetze“ des Darwinismus lediglich teilweise wahr sind – indem de Quatrefages offenbar die „Natürliche Selektion“, den „Überlebenskampf“ und die Umwandlung der Arten nicht als ein für allemal, sondern nur als zeitweilig erwiesen ansieht. Es mag vielleicht nicht unpassend sein, die sprachwissenschaftlichen Bedenken gegen die Theorie der „Affenvorfahren“ zusammenzufassen:

Sprachen haben ihre Wachstumsphasen etc., wie alles Übrige in der Natur. Es ist fast sicher, dass die großen Sprachfamilien drei Stadien durchlaufen:

(1) Alle Worte sind Wurzeln und werden nur nebeneinandergestellt (Wurzelsprachen).

(2) Eine Wurzel definiert die andere und wird zum determinierenden Element (agglutinierende Sprachen).

(3) Das determinierende Element (dessen determinierende Bedeutung längst vergessen ist) vereinigt sich mit dem formellen Element zu einem Ganzen (flektierende Sprachen).

Das Problem ist also dieses: Woher kommen diese Wurzeln? Max Müller argumentiert, dass die Existenz dieser vorgefertigten Sprachmaterialien ein Beweis dafür ist, dass der Mensch nicht die Krone einer langen, organischen Reihe sein kann. Diese Potenzialität der Wurzelbildung ist die große Schwierigkeit, der die Materialisten fast ausnahmslos ausweichen.

Von Hartmann erklärt sie als eine Offenbarung des „Unbewussten“ und lässt ihre zwingende Kraft versus den mechanischen Atheismus gelten. Von Hartmann ist ein gutes Beispiel des Metaphysikers und des Idealisten der heutigen Zeit.

Dieses Argument wurde von den nicht-pantheistischen Evolutionisten noch nie angeführt. Mit Schmidt zu sagen: „Wahrlich, sollen wir vor dem Ursprung der Sprache halt machen?“, ist ein Zugeständnis von Dogmatismus und rascher Niederlage (vergl. seine „Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 304).

Wir achten die weisen Wissenschaftler ihrer Generation, die sagen: „Da die prähistorische Vergangenheit vollständig außerhalb unserer Möglichkeiten unmittelbarer Beobachtung liegt, sind wir zu ehrlich, und der Wahrheit – oder dem, was wir für die Wahrheit halten – zu sehr ergeben, als dass wir über das Unbekannte spekulieren und unsere unbewiesenen Theorien gleichzeitig mit in der modernen Wissenschaft absolut anerkannten Tatsachen herausgeben würden.“ . . . . „Das Grenzland der (metaphysischen) Erkenntnis wird daher am besten der Zeit überlassen, die der beste Prüfstein der Wahrheit ist.“ („A Modern Zoroastrian“, S. 136)

Das ist ein weiser und ehrlicher Ausspruch aus dem Mund eines Materialisten. Aber wenn Haeckel, nachdem er soeben gesagt hat, dass „die historischen Vorgänge der [SD # 663] Vergangenheit . .“ sich „vor vielen Millionen von Jahren vollzogen haben13 . . . und damit der direkten Beobachtung für immer verborgen sind“, und dass weder die Geologie noch die Phylogonie14 sich „in die Position einer wirklich exakten Naturwissenschaft erheben“ können oder werden, anschließend auf der Entwicklung aller Organismen – „vom niedersten bis zum höchsten Wirbeltier, vom Amphioxus bis zum Menschen“ – besteht, so verlangen wir einen gewichtigeren Beweis als er zu geben imstande ist. Die vom Verfasser der „Anthropogenie“ so gepriesenen „empirischen Erkenntnisquellen“ sind – auch wenn er mit deren Qualifikation für seine eigenen Ansichten zufrieden sein sollte – zur Lösung von außerhalb ihres Bereiches liegenden Problemen jedenfalls nicht geeignet; es liegt auch nicht in der Domäne der exakten Wissenschaft, irgendwelches Vertrauen auf sie zu setzen.15 Wenn sie „empirisch“ sind – und Haeckel selbst behauptet das wiederholt – sind sie in den Augen der exakten Forschung, wenn sie auf die entfernte Vergangenheit ausgedehnt werden, nicht besser und auch nicht verlässlicher als unsere okkulten Lehren des Ostens, weshalb beide auf ziemlich dieselbe Stufe gestellt werden müssen. Auch werden seine phylogenetischen und palingenetischen Spekulationen von den wirklichen Wissenschaftlern nicht günstiger behandelt als unsere zyklischen Wiederholungen der Evolution der großen Rassen in den kleineren, und die ursprüngliche Ordnung der Evolution. Denn der Bereich der exakten, wirklichen Wissenschaft, wie materialistisch sie auch sei, besteht darin, jede Vermutung sorgfältig zu vermeiden, Spekulationen, die nicht verifiziert werden können; kurz gesagt, jede suppressio veri und jede suggestio falsi. Das Geschäft der Wissenschaftler ist es, ein jeder in seiner gewählten Abteilung, die Naturerscheinungen zu beobachten, die Tatsachen aufzuzeichnen, zu tabulieren, zu vergleichen und zu klassifizieren, bis hinab in die kleinsten Einzelheiten, die sich der sinnlichen Beobachtung mit Hilfe der ganzen ausgezeichneten Mechanik darbieten, welche die moderne Erfindung liefert, und nicht mit Hilfe metaphysischer Höhenflüge. Alles, was er rechtmäßigerweise tun darf, ist, mit Unterstützung physikalischer Instrumente die [SD # 664] Mängel und Täuschungen seines normalen Seh- und Hörvermögens und anderer Sinne zu korrigieren. Er hat kein Recht, auf den Boden der Metaphysik und der Psychologie überzutreten. Seine Pflicht ist es, alle Fakten, die unter seine unmittelbare Beobachtung fallen, zu verifizieren und zu berichtigen; von den Erfahrungen und Fehlern der Vergangenheit zu profitieren, indem versucht wird, das Wirken einer bestimmten Verkettung von Ursache und Wirkung nachzuvollziehen, die ausschließlich aufgrund ihrer ständigen und unveränderlichen Wiederholung als Gesetz bezeichnet werden kann. Das ist die Tätigkeit, die von einem Wissenschaftler erwartet wird, wenn er ein Lehrer der Menschen werden und seinem ursprünglichen Programm der Naturwissenschaft oder Physik treu bleiben will. Jeder Seitenpfad von dieser Hauptstraße wird zur Spekulation.

Was aber macht so mancher sogenannte Wissenschaftler heutzutage, anstatt sich daran zu halten? Indem er sie verspottet, stürzt er sich in den Bereich der reinen Metaphysik. Er vergnügt sich mit übereilten Schlussfolgerungen und bezeichnet sie als „Deduktionsgesetz aus dem Induktionsgesetz“ einer Theorie, die in den Tiefen seines eigenen Bewusstseins gründet und daraus entnommen ist: jenes Bewusstsein, das durch einseitigen Materialismus verdreht und damit durchsetzt ist. Er versucht die „Entstehung“ von Dingen zu erklären, die bis jetzt doch lediglich in seine eigenen Vorstellungen eingeschlossen sind. Er greift Jahrtausende alte geistige Glaubensrichtungen und religiöse Überlieferungen an und schmäht mit Ausnahme seiner eigenen Steckenpferde alles als Aberglauben. Er stellt Theorien über das Universum auf, eine allein durch blinde mechanische Naturkräfte entwickelte Kosmogonie, die noch viel wunderbarer und unmöglicher ist als selbst jene, die auf dem Fiat Lux aus dem Nichts beruht – und versucht, die Welt mit seiner wilden Theorie in Staunen zu versetzen; da bekannt ist, dass diese Theorie einem wissenschaftlichen Gehirn entsprang, wird sie wohl in blindem Glauben für sehr wissenschaftlich gehalten und als wissenschaftliches Ergebnis betrachtet werden.

Sind das die Gegner, die der Okkultismus fürchten sollte? Ganz entschieden nicht. Denn solche Theorien werden von der wirklichen (nicht der empirischen) Wissenschaft nicht besser behandelt als unsere eigenen. Haeckel, von du Bois-Reymond in seiner Eitelkeit verletzt, wird niemals müde, sich öffentlich über den Angriff des Letzteren auf seine fantastische Abstammungstheorie zu beklagen. Indem er von dem „äußerst reichhaltigen Schatz empirischer Beweise“ schwärmt, nennt er die „anerkannten Physiologen“, die sich allesamt den aus seinem erwähnten „Schatz“ entnommenen Spekulationen widersetzen – unwissende Menschen. „Wenn aber manche Menschen“, erklärt er, „und darunter selbst einige namhafte Naturforscher, der Ansicht sind, die gesamte Phylogenie sei ein Luftschloss und die Stammbäume (von Affen?) leere Fantasiespielchen, bekunden sie damit nur ihre Unkenntnis der reichen empirischen Erkenntnisquellen, auf die bereits Bezug genommen wurde.“ („The Pedigree of Man“, S. 273)

Wir schlagen Websters Wörterbuch auf und lesen die Definitionen des Wortes „empirisch“: „Auf Erfahrung oder Beobachtung allein beruhend, ohne entsprechende Rücksichtnahme auf moderne Wissenschaft und Theorie.“ Das passt auf die Okkultisten, Spiritualisten, Mystiker etc. etc. Außerdem: „Empiriker – jemand, der sich darauf beschränkt, die Ergebnisse seiner eigenen Beobachtungen anzuwenden“ (lediglich) [SD # 665] (was auf Haeckel zutrifft); „einer, dem Wissenschaft mangelt . . . . ein unwissender und nicht zugelassener Praktiker, ein Quacksalber, ein Scharlatan.“

Kein Okkultist oder „Magier“ wurde jemals mit schlimmeren Bezeichnungen belegt. Doch bleibt der Okkultist auf seinem eigenen metaphysischen Boden und versucht nicht, seine Kenntnis, die Früchte seiner persönlichen Beobachtung und Erfahrung, in den Rang der exakten Wissenschaft der modernen Bildung zu erheben. Er bleibt innerhalb seiner rechtmäßigen Sphäre, in welcher er Meister ist. Aber was soll man von einem krassen Materialisten halten, dessen Pflicht ihm klar vorgezeichnet ist, und der sich folgendermaßen ausdrückt:

„Die Abstammung des Menschen von anderen Säugetieren, und am direktesten vom catarrhinen Affen, ist ein deduktives Gesetz, welches notwendigerweise dem induktiven Gesetz der Abstammungslehre folgt.“ („Anthropogenie“, S. 392)

Eine „Theorie“ ist lediglich eine Hypothese, eine Spekulation, und kein Gesetz. Etwas anderes zu behaupten ist eine von den vielen Freiheiten, die sich die Wissenschaftler heutzutage herausnehmen. Sie verkünden Unsinn, und dann verbergen sie ihn hinter dem Schild der Wissenschaft. Eine Schlussfolgerung aus einer theoretischen Spekulation ist nichts weiter als eine Spekulation über eine Spekulation. Sir W. Hamilton hat bereits gezeigt, dass der Begriff Theorie jetzt „in einem sehr verschwommenen und unzutreffenden Sinn“ verwendet wird . . . . „dass er gleichbedeutend ist mit Hypothese und dass Hypothese gewöhnlich als ein anderes Wort für Vermutung verwendet wird, während die Ausdrücke ‘Theorie’ und ‘theoretisch’ korrekt als Gegensatz zu den Begriffen Praxis und praktisch verwendet werden.“

Die moderne Wissenschaft setzt letzterer Behauptung jedoch einen Dämpfer auf und spottet über die Idee. Materialistische Philosophen und Idealisten aus Europa und Amerika mögen sich mit den Evolutionisten über den physischen Ursprung des Menschen einig sein – für den wahren Metaphysiker jedoch wird er niemals eine allgemeine Wahrheit werden, und Letzterer fordert die Materialisten heraus, ihre willkürlichen Annahmen zu beweisen. Dass das Thema der Affentheorie16 von Vogt und Darwin, über welche die Huxley-Haeckelianer jüngst so außerordentliche Variationen komponiert haben, viel unwissenschaftlicher ist – weil es mit den Fundamentalgesetzen dieses Themas selbst im Widerspruch steht – als unsere Theorie jemals bezeichnet [SD # 666] werden könnte, ist sehr einfach zu beweisen. Der Leser möge nur das ausgezeichnete Werk „The Human Species“ des großen französischen Naturforschers de Quatrefages einsehen, und unsere Behauptung wird sich sofort bewahrheiten.

Wenn er nicht gerade ein krasser Materialist ist, wird außerdem kein Mensch Schwierigkeiten haben, sich zwischen der esoterischen Lehre vom Ursprung des Menschen und Darwins Spekulationen zu entscheiden. Das Folgende ist die Beschreibung, die Darwin von den „frühen Vorfahren des Menschen gibt“:

„Sie waren zweifellos einst mit Haar bedeckt; beide Geschlechter hatten Bärte; ihre Ohren liefen wahrscheinlich spitz zu und waren beweglich, und ihre Körper waren mit einem mit der entsprechenden Muskulatur versehenen Schwanz ausgestattet. Auch ihre Glieder und Rümpfe wurden von vielen Muskeln bewegt, die im Menschen nur noch teilweise vorhanden sind, bei den Vierhändern jedoch regelmäßig vorkommen. . . . Nach dem Zustand der großen Zehen beim Fötus zu schließen, war der Fuß damals zum Greifen eingerichtet. Unsere Vorfahren lebten zweifellos gewöhnlich in den Bäumen in warmem, bewaldeten Land. Die Männchen hatten große Eckzähne, die ihnen als furchtbare Waffen dienten. . . .“17

Darwin verbindet ihn mit dem Typus der geschwänzten Catarrhini, „und rückt ihn infolgedessen auf der Evolutionsleiter um eine Stufe zurück. Der englische Naturforscher begnügt sich nicht damit, diesen Standpunkt auf der Grundlage seiner eigenen Lehre einzunehmen, und begibt sich wie Haeckel in diesem Punkt in unmittelbaren Widerspruch zu einem der den hauptsächlichen Zauber ausmachenden Grundgesetze des Darwinismus . . .“ Und dann fährt der gelehrte französische Naturforscher damit fort aufzuzeigen, wie dieses Grundgesetz gebrochen wird. Er sagt: „In der Tat finden in der Darwinistischen Theorie Umwandlungen weder zufällig noch in jeder Richtung statt. Sie werden durch gewisse Gesetze beherrscht, die eine Folge der Organisation selbst sind. Wenn ein Organismus einmal in einer gegebenen Richtung modifiziert wurde, kann er eine zweite oder dritte Umwandlung erfahren, wird aber immer den Eindruck des Originals bewahren. Es ist das Gesetz der permanenten Charakterisierung allein, das es Darwin ermöglicht, die Abstammung von Gruppen, ihre Merkmale und ihre zahlreichen Beziehungen zu erklären. Kraft dieses Gesetzes sind alle Nachkommen der ersten Molluske Mollusken gewesen; alle Nachkommen des ersten Wirbeltieres Wirbeltiere. Es ist klar, dass das eine der Grundlagen der Lehre ausmacht. . . . Es folgt, dass zwei Wesen, die zwei verschiedenen Typen angehören, auf einen gemeinsamen Ahnen zurückgeführt werden können, aber dass das eine nicht der Nachkomme des anderen sein kann.“ (S. 106)

„Nun bieten Mensch und Affe einen sehr auffallenden Gegensatz in Bezug auf ihren Typus. Ihre Organe entsprechen einander nahezu genau, eines um das andere: Doch die Anordnung dieser [SD # 667] Organe erfolgt nach einem sehr unterschiedlichen Plan. Im Menschen sind sie so angeordnet, dass er notwendigerweise ein Geher ist, während die Anordnung der Organe den Affen dazu zwingt, ein Kletterer zu sein. . . . Es besteht hier ein anatomischer und mechanischer Unterschied. . . . Ein Blick auf das Blatt, wo Huxley ein menschliches Skelett und die Skelette der am höchsten entwickelten Affen nebeneinander abgebildet hat, ist ein hinreichend überzeugender Beweis.“

Vom Standpunkt der logischen Anwendung des Gesetzes der permanenten Charakterisierung betrachtet ist die Folge dieser Tatsachen, dass der Mensch nicht von einem Ahnen abstammen kann, der bereits als Affe charakterisiert ist, nicht mehr als ein schwanzloser Schmalnasenaffe von Schmalnasenaffen mit Schwanz abstammen kann. Ein gehendes Tier kann nicht von einem kletternden abstammen.

Vogt, der den Menschen bei den Primaten einreiht, erklärt ohne zu zögern, dass die niedrigste Klasse der Affen die Landmarke (den gemeinsamen Ahnen) überschritten hat, von der aus die verschiedenen Typen dieser Familie entsprangen und sich auseinander entwickelten.“ (Diesen Ahnen der Affen sieht die okkulte Wissenschaft in der atlantischen Periode in der niedrigsten Menschengruppe, wie bereits gezeigt wurde.) . . .

„Wir müssen also den Ursprung des Menschen hinter den letzten Affen zurückversetzen“, fährt de Quatrefages fort und bestätigt so unsere Lehre, „wenn wir an einem unverzichtbar notwendigen Gesetz der Theorie Darwins festhalten wollen. Wir kommen so zu Haeckels Prosimiae, den Loris, Indris etc. Aber auch diese Tiere sind Kletterer; wir müssen daher auf der Suche nach unserem ersten unmittelbaren Ahnen noch weiter gehen. Die Genealogie Haeckels bringt uns von den Letzteren jedoch zu den Marsupialia. . . . Vom Menschen zum Känguru ist der Abstand gewiss beträchtlich. Nun zeigt weder die lebende noch die erloschene Fauna die Zwischentypen, die als Landmarken dienen sollten. Diese Schwierigkeit bringt Darwin kaum in Verlegenheit.18 Wir wissen, dass er den Mangel an Informationen in ähnlichen Fragen als Beweis zu seinen Gunsten betrachtet. Haeckel gerät zweifellos ebenso wenig in Verlegenheit. Er gibt die Existenz eines absolut theoretischen pithekoiden Menschen zu.“

„Wird nun, nachdem bewiesen wurde, dass der Ursprung des Menschen nach dem Darwinismus selbst vor dem achtzehnten Stadium angeordnet werden muss, und nachdem es infolgedessen notwendig wird, die Lücke zwischen den Marsupialia und dem Menschen auszufüllen, wird nun Haeckel die Existenz von vier unbekannten Zwischengruppen an Stelle von einer zugestehen?“, fragt de Quatrefages. „Wird er seine Genealogie auf diese Art vervollständigen? Es ist nicht meine Aufgabe, darauf zu antworten.“ („The Human Species“, S. 107-108)

Aber man betrachte die berühmte Genealogie Haeckels in „The Pedigree of Man“, die er den „Stammbaum des Menschen“ nennt. In der „zweiten Abteilung“ [SD # 668] (achtzehntes Stadium) beschreibt er Prosimiae ähnlich den noch heute lebenden Loris (Stenops) und Makis (Lemuridae) ohne Beutelknochen, ohne Kloake, jedoch mit Plazenta.“ Und nun wenden wir uns zu de Quatrefages „The Human Species“, S. 109-110, und prüfen seine auf die jüngsten Entdeckungen beruhenden Beweise, die zeigen sollen, dass „die Prosimiae Haeckels keine Dezidua und eine diffuse Plazenta aufweisen“. Einem Grundgesetz der Theorie Darwins zufolge können sie nicht einmal die Vorfahren der Affen sein, geschweige denn des Menschen, wie der große französische Naturforscher zeigt. Doch das schreckt die „Tiertheoretiker“ nicht im Geringsten, denn Widersprüchlichkeit und Paradoxa sind die eigentliche Seele des modernen Darwinismus. Der Zeuge – Huxley. Nachdem er in Bezug auf den fossilen Menschen und das „fehlende Glied“ selbst aufgezeigt hat, dass „weder im Quartär noch gegenwärtig irgendein Zwischenwesen die Kluft ausfüllt, die den Menschen vom Troglodyten trennt“; und dass es „ebenso tadelnswert wie absurd wäre, die Existenz dieser Kluft abzustreiten“, verleugnet der große Wissenschaftler seine eigenen Worte in actu, indem er mit dem ganzen Gewicht seiner wissenschaftlichen Autorität die „absurdeste“ aller Theorien unterstützt – die Abstammung des Menschen vom Affen!

„Diese Genealogie“, sagt de Quatrefages, „ist ganz und gar falsch, und sie basiert auf einem wesentlichen Irrtum“. In der Tat begründet Haeckel seine Abstammung des Menschen auf dem 17. und 18. Stadium (siehe Avelings „The Pedigree of Man“, S. 77), die Marsupialia und Prosimiae – (Genus Haeckelii?). Indem er letzteren Begriff auf die Lemuridae anwendet – und damit Tiere mit einer Plazenta aus ihnen macht – begeht er zoologisch einen groben Fehler. Denn nachdem selbst er die Säugetiere entsprechend ihrer anatomischen Unterschiede in zwei Gruppen eingeteilt hat, in die Indeziduaten, die keine Dezidua (oder besondere Membran, welche die Plazenta vereint) besitzen, und in die Deziduaten, die eine solche aufweisen, fügt er die Prosimiae letzterer Gruppe hinzu. Wir haben bereits an anderer Stelle gezeigt, was andere Wissenschaftler darüber dachten. Wie de Quatrefages sagt: „Die anatomischen Untersuchungen dieser Tiere . . . von Milne Edwards und Grandidier . . . stellen über jeden Zweifel erhaben fest, dass Haeckels Prosimiae über keine Dezidua, sondern über eine diffuse Plazenta verfügen. Sie sind Indeziduaten. Weit entfernt von jeder Möglichkeit, die Vorfahren der Affen sein zu können, entsprechend den von Haeckel selbst aufgestellten Prinzipien, können sie nicht einmal als Vorfahren der Säugetiere mit einer Zonoplazenta gelten . . . und sollten mit den Pachydermata, den Edentata und den Cetacea in Zusammenhang gebracht werden.“ (S. 110) Und doch gelten Haeckels Erfindungen bei einigen als exakte Wissenschaft!

Obiger Fehler, sollte er tatsächlich einer sein, ist in Avelings Übersetzung von Haeckels „The Pedigree of Man“ nicht einmal angedeutet. Wenn die Entschuldigung gelten darf, dass zu der Zeit, als die berühmten „Genealogien“ angefertigt wurden, „die Embryogenesis der Prosimiae noch nicht bekannt war“, so ist sie jetzt doch wohlbekannt. Wir werden sehen, ob die nächste Ausgabe von Avelings Übersetzung diesen bedeutenden Fehler korrigieren wird, oder ob das 17. und 18. Stadium als eines der wirklichen Zwischenglieder unverändert erhalten bleiben, [SD # 669] um den Profanen zu blenden. Aber, wie der französische Naturforscher bemerkt, „ihre (Darwins und Haeckels)Vorgehensweise ist immer gleich, indem sie das Unbekannte als einen Beweis zugunsten ihrer Theorie betrachten“. (Ibid.)

Darauf läuft es hinaus. Gesteht dem Menschen einen unsterblichen Geist und eine Seele zu; begabt die gesamte belebte und unbelebte Schöpfung mit dem monadischen Prinzip, das sich allmählich aus latenter und passiver zu aktiver und positiver Polarität entwickelt – und Haeckel wird keine Chance mehr haben, was immer seine Bewunderer auch sagen mögen.

Aber selbst zwischen Darwin und Haeckel gibt es unterschiedliche Ansichten. Während uns Ersterer von den geschwänzten Catarrhini abstammen lässt, führt Haeckel unseren hypothetischen Ahnen auf den schwanzlosen Affen zurück, obwohl er ihn gleichzeitig auf ein hypothetisches „Stadium“ zurückversetzt, welches dem Affen unmittelbar vorangeht: den „geschwänzten Menocerca“ (19. Stadium).

Nichtsdestotrotz haben wir eine Sache mit der Schule Darwins gemeinsam: Das ist das Gesetz der allmählichen und außerordentlich langsamen Evolution, die viele Millionen Jahre umfasst. Der Hauptstreit bezieht sich, wie es scheint, auf die Natur des ursprünglichen „Ahnen“. Man wird uns sagen, dass der Dhyan Chohan oder der „Vorfahr“ des Manus ein hypothetisches, auf der physischen Ebene unbekanntes Wesen ist. Wir antworten, dass das ganze Altertum daran glaubte und dass neun Zehntel der gegenwärtigen Menschheit daran glauben; wohingegen nicht nur der pithekoide Mensch oder der „Affenmensch“ ein rein hypothetisches Geschöpf Haeckelscher Schöpfung ist, unbekannt und auf dieser Erde nicht nachweisbar, sondern dass vielmehr auch dessen Genealogie – wie er sie selbst erfunden hat – wissenschaftlichen Tatsachen und allen bekannten Daten der modernen zoologischen Forschung widerspricht. Sie ist einfach absurd, selbst als Fiktion. Wie de Quatrefages mit wenigen Worten zeigt, räumt Haeckel „die Existenz eines absolut theoretischen pithekoiden Menschen“ ein – die hundertmal schwieriger zu akzeptieren ist als jeglicher Deva-Vorfahr. Und das ist nicht das einzige Beispiel für ähnliche Vorgehensweisen zur Ergänzung seines Stammbaums; und er räumt seine Erfindungen ganz naiv selbst ein. Bekennt er nicht, dass seine Sozuren (14. Stadium) gar nicht existieren – der Wissenschaft vollständig unbekannte Geschöpfe – indem er mit seiner eigenen Unterschrift bestätigt: „Der Beweis für ihre Existenz ergibt sich aus der Notwendigkeit eines Zwischentyps zwischen dem 13. und 14. Stadium“!

Wenn das zutrifft, könnten wir mit demselben wissenschaftlichen Recht behaupten, der Beweis für die Existenz unserer drei ätherischen Rassen und der dreiäugigen Menschen der dritten und vierten Wurzelrasse „ergäbe sich ebenfalls aus der Notwendigkeit eines Zwischentyps“ zwischen dem Tier und den Göttern. Welchen Grund könnten die Haeckelianer haben, in diesem besonderen Fall zu protestieren?

Natürlich liegt eine Antwort bereit: „Weil wir die Gegenwart der monadischen Wesenheit nicht zugeben.“ Die Manifestation des Logos als individuelles Bewusstsein in der tierischen und menschlichen Schöpfung wird [SD # 670] von der exakten Wissenschaft nicht akzeptiert und deckt natürlich auch nicht das gesamte Feld ab. Aber die Misserfolge der Wissenschaft und ihre willkürlichen Annahmen sind insgesamt viel umfangreicher19 als jegliche „extravagante“ esoterische Lehre es jemals sein könnte. Selbst Denker aus der Schule v. Hartmanns wurden von der allgemeinen Epidemie angesteckt. Sie akzeptieren die Anthropologie Darwins (mehr oder weniger), obwohl sie auch das individuelle Ich als eine Manifestation des Unbewussten postulieren (die westliche Darstellung des Logos oder des ursprünglichen Göttlichen Gedankens). Sie sagen, die Evolution des physischen Menschen erfolgt aus dem Tier, das Denkvermögen in seinen verschiedenen Phasen sei jedoch ein von materiellen Tatsachen vollständig getrenntes Ding, obwohl ein Organismus (als Upadhi) für seine Manifestation erforderlich ist.

 

Plastidulseelen und bewusste Nervenzellen

Das Ende solcher Wunder ist jedoch niemals absehbar bei Haeckel und seiner Schule, die Haeckelianer werden von den Okkultisten und Theosophen mit vollem Recht als materialistische Tramps betrachtet, die metaphysischen Privatgrund unbefugt betreten. Nicht zufrieden mit der Vaterschaft für den Bathybius (Haeckelii), erfindet man jetzt auf der Grundlage rein blinder mechanischer Kräfte der Materie „Plastidul-“20 und „Atomseelen“. Wir werden folgendermaßen belehrt: „Das Studium der Evolution des Seelenlebens zeigt, wie sich dasselbe von den niederen Stadien der einfachen Zellseele über eine erstaunliche Reihe allmählicher Evolutionsstufen bis zur Menschenseele emporgearbeitet hat.“ (Present Position of Evolution, S. 296, „The Pedigree of Man“)

„Erstaunlich“ – wahrhaftig, wie diese wilde Spekulation auf das Bewusstsein der „Nervenzellen“ begründet wird. Denn wie er uns sagt: „So wenig wir heute auch imstande sind, das Wesen des Bewusstseins vollständig zu erklären,21 lässt die vergleichende und genetische Betrachtung des Bewusstseins doch klar erkennen, dass es sich dabei lediglich um eine höhere und komplexere Funktion der Nervenzellen handelt.“ (Ibid., Anmerkung 22)

[SD # 671] Wie es scheint, ist Herbert Spencers Gesang vom Bewusstsein verklungen und kann fortan in der Rumpelkammer veralteter Spekulationen sicher verwahrt werden. Wie auch immer, wohin führen die „komplexen Funktionen“ seiner wissenschaftlichen „Nervenzellen“ Haeckel? Wieder einmal direkt in die okkulten und mystischen Lehren der Kabbala über den Abstieg der Seelen als bewusste und unbewusste Atome; zur pythagoreischen Monade und den Monaden von Leibniz – und den „Göttern, Monaden und Atomen“ unserer esoterischen Lehre;22 in den toten Buchstaben der okkulten Lehren, der den Amateur-Kabbalisten und den Professoren der zeremoniellen Magie überlassen ist. Denn er sagt Folgendes zur Erklärung seiner neu geprägten Terminologie:

„Plastidulseelen; die Plastidule oder Protoplasma-Moleküle, die kleinsten gleichartigen Teile des Protoplasmas, sind nach unserer Plastidultheorie als die aktiven Faktoren aller Lebensfunktionen zu betrachten. Die Plastidulseele unterscheidet sich von der anorganischen molekularen Seele durch den Besitz des Gedächtnisses.“ („The Pedigree of Man“, Anmerkung, S. 296)

Das entwickelt er in seinem wunderbaren Vortrag über die „Perigenesis der Plastidule oder Wellenbewegungen der Lebensteilchen“. Gegenüber Darwins Theorie von der „Pangenesis“ stellt er eine Verbesserung dar und eine weitere Annäherung, einen vorsichtigen Schritt hin zur „Magie“. Erstere ist die Annahme, dass einige der tatsächlichen und identischen Atome, welche zu den Körpern der Ahnen gehörten, „auf diese Art von ihren Nachkommen Generationen für Generation übertragen werden, so dass wir buchstäblich ‘Fleisch vom Fleisch’ des Urgeschöpfes sind, das sich in der späteren . . . Periode zum Menschen entwickelt hat“ – erklärt der Verfasser von „A Modern Zoroastrian“ (in „Primitive Polarities“ etc.). Letzterer (der Okkultismus) lehrt – (a) dass die Lebensatome unseres (Prana) Lebensprinzips niemals ganz verlorengehen, wenn ein Mensch stirbt. Die am stärksten mit dem Lebensprinzip (ein unabhängiger, ewiger, bewusster Faktor) durchtränkten Atome werden zum Teil durch Vererbung vom Vater auf den Sohn übermittelt, zum Teil werden sie bei jeder neuen Inkarnation [SD # 672] der Monaden erneut zusammengezogen und zum belebenden Prinzip des neuen Körpers. Weil (b), ebenso wie die individuelle Seele immer dieselbe ist, auch die Atome der niederen Prinzipien (des Körpers, seines astralen oder Lebensdoppelgängers etc.) immer dieselben sein werden, durch Verwandtschaft und karmisches Gesetz in einer Reihe von verschiedenen Körpern immer zu derselben Individualität hingezogen werden etc. etc.23

Um gerecht und zumindest logisch zu sein, sollten unsere modernen Haeckelianer den Beschluss fassen, dass die „Perigenesis der Plastidule“ und ähnliche Vorträge fortan mit solchen über „esoterischen Buddhismus“ und „die sieben Prinzipien im Menschen“ verknüpft sein müssen. So wird die Öffentlichkeit auf jeden Fall Gelegenheit haben, die beiden Lehren zu vergleichen und danach vom Standpunkt der materialistischen und exakten Wissenschaft aus zu urteilen, welche der beiden am meisten oder am wenigsten absurd ist!

Die Okkultisten nun, die jedes Atom im Universum, einerlei ob zusammengesetzt oder einfach, auf die Eine Einheit zurückführen, das Universale Leben; die nicht anerkennen, dass irgendetwas in der Natur anorganisch sein kann; die nichts Derartiges wie tote Materie kennen – sie befinden sich in Übereinstimmung mit ihrer Lehre von Geist und Seele, wenn sie bei jedem Atom von Gedächtnis sprechen, von Wille und Empfindung. Was aber kann ein Materialist unter dieser Kennzeichnung verstehen? Das biogenetische Gesetz in dem ihm von den Haeckelianern beigelegten Sinn – „ist auf Seiten der Wissenschaftler das Ergebnis von Unwissenheit in Bezug auf die okkulte Physik“. Wir wissen und sprechen von „Lebensatomen“ – und von „schlafenden Atomen“ – weil wir diese beiden Formen der Energie – die kinetische und die potenzielle – als von ein und derselben Kraft oder dem Einen Leben hervorgebracht und Letzteres als Quelle und Beweger von allem ansehen. Aber was ist es, das die „Plastidulseelen“ Haeckels mit Energie und insbesondere mit Gedächtnis ausstattet? Die „Wellenbewegung der Lebensteilchen“ wird auf der Grundlage der Theorie des spirituellen Einen Lebens verständlich, eines von unserer Materie unabhängigen universalen Lebensprinzips, und sich lediglich auf unserer Bewusstseinsebene als atomische Energie manifestiert. Sie ist das, was im menschlichen Zyklus individualisiert vom Vater auf den Sohn übertragen wird.

Nun hält Haeckel es als Modifikation der Theorie Darwins für „überaus plausibel“, wie der Verfasser von „A Modern Zoroastrian“ meint, „dass nicht die identischen Atome, sondern ihre eigentümlichen Bewegungen und Aggregatzustände auf diese Weise übertragen wurden“ (durch Vererbung).

Wüssten Haeckel oder irgendein anderer Gelehrter mehr von der Natur des Atoms, als es der Fall ist, hätte er die Sache nicht auf diese Weise verbessert. Denn er sagt ein und dasselbe wie Darwin, lediglich in einer metaphysischeren Sprache. Das Lebensprinzip oder die Lebensenergie, [SD # 673] das allgegenwärtig, ewig und unzerstörbar ist, ist eine Kraft und ein Prinzip als Noumenon, während es als Atom ein Phänomen darstellt. Es ist ein und dasselbe Ding und kann nicht als etwas Getrenntes betrachtet werden, ausgenommen im Materialismus.24

Ferner verkündet Haeckel im Bezug auf die Atomseelen etwas, das auf den ersten Blick ebenso okkult erscheint wie die Monade von Leibniz: „Der jüngste Wettbewerb um die Natur der Atome, die wir in irgendeiner Form als letzte Faktoren aller physikalischen und chemischen Prozesse anerkennen müssen“, erzählt er uns – „scheint am einfachsten durch die Annahme gelöst zu werden, dass diese kleinsten Masseteilchen als Kraftzentren eine konstante Seele besitzen, dass jedes Atom mit Empfindung und Bewegung ausgestattet ist.“

Nicht ein Wort verliert er über die Tatsache, dass diese Theorie von Leibniz stammt und besonders okkult ist. Auch versteht er den Begriff „Seele“ nicht wie wir; denn für Haeckel ist sie lediglich, wie auch das Bewusstsein, das Produkt der grauen Gehirnsubstanz, ein Ding, das ebenso wie die „Zellseele unzertrennlich an seinen Protoplasmaleib gebunden (ist) wie die menschliche Seele an das Gehirn und das Rückenmark“ (ibid.). Er verwirft die Schlussfolgerungen von Kant, Herbert Spencer, du Bois-Reymond und Tyndall. Letzterer bringt die Ansicht aller großen Wissenschaftler sowie der größten Denker dieses sowie der vergangenen Zeitalter mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Der Übergang von der Physik des Gehirns zu den entsprechenden Tatsachen des Bewusstseins ist unvorstellbar. Wären unser Denkvermögen und unsere Sinne so . . . erleuchtet, dass sie uns befähigten, die einzelnen Moleküle des Gehirns zu sehen und zu fühlen; wären wir imstande, all ihre Bewegungen, all ihre Gruppierungen . . . und elektrischen Entladungen zu verfolgen . . . wir wären genauso weit wie zuvor von der Lösung des Problems entfernt . . . Die Kluft zwischen den beiden Klassen von Phänomenen bliebe intellektuell noch immer unpassierbar.“ Doch die komplexe Funktion der Nervenzellen des großen deutschen Empirikers, oder mit anderen Worten sein Bewusstsein, wird ihm nicht erlauben, den Schlüssen der größten Denker unseres Globus zu folgen. Er ist größer als sie. Er behauptet das und protestiert gegen alle: „Niemand ist zu der Behauptung berechtigt, [SD # 674] dass wir (Haeckel) die heute unüberschreitbar scheinenden Erkenntnisschranken in Zukunft nicht doch überschreiten werden.“ Und er zitiert die folgenden Worte aus Darwins Einleitung zu „Die Abstammung des Menschen“, die er bescheiden auf seine wissenschaftlichen Gegner und auf sich selbst bezieht: „Es sind immer nur die, die wenig wissen, und nicht die, die viel wissen, die positiv bestätigen, dass dieses oder jenes Problem von der Wissenschaft niemals gelöst werden wird.“

Die Welt kann beruhigt sein. Der Tag ist nicht fern, an dem der „dreimal große“ Haeckel (zu seiner eigenen Befriedigung) gezeigt haben wird, dass das Bewusstsein Sir I. Newtons, physiologisch gesprochen, lediglich der von der Perigenesis der Plastidule unseres gemeinsamen Ahnen und alten Freundes, des Moneron Haeckelii, verursachte Reflex war (oder minus Bewusstsein). Obwohl der erwähnte „Bathybius“ als Hochstapler ausgeforscht und entlarvt wurde, der organische Substanz heuchelt, die er nicht ist, und obwohl unter den Menschenkindern einzig Lots Weib (und selbst diese nur nach ihrer unerfreulichen Metamorphose in eine Salzsäule) die Prise Salz, die sie ist, als ihren Vorvater für sich in Anspruch nehmen konnte, wird ihn all das nicht im Mindesten erschrecken. Er wird fortfahren, ebenso kühl wie er es immer getan hat, zu behaupten, dass lediglich die besondere Art und Bewegung des Gespenstes der längst entschwundenen Atome unseres „Vaters Bathybius“ über das Meer der Zeit in das Zellgewebe der grauen Substanz der Gehirne aller großen Männer übermittelt, Sophokles und Aischylos und ebenso auch Shakespeare ihre Tragödien schreiben ließ, Newton seine „Principia“, Humboldt seinen „Kosmos“ etc. Das hat auch Haeckel angetrieben, drei Zoll lange griechisch-lateinische Namen zu erfinden, die eine Menge zu sagen vorgeben, und – nichts bedeuten.

Natürlich wissen wir ganz gut, dass der wahre, ehrliche Evolutionist mit uns übereinstimmt; und dass er der Erste ist, der erklärt, dass die geologische Aufzeichnung nicht nur unvollkommen ist, sondern dass auch in den Reihen der bisher entdeckten Fossilien ungeheure Lücken existieren, die niemals geschlossen werden können. Er wird uns ferner sagen, dass „kein Evolutionist davon ausgeht, dass der Mensch von irgendeinem existierenden oder auch von irgendeinem ausgestorbenen Affen abstammt“, sondern dass Mensch und Affe möglicherweise vor Äonen aus irgendeinem gemeinsamen Wurzelstamm entsprangen. Dennoch wird er, wie de Quatrefages ausführt, eben sowohl als Beweis zur Bestätigung seiner (des Evolutionisten) Behauptung diesen Überfluss an fehlenden Nachweisen geltend machen, indem er sagt: „Nicht alle lebenden Formen wurden in der Reihe der Fossilien aufbewahrt, da die Aussichten auf Bewahrung gering waren.“ Selbst der Urmensch „begrub oder verbrannte seine Toten“ (A. Wilson). Das ist genau das, was wir auch sagen. Es ist genauso gut möglich, dass die Zukunft für uns die Entdeckung des Riesenskeletts eines dreißig Fuß hohen Atlantiers bereithält wie das Fossil eines pithekoiden „fehlenden Gliedes“, nur ist das Erstere wahrscheinlicher.

[SD # 675]
§ III
Die fossilen Überreste
von Mensch und Menschenaffe

 

A

Geologische Tatsachen bezüglich der Frage ihrer Verwandtschaft

Die aus wissenschaftlichen Untersuchungen in Bezug auf den „Urmenschen“ und den Affen gewonnenen Ergebnisse unterstützen die Theorien nicht, welche Ersteren von Letzterem herleiten. „Wo also müssen wir nach dem Urmenschen Ausschau halten?“, fragt noch Huxley, nachdem er vergeblich selbst in den Tiefen der quartären Schichten geforscht hat. „Stammt der älteste Homo sapiens aus dem Pliozän oder aus dem Miozän, oder ist er noch älter? Warten in noch älteren Schichten die versteinerten Knochen eines noch anthropoideren Affen oder eines noch pithekoideren Menschen als alle bislang bekannten auf die Forschungsarbeit irgendeines noch ungeborenen Paläontologen? Die Zeit wird es zeigen. . . . („Evidence as to Man’s Place in Nature“, S. 184)

Das wird sie – unbestreitbar – und damit die Anthropologie der Okkultisten rechtfertigen. Unterdessen glaubt Boyd Dawkins in seinem Eifer, Darwins Abstammung des Menschen dadurch zu verteidigen, dass er das „fehlende Glied“ so gut wie gefunden hat – in der Theorie. Es war mehr den Theologen als den Geologen zuzuschreiben, dass bis annähernd 1860 die menschlichen Überreste für nicht älter gehalten wurden als die adamischen orthodoxen 6.000 Jahre. Als ob es Karma so gewollt hätte, blieb es einem französischen Abbé – l’abbé Bourgeois – vorbehalten, dieser bequemen Theorie einen noch härteren Schlag zu versetzen als es die Entdeckungen von Boucher de Perthes vermochten. Jedermann weiß, dass der Abbé einen guten Beweis entdeckte und ans Licht brachte, dass der Mensch bereits während des Miozäns existierte; von menschlicher Hand bearbeitete Feuersteine wurden aus miozänen Schichten ausgegraben. Mit den Worten des Verfassers von „Modern Science and Modern Thought“:

„Sie müssen entweder vom Menschen bearbeitet worden sein, oder, wie Boyd Dawkins vermutet, vom Dryopithecus oder irgendeinem anderen menschenähnlichen Affen, der eine umso größere Dosis von Intelligenz besaß als der Gorilla oder der Schimpanse, sodass er imstande war, Werkzeuge anzufertigen. Aber in diesem Fall wäre das Problem gelöst und das fehlende Glied entdeckt, denn ein solcher Affe könnte ganz gut als Vorfahr des paläolithischen Menschen passen.“

Oder – der Nachkomme des eozänen Menschen, was eine zu dieser Theorie vorgeschlagene Variante ist. Unterdessen muss der mit so schönen geistigen Gaben ausgestattete Dryopithecus erst entdeckt werden. Andererseits, nachdem der neolithische und selbst der paläolithische Mensch eine absolute Gewissheit geworden sind – und, wie derselbe Verfasser richtig bemerkt: „Wenn 100.000.000 Jahre vergangen sind, seit [SD # 676] die Erde ausreichend verfestigt war, um pflanzliches und tierisches Leben zu tragen, könnte das Tertiär 5.000.000 Jahre angedauert haben; oder auch 10.000.000 Jahre, wenn die von Lyell angenommene lebenserhaltende Ordnung der Dinge mindestens 200.000.000 Jahre angedauert hätte“ – warum sollte dann nicht noch eine weitere Theorie versucht werden? Führen wir den Menschen hypothetisch auf das Ende des mesozoischen Zeitalters zurück, und gestehen wir argumenti causa zu, dass die (viel jüngeren) höheren Affen damals existierten! Das würde dem Menschen und dem modernen Affen ausreichend Zeit lassen, sich von dem mythischen, „eher anthropoiden Affen“ abzuzweigen und Letzteren sogar zu solchen entarten zu lassen, die den Menschen nachahmen, indem sie „Äste als Keulen gebrauchen und Kokosnüsse mit Hammer und Steinen knacken“.25 Einige Urstämme in den Bergen Indiens erbauen ihre Häuser auf Bäumen, geradeso wie die Gorillas ihre Nester errichten. Die Frage, welches von den beiden, das Tier oder der Mensch, der Nachahmer des anderen geworden ist, wirft sich wohl kaum auf, selbst wenn man Boyd Dawkins Theorie zustimmt. Allgemein anerkannt ist jedoch der fantastische Charakter seiner Hypothese. Es wird angeführt, dass in der Pliozän- und Miozän-Periode zwar wahre Affen und Paviane existierten und dass der Mensch unleugbar ein Zeitgenosse der Erstgenannten war – obwohl, wie wir sehen, die orthodoxe Anthropologie angesichts der Fakten immer noch zögert, ihn in die Ära des Dryopithecus zu versetzen; Letzterer „wurde von einigen Anatomen in manchen Beziehungen als dem Schimpansen oder Gorilla überlegen erachtet“ – dass jedoch aus dem Eozän keine Fossilien anderer Primaten ausgegraben und keine pithekoiden Stämme gefunden wurden, mit Ausnahme einiger erloschener lemurischer Formen. Und wir finden auch Hinweise, dass der Dryopithecus das „fehlende Glied“ gewesen sein könnte, obwohl das Gehirn des Geschöpfes diese Theorie nicht mehr rechtfertigt als das Gehirn des modernen Gorillas. (Siehe auch Gaudrys Spekulationen)

Nun möchten wir fragen, wer unter den Wissenschaftlern bereit ist, den Beweis zu führen, dass im frühen Tertiär noch kein Mensch existierte? Was verhinderte seine Gegenwart? Vor kaum dreißig Jahren wurde seine Existenz vor mehr als 6.000 oder 7.000 Jahren mit Entrüstung abgestritten. Nun wird ihm der Eintritt in das Eozän verweigert. Im nächsten Jahrhundert mag es eine Frage werden, ob der Mensch nicht Zeitgenosse der „fliegenden Drachen“ war, des Pterodaktylus, des Plesiosauriers und Iguanodon etc. Hören wir jedoch das Echo der Wissenschaft.

[SD # 677] „Nun ist klar, dass überall, wo anthropoide Affen lebten, genauso gut der Mensch oder jegliches Geschöpf, das der Ahne des Menschen gewesen war, gelebt haben könnte, sowohl in Bezug auf die Anatomie als auch auf Klima und Umgebung. Anatomisch gesprochen sind Affen und Meerkatzen ebenso spezielle Variationen des Säugetiertypus wie der Mensch, dem sie Knochen um Knochen und Muskel um Muskel ähneln, und der physische tierische Mensch ist lediglich ein Exemplar vom Typus des Vierhänders, besonders entwickelt für den aufrechten Gang und ein größeres Gehirn.26 . . . . Wenn er, wie wir von ihm wissen, die widrigen Bedingungen und außerordentliche Wechselhaftigkeit der Eiszeit überleben konnte, gibt es keinen Grund, warum er nicht auch im halbtropischen Klima des Miozäns hätte leben können, in welchem ein angenehmes Klima selbst bis Grönland und Spitzbergen vorherrschte . . .“ („Modern Science and Modern Thought“, S. 152)

Während die meisten Wissenschaftler kompromisslos an die Abstammung des Menschen von einem „ausgestorbenen anthropoiden Säugetier“ glauben, akzeptieren sie nicht einmal die bloße Vertretbarkeit irgendeiner anderen Theorie als der von einem gemeinsamen Vorfahren des Menschen und des Dryopithecus, und da ist es erfrischend, in einem Werk von wirklichem wissenschaftlichen Wert einen derartigen Spielraum für einen Kompromiss zu finden. In der Tat geht dieser so weit, wie er unter den gegebenen Umständen gehen kann, d. h. ohne unmittelbare Gefahr, von der Flutwelle der „Wissenschaftsverherrlichung“ niedergerissen zu werden. Es ist die Meinung des Verfassers, dass es nicht so schwierig ist zu begründen, „wie der Intellekt und die Moralität durch die Evolution entwickelt wurden“, sondern viel problematischer, „die sich zwischen dem Menschen und dem höchsten Tier entwickelnden Unterschiede der physischen Struktur27 zu erklären“, sagt der Verfasser. Weiter führt er aus:

„Aber es ist nicht so leicht zu erkennen, wie dieser Unterschied der physischen Struktur entstand, und wie ein Wesen mit einem derartigen Gehirn und einer solchen Hand und mit derartigen noch nicht entwickelten Fähigkeiten für nahezu unbegrenzten Fortschritt ins Dasein trat. Die Schwierigkeit ist folgende: Der Unterschied zwischen seinem Körperbau und dem des niedrigsten Affen ist zu groß, als dass der eine der unmittelbare Nachfahre des anderen sein könnte. Der Schwarze weist in einigen Beziehungen leichte Ähnlichkeiten zum Affentypus auf. Sein Schädel ist kleiner, sein Gehirn hat eine kleinere Kapazität, sein Mund springt deutlicher hervor, sein Arm ist länger als beim [SD # 678] durchschnittlichen europäischen Menschen. Dennoch ist er im Wesentlichen ein Mensch und durch eine weite Kluft vom Schimpansen oder Gorilla getrennt. Selbst ein Idiot oder Schwachkopf, dessen Gehirn nicht umfangreicher und dessen Intelligenz nicht größer ist als das des Schimpansen, ist ein in der Entwicklung gehemmter Mensch und kein Affe.

Wenn daher die Theorie Darwins über den Menschen und den Affen Gültigkeit hat, müssen wir auf einen gemeinsamen Ahnen zurückgehen, von dem beide abstammen könnten . . . . Um aber das als eine Tatsache und nicht als eine Theorie hinstellen zu können, müssen wir die Ahnenform finden, oder zumindest einige Zwischenformen, die auf sie hinzielen . . . . mit anderen Worten . . . . das fehlende Glied! Nun muss zugestanden werden, dass bis jetzt nicht nur keinerlei solcher fehlenden Glieder entdeckt wurden, sondern dass die ältesten bekannten menschlichen Schädel und Skelette, die aus der Eiszeit stammen und wahrscheinlich mindesten 100.000 Jahre alt sind, keine deutliche Annäherung an irgendeinen derartigen vormenschlichen Typus aufweisen. Im Gegenteil, einer der ältesten Typen, der Mensch aus der Begräbnishöhle von Cro-Magnon,28 ist der einer schönen Rasse von hoher Gestalt, mit einem großem Gehirn und insgesamt vielen der gegenwärtigen Menschenrassen überlegen. Die Antwort ist natürlich, dass die Zeit nicht ausreicht und dass, wenn der Mensch und der Affe einen gemeinsamen Ahnen hatten, ein solcher Ahne, da er sicherlich ein hoch entwickelter anthropoider Affe sein muss, und da der Mensch wahrscheinlich bereits im Miozän existierte, viel früher gesucht werden muss, in einem derartig großen Abstand, dass das gesamte Quartär im Vergleich dazu zur Bedeutungslosigkeit verkommt . . . . All das ist wahr, und es kann uns wohl zögern lassen zuzugestehen, dass der Mensch . . . allein eine Ausnahme darstellt: Das ist umso schwieriger zu glauben, da die Affenfamilie, die dem Menschen (?) an Körperbau so sehr ähnelt . . . . zahlreiche Zweige enthält, die sich jeweils abstufen, deren Extreme jedoch derartig weit voneinander entfernt sind wie der Mensch von dem höchsten der Affenreihe. Wenn eine besondere Schöpfung für den Menschen notwendig ist, müssen da nicht besondere Schöpfungen für den Schimpansen, den Gorilla, den Orang und für mindestens 100 verschiedene Arten von Affen und Meerkatzen, die alle einen ähnlichen Bau aufweisen, existiert haben?“ (S. 182, „Modern Science and Modern Thought“)

Es gab eine „besondere Schöpfung“ für den Menschen, und eine „besondere Schöpfung“ für den Affen, seinen Nachfahren; nur auf andere Art, als jemals von der Wissenschaft erwartet werden konnte. Albert Gaudry und andere geben einige gewichtige Gründe an, warum der Mensch nicht als die Krone eines Affenstammes betrachtet werden kann. Wenn man findet, dass nicht nur der „ursprüngliche Wilde“ (?) im Miozän eine Realität war, sondern dass, wie de Mortillet zeigt, die Überreste der von ihm hinterlassenen Feuersteine in jenen fernen Zeiten mittels Feuer gespalten worden waren; wenn wir erfahren, dass der Dryopithecus als einziger der Anthropoiden in diesen Schichten erscheint, was ist dann die natürliche Folgerung? Dass sich die Darwinisten in Verlegenheit befinden. Der sehr menschliche Gibbon steht heute noch auf derselben niedrigen Entwicklungsstufe wie damals, als er mit dem Menschen am Ende der Eiszeit koexistierte. Er hat sich seit dem Pliozän nicht merklich verändert. Nun besteht nur ein kleiner Unterschied zwischen dem Dryopithecus und den bestehenden Anthropoiden – dem Gibbon, Gorilla etc. Wenn also die Theorie Darwins vollständig ausreicht, wie sollen wir dann die Evolution dieses Affen [SD # 679] in der ersten Hälfte des Miozäns zum Menschen „erklären“? Die Zeit ist viel zu kurz für eine derartige theoretische Umwandlung. Die außerordentliche Langsamkeit, mit der eine Variation der Arten eintritt, macht die Angelegenheit unbegreiflich – ganz besonders nach der Hypothese von der natürlichen Selektion. Der enorme geistige und strukturelle Abstand zwischen einem Urmenschen, der mit dem Feuer vertraut ist und weiß, wie es entzündet wird, und einem tierischen Anthropoiden ist zu groß, als dass er auch nur in der Vorstellung in einem derartig kurzen Zeitraum überbrückt werden könnte. Die Evolutionisten mögen den Vorgang in das vorhergehende Eozän zurück verlegen, wenn sie es vorziehen; sie mögen selbst den Menschen und den Dryopithecus auf einen gemeinsamen Ahnen zurückführen. Die unangenehme Überlegung kann trotzdem nicht übersehen werden, dass in den Schichten des Eozäns die anthropoiden Fossilien ebenso durch Abwesenheit glänzen wie der fabelhafte Pithecanthropus Haeckels. Lässt sich ein Ausgang aus dieser cul de sac durch einen Appell an das „Unbekannte“ finden und mit Darwin durch einen Hinweis auf die „Unvollständigkeit der geologischen Aufzeichnung“? Sei dem so; aber das gleiche Recht auf Einspruch muss dann ebenso den Okkultisten zugestanden werden, anstatt das Monopol des in Verlegenheit gebrachten Materialismus zu bleiben. Der physische Mensch, sagen wir, existierte, bevor die erste Schicht der Kreidefelsen abgelagert wurde. Im frühen Teil des Tertiärs erblühte die glänzendste Zivilisation, die die Welt jemals gekannt hat, in einer Zeit, in der man sich den Haeckelschen Menschen-Affen durch die Urwälder streifend vorstellt, und ebenso Grant Allens vermeintlichen Vorfahren, wie er sich von Zweig zu Zweig schwingt mit seinen haarigen Genossinnen, den entarteten Liliths des Adams der dritten Rasse. Doch in den schöneren Tagen der Zivilisation der vierten Rasse existierten keine Affen; Karma aber ist ein geheimnisvolles Gesetz, das keine Rücksicht auf Personen nimmt. Die in Sünde und Schande von den atlantischen Riesen gezeugten Ungeheuer, „entstellte Abbilder“ ihrer tierischen Väter und daher des modernen Menschen (Huxley) führen den spekulativen Anthropologen der europäischen Wissenschaft heute in die Irre und überhäufen ihn mit Irrtümern.

Wo lebten die ersten Menschen? Einige Darwinisten sagen im westlichen Afrika, einige im südlichen Asien, andere glauben wieder an einen unabhängigen Ursprung menschlicher Stämme in Asien und Amerika aus einem Affengeschlecht (Vogt). Haeckel jedoch geht fröhlich zum Angriff über. Er geht von seinem „Halbaffen“ . . . „der allgemeinen Stammform aller übrigen Schmalnasen einschließlich des Menschen“ aus – einem „Bindeglied“, das jetzt freilich durch neue anatomische Entdeckungen für immer abgetan ist! Er versucht, für seinen ursprünglichen Pithecanthropus alalus eine Heimat zu finden. „Aller Wahrscheinlichkeit nach aber fand sie (die Transformation vom Tier zum Menschen) in Südasien statt, einer Gegend, auf die so zahlreiche Anhaltspunkte als die Urheimat der verschiedenen Menschenarten hindeuten. Vielleicht war nicht Südasien selbst die älteste Wiege des Menschengeschlechts, sondern Lemurien, ein südlich von Asien gelegener Kontinent, der später unter den Spiegel des Indischen Ozeans versank.“ (Vide infra, „Wissenschaftliche und geologische Beweise für die frühere Existenz verschiedener [SD # 680] untergegangener Kontinente“) Die Periode, in der die Evolution der menschenähnlichen Affen zu den affenähnlichen Menschen stattfand, war vermutlich der letzte Abschnitt des Tertiärs, das Pliozän, vielleicht schon das vorangegangene Miozän.“ („The Pedigree of Man“, S. 73)

Von den obenstehenden Spekulationen ist die einzige irgendwie wertvolle jene, die sich auf Lemurien bezieht, das die Wiege des Menschengeschlechts war – des physischen, geschlechtlichen Geschöpfs, das sich durch lange Äonen aus den ätherischen Hermaphroditen materialisierte. Nur wenn es bewiesen wird, dass die Osterinsel tatsächlich ein Überrest Lemuriens ist, müssen wir glauben, dass nach Haeckel die „dummen Affen-Menschen“, die gerade nur einen Schritt von einem rohen Säugetierungeheuer entfernt sind, die riesigen Statuen als Selbstbildnisse erbauten, von denen sich jetzt zwei im Britischen Museum befinden. Die Kritiker sind im Irrtum, wenn sie Haeckels Lehren „abscheulich, revolutionär, unmoralisch“ nennen – obwohl der Materialismus das folgerichtige Ergebnis des Mythos vom Affenahnen ist – sie sind lediglich zu absurd, um nach einem Gegenbeweis zu verlangen.

 

B

Westlicher Evolutionismus: Die vergleichende Anatomie des Menschen und
der Anthropoiden ist in keiner
Weise eine Bestätigung des Darwinismus

Man sagt uns, unsere Ablehnung der Theorie Darwins in ihrer Anwendung auf den Menschen sei eine „unverzeihliche“ Sünde, während jede andere Ketzerei gegen die moderne Wissenschaft ignoriert werden kann. Die Evolutionisten stehen felsenfest auf dem Zeugnis der strukturellen Ähnlichkeit von Affe und Mensch. Der anatomische Beweis, darauf wird bestanden, ist in diesem Fall ganz überwältigend; er gilt Knochen für Knochen und Muskel für Muskel, selbst die Gehirnbildung entspricht sich in hohem Maß.

Gut, na und? All das war schon vor König Herodes bekannt; und die Schreiber des Ramayana, jene Dichter, welche die Tapferkeit und den Mut Hanumans besangen, des Affengottes, „der groß an Taten, an Weisheit unschlagbar war“, müssen von seinem anatomischen Bau und seinem Gehirn ebenso viel gewusst haben wie jeder Haeckel oder Huxley in unserer modernen Zeit weiß. Bücher um Bücher wurden über diese Ähnlichkeit verfasst, im Altertum wie in neueren Zeiten. Daher erfährt die Welt oder die Philosophie in solchen Bänden wie Mivarts „Man and Apes“ oder in der Verteidigung des Darwinismus durch Fiske und Huxley nichts Neues. Was jedoch sind die zwingenden Beweise für die Abstammung des Menschen von einem pithekoiden Ahnen? Wenn die Theorie Darwins nicht die wahre ist – wird uns gesagt – wenn Mensch und Affe nicht von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, dann müssen wir den Grund dafür erklären:

(I) Die Ähnlichkeit der Struktur zwischen den beiden; die Tatsache, dass die [SD # 681] höhere Tierwelt – Mensch und Tier – körperlich von einem und demselben Typus oder Muster ist.

(II) Die Anwesenheit von rudimentären Organen im Menschen, d. h. von Spuren früherer Organe, die heute wegen Nichtgebrauchs atrophiert sind. Einige dieser Organe, so wird behauptet, konnten keinen Verwendungszweck haben, außer bei einem halb tierischen, halb Bäume bewohnenden Monster. Warum finden wir im Menschen jene „rudimentären“ Organe wieder (die so nutzlos sind wie die rudimentären Flügel des australischen Apteryx), den Wurmfortsatz des Blinddarms, die Ohrenmuskeln,29 den „rudimentären Schwanz“ (mit dem Kinder noch manchmal geboren werden) etc. etc.?

So klingt das Kriegsschrei; und das Gegacker der weniger Bedeutsamen unter den Darwinisten ist, wenn möglich, noch lauter als selbst das der wissenschaftlichen Evolutionisten!

Außerdem sind Letztere – mit ihrem großen Führer Huxley und so hervorragenden Zoologen wie Romanes und anderen – bei der Verteidigung der Theorie Darwins die Ersten, welche die nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten auf dem Weg eines endgültigen Nachweises eingestehen. Und es gibt ebenso große Wissenschaftler wie die oben genannten, die mit größtem Nachdruck die nicht gerechtfertigte Annahme ablehnen und die verwerflichen Übertreibungen in Bezug auf die Frage dieser angenommenen Ähnlichkeit laut rügen. Es genügt, die Werke von Broca, Gratiolet, Owen, Pruner-Bey einzusehen, und endlich das letzte große Werk von de Quatrefages, „Introduction à l’Etude des Races Humaines, Questions Générales“, um den Irrtum der Evolutionisten aufzudecken. Wir können noch mehr sagen: Die Übertreibungen betreffs dieser Ähnlichkeit der Struktur zwischen dem Menschen und dem anthropomorphen Affen sind in jüngster Zeit so offenkundig und absurd geworden, dass selbst Huxley sich gezwungen sah, gegen die allzu zuversichtlichen Erwartungen zu protestieren. Der große Anatom war es persönlich, der die „kleineren Fische“ zur Ordnung rief, indem er in einem seiner Aufsätze erklärte, dass die Unterschiede zwischen der Struktur des menschlichen Körpers und dem des höchsten menschenähnlichen Pithekoiden durchaus nicht unbedeutend und unwichtig, sondern im Gegenteil sehr groß und bedeutungsvoll sind: „Jeder Knochen eines Gorillas hat seine eigene besondere Einprägung, durch die er vom entsprechenden Knochen eines Menschen unterschieden werden kann.“ Es gibt unter den gegenwärtig existierenden Geschöpfen nicht eine einzige Zwischenform, welche die Lücke zwischen Mensch und Affe ausfüllen könnte. Diese Lücke zu ignorieren, fügt er hinzu, „wäre genauso unangebracht wie absurd.30

[SD # 682] Schließlich ist die Absurdität einer solchen unnatürlichen Abstammung des Menschen angesichts all der Beweise und des Augenscheins in Bezug auf den pithekoiden Schädel im Vergleich zum menschlichen derartig greifbar, dass de Quatrefages unbewusst zu unserer esoterischen Theorie Zuflucht nahm, indem er sagte, dass eher die Affen eine Abstammung vom Menschen für sich in Anspruch nehmen können als umgekehrt. Wie Gratiolet in Bezug auf die Ventrikel des Gehirns der Anthropoiden bewiesen hat – bei denen sich dieses Organ in einem umgekehrten Verhältnis entwickelt wie es der Fall wäre, wären die entsprechenden Organe beim Menschen wirklich das Produkt der Entwicklung der genannten Organe bei den Affen gewesen –, nehmen die Größe des menschlichen Schädels und seines Gehirns sowie die Hohlräume mit der individuellen Entwicklung des Menschen zu. Sein Intellekt entwickelt sich und wächst mit dem Alter, während seine Gesichtsknochen und Kiefer sich verkleinern und strecken, und so mehr und mehr vergeistigt werden; während beim Affen das Umgekehrte der Fall ist. In seiner Jugend ist der Anthropoide viel intelligenter und gutartiger, während er mit zunehmendem Alter unbeholfener wird. Und während sein Schädel zurückweicht und sich mit seinem Wachstum zu verringern scheint, entwickeln sich seine Gesichtsknochen und Kiefer, wodurch das Gehirn schließlich erdrückt und zurückgeschoben wird, um mit jedem Tag dem tierischen Typus mehr Raum zu geben. Das Organ des Denkens – das Gehirn – schwindet und wird weniger, vollständig überwältigt und ersetzt durch das Organ des wilden Tieres – den Kieferapparat.

Somit könnte, wie in dem französischen Werk witzig bemerkt wird, ein Gorilla mit vollem Recht einen Evolutionisten ansprechen und sein Recht, von ihm abzustammen, beanspruchen. Er würde zu ihm sagen: „Wir anthropoiden Affen bilden eine rückschreitende Abzweigung von dem menschlichen Typus, und daher sind unsere Entwicklung und Evolution ausgedrückt durch einen Übergang von einer menschenartigen in eine tierartige Struktur des Organismus. Aber auf welche Art könnt ihr, Menschen, von uns abstammen – wie könnt ihr eine Fortsetzung unserer Gattung bilden? Denn um das möglich zu machen, müsste sich eure Organisation noch mehr als die unsrige von der menschlichen Struktur unterscheiden, sie müsste sich noch mehr dem Tier annähern als unsere; und in diesem Fall verlangt es die Gerechtigkeit, dass ihr eure Stelle in der Natur an uns abtretet. Ihr steht unter uns, wenn ihr darauf besteht, eure Abstammung auf unser Geschlecht zurückzuführen; denn die Struktur unserer Organisation und ihre Entwicklung sind solcherart, dass wir nicht imstande sind, Formen einer höheren Organisation als unsere eigene zu erzeugen.“

Darin stimmen die okkulten Wissenschaften mit de [SD # 683] Quatrefages vollkommen überein. Gerade wegen des Typs seiner Entwicklung kann der Mensch weder von einem Affen abstammen noch von einem gemeinsamen Ahnen, sondern er zeigt, dass er aus einem viel höheren Typus abstammt, als er selbst ist. Und dieser Typus ist der des „Himmlischen Menschen“ – der Dhyan Chohans, oder der sogenannten Pitris, wie im ersten Teil dieses Buches gezeigt wird. Demgegenüber können die Pithekoiden, der Orang Utan, der Gorilla und der Schimpanse von der animalisierten vierten menschlichen Wurzelrasse abstammen, und wie die okkulten Wissenschaften lehren, ist das der Fall, weil sie das Erzeugnis des Menschen und einer ausgestorbenen Säugetierart sind – deren entfernte Ahnen selbst das Erzeugnis der lemurischen Bestialität waren – die im Miozän lebte. Die Abstammung dieses halb-menschlichen Ungeheuers wird in den Stanzen dahingehend erklärt, dass sie aus der Sünde der „vernunftlosen“ Rassen der mittleren Periode der dritten Rasse entsprangen.

Wenn man sich vor Augen hält, dass sämtliche heute die Erde bevölkernden Formen derartig viele Variationen von Grundtypen darstellen, die ursprünglich vom Menschen der dritten und vierten Rasse abgeworfen wurden, verliert ein evolutionistisches Argument wie jenes, das auf einen alle Wirbeltiere charakterisierenden „einheitlichen Strukturplan“ besteht, seine Schärfe. Im Vergleich zur Vielheit der Organismen, die sie schließlich entstehen ließen, war die Anzahl der erwähnten Grundtypen sehr gering. Aber eine allgemeine Einheit des Typus blieb nichtsdestoweniger die gesamten Zeitalter hindurch erhalten. Die Ökonomie der Natur erlaubt nicht das gleichzeitige Bestehen unterschiedlicher, vollständig entgegengesetzter „Grundpläne“ organischer Entwicklung auf ein und demselben Planeten. Sobald jedoch die allgemeine Tendenz der okkulten Erklärung formuliert ist, können die Schlussfolgerungen bezüglich der Details durchaus dem intuitiven Leser überlassen werden.

Ähnliches gilt für die wichtige Frage der von den Anatomen im menschlichen Organismus entdeckten „rudimentären“ Organe. Zweifellos erwies sich diese Beweisführung, von Darwin und Haeckel gegen ihre europäischen Widersacher geführt, als von großem Gewicht. Anthropologen, welche die Herleitung des Menschen von einem tierischen Ahnen zu bestreiten wagten, waren in arger Verlegenheit darüber, wie sie mit dem Auftreten der Kiemenspalte, dem „Schwanz“-Problem und so weiter umgehen sollten. Hier kommt uns wieder der Okkultismus mit den notwendigen Angaben zu Hilfe.

Wie bereits festgestellt wurde, ist es eine Tatsache, dass der menschliche Typus die Fundgrube aller potenziellen organischen Formen ist, und der Mittelpunkt, von welchem die Letzteren ausstrahlen. In diesem Postulat finden wir eine wahre „Evolution“ oder „Entfaltung“ – eine Sinnhaftigkeit, welche der mechanischen Theorie der natürlichen Selektion nicht zugeschrieben werden kann. Darwins Schlussfolgerung aus „Rudimenten“ kritisierend, schreibt ein kompetenter Autor Folgendes: „Warum stellt die Annahme nicht eine ebenso wahrscheinliche Hypothese dar, der Mensch sei mit den rudimentären Entwürfen in seiner Organisation erschaffen worden und diese seien in den niederen Tieren, in welche der Mensch dann degenerierte, zu nützlichen Anlagen geworden, wie die Annahme, diese Dinge hätten bereits vollständig entwickelt in den niederen Tieren existiert, aus denen dann der Mensch entstand?“ („Creation or Evolution?“, Geo. T. Curtis, S. 76)

[SD # 684] Anstelle von „in welche der Mensch dann degenerierte“ könnte auch gesagt werden „die vom Menschen im Verlauf seiner astralen Entwicklung abgeworfenen Prototypen“, dann liegt ein Aspekt der wahren esoterischen Lösung vor uns. Doch jetzt muss eine weitreichendere Verallgemeinerung formuliert werden.

Soweit die irdische Periode unserer gegenwärtigen vierten Runde in Betracht kommt, kann lediglich für die Säugetierfauna angenommen werden, sie sei auf die vom Menschen abgeworfenen Prototypen zurückführbar. Amphibien, Vögel, Reptilien, Fische etc. sind Ergebnisse der dritten Runde, astrale Fossilformen, die in der aurischen Hülle der Erde aufbewahrt und nach der Ablagerung der ersten laurentinischen Felsen in physische Objektivität projiziert wurden. „Die Evolution“ hat sich mit den fortschreitenden Modifikationen zu beschäftigen, welche das niedere Tier- und Pflanzenreich im Verlauf der geologischen Zeit betroffen haben, wie die Paläontologie zeigt. Sie berührt die Frage nach den vor-physischen Typen nicht, die als Grundlage für die zukünftigen Differenzierungen dienten, und kann das entsprechend der Natur der Dinge auch nicht. Die allgemeinen Gesetze, welche die Entwicklung der physischen Organismen steuern, kann sie sicherlich auflisten, und bis zu einem gewissen Grad hat sie diese Aufgabe auch gut erfüllt.

Kehren wir zum unmittelbaren Thema der Diskussion zurück. Die Säugetiere, deren erste Spuren mit den Marsupialia in den Felsen des Trias der Sekundärzeit entdeckt wurden, wurden aus rein astralen Vorfahren entwickelt, die gleichzeitig mit der zweiten Rasse existierten. Sie kamen somit nach dem Menschen, und infolgedessen ist es leicht, die allgemeine Ähnlichkeit zwischen ihren Embryonalstadien und denen des Menschen zu erklären, da er notwendigerweise die Merkmale der von ihm hervorgebrachten Gruppe in sich enthält und in seiner Entwicklung verkörpert. Mit dieser Erklärung ist ein Teil der darwinistischen Argumentation erledigt. „Aber wie soll das Vorhandensein von Kiemenspalten beim menschlichen Fötus erklärt werden, die das Stadium repräsentieren, in welchem bei den Fischen die Kiemen entwickelt werden;31 oder das dem Herzen der niederen Fische entsprechende pulsierende Gefäß, welches das fötale Herz darstellt; oder die ganze Analogie, die durch die Zellteilung des menschlichen Eies, die Bildung der Keimhaut und das Auftreten der ‘Gastrulation’ mit entsprechenden Lebensstadien bei den niederen Wirbeltieren und selbst den Schwämmen; oder die verschiedenen Typen niederen animalischen Lebens, dessen Form das entstehende Kind in seinem Wachstumszyklus dunkel andeutet?“ „Wie kommt es, dass sich Stadien im Leben der Fische, deren Vorfahren“ – Äonen vor der Epoche der ersten Wurzelrasse – „ [SD # 685] in den Meeren der silurischen Periode schwammen, und ebenso Stadien der späteren amphibischen und reptilischen Fauna in der ‘versinnbildlichten Geschichte’ der menschlichen fötalen Entwicklung widerspiegeln?“

Diesem plausiblen Einwand wird mit der Erwiderung begegnet, dass die irdischen Tierformen der dritten Runde sich ebenso auf die vom Menschen der dritten Runde abgeworfenen Typen beziehen wie dieser Neuimport in den Bereich unseres Planeten – der Säugetierbestand – auf die Menschheit der vierten Runde in der zweiten Wurzelrasse. Der Vorgang des menschlichen fötalen Wachstums gibt nicht nur die allgemeinen Kennzeichen des irdischen Lebens der vierten Runde verkürzt wieder, sondern auch die der dritten. Die Stufenleiter des Typus wird in Kurzform durchlaufen. Die Geburt von Kindern mit einem tatsächlichen Schwanz als Anhang zu „erklären“ oder die Tatsache, dass der Schwanz beim menschlichen Fötus in einer Phase doppelt so lang ist wie die in der Entstehung begriffenen Beine, bringt die Okkultisten also nicht in Verlegenheit. Die Potenzialität sämtlicher für das tierische Leben nützlichen Organe ist im Menschen – dem Mikrokosmos des Makrokosmos – enthalten, und abnormale Bedingungen mögen manchmal die seltsamen Erscheinungen zur Folge haben, welche die Darwinisten als eine „Rückkehr zu Formen der Vorfahren“ betrachten.32 Eine Rückkehr, gewiss, aber schwerlich in dem Sinn, wie sie von unseren modernen Empirikern betrachtet wird!

 

C

Darwinismus und das Alter des Menschen:
Die Anthropoiden und ihre Ahnen

Die Öffentlichkeit wurde von mehr als einem hervorragenden modernen Geologen und Wissenschaftler unterrichtet, dass „jede Schätzung geologischer Zeiträume nicht nur unmöglich, sondern notwendigerweise unvollkommen ist; denn wir erkennen die Ursachen nicht, obwohl sie existiert haben müssen, die den Vorgang der sedimentären Ablagerungen beschleunigten oder verlangsamten“.33 Und da nun ein anderer, ebenso wohlbekannter Wissenschaftler (Croll) berechnet, dass das Tertiär entweder vor fünfzehn oder vor zweieinhalb Millionen Jahren begann – die erste Angabe ist nach der Geheimlehre korrekter als die zweite – scheint zumindest in diesem Fall keine sehr große Nichtübereinstimmung zu bestehen. Der exakten Wissenschaft, die sich weigert, im Menschen eine „besondere Schöpfung“ zu sehen (bis zu einem gewissen Grad tun die Geheimwissenschaften dasselbe), steht es frei, die ersten drei, oder vielmehr zweieinhalb Rassen unserer Lehren – die spirituelle, die halbastrale und die [SD # 686] halb-menschliche – zu ignorieren. Doch im Fall der dritten in ihrer Erdperiode, der vierten und fünften Rasse kann sie kaum dasselbe tun, nachdem sie die Menschheit bereits in einen paläolithischen und einen neolithischen Menschen teilt.34 Frankreichs Geologen versetzen den Menschen in das mittlere Miozän (Gabriel de Mortillet), und einige sogar in die Sekundärzeit, wie de Quatrefages vorschlägt; wobei die englischen Gelehrten im Allgemeinen kein so hohes Alter für ihre Art annehmen. Eines Tages mögen sie es jedoch besser wissen. Denn, wie Charles Lyell in „Antiquity of Man“, S. 249, sagt:

Wenn wir das Fehlen oder die außerordentliche Seltenheit menschlicher Knochen und Kunstwerke in sämtlichen Schichten sowohl des Meeres als auch des Süßwassers betrachten, selbst in denen, die in unmittelbarer Nähe eines von Millionen menschlicher Wesen bewohnten Landes entstanden, werden wir auf den allgemeinen Mangel an menschlichen Andenken in glazialen Formationen vorbereitet sein, ob in den heutigen oder pleistozänen, oder selbst in denen älteren Datums. Wenn Wanderer über von Gletschern bedeckten Länder oder von Eisbergen unsicher gemachte Meere ziehen, und einige von ihnen würden ihre Knochen oder Waffen in den Moränen oder Meerestiefen zurücklassen, dürfte die Wahrscheinlichkeit gegen Null gehen, dass ein Geologe ein paar tausend Jahre später etwas davon auffindet.“

Die Wissenschaftler vermeiden es, sich durch genaue Angaben betreffs des Alters des Menschen festzulegen, was sie auch kaum schaffen können, und lassen dadurch einen außerordentlichen Spielraum für kühnere Spekulationen. Dennoch, während die Mehrheit der Anthropologen die Existenz des Menschen lediglich bis zur Periode des postglazialen Driftes oder bis zum sogenannten Quartär zurückverlegt, zeigen jene von ihnen, die als Evolutionisten den Menschen auf einen gemeinsamen Ursprung mit dem Affen zurückführen, keine maßgebliche Folgerichtigkeit in ihren Spekulationen. Die Hypothese Darwins fordert tatsächlich ein viel höheres Alter für den Menschen, als von oberflächlichen Köpfen auch nur ansatzweise vermutet wird. Das wird durch die größten Autoritäten in Bezug auf diese Frage bewiesen – z. B. durch Huxley. Daher halten die Unterstützer von Darwins Evolutionstheorie eben deshalb sehr hartnäckig an einem [SD # 687] derartig hohen Alter des Menschen fest, dass es tatsächlich kaum unter der okkultistischen Schätzung liegt.35 Die bescheidenen Jahrtausende der „Encyclopaedia Britannica“ und die 100.000 Jahre, auf welche die Anthropologie das Alter der Menschheit im Allgemeinen beschränkt, erscheinen mikroskopisch im Vergleich zu den Zahlen, die aus Huxleys kühnen Spekulationen hervorgehen. Erstere macht in der Tat aus der ursprünglichen Menschenrasse affenartige Höhlenbewohner. In seinem Wunsch, den pithekoiden Ursprung des Menschen nachzuweisen, besteht der große englische Biologe darauf, dass die Umwandlung des ursprünglichen Affen in ein menschliches Wesen vor Millionen von Jahren stattgefunden haben muss. Denn bei der Kritik des außerordentlichen durchschnittlichen Schädelinhalts des Neandertalschädels geht Huxley trotz seiner Behauptung, dieser sei von „Mauern pithekoider Knochen“ überlagert, mit Grant Allans Versicherung konform, dieser Schädel „besäße große Buckel auf der Stirn, die auffallend (?) an jene erinnern, welche dem Gorilla sein besonders wildes Aussehen verleihen“36 („Fortnightly Review“, 1882); dennoch sieht sich Huxley gezwungen zuzugestehen, dass seine Theorie mit dem erwähnten Schädel einmal mehr geschlagen wird von den „vollkommen menschlichen Proportionen der begleitenden Gliederknochen, zusammen mit der schönen Entwicklung des Engis-Schädels“. Infolgedessen erzählt uns all das, dass diese Schädel „klar darauf hinweisen, dass jene, die eine beliebige Form der Lehre von der fortschreitenden Entwicklung vertreten, die ersten Spuren des Urstammes, aus dem der Mensch hervorging, nicht weiter in der neuesten Tertiärzeit suchen dürfen; sondern dass man sich in einer Epoche nach ihnen umschauen muss, die vom Zeitalter des Elephas primigenius weiter entfernt ist als dieses von uns.“37 (Huxley)

[SD # 688] Ein unermessliches Alter des Menschen ist somit die sine qua non für die Wissenschaft in der Frage der Evolutionstheorie Darwins, nachdem der älteste paläolithische Mensch noch keine erkennbare Abweichung von seinem modernen Nachkommen zeigt. Erst in jüngster Zeit hat die moderne Wissenschaft begonnen, den Abgrund mit jedem Jahr zu vergrößern, das sie von der alten Wissenschaft trennt, z. B. von Plinius und Hippokrates. Keiner der alten Schriftsteller hätte die archaischen Lehren in Bezug auf die Evolution der Menschenrassen und Tierarten verspottet, wie es der heutige Wissenschaftler – der Geologe oder Anthropologe – sicherlich macht.

Wenn wir, was tatsächlich der Fall ist, daran festhalten, dass der Säugetiertypus ein nachmenschliches Produkt der vierten Runde war, kann das folgende Diagramm – so wie die Schreiberin die Lehre versteht – den Vorgang verdeutlichen:

Die unnatürliche Vereinigung war unterschiedslos fruchtbar, weil die damaligen Säugetiertypen sich von ihrem Wurzeltypus38 – dem ursprünglichen astralen [SD # 689] Menschen – noch nicht weit genug entfernt hatten, um die nötige Schranke zu entwickeln. Die medizinische Wissenschaft verzeichnet solche Fälle von Missbildungen, die aus menschlichen und tierischen Elternteilen resultieren, selbst in unserer Zeit. Die Möglichkeit ist daher nur eine graduelle Frage, nicht eine generelle. Auf diese Art löst der Okkultismus eines der merkwürdigsten Probleme, die sich dem Anthropologen stellen.

Das Gedankenpendel schwingt zwischen Extremen. Nachdem die Wissenschaft sich jetzt von den Fesseln der Theologie befreit hat, ist sie dem entgegengesetzten Irrtum anheim gefallen; und in dem Versuch, die Natur aus rein materialistischer Sichtweise zu erklären, hat sie die extravaganteste Theorie der Zeitalter aufgebaut – die Ableitung des Menschen von einem wilden und tierischen Affen. Diese Theorie ist jetzt, in der einen oder anderen Form, so verwurzelt, dass die übermenschlichsten Anstrengungen notwendig sein werden, ihre endgültige Zurückweisung herbeizuführen. Die Anthropologie Darwins ist der Alptraum des Ethnologen, ein derbes Kind des modernen Materialismus, das aufwuchs und zunehmende Kraft erlangte, so wie die Albernheit der theologischen Legenden von der „Schöpfung“ des Menschen mehr und mehr offenbar wurde. Es gedieh auf der Grundlage des seltsamen Irrtums, dass, wie ein angesehener Gelehrter es formuliert, – „sämtliche Hypothesen und Theorien in Bezug auf die Entstehung des Menschen auf zwei zurückgeführt werden können (die evolutionistische und den exoterischen Bericht der Bibel). . . Eine andere Hypothese ist nicht vorstellbar . . .“!!! Die Anthropologie der Geheimen Bände ist jedoch die bestmögliche Antwort auf eine solche wertlose Behauptung.

Die anatomische Ähnlichkeit zwischen dem Menschen und dem höheren Affen, die von den Darwinisten so häufig als Hinweis auf einen früheren, beiden gemeinsamen Ahnen angeführt wird, stellt ein interessantes Problem dar, dessen korrekte Lösung in der esoterischen Lehre der Entstehung der pithekoiden Stämme gesucht werden muss. Wir haben sie mitgeteilt, soweit es nützlich erschien. Wir haben festgestellt, dass die Bestialität der ursprünglichen vernunftlosen Rassen die Zeugung gewaltiger menschenähnlicher Ungeheuer – der Nachkommen menschlicher und tierischer Eltern – zur Folge hatte. Im Verlauf der Zeit und mit der Verfestigung der noch halb-astralen zu körperlichen Formen wurden die Nachkommen dieser Geschöpfe durch äußere Einflüsse verändert, bis die Rasse, kleiner werdend, in den niederen Affen des Miozäns gipfelte. Mit diesen erneuerten die späteren Atlantier die Sünde der „Vernunftlosen“ – diesmal in voller Verantwortlichkeit. Das Ergebnis ihres Frevels sind die heute als Anthropoiden bekannten Affen.

Es mag nützlich sein, diese sehr einfache Theorie – und wir sind willens, sie den Ungläubigen lediglich als Hypothese darzubieten – mit dem System Darwins zu vergleichen, das so voller unüberwindlicher Hindernisse ist, dass, sobald eines von ihnen durch eine mehr oder weniger geschickte Hypothese überwunden ist, hinter dem eben beseitigten sofort zehn noch schlimmere Probleme entdeckt werden.

 

 

[SD # 690]
§ IV
Dauer der geologischen Perioden,
Rassenzyklen und das Alter des Menschen

Millionen von Jahren sind in Lethe versunken und haben im Gedächtnis des Profanen in Bezug auf den Ursprung des Menschen und die Geschichte der ursprünglichen Rassen nicht mehr Erinnerungen hinterlassen als ein paar Jahrtausende orthodoxer westlicher Chronologie.

Alles hängt von den für das hohe Alter des Menschengeschlechts gefundenen Beweisen ab. Wenn sich der Homo primigenius als der noch strittige Mensch des Pliozäns und selbst des Miozäns erweist, mag die Wissenschaft (argumenti causa) im Recht sein, ihre gegenwärtige Anthropologie – in Bezug auf die Zeit und die Art des Ursprungs des „Homo sapiens“ – auf die Theorie Darwins39 zu begründen. Sollten jedoch in den Schichten des Eozäns jemals menschliche Skelette, aber kein fossiler Affe gefunden und damit nachgewiesen werden, dass der Mensch bereits vor den Anthropoiden existierte – werden die Darwinisten ihren Scharfsinn in einer anderen Richtung betätigen müssen. Und in wohl unterrichteten Kreisen wird davon gesprochen, dass sich das 20. Jahrhundert noch in seiner beginnenden Pubertät befinden wird, wenn ein solcher unabstreitbarer Beweis der Priorität des Menschen zum Vorschein kommen wird.

Bereits jetzt wird viel Material angeführt, um zu beweisen, dass die bisher für die Gründung von Städten, Zivilisationen und verschiedene andere geschichtliche Ereignisse angesetzten Daten unsinnig verkürzt wurden. Das geschah als Friedensangebot an die biblische Chronologie. Der wohlbekannte Paläontologe Ed. Lartet schreibt: „Kein Datum ist in der Genesis zu finden, das einen Zeitpunkt festlegt für die Geburt der ursprünglichen Menschheit.“ Die Chronisten haben dennoch fünfzehn Jahrhunderte lang versucht, die biblischen Tatsachen mit ihren Systemen in eine Übereinstimmung zu zwängen. So wurden nicht weniger als einhundertvierzig verschiedene Meinungen über das einzige Datum der „Schöpfung“ gebildet. „Und zwischen den äußersten Varianten besteht eine Differenz von 3.194 Jahren bei der Berechnung der Periode zwischen dem Beginn der Welt und der Geburt Christi.40 Innerhalb der letzten Jahre mussten die Archäologen auch die Anfänge der babylonischen Zivilisation um nahezu 3.000 Jahre zurückversetzen. Auf dem vom babylonischen König Nabonid, der von Kyros besiegt wurde, errichteten [SD # 691] Fundamentzylinder finden sich die Aufzeichnungen des Ersteren, in denen er von seiner Entdeckung des Grundsteins spricht, der zum ursprünglichen, von Naram-Sin erbauten Tempel gehörte, dem Sohn Sargon von Akkads, des Eroberers Babyloniens, der laut Nabonid 3.200 Jahre vor seiner eigenen Zeit lebte.“

Wir haben in der Isis gezeigt, dass diejenigen, die ihre Geschichte auf die Chronologie der Juden gründeten (einer Rasse, die keine eigene Geschichte besaß und die westliche bis zum zwölften Jahrhundert verwarf), sich verlieren würden, denn dem jüdischen Bericht kann nur mithilfe der kabbalistischen Berechnung gefolgt werden, und auch dann nur mit dem Schlüssel in der Hand. . . Wir haben die Chronologie des verstorbenen Georg Smith über die Chaldäer und Assyrer, die er in Übereinstimmung mit der mosaischen gebracht hatte, als ganz und gar fantastisch charakterisiert. Und jetzt haben spätere Assyriologen, wenigstens in dieser Hinsicht, unseren Widerspruch bestätigt. Dann während G. Smith Sargon I. (das Vorbild für Moses in seiner Legende) ungefähr 1.600 v. Chr. in der Stadt Akkad regieren lässt – wahrscheinlich aus verborgenem Respekt vor Moses, den die Bibel 1.571 v. Chr. erblühen lässt – erfahren wir nun aus der ersten von Professor A. H. Sayce aus Oxford im Jahr 1887 gehaltenen sechs Hibbert-Vorlesungen, dass „alte Anschauungen über die frühen Annalen von Babylonien und seine Religionen durch neue Entdeckungen stark modifiziert wurden. Das erste semitische Reich war, nach jetziger übereinstimmender Anschauung, das Sargons von Akkad, der eine große Bibliothek gründete, die Literatur förderte und seine Eroberungen über das Meer bis nach Zypern ausdehnte. Es ist jetzt bekannt, dass er bereits 3.750 v. Chr. regierte.“ „Die von den Franzosen in Telloh gefundenen akkadischen Denkmäler müssen sogar noch älter sein, ungefähr bis 4.000 v. Chr. zurückreichen.“ Mit anderen Worten: nach der biblischen Chronologie bis ins vierte Jahr der Weltschöpfung, als Adam noch in seinen Windeln steckte. Vielleicht werden in ein paar Jahren die 4.000 Jahre noch weiter ausgedehnt. Der wohlbekannte Oxforder Vortragende bemerkte in seinen Untersuchungen über „Ursprung und Entwicklung der Religion, dargelegt an der Religion der alten Babylonier“, dass „die Schwierigkeiten beträchtlich waren, den Ursprung und die Geschichte der babylonischen Religion systematisch zu verfolgen. Die Quellen unserer Kenntnis des Gegenstandes waren fast ausschließlich Monumente, von klassischen und orientalischen Schriftstellern war nur sehr wenig Hilfe zu erwarten. In der Tat war es eine unabstreitbare Tatsache, dass die babylonische Priesterschaft das Studium der religiösen Texte absichtlich in einen Wust fast unüberwindlicher Schwierigkeiten hüllten.“ Dass sie die Daten und insbesondere die Reihenfolge der Ereignisse „absichtlich“ verwirrten, ist nicht abzustreiten, und zwar aus einem sehr guten Grund: Ihre Schriften und Aufzeichnungen waren alle esoterisch. Die babylonischen Priester taten nicht mehr als die Priester anderer alter Nationen. Ihre Berichte waren nur für die Initiierten und ihre Schüler gedacht, und nur die Letzteren wurden mit den Schlüsseln zu der wahren Bedeutung ausgestattet. Aber Professor [SD # 692] Sayces Bemerkungen sind vielversprechend. Denn er erklärt die Schwierigkeit mit folgenden Worten: „Die Bibliothek von Ninive enthielt meistens Kopien älterer babylonischer Texte, und die Kopisten wählten nur solche Tafeln, die für die assyrischen Eroberer von besonderem Interesse waren und einer verhältnismäßig späten Epoche angehörten, was viel zu der größten unserer Schwierigkeiten beitrug – nämlich dass wir so oft über das Alter unserer dokumentarischen Urkunden und über den genauen Wert unserer Materialien für die Geschichte im Dunkeln blieben.“ Somit ist es rechtens zu schließen, dass eine noch neuere Entdeckung es möglicherweise nochmals notwendig machen wird, die babylonischen Daten so weit vor das Jahr 4.000 v. Chr. zurück zu verlegen, das sie dadurch nach dem Urteilsvermögen aller Bibelanhänger präkosmisch werden.

Und wie viel mehr hätte die Paläontologie gelernt, wären nicht Millionen von Werken zerstört worden! Wir sprechen von der Alexandrinischen Bibliothek, die dreimal zerstört wurde, nämlich durch Julius Caesar 48 v. Chr., dann 390 n. Chr. und zuletzt im Jahr 640 n. Chr. durch den General des Kalifen Omar. Was ist das im Vergleich zu den Werken und Aufzeichnungen, welche in den ursprünglichen atlantischen Bibliotheken vernichtet wurden, zu welchen Aufzeichnungen gehört haben sollen, die auf den gegerbten Häuten riesiger vorsintflutlicher Ungeheuer niedergeschrieben waren? Oder im Vergleich mit der Vernichtung unzähliger chinesischer Bücher im Jahr 212 v. Chr. durch Qin Shi Huang Di, dem Gründer der kaiserlichen Qin-Dynastie? Sicherlich haben die Tonziegeltafeln der kaiserlich babylonischen Bibliothek und die unermesslichen Schätze der chinesischen Sammlung niemals derartige Informationen enthalten wie eine der vorerwähnten „atlantischen“ Häute der unwissenden Welt hätte verschaffen können.

Aber selbst anhand der außerordentlich mageren Daten war die Wissenschaft imstande, die Notwendigkeit einzusehen, nahezu jedes babylonische Datum zurückzuversetzen, und sie hat das großmütig getan. Wir lernen von Professor Sayce, dass selbst die archaischen Statuen von Tello in Unterbabylonien plötzlich einem der vierten Dynastie in Ägypten entsprechenden Zeitraum zugeschrieben wurden. Unglücklicherweise teilen Dynastien und Pyramiden das Schicksal der geologischen Perioden. Ihre Daten sind willkürlich und hängen von den Launen der betreffenden Wissenschaftler ab. Die Archäologen wissen jetzt, wie es heißt, dass die oben erwähnten Statuen aus grünem Diorit gefertigt sind, der nur auf der Halbinsel Sinai gefunden werden kann, und „sie stimmen im Kunststil und in der angewendeten Maßeinheit mit den ähnlichen Dioritstatuen der Pyramidenbauer der dritten und vierten ägyptischen Dynastie überein. . . . . Ferner muss die einzig mögliche Periode für eine babylonische Besetzung der Steinbrüche des Sinais kurz nach dem Ende der Epoche angesetzt werden, in der die Pyramiden erbaut wurden. Und nur so können wir verstehen, wieso der Name Sinai von dem Namen Sin, des ursprünglichen babylonischen Mondgottes, abgeleitet sein konnte.“ Das ist sehr logisch, aber wie lautet das für diese „Dynastien“ angesetzte Datum? Sanchuniathons und Manethos synchronistische Tafeln und ihre Zahlen, oder was immer von diesen [SD # 693] übrig blieb, nachdem der heilige Eusebius sie in Behandlung gehabt hatte, wurden verworfen; und noch immer müssen wir zufrieden sein mit den vier oder fünf Jahrtausenden v. Chr., die Ägypten so freigiebig zugemessen wurden. Ein Punkt ist auf jeden Fall gewonnen. Es gibt endlich eine Stadt auf der Erdoberfläche, der mindestens 6.000 Jahre zugestanden werden, und das ist Eridu. Die Geologie hat sie entdeckt. Wiederum Professor Sayce:

„Sie sind jetzt auch imstande, den Zeitpunkt für die Verlandung der Spitze des Persischen Golfes zu bestimmen, was einen Ablauf von 5.000 bis 6.000 Jahren seit der Zeitperiode erfordert, als Eridu, das jetzt fünfundzwanzig Meilen landeinwärts liegt, der Seehafen an der Mündung des Euphrats und der Sitz des babylonischen Handels mit Südarabien und Indien war. Mehr als alles andere verschafft die neue Chronologie Raum für die lange Reihe von Sonnenfinsternissen, die in dem großen astronomischen Werk mit dem Titel ‘Die Beobachtungen Bels’ aufgezeichnet wurden. Und wir sind auch imstande, die sonst verblüffende Veränderung der Lage des Frühlingsäquinoktiums zu verstehen, die sich entwickelt hat, seit unsere gegenwärtigen Tierkreiszeichen von den frühesten babylonischen Astronomen benannt worden waren. Als der akkadische Kalender aufgestellt und die akkadischen Monate benannt wurden, stand die Sonne zum Frühlingsäquinoktium nicht wie heute in den Fischen, oder auch nur im Widder, sondern im Stier. Da die Geschwindigkeit des Vorrückens der Tagundnachtgleichen bekannt ist, erfahren wir, dass sich von ungefähr 4.700 Jahren v. Chr. an die Sonne beim Frühlingsäquinoktium im Stier befand, und wir erlangen so astronomische Grenzen für das Datum, die nicht anfechtbar sind.“41

Es mag unsere Position verdeutlichen, wenn wir gleich anmerken, dass wir für die Angabe von Zeitaltern und Perioden Sir Ch. Lyells Nomenklatur verwenden, und dass, wenn wir von der Sekundär- und Tertiärzeit, von der eozänen, miozänen und pliozänen Periode sprechen – das nur geschieht, um unsere Angaben verständlicher zu machen. Nachdem diesen Zeitaltern und Perioden noch keine feste und bestimmte Dauer zuerkannt wurde, nachdem ein und derselben Epoche (dem Tertiär) zu verschiedenen Zeiten 2½ und 15 Millionen Jahre zugeschrieben wurden – und nachdem nicht zwei Geologen oder Naturforscher über diesen Punkt übereinzustimmen scheinen – können die esoterischen Lehren bezüglich des Erscheinens des Menschen in der Sekundär- oder der Tertiärzeit ganz gleichgültig bleiben. Wenn letzteren Zeitaltern sogar 15 Millionen Jahre Dauer zugestanden werden können – schön und gut; denn die okkulte Lehre, die ihre wirklichen und richtigen Zahlen, insoweit die erste, die zweite und zwei Drittel der dritten Wurzelrasse in Betracht kommen, streng behütet – gibt nur über einen Punkt klare Auskunft – über das Zeitalter der „Vaivasvata-Manu-Menschheit“ (Vide 2. Band, Teil I, „Die Chronologie der Brahmanen“).

Eine weitere definierte Erklärung lautet folgendermaßen: dass sich im sogenannten eozänen Zeitalter der Kontinent, zu dem die vierte Rasse gehörte und auf dem sie lebte und zugrunde ging, die ersten Anzeichen eines Untergangs zeigten, und dass er im Miozän endgültig zerstört wurde; mit Ausnahme der kleinen, von Platon erwähnten Insel. Diese Punkte müssen jetzt durch wissenschaftliche Daten überprüft werden.

 

[SD # 694]

A

Moderne wissenschaftliche Spekulationen
über das alter der Erde, die Evolution der Tiere und des Menschen

Ist es uns nicht erlaubt, einen Blick in die Werke von Experten zu werfen? Das Buch „World-Life, or Comparative Geology“ von Prof. A. Winchell liefert uns seltsame Daten. Hier schlägt ein Gegner der Nebulartheorie mit der ganzen Kraft des Hammers seines odium theologicum ein auf die ziemlich widersprüchlichen Hypothesen der großen Berühmtheiten der Wissenschaft in der Sache der siderischen und kosmischen Phänomene auf der Basis ihrer jeweiligen Beziehung zu irdischen Zeiträumen. Die „allzu fantasievollen Physiker und Naturforscher“ haben es nicht leicht angesichts dieses Reigens ihrer eigenen nebeneinander aufgelisteten spekulativen Zahlen und spielen eine ziemlich traurige Rolle. So schreibt er:

„Sir William Thomson schließt aufgrund der beobachteten Prinzipien der Abkühlung, dass nicht mehr als 10 Millionen Jahre (anderswo macht er daraus 100 Millionen) vergangen sein können, seitdem die Temperatur der Erde sich hinlänglich abgekühlt hat, um pflanzliches Leben zu tragen.42 Helmholtz berechnet, dass 20 Millionen Jahre ausreichen würden, damit sich der Urnebel zu den gegenwärtigen Dimensionen der Sonne verdichtete. Prof. S. Newcomb braucht lediglich 10 Millionen Jahre, um eine Temperatur von 212 ° F zu erhalten.43 Croll schätzt 70 Millionen Jahre für die Diffusion der Wärme etc.44 Bischof berechnet, dass 350 Millionen Jahre notwendig wären, um die Erde von einer Temperatur von 2.000 ° C auf 200 ° C abzukühlen. Reade, der seine Schätzung auf die beobachtete Zeitdauer der Denudation begründet, fordert 500 Millionen Jahre seit dem Beginn der Sedimentbildung in Europa.45 Lyell ließ sich auf eine grobe Schätzung von 240 Millionen Jahre ein; Darwin glaubte, dass 300 Millionen Jahre für die organische Umwandlung erforderlich sind, mit der sich seine Theorie beschäftigt, und Huxley ist geneigt 1.000 Millionen Jahre zu verlangen.“ (!!)

Dazu bemerkt Prof. Winchell, dass „einige Biologen . . . . ihre Augen fest zu verschließen scheinen, um mit einem Satz in den Abgrund von Millionen von Jahren zu springen, für die sie über keine angemessenere Schätzung verfügen als für die Unendlichkeit“.46 Dann fährt er fort und stellt die von ihm als korrekter angesehenen geologischen Zahlen vor – ein paar werden genügen.

Nach Sir W. Thomson benötigte „die Welt für ihre Verkrustung insgesamt 80.000.000 Jahre“, und in Übereinstimmung mit Prof. Haughtons Berechnungen einer unteren Grenze für die seit der Anhebung [SD # 695] Europas und Asiens verstrichene Zeit werden drei hypothetische Zeitalter für die drei möglichen und unterschiedlichen Arten des Emporhebens angegeben, die von der bescheidenen Zahl von 640.730 Jahren über 4.170.000 Jahren bis zu der ungeheuren Zahl von 27.491.000 Jahren variieren!!

Das reicht aus, wie man sehen kann, um unsere eigenen Forderungen für die vier Kontinente und selbst die Zahlen der Brahmanen abzudecken.

Weitere Berechnungen, deren Einzelheiten der Leser in Prof. Winchells Werk finden kann,47 bringen Haughton zu einem Näherungswert für das sedimentäre Zeitalter des Globus – 11.700.000 Jahre. Diese Zahl wird von dem Verfasser als zu niedrig erachtet und sofort auf 37.000.000 vergrößert.

Nochmals, laut Croll,48 repräsentieren 2.500.000 Jahre „die Zeit seit dem Anbeginn des Tertiärs“ – in einem Werk; und nach einer weiteren Abänderung seiner Anschauung sind lediglich 15.000.000 Jahre seit dem Beginn des Eozäns vergangen,49 was, da es sich dabei um die erste der drei tertiären Perioden handelt, den Schüler unschlüssig zwischen 2½ und 15 Millionen Jahren zurücklässt. Muss man sich jedoch an die zuvor genannten niedrigen Angaben halten, würde das gesamte Verkrustungsalter der Welt 131.600.000 Jahre betragen.50

Da sich die Gletscherperiode über die Zeit vor 240.000 bis 80.000 Jahren erstreckte (nach Prof. Crolls Anschauung), muss der Mensch vor 100.000 bis 120.000 Jahren auf der Erde erschienen sein. Aber wie Prof. Winchell in Bezug auf das Alter der mediterranen Rasse sagt: „Nach allgemeiner Auffassung erschien sie während des späteren Zurückweichens der kontinentalen Gletscher.“ Doch, fügt er hinzu, „bezieht sich das nicht auf das Alter der schwarzen und der braunen Rasse, da sich zahlreiche Beweise für ihre Existenz in südlicheren Regionen in weit vor der Eiszeit liegenden Zeiten vorfinden“. (S. 379)

Als Beispiel geologischer Sicherheit und Übereinstimmung mögen auch die folgenden Zahlen hinzugefügt werden. Drei Autoritäten – T. Belt, F.G.S.; J. Croll, F.R.S.; und Robert Hunt, F.R.S. – geben bei der Schätzung der seit der Gletscherepoche vergangenen Zeit absolut unterschiedliche Zahlen an, nämlich:

Belt 20.000 Jahre
J. Croll 240.000 Jahre
R. Hunt 80.000 Jahre

[SD # 696] (Siehe jedoch „The Ice Age — Climate and Time“, „Popular Science Review“, Vol. xiv, S. 242.)

Kein Wunder, dass Pengelly gesteht: „Es ist gegenwärtig und vielleicht für immer unmöglich, geologische Zeiträume auch nur näherungsweise auf Jahre oder auch nur auf Jahrtausende zu reduzieren.“ (Vide supra, Fußnote) Ein weiser Ratschlag seitens der Okkultisten an die Herren Geologen: Sie sollten das vorsichtige Vorbild der Freimaurer nachahmen. Da die Chronologie, wie sie sagen, die Schöpfungsära nicht bemessen kann, benutzt „der alte und ursprüngliche Ritus“ 000.000.000 als die nächste Annäherung an die Wirklichkeit.

Dieselbe Unsicherheit, Nichtübereinstimmung und dieselben Widersprüche herrschen auch in Bezug auf alle übrigen Gegenstände vor.

Die wissenschaftlichen Autoritäten hinsichtlich der Abstammung des Menschen stellen für jeden praktischen Zweck eine Wahnvorstellung und einen Fallstrick dar. Es gibt viele Antidarwinisten in der British Association, und die „natürliche Selektion“ beginnt an Boden zu verlieren. Obwohl sie einstmals der Heiland war, der die gelehrten Theoretiker vor einem schließlichen intellektuellen Sturz in den Abgrund der unfruchtbaren Hypothese zu erretten schien, beginnt man ihr jetzt zu misstrauen. Selbst Huxley zeigt Anzeichen von Untreue bezüglich der „Selektion“ und denkt, „die natürliche Selektion sei nicht der einzige Faktor“:

„Wir haben einen starken Verdacht, dass sie (die Natur) dann und wann auf dem Weg der Variation beträchtliche Sprünge macht, und dass diese Sprünge einige von den Lücken verursachen, die in der Reihe der bekannten Formen zu existieren scheinen.“ (Stellungnahme zu Köllikers „Criticisms on ‘The Origin of Species’ “)

Wiederum folgert C. R. Bree, M. D. in „Fallacies in the Hypothesis of Mr. Darwin“, S. 160):

„Es muss erneut ins Gedächtnis gerufen werden, dass es eine sehr große Anzahl von Zwischenformen gewesen sein muss. . . . . St. George Mivart glaubt, die Änderungen in der Evolution könnten rascher von statten gehen als gewöhnlich angenommen; Darwin aber hält tapfer an seinem Glauben fest und sagt uns wieder ‘natura non facit saltum’ “, – worin die Okkultisten mit Darwin übereinstimmen.

Die esoterische Lehre bestätigt die Vorstellung von der Langsamkeit und dem würdevollen Fortschreiten der Natur vollständig. Alle „planetarischen Antriebe“ sind periodisch. Doch stimmt diese Theorie Darwins, so korrekt sie in kleineren Einzelheiten sein mag, nicht mehr mit der okkulten Weltanschauung überein als mit Wallace, der in seinen „Contributions to the Theory of Natural Selection“ ziemlich überzeugend nachweist, dass etwas mehr als „natürliche Selektion“ erforderlich ist, um den physischen Menschen hervorzubringen.

Prüfen wir indessen die wissenschaftlichen Einwendungen gegen diese wissenschaftliche Theorie und sehen zu, was sie darstellen.

St. George Mivart argumentiert wie folgt:

. . . Es wird eine vorsichtige Schätzung sein, 25.000.000 Jahre für die Ablagerung der Schichten bis zum oberen Silur herunter, einschließlich desselben, einzukalkulieren. Wenn [SD # 697] nun das während dieser Ablagerung vollbrachte Evolutionswerk nur den hundertsten Teil der gesamten Summe repräsentiert, werden wir 2.500.000.000 Jahre für die vollständige Entwicklung des gesamten Tierreichs bis zu seinem gegenwärtigen Zustand benötigen. Aber selbst ein Viertel davon würde die Zeit weitaus überschreiten, welche Physik und Astronomie für die Vollendung des Prozesses zugestehen zu können scheinen. Schließlich besteht eine Schwierigkeit in Bezug auf den Grund der Abwesenheit reicher fossilienführender Ablagerungen in den ältesten Schichten – wenn das Leben damals so reich und mannigfaltig war, wie es nach der Darwinschen Theorie gewesen sein muss. Darwin selbst räumt ein: ‘Der Fall muss gegenwärtig unerklärlich bleiben’; und das drängt sich wirklich als starkes Argument gegen die in seinem eigenen Buch vertretenen Anschauungen auf. . . . .

So finden wir also eine bemerkenswerte (und nach den Prinzipien Darwins beinahe unerklärliche) Abwesenheit der genauen Übergangsformen. Alle besonders markierten Gruppen . . . . . erscheinen plötzlich am Schauplatz. Selbst das Pferd, das Tier, dessen Stammbaum vielleicht am besten erhalten geblieben ist, bietet keinen zwingenden Beweis für einen spezifischen Ursprung durch sehr kleine, zufällige Variationen, während von einigen Formen, wie den Labyrinthodontia und Trilobiten, die eine allmähliche Veränderung aufzuweisen schienen, durch weitere Forschung gezeigt wurde, dass nichts Dergleichen zu finden ist. . . . All diese Schwierigkeiten werden vermieden, wenn wir zugestehen, dass neue Formen tierischen Lebens aller Grade von Verzweigtheit von Zeit zu Zeit verhältnismäßig plötzlich erscheinen, indem sie nach Gesetzen entwickelt werden, die zum Teil von den umgebenden Bedingungen abhängen, zum Teil innerer Natur sind – ähnlich der Art, wie sich Kristalle (und vielleicht, neuesten Untersuchungen zufolge, auch die niedersten Lebensformen) entsprechend den inneren Gesetzen der sie zusammensetzenden Substanz in Harmonie und Übereinstimmung mit allen Einflüssen und Bedingungen der Umgebung aufbauen.“ („On the Genesis of Species“, S. 162)

„Die inneren Gesetze der sie zusammensetzenden Substanz.“ Das sind weise Worte, und das Eingeständnis dieser Möglichkeit ist klug. Aber wie können diese inneren Gesetze jemals erkannt werden, wenn die okkulte Lehre abgelehnt wird? Wie ein Freund schreibt, als er unsere Aufmerksamkeit auf die vorstehenden Spekulationen lenkt: „Mit anderen Worten, die Lehre der planetarischen Lebensimpulse muss anerkannt werden. Warum sonst würden viele Arten jetzt stereotypisiert, und warum bilden sich selbst gezähmte Taubenarten und andere Tiere auf ihre Ahnen-Typen zurück, sobald sie sich selbst überlassen werden?“ Aber die Lehre von den planetarischen Lebensimpulsen muss klar umschrieben und ebenso klar verstanden werden, wenn die gegenwärtige Verwirrung nicht noch vergrößert werden soll. All diese Schwierigkeiten würden wie die Schatten der Nacht vor dem Licht der aufgehenden Sonne verschwinden, würden die folgenden esoterischen Axiome zugestanden: (a) das außerordentliche Alter (und die Existenz) unserer Planetenkette; (b) die Tatsache der sieben Runden; (c) die Trennung der Menschenrassen (außer der rein anthropologischen Einteilung) in sieben verschiedene Wurzelrassen, von denen unsere gegenwärtige europäische Menschheit die fünfte ist; (d) das hohe Alter des Menschen in dieser (vierten) Runde, und schließlich (e) dass ebenso, wie sich diese Rassen von der Ätherhaftigkeit zur Materialität entwickeln und von der Letzteren wieder zurück in verhältnismäßig physische Feinheit der Struktur, sich jede lebende (sogenannte) organische Art von Lebewesen, einschließlich der Vegetation, mit jeder neuen Wurzelrasse verändert. Würde das eingeräumt, wenn auch nur [SD # 698] gleichzeitig mit anderen, und sicherlich, bei reiflicher Überlegung, nicht weniger absurden Annahmen, wenn die okkulten Theorien gegenwärtig als „absurd“ betrachtet werden müssen, wäre jede Schwierigkeit ausgeräumt. Sicherlich sollte die Wissenschaft versuchen, logischer zu sein als gegenwärtig, da sie schwerlich die Theorie von der Abstammung des Menschen von einem anthropoiden Ahnen aufrechterhalten und mit demselben Atem einem solchen Menschen jedes vernünftige hohe Alter absprechen kann! Wenn Huxley einmal über „den großen intellektuellen Abgrund zwischen Affe und Mensch“ spricht und von der „gegenwärtigen enormen Kluft zwischen den beiden“,51 und die Notwendigkeit zugesteht, die von der Wissenschaft für das Alter des Menschen auf der Erde angesetzte Angabe aufgrund dieser langsamen und fortschreitenden Entwicklung zu vergrößern, dann sollten wenigstens alle Wissenschaftler, die seine Denkweise teilen, zumindest einige Näherungszahlen festlegen und über die wahrscheinliche Dauer des Pliozäns, Miozäns und Eozäns übereinstimmen, von denen so viel gesprochen wird und über die doch nichts Bestimmtes bekannt ist – wenn sie ihr Glück schon nicht darüber hinaus zu versuchen wagen. Aber keine zwei Wissenschaftler scheinen übereinzustimmen. Jede Periode scheint ihrer Dauer nach ein Mysterium und den Geologen ein Dorn im Auge zu sein. Und wie soeben gezeigt wurde, sind sie nicht imstande, ihre Schlussfolgerungen auch nur mit Bezug auf die verhältnismäßig jungen geologischen Gestaltungen miteinander in Einklang zu bringen. So kann man auf ihre Zahlen, wenn sie überhaupt welche angeben, nicht vertrauen, denn für sie besteht alles entweder aus Jahrmillionen oder einfach aus Jahrtausenden!

Das Gesagte kann durch die von ihnen selbst gemachten Bekenntnisse und die Zusammenfassung in der „Encyclopaedia Britannica“, dem „Circle of Sciences“, bekräftigt werden, aus dem hervorgeht, welche Mittelwerte bei den geologischen und anthropologischen Rätseln akzeptiert wurden. In dem Werk wird die Sahne der autoritativsten Ansichten abgeschöpft und dargeboten. Nichtsdestoweniger erkennen wir darin eine Verweigerung, irgendein bestimmtes chronologisches Datum auch nur derartig jungen Epochen, verhältnismäßig gesprochen, wie der der neolithischen Ära zuzuschreiben, obwohl wunderlicherweise eine Zeit für die Anfänge gewisser geologischer Perioden angesetzt wird, zumindest für einige wenige, deren Dauer kaum irgendwie mehr abgekürzt werden könnte, ohne sofort mit den Tatsachen in Konflikt zu geraten.

So wird in der großen „Encyclopaedia“ (Bd. X, Art. „Geology“, S. 227) vermutet: „100 Millionen Jahre waren vergangen . . . . . seit der Verfestigung unserer Erde, als die ersten Lebensformen auf ihr erschienen.“52

Doch es erscheint ebenso hoffnungslos zu versuchen, die modernen Geologen und Ethnologen zu bekehren, wie es hoffnungslos ist, dass die darwinistischen Naturforscher ihre Irrtümer einsehen. Über die arische Wurzelrasse und ihre Ursprünge weiß die [SD # 699] Wissenschaft ebenso wenig wie über die Menschen anderer Planeten. Mit Ausnahme von Flammarion und ein paar Mystikern unter den Astronomen, streitet man zumeist selbst die Bewohnbarkeit anderen Planeten ab. Dagegen waren die Wissenschaftler der frühesten Rassen des arischen Stammes solch große Adept-Astronomen, dass sie weit mehr über die Rassen auf Mars und Venus gewusst zu haben scheinen als der moderne Anthropologe über die der frühen Stadien der Erde weiß.

Legen wir die moderne Wissenschaft für einen Augenblick beiseite und wenden uns der alten Erkenntnis zu. Da uns die archaischen Wissenschaftler versichern, dass alle derartigen geologischen Umwälzungen – von der Anhebung der Ozeane, den Sintfluten und der Verschiebung der Kontinente, bis herab zu den gegenwärtigen Zyklonen, Orkanen, Erdbeben, vulkanischen Ausbrüchen, Flutwellen und selbst dem außerordentlichen Wetter und der anscheinenden Verschiebung der Jahreszeiten, die alle europäischen und amerikanischen Meteorologen in Verlegenheit bringen – dem Mond und den Planeten zuzuschreiben sind und von ihnen abhängen. Ja, dass selbst untergeordnete und vernachlässigte Konstellationen den größten Einfluss auf die meteorologischen und kosmischen Veränderungen auf und innerhalb unserer Erde haben, wollen wir unseren siderischen Despoten, den Beherrschern unseres Globus und der Menschen, einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken. Die moderne Wissenschaft leugnet jeden derartigen Einfluss, die archaische Wissenschaft behauptet ihn. Wir werden sehen, was beide in Bezug auf diese Frage sagen.

 

B

Über Planetenketten und ihre Vielfältigkeit

Kannten die Alten andere Welten außer ihrer eigenen? Auf welche Daten gründen die Okkultisten ihre Behauptung, jeder Globus sei eine siebenfältige Weltenkette – wovon lediglich ein Glied sichtbar sei – und dass diese „von Menschen bewohnt“ sind, waren oder sein werden wie auch jeder andere sichtbare Stern oder Planet? Was verstehen sie unter einem „moralischen und physischen Einfluss“, der von den Sternenwelten auf unseren Globus ausgeübt wird?

Fragen solcher Art werden uns oft gestellt, und sie müssen von allen Seiten betrachtet werden. Auf die erste der beiden Fragen lautet die Antwort: Wir glauben daran, weil das erste Gesetz der Natur die Einheitlichkeit in der Vielfältigkeit ist, und das zweite – die Analogie. „Wie oben, so unten“. Die Zeit ist für immer vorbei, in der unsere frommen Vorfahren glaubten, dass sich unsere Erde im Mittelpunkt des Universums befindet, und die Kirche und ihre anmaßenden Diener darauf bestehen konnten, dass die Meinung, irgendein anderer Planet könnte bewohnt sein, als Gotteslästerung betrachtet werden sollte. Adam und Eva, die Schlange und die Erbsünde, gefolgt von der Versöhnung durch das Blut, sind allzu lange dem Fortschritt im Wege gestanden, und die universale Wahrheit wurde auf diese Weise dem wahnsinnigen Dünkel uns kleiner Menschen geopfert.

[SD # 700] Welche Beweise existieren dafür? Abgesehen von Schlussfolgerungen und logischen Überlegungen gibt es für den Profanen keine. Für die Okkultisten, die an die durch zahllose Generationen von Sehern und Initiierten erlangte Erkenntnis glauben, reichen die in den Geheimen Büchern angebotenen Angaben vollständig aus. Die allgemeine Öffentlichkeit braucht jedoch andere Beweise. Es gibt einige Kabbalisten und sogar einige östliche Okkultisten, die zögern, die Lehre zu akzeptieren, da sie in alten mystischen Werken der Nationen keinen übereinstimmenden Beweis für diesen Punkt finden können. Aber selbst ein solcher „übereinstimmender Beweis“ wird bald zum Vorschein kommen. Unterdessen können wir uns dem Gegenstand von seinem allgemeinen Aspekt aus nähern und sehen, ob der Glaube daran gar so unsinnig ist wie einige Wissenschaftler zusammen mit anderen Nikodemussen es gerne hätten. Wenn wir an eine Vielzahl von bewohnten Welten“ denken, stellen wir uns vielleicht unbewusst vor, dass sie dem Globus ähneln, den wir selbst bewohnen, und dass sie mit Wesen bevölkert sind, die mehr oder weniger uns selbst gleichen. Und wenn wir das tun, folgen wir nur einem natürlichen Instinkt. In der Tat können wir, solange sich die Untersuchung auf die Lebensgeschichte dieses Globus beschränkt, über die Frage mit einigem Nutzen spekulieren, und uns mit einiger Hoffnung, zumindest eine intelligente Frage zu stellen, überlegen, was die Welten“ sind, von denen in allen alten Schriften der Menschheit gesprochen wird. Aber wie wissen wir, (a) welche Art von Wesen die Globen im Allgemeinen bewohnen, und (b) ob diejenigen, die höhere Planeten als unseren eigenen regieren, nicht denselben Einfluss auf unsere Erde bewusst ausüben, den wir unbewusst, sagen wir auf lange Sicht, auf die kleinen Planeten (Planetoiden oder Asteroiden) ausüben mögen, indem wir die Erde in Stücke schneiden, Kanäle eröffnen und dadurch unser Klima vollständig verändern? Natürlich, genau wie Cäsars Frau können die Planetoiden nicht von unserem Verdacht getroffen werden. Sie sind zu weit entfernt etc. etc. Wenn wir jedoch an esoterische Astronomie glauben, sind wir dessen nicht so sicher.

Aber wenn wir unsere Spekulationen über unsere Planetenkette hinaus ausdehnen und die Grenzen des Sonnensystems zu überschreiten versuchen, handeln wir in der Tat wie anmaßende Narren. Denn – wenn wir auch das alte hermetische Axiom „wie oben so unten“ annehmen – ebenso wie wir glauben können, dass die Natur auf der Erde die sorgfältigste Sparsamkeit entwickelt, indem sie jedes geringe und überflüssige Ding bei ihren wunderbaren Umwandlungen benützt und sich dennoch niemals wiederholt – ebenso können wir mit Recht schlussfolgern, dass in allen ihren unendlichen Systemen kein weiterer Globus existiert, der dieser Erde so ähnlich wäre, dass ein mit gewöhnlichen Fähigkeiten ausgestatteter Mensch fähig wäre, sich ihren Anschein und Umgebungsraum vorzustellen und wiederzugeben.53

[SD # 701] Und in der Tat finden wir sowohl in den romantischen Erzählungen als auch in allen sogenannten wissenschaftlichen Fiktionen und spiritistischen Offenbarungen über Mond, Sterne und Planeten lediglich neue Verbindungen oder Varianten jener Menschen und Dinge, Leidenschaften und Lebensformen, mit denen wir vertraut sind, obwohl sich selbst auf den anderen Planeten unseres eigenen Systems die Natur und das Leben vollständig von dem unterscheidet, was auf unserem eigenen vorherrscht. Swedenborg war hervorragend im Einprägen solch eines irrtümlichen Glaubens.

Aber damit nicht genug. Der gewöhnliche Mensch hat keine Erfahrung in irgendeinem anderen Bewusstseinszustand als jenem, an den ihn die physischen Sinne binden. Die Menschen träumen, sie schlafen den Tiefschlaf, der zu tief ist, als dass seine Träume einen Eindruck auf das physische Gehirn machen könnte; und in diesen Zuständen muss es dennoch Bewusstsein geben. Wenn diese Mysterien unerforscht bleiben, wie können wir dann hoffen, daraus Nutzen zu ziehen, wenn wir über die Natur von Globen spekulieren, die in der Ökonomie der Natur notwendigerweise Bewusstseinszuständen angehören, die anders und ganz verschieden sind von allen, die der Mensch hier erlebt?

Und das ist buchstäblich wahr. Denn selbst große Adepten (natürlich die Initiierten), so geübte Seher sie auch sein mögen, können nur dann vollständige Vertrautheit mit der Natur und der Erscheinung von Planeten und deren Bewohnern behaupten, wenn sie unserem Sonnensystem angehören. Sie wissen, dass nahezu alle Planetenwelten bewohnt sind, aber sie können – selbst im Geist – nur zu denen unseres eigenen Systems Zutritt haben. Und sie wissen auch, wie schwierig es ist, selbst für sie, sich mit voller Kontrolle auch nur in die Bewusstseinsebenen innerhalb unseres Systems zu versetzen, da diese sich tatsächlich von den auf diesem Globus möglichen Bewusstseinszuständen unterscheiden, wie z. B. die auf den drei Ebenen jenseits der auf unserer Erde existierenden Sphärenketten. Eine solche Erkenntnis und ein solcher Verkehr sind für sie möglich, weil sie gelernt haben in Bewusstseinsebenen vorzudringen, die für die Wahrnehmungen gewöhnlicher Menschen verschlossen sind. Aber sollten sie ihre Erkenntnis mitteilen, würde das die Welt nicht weiser machen, weil den Menschen die Erfahrung anderer Wahrnehmungsformen mangelt, die allein sie befähigen könnte, das zu verstehen, was ihnen gesagt würde.

Doch bleibt die Tatsache bestehen, dass die meisten Planeten, ebenso wie die Sterne jenseits unseres Systems, bewohnt sind, eine Tatsache, die von den Wissenschaftlern selbst eingeräumt wurde. Laplace und Herschell glaubten daran, obwohl sie sich wohlweislich unkluger Spekulationen enthielten. Zur selben Schlussfolgerung gelangte der wohlbekannte französische Astronom C. Flammarion, unterstützt durch eine Reihe von ihm ausgearbeiteter wissenschaftlicher Erwägungen. Die von ihm vorgebrachten Argumente sind streng wissenschaftlich und solcherart, dass sie für ein materialistisches Denken geeignet sind, was von Gedanken des berühmten Physikers Sir David Brewster nicht gesagt werden könnte, der schreibt:

„Diese ‘unfruchtbaren Geister’ oder ‘einfachen Seelen’, wie der Dichter sie nennt, die sich veranlasst sahen zu glauben, die Erde sei der einzige bewohnte Körper im Universum, hätten kein Problem mit der Vorstellung, auch [SD # 702] die Erde sei nicht bevölkert gewesen. Und was noch schlimmer ist: Wären diese Denker mit den Schlussfolgerungen der Geologie vertraut, würden sie einräumen, dass sie Myriaden von Jahren unbewohnt war. Und hier kommen wir zu dem unmöglichen Schluss, dass sich in diesen Myriaden von Jahren nicht ein einziges intelligentes Geschöpf in den weiten Reichen des universellen Königs fand und dass von den protozoischen Formationen in der gesamten Unendlichkeit des Raumes weder Pflanze noch Tier existierte!“54

Flammarion zeigt außerdem, dass alle Lebensbedingungen – selbst die uns gegenwärtig bekannten – wenigstens auf einigen der Planeten vorhanden sind, und weist auf die Tatsache hin, dass diese Bedingungen dort viel günstiger sein müssen als hier auf unserer Erde.

Bei der Erklärung, dass Leben – intelligentes, bewusstes Leben – außerhalb der unseren auch auf anderen Welten existieren muss, stimmen auf diese Weise die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen und beobachteten Tatsachen mit den Behauptungen des Sehers und der angeborenen Stimme im eigenen Herzen des Menschen überein.

Doch das stellt die Grenze dar, über welche hinaus die gewöhnlichen Fähigkeiten des Menschen ihn nicht tragen können. Zahlreich sind die Romane und Geschichten, einige rein fantastisch, andere vor wissenschaftlicher Kenntnis strotzend, die versuchen, das Leben auf anderen Globen vorzustellen und zu beschreiben. Doch ausnahmslos alle erschaffen lediglich Zerrbilder von dem Lebensdrama um uns herum. Bei Voltaire sind es Menschen unserer eigenen Rasse unter einem Mikroskop, oder bei de Bergerac ein anmutiges Spiel der Fantasie und Satire. Aber immer finden wir, dass im Grunde genommen die neue Welt bloß die ist, auf der wir selbst leben. So stark ist diese Neigung, dass selbst große natürliche, aber nicht initiierte Seher ihr zum Opfer fallen, wenn sie nicht geübt sind. Ein Beispiel ist Swedenborg, der so weit geht, die Bewohner von Merkur, denen er in der Geisterwelt begegnet, in Gewänder zu kleiden, wie sie in Europa getragen werden.

Diese Neigung erläuternd, sagt Flammarion in seinem Werk „La Pluralité des Mondes Habités“: „Es hat den Anschein, als ob in den Augen der über dieses Thema schreibenden Autoren die Erde der Typus des Universums wäre, und der irdische Mensch der Typus der Himmelsbewohner. Da die Natur anderer Planeten sich jedoch deutlich unterscheidet und ihre Umgebungs- und Existenzbedingungen wesentlich von unseren abweichen, während die der Schöpfung dieser Wesen und Substanzen vorstehenden Kräfte, die in ihre gegenseitige Konstitution eintreten, im Wesentlichen anders sind, würde im Gegenteil sehr viel wahrscheinlicher daraus folgen, dass unsere eigene Art der Existenz auf keinerlei Weise als für andere Globen passend betrachtet werden dürfte. [SD # 703] Die über diesen Gegenstand geschrieben haben, haben sich von irdischen Ideen beherrschen lassen und sind daher dem Irrtum verfallen.“ (S. 439)

Flammarion verfällt jedoch selbst in denselben Irrtum, den er hier verdammt, denn stillschweigend nimmt er die Lebensbedingungen auf der Erde als Standard, womit der Grad bestimmt wird, inwieweit andere Planeten für „andere Menschheiten“ als Wohnort geeignet sind.

Lassen wir jedoch diese nutzlosen und leeren Spekulationen. Obwohl sie unsere Herzen mit einer Glut der Begeisterung zu erfüllen und unser mentales und geistiges Fassungsvermögen zu erweitern scheinen, verursachen sie in Wirklichkeit nur eine künstliche Erregung und lassen uns durch unsere Unwissenheit nicht nur in Bezug auf die Welt, die wir bewohnen, sondern auch in Bezug auf die Unendlichkeit, die in uns selbst enthalten ist, immer weiter erblinden.

Wenn wir daher sehen, dass in den Bibeln der Menschheit von „anderen Welten“ gesprochen wird, können wir mit Sicherheit schließen, dass sich das nicht nur auf andere Zustände unserer Planetenkette und Erde bezieht, sondern auch auf andere bewohnte Welten – Sterne und Planeten; wobei über Letztere übrigens niemals spekuliert wird. Das gesamte Altertum glaubte an die Universalität des Lebens. Aber kein wirklich initiierter Seher irgendeiner zivilisierten Nation lehrte jemals, dass das Leben auf anderen Sternen nach den Standards irdischen Lebens beurteilt werden kann. Was gewöhnlich unter „Erden“ und Welten verstanden wird, bezieht sich (a) auf die „Wiedergeburten“ unseres Globus nach jedem Manvantara und einer langen Periode der „Verdunklung“, und (b) auf die periodischen und durchgreifenden Veränderungen der Erdoberfläche, wenn Kontinente verschwinden, um Ozeanen Raum zu machen, und Ozeane und Meere gewaltsam versetzt und gegen die Pole gedrängt werden, um ihren Platz für neue Kontinente zu räumen.

Wir können mit der Bibel – der jüngsten der Weltschriften – beginnen. In Prediger, Kap. 1, lesen wir die folgenden Worte des königlichen Initiierten: „Ein Geschlecht geht, und ein Geschlecht kommt; aber die Erde besteht ewiglich.“ Und weiter: „Das, was gewesen, ist das, was sein wird; und das, was geschehen, ist das, was geschehen wird. Und es ist gar nichts Neues unter der Sonne.“ Es ist nicht leicht, in diesen Worten die Bezugnahme auf die aufeinanderfolgenden Umwälzungen zu erkennen, welche die Rassen der Menschheit hinwegschwemmen, oder, noch weiter zurückgehend, auf die verschiedenen Übergänge des Globus während seines Entstehungsprozesses. Aber wenn uns gesagt wird, dass sich das lediglich auf unsere Welt bezieht, so wie wir sie jetzt kennen – verweisen wir den Leser auf das Neue Testament, wo der Apostel Paulus (in Hebräer 1) vom Sohn (der manifestierten Macht) spricht, den (Gott) eingesetzt hat als Erbe aller Dinge und durch den er auch die Welten (Plural) gemacht hat.55 [SD # 704] Diese „Macht“ ist Hokhmah oder (Chochmah), die Weisheit und das Wort. Es wird uns wahrscheinlich gesagt werden, dass mit dem Ausdruck „Welten“ die Sterne, Himmelskörper etc, gemeint waren. Aber abgesehen von der Tatsache, dass die „Sterne“ den unwissenden Verfassern der Episteln nicht als „Welten“ bekannt waren, auch wenn sie Paulus als solche bekannt gewesen sein müssen, der ein Initiierter (ein „Baumeister“) war, können wir an diesem Punkt einen hervorragenden Theologen zitieren, Kardinal Wiseman. In Bd. I, S. 192 seines Werkes, das von der unbestimmten Periode der sechs Tage – oder sollten wir sagen: von der „allzu bestimmten“ Periode der sechs Tage? – der Schöpfung und von den 6.000 Jahren handelt, räumt er ein, dass wir uns in vollständiger Dunkelheit über die Bedeutung dieses Satzes des Hl. Paulus befinden, wenn es uns nicht erlaubt ist zu vermuten, dass dies eine Anspielung auf den zwischen dem ersten und dem zweiten Vers des 1. Kapitels der Genesis verstrichenen Zeitraum darstellt und damit auf die ursprünglichen Umwälzungen, d. h. die Zerstörungen und die Wiederherstellungen (der Welt), die im Buch Kohelet, Kap. I angedeutet sind; oder, mit so vielen anderen, diese Stelle (Hebr 1,1) anzuerkennen, und zwar in ihrem buchstäblichen Sinn, die von der Schöpfung der Welten spricht – im Plural. . . . Es ist sehr seltsam, fügt er hinzu, dass alle Kosmogonien darin übereinstimmen sollen, dieselbe Idee anzudeuten, und die Überlieferung einer ersten Reihe von Umwälzungen zu bewahren, infolge derer die Welt zerstört und wieder erneuert wurde.

Hätte der Kardinal den Zohar studiert, wären seine Zweifel in Gewissheit verwandelt worden. So sagt Idra Suta (in „Zohar“, III, 292b): „Es gab alte Welten, die ebenso bald zugrunde gingen als sie ins Dasein traten; Welten mit und ohne Form, die Scintillae genannt wurden – denn sie waren wie die unter dem Hammer des Schmieds in alle Richtungen sprühenden Funken. Einige waren die ursprünglichen Welten, die nicht lange andauern konnten, weil der ‘Alte’ – geheiligt sei sein Name – seine Form noch nicht angenommen hatte,56 der Arbeiter noch nicht der ‘Himmlische Mensch’ war.“57 Im „Midrasch“, der lange vor der Kabbala Schimon ben Jochais geschrieben wurde, erklärt Rabbi Abahu: „Der Heilige, gepriesen sei sein Name, hat vor dieser eine Reihe verschiedener Welten erschaffen und zerstört.58 . . . Nun bezieht sich das sowohl auf die ersten Rassen (die „Könige von Edom“) als auch auf die zerstörten Welten.“59 „Zerstört“ bedeutet hier das, was wir [SD # 705] Verdunklungen“ nennen. Das wird einleuchtend, wenn wir die gegebene Erklärung weiter lesen: „Wenn gesagt wird, dass sie (die Welten) untergingen, dann ist damit jedoch lediglich gemeint, dass sie (ihre Menschheiten) der wahren Form entbehrten, bis die menschliche (unsere) Form ins Dasein trat, in der alle Dinge enthalten sind und die alle Formen enthält. . . .60 – das bedeutet nicht den Tod, sondern es zeigt lediglich ein Herabsinken aus ihrem Status an . . .“ (aus dem Status von aktiven Welten).61

Wenn wir also von der Zerstörung der Welten lesen, so hat dieses Wort vielerlei Bedeutungen, die in einigen der Kommentare zum Zohar und in kabbalistischen Abhandlungen sehr klar sind. Wie anderwärts gesagt, bedeutet es nicht nur die Zerstörung vieler Welten, die ihren Lebenslauf beendet haben, sondern auch die Zerstörung verschiedener Kontinente, die verschwunden sind, sowie auch ihren Untergang oder ihre geografische Ortsveränderung.

Die mysteriösen „Könige von Edom“ werden manchmal als die „Welten“ bezeichnet, die zerstört wurden; das ist jedoch ein „Tarnmantel“. Die Könige, die in Edom regierten, bevor in Israel ein König herrschte, oder die „edomitischen Könige“, konnten niemals die „früheren Welten“ symbolisieren, sondern nur die „Versuche zur Erschaffung des Menschen“ auf diesem Globus: die „voradamischen Rassen“, von denen der Zohar spricht, die wir als die erste Wurzelrasse bezeichnen. Denn wenn von den sechs Erden (die sechs „Glieder“ des Mikroprosopus) gesprochen wird, heißt es, dass die siebte (unsere Erde) bei der Erschaffung der sechs nicht mitgezählt wurde (der sechs über unserem Globus stehenden Sphären der Erdkette), dann wurden die ersten sieben Könige von Edom in der Genesis nicht mitgezählt. Dem Gesetz der Analogie und Permutation zufolge bedeuten im „Chaldäischen Buch der Zahlen“ sowie auch im „Buch der Erkenntnis“ und der „Weisheit“ die „sieben ursprünglichen Welten“ auch die „sieben ursprünglichen“ Rassen (Unterrassen der ersten Wurzelrasse der Schatten); und, noch einmal, die Könige von Edom sind die Söhne „Esaus, des Vaters der Edomiter“ (Gen. 36,9), d. h. Esau repräsentiert in der Bibel jene Rasse, die zwischen der vierten und der fünften steht, der atlantischen und der arischen. „Zwei Völker sind in deinem Leib“, sprach der Herr zu Rebekka; und Esau war rot und haarig. Die Verse 21 bis 34 des Kapitels 25 der Genesis enthalten die allegorische Geschichte der Entstehung der fünften Rasse.

Die Siphrah Dzeniouta“ (3) sagt: „Und die Könige der alten Zeit starben und ihre Führer (Kronen) wurden nicht mehr gefunden.“ . . . Und der „Zohar“ (III) erklärt: „Das Haupt einer Nation, das nicht am Anbeginn nach dem Ebenbild des Weißen Hauptes geformt wurde: Sein Volk wird nicht von dieser Form sein. . . . Bevor es (das [SD # 706] Weiße Haupt, die fünfte Rasse oder der Alte der Alten) sich selbst in seiner (eigenen oder gegenwärtigen) Form einrichtete . . . wurden alle Welten zerstört. Darum steht geschrieben: Bela, der Sohn Beors, regierte in Edom (Gen. 36). Hier stehen die „Welten“ für Rassen. „Und er (dieser oder ein anderer König von Edom) starb, und ein anderer regierte an seiner Stelle.“ (Ibid., 31 et seq.)

Kein Kabbalist, der bisher die unter diesen „Königen von Edom“ verborgene Symbolik und Allegorie behandelt hat, scheint mehr als einen Aspekt von ihr erfasst zu haben. Sie sind weder die „Welten, die zerstört wurden“ noch die „Könige, die starben“ allein; sondern beides und noch viel mehr, wovon zu berichten gegenwärtig kein Raum vorhanden ist. Daher wollen wir die mystischen Parabeln des Zohars verlassen und zu den harten Fakten der materialistischen Wissenschaft zurückkehren; wir wollen zuerst jedoch aus der langen Liste der großen Denker einige anführen, die an die Vielzahl bewohnter Welten im Allgemeinen und an unserer Welt vorangegangene glaubten. Das sind die großen Mathematiker Leibniz und Bernoulli, Isaac Newton selbst, wie in seiner „Optik“ zu lesen ist; der Naturforscher Buffon, der Skeptiker Condillac, Bailly, Lavater, Bernadin de Saint-Pierre und, als Gegensatz zu den beiden Letztgenannten – am wenigsten im Verdacht des Mystizismus stehend – Diderot und die meisten Schriftsteller der „Encyclopaedia“. Auf sie folgt Kant, der Begründer der modernen Philosophie, die Dichterphilosophen Goethe, Krause, Schelling; und viele Astronomen, von Bode, Fergusson und Herschell bis Lalande und Laplace, mit ihren zahlreichen Schülern in heutiger Zeit.

Eine großartige Liste angesehener Namen, in der Tat. Aber die Tatsachen der physikalischen Astronomie sprechen noch eindringlicher zugunsten der Existenz von Leben und selbst von organisiertem Leben auf anderen Planeten. So wurde in vier Meteoriten, die in Alais in Frankreich, am Kap der guten Hoffnung, in Ungarn und nochmals in Frankreich niedergingen, bei der Analyse Graphit gefunden, eine Form des Kohlenstoffs, von der man weiß, dass sie auf unserer Erde unwandelbar mit organischem Leben verbunden ist. Und dass die Anwesenheit dieses Kohlenstoffes nicht irgendwelcher Einwirkungen innerhalb unserer Atmosphäre zuzuschreiben ist, zeigt die Tatsache, dass Kohlenstoff gerade im Kern eines Meteoriten gefunden wurde; in einem in Argueil in Südfrankreich im Jahr 1857 heruntergekommenen Meteoriten wurden Wasser und Torf gefunden, welcher Letztere immer aus der Zersetzung pflanzlicher Substanzen entsteht.

Wenn weiter die astronomischen Bedingungen anderer Planeten untersucht werden, ist es leicht zu zeigen, dass einige von ihnen viel besser für die Entwicklung von Leben und Intelligenz eingerichtet sind als unsere Erde – selbst unter für den Menschen vertrauten Bedingungen. Zum Beispiel schwanken auf dem Planeten Jupiter die Jahreszeiten nicht zwischen weiten Grenzen wie bei uns, sondern ändern sich in fast unmerklichen Abstufungen, und sie dauern zwölf mal [SD # 707] so lang wie unsere. Infolge seiner Achsenneigung sind die Jahreszeiten auf dem Jupiter fast ausschließlich eine Folge der Exzentrizität seiner Bahn und ändern sich daher langsam und regelmäßig. Man wird uns sagen, dass kein Leben auf dem Jupiter möglich ist, da er sich in einem glühenden Zustand befindet. Aber nicht alle Astronomen stimmen damit überein. Zum Beispiel wird das, was wir sagen, von Flammarion behauptet, und er sollte es wissen.

Andererseits wäre Venus für das menschliche Leben, so wie es auf der Erde existiert, weniger geeignet, da ihre Jahreszeiten extremer und ihre Temperaturschwankungen plötzlicher eintreten; wobei es sonderbar ist, dass die Dauer eines Tages auf den vier inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars nahezu übereinstimmt.

Auf dem Merkur sind die Hitze und das Licht der Sonne siebenmal so stark wie auf der Erde, und die Astronomie zeigt, dass er von einer sehr dichten Atmosphäre umhüllt ist. Und da wir sehen, dass das Leben auf der Erde im Verhältnis zum Licht und der Wärme der Sonne aktiver zu werden scheint, erscheint es mehr als wahrscheinlich, dass seine Intensität auf dem Merkur weitaus größer ist als hier.

Venus hat, wie Merkur, eine sehr dichte Atmosphäre, wie auch der Mars, und die Schneemassen, die ihre Pole bedecken, die Wolken, die ihre Oberfläche verbergen, die geografische Konfiguration ihrer Meere und des Festlandes, der Wechsel der Jahreszeiten und des Klimas, sind alle sehr ähnlich – zumindest in den Augen des materialistischen Astronomen. Aber solche Tatsachen und die Überlegungen, die sie verursachen, haben nur Bezug auf die Möglichkeit, dass auf diesen Planeten menschliches Leben existiert, wie es auf der Erde bekannt ist. Dass einige von den Lebensformen, wie wir sie kennen, auf diesen Planeten möglich sind, ist seit langer Zeit vollständig bewiesen, und es scheint durchaus nutzlos, auf Einzelfragen über die Physiologie etc. etc. dieser hypothetischen Bewohner einzugehen, da der Leser am Ende doch nur zu einer imaginären Erweiterung der ihm vertrauten Umgebung gelangen kann. Es ist besser, sich mit den drei Schlussfolgerungen zu begnügen, die der von uns so ausführlich zitierte N. C. Flammarion als strenge und exakte Ableitungen von bekannten Tatsachen und Gesetzen der Wissenschaft aufstellt.

I. Die unterschiedlichen, beim Beginn der Evolution aktiven Kräfte ließen auf den verschiedenen Welten eine große Vielfalt von Wesen entstehen, sowohl in den organischen als auch in den anorganischen Reichen.

II. Die belebten Wesen wurden von Anfang an mit Rücksicht auf Formen und Organisationen in Wechselbeziehung mit dem physiologischen Zustand eines jeden bewohnten Globus gebildet.

III. Die Menschheiten der anderen Welten unterscheiden sich von uns ebenso sehr in ihrer inneren Organisation als nach ihrem äußeren physischen Typus.

Endlich kann der Leser, der die Stichhaltigkeit dieser Schlussfolgerungen in Frage stellen möchte, da sie der Bibel entgegengesetzt sind, auf einen Anhang in Flammarions Werk verwiesen werden, der diese Frage in den Einzelheiten behandelt, da es unnötig erscheint, in einem Werk wie dem vorliegenden die [SD # 708] Absurdität der Logik jener Kirchenführer aufzuzeigen, welche aus solchen Gründen ablehnen, dass eine Vielzahl von Welten existiert.

In diesem Zusammenhang können wir uns wohl an jene Tage erinnern, in denen die ursprüngliche Kirche der Lehre von der Kugelgestalt der Erde mit flammendem Eifer entgegentrat, und zwar mit der Begründung, dass die Völker der Antipoden dann außerhalb des Gebietes der Erlösung stehen würden; und auch daran, wie lange die entstehende Wissenschaft brauchte, um die Vorstellung eines festen Firmaments zu durchbrechen, in dessen Fugen sich die Sterne zur besonderen Erleuchtung der irdischen Menschheit bewegten.

Die Theorie der Erdrotation stieß auf einen ähnlichen Widerstand – selbst bis zum Martyrium ihrer Entdecker – weil die Theorie unser Gestirn nicht nur seiner erhabenen Zentralstellung im Raum beraubte, sondern die Ideen in Bezug auf die Himmelfahrt entschieden verwirrte – indem sie die Begriffe „aufwärts“ und „abwärts“ als lediglich relativ nachwies, was wiederum die Frage nach der Örtlichkeit des Himmels nicht wenig verkomplizierte.62

Nach den besten modernen Berechnungen befinden sich nicht weniger als 500.000.000 Sterne verschiedener Größen innerhalb des Sichtbereichs der stärksten Fernrohre. Was die Abstände zwischen ihnen betrifft, so sind sie unberechenbar. Ist also unsere mikroskopisch kleine Erde – ein „Sandkorn an einem unendlichen Meeresufer“ – das einzige Zentrum intelligenten Lebens? Unsere eigene Sonne, selbst 1.300 mal größer als unser Planet, versinkt neben der Riesensonne – Sirius – in der Bedeutungslosigkeit, und Letzterer wird seinerseits von anderen Gestirnen im unendlichen Raum übertroffen. Die selbstzentrierte Vorstellung von Jehovah als dem besonderen Beschützer eines kleinen und unbedeutenden halbnomadischen Stammes ist erträglich im Vergleich zu der Idee, empfindungsfähige Existenz auf unseren mikroskopischen Globus zu beschränken. Die ursprünglichen Gründe dafür waren zweifellos: (1) die astronomische Unkenntnis auf Seiten der ersten Christen verbunden mir einer übertriebenen Wertschätzung der eigenen Wichtigkeit des Menschen – eine rohe Form der Selbstsucht; und (2) die Furcht, dass der Anerkennung der Hypothese von Millionen weiterer bewohnter Welten die niederschmetternde Erwiderung folgen würde: „Gab es dann für jede einzelne Welt eine Offenbarung?“ Das impliziert die Idee, dass der Sohn Gottes gewissermaßen ewig „die Runde machte“. Glücklicherweise ist es jetzt unnötig, Zeit und Energie mit dem Beweis der Möglichkeit der Existenz solcher Welten zu verschwenden. Alle intelligenten Menschen räumen sie ein. Was jetzt noch zu beweisen übrig bleibt, ist Folgendes: Wenn einmal bewiesen ist, dass es außer der unseren weitere bewohnte Welten gibt, mit Menschheiten, die sich ebenso vollständig voneinander unterscheiden wie von uns – wie in den okkulten [SD # 709] Wissenschaften behauptet wird – dann ist damit auch die Evolution der vorangegangenen Rassen zur Hälfte bewiesen. Denn welcher Physiker oder Geologe möchte behaupten, die Erde habe sich innerhalb den im Verlauf ihrer Existenz verflossenen Millionen von Jahren nicht häufig verändert; und dass die Erde beim Wechseln ihrer „Haut“, wie es im Okkultismus genannt wird, nicht jedes Mal ihre besonderen, den atmosphärischen und klimatischen Bedingungen angepassten Menschheiten gehabt hätte, die ein solcher Wechsel mit sich brachte? Und wenn dem so ist, warum sollten dann nicht unsere vier vorangegangenen und vollständig andersartigen Menschheiten vor unserer adamischen (fünften Wurzel-) Rasse existiert haben und gediehen sein?

Bevor wir jedoch unsere Erörterung schließen, müssen wir die sogenannte organische Evolution näher untersuchen. Wir wollen genau forschen und sehen, ob es ganz unmöglich ist, unsere okkulten Angaben und Zeitbestimmungen bis zu einem gewissen Punkt mit denen der Wissenschaft in Übereinstimmung zu bringen.

 

C

Ergänzende Anmerkungen
zur esoterischen geologischen Chronologie

Es erscheint jedoch möglich, die annähernde Dauer der geologischen Perioden aus den uns jetzt vorliegenden kombinierten Daten der Wissenschaft und des Okkultismus zu berechnen. Die Geologie ist natürlich imstande, eine Sache mit nahezu vollständiger Sicherheit zu bestimmen – und zwar die Mächtigkeit der verschiedenen Ablagerungen. Nur ist es auch einleuchtend, dass die zur Ablagerung irgendeiner Schicht am Meeresgrund erforderliche Zeit in einem genauen Verhältnis zu der Mächtigkeit der auf diese Weise gebildeten Masse stehen muss. Zweifellos hat die Erosionsrate des Landes und der Ausscheidung des Materials auf dem Meeresgrund sich von Zeitalter zu Zeitalter geändert. Und kataklysmische Übergänge verschiedener Art haben die „Gleichförmigkeit“ der gewöhnlichen geologischen Vorgänge unterbrochen. Vorausgesetzt jedoch, wir haben eine beliebige eindeutige, numerische Grundlage, auf der wir arbeiten können, ist unsere Aufgabe weniger problematisch als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Mit einem entsprechenden Spielraum für Veränderungen der Ablagerungsgeschwindigkeit gibt uns Professor Lefèvre die relativen Zahlen, welche die geologische Zeit ausmachen. Er versucht nicht, den Verlauf der Jahre zu berechnen, seit die erste Schicht der laurentinischen Felsen abgelagert wurde, sondern indem er jene Zeit = X setzt, zeigt er die relativen Proportionen auf, in welchen die verschiedenen Perioden zu ihr stehen. Schicken wir unserer Schätzung die Angabe voraus, dass, grob gesprochen, die Mächtigkeit der primordialen Felsen 70.000 Fuß beträgt, der primären 42.000 Fuß, der sekundären 15.000 Fuß, der tertiären 5.000 Fuß und der quartären etwa 500 Fuß:

„Teilen wir die Zeit, wie groß ihre Dauer tatsächlich auch immer gewesen sein mag, die seit dem Aufdämmern des Lebens auf dieser Erde (den unteren laurentinischen Schichten) vergangen ist, in hundert Teile, so führt uns das dahin, der Primordialzeit mehr als die Hälfte der gesamten Dauer zuzuschreiben, nämlich 53,5 %; der primären 32,2 %; [SD # 710] der sekundären 11,5 %; der tertiären 2,3 %; der quartären 0,5 % oder ein halbes Prozent.“ („Philosophy, S. 481)

Da es nun nach okkulten Angaben sicher ist, dass die seit den ersten sedimentären Ablagerungen vergangene Zeit 320.000.000 Jahre beträgt, sind wir imstande, die folgende Tabelle zu erstellen:

Derartige Schätzungen harmonieren mit den Behauptungen der esoteri­schen Ethnologie in nahezu allen Einzelheiten. Der tertiäre atlantische Teilzyklus, vom „Gipfel der Glorie“ dieser Rasse im frühen Eozän bis zur großen Umwälzung im mittleren Miozän, hätte anscheinend etwa 3,5 bis 4 Millionen Jahre gedauert. Wenn die Dauer des Quartärs nicht eher überschätzt ist (was wahrscheinlich zutrifft), wäre der Untergang Rutas und Daityas posttertiär. Es ist wahrscheinlich, dass die hier angegebenen Ergebnisse sowohl dem Tertiär als auch dem Quartär etwas zu große Zeiträume einräumen, da die dritte Rasse sehr weit in die Sekundärzeit zurückreicht. Nichtsdestoweniger sind die Zahlen höchst bedeutsam.

Aber da das geologische Beweismaterial lediglich für 100.000.000 Jahre spricht, wollen wir unsere Behauptungen und Lehren mit denen der exakten Wissenschaft vergleichen.

Edward Clodd63 bemerkt in Bezug auf G. de Mortillets Werk „Matériaux pour l’Histoire de l’Homme“, das den Menschen in das mittlere Miozän versetzt:64 „Es würde gegen alles verstoßen, was die [SD # 711] Evolutionslehre lehrt, und außerdem von jenen nicht unterstützt, die an eine besondere Schöpfung und die Unveränderlichkeit der Arten glauben, würde man in einem frühen Stadium der Lebensgeschichte des Globus nach einem so hochspezialisierten Säugetier wie dem Menschen suchen.“ Hierauf könnte man antworten: (a) Die Lehre von der Evolution, wie sie von Darwin ins Leben gerufen und von späteren Evolutionisten entwickelt wurde, ist nicht nur das Gegenteil von unfehlbar, sondern sie wird auch von verschiedenen großen Wissenschaftlern zurückgewiesen, z. B. von de Quatrefages in Frankreich, von Dr. Weismann, einem früheren Evolutionisten aus Deutschland, und von vielen anderen, und die Reihen der Antidarwinisten wachsen mit jedem Jahr ständig weiter;65 und (b) Wahrheit, die dieses Namens würdig ist und Wahrheit und Tatsache bleiben soll, braucht kaum irgendeine Klasse oder Sekte um Unterstützung zu bitten. Und sollte sie unterstützt werden von jenen, die an eine besondere Schöpfung glauben, könnte sie niemals die Gunst der Evolutionisten gewinnen – und umgekehrt. Die Wahrheit muss auf ihren eigenen Grundfesten der Tatsachen beruhen und es auf Anerkennung ankommen lassen, wenn jegliches Vorurteil aus dem Weg geräumt ist. Obwohl der Hauptaspekt der Frage bereits vollständig erörtert ist, scheint es nichtsdestoweniger ratsam, jeder sogenannten „wissenschaftlichen“ Einwendung in unserem weiteren Fortschreiten zu begegnen, wenn wir Behauptungen aufstellen, die als ketzerisch und „wissenschaftsfeindlich“ betrachtet werden.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Abweichungen zwischen der orthodoxen und der esoterischen Wissenschaft in Bezug auf die Frage nach dem Alter des Globus und des Menschen. Mit den beiden entsprechend synchronisierten Spalten vor sich wird der Leser imstande sein, die Wirklichkeit dieser Abweichungen mit einem Blick zu erfassen und gleichzeitig wahrzunehmen, dass es nicht unmöglich ist – ja, sogar höchst wahrscheinlich –, dass weitere Entdeckungen in der Geologie und Funde fossiler Überreste des Menschen die Wissenschaft zwingen werden einzugestehen, dass nach alledem die Esoterische Philosophie im Recht ist oder zumindest näher an der Wahrheit.

 

[SD # 712] [SD # 713]

PARALLELItät des Lebens

 

Wissenschaftliche Hypothese Esoterische Theorie
Die Wissenschaft teilt nach Haeckel die Perioden der Geschichte des Globus seit dem Beginn des Lebens auf der Erde (oder dem azoischen Zeitalter) in fünf Hauptteile oder Perioden.66 Die Esoterische Philosophie überlässt die Klassifikation der geologischen Perioden der westlichen Wissenschaft, und teilt auf dem Globus lediglich die Lebensperioden ein. Im gegenwärtigen Manvantara wird die tatsächliche Periode in sieben Kalpas und sieben große Menschenrassen zerlegt. Ihr erstes, der „primordialen Epoche” entsprechende Kalpa ist das Zeitalter der –
PRIMOR-
DIALE
Epoche
Laurentinisches System
Kambrisches System
Silurisches System
  Devas oder Göttliche Menschen, die „Schöpfer” und Vorfahren68
„URWELT” 67
 
Die primordiale Epoche war, wie die Wissenschaft sagt, durchaus nicht ohne jedes pflanzliche und tierische Leben. In den laurentinischen Ablagerungen finden sich Exemplare von Eozoon canadense – einer in Kammern geteilten Schale. Im Silur entdeckt man Seegras (Algen), Mullusken, Crustacea und niedrigere Meeresorganismen sowie die erste Spur der Fische. Die primordiale Epoche zeigt Algen, Mollusken, Crustacea, Polypen und Meeresorganismen etc. etc. Die Wissenschaft lehrt daher, dass das Meeresleben vom ersten Anbeginn der Zeit vorhanden war, überlässt es uns jedoch selbst darüber zu spekulieren, wie das Leben auf der Erde erschien. Wenn sie die biblische „Schöpfung“ ablehnt (was wir genauso tun), warum gibt sie uns dann nicht eine alternative, annähernd plausible Hypothese? Die Esoterische Philosophie stimmt mit den Behauptungen der Wissenschaft überein (siehe linke Spalte), erhebt jedoch in einem Punkt Einspruch. Den „Göttlichen Menschen“ oder Vorfahren gingen 3.000.000.000 Jahre pflanzlichen Lebens (siehe „Brahmanische Chrono­logie“) voran. Auch bestreitet keine Lehre, dass es in der primordialen Epoche in der Erde Spuren von Leben gab, abgesehen von der Eozoon canadense. Nur sind, während die besagte Vegetation dieser Runde angehörte, die jetzt im laurentinischen, kambrischen und silurischen System gefundenen zoologischen Überreste Relikte der dritten Runde. Anfangs waren sie astral, wie das Übrige, dann verfestigten und materialisierten sie sich pari passu mit der neuen Vegetation.
PRIMÄRZEIT Devon69
Karbon
Perm
„PRIMÄR-
ZEIT“
Göttliche Vorfahren, zweite Gruppen und die 2½ Rassen. „Farnwälder, Sigillarie, Koniferen, Fische, erste Spuren von Reptilien.“ Das sagt die moderne Wissenschaft; die esoterische Lehre stimmt dem oben Gesagten zu. All das sind Überreste aus der voran­gegan­genen Runde.70 Sobald jedoch die Prototypen aus der astralen Hülle der Erde projiziert sind, beginnt eine unendliche Menge von Modifikationen.
Sekundär-
zeit
Trias
Jura
Kreide oder Cretaceum
„Sekundär-
zeit“
Allen Berech­nungen zufolge war die dritte Rasse bereits erschienen, als im Trias schon einige wenige Säugetiere vorhanden waren, und sie musste sich trennen.
 
 
Das Zeitalter der Reptilien, der riesigen Megalosaurier, Ichthyosaurier, Plesiosaurier etc. Die Wissenschaft verneint die Anwesenheit des Menschen in dieser Periode. Aber sie muss noch erklären, wie die Menschen dazu kamen, noch vor dem Zeitalter Cuviers von diesen Monstern zu wissen und sie zu beschreiben. Die alten Annalen Chinas, Indiens, Ägyptens und selbst Judäas sind voll von ihnen, wie an anderer Stelle gezeigt wurde. In dieser Periode erscheinen auch die ersten (Beutel-) Säugetiere71, insekten-, fleisch- und pflanzenfressende; und ein kräuterfressendes Huf­säugetier (wie Prof. Owen glaubt). Die Wissenschaft räumt das Erscheinen des Menschen nicht vor dem Ende des [SD # 714] Tertiärs ein.72 Warum? Weil der Mensch jünger dargestellt werden muss als die höheren Säugetiere. Aber die Esoterische Philosophie lehrt uns das Gegenteil. Und da die Wissenschaft ganz unfähig ist, zu irgendetwas Derartigem wie einer annähernden Übereinkunft über das Alter des Menschen oder auch nur über die geologischen Perioden zu kommen, ist die okkulte Lehre eben deshalb logischer und vernünftiger, auch wenn sie lediglich als Hypothese akzeptiert wird. Das ist also das Zeitalter der dritten Rasse, in welchem eventuell auch die Ursprünge der frühen vierten zu entdecken sein könnten. Wir sind hier jedoch vollständig auf Mutmaßungen angewiesen, da bislang von den Initiierten noch keine bestimmten Daten veröffentlicht wurden. Die Analogie ist eher schwach aus­geprägt, dennoch kann man argu­men­tieren, dass die frühen Säugetiere und Vorsäugetiere in ihrer Entwicklung von einer Art in eine höhere übergehen, anatomisch, so verhält es sich auch mit den menschlichen Rassen in ihren Fortpflanzungsprozessen. Eine Parallele könnte sicher zwischen den Monotremata, den Didelphinae (oder Marsupialien) und den Säugetieren mit Plazenta gefunden werden, die ihrerseits in drei Ordnungen eingeteilt werden,73 sowie die erste, zweite und dritte Wurzelrasse des Menschen.74 Aber das würde mehr Raum erfordern, als dem Gegenstand hier zugeteilt werden kann.
Bis heute wurde noch nicht eingeräumt, dass der Mensch in dieser Periode gelebt haben könnte:
Tertiär75 Eozän
Miozän
Pliozän


E. Clodd sagt in „Knowledge“:
„Obwohl die Plazentatiere und die Ordnung der Primaten im Tertiär auftreten, denen der Mensch artverwandt ist, und das Klima seine Anwesenheit vor dem Ende des Tertiärs begünstigte – tropisch im Eozän, warm im Miozän, gemäßigt im Pliozän – werden die Beweise seiner Existenz in Europa . . . . hier nicht allgemein akzeptiert.“
Tertiär Die dritte Rasse ist jetzt nahezu vollständig verschwunden, von den schrecklichen geologischen Umwäl­zungen der Sekundärzeit hinweggefegt, die lediglich ein paar Mischrassen zurück­ließ.

(siehe „Esoteric Buddhism“, S. 53-55, 4. Aufl.) Um wie viel älter sie seit ihrem Anbeginn sein mag – wer weiß das? Da die „historische“ Periode mit den indischen Ariern begann, mit ihren Veden für ihre Massen,78 und in den esoterischen Berichten noch viel früher, ist es nutzlos, hier irgendwelche Parallelen aufzustellen.

[SD # 715]
Die Geologie hat die Perioden jetzt eingeteilt und den Menschen eingeordnet in das:

Quartär Paläolithischer Mensch
Neolithischer Mensch
und historische Periode
Nur wenn dem Quartär 1.500.000 Jahre
zugestanden werden, gehört unsere
fünfte Rasse dazu.

Während der nicht kannibalische paläolithische Mensch, der dem kannibalischen neolithischen Menschen sicherlich um Hundertausende von Jahren vorangegangen ist,79 als bemerkenswerter Künstler dargestellt wird, wird der neolithische [SD # 716] Mensch fast als erbärmlicher Wilder aufgefasst, ungeachtet seiner Pfahlbauten – ist es nicht verwunderlich, das zu sagen?80 Man staune, was ein gelehrter Geologe, Charles Gould, dem Leser in seinem „Mythical Monsters“ mitteilt: „Diesen paläolithischen Menschen waren die Töpferei und die Kunst des Webens unbekannt, und sie hatten anscheinend keine Haustiere und kein Agrarsystem; die neolithischen Seebewohner der Schweiz hatten hingegen Webstühle, Töpferwaren, Getreide, Schafe, Pferde“ etc. etc.

Doch obwohl Geräte aus Horn, Knochen und Holz bei beiden Rassen allgemein im Gebrauch waren . . . unterscheiden sich die der älteren häufig dadurch, dass sie mit großer Geschicklichkeit geschnitzt und mit naturgetreuen Gravierungen verschiedener zeitgenössischer Tiere geschmückt sind, während es den Anschein hat, dass den neolithischen Menschen jegliche ähnliche künstlerische Geschicklichkeit81 fehlte.“ Geben wir die Gründe dafür an.

(1) Der älteste fossile Mensch, der ursprüngliche Höhlenmensch der alten paläolithischen und der präglazialen Periode (egal, wie lang sie waren und wie weit sie zurücklagen), gehört immer zur selben Gattung Mensch, und es gibt keine fossilen Überreste, die denselben Beweis für ihn erbringen wie „das Hipparion und das Anchitherium für die Gattung des Pferdes – nämlich eine allmählich fortschreitende Spezialisierung von einem einfachen Ahnentypus zu komplizierteren existierenden Formen“ („Modern Science and Modern Thought“, S. 181).

(2) Was die sogenannten paläolithischen Äxte betrifft: . . . „Wenn sie neben die gröbsten Formen der tatsächlich von den australischen und anderen Urvölkern verwendeten Steinäxte gelegt werden, ist es schwierig, irgendeinen Unterschied festzustellen.“ (Ebenda, S. 112) Das läuft auf den Beweis hinaus, dass es zu allen Zeiten Urmenschen gab; und daraus ließe sich folgern, dass es in jenen Tagen ebenso wohl auch zivilisierte Menschen gegeben haben könnte, kultivierte Nationen, die zur selben Zeit wie diese rohen Urmenschen lebten. Wir sehen etwas Derartiges in Ägypten vor 7.000 Jahren.

[SD # 717] (3) Eine Schwierigkeit, die unmittelbare Folge der beiden Vorangegangenen: Wenn der Mensch nicht älter ist als die paläolithische Periode, konnte er tatsächlich unmöglich die notwendige Zeit für seine Umwandlung gehabt haben aus dem „fehlenden Glied“ in das, was er selbst in jener entfernten geologischen Zeit bekanntermaßen war, d. h. sogar zu einem schöneren Exemplar der Menschheit als viele der heute existierenden Rassen.

Das Obige eignet sich naturgemäß zu folgendem Syllogismus: (1) Der ursprüngliche Mensch (wie er der Wissenschaft bekannt ist) war in einigen Beziehungen sogar ein schöneres Exemplar seiner Gattung als der heutige Mensch. (2) Der früheste bekannte Affe, der Lemur, war weniger anthropoid als die modernen pithekoiden Arten. (3) Schlussfolgerung: Selbst wenn ein fehlendes Glied gefunden würde, würde das eher dafür sprechen, dass der Affe ein entarteter Mensch ist, der durch irgendwelche Umstände stumm wurde,82 und nicht zugunsten der Abstammung des Menschen von einem pithekoiden Ahnen. Die Theorie ist zweischneidig.

Wenn andererseits davon ausgegangen wird, dass Atlantis existiert hat, und angenommen würde, dass im Eozän, „selbst in seinem allerersten Teil, der große Zyklus der Menschen der vierten Rasse, der Atlantier seinen Höhepunkt bereits erreicht hatte . . . .“ („Esoteric Buddhism“, S. 64), würde das einige der gegenwärtigen Probleme der Wissenschaft einfach eliminieren. Die grobe Bearbeitung der paläolithischen Werkzeuge stellt keinen Beweis gegen die Idee dar, dass hochzivilisierte Nationen Seite an Seite mit deren Herstellern lebten. Es wird uns gesagt, „lediglich ein sehr kleiner Teil der Erdoberfläche sei durchforscht worden, und nur ein sehr kleiner Teil davon bestehe aus alten Landoberflächen oder Süßwasseransammlungen, wo wir allein erwarten dürfen, auf Spuren der höheren Formen tierischen Lebens zu stoßen“, . . . und dass „selbst diese so unvollkommen erforscht worden seien, dass dort, wo wir jetzt auf Tausende und Zehntausende von menschlichen Überresten stoßen, die fast unter unseren Füßen liegen, ihre Existenz erst seit den letzten dreißig Jahren auch nur vermutet wurde“ (S. 98). Es gilt auch viel darüber nachzudenken, dass die Forscher bei den groben Äxten des niedersten Urmenschen auf Exemplare von derart künstlerisch wertvoller Bearbeitung stießen, wie sie kaum bei einem modernen Bauern aus irgendeinem europäischen Land gefunden oder erwartet werden könnten – bis auf Ausnahmefälle. Das „Bildnis“ der „Rentierfütterung“ aus der Höhle bei Thayngen in der Schweiz, und das des laufenden Mannes mit zwei unmittelbar neben ihm gezeichneten Pferdeköpfen – ein Werk aus der Rentierperiode, d. h. mindestens 50.000 Jahre alt – sind in den Worten Laings nicht nur außerordentlich gut ausgeführt, sondern insbesondere die Rentierfütterung wird als ein Bild beschrieben, das „jedem modernen Tiermaler zur Ehre gereichen würde“ [SD # 718] ein durchaus nicht übertriebenes Lob (vide infra). Nachdem wir nun unsere größten europäischen Maler Seite an Seite mit den modernen Eskimos haben, die ebenso wie ihre paläolithischen Vorfahren aus der Rentierperiode, das rohe und wilde Menschengeschlecht, dazu tendieren, mit ihren Messerspitzen ständig Umrisse von Tieren, Jagdszenen etc. zu zeichnen, warum hätte sich das nicht auch in jenen Tagen ereignen können? Verglichen mit den Beispielen ägyptischer Zeichnungen und Skizzen – „7.000 Jahre alt“ – sind die „frühesten Bildnisse“ von Menschen, Pferdeköpfen und Rentieren, die vor 50.000 Jahren angefertigt wurden, sicherlich überlegen. Nichtsdestoweniger weiß man von den Ägyptern jener Perioden, dass sie eine hochzivilisierte Nation waren, während die paläolithischen Menschen Urmenschen von niedersten Typus genannt werden. Das ist anscheinend ziemlich bedeutungslos, und doch sehr suggestiv, indem es zeigt, dass jede neue geologische Entdeckung den bestehenden Theorien angepasst wird, anstatt umgekehrt. Jawohl; Huxley hat Recht, wenn er sagt: „Die Zeit wird es zeigen.“ Sie wird es, und sie muss dem Okkultismus Recht geben.

Unterdessen werden die unnachgiebigsten Materialisten notwendigerweise zu höchst okkult klingenden Zugeständnissen getrieben. So seltsam es klingen mag, kommen gerade die materialistischsten – die der deutschen Schule – in Bezug auf die physische Entwicklung den Lehren der Okkultisten am nächsten. So glaubt Professor Baumgärtner, dass „die Keime der höheren Tiere nichts anderes als die Eier der niederen Tiere sein konnten“; und „abgesehen vom Entwicklungsfortschritt der Pflanzen- und Tierwelt lief in dieser Periode die Bildung neuer ursprünglicher Keime ab“, welche die Grundlage von neuen Metamorphosen etc. bildeten. Er glaubt auch, dass „die ersten aus den Keimen der unter ihnen stehenden Tiere hervorgegangenen Menschen zunächst in einem Larvenzustand lebten“.

Genau so, in einem Larvenzustand, das behaupten auch wir; nur nicht aus einem „tierischen“ Keim. Und diese „Larve“ war die seelenlose Astralform der präphysischen Rassen. Und wir glauben, so wie der deutsche Professor jetzt auch neben verschiedenen weiteren europäischen Wissenschaftlern, dass die Menschenrassen „nicht von einem einzigen Paar abstammen, sondern gleich in zahlreichen Rassen auftraten“ („Anfänge zu einer Physiologischen Schöpfungsgeschichte der Pflanzen- und Thierwelt“, 1885). Wenn wir also „Kraft und Stoff“ lesen und erkennen, dass der Kaiser der Materialisten, Büchner, nach Manu und Hermes wiederholt, dass „die Pflanze unvermeidlich in das Tier, das Tier in den Menschen übergeht“ (S. 85), brauchen wir lediglich noch hinzuzufügen „und der Mensch in einen Geist“, um das kabbalistische Axiom zu vervollständigen. Das umso mehr, nachdem wir auf Seite 82 desselben Werkes das folgende Bekenntnis lesen: „. . . Auf dem Weg der spontanen Zeugung . . . konnte sich mithilfe natürlicher Vorgänge und in endlosen Zeiträumen die gesamte reiche und unendlich modifizierte organische Welt fortschreitend entwickeln, von der wir heute umgeben sind.“ . . . Und (S. 84): „Die Spontanzeugung spielte in der urzeitlichen Epoche zweifellos [SD # 719] eine bedeutendere Rolle als gegenwärtig; es kann auch nicht in Abrede gestellt werden, dass auf diese Weise Wesen einer höheren Organisation als heute geschaffen wurden.“83 Denn das behauptet der Okkultismus.

Der ganze Unterschied liegt darin: Die moderne Wissenschaft stellt ihre materialistische Theorie der Urkeime auf der Erde und des letzten Keims des Lebens auf diesem Globus, des Menschen und von allem anderen, zwischen zwei leere Räume. Woher kam der erste Keim, wenn sowohl die spontane Entstehung als auch die Einflussnahme äußerer Kräfte jetzt absolut abgelehnt werden? Keime organischen Lebens, wird uns von W. Thomson gesagt, gelangten durch irgendeinen Meteoriten auf unsere Erde. Das hilft uns in keiner Weise und verschiebt das Problem lediglich von dieser Erde auf den vermuteten Meteoriten.

Das sind unsere Übereinstimmungen und Nichtübereinstimmungen mit der Wissenschaft. Über die endlosen Perioden sind wir natürlich mit der materialistischen Wissenschaft einig, denn wir glauben an Evolution, wenn auch nach anderen Grundsätzen. Professor Huxley sagt sehr weise: „Wenn irgendeine Form der Lehre von der fortschreitenden Entwicklung richtig ist, dann müssen wir die bis heute vorgelegte liberalste Schätzung des Alters des Menschen um lange Perioden erweitern.“ Wird uns jedoch gesagt, dieser Mensch sei das Resultat der der Materie innewohnenden Naturkräfte – Kraft, die entsprechend neuer Anschauungen lediglich eine Eigenschaft der Materie ist, eine „Bewegungsart“ etc.; und wenn wir finden, dass Sir W. Thomson im Jahr 1885 das wiederholt, was von Büchner und seiner Schule schon dreißig Jahre früher behauptet wurde, so fürchten wir, dass sich unsere gesamte Achtung für die wirkliche Wissenschaft in Luft auflöst! Man kommt kaum umhin zu denken, dass der Materialismus in gewissen Fällen eine Krankheit ist. Denn wenn Wissenschaftler über magnetische Erscheinungen und die Anziehung von Eisenteilchen durch isolierende Substanzen wie Glas behaupten, diese Anziehung sei die Folge von „Molekularbewegung“ oder von der „Rotation der Moleküle des Magneten“, dann ist diese Lehre gleichermaßen lächerlich, ob sie nun von einem „leichtgläubigen“ Theosophen kommt, der von Physik keine Ahnung hat, oder von einem hervorragenden Wissenschaftler. Wer solche Theorien den Tatsachen zum Trotz behauptet, ist nur ein weiterer Beweis für den Satz: „Wenn die Leute in ihren Köpfen keine Nische haben, um die Tatsachen darin einzuschließen, um so schlimmer für die Tatsachen.“

Gegenwärtig ruht der Streit zwischen den Anhängern der Urzeugung und ihren Gegnern, nachdem er mit dem vorläufigen Sieg der Letzteren geendet hat. Aber selbst sie sind gezwungen zuzugestehen, wie Büchner es tat und wie es Tyndall und Huxley noch tun – dass die Urzeugung einmal stattgefunden haben muss, unter „besonderen thermischen Bedingungen“. Virchow verweigert, die Frage auch nur zu erörtern; sie muss irgendwann einmal in der Geschichte unseres Planeten stattgefunden haben – und damit ist die Sache erledigt. Das scheint natürlicher zu sein als die soeben angeführte Hypothese Sir W. Thomsons, dass die Keime des organischen Lebens mit irgendeinem Meteoriten auf die Erde fielen; oder diese andere [SD # 720] wissenschaftliche Hypothese gepaart mit der jüngst akzeptierten Ansicht, dass überhaupt kein „Lebensprinzip“ besteht, sondern lediglich Lebenserscheinungen, die alle auf die Molekularkräfte des ursprünglichen Protoplasmas zurückgeführt werden können. Aber das verhilft der Wissenschaft nicht zur Lösung des noch größeren Problems – vom Ursprung und der Abstammung des Menschen, denn hier herrscht noch ärgeres Jammern und Wehklagen.

„Während wir die Skelette der eozänen Säugetiere in den aufeinander­folgenden Perioden des Tertiärs durch die Spezialisierung in unterschiedliche Richtungen verfolgen können, bietet der Mensch die Erscheinung eines unspezialisierten Skeletts, das kaum mit irgendeiner dieser Richtungen in Verbindung gebracht werden kann („The Origin of the World“, S. 393, von Sir J. W. Dawson, LL.D. F.R.S.).

Das Geheimnis könnte bald erzählt werden, nicht nur vom esoterischen Standpunkt aus, sondern auch von dem aller Religionen der ganzen Welt, ohne die Okkultisten zu erwähnen. Das „spezialisierte Skelett“ wird an der falschen Stelle gesucht, wo es niemals gefunden werden kann. Man erwartet, es in den physischen Überresten des Menschen zu entdecken, in irgendeinem pithekoiden „fehlenden Glied“, mit einem Schädel, der größer ist als der des Affen, und mit einer Schädelkapazität, die geringer ist als die des Menschen, anstatt in der superphysischen Wesenheit seiner inneren astralen Konstitution nach der Spezialisierung zu suchen, die kaum aus irgendwelchen geologischen Schichten ausgegraben werden könnte! Ein solch hartnäckiges, hoffendes Festhalten an einer sich selbst zersetzenden Theorie ist das Wundersamste, was es heute gibt.

Von einem paläolithischen Menschen
auf ein Geweih graviertes Rentier
(nach Geikie)

Indes ist die Abbildung oben ein Beispiel einer von einem paläolithischen „Urmenschen“ angefertigten Gravierung: Paläolithisch bedeutet den Menschen der „älteren Steinzeit“, von dem man annimmt, dass er ebenso unzivilisiert und tierisch war wie die Tiere, mit denen er lebte.

[SD # 721] Lassen wir den modernen Südseeinsulaner und auch alle asiatischen Rassen beiseite. Wir bestreiten, dass irgendein erwachsener Schuljunge, oder selbst ein europäischer Jugendlicher, der niemals zeichnen gelernt hat, eine solche Gravierung oder auch nur eine derartige Bleistiftskizze ebenso gut hätte ausführen können. Hier haben wir eine wahrhaft künstlerische Skizze mit korrekten Lichtern und Schatten, ohne dass der Künstler irgendeine ebene Vorlage besaß, er zeichnete unmittelbar von der Natur ab und stellte somit seine Kenntnis von Anatomie und Proportion dar. Der Künstler, der dieses Rentier gravierte, gehörte, wie wir zu glauben aufgefordert werden, zu den ursprünglichen „halbtierischen“ Wilden (Zeitgenossen des Mammuts und des Wollnashorns), die einige übereifrige Evolutionisten uns einstmals als ausgesprochene Annäherung an den Typus ihres hypothetischen „pithekoiden Menschen“ auszumalen suchten!

Dieses eingravierte Geweih beweist so beredt wie keine andere Tatsache, dass die Evolution der Rassen immer in einer Reihe von Auf- und Abstiegen verläuft, dass der Mensch vielleicht ebenso alt ist wie die verkrustete Erde und – wenn wir seinen göttlichen Vorfahren als „Menschen“ bezeichnen können – noch viel älter.

Auch de Mortillet selbst scheint ein unbestimmtes Misstrauen in die Schlussfolgerungen der modernen Archäologen zu verspüren, wenn er schreibt: „Die Prähistorie ist eine neue Wissenschaft, die weit, sehr weit davon entfernt ist, ihr letztes Wort gesprochen zu haben.“ („Le Préhistorique: Origine et Antiquité de l‘Homme“, 1883) Nach Lyell, eine der höchsten Autoritäten bezüglich dieses Themas und der „Vater“ der Geologie, „beruht die Erwartung, einen umso niedrigeren Typus des menschlichen Schädels zu finden, je älter die untersuchte Formation ist, auf der Theorie von der fortschreitenden Entwicklung, und das mag sich als gültig erweisen; nichtsdestoweniger müssen wir uns daran erinnern, dass wir noch über keinen eindeutigen geologischen Beweis dafür verfügen, dass die sogenannten niederen Rassen der Menschheit den höheren Rassen immer chronologisch vorangingen“ („Geological Evidences of the Antiquity of Man“, S. 95). Bis heute wurde kein derartiger Beweis gefunden. Die Wissenschaft bietet somit die Haut des Bären zum Kauf an, obwohl ihn bis jetzt kein sterbliches Auge je gesehen hätte!

Dieses Zugeständnis Lyells liest sich am suggestivsten, wenn folgende Äußerung Professor Max Müllers hinzugefügt wird, dessen Angriff auf die Anthropologie Darwins aus Sicht der Sprache, nebenbei bemerkt, niemals befriedigend beantwortet wurde:

Was wissen wir über das letzte Kapitel ihrer Geschichte hinaus über die Urvölker?“ (Man vergleiche das mit der esoterischen Anschauung über die Australier, Buschmänner sowie über den paläolithischen europäischen Menschen, die atlantischen Ableger, die einen Überrest einer verlorenen Kultur zurückbehielten, die erblühte, als die elterliche Wurzelrasse sich in ihrer Jugend befand.) „Bekommen wir jemals einen Einblick in ihre Vorgeschichte . . . . Wie sind sie zu dem geworden, was sie jetzt sind? . . . . Ihre Sprache beweist in der Tat, dass diese sogenannten Heiden, mit ihren verwickelten mythologischen Systemen, mit ihren künstlichen Gewohnheiten, ihren unverständlichen Launen und Grausamkeiten, den Geschöpfen von heute oder gestern nicht gleichen. Wenn wir den Urvölkern nicht eine besondere Schöpfung zugestehen, müssen sie ebenso alt sein wie die Inder, Griechen und Römer (viel älter). . . . [SD # 722] Sie mögen noch so viele Wechselfälle durchlaufen haben, und was wir als primitiv ansehen, mag nach allem, was wir wissen, ein Rückfall in die Wildheit sein oder ein Verfall in etwas, das in früheren Stadien vernünftiger und verständlicher gewesen war.“ („India, What Can It Teach Us?“, 1883, F. Max Müller)

„Der urzeitliche Wilde ist in der modernen Literatur ein gewöhnlicher Ausdruck“, bemerkt Professor Rawlinson. „Aber es gibt keinen Beweis dafür, dass er jemals existierte. Vielmehr deuten sämtliche Beweise in die entgegengesetzte Richtung.“ („The Antiquity of Man Historically Considered“) In seinem „Origin of Nations“, S. 10-11, fügt er mit Recht hinzu: „Die mythischen Überlieferungen nahezu aller Nationen setzen eine Zeit des Glücks und der Vollkommenheit an den Anfang der menschlichen Geschichte, ein ‘Goldenes Zeitalter’, das nicht die Züge von Grobheit oder Barbarei, sondern viele Züge von Zivilisation und Verfeinerung zeigt.“ Wie geht der moderne Evolutionist mit dieser Übereinstimmung des Beweismaterials um?

Wir wiederholen die in „Isis Unveiled“ gestellte Frage: „Beweist die Entdeckung der Überreste in der Höhle von Devon nicht, dass damals zur selben Zeit Rassen existierten, die hochzivilisiert waren? Wenn die gegenwärtige Bevölkerung der Erde verschwunden sein wird, und irgendein der ‘kommenden Rasse’ angehörender Archäologe in der fernen Zukunft die Hausgeräte eines unserer Indianerstämme oder Stämme der Andamaneninsel aus­gräbt, wird er dann zu dem Schluss berechtigt sein, dass die Menschheit im neunzehnten Jahrhundert ‘gerade aus der Steinzeit auftauchte’?“

Ein anderer seltsamer Widerspruch in den wissenschaftlichen Theorien ist der, dass der neolithische Mensch dargestellt wird, als hätte er viel mehr vom ursprünglichen Urmenschen als der paläolithische. Entweder muss Lubbocks „vorgeschichtlicher Mensch“ oder Evans „altes Steinwerkzeug“ falsch liegen – oder beide. Denn Folgendes lernen wir aus diesen und anderen Werken:

(1) Wenn wir vom neolithischen zum paläolithischen Menschen übergehen, werden die Steinwerkzeuge zu rohen, schwerfälligen Notbehelfen anstelle der zierlich gestalteten und polierten Instrumente. Töpferei etc. verschwinden, sowie wir die Stufenleiter hinabsteigen. Und doch konnte der Letztere ein derartiges Rentier gravieren!

(2) Der paläolithische Mensch lebte in Höhlen, die er mit Hyänen und Löwen teilte,84 wohingegen der neolithische Mensch in Dörfern auf dem Wasser und in Gebäuden wohnte.

Wer die geologischen Entdeckungen unserer Zeit auch nur oberflächlich verfolgt, weiß von der allmählichen Fortentwicklung der Art und Weise der handwerklichen Bearbeitung, von dem unbeholfenen Behauen und rohen Spalten der frühen paläolithischen Äxte bis zu den verhältnismäßig zierlichen Steinmeißeln des der Metallbearbeitung unmittelbar vorangehenden Teils der neolithischen Periode. Aber das geschah in Europa, zur [SD # 723] Zeit der höchsten atlantischen Zivilisationen hatte sich noch kaum etwas davon aus dem Wasser erhoben. Es gab damals, ebenso wie jetzt, rohe Urvölker und hochzivilisierte Menschen. Wenn in 50.000 Jahren zwergartige Buschmänner aus irgendeiner afrikanischen Höhle gemeinsam mit viel älteren zwergartigen Elefanten ausgegraben werden, wie die in den Höhlenablagerungen auf Malta von Milne Edwards gefundenen, wird das dann ein Grund sein zu behaupten, in unserem Zeitalter seien alle Menschen und alle Elefanten zwergwüchsig gewesen? Oder wenn die Waffen der ceylonesischen Veddhas gefunden werden, werden dann unsere Nachkommen berechtigt sein, uns alle zu paläolithischen Urmenschen zu erklären? Alle von den Geologen heute in Europa ausgegrabenen Gegenstände können sicherlich nicht älter sein als vom Ende des Eozäns, nachdem sich die europäischen Länder vor dieser Periode noch nicht einmal über dem Wasserspiegel befanden. Auch kann dass, was wir gesagt haben, nicht im Mindesten von Theoretikern entkräftet werden, die behaupten, diese vom paläolithischen Menschen angefertigten originellen Skizzen von Tieren und Menschen seien erst gegen Ende der Rentierperiode erstellt worden, denn diese Erklärung würde angesichts der Unkenntnis der Geologen auch nur über die annähernde Dauer der Zeiträume tatsächlich sehr hinken.

Die esoterische Lehre betont ausdrücklich das Dogma vom Aufstieg und Abstieg der Zivilisation. Und jetzt lernen wir Folgendes: „Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass der Kannibalismus mit dem zivilisatorischen Fortschritt des Menschen häufiger aufzutreten scheint, seine Spuren sind in neolithischen Zeiten häufiger anzutreffen . . . . und verschwinden im Zeitalter des Mammuts und des Rentiers vollständig.“ („Modern Science and Modern Thought“, S. 164)

Ein weiterer Beweis für das zyklische Gesetz und die Wahrheit unserer Lehren. Die esoterische Geschichte lehrt, dass die Götzenbilder und ihre Verehrung mit der vierten Rasse ausstarben, bis die Überlebenden der Mischrassen der Letzteren (Chinesen, afrikanische Schwarze etc.) die Verehrung allmählich erneut aufnahmen. Die Veden begünstigen die Götzen nicht; alle modernen indischen Schriften hingegen sehr wohl.

„In den alten ägyptischen Gräbern und in den von Dr. Schliemann ausgegrabenen vorhistorischen Städten finden sich Bilder von eulen- und rinderköpfigen Göttinnen und eine Fülle weiterer symbolisierter Figuren oder Götzenbilder. Rücken wir jedoch in die neolithischen Zeiträume vor, sind solche Götzen nicht mehr zu finden . . . . Die Einzigen, von denen man mit einiger Sicherheit sagen könnte, dass es sich um Götzenbilder handelt, sind ein oder zwei der von de Braye in einigen künstlichen Höhlen der neolithischen Periode entdeckte . . . die scheinbar als lebensgroße weibliche Figuren dienen sollten“ . . . . (S. 199, ibid.).

Sie könnten auch einfache Statuen gewesen sein. Immerhin ist das alles lediglich einer von vielen Beweisen für das zyklische Auf- und Absteigen der Zivilisationen und Religionen. Die Tatsache, dass bis heute keine Spuren menschlicher Überreste oder Skelette jenseits der posttertiären oder „quarternären“ Zeit gefunden wurden – obwohl Abbé Bourgois Feuersteine als Warnung dienen könnten85 – scheint auf die Korrektheit einer weiteren esoterischen Aussage hinzudeuten, die [SD # 724] folgendermaßen lautet: „Suche die Überreste deiner Vorfahren an den hohen Orten. Die Täler sind zu Bergen angewachsen, und die Berge sind bis auf den Meeresboden herunter zerfallen.“ . . . Die nach dem letzten Kataklysmus um zwei Drittel ihrer Bevölkerung geschrumpfte Menschheit der vierten Rasse siedelte sich nicht auf den neuen Kontinenten und Inseln an, die wieder auftauchten, nachdem ihre Vorgänger den Boden neuer Ozeane bildeten, sondern sie verließ das heutige Europa und Teile Asiens und Afrikas, um sich auf den Gipfeln gigantischer Gebirge niederzulassen, von denen sich die Meere, die einige von ihnen umgaben, inzwischen „zurückgezogen“ und Platz für die Tafelländer Zentralasiens gemacht hatten.

Das interessanteste Beispiel dieses fortlaufenden Pfades bietet vielleicht die berühmte Kents Cavern in Torquay. In diesem seltsamen, von Wasser ausgehöhlten Versteck in devonischem Kalk finden wir in den für uns aufbewahrten geologischen Erinnerungen der Erde einen höchst merkwürdigen Bericht. Unter den Kalksteinblöcken, die am Boden der Höhle aufgehäuft waren, wurden, eingebettet in eine Ablagerung schwarzer Erde, zahlreiche Werkzeuge der neolithischen Periode in wirklich ausgezeichneter Ausführung entdeckt, mit ein paar Bruchstücken von Töpferware – möglicherweise zurückführbar auf die Zeit der römischen Besiedlung. Hier ist keine einzige Spur eines paläolithischen Menschen vorhanden; keine Feuersteine oder Spuren ausgestorbener Tiere aus der Quartärzeit. Wenn wir jedoch durch die dichte stalagmitische Schicht unter dem Humusboden noch tiefer in die rote Erde eindringen, die natürlich selbst einst den Boden des Zufluchtsorts bildete, zeigen die Dinge einen ganz anderen Aspekt. Nicht ein einziges Werkzeug ist zu sehen, das dem Vergleich mit den in der darüberliegenden Schicht gefundenen, schön bearbeiteten Waffen standhalten könnte; lediglich eine Anzahl roher und schwerfälliger kleiner Äxte (mit denen der kleine Mensch die gewaltigen Riesen der Tierwelt besiegt und getötet hat, sollen wir glauben?) und Schabwerkzeuge des paläolithischen Zeitalters durcheinandergeworfen mit den Knochen von Arten, die jetzt entweder ausgestorben oder ausgewandert sind, vom Klimawandel vertrieben. Der Schöpfer dieser hässlichen kleinen Äxte war es, der das Rentier am Bach in das Geweih schnitzte, wie oben gezeigt wurde! In allen Fällen stoßen wir auf dieselbe Gewissheit, dass vom historischen zum neolithischen und vom neolithischen zum paläolithischen Menschen die Dinge auf einer ansteigenden Ebene abwärts liefen, von den Rudimenten einer Zivilisation bis zur ärgsten Barbarei – wiederum in Europa.

Wir sehen uns auch mit dem „Mammutzeitalter“ konfrontiert – dem äußersten oder frühesten Teil des paläolithischen Zeitalters – in dem die Grobheit der Werkzeuge ihren Höhepunkt erreicht, und das tierartige (?) Aussehen der damaligen Schädel, wie der aus dem Neandertal, was auf einen sehr niedrigen Typus der Menschheit hindeutet. Sie könnten aber auch auf etwas ganz anderes hindeuten; auf eine von unserer Menschheit (der fünften Rasse) ganz verschiedene Menschenrasse.

[SD # 725] Ein Anthropologe äußerte sich in „Modern Thought“ (Art. „The Genesis of Man“) wie folgt: „Die Theorie von Peyrère, sei sie nun wissenschaftlich begründet oder nicht, kann als gleichwertig angesehen werden mit jener, die den Menschen in zwei Arten einteilte. Paul Broca, Virey und eine Anzahl französischer Anthropologen haben erkannt, dass die niedere Menschenrasse, welche die Australier, Tasmanier und die schwarze Rasse umfasst, die Kaffer und die Nordafrikaner ausgenommen, gesondert betrachtet werden sollte. Die Tatsache, dass bei dieser Art oder vielmehr Unterart die jeweils dritten unteren Molaren gewöhnlich größer sind als die zweiten, und die Schläfenbeinschuppe mit dem Stirnbein gewöhnlich durch eine Naht verbunden ist, stellt den Homo sapiens afer auf eine Stufe, dass er ebenso gut eine eigene Art sein könnte wie viele der Finkenarten. Ich verzichte bei dieser Gelegenheit auf die Erwähnung der Fakten der Hybridität hinzuweisen, die der verstorbene Professor Broca so erschöpfend kommentierte. Die Geschichte dieser Rasse in den vergangenen Zeitaltern dieser Welt ist sonderbar. Sie hat niemals ein eigenes System der Baukunst oder eine Religion hervorgebracht.“ (Dr. C. Carter Blake) Sie ist in der Tat sonderbar, wie wir im Fall der Tasmanier gezeigt haben. Wie immer es auch sein mag, der fossile Mensch Europas kann das hohe Alter des Menschen auf dieser Erde weder beweisen noch widerlegen, und auch nicht das Alter seiner frühesten Zivilisationen.

Es ist an der Zeit, dass die Okkultisten alle Versuche missachten, sie zu verspotten, und das von der Wissenschaft aufgefahrene schwere Geschütz der Satire ebenso geringschätzen wie die Spielzeugpistolen der Profanen, da es bis jetzt unmöglich ist, einen Beweis oder einen Gegenbeweis zu erhalten, während die Theorien der Okkultisten die Probe auf jeden Fall besser bestehen können als die Hypothesen der Wissenschaftler. Was den Beweis für das hohe Alter angeht, das sie für den Menschen beanspruchen, haben sie Darwin selbst und Lyell auf ihrer Seite. Letzterer räumt ein, dass sie (die Naturforscher) „den Beweis bereits erhalten haben für die Existenz des Menschen in einer so entfernten Periode, dass für viele hervorragende Säugetiere, seine damaligen Zeitgenossen, zum Aussterben ausreichend Zeit zur Verfügung stand, und das sogar vor der Zeit der frühesten historischen Berichte“.86 Das ist eine Behauptung, die von einer der größten Autoritäten Englands in Bezug auf diese Frage aufgestellt wurde. Die beiden folgenden Sätze sind ebenso bedeutsam und mögen von Schülern des Okkultismus wohl im Gedächtnis behalten werden, denn mit allen anderen sagt er: „Trotz des langen Verlaufs prähistorischer Zeitalter, während der er (der Mensch) auf der Erde aufgeblüht sein muss, findet sich kein Beweis für irgendwelche merklichen Veränderungen in seinem Körperbau. Wenn er also jemals von irgendeinem unvernünftigen tierischen Vorfahren abzweigte, müssen wir davon ausgehen, dass er in einer viel entfernteren Epoche existierte, möglicherweise auf irgendwelchen Kontinenten oder Inseln, die jetzt unter dem Ozean versunken sind.

Somit werden verschwundene Kontinente offiziell vermutet. Dass Welten (auch Rassen) periodisch abwechselnd durch Feuer (Vulkane und Erdbeben) und Wasser vernichtet und wieder erneuert werden, ist eine Lehre, die so alt ist wie der Mensch. Manu, Hermes, die Chaldäer, das ganze Altertum glaubte daran. Zweimal bereits [SD # 726] hat sich die Oberfläche des Globus durch Feuer und zweimal durch Wasser verändert, seitdem der Mensch auf ihm erschien. So wie das Land Ruhe und Erneuerung braucht, neue Kräfte, und eine Veränderung für seinen Boden, braucht es auch das Wasser. Daraus entsteht eine periodische Neuverteilung von Land und Wasser, ein Wechsel des Klimas etc., alles verursacht durch geologische Umwälzungen und in einer schließlichen Veränderung der Erdachse endend. Astronomen mögen die Vorstellung einer periodischen Veränderung im Verhalten der Erdachse verächtlich abtun und das im Buch Enoch gegebene Zwiegespräch zwischen Noah und seinem „Großvater“ Enoch belächeln; die Allegorie ist nichtsdestoweniger eine geologische und astronomische Tatsache: Es existiert eine säkulare Änderung in der Neigung der Erdachse, und die ihr bestimmte Zeit ist in einem der großen geheimen Zyklen aufgezeichnet. Wie in vielen anderen Fragen bewegt sich die Wissenschaft allmählich in die Richtung unserer Denkweise. Dr. Henry Woodward, F.R.S., F.G.S, schreibt in der „Popular Science Review“ (New Series in Bd. I, S. 115, Art. „Evidences of the Age of Ice“): . . . . „Wenn es notwendig sein sollte, außerweltliche Ursachen zur Erklärung der umfangreichen Zunahme des Eises in dieser Gletscherperiode hinzuzuziehen, würde ich die von Dr. Robert Hooke im Jahr 1688, seither von Sir Richard Phillips und anderen und zuletzt von Thomas Belt, C.E., F.G.S. aufgestellte Theorie vorziehen; nämlich eine geringfügige Zunahme der gegenwärtigen Neigung der Ekliptik, ein Vorschlag, der in vollkommener Übereinstimmung mit anderen bekannten astronomischen Tatsachen steht und dessen Einführung für unseren kosmischen Zustand als eine Einheit in dem großen Sonnensystem wesentlich ist.“

Das Folgende, das aus einem im März 1855 über „The Extinct Lake of Bovey Tracey“ gehaltenen Vortrag von W. Pengelly, F.R.S., F.G.S., angeführt wurde, zeigt das Zögern, diese Tatsache angesichts aller Beweise zugunsten von Atlantis zu akzeptieren. Es handelt sich um ein Zitat aus dem Hauptteil des Vortrags:

„Immergrüne Feigen, Lorbeeren, Palmen und Farne mit riesigen Wurzel­stöcken haben ihre jetzigen Verwandten in einem subtropischen Klima, das in miozänen Zeiten zweifellos in Devonshire existierte, und sind daher eine Mahnung, Vorsicht walten zu lassen, wenn das gegenwärtige Klima irgendeiner Region als normal angesehen wird.

Wenn ferner auf der zwischen 69° 20’ und 70° 30’ N liegenden Diskoinsel an der Westküste Grönlands miozäne Pflanzen gefunden werden; wenn wir erfahren, dass sich darunter zwei Arten befanden, die auch bei Bovey gefunden wurden (Sequoia Couttsiæ, Quercus Lyelli); wenn wir, um Professor Heer zu zitieren, finden, dass „das ‘herrliche Immergrün’ (Magnolia Inglefieldi) ‘seine Früchte im hohen Norden am 70. Grad zur Reife brachte’ “ („Phil. Trans.“, clix, 457, 1869); wenn die schiere Anzahl, die Verschiedenheit und die Üppigkeit der grönländischen Miozänpflanzen zeigen, dass einige von ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach auch am Pol selbst geblüht hätten, wenn sich das Land bis dort hin erstreckt hätte – wird das Problem der Klimaschwankungen auf hervorragende Weise vor Augen geführt, aber nur, um gleich wieder aufgegeben zu werden, anscheinend mit dem Gefühl, die Zeit für seine Lösung sei noch nicht gekommen.

[SD # 727] Es scheint allgemein anerkannt zu sein, dass die Pflanzen des Miozäns in Europa ihre nächsten und zahlreichsten Entsprechungen in Nordamerika haben, und daraus ergibt sich die Frage: Wie wurde deren Wanderung vom einen Gebiet zum anderen bewerkstelligt? War da, wie einige glaubten, ein Atlantis? Ein Kontinent, oder ein Archipel großer Inseln, der das Gebiet des nördlichen Atlantiks einnahm? Es liegt vielleicht nichts Unwissenschaftliches in dieser Hypothese, denn nachdem, wie die Geologen sagen, ‘die Alpen seit dem Beginn des Eozäns 4.000 und an einigen Stellen sogar über 10.000 Fuß ihrer gegenwärtigen Höhe erreichten’ (Lyells „Principles of Geology“, 11. Aufl., S. 256, 1872), könnte eine postmiozäne (?) Senkung das hypothetische Atlantis in beinahe grundlose Tiefen versenkt haben. Ein Atlantis ist jedoch augenscheinlich unnötig und ungerechtfertigt. Nach Professor Oliver: ‘Eine enge und sehr seltsame Analogie besteht zwischen der Flora der amerikanischen Staaten und dem Gebiet von Japan; eine Analogie, die viel enger und tiefgreifender ist als die zwischen der tertiären und der gegenwärtigen Flora Europas nachweisbare. Wir finden das tertiäre Element der Alten Welt in Richtung ihres äußersten östlichen Randes hin verstärkt . . . Dieser Anstieg des tertiären Elements verläuft eher allmählich und taucht nicht nur abrupt auf den japanischen Inseln auf. Obwohl es dort ein Maximum erreicht, können wir es doch vom Mittelmeer über die Levante, den Kaukasus und Persien verfolgen . . . dann entlang des Himalayas und durch China. . . . Wir erfahren auch, dass während des Tertiärs Pendants der mitteleuropäischen miozänen Gattungen mit Sicherheit im nordwestlichen Amerika wuchsen. . . . Wir bemerken ferner, dass die gegenwärtige atlantische Inselflora keinen zwingenden Beweis für eine frühere unmittelbare Verbindung mit dem Hauptland der Neuen Welt liefert. . . . Die Erwägung dieser Tatsachen führt mich zu der Ansicht, dass das Zeugnis der Botanik nicht zugunsten der Hypothese eines Atlantis spricht. Andererseits begünstigt es nachdrücklich die Ansicht, dass in irgendeiner Periode des Tertiärs das nordöstliche Asien mit dem nordwestlichen Amerika vereinigt war, vielleicht durch die Linie, auf der sich jetzt die aleutische Inselkette erstreckt’.“ („Nat. Hist. Rev.“, ii, 164, 1862) Siehe aber auch „Wissenschaftliche und geologische Beweise für die Existenz mehrerer versunkener Kontinente“ (GL II, § VII).

Aber nichts außer einem pithekoiden Menschen wird die nach dem dreimal hypothetischen „fehlenden Glied“ suchenden Unglücklichen jemals zufrieden stellen. Würden auch auf den weiten Böden des Atlantischen Ozeans vom Pic von Teneriffa bis Gibraltar, dem alten Ort des versunkenen Atlantis, alle submarinen Schichten meilenweit aufgerissen, könnte kein derartiger Schädel gefunden werden, der die Darwinisten befriedigen würde. Wie Dr. C. R. Bree bemerkt („Fallacies in the Hypothesis of Mr. Darwin“), konnten die fehlenden Glieder zwischen Menschen und Affen in verschiedenen Sandbänken und Formationen über den tertiären Schichten nicht entdeckt werden; wären sie mit den heute vom Meer bedeckten Kontinenten untergegangen, könnte man [SD # 728] sie noch „in den Schichten der heutigen Geologie finden, die nicht auf den Meeresgrund hinabgesunken sind“. Aber leider fehlen sie in den Letzteren ebenso wie in den Ersteren. Würden sich die Vorurteile nicht wie Vampire an das Denkvermögen des Menschen heften, hätte der Verfasser von „Antiquity of Man“ einen Schlüssel zu diesem Problem in eben seinem eigenen Werk gefunden, wenn er zehn Seiten zurückgegangen wäre (auf S. 530) und sein eigenes Zitat aus Professor G. Rollestons Werk durchgelesen hätte. Dieser Physiologe merkte an, sagt er, dass die menschliche Gestalt nicht nur in der Jugend und während des Wachstums eine beträchtliche Plastizität aufweist, sondern selbst beim Erwachsenen, und dass wir es deshalb nicht immer als erwiesen akzeptieren sollten, wie es einige Befürworter der Entwicklungstheorie zu tun scheinen, dass jeder Fortschritt an physischer Kraft von einer Verbesserung im Körperbau abhängt, denn warum sollte nicht die Seele oder die höheren intellektuellen und moralischen Fähigkeiten in einem fortschreitenden System die erste Rolle spielen und nicht die zweite?

Diese Hypothese ist in Bezug auf eine Evolution aufgestellt, die nicht vollständig von „natürlicher Selektion“ abhängig ist, aber sie passt ebenso gut auf die vorliegende Angelegenheit. Denn auch wir behaupten, dass es die „Seele“ ist, oder der innere Mensch, der zuerst auf die Erde herabsteigt, das psychische Astral, die Form, nach welcher der physische Mensch allmählich gebildet wird – sein Geist, seine intellektuellen und moralischen Fähigkeiten erwachen später mit dem Wachstum und der Entwicklung dieser physischen Körperstruktur.

„So reduzierten die unkörperlichen Geister ihre Gestalt immens in kleinere Formen“ . . . und wurden die Menschen der dritten und vierten Rasse. Noch später, Zeitalter danach, erschienen die Menschen unserer fünften Rasse, die im Vergleich zu der noch riesigen (in unserem modernen Sinn) Gestalt ihrer ursprünglichen Vorfahren nur halb so groß sind.

Der Mensch ist sicherlich keine besondere Schöpfung, er ist das Ergebnis des allmählichen Vervollkommnungswerkes der Natur, so wie jede andere lebende Einheit dieser Erde auch. Aber das trifft lediglich auf die menschliche Hülle zu. Das, was im Menschen lebt und denkt und jene Gestalt überlebt, das Meisterstück der Evolution – ist der „Ewige Pilger“, die proteusartige Differenzierung in Raum und Zeit des Einen Absoluten „Unerkennbaren“.

„In seinem „Antiquity of Man“ zitiert Sir C. Lyell – vielleicht in etwas spöttischem Sinn – was Hallam in seiner „Introduction to the Literature of Europe“ (Bd. iv, S. 162) sagt:

„Wäre der Mensch nach dem Ebenbild Gottes erschaffen worden, wäre er auch nach dem Ebenbild eines Affen gemacht. Das Körpergerüst dessen, der die Sterne wog und den Blitz zu seinem Sklaven machte, gleicht dem eines sprachlosen Tieres, das die Wälder Sumatras durchwandert. Da er so auf der Grenze zwischen tierischer und engelhafter Natur steht, was Wunder, dass er an beiden teilhaben soll?“

Ein Okkultist hätte das anders formuliert. Er würde sagen, dass der Mensch in der Tat nach dem Ebenbild eines Typus gemacht wurde, der von seinen Vorfahren projiziert wurde, der schöpferischen Engelskraft oder den Dhyan Chohans, während der Wanderer in Sumatras Wäldern nach dem Ebenbild des Menschen erschaffen wurde, da der [SD # 729] Körperbau des Affen, wir wiederholen es, die tatsächliche Form des Menschen der dritten Runde und ebenso später der vierten Runde durch abnormale Mittel erneut aufgreift und wiederbelebt. Nichts geht in der Natur verloren, nicht ein Atom: Letzteres ist zumindest aufgrund wissenschaftlicher Daten gesichert. Die Analogie scheint danach zu verlangen, dass die Form ebenfalls mit Beständigkeit ausgestattet sein muss.

Und doch, was sehen wir:

„Es ist vielsagend“, sagt Sir W. Dawson, F.R.S., „dass Professor Huxley in seinen Vorlesungen in New York, während er seine Position in Bezug auf die niederen Tiere hauptsächlich auf die angenommene Genealogie des Pferdes stützt, die, wie oft gezeigt worden ist, nicht den Wert eines sicheren Beweises hat, die Erörterung der Abstammung der Menschen von den Affen gänzlich vermeidet. Sie ist jetzt unverkennbar mit derartigen Problemen behaftet, dass sowohl Wallace als auch Mivart darüber verblüfft sind. Professor Thomas gesteht in seinen jüngsten Vorträgen (‘Nature’, 1876), dass kein niedrigerer Mensch bekannt ist als der Australier, und dass kein bekanntes Bindeglied zum Affen existiert. Und Haeckel muss zugestehen, dass das vorletzte Glied in seiner Phylogenie, der affenähnliche Mensch, gänzlich unbekannt ist. (‘History of Creation’) . . . . Die zusammen mit den Knochen paläokosmischer Menschen in europäischen Höhlen gefundenen und in den bewundernswerten Werken von Christy und Lartet illustrierten sogenannten ‘Kerbstöcke’ zeigen, dass die ältesten der Archäologie und Geologie bekannten Menschenrassen sogar die Grundzüge des Schreibens kannten.“ (Siehe Wilsons „Prehistoric Man“, op. cit., Bd. ii, S. 54; „The Origin of the World“, S. 393)

Außerdem lesen wir in Dr. C. R. Brees „Fallacies in the Hypothesis of Mr. Darwin“ auf S. 160:

„Darwin behauptet mit Recht, dass der Unterschied zwischen der niedrigsten Form des Menschen und dem höchsten menschenähnlichen Affen im Physischen und noch spezieller im Spirituellen enorm ist. Daher muss auch die Zeit – die in der Darwinschen Evolution fast unwahrnehmbar langsam vergehen muss – für die Entwicklung des Menschen aus dem Affen auch enorm gewesen sein.87 Daher muss die Wahrscheinlichkeit, dass einige dieser Variationen in den verschiedenen Kiesschichten oder Süßwasserformationen über jenen aus dem Tertiär gefunden werden, sehr groß sein. Und dennoch wurde nicht eine einzige Variation, nicht ein einziges Exemplar eines Wesens zwischen einem Affen und einem Menschen jemals gefunden. Weder im Kies, noch im Treiblehm, noch in den Süßwasserbetten, noch in den darunterliegenden tertiären Schichten wurden jemals Überreste irgendeines Mitglieds der fehlenden Familien zwischen dem Affen und dem Menschen entdeckt, wie sie nach Darwins Vermutung existiert haben müssen. Gingen sie mit der absinkenden Erdoberfläche unter und sind jetzt vom Meer bedeckt? Sollte das zutreffen, ist es vollkommen unwahrscheinlich, dass sie nicht auch in den nicht auf den Meeresgrund versunkenen Schichten gleichzeitiger geologischer Ablagerungen gefunden werden sollten; noch unwahrscheinlicher ist es, dass nicht einige Teile aus dem Meeresbett heraus gebaggert worden sein sollten wie die Überreste von Mammuts und Nashörnern, die auch in Süßwasserschichten sowie in Kies und Geröll gefunden werden! . . . . . . Der berühmte Neandertal-Schädel, über den schon so viel gesagt wurde, gehört anerkanntermaßen dieser entfernten Periode (dem Bronze- und Steinzeitalter) an und zeigt doch, obwohl er der Schädel eines Idioten gewesen sein könnte, ungeheure Unterschiede zu dem höchsten bekannten menschenähnlichen Affen.“

[SD # 730] Da unser Globus jedes Mal eine Umwälzung durchläuft, wenn er zu einer neuen Periode der Aktivität wiedererwacht, so wie ein Feld umgegraben oder gepflügt werden muss, bevor der frische Same für eine neue Ernte in den Boden gelegt wird – erscheint es ganz und gar hoffnungslos, dass ihren früheren Runden angehörende Fossilien in den Schichten ihrer ältesten oder jüngsten geologischen Ablagerungen gefunden werden sollten. Jedes Manvantara bringt die Erneuerung der Formen, Typen und Arten mit sich; jeder Typus der vorangegangenen organischen Formen – pflanzlich, tierisch und menschlich – verändert sich und wird im folgenden Manvantara vervollkommnet, selbst das Mineral, das in der gegenwärtigen Runde seine schließliche Undurchdringlichkeit und Härte erlangte; seine weicheren Bestandteile bildeten die gegenwärtige Vegetation; die astralen Überreste der früheren Vegetation und Fauna wurden bei der Bildung der niederen Tiere und bei der Festsetzung des Aufbaus der ursprünglichen Wurzeltypen der höchsten Säugetiere verwendet. Und schließlich wurde durch die menschliche Bestialität die Form des riesigen Affen-Menschen der früheren Runde in der gegenwärtigen wieder hervorgebracht und in die elterliche Form des modernen Anthropoiden umgestaltet.

Diese Lehre, so unvollkommen sie auch durch unsere unzulängliche Feder dargestellt sein mag, ist sicherlich logischer, stimmt mit den Tatsachen besser überein, und sie ist sehr viel wahrscheinlicher als viele „wissenschaftliche“ Theorien; als jene zum Beispiel, dass der erste organische Keim auf einem Meteoriten auf unsere Erde kam – wie Ain Soph auf seinem Gefährt, Adam Kadmon. Nur ist letztere Herabkunft allegorisch, wie jedermann weiß, und die Kabbalisten haben diese Redewendung niemals in ihrer buchstäblichen Form zur Annahme empfohlen. Der Keim der Meteoriten-Theorie ist jedoch, da sie von so hochwissenschaftlicher Seite stammt, ein wählbarer Kandidat für die unumstößliche Wahrheit und das Gesetz, eine Theorie, deren Annahme Ehrenpflicht für alle ist, wenn sie mit der modernen Wissenschaft auf einer Stufe stehen wollen. Was die nächste durch die materialistischen Prämissen notwendig gemachte Theorie sein wird, kann niemand sagen. Unterdessen stehen die gegenwärtigen Theorien, wie jedermann sehen kann, untereinander in viel größerem Widerspruch als selbst mit den Theorien der Okkultisten außerhalb des heiligen Geheges der Gelehrsamkeit. Denn was kommt als Nächstes an die Reihe, nun, da die exakte Wissenschaft sogar das Lebensprinzip zu einem leeren Wort, zu einem sinnlosen Ausdruck gemacht hat; und nun darauf besteht, dass das Leben die Wirkung der Molekularvorgänge des ursprünglichen Protoplasmas ist! Die neue Lehre der Darwinisten kann mit den wenigen Worten Herbert Spencers definiert und zusammengefasst werden: „Die Hypothese von den speziellen Schöpfungen . . . erweist sich als wertlos. Wertlos aufgrund ihrer Ableitung; wertlos in ihrer inneren Zusammenhangslosigkeit; wertlos, weil sie vollständig unbewiesen ist; wertlos, da sie keinem intellektuellen Bedürfnis dient; wertlos, da sie keinem moralischen Mangel abhilft. Wir müssen sie daher so betrachten, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Hypothesen in Bezug auf den Ursprung organischer Wesen nicht zählt.“ („Principles of Biology“, Bd. I, S. 345)

 

[SD # 731]
§ V
Organische Evolution
und schöpferische Zentren

Es wird behauptet, die universale Evolution, also die allmähliche Entwicklung der Arten in allen Reichen der Natur, liefe nach einheitlichen Gesetzen ab. Dazu bekennen wir uns, und dieses Gesetz wird in der esoterischen Wissenschaft mit viel größerem Nachdruck vertreten als in der modernen. Wir werden jedoch auch darauf hingewiesen, dass noch ein weiteres Gesetz existiert: „Die Entwicklung geschieht durch an sich kleine, sich aber beständig in der erforderlichen Richtung kumulierende unaufhörliche Modifikationen vom Unvollkommenen zum Vollkommenen und vom Einfachen zum Komplexen.“ Aus dem winzig Kleinen werden die vergleichsweise riesigen Arten hervorgebracht.

Die esoterische Wissenschaft stimmt damit überein, fügt aber hinzu, dass dieses Gesetz nur auf das, was sie unter der Ersten Schöpfung versteht, Anwendung findet – auf die Evolution von Welten aus primordialen Atomen und bei der ersten Differenzierung der Erstgenannten aus dem prä-primordialen Atom; und dass dieses Gesetz in der Periode der zyklischen Evolution in Raum und Zeit beschränkt und lediglich in den niederen Reichen wirksam ist. Auf diese Weise wirkte es während der ersten geologischen Perioden vom Einfachen zum Komplexen auf das rohe, von den Überresten der dritten Runde noch vorhandene Material, Überreste, die in die Objektivität projiziert werden, wenn die irdische Aktivität wieder beginnt.

Die Esoterische Philosophie lässt einen Plan oder eine „spezielle Schöpfung“ nicht mehr als die Wissenschaft zu. Sie verzichtet vollständig auf das „Übernatürliche“ und akzeptiert nichts außerhalb der gleichförmigen und unveränderlichen Gesetze der Natur. Sie lehrt jedoch ein zyklisches Gesetz, einen doppelten Strom der Kraft (oder des Geistes) und der Materie, der sich, ausgehend von dem neutralen Zentrum des Seins, durch seinen zyklischen Fortschritt und durch unaufhörliche Umwandlungen entwickelt. Da sich der ursprüngliche Keim, aus dem sich das gesamte Wirbeltierleben evolvierte, von jenem Urkeim unterscheidet, aus welchem das pflanzliche und das tierische Leben evolvierte, existieren Nebengesetze, deren Tätigkeit von den Bedingungen bestimmt wird, unter welchen sie die zu bearbeitenden Materialien vorfinden; von ihnen scheint die Wissenschaft wenig zu wissen, insbesondere die Physiologie und die Anthropologie. Ihre Anhänger sprechen von diesem „ursprünglichen Keim“ und behaupten, der Nachweis sei zweifelsfrei erbracht, dass „der Plan“ und der „Planer“, wenn überhaupt einer existiert, in Anbetracht des Menschen mit dem wundervollen Bau seiner Glieder und insbesondere seiner Hand – „um sehr viel weiter zurück datiert werden muss und (der Plan) tatsächlich im ursprünglichen Keim involviert ist“, aus dem sich gewiss nicht nur das gesamte Wirbeltierleben, sondern „wahrscheinlich auch das ganze tierische und pflanzliche Leben langsam entwickelt hat“. (S. 94 in „Modern Science and Modern Thought“)

[SD # 732] So sehr das in Bezug auf den „ursprünglichen Keim“ zutrifft, so falsch ist es, dass dieser „Keim“ nur „um sehr viel weiter zurück datiert werden muss“ als der Mensch; denn er befindet sich in einer unermesslichen und unfassbaren Entfernung (in der Zeit, wenn auch nicht im Raum) selbst vom Ursprung unseres Sonnensystems. Wie die indische Philosophie vollkommen korrekt lehrt, kann das aus dem Einen hervorgegangene „Aniyamsam Aniyasam“ lediglich mittels falscher Vorstellungen erkannt werden. Es sind die „Vielen“, die aus dem Einen hervorgehen – die lebendigen, spirituellen Keime oder Kraftzentren, jedes in siebenfältiger Form, die das Gesetz der Evolution und allmählichen langsamen Entwicklung zunächst erschaffen und ihm dann den ursprünglichen Impuls geben.

Beschränken wir die Lehre streng auf unsere Erde, kann gezeigt werden, dass ebenso, wie die ätherischen Formen der ersten Menschen zunächst von sieben dhyan-chohanischen Kraftzentren in sieben Regionen projiziert werden, auch für jede Wurzel- oder Mutterspezies der Schar von Formen des pflanzlichen und tierischen Lebens Zentren schöpferischer Kraft existieren. Auch das ist wiederum keine „besondere Schöpfung“, noch liegt darin irgendein „Plan“, mit Ausnahme des vom Universalen Gesetz ausgearbeiteten „Grundplans“. Aber es gibt sicherlich „Planer“, obwohl diese in der Absolutheit des Ausdrucks weder allmächtig noch allwissend sind. Sie sind lediglich Bauleute oder Maurer, die unter dem ihnen von dem (auf unserer Ebene) immer unbekannt bleibenden Baumeister gegebenen Antrieb tätig sind – dem Einen Leben und Gesetz. Da sie dieser Sphäre angehören, haben sie an keiner anderen teil und deshalb keine Möglichkeit, an irgendeiner anderen zu arbeiten, zumindest nicht im gegenwärtigen Manvantara. Dass sie in Zyklen und nach einer streng geometrischen und mathematischen Stufenleiter wirken, wird durch die ausgestorbenen Tierarten ausführlich demonstriert; dass sie bezüglich der Details der kleineren Leben (Aspekte tierischer Abzweigungen etc.) nach einem Plan arbeiten, kann die Naturgeschichte hinlänglich beweisen. Bei der Schöpfung neuer Arten, die sich manchmal sehr weit vom väterlichen Stamm entfernen, wie z. B. bei der großen Verschiedenheit der Gattung Felis – mit dem Luchs, dem Tiger, der Katze etc. – lenken die „Planer“ die neue Evolution, indem sie jeder Art gewisse Eigenschaften hinzufügen oder andere entfernen, je nachdem, ob sie in der neuen Umgebung notwendig oder nutzlos sind. Wenn wir daher behaupten, die Natur trage für jedes Tier und für jede Pflanze Sorge, seien sie groß oder klein, ist das korrekt. Denn diese irdischen Naturgeister bilden die kollektive Natur; die, wenn sie in ihrem Plan gelegentlich Fehler macht, weder als blind erachtet noch des Fehlers bezichtigt werden darf; da sie einer differenzierten Summe von Eigenschaften und Attributen angehört, ist sie schon aus diesem Grund allein bedingt und unvollkommen.

Würde nichts Derartiges existieren wie Evolutionszyklen, ein ewiges, spiralförmiges Fortschreiten in die Materie mit einer verhältnismäßigen Verdunklung des Geistes – obwohl die beiden eins sind – gefolgt von einem entgegengesetzten Aufstieg in den Geist und von der Überwindung der Materie – abwechselnd aktiv und passiv – wie könnten wir dann die Entdeckungen der Zoologie und der Geologie erklären? Wie kommt es, dass man nach dem Diktum der maßgebenden Wissenschaft das Tierleben von der Molluske bis zu dem großen Meeresdrachen, [SD # 733] vom kleinsten Bodenwurm bis zu den riesigen Tieren der Tertiärperiode verfolgen kann; und dass Letztere einstmals gekreuzt wurden wie die Tatsache zeigt, dass alle diese Arten sich verkleinern, schrumpfen und verzwergen? Wäre der anscheinende Entwicklungsvorgang, vom Unvollkommenen zum Vollkommenen und vom Einfachen zum Komplexen wirkend, tatsächlich ein universales Gesetz, anstatt lediglich eine sehr unvollständige Verallgemeinerung einer lediglich sekundären Natur in dem großen kosmischen Vorgang dazustellen, und sollten keine derartigen wie die behaupteten Zyklen existieren, dann sollten die miozäne Fauna und Flora Plätze tauschen mit den spätesten neolithischen. Wir müssten feststellen, dass sich die Plesiosaurier und die Ichthyosaurier aus den gegenwärtigen Meeres- und Flussreptilien entwickelten, anstatt dass Erstere ihren zwergartigen modernen Entsprechungen Platz machten. Wieder würde unser alter Freund, der gutmütige Elefant, der fossile antediluvianische Vorfahr sein, und das Mammut der Pliozänzeit fände sich in der Manege; das Riesenfaultier und das riesige Megatherium würden anstelle des schläfrigen Faultieres in den Wäldern Südamerikas gefunden, in denen die kolossalen Farne der Steinkohleperiode die Stelle der Moose und der gegenwärtigen Bäume einnähmen – die im Vergleich zu den titanischen Bäumen der vergangenen geologischen Perioden zwergenhaft wären, selbst die kalifornischen Riesen. Die Organismen der gewaltigen Welt des tertiären und des mesozoischen Zeitalters müssen sicherlich komplexer und vollkommener gewesen sein als die der kleinen Pflanzen und Tiere des gegenwärtigen Zeitalters. Der Dryopithecus zum Beispiel ist anatomisch vollkommener und für eine bessere Entwicklung der Gehirnleistung geeigneter als der moderne Gorilla oder Gibbon. Wie kommt das also? Sollen wir glauben, dass der Körperbau all jener kolossalen Land- und Meeresdrachen, der riesigen fliegenden Reptilien, nicht weit entwickelter und komplexer war als die Anatomie der Eidechsen, Schildkröten, Krokodile und selbst der Wale – kurz gesagt als all der uns vertrauten Tiere?

Nehmen wir jedoch um des Argumentes willen an, all diese Zyklen, Rassen, siebenfältigen Formen der Evolution und alle derartigen esoterischen Lehren seien nichts Besseres als eine Täuschung und eine Falle. Stimmen wir der Wissenschaft zu und behaupten, der Mensch sei lediglich ein weiter entwickeltes Tier, dessen Urform aus ein und demselben ursprünglichen Keim auf dieser Erde entstand wie der fliegende Drache und die Mücke, wie der Wal und die Amöbe, das Krokodil und der Frosch etc. etc. – und nicht, dass er ein eingekerkerter „Geist“ und sein Träger, die Schale oder der Körper, ein allmählich für materielle und irdische Zwecke vervollkommneter und jetzt vollständiger Organismus sei, wie von den Theosophen behauptet wird. In diesem Fall muss er dieselben Entwicklungen und Wachstumsprozesse durchlaufen haben wie alle anderen Tiere auch. Wenn der Mensch ein Tier ist und nicht mehr, eine hochintellektuelle Ex-Bestie, sollte zumindest zugestanden werden, dass er in seinen Tagen ein riesiges Säugetier seiner Art war, ein Meganthropus. [SD # 734] Das ist genau das, was nach der Darstellung der esoterischen Wissenschaft in den ersten drei Runden geschah, und hierin, wie in den meisten anderen Dingen, ist sie logischer und folgerichtiger als die moderne Wissenschaft. Sie reiht den menschlichen Körper in die Tierschöpfung ein und platziert ihn von Anfang bis Ende auf den Pfad der tierischen Evolution, während die Wissenschaft den Menschen als einen von unbekannten Vorfahren abstammenden Waisen, wahrlich als „unspezifiziertes Skelett“ zurücklässt! Und dieser Irrtum folgt aus einer hartnäckigen Ablehnung der Theorie der Zyklen.

 

A

Der Ursprung und die Evolution der Säugetiere:

Wissenschaft und die esoterische Phylogenie

Nachdem wir uns in der vorstehenden Kritik der westlichen Evolutionslehre fast ausschließlich mit der Frage nach dem Ursprung des Menschen beschäftigt haben, mag es nicht unpassend sein, die Position der Okkultisten in Bezug auf die Differenzierung der Arten zu erklären. Die vormenschliche Fauna und Flora wurden im Allgemeinen bereits im Kommentar zu den Stanzen behandelt, und die Korrektheit eines großen Teils der modernen biologischen Spekulation wurde eingeräumt, z. B. die Abstammung der Vögel von den Reptilien, die teilweise Richtigkeit der „Natürlichen Selektion“ und der Umwandlungstheorie im Allgemeinen. Es bleibt nun, das Mysterium vom Ursprung der ersten Säugetierfauna aufzuklären, deren gleichzeitiges Auftreten mit dem Homo Primigenius zur Sekundärzeit de Quatrefages so glänzend zu beweisen versucht.

Das etwas komplizierte Problem in Bezug auf den „Ursprung der Arten“ – spezieller der verschiedenen Gruppen fossiler und bestehender Säugetierfaunen – wird mit Hilfe eines Diagramms etwas entschleiert. Es wird damit klarer, bis zu welchem Umfang die „Faktoren der organischen Evolution“, auf welche die westlichen Biologen vertrauen,88 als den Tatsachen gerecht werdend angesehen werden können. [SD # 735] Zwischen der ätherisch-spirituellen, astralen und physischen Evolution muss eine Trennungslinie gezogen werden. Wenn die Darwinisten sich vielleicht dazu herablassen würden, die Möglichkeit des zweiten Prozesses in Betracht zu ziehen, müssten sie nicht mehr länger die Tatsache beklagen, sie seien „hinsichtlich des Ursprungs der Säugetiere lediglich auf Vermutungen und Schlussfolgerungen angewiesen“!! („Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 268, von Professor O. Schmidt) Gegenwärtig bildet die eingestandene Kluft zwischen den Fortpflanzungssystemen der oviparen Wirbeltiere und der Säugetiere ein hoffnungsloses Problem für jene Denker, die mit den Anhängern der Evolutionslehre alle existierenden organischen Formen in eine kontinuierliche Abstammungslinie zu verknüpfen suchen.

Nehmen wir zum Beispiel die Huftiere. Es wird behauptet, „wir besitzen in keiner anderen Abteilung derartig überreiches fossiles Material“. In dieser Richtung wurde so großer Fortschritt erzielt, dass in einigen Fällen sogar die verbindenden Glieder zwischen den heutigen und den eozänen Huftieren ausgegraben wurden; ein hervorragendes Beispiel ist das des vollständigen Beweises für die Abstammung des gegenwärtigen einzehigen Pferdes vom dreizehigen Anchitherium des alten Tertiärs. Dieser Vergleichsmaßstab zwischen der westlichen Biologie und der östlichen Lehre könnte daher nicht besser sein. Die generellen Ansichten der Gelehrten sind in diesem Stammbaum von Schmidt dargestellt, begründet auf die erschöpfenden Untersuchungen von Rütimeyer. Seine annähernde Genauigkeit – vom Standpunkt des Evolutionismus – lässt wenig zu wünschen übrig:

Huftiere

[SD # 736] Der Mittelpunkt der Evolution. Hier kommt die Wissenschaft zu einem Stillstand. „Die Wurzel, auf welche die beiden Familien zurückführen, ist unbekannt.“ (Schmidt)

Nr. I repräsentiert das von den westlichen Evolutionisten erforschte Reich, jenes Gebiet, in dem klimatische Einflüsse, „Natürliche Selektion“ und alle übrigen physischen Ursachen der organischen Differenzierung existieren. Biologie und Paläontologie finden ihren Wirkungskreis bei der Erforschung der vielen physikalischen Agentien, die, wie von Darwin, Spencer und anderen gezeigt wurde, so viel zur Teilung der Arten beitragen. Aber selbst in diesem Bereich liegen an der Wurzel des ganzen „unaufhörlichen Strebens nach Vervollkommnung“ die unterbewussten Einwirkungen der dhyan-chohanischen Weisheit, obwohl ihr Einfluss durch die rein materiellen Ursachen, die de Quatrefages das „Milieu“ und Spencer die „Umwelt“ nennt, stark modifiziert wird.

Der „Mittelpunkt der Evolution“ ist jenes Stadium, wo die astralen Prototypen definitiv in das Physische überzugehen beginnen und so den differenzierenden Agentien unterworfen werden, die jetzt rund um uns wirksam sind. Die physikalische Verursachung tritt unmittelbar ein bei der Annahme der „Röcke aus Fellen“ – d. h. der physiologischen Ausrüstung im Allgemeinen. Vor der Trennung der Geschlechter89 sind die Formen der Menschen und Säugetiere aus astraler Materie gewoben und besitzen eine Struktur, die mit jener der physischen Organismen, die essen, trinken, verdauen etc. nicht vergleichbar ist. Die bekannten, für diese Abläufe erforderlichen physiologischen Einrichtungen in den Organismen wurden fast vollständig nach der beginnenden Verkörperlichung der 7 Wurzeltypen aus dem Astralen evolviert – während des „Stillstands auf halben Wege“ zwischen den beiden Existenzebenen. Kaum war der „Grundplan“ der Evolution in diesen Ahnentypen fertig gezeichnet, kam der Einfluss der uns vertrauten irdischen Gesetze hinzu, woraus sämtliche Generationen der Säugetierarten resultierten. Äonen langsamer Differenzierung waren jedoch erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen.

[SD # 737] Nr. II repräsentiert das Reich der rein astralen Prototypen vor ihrem Abstieg in die (grobe) Materie. Die Astralmaterie, das ist zu beachten, ist Materie des vierten Stadiums, die ebenso wie unsere grobe Materie ihr eigenes „Protyl“ besitzt. Es gibt verschiedene Arten von „Protylen“ in der Natur, entsprechend den verschiedenen Ebenen der Materie. Die beiden subphysikalischen elementalen Reiche, die Ebene des Denkvermögens (Manas oder Materie im fünften Zustand) sowie auch die Ebene Buddhis (Materie im sechsten Stadium) sind aus einem von sechs „Protylen“ entwickelt, welche die Grundlage des gegenständlichen Universums bilden. Die sogenannten drei „Zustände“ unserer irdischen Materie, bekannt als der „feste“, „flüssige“ und „gasförmige“, sind streng genommen lediglich Sub-Zustände. Was die frühere Wirklichkeit des Abstiegs in das Körperliche anbelangt, das im physiologischen Menschen und Tier gipfelte, haben wir ein greifbares Zeugnis dafür in der Tatsache der sogenannten spiritistischen „Materialisationen“.

In all diesen Fällen findet ein vollständiges zeitweiliges Verschmelzen des Astralen in das Physische statt. Die Entwicklung des physiologischen Menschen aus den astralen Rassen der frühen lemurischen Zeit – der Juraperiode der Geologie – findet ihre exakte Parallele in der „Materialisation“ der „Geister“ (?) bei einer Séance. In Fall von Professor Crookes „Katie King“ wurde die Anwesenheit eines physiologischen Vorgangs – Herz, Lungen etc. – unzweifelhaft nachgewiesen!!

In einer Hinsicht ist das Goethes Archetyp. Lauschen wir seinen Worten: „Das also hätten wir gewonnen . . . dass alle neun vollkommenen organischen Wesen . . . nach einem Archetypen geformt seien, das nur in seinen sehr beständigen Teilen mehr oder weniger hin- und herweicht und sich noch täglich durch Fortpflanzung aus- und umbildet.“ Das ist eine anscheinend unvollkommene Ahnung der okkulten Tatsache der Differenzierung der Arten aus den ursprünglichen astralen Wurzeltypen. Was immer der ganze Landsturm der „natürlichen Selektion“ etc. etc. bewirken mag, die fundamentale Einheit des strukturellen Plans bleibt von allen folgenden Modifikationen praktisch unberührt. Die „Einheit des Typus“, die in einem gewissen Sinn allen Tier- und Menschenreichen gemein ist, ist nicht, wie Spencer und andere zu glauben scheinen, ein Beweis für die Blutsverwandtschaft aller organischen Formen, sondern ein Zeugnis für die wesentliche Einheit des „Grundplans“, den die Natur bei der Bildung ihrer Geschöpfe befolgt hat.

Um die Sache zusammenzufassen, können wir uns nochmals einer tabellarischen Zusammenstellung der bei der Differenzierung der Arten beteiligten wirksamen Faktoren bedienen. Die Stadien des Prozesses selbst bedürfen hier keines weiteren Kommentars, denn sie folgen den der organischen Entwicklung zugrunde liegenden Grundprinzipien, und wir brauchen das Gebiet der Experten der Biologie nicht zu betreten.

[SD # 738]

 

An der Entstehung der Tier- und Pflanzenarten beteiligte Faktoren
Grundlegende astrale Prototypen gehen ins Physische über

Der dhyan-chohanische Im­puls, der Lamarcks „inhä­ren­tes und notwendiges” Ent­wick­lungs­gesetz konstituiert. Er steht hinter jedem niederen Agens. 1. Durch Vererbung vermittelte Variationen
2. Natürliche Selektion
3. Geschlechtliche Selektion
4. Physiologische Selektion
5. Isolation
6. Wechselwirkungen beim Wachstum
7. Anpassungen an die Umwelt (im Gegensatz zur mechanischen Verursachung intelligent)
     

 

B

Die paläolithischen Rassen Europas –

woher sie kamen und wie sie sich verbreiteten

Stellt sich die Wissenschaft gegen jene, die behaupten, die Verteilung der Menschenrassen sei bis hinab ins Quartär gänzlich anders gewesen als heute? Und gegen jene, die auch noch behaupten, die in Europa gefundenen fossilen Menschen unterschieden sich immer noch, manchmal sehr stark, von dem Typus der heute lebenden Bevölkerung – obwohl sie in Bezug auf die fundamentalen physiologischen und anthropologischen Aspekte einen bis heute gültigen Plan der Gleichheit und Einheitlichkeit nahezu erreicht hatten? Der verstorbene Littré räumt das in einem Artikel ein, der von ihm über eine Denkschrift mit dem Titel Antiquités Celtiques et Antédiluviennes von Boucher de Perthes in der „Revue des Deux Mondes“ (1. März 1849) veröffentlicht wurde. Er stellt darin Folgendes fest: (a) In den Perioden, als die dort zusammen mit Äxten ausgegrabenen Mammuts in der Picardie lebten, muss ein ewiger Frühling auf dem gesamten Erdglobus geherrscht haben90; die Natur war damals das Gegenteil von dem, was sie heute ist – was für das Alter dieser „Perioden“ einen enormen Spielraum eröffnet. Und dann fügt er hinzu: [SD # 739] (b) „Professor Spring an der medizinischen Fakultät in Liège fand in einer Höhle bei Namur im Chauvauxgebirge zahlreiche Menschenknochen ‘von einer sich von unserer Rasse stark unterscheidenden Art’ “.

In Österreich ausgegrabene Schädel wiesen eine große Analogie auf mit jenen von schwarzen Rassen in Afrika, behauptet Littré, während andere, an den Ufern der Donau und des Rheins entdeckte, den Schädeln der Kariben und jenen der alten Bewohner Perus und Chiles glichen. Doch die Sintflut, egal ob die biblische oder atlantische, wird weiterhin abgestritten. Weitere geologische Entdeckungen brachten Gaudry jedoch dazu zu schreiben: „Unsere Vorväter waren bestimmt Zeitgenossen des Rhinoceros tichorrhinus und des Hippopotamus major.“ Und er fügte hinzu, dass der in der Geologie als vorsintflutlich bezeichnete Boden „zumindest teilweise nach der Erscheinung des Menschen auf der Erde gebildet wurde“. Daraufhin äußert sich Littré. Er zeigte die Notwendigkeit auf, angesichts „der Wiederauferstehung so vieler alter Zeugen“ sämtliche Ursprünge und alle Zeitangaben erneut zu überprüfen und fügt hinzu, dass ein bislang unbekanntes Zeitalter existiere, „entweder am Anbeginn der gegenwärtigen Epoche, oder, wie ich glaube, am Beginn der Epoche, die ihr voranging.“

Die Typen der in Europa gefundenen Schädel sind, wie wohlbekannt ist, von zweierlei Art: Der orthognathe und der prognathe, oder der kaukasische und der schwarze Typus, wie er sich jetzt nur unter den afrikanischen und den niederen Urstämmen findet. Professor Heer, der den Standpunkt vertritt, die Tatsachen der Botanik machten die Hypothese eines Atlantis notwendig – hat gezeigt, dass die Pflanzen der neolithischen Seebewohner vorwiegend afrikanischen Ursprungs sind. Wie können diese Pflanzen in Europa auftreten, wenn zwischen Europa und Afrika früher keine Verbindung bestand? Vor wie vielen Jahrtausenden lebten die siebzehn Menschen, deren Skelette im Département Haute-Garonne ausgegraben wurden, nahe den Überresten eines Kohlefeuers hockend, mit einigen Amuletten und zerbrochenen Töpfen um sich, und in Gesellschaft des Bärs spelaeus, des Elephas primigenius, des Auerochsen (der von Cuvier als eine besondere Art betrachtet wird) und des Megaceros bibernicus – lauter vorsintflutliche Säugetiere? Sicherlich müssen sie in einer sehr weit entfernten Epoche gelebt haben, aber in keiner, die uns vor das Quartär bringt. Ein viel größeres Alter für den Menschen muss noch bewiesen werden. Dr. James Hunt, der verstorbene Präsident der Anthropologischen Gesellschaft, setzt es auf 9.000.000 Jahre an. Dieser Wissenschaftler nähert sich auf jeden Fall einigermaßen unserer esoterischen Berechnung, wenn wir die Berechnung der ersten zwei halbmenschlichen ätherischen Rassen und der frühen dritten Rasse nicht mit einbeziehen.

Die Frage kommt jedoch hoch – wer waren die paläolithischen Menschen des Quartärs in Europa? Waren sie Ureinwohner, oder waren sie die Folge einer Zuwanderung? Letztere ist die einzige haltbare Hypothese, da alle Wissenschaftler darin übereinstimmen, Europa aus der Reihe der möglichen „Wiegen der Menschheit“ zu streichen. Von wo gingen dann die unterschiedlichen aufeinanderfolgenden Ströme der „ursprünglichen“ Menschen aus?

[SD # 740] Die frühesten paläolithischen Menschen Europas – über deren Ursprung die Ethnologie schweigt und deren charakteristische Eigenschaften nur unvollkommen bekannt sind, obwohl sich fantasievolle Schriftsteller wie Grant Allen über dieselben als „Affenartige“ weitläufig auslassen – waren von rein atlantischer und „afrikanisch“-atlantischer Herkunft.91 (Man muss sich vor Augen halten, dass der atlantische Kontinent selbst zu dieser Zeit schon ein Traum der Vergangenheit war.) Europa war im Quartär noch völlig anders als heute, da es sich damals noch in einem Prozess des Entstehens befand. Es war mit Nordafrika vereinigt – oder vielmehr mit dem, was heute Nordafrika ist – durch eine Landzunge, die quer über die jetzige Straße von Gibraltar verlief – Nordafrika bildete gewissermaßen eine Art von Erweiterung des gegenwärtigen Spaniens, während ein weites Meer das große Saharabecken umspülte. Von dem gewaltigen Atlantis, dessen Hauptmasse im Miozän versank, blieben in etwa lediglich Ruta, Daitya und eine verirrte Insel übrig. Die atlantischen Beziehungen der Vorväter92 der paläolithischen Höhlenmenschen sind durch den Fund fossiler Schädel (in Europa) nachgewiesen, die sehr genau in die Typen der westindischen Kariben und alten Peruaner zurückfallen – tatsächlich ein Mysterium für alle, die sich weigern, die „Hypothese“ eines früheren atlantischen Kontinents zur Überbrückung des jetzigen Ozeans anzuerkennen (vgl. „Wissenschaftliche und geologische Beweise für die Existenz mehrerer versunkener Kontinente“). Was sollen wir auch aus der Tatsache machen, dass einerseits de Quatrefages darauf hinweist, dass die „erhabene Rasse“, die großen Cro-Magnon-Höhlenmenschen und die Guanchen der Kanarischen Inseln Repräsentanten eines einzigen Typus seien, und andererseits Virchow auch die Basken mit Letzteren auf ähnliche Weise verbindet? Professor Retzius beweist unabhängig die Verwandtschaft der eingeborenen langköpfigen amerikanischen Stämme mit eben denselben Guanchen. Auf diese Weise sind die verschiedenen Glieder der Beweiskette sicher aneinandergefügt. Jede Menge ähnlicher Tatsachen könnte hinzugefügt werden. Über die afrikanischen Stämme – die sich selbst aufgrund klimatischer und umweltbedingter Einflüsse von den Atlantiern abspalteten – kann gesagt werden, dass sie über die das Mittelmeer zu einem Binnensee machende Halbinsel nach Europa wanderten. Viele dieser europäischen Höhlenmenschen waren schöne Rassen, wie z. B. die von Cro-Magnon. Aber, wie zu erwarten war, gab es in der enormen Zeitperiode, welche die Wissenschaft dem Zeitalter der Steingeräte in der Steinzeit zuerkennt, fast überhaupt keinen Fortschritt.93 [SD # 741] Der zyklische, abwärts gerichtete Impuls lastet schwer auf den so verpflanzten Stämmen – der Alp des atlantischen Karmas liegt auf ihnen. Schließlich macht der paläolithische Mensch seinem Nachfolger Platz – und verschwindet fast vollständig vom Schauplatz. Professor André Lefévre fragt in diesem Zusammenhang:

„Ist die Periode der polierten Steine unmerklich in die der behauenen übergegangen, oder wurde das von einer Invasion kurzschädeliger Kelten verursacht? Ob jedoch die in der Bevölkerung von La Vézère hervorgebrachte Degeneration das Ergebnis gewaltsamer Kreuzungen oder eines allgemeinen Rückzugs nordwärts war, den Spuren des Rentieres folgend, ist für uns ohne Belang.“ Er fährt fort:

„Unterdessen wurde das Bett des Ozeans angehoben, Europa ist jetzt vollständig ausgestaltet, seine Flora und Fauna haben sich stabilisiert. Mit der Zähmung des Hundes beginnt das Hirtenleben. Wir treten in die Zeiträume der polierten Steine und der Bronze ein, welche in ungleichmäßigen Intervallen aufeinander folgen, die einander sogar überlappen, inmitten ethnischer Vereinigungen und Völkerwanderungen. . . . Die ursprünglichen euro­päischen Bevöl­kerun­gen werden in ihrer besonderen Evolution unterbrochen und, ohne daran zugrunde zu gehen, von anderen Rassen absorbiert, verschlungen . . . von den aufeinanderfolgenden Migrationswogen, die aus Afrika hereinströmen, möglicherweise aus einem untergegangenen Atlantis [??viel zu spät, um Äonen von Jahren] und aus dem fruchtbaren Asien . . . alles Vorläufer der grossen arischen Invasion“ (der fünften Rasse).

 

 

[SD # 742]
§ VI
Spuren von Riesen, Zivilisationen und
versunkenen Kontinenten in der Geschichte

Wenn Behauptungen wie in der obenstehenden Überschrift vorgebracht werden, wird von der Schreiberin natürlich erwartet, dass sie anstelle von legendärem Beweismaterial historisches zur Unterstützung liefert. Ist das möglich? Ja, denn es existieren zahlreiche Zeugnisse solcher Art, sie müssen lediglich gesammelt und zusammengestellt werden, um in der Augen der Vorurteilslosen überwältigend zu wirken.

Sobald der scharfsinnige Schüler den leitenden Faden ergriffen hat, kann er derartiges Beweismaterial selbst ausfindig machen. Wir geben Fakten und zeigen Wegweiser: Der Wanderer mag ihnen folgen. Was hier gegeben wird, ist mehr als genug für dieses Jahrhundert.

In einem Brief an Voltaire findet es Bailly ganz natürlich, dass die Sympathien des „großen alten Invaliden von Ferney“ den „Vertretern von Erkenntnis und Wahrheit“, den Brahmanen Indiens, zugeneigt zu sein scheinen. Er fügt dann einen merkwürdigen Satz hinzu. Er sagt: „Aber ihre Brahmanen sind sehr jung im Vergleich zu ihren archaischen Unterweisern.“94

Bailly, der nichts von den esoterischen Lehren oder von Lemurien wusste, nichtsdestotrotz rückhaltlos an das versunkene Atlantis und auch an verschiedene vorgeschichtliche und zivilisierte Nationen glaubte, die verschwanden, ohne irgendwelche unabstreitbare Spuren zu hinterlassen. Er hatte die alten Klassiker und Traditionen ausführlich studiert, und er sah, dass die Künste und Wissenschaften, die den heute von uns als die „Alten“ bezeichneten bekannt waren, „nicht die Errungenschaften irgendeiner der heute oder selbst der damals existierenden Nationen, noch irgendeines der historischen Völker Asiens waren“. Und dass, ungeachtet der Gelehrsamkeit der Inder, ihr unabstreitbarer Vorrang in der Vorzeit ihrer Rasse auf ein Volk oder eine Rasse zurückzuführen war, welche noch älter und noch gelehrter war als die Brahmanen selbst.95

Voltaire, der größte Skeptiker seiner Zeit, der Materialist par excellence, teilte Baillys Ansichten. Er hielt es für ziemlich wahrscheinlich, „dass lange vor dem chinesischen und vor dem indischen Reich kultivierte, gelehrte und mächtige Nationen existierten, die von einer Sintflut von Barbaren übermannt wurden und dadurch wieder in ihren ursprünglichen Zustand der Unwissenheit und Wildheit zurückfielen, oder in das, was man den reinen Naturzustand nennt“.96 („Lettres sur l’Atlantide“, S. 15)

[SD # 743] Was bei Voltaire eine scharfsinnige Mutmaßung eines großen Intellekts darstellte, war bei Bailly eine „Frage historischer Fakten“. Denn er schrieb: „Ich habe großartige Argumente alter Überlieferungen, die über eine lange Reihe von Generationen aufbewahrt wurden.“ (Ibid.) Seiner Ansicht nach war es möglich, dass eine fremde Nation spurenlos verschwinden konnte, nachdem sie eine andere Nation unterrichtet hatte. Auf die Frage, wie es geschehen konnte, dass diese alte oder vielmehr archaische Nation nicht zumindest einige Erinnerungen im menschlichen Gedächtnis zurückgelassen habe, antwortete er, die Zeit sei eine unbarmherzige Verschlingerin von Fakten und Ereignissen. Doch die Geschichte der Vergangenheit war niemals ganz verloren, denn die Weisen des alten Ägyptens hatten sie aufbewahrt, und „sie wird bis zum heutigen Tag anderswo aufbewahrt“. Laut Platon sagten die Priester von Saïs zu Solon: „Ihr wisst nicht, welches das trefflichste und edelste Geschlecht der Menschen war, das auf dieser Erde lebte. Nur ein schwacher Same davon, dessen Nachkommen ihr (die Griechen) seid, ist alles, was davon übrig blieb.“97 „Ihre Bücher“, fügten sie hinzu, „bewahrten die Aufzeichnungen von einer großen Nation, die aus dem atlantischen Meer auftauchte und in Europa und Asien eindrang (Timaios). Die Griechen waren lediglich der verkümmerte und schwache Überrest der einstmals herrlichen Nation. . . .“98

Was war diese Nation? Die Geheimlehre lehrt, dass sie die letzte Unterrasse der Atlantier war, die siebte, bereits von einer der frühen Unterrassen des arischen Stammes verschlungen, der sich allmählich über das Festland und die Inseln Europas ausbreitete, sobald sie begonnen hatten, sich aus den Meeren zu erheben. Von den Hochebenen Asiens herabsteigend, wo die beiden Rassen in den Tagen des Todeskampfes von Atlantis Zuflucht gesucht hatten, hatten sie sich langsam niedergelassen und die frisch aufgetauchten Länder besiedelt. Die eingewanderte Unterrasse hatte sich auf dem jungfräulichen Boden rasch vermehrt und vervielfacht. Sie hatte sich in viele Familien geteilt, und diese wiederum in Nationen. Ägypten und Griechenland, die Phönizier und die nördlichen Stämme waren auf diese Art aus dieser einen Unterrasse hervorgegangen. Jahrtausende später begannen weitere Rassen – die Überreste der Atlantier – „gelb und rot, braun und schwarz“, in den neuen Kontinent einzufallen. Es gab Kriege, in denen die Neuankömmlinge besiegt wurden. Sie flohen, einige von ihnen nach Afrika, andere in entfernte Länder. Einige dieser Länder wurden im Laufe der Zeit – infolge weiterer geologischer Umwälzungen – zu Inseln. [SD # 744] Da sie dadurch gewaltsam von den Kontinenten getrennt waren, ergab es sich, dass die unentwickelten Stämme und Familien des atlantischen Stammes allmählich in einen noch elenderen und urtümlicheren Zustand hinabsanken.

Begegneten die Spanier auf den Cibola-Expeditionen nicht weißen Häuptlingen von Urvölkern; und gilt nicht das Vorkommen afrikanischer schwarzer Typen im Europa der prähistorischen Zeit als nachgewiesen? Die Existenz eines Typus, der mit dem des Schwarzen und dem des Mongolen verwandt ist, ist der Stolperstein der Anthropologie. Jenes Individuum, das in einer unkalkulierbar fernen Zeit bei La Naulette in Belgien lebte, ist ein Beispiel (siehe Dr. Carter Blakes Arbeit „On the Naulette Jaw“, „Anthropological Review“, Sept. 1867). Dieser Anthropologe sagt: „Die Höhlen an den Böschungen der Lesse im südöstlichen Belgien geben Zeugnis für den vielleicht niedrigsten Menschen, wie der Kiefer von Naulette zeigt. Ein solcher Mensch besaß jedoch steinerne Amulette, die zur Verzierung durchbohrt waren. Sie waren aus einem Psammit angefertigt, der heute im Becken der Gironde gefunden wird.“

Somit war der belgische Mensch extrem alt. Dieser Mensch, der vor der großen Flut lebte – die das Hochland Belgiens mit einer das Niveau der gegenwärtigen Flüsse um 30 Meter überragenden Ablagerung von Lehm und Hochlandkies bedeckte – muss die Charaktere des Turaniers und des Schwarzen in sich vereint haben. Der Mensch von Cannstatt oder La Naulette kann schwarz gewesen sein und hatte nichts mit dem arischen Typus zu tun, dessen Überreste aus derselben Zeit stammen wie die des Höhlenbärs von Engis. Die Bewohner der aquitanischen Knochenhöhlen gehören einer viel späteren Geschichtsperiode an und könnten jünger sein als der Erstere.

Wenn diese Aussage aufgrund dessen infrage gestellt wird, dass die Wissenschaft das Alter nicht bestimmen kann, auch wenn sie nicht bestreitet, dass der Mensch bereits seit außerordentlich langer Zeit auf der Erde anwesend ist, da diese Anwesenheit durch die nicht feststellbare Dauer geologischer Perioden bestimmt wird; wenn angeführt wird, dass die Wissenschaftler ganz entschieden Behauptungen widersprechen, z. B. der Mensch sei den Tieren vorangegangen oder die Zivilisation datiere auf die frühesten Perioden des Eozäns, oder wiederum, dass jemals Riesen, dreiäugige und vierarmige und vierbeinige Menschen, Androgyne etc. existiert hätten, dann werden die Gegner ihrerseits gefragt: „Woher wollt ihr das wissen? Welchen Beweis habt ihr außer eure persönlichen Hypothesen, von welchen jede einzelne jeden Tag durch neue Entdeckungen verworfen werden kann?“ Und diese zukünftigen Entdeckungen werden sicherlich beweisen, dass, was auch immer dieser den Anthropologen bekannte frühe Typus des Menschen dem Antlitz nach gewesen sein mag, es in keinerlei Hinsicht affenartig war. Der Cannstatt- und der Engis-Mensch besaßen gleichermaßen wesentliche menschliche Attribute (siehe de Quatrefages und Hamy, „Les Crânes de races humaines“). Die Menschen haben das fehlende Glied am falschen Ende der Kette gesucht; und der Neandertaler wurde vor langer Zeit in die „Rumpelkammer aller voreiligen Missgriffe“ verabschiedet (ibid.). Disraeli teilte den Menschen in die Genossen der Affen und der Engel ein. [SD # 745] Im Text werden Argumente zugunsten einer „Engeltheorie“ angegeben – wie die Christen sagen würden – da sie zumindest auf einige Menschenrassen anwendbar ist. Selbst von der Annahme ausgehend, der Mensch existiere erst seit dem Miozän, könnte die Menschheit insgesamt auf keinen Fall aus den elenden Wilden des paläolithischen Zeitalters bestehen, wie sie jetzt von den Wissenschaftlern dargestellt werden. Alles, was sie behaupten, ist willkürliche, spekulative Vermutung, von ihnen erfunden, um ihren eigenen fantastischen Theorien zu entsprechen und sich in dieselben einzufügen.

Wir sprechen von Ereignissen, die Hunderttausende von Jahren, ja sogar Millionen von Jahren zurückliegen – wenn der Mensch aus den geologischen Perioden stammt99 – nicht von irgendwelchen Ereignissen, die sich in den wenigen tausend Jahren der prähistorischen Zeitspanne ereigneten, welche die ängstliche und stets vorsichtige Geschichtsschreibung zulässt. Doch gibt es Wissenschaftler, die annähernd unsere Denkart teilen. Von dem tapferen Geständnis des Abbé Bourbourg, der sagt, dass „Überlieferungen, deren Spuren auch in Mexiko, in Zentralamerika, in Peru und in Bolivien zu finden sind, auf die Idee hinweisen, dass der Mensch in diesen verschiedenen Ländern zur Zeit der riesigen Hebung der Anden bereits existierte, und dass er die Erinnerung daran bewahrte“ – bis herab zu den spätesten Paläontologen und Anthropologen unterstützt die Mehrheit der Wissenschaftler gegenwärtig ein derartig hohes Alter des Menschen. Apropos Peru – wurde irgendein befriedigender Versuch unternommen, die ethnologischen Verwandtschaften und Eigenschaften der Rasse zu bestimmen, welche die zyklopischen Bauten errichtete, deren Ruinen die Überreste einer großen Zivilisation zur Schau stellen? Bei Kuelap z. B. sind solche Ruinen zu finden, bestehend „aus einem Wall bearbeiteter Steine, 3.600 Fuß lang, 560 Fuß breit und 150 Fuß hoch, der eine kompakte Masse mit einer abgeflachten Spitze bildet. Auf dieser Masse befand sich eine weitere, 600 Fuß lang, 500 Fuß breit und 150 Fuß hoch, was zusammen eine Höhe von 300 Fuß ausmacht. Darin befanden sich Räume und Zellen (vgl. die Fülle der von Donnelly gesammelten Beweise, die zeigen, dass die peruanische Kolonie ein Zweig der Atlantier war). Eine Tatsache, die viel zu denken gibt, ist die überraschende Ähnlichkeit zwischen der Architektur dieser Großbauten und jener der archaischen europäischen Nationen. Fergusson betrachtet die Analogien zwischen den Ruinen der „Inka“-Zivilisation und den zyklopischen Überresten der Pelasger in Italien und Griechenland als eine Übereinstimmung, und zwar „die bemerkenswerteste in der Geschichte der Architektur“. „Es ist schwer, der Schlussfolgerung zu widerstehen, es könnte irgendeine Beziehung zwischen ihnen bestehen.“ Diese „Beziehung“ wird einfach durch die Abstammung der Stämme erklärt, die diese Bauten erdachten, [SD # 746] von einem gemeinsamen Zentrum auf einem atlantischen Kontinent. Ausschließlich diese Annahme kann uns zur Annäherung an eine Lösung dieses und ähnlicher Probleme in nahezu jedem Zweig der modernen Wissenschaft verhelfen.

Dr. Lartet erledigt bei der Behandlung des Gegenstandes die Frage mit der Erklärung, „die so lange bestrittene Wahrheit der Koexistenz des Menschen mit den großen ausgestorbenen Arten (Elephas primigenius, Rhinoceros tichorrhinus, Hyaena spelaea, Ursus spelaeus etc.) scheint mir für alle Zukunft unerschütterlich und endgültig von der Wissenschaft erobert worden zu sein“ („Cavernes du Périgord“, S. 35).

Es wird anderwärts gezeigt, dass das auch die Ansicht von de Quatrefages ist. Er sagt: „Der Mensch hat aller Wahrscheinlichkeit nach das Miozän100 und infolge dessen auch das gesamte Pliozän gesehen. Es gibt Gründe zu glauben, dass „seine Spuren noch weiter zurück gefunden werden können . . . .“, fügt er hinzu („The Human Species”, S. 152).

Ägypten ist viel älter als Europa, wie es jetzt auf der Landkarte dargestellt wird. Atlanto-arische Stämme begannen sich darauf niederzulassen, als die Britischen Inseln101 und Frankreich noch nicht einmal existierten. Es ist gut bekannt, dass „die Zunge des ägyptischen Meeres“ oder das unterägyptische Delta nur sehr allmählich Festland wurde und dem Hochland Abessiniens folgte; ungleich dem Letzteren, das sich vergleichsweise plötzlich erhob, wurde das unterägyptische Festland nur sehr langsam gebildet, in langen Zeitaltern durch aufeinanderfolgende Schichten von Meeresschlamm und von dem von einem großen Fluss mitgeführten und jedes Jahr abgesetzten Schlamm, dem heutigen Nil. Aber selbst das Delta wurde als festes und fruchtbares Land mehr als 100.000 Jahre bewohnt. Spätere Stämme, mit noch mehr arischem Blut als ihre Vorgänger, kamen aus dem Osten und eroberten ein Volk, von welchem selbst der Name für die Nachwelt verloren ist, ausgenommen in den Geheimen Büchern. Diese natürliche Schlammbarriere, die langsam und sicher jedes Boot verschlang, das sich den ungastlichen Ufern näherte, war bis einige Jahrtausende v. Chr. der beste Schutz der späteren Ägypter, die es fertig gebracht hatten, über Arabien, Abessinien und Nubien dorthin zu gelangen, angeführt von Manu Vina zur Zeit Vishvamitras (siehe in „Isis Unveiled“, Bd. I, S. 627, was Kulluka Bhatta sagt).

Das hohe Alter des Menschen wird mit jedem Tag einleuchtender, sodass sich selbst die Kirche auf eine ehrenvolle Übergabe und den Rückzug vorbereitet. Der gelehrte Abbé Fabre, Professor an der Sorbonne, erklärte kategorisch, [SD # 747] dass die prähistorische Paläontologie und Archäologie in den Schichten des Tertiärs . . . . . so viele Spuren des voradamischen Menschen entdecken könne, wie es ihr beliebe, ohne den Schriften irgendwelchen Schaden zuzufügen. „Da sie mit Ausnahme einer einzigen (die laut dem Abbé das Diluvium hervorbrachte) sämtliche der vorletzten Sintflut vorangegangenen Schöpfungen außer Acht lässt, stellt es uns die biblische Offenbarung frei, die Existenz des Menschen im alten Diluvium, im Pliozän und selbst in den eozänen Schichten einzuräumen. Andererseits stimmen jedoch nicht alle Geologen darin überein, die den Globus in den ursprünglichen Zeitaltern bewohnenden Menschen als unsere Vorfahren zu betrachten.102

Der Tag, an dem die Kirche erkennen wird, dass ihre einzige Erlösung in der okkulten Auslegung der Bibel liegt, mag nicht so fern sein, wie einige annehmen. So mancher Abbé und Geistliche wurde zu einem begeisterten Kabbalisten, und ebenso viele erscheinen öffentlich in der Arena und brechen mit Theosophen und Okkultisten zusammen eine Lanze in der Unterstützung der metaphysischen Auslegung der Bibel. Aber zu ihrem Unglück beginnen sie am falschen Ende. Wir raten ihnen, bevor sie über das Metaphysische in ihren Schriften zu spekulieren beginnen, zuerst das zu studieren und zu beherrschen, was sich auf das rein Physische bezieht – z. B. ihre Hinweise in Bezug auf die Geologie und die Ethnologie. Denn derartige Anspielungen auf die siebenfältige Beschaffenheit der Erde und des Menschen, auf die sieben Runden und Rassen, existieren im Neuen wie im Alten Testament, und sie sind für den, der beide symbolisch liest, so sichtbar wie die Sonne am Himmel. Auf was beziehen sich die Gesetze in Levitikus 23,15? Was ist der philosophische Grund für alle derartigen siebenzahligen Opfer und symbolischen Berechnungen wie: „Und ihr sollt euch zählen vom anderen Tage nach dem Sabbat, von dem Tage, da ihr die Webgarbe gebracht habt: Es sollen sieben volle Wochen sein“ (15), „. . . . zu dem Brote darbringen sieben einjährige Lämmer ohne Fehl“ (18). Man wird uns ohne Zweifel widersprechen, wenn wir behaupten, all diese „Web-“ und „Friedens“-Gaben dienten zur Erinnerung an die sieben „Sabbate“ der Mysterien, welche die sieben Pralayas darstellen zwischen den sieben Manvantaras, welche wir als Runden bezeichnen; denn „Sabbbat“ ist ein dehnbares Wort, das eine Ruheperiode beliebiger Art bedeutet, wie an anderer Stelle erklärt wird (Teil II, Kapitel über „Die Mysterien der Siebenerzahl“). Und wenn das nicht ausreichend überzeugt, dann können wir uns Vers (16) zuwenden, der hinzufügt: „Bis zum anderen Tage nach dem siebten Sabbat sollt ihr fünfzig Tage zählen, (neunundvierzig, 7 x 7 Stadien der Aktivität und neunundvierzig Stadien der Ruhe auf den sieben Globen der Kette, [SD # 748] und dann folgt die Sabbat-Ruhe, des fünfzigsten); nach welchem ihr Jehovah ein neues Fleischopfer darbringen sollt“, d. h. ein Opfer darbringen von eurem Fleisch oder euren „Röcken aus Fell“, und, indem ihr eure Körper ablegt, sollt ihr reine Geister bleiben. Dieses Opfergesetz, das im Laufe der Zeiten erniedrigt und materialisiert wurde, war eine von den frühesten Atlantiern herrührende Institution; sie kam über die Hebräer zu den „Chaldäern“, welche die „weisen Männer“ einer Kaste waren, nicht einer Nation, einer Gemeinde großer Adepten, die aus ihren „Schlangenhöhlen“ gekommen waren und sich viele Zeitalter vorher in Babylonien niedergelassen hatten. Und wenn diese Auslegung des Levitikus (der voller entstellter Gesetze Manus ist) als zu weit hergeholt befunden wird, wenden wir uns der Offenbarung zu. Welche Auslegung auch immer die profanen Mystiker dem berühmten siebzehnten Kapitel geben mögen, mit seinem Rätsel von der Frau in Purpur und Scharlach; ob nun die Protestanten die römischen Katholiken bestätigen mit ihrer Lesart: „Und an ihrer Stirn geschrieben einen Namen, ein Geheimnis: Die große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden“; oder ob die römischen Katholiken auf die Protestanten starren, die Okkultisten erklären in ihrer Unparteilichkeit, dass sich diese Worte von Anfang an auf alle und jede exoterische Kirchentümelei bezogen, auf die „zeremonielle Magie“ des Altertums mit ihren schrecklichen Wirkungen und auf die heute harmlose (weil entstellte) Posse der rituellen Verehrung. Das „Mysterium“ des Weibes und des Tieres sind die Symbole des seelenmordenden Kirchentums und des Aberglaubens. „Das Tier, das war und nicht ist, und da sein wird.“ „Hier ist der Verstand, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge (sieben Kontinente und sieben Rassen), auf welchen das Weib sitzt“, das Symbol allen exoterischen, barbarischen, götzendienerischen Glaubens, die das Symbol mit dem „Blut der Heiligen und der Märtyrer“ bedeckten, die protestierten und protestieren. „Und es sind sieben Könige (sieben Rassen); fünf von ihnen sind gefallen (einschließlich unserer fünften Rasse), der eine ist (die fünfte dauert an), der andere (die sechste und die siebte Rasse) ist noch nicht gekommen; und wenn er (der Rassen-„König“) kommt, muß er eine kleine Weile bleiben.“ (10) Es gibt viele derartige apokalyptische Anspielungen, aber der Schüler soll sie selbst erforschen. Diese fünf Könige wurden bereits zuvor erwähnt.

Wenn sich die Bibel mit der Archäologie und der Geologie verbindet, um zu zeigen, dass die menschliche Zivilisation zumindest in Europa drei mehr oder weniger ausgeprägte Stadien durchlaufen hat; und wenn der Mensch, sowohl in Amerika als auch in Europa, ebenso sehr wie in Asien, aus geologischen Epochen stammt – warum sollten die Behauptungen der Geheimlehre nicht in Erwägung gezogen werden? Ist es philosophischer oder logischer und auch wissenschaftlicher mit Albert Gaudry nicht an einen miozänen Menschen zu glauben, wohingegen man davon überzeugt ist, dass die berühmten Feuersteine aus Thenay103 „von dem Dryopithecus-Affen bearbeitet wurden“, [SD # 749] oder mit dem Okkultisten zu glauben, dass der anthropomorphe Affe viele Zeitalter nach dem Menschen kam? Denn wenn einmal eingeräumt und sogar wissenschaftlich bewiesen wird, dass „in der Mitte des Miozäns keine einzige Säugetierart existierte, die mit einer heute lebenden Art identisch wäre“ (Albert Gaudry, „Les Enchaînements du Monde Animal dans les Temps Géologiques“, S. 240); und dass der Mensch damals ebenso war, wie er heute ist, lediglich größer und athletischer als wir104 – was ist dann das Problem? Dass er kaum von den Affen abstammen kann, die selbst nicht vor dem Miozän nachgewiesen sind,105 wird anderseits von verschiedenen berühmten Naturforschern bestätigt:

„So finden wir bei dem Urmenschen des Quartärs, der mit Steinwaffen gegen das Mammuth kämpfen musste, alle jene kraniologischen Merkmale, die allgemein als das Zeichen großer intellektueller Entwicklung betrachtet werden.“ (de Quatrefages, „The Human Species“, S. 312)

Wenn der Mensch, mit seinem ganzen Intellekt und seiner Weisheit begabt, nicht spontan aus einem gehirnlosen katarrhinen Ahnen hervorging, könnte er ein solches Gehirn innerhalb der Grenzen des Miozäns nicht erlangt haben, wenn wir dem gelehrten Abbé Bourgeois glauben dürfen (vide infra, Fußnote 2).

Was die Riesen betrifft, könnten, obwohl der größte bisher in Europa unter Fossilien gefundene Mensch der „Menton-Mensch“ ist (6 Fuß, 8 Inch), noch andere ausgegraben werden. Nilson, von Lubbock zitiert, stellt fest, dass „im Jahr 1807 in einem neolithischen Grab . . . . ein Skelett von außerordentlicher Größe gefunden wurde“, und dass es dem schottischen König Albus McGaldus zugeschrieben wurde.

Und wenn wir in unserer heutigen Zeit gelegentlich Männer und Frauen von 7 bis selbst 9 und 11 Fuß Größe finden, so beweist das nur – nach dem Gesetz des Atavismus oder des Wiederauftretens von charakteristischen Zügen der Ahnen – dass es eine Zeit gab, da 9 und 10 Fuß die durchschnittliche Größe der Menschen selbst in unseren spätesten indoeuropäischen Rassen war.

Aber da der Gegenstand anderwärts ausreichend behandelt worden ist, können wir zu den Lemuriern und den Atlantiern übergehen und sehen, was die alten Griechen über diese frühen Rassen wussten und was die modernen heute wissen.

Die von den ägyptischen Priestern erwähnte große Nation, von der die Vorväter der Griechen der trojanischen Zeit abstammen, und die, wie beteuert wird, von der atlantischen Rasse zerstört wurde, war damals, wie wir sehen, sicher keine Rasse paläolithischer Wilder. Nichtsdestoweniger scheint selbst in den Tagen Platons mit Ausnahme der Priester und Initiierten niemand irgendeine bestimmte Erinnerung an die vorhergegangenen Rassen bewahrt zu haben. [SD # 750] Die frühesten Ägypter waren von den spätesten Atlantiern um viele Zeitalter getrennt. Sie stammten selbst von einer fremden Rasse und hatten sich in Ägypten vor etwa 400.000 Jahre niedergelassen,106 ihre Initiierten hatten jedoch alle Aufzeichnungen bewahrt. Sogar noch zur Zeit von Herodot hatte sie die Statuen von 341 Königen in ihrem Besitz, die über ihre kleine atlanto-arische Unterrasse regiert hatten (vide über Letztere „Esoteric Buddhism“, S. 66, fünfte Ausgabe). Wenn wir nur zwanzig Jahre als eine Durchschnittszahl für die Regierung eines jeden Königs annehmen, muss der Beginn des ägyptischen Reiches von den Tagen Herodots ausgehend um ungefähr 17.000 Jahre zurückverlegt werden.

Bunsen räumt der großen Pyramide ein Alter von 20.000 Jahren ein. Modernere Archäologen wollen ihr nicht mehr als 5.000 oder höchstens 6.000 Jahre schenken, und bewilligen dem hunderttorigen Theben großmütig 7.000 Jahre seit der Zeit seiner Gründung. Und doch gibt es Berichte, die zeigen, dass ägyptische Priester – Initiierte – in nordwestlicher Richtung auf dem Landweg reisten über das, was später zur Straße von Gibraltar wurde. Dann kehrten sie nordwärts und reisten durch die zukünftigen phönizischen Niederlassungen des südlichen Galliens; dann noch weiter nach Norden, bis sie Carnac (Morbihan) erreichten, wo sie sich wieder nach Westen wandten, und, noch immer über Land reisend, auf dem nordwestlichen Vorgebirge des neuen Kontinents anlangten.107

Was war das Ziel ihrer langen Reise? Und wie weit müssen wir die Zeit solcher Besuche zurückverlegen? Die archaischen Berichte zeigen, dass sich die Initiierten der zweiten Unterrasse der arischen Familie von einem Land zum anderen begaben, um die Errichtung von Menhiren und Dolmen zu beaufsichtigen, von kolossalen Tierkreiszeichen aus Stein und von Beerdigungsstätten, die als Behälter zur Aufnahme der Asche künftiger Generationen dienen sollten. Wann geschah das? Die Tatsache, dass sie auf dem Landweg von Frankreich nach Großbritannien gelangten, kann eine Vorstellung von dem Zeitraum geben, wann eine solche Reise auf dem Festland ausgeführt worden sein konnte.

[SD # 751] Es war wie folgt:

„Als der Wasserspiegel des baltischen Meeres und der Nordsee 400 Fuß höher war als er heute ist; das Tal der Somme noch nicht bis zu der Tiefe ausgegraben war, die es jetzt erreicht hat; Sizilien mit Afrika vereinigt war, die Berberei mit Spanien; Karthago, die Pyramiden von Ägypten, die Paläste von Uxmal und Palenque noch nicht existierten und die kühnen Seefahrer von Tyrus und Sidon, die zu einer späteren Zeit ihre gefahrvollen Reisen entlang der Küsten Afrikas unternehmen sollten, noch nicht geboren waren. Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass der europäische Mensch ein Zeitgenosse der ausgestorbenen Arten des Quartärs war, . . . . dass er Zeuge der Hebung der Alpen108 und des Vorrückens der Gletscher war, mit einem Wort, dass er Jahrtausende vor dem Aufdämmern der entferntesten geschichtlichen Überlieferungen lebte . . . . Es ist sogar möglich, dass der Mensch Zeitgenosse ausgestorbener Säugetiere noch älterer Art war . . . . des Elephas meridionalis aus dem Sand von St. Prest . . . . des Elephas antiquus, von denen man annimmt, dass sie älter sind als der Elephas primigenius, da ihre Knochen in einigen englischen Höhlen neben bearbeiteten Feuersteinen gefunden wurden, vereint mit denen des Rhinoceros haemitechus und selbst des Machairodus latidens, der noch früheren Datums ist. . . . E. A. Lartet ist auch der Ansicht, dass es tatsächlich nicht unmöglich ist, dass der Mensch bereits im Tertiär existierte.“109

Wenn die Idee wissenschaftlich „nicht unmöglich“ ist und zugestanden werden kann, dass der Mensch bereits im Tertiär existierte, kann man den Leser ebenso wohl daran erinnern, dass Croll den Beginn jener Periode vor 2.500.000 Jahren sieht (siehe Crolls „Climate and Time in their Geological Relations“). Aber es gab auch eine Zeit, wo er ihm 15.000.000 Jahre zuschrieb.

Und wenn all das über den europäischen Menschen gesagt werden kann, wie alt ist dann der lemuro-atlantische und der atlanto-arische Mensch? Jeder den Fortschritt der Wissenschaft verfolgende gebildete Mensch weiß, wie alle Spuren des Menschen aus dem Tertiär interpretiert werden. Die Verleumdungen, mit denen Desnoyers im Jahr 1863 überschüttet wurde, als er dem französischen Institut ankündigte, dass er eine Entdeckung gemacht habe „in den unberührten pliozänen Sandablagerungen von St. Prest bei Chartres, welche die Koexistenz des Menschen mit dem Elephas meridionalis beweise“ –, waren der Gelegenheit angemessen. Die spätere Entdeckung (1867) von Abbé Bourgeois, dass der Mensch in der Miozänepoche lebte, und die Aufnahme, die ihr auf dem im Jahr 1872 in Brüssel abgehaltenen Prähistorischen Kongress zuteil wurde, [SD # 752] beweist, dass der durchschnittliche Wissenschaftler nur das sehen wird, was er sehen will.110

Die moderne Archäologie spekuliert zwar endlos über die Dolmen und ihre Erbauer, tatsächlich weiß sie aber gar nichts über sie und ihren Ursprung. Diese unheimlichen und oft kolossalen Denkmäler bestehen aus unbearbeiteten Felsen – die gewöhnlich aus vier oder sieben riesigen zusammengestellten Blöcken bestehen – und finden sich über Asien, Europa, Amerika und Afrika in Gruppen oder Reihen verstreut. Steine von enormer Größe finden sich horizontal und auf unterschiedliche Art über zwei, drei, vier und, wie in Poitou, über sechs und sieben Blöcke gelegt. Das Volk nennt sie „Teufelsaltäre“, Druidensteine und Riesengräber. Die Steine von Carnac in Morbihan in der Bretagne – 11.000 Steine über eine Strecke von einer Meile und in elf Reihen angeordnet – sind die Zwillingsschwestern derer von Stonehenge. Der konische Menhir von Locmariaquer, in Morbihan, misst zwanzig Ellen in der Länge und nahezu zwei Ellen in der Breite. Der Menhir von Champ-Dolent (bei St. Malo) erhebt sich dreißig Fuß über den Boden und erreicht eine Tiefe von fünfzehn Fuß. Auf derartige Dolmen und vorgeschichtliche Denkmäler trifft man auf nahezu jedem Breitengrad. Sie finden sich im Mittelmeerbecken; in Dänemark (zwischen den lokalen, etwa siebenundzwanzig bis fünfundvierzig Fuß hohen Tumuli); in Shetland und in Schweden, wo sie Ganggriften (oder Gräber mit Gängen) genannt werden; ferner in Deutschland, wo sie als Riesengräber (Hünengräber) bekannt sind; in Spanien (siehe den Dolmen von Antequera bei Malaga) und in Afrika; in Palästina und Algerien; in Sardinien (siehe den Nuraghe und Sepolture dei Giganti, oder die Riesengräber); im indischen Malabar, wo sie die Gräber der Daityas (Riesen) und der Rakshasas genannt werden, der Menschendämonen von Lanka; in Russland und Sibirien, wo sie als Kurgan bekannt sind; in Peru und Bolivien, wo sie als Chullpas oder Begräbnisplätze bezeichnet werden etc. etc. etc.

Es gibt kein Land, in dem sie nicht zu finden wären. Wer errichtete sie? Warum werden sie alle mit Schlangen und Drachen in Verbindung gebracht, mit Alligatoren und Krokodilen? Weil Überreste „paläolithischer Menschen“, wie man glaubt, in einigen von ihnen gefunden wurden, und weil in den Begräbnishügeln Amerikas Körper von späteren Rassen mit der üblichen Ausstattung von Knochenhalsbändern, Waffen und Stein- und Kupferurnen etc. entdeckt wurden, deshalb sind sie alte Gräber! Ganz bestimmt jedoch waren die beiden berühmten Hügel – der eine im Mississippital und der andere in Ohio – die jeweils als „Alligatorhügel“ und „Großer Schlangenhügel“ bekannt sind, [SD # 753] niemals als Gräber gedacht111 (vide infra). Dennoch wird mit Nachdruck behauptet, die Hügel und die Errichter der Hügel oder Dolmen in Europa seien alle „pelasgisch“, früher als die Inkas in Amerika und doch „nicht aus sehr ferner Vorzeit“. Sie wurden „nicht von einer Rasse von Dolmenerrichtern“ erbaut, die niemals existierte (meinen de Mortillet, Bastian, und Westropp), außer in der früheren archäologischen Fantasie. Schließlich wird jetzt Virchows Ansicht über die Hünengräber in Deutschland als Axiom akzeptiert: „Lediglich die Gräber sind gigantisch, nicht aber die sich in ihnen befindenden Skelette“, sagt der deutsche Biologe; und die Archäologie kann sich nur beugen und der Entscheidung unterwerfen.112

Dass bisher noch keine riesigen Skelette in den „Gräbern“ gefunden wurden, ist kein Grund dafür zu behaupten, es hätten sich niemals Überreste von Riesen darin befunden. Die Totenverbrennung war bis zu einer verhältnismäßig jungen Periode vor etwa 80.000 oder 100.000 Jahren allgemein verbreitet. Die echten Riesen waren außerdem fast alle mit Atlantis ertrunken. Nichtsdestoweniger sprechen klassische Schriftsteller, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben, häufig von riesigen Skeletten, die zu ihrer Zeit gefunden wurden. Außerdem können menschliche Fossilien bis jetzt an den Fingern abgezählt werden. Kein bis jetzt jemals gefundenes Skelett ist älter als 50.000 oder 60.000 Jahre,113 und die Größe des Menschen verringerte sich seit der Zeit der dritten Unterrasse des arischen Stammes, die – in Europa und Kleinasien unter neuen Klimaten und Bedingungen geboren und entwickelt – europäisch geworden war, von 15 auf 10 oder 12 Fuß. Seit damals hat sie, wie wir gesagt haben, stetig abgenommen. Es ist daher richtiger zu sagen, die Gräber sind ausschließlich archaisch, und nicht notwendigerweise die menschlichen Körper, die gelegentlich in ihnen gefunden wurden; und dass diese Gräber, da sie ja eine enorme Größe aufweisen, auch Riesen enthalten haben müssen,114 oder vielmehr die Asche von Generationen von Riesen.

[SD # 754] Nicht alle derartigen zyklopischen Bauten waren als Gräber gedacht. Die Reise der oben erwähnten Initiierten hatte mit den sogenannten druidischen Überresten wie Carnac in der Bretagne und Stonehenge in Großbritannien zu tun. Diese gigantischen Denkmäler sind alle symbolische Aufzeichnungen der Weltgeschichte. Sie sind nicht druidisch, sondern universal. Auch wurden sie nicht von den Druiden erbaut, denn diese waren lediglich die Erben der zyklopischen Lehre, die ihnen von Generationen mächtiger Baumeister und „Magier“, sowohl guter als auch böser, hinterlassen worden war.

Es wird immer ein bedauernswerter Gegenstand bleiben, dass die die tatsächliche Existenz von Riesen a priori verwerfende Geschichte uns so wenig von den Berichten des Altertums über sie überlieferte. Doch spielen die Riesen in nahezu jeder Mythologie – die schließlich alte Geschichte ist – eine bedeutsame Rolle. In der alten nordischen Mythologie waren die Riesen, Skrymir und seine Brüder, welche die Söhne der Götter bekämpften, mächtige Faktoren in den Erzählungen über Gottheiten und Menschen. Die moderne Auslegung, die diese Riesen zu den Brüdern der Zwerge macht und die Kämpfe der Götter auf die Geschichte der Entwicklung der arischen Rasse reduziert, wird lediglich bei den Anhängern der arischen Theorie Anklang finden wie sie von Max Müller dargelegt wird. Zugestanden, dass die turanischen Rassen durch die Zwerge (Dwergar) versinnbildlicht wurden und dass eine dunkle, rundköpfige und zwergartige Rasse von den hellhäutigen Skandinaviern, oder den Asen, da die Götter den Menschen gleichen, nordwärts getrieben wurden, existiert noch immer kein anthropologischer Beweis für die Existenz einer Rasse von Riesen in Zeit oder Raum, weder in der Geschichte noch in irgendeinem anderen wissenschaftlichen Werk. Dass sie aber existieren, weitgehend und de facto Seite an Seite mit Zwergen, kann Schweinfurth bezeugen. Die Nyam-Nyam Afrikas sind regelrechte Zwerge, während ihre direkten Nachbarn (verschiedene Stämme verhältnismäßig hellfarbiger Afrikaner) im Vergleich zu den Nyam-Nyam Riesen sind und selbst für Europäer sehr groß, da ihre Frauen alle mehr als 6½ Fuß groß sind (vide Schweinfurths neueste Werke).

In Cornwall und im alten Britannien sind die Überlieferungen von diesen Riesen andererseits absolut normal. Man sagt über sie, dass sie selbst bis in die Zeit von König Arthur lebten. All das zeigt, dass unter den keltischen Völkern Riesen bis zu einer späteren Zeit lebten als unter den teutonischen Völkern.

Wenn wir uns der Neuen Welt zuwenden, finden wir Überlieferungen von einer Rasse von Götter und Menschen bekämpfenden Riesen in Tarija an den östlichen Hängen der Anden und in Ecuador. Diese alten Überzeugungen bezeichnen gewisse Örtlichkeiten als „Los Campos de los Gigantes“ – die „Felder der Riesen“; sie stehen immer in einem Zusammenhang mit dem Vorkommen pliozäner Säugetiere und im Pliozän erhöhter Gestade. „Nicht alle Riesen liegen unter dem Berg Ossa“, und tatsächlich wäre es eine armselige Anthropologie, welche die Überlieferungen von Riesen auf die griechische und biblische Mythologie beschränken wollte. Slawische Länder, insbesondere Russland, sind voll von Legenden über die Bogatyri (mächtige Riesen) der alten Zeit; [SD # 755] und ihre Folklore, deren größter Teil als Grundlage der nationalen Erzählungen diente, ihre ältesten Gesänge und ihre archaischsten Überlieferungen sprechen von den Riesen der alten Zeit. So können wir mit Sicherheit die moderne Theorie ablehnen, die aus den Titanen lediglich Symbole machen will, die für kosmische Zwecke stehen. Sie waren wirkliche, lebendige Menschen, einerlei ob zwanzig oder nur zwölf Fuß groß. Selbst die homerischen Helden, die in der Geschichte der Rassen natürlich einer viel jüngeren Periode angehören, scheinen Waffen von einer Größe und einem Gewicht geschwungen zu haben, welche die Kraft der stärksten Menschen der modernen Zeit übersteigen.

„Nicht zweimal zehn konnten die mächt‘ge Masse erheben,
Männer, wie sie in diesen degenerierten Tagen leben.”

Wenn die fossilen Fußabdrücke von Carson bei Nevada in den USA menschlich sind, deuten sie auf riesige Menschen hin. An ihrer Echtheit kann kein Zweifel bestehen. Es ist zu bedauern, dass die modernen und wissenschaftlichen Beweise für riesenhafte Menschen lediglich auf Fußabdrücken mutmaßlicher Riesen basieren. Immer und immer wieder wurden Skelette angenommener Riesen als von Elefanten und Mastodonten stammend identifiziert. Aber alle derartigen Irrtümer vor der Zeit der Geologie, und selbst die Reisemärchen Sir John Mandevilles – der behauptet, er habe in Indien 56 Fuß große Riesen gesehen – zeigen lediglich, dass der Glaube an die Existenz von Riesen niemals, zu gar keiner Zeit, aus der Erinnerung der Menschen verschwunden ist.

Bekannt und akzeptiert ist, dass verschiedene Rassen riesiger Menschen existierten und deutliche Spuren zurückgelassen haben. Im „Journal of the Anthropological Institute“ (Bd. 1, Aufsatz von Dr. C. Carter Blake, 1871) wird gezeigt, dass eine solche Rasse in Palmyra und möglicherweise in Midian existierte, deren Schädelformen sich von den jüdischen vollkommen unterschieden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine weitere derartige Rasse in Samaria existierte, und dass das mysteriöse Volk, das die Steinkreise in Galiläa aufrichtete, die neolithischen Feuersteine im Jordantal bearbeitete und eine alte semitische Sprache bewahrte, die sich von der hebräischen Quadratschrift vollkommen unterschied, von sehr hoher Statur gewesen ist. Die englischen Übersetzungen der Bibel sind niemals verlässlich, auch nicht in ihren modernen revidierten Formen. Sie erzählen von den Nephilim, übersetzen das Wort mit „Riesen“, und fügen ferner hinzu, dass sie „haarige“ Menschen waren, wahrscheinlich die großen und mächtigen Prototypen der späteren Satyrn, die von der kirchenväterlichen Fantasie so wortgewandt beschrieben wurden; einige dieser Kirchenväter versichern ihren Bewunderern und Anhängern, dass sie diese „Satyrn“ selbst gesehen haben – einige lebendig, andere eingepökelt und konserviert. Nachdem das Wort „Riesen“ einmal als Synonym für Nephilim akzeptiert war, identifizierten sie die Kommentatoren seither mit den Söhnen Enaks. Die Freibeuter, die sich des Gelobten Landes bemächtigten, trafen eine dort bereits siedelnde Bevölkerung an, die ihre eigene Körpergröße bei Weitem übertraf, und sie bezeichneten sie als ein Geschlecht von Riesen. Die Rassen wirklich riesiger Menschen waren jedoch bereits Zeitalter vor der Geburt von Moses verschwunden. Diese großen Menschen existierten in Kanaan [SD # 756] und ebenso in Baschan, und sie mögen bei den Nabathäern von Midian Vertreter gehabt haben. Sie waren von viel größerer Statur als die untersetzten Juden. Vor viertausend Jahren unterschieden sie sich von den Kindern Hebers durch ihre Schädelbildung und ihre große Statur. Vor vierzigtausend Jahren mögen ihre Vorfahren von noch gewaltigerer Größe gewesen sein, und vierhunderttausend Jahre früher müssen sie im Verhältnis zum heutigen Menschen im gleichen Größenverhältnis gestanden haben wie die Brobdingnagier zu den Liliputanern. Die Atlantier der mittleren Periode wurden die Großen Drachen genannt, und das erste Symbol ihrer Stammesgottheiten, als die „Götter“ und die göttlichen Dynastien sie verlassen hatten, war das einer riesigen Schlange.

Das den Ursprung und die Religion der Druiden verschleiernde Mysterium ist für den modernen Symbologen ebenso groß wie das ihrer mutmaßlichen Heiligtümer, nicht jedoch für die initiierten Okkultisten. Ihre Priester waren die Nachfahren der letzten Atlantier, und was von ihnen bekannt ist, reicht aus den Schluss zu erlauben, dass sie den Chaldäern und Indern verwandte östliche Priester waren, aber nicht viel mehr. Es kann daraus geschlossen werden, dass sie ihre Gottheit genauso symbolisierten wie die Hindus ihren Vishnu, wie die Ägypter ihren Mysteriengott und wie die Erbauer des Great Serpent Mound von Ohio ihren verehrten – und zwar in Form der „Mächtigen Schlange“, des Emblems der ewigen Gottheit Zeit (der indische Kala). Plinius nannte sie die „Magier der Gallier und Britannier“. Doch sie waren mehr als das. Der Verfasser der „Indian Antiquities“ findet große Verwandtschaft zwischen den Druiden und den indischen Brahmanen. Dr. Borlase weist auf eine große Ähnlichkeit zwischen ihnen und den persischen Magiern hin;115 andere werden eine Identität zwischen ihnen und der orphischen Priesterschaft von Thrakien erkennen: Lediglich darum, weil sie in ihren esoterischen Lehren mit der universalen Weisheitsreligion im Zusammenhang standen und somit Affinitäten mit dem exoterischen Gottesdienst aller aufwiesen.

Wie die Inder, die Griechen und die Römer (wir sprechen von den Initiierten), die Chaldäer und die Ägypter, glaubten die Druiden an die Lehre aufeinanderfolgender Welten und auch der sieben „Schöpfungen“ (neuer Kontinente) und Umwandlungen der Erdoberfläche, und an eine siebenfältige Nacht und einen ebensolchen Tag für jede Erde oder jeden Globus (siehe „Esoteric Buddhism“). Wo immer die Schlange mit dem Ei gefunden wird, ist dieser Lehrsatz mit Sicherheit vorhanden. Ihre Dracontia sind ein Beweis dafür. Dieser Glaube war so universal, dass wir ihn überall entdecken werden, wenn wir in der Esoterik der verschiedenen Religionen nach ihm suchen. Wir werden ihn bei den arischen Hindus und Anhängern des Zoroastrismus finden, bei den Griechen, bei den Lateinern und selbst bei den alten Juden und frühen Christen, deren moderne Stämme jetzt kaum verstehen, [SD # 757] was sie in ihren Schriften lesen. Sehen wir, was Seneca sagt in „Epistel“, 9 und „Quaest. Nat.“ III, c, ult.: „Wenn die Welt geschmolzen und wieder in Jupiters Schoß eingetreten ist, verharrt dieser Gott eine Zeitlang vollständig in sich selbst gesammelt, und bleibt verborgen, gewissermaßen vollständig versunken in die Betrachtung seiner eigenen Ideen. Hernach sehen wir eine neue Welt aus ihm entspringen. . . . Ein unschuldiges Geschlecht von Menschen und Tieren wird von Neuem gebildet. . . . etc.“ Und wieder, bei der Besprechung dessen, dass eine Weltauflösung die Zerstörung oder den Tod von allem in sich einschließt, lehrt er (Seneca) uns: „Wenn die Gesetze der Natur dem Untergang anheimfallen, und der letzte Tag der Welt kommt, wird der Südpol bei seinem Sturz alle Regionen Afrikas zertrümmern, und der Nordpol wird alle Länder unterhalb seiner Achse vergraben. Die erschrockene Sonne wird ihres Lichts beraubt sein; der zusammenstürzende Himmelspalast wird zugleich sowohl Leben als auch Tod hervorbringen, und eine Art von Auflösung wird gleichermaßen alle Gottheiten ergreifen, die so in ihr ursprüngliches Chaos zurückkehren werden.“ (Zitat in „The Book of God: The Apocalypse of Adam-Oannes“, S. 160)

Man könnte meinen, darin den puranischen Bericht von Parashara über das große Pralaya zu lesen. Es sagt beinahe dasselbe, Idee um Idee. Gibt es im Christentum nichts Derartiges? Sehr wohl, meinen wir. Möge der Leser irgendeine englische Bibel aufschlagen und in Kapitel 3:3-14 den zweiten Brief von Petrus lesen, und er wird dort dieselben Ideen finden: . . . „In den letzten Tagen werden Spötter kommen . . . und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft? . . . . seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so [wie] von Anfang der Schöpfung an. Denn nach ihrem eigenen Willen ist ihnen dies verborgen, daß von alters her Himmel waren und eine Erde, entstehend aus Wasser und im Wasser durch das Wort Gottes, durch welche die damalige Welt, vom Wasser überschwemmt, unterging. Die jetzigen Himmel aber und die Erde sind durch sein Wort aufbewahrt, für das Feuer behalten . . . . dessentwegen die Himmel, in Feuer geraten, werden aufgelöst . . . . und die Elemente im Brande zerschmelzen werden . . . . Wir erwarten aber . . . . neue Himmel und eine neue Erde . . . . “ Wenn es den Interpreten beliebt, darin eine Bezugnahme auf die Schöpfung, die Sintflut und die verheißene Ankunft Christi zu sehen, wonach sie in einem neuen Jerusalem im Himmel leben werden, so ist das nicht die Schuld von „Petrus“. Was der Verfasser der Epistel meinte, war die Vernichtung dieser unserer fünften Rasse durch unterirdische Feuer und Überschwemmungen und das Erscheinen neuer Kontinente für die sechste Wurzelrasse. Denn die Verfasser der Epistel waren alle in der Symbologie unterrichtet, wenn nicht sogar in den Wissenschaften.

An anderer Stelle wurde bereits erwähnt, dass der Glaube an die siebenfältige Konstitution unserer „Kette“ der älteste Lehrsatz der frühen Iraner war, die ihn von dem ersten Zarathustra empfingen. Es ist an der Zeit, das jenen Parsen zu beweisen, die den Schlüssel zur Bedeutung ihrer Schriften verloren haben. Im Avesta wird die Erde gleichzeitig als sieben- und dreifältig angesehen. Das hält Dr. Geiger für eine Inkongruenz, und zwar aus folgenden Gründen, die er als Widersprüche bezeichnet; [SD # 758] das Avesta spricht von drei Dritteln der Erde, weil der Rigveda „drei Erden“ erwähnt . . . . „Drei übereinanderliegende Schichten oder Ebenen, eine über der anderen, sollen damit gemeint sein.“116 Aber er befindet sich im Irrtum, ebenso wie alle profanen exoterischen Übersetzer. Das Avesta hat die Idee nicht aus dem Rigveda entlehnt, sondern gibt lediglich die esoterische Lehre wieder. Die „drei Schichten oder Ebenen“ beziehen sich nicht allein auf unseren Globus, sondern auch auf die Ebenen der Globen unserer Erdkette – welche auf jeder Ebene paarweise angeordnet sind, der eine auf dem absteigenden, der andere auf dem aufsteigenden Bogen. Im Hinblick auf die Sphären oder Globen oberhalb unserer Erde, der siebten und der vierten, ist die Erde siebenteilig, und in Bezug auf die Ebenen oberhalb unserer Ebene – dreiteilig. Diese Bedeutung wird im Text des Avestas und Vendidads ausgeführt und bestätigt, selbst durch die Spekulationen – höchst mühsame und unbefriedigende Vermutungen – der Übersetzer und Kommentatoren. Es folgt somit, dass die Einteilung der „Erde“, oder vielmehr der Erdkette, in sieben Karshvars nicht in Widerspruch mit den drei „Zonen“ steht, wenn dieser Begriff als „Ebenen“ verstanden wird. Wie Geiger bemerkt, ist diese siebenfältige Einteilung sehr alt – die älteste von allen – da bereits die Gathas von der „siebenteiligen Erde“ sprechen (Bumi haptaiti, „Yasna“, xxxii, 3). Denn „den Angaben der parsischen Schriften zufolge müssen die sieben Karshvars als gänzlich getrennte Teile der Erde betrachtet werden“, was sie auch sicherlich sind. Denn „zwischen ihnen fließt der Ozean, so dass es unmöglich ist, wie an verschiedenen Stellen gesagt wird, von einem Karshvar zum anderen zu gelangen“.117 Der „Ozean“ ist natürlich der Raum, denn Letzterer wurde als „die Wasser des Raumes“ bezeichnet, bevor er als Äther bekannt war. Außerdem wird das Wort Karshvar konsequent mit Dvipa wiedergegeben, und besonders Qaniratha mit Jambudvipa („Neryosangh, Übersetzer des Yasnas“).118 Diese Tatsache wird von den Orientalisten jedoch nicht berücksichtigt, und so müssen wir feststellen, das selbst ein so gelehrter Zoroastrier und gebürtiger Parse wie der Übersetzer von Geigers Werk achtlos und ohne einen einzigen Kommentar über die vielfältigen Anmerkungen des Ersteren bezüglich „Inkongruenzen“ dieser Art in den altpersischen Schriften hinweggeht. Eine dieser „Inkongruenzen“ und „Koinzidenzen“ betrifft die Ähnlichkeit der zoroastrischen mit der indischen Lehre in Bezug auf die sieben Dvipas (Inseln oder vielmehr Kontinente), wie man ihnen in den Puranas begegnet, nämlich: „Die Dvipas bilden durch den Ozean getrennte konzentrische Ringe, welche Jambudvipa umgeben, die im Mittelpunkt gelegen ist“ (S. 130, Bd. I), und, „der iranischen Überzeugung zufolge liegt der Karshvar Qaniratha gleichermaßen in der Mitte der anderen . . . ., jeder von ihnen (die sechs anderen Karshvars) ist ein besonderer, für sich existierender Raum, und so gruppieren sie sich rund um (oberhalb) Qaniratha (ibid., S. 131). [SD # 759] Nun ist Qaniratha nicht, wie Geiger und sein Übersetzer annehmen, „das von den iranischen Stämmen bewohnte Land“, und die anderen Namen bedeuten nicht „die angrenzenden Gebiete fremder Völker im Norden, Süden, Westen und Osten“ (S. 132), sondern sie bezeichnen unseren Globus oder unsere Erde. Denn was ist mit dem Satz gemeint, der dem zuletzt angeführten folgt – „zwei, Vorubarshti und Voruzarshti, liegen im Norden; zwei, Vidadhafshu und Fradadhafshu im Süden; Savahi und Arzahi im Osten und Westen“? Es handelt sich dabei lediglich um eine sehr anschauliche und genaue Beschreibung unserer Planeten“kette“, der Erde, welche im „Buch Dzyan“ (11) wie folgt dargestellt wird:

Die oben angegebenen mazdäischen Namen brauchen lediglich durch die in der Geheimlehre verwendeten ersetzt werden, um einen orthodoxen Lehrsatz zu formulieren. Die „Erde“ (unsere Welt) ist deshalb „dreiteilig“, weil die Weltenkette auf drei verschiedenen Ebenen über unserem Globus gelegen ist; und aufgrund der sieben die Kette zusammensetzenden Globen oder Sphären ist sie siebenteilig. Folglich ist die weitere Bedeutung im Vendidad“, XIX, 39 angegeben, der zeigt: „Qaniratha allein ist verbunden mit imat, ‘diesem’ (dieser Erde), während alle anderen Keshvar mit dem Wort ‘avat’, ‘jenem’ oder jenen kombiniert werden – den oberen Erden.“ Es könnte nicht deutlicher dargestellt werden.

Dasselbe kann über das moderne Verständnis aller anderen alten Glaubens­richtungen gesagt werden.

Ebenso wie die Magier und die modernen Zoroastrier verstanden die Druiden also die Bedeutung der Sonne im Stier, deren heilige und unauslöschliche Feuer allein übrig blieben, um den Horizont zu erleuchten, wenn am ersten November alle anderen Feuer verloschen waren. Und wie die frühe fünfte Rasse und die späteren Chaldäer, wie die Griechen und wiederum auch die Christen, die bis heute dasselbe tun, ohne die wirkliche Bedeutung zu verstehen, grüßten sie den Morgenstern – die schöne Venus-Luzifer.119 [SD # 760] Strabo spricht von einer Insel in der Nähe Britanniens, „auf welcher Ceres und Persephone mit denselben Riten verehrt wurden wie in Samothraki (Buch iv), und diese Insel war die Heilige Jerna“, wo ein immerwährendes Feuer entzündet worden war. Die Druiden glaubten an die Wiedergeburt des Menschen, nicht wie Lucian erklärt, „dass derselbe Geist einen neuen Körper beleben werde, nicht hier, sondern in einer anderen Welt“, sondern an eine Reihe von Reinkarnationen in dieser Welt; denn, wie Diodor sagt, sie erklärten, die Seelen der Menschen gingen nach bestimmten Perioden in andere Körper über.120

Diese Lehrsätze wurden den Ariern der fünften Rasse von ihren Vorgängern der vierten Rasse überliefert, den Atlantiern. Fromm hatten sie die Lehren aufbewahrt, die ihnen erklärten, wie ihre elterliche Wurzelrasse allmählich abglitt, als sie sich ihrem Ende näherte, weil sie durch den Erwerb übermenschlicher Kräfte mit jeder Generation anmaßender wurde. Diese Berichte erinnerten ebenso wohl an den enormen Intellekt der vorangegangenen Rassen wie an ihre riesige Größe. Wir finden in jedem Zeitalter der Geschichte eine Wiedergabe dieser Berichte, in fast jedem alten Bruchstück, das uns vom Altertum überliefert wurde.

Aelian verwahrte einen von Theophrastus in der Zeit Alexanders des Großen verfassten Auszug. Es handelt sich um einen Dialog zwischen Midas, dem Phrygier, und Silenus. Ersterem wird von einem Kontinent erzählt, der in alter Zeit existiert hatte und so unermesslich war, dass Asien, Europa und Afrika im Vergleich mit ihm wie armselige Inseln erschienen. Er war der Letzte, der Tiere und Pflanzen von enormer Größe hervorbrachte. Dort wuchsen, sagte Silenus, die Menschen zur doppelten Größe des größten Mannes in seiner (des Erzählers) Zeit heran, und sie wurden doppelt so alt. Sie hatten reiche Städte mit Tempeln. In einer von diesen (Städten) lebten mehr als eine Million Einwohner, und Gold und Silber waren dort in großem Überfluss zu finden. . . .

Grotes Anregung, Atlantis sei lediglich ein Mythos gewesen, der aus einer Luftspiegelung entstand – indem Wolken auf einem blendend hellen Himmel das Aussehen von Inseln auf einem goldenen Meer annahmen – ist zu unaufrichtig, um weiter beachtet zu werden.

 

A

Esoterische Erklärung einiger Angaben über die

heiligen Inseln und Kontinente in den Klassikern

All das Vorhergehende war Platon und vielen anderen bekannt. Aber da kein Initiierter das Recht hatte, alles, was er wusste, zu veröffentlichen und zu verkünden, erhielt die Nachwelt nur Andeutungen. In dem Bestreben, mehr als Moralist denn als Geograf und Ethnologe oder Historiker zu unterrichten, verschmolz der griechische Philosoph die sich über mehrere Millionen von Jahren erstreckende Geschichte von Atlantis zu einem einziges Ereignis, [SD # 761] das er auf eine verhältnismäßig kleine Insel verlegte. Diese Insel war 3.000 Stadien lang und 2.000 breit (oder ungefähr 350 x 200 engl. Meilen, was ungefähr der Größe Irlands entspricht); wohingegen die Priester von Atlantis als von einem Kontinent sprachen, so groß wie „ganz Asien und Libyen“ zusammen. Platons Erzählung, so sehr sie auch in ihrem allgemeinen Aspekt verändert ist, trägt jedoch den Eindruck der Wahrheit in sich.121 Auf jeden Fall hatte nicht er sie erfunden, nachdem Homer, der ihm um viele Jahrhunderte voranging, in seiner Odyssee von den Atlantäern spricht (die unsere Atlantier sind) und von ihrer Insel. Deshalb war die Überlieferung älter als der Sänger des Odysseus. Die Atlanten und die Atlantiden der Mythologie beruhen auf den Atlanten und den Atlantiden der Geschichte. Sowohl Sanchuniathon als auch Diodor bewahrten die Geschichten jener Helden und Heldinnen auf, wie sehr ihre Berichte auch mit dem mythischen Element vermischt worden sein mögen.

In unserer Zeit erleben wir die außerordentliche Tatsache, dass verhältnismäßig neue Persönlichkeiten wie Shakespeare und Wilhelm Tell fast geleugnet werden, indem man versucht zu zeigen, dass der eine ein Pseudonym und der andere eine Person war, die niemals existierte. Was Wunder daher, dass die beiden mächtigen Rassen – die Lemurier und die Atlantier – im Laufe der Zeit mit ein paar halbmythischen Völkern verschmolzen und identifiziert wurden, die alle denselben Geschlechtsnamen trugen?

Herodot spricht von den Atlanten – einem Volk in Westafrika – die ihren Namen dem Berg Atlas gaben, Vegetarier waren, und „deren Schlaf nie von Träumen gestört wurde“, und die außerdem „die Sonne beim Aufgang und Untergang jeden Tag verfluchten, weil ihre übermäßige Hitze sie versengte und quälte“.

Diese Angaben beruhen auf moralischen und psychischen Tatsachen und nicht auf einer physiologischen Störung. Die Geschichte von Atlas (vide supra) gibt den Schlüssel dazu. Wenn die Atlantier ihren Schlaf niemals durch Träume gestört sahen, dann ist der Grund dafür, dass sich diese besondere Überlieferung mit den frühesten Atlantiern befasste, deren Körperbau und Gehirn noch nicht ausreichend gefestigt waren, im physiologischen Sinn, um den Nervenzentren eine Tätigkeit im Schlafzustand zu ermöglichen. Was die andere Behauptung betrifft – dass sie „die Sonne jeden Tag verfluchten“ – [SD # 762] hat das wiederum nichts mit der Hitze zu tun, sondern mit der moralischen Entartung, die mit der Rasse fortschritt. Das wird in unseren Kommentaren erklärt. „Sie (die sechste Unterrasse der Atlantier) gebrauchten magische Beschwörungen selbst gegen die Sonne“ – und da sie darin keinen Erfolg hatten, verfluchten sie sie. Den Zauberern von Thessalien wurde die Macht zugeschrieben, den Mond herabzuziehen, wie die griechische Geschichte uns versichert. Die Atlantier der späteren Periode waren berühmt für ihre magischen Kräfte und ihre Verruchtheit, wegen ihres Ehrgeizes und ihrer Herausforderung der Götter. Daher kommen dieselben Überlieferungen über die vorsintflutlichen Riesen und den Turm von Babel, die in der Bibel Form annehmen, auch im „Buch Enoch“ vor.

Diodor berichtet noch eine oder zwei weitere Tatsachen: Die Atlantier rühmten sich, das Land zu besitzen, in dem alle Götter geboren wurden; sowie auch Uranus als ihren ersten König gehabt zu haben, der auch der Erste war, der sie in Astronomie unterrichtete. Kaum mehr als das wurde uns vom Altertum her überliefert.

Der Atlasmythos ist eine leicht zu verstehende Allegorie. Atlas steht für die alten Kontinente Lemurien und Atlantis und vereint und personifiziert sie in einem Symbol. Die Dichter schreiben Atlas ebenso wie Proteus eine höhere Weisheit und eine universale Erkenntnis zu, und insbesondere eine vollständige Vertrautheit mit den Tiefen des Ozeans: Denn beide Kontinente trugen Rassen, die von göttlichen Meistern unterrichtet wurden. Beide wurden auf den Grund des Meeres versenkt, wo sie jetzt bis zu ihrem nächsten Wiedererscheinen über den Wassern schlummern. Atlas ist der Sohn einer Meeresnymphe, und seine Tochter ist Kalypso – die „wässrige Tiefe“ (siehe Hesiods „Theogonie“, 507-509 und „Odyssee“, I, 51): Atlantis wurde unter die Wasser des Ozeans versenkt, und ihre Nachkommen schlafen jetzt ihren ewigen Schlaf auf dem Grund des Meeres. Die Odyssee macht ihn zum Wächter und zum „Träger“ gewaltiger Pfeiler, welche die Himmel von der Erde trennen (I, 52-53). Er ist ihre „Stütze“. Und da sowohl das durch Unterwasserfeuer zerstörte Lemurien wie auch das von den Wogen verschlungene Atlantis in den Tiefen des Meeres zugrunde ging,122 heißt es, Atlas sei gezwungen gewesen, die Erdoberfläche zu verlassen und sich in den Tiefen des Tartarus zu seinem Bruder Iapetos zu gesellen. Sir Theodore Martin hat Recht, wenn er dieser Allegorie folgenden Sinn gibt: Atlas „steht auf dem festen Grund der unteren Halbkugel des Universums und trägt so gleichzeitig die Erdscheibe und das Himmelsgewölbe – die feste Hülle der oberen Halbkugel“ . . . („Mémoires de l’Académie des Inscriptions“, S. 176). [SD # 763] Denn Atlas ist gleich Atlantis, welches die neuen Kontinente und deren Horizonte auf seinen „Schultern“ trägt.

Decharme bezweifelt in seiner „Mythologie de la Grèce Antique“ die Richtigkeit von Pierrons Übersetzung des homerischen Wortes ἔχει mit sustinet, da es nicht möglich sei einzusehen, „wie Atlas gleichzeitig verschiedene Säulen unterstützen oder tragen könnte, die sich an verschiedenen Örtlichkeiten befinden“. Wäre Atlas ein Individuum, würde es sich um eine ungeschickte Übersetzung handeln. Da er jedoch einen Kontinent im Westen personifiziert, von dem es heißt, er trage Himmel und Erde gleichzeitig (Aischylos, „Prometheus Vinctus“, S. 351, 429 etc.) – d. h. die Füße des Riesen stehen auf der Erde, während seine Schultern das Himmelsgewölbe tragen, eine Anspielung auf die riesigen Bergspitzen des lemurischen und atlantischen Kontinents – wird das Attribut „Träger“ sehr zutreffend. Der Ausdruck „Bewahrer“ für das griechische Wort ἔχει, das Decharme, Sir Theodore Martin folgend, in der Bedeutung von φυλάσσει und ἐπιμελεῖται versteht, gibt nicht denselben Sinn wieder.

Die Vorstellung war sicherlich verursacht durch die riesige, entlang der Festlandgrenze (oder der Scheibe) verlaufende Bergkette. Diese Bergspitzen senkten ihre Wurzeln bis in den Meeresgrund hinab, während sie ihre Häupter himmelwärts erhoben, sodass sich ihre Spitzen in den Wolken verloren. Die alten Kontinente hatten mehr Berge als Täler. Der Atlas und der Pico del Teide Teneriffas, jetzt zwei der verkümmerten Überreste der beiden vergangenen Kontinente, strebten in den Tagen Lemuriens dreimal so hoch in den Himmel und in den Tagen von Atlantis zweimal so hoch. So nannten die Libyer laut Herodot (IV, 184) den Berg Atlas die „Säule des Himmels“, und Pindar bezeichnete den späteren Ätna als den „himmlischen Pfeiler“ (Pyth., I, 20; Decharme, S. 315). Atlas war zur Zeit Lemuriens ein unzugänglicher Inselgipfel, als der afrikanische Kontinent sich noch nicht erhoben hatte. Er ist der einzige eigenständige westliche Überrest des Kontinents, auf welchem die dritte Rasse geboren wurde, sich entwickelte und stürzte,123 denn Australien ist heute ein Teil des östlichen Kontinents. Nachdem der stolze Atlas, nach der esoterischen Überlieferung, zu einem Drittel seiner Größe in die Gewässer versunken war, verblieben zwei Drittel von ihm als das Erbe von Atlantis.

Das wiederum war den ägyptischen Priestern und Platon selbst bekannt, und allein der feierliche Eid der Geheimhaltung, der sich sogar auf die neuplatonischen Mysterien erstreckte, verhinderte, dass die ganze Wahrheit gesagt wurde.124 [SD # 764] Tatsächlich war das Wissen über die letzten Inseln von Atlantis derartig geheim – wegen der übermenschlichen Kräfte, die ihre Bewohner besaßen, die letzten unmittelbaren Nachkommen der Götter oder göttlichen Könige, wie man dachte – dass die Veröffentlichung ihrer Wohnorte und ihrer Existenz mit dem Tod bestraft wurde. Von den Phöniziern sprechend, welche die einzigen Seefahrer auf den die Westküste Afrikas umspülenden Meeren seien, behauptet Theopompos dies über sein immer verdächtigtes Meropis; sie waren dabei so geheimnisvoll, dass sie sehr oft ihre eigenen Schiffe versenkten, damit alle neugierigen Fremden jede Spur von ihren verlören.

Es gibt Orientalisten und Historiker – und sie befinden sich in der Mehrheit – die sich von der etwas rohen Sprache der Bibel und einigen darin erzählten Ereignissen zwar vollkommen unberührt fühlen, jedoch einen großen Widerwillen gegen die in den indischen und griechischen Pantheons zur Schau gestellten Unsittlichkeiten hegen.125 Es mag uns gesagt werden, dass vor ihnen Euripides, Pindar und selbst Platon dasselbe zum Ausdruck bringen, und dass sie sich auch durch die erfundenen Erzählungen verletzt fühlten – von „den elenden Geschichten der Poeten“, wie Euripides sie nennt (ἀοιδῶν ὅιδε δυστήνοι λόγοι, Hercules furens, 1346, Dindorf s Ausgabe).

Aber es mag vielleicht noch einen anderen Grund dafür gegeben haben. Jene, die wussten, dass mehr als ein Schlüssel für theogonische Symbolik existiert, empfanden es als Missgriff, sie in einer derartig rohen und irre­führenden Sprache ausgedrückt zu sehen. Wenn auch der gebildete und gelehrte Philosoph den Kern der Weisheit unter der rauen Schale der Frucht wahrnehmen konnte und wusste, dass Letztere die größten Gesetze und Wahrheiten der psychischen und physischen Natur und auch den Ursprung aller Dinge verbarg – galt das nicht für die Uneingeweihten. Für ihn war der tote Buchstabe Religion; die Interpretation – ein Frevel. Und dieser tote Buchstabe konnte ihn weder erbauen noch vollkommener machen, da seine Götter ihm ein solches Beispiel gegeben hatten. Für den Philosophen jedoch – [SD # 765] insbesondere für den Initiierten – ist Hesiods Theogonie ebenso geschichtlich wie Geschichte überhaupt sein kann. Platon fasst sie als solche auf und gibt so viel von ihren Wahrheiten preis, als seine Gelöbnisse es ihm erlauben.

Die Tatsache, dass die Atlantier Uranos als ihren ersten König beanspruchten und dass Platon seine Geschichte von Atlantis mit der Teilung des großen Kontinents durch Neptun beginnt, den Enkel von Uranos, zeigt, dass es schon vor Atlantis Kontinente und Könige gab. Denn Neptun, dem der große Kontinent zufiel, findet auf einer kleinen Insel nur ein einziges aus Lehm gemachtes Menschenpaar (d. h. das erste physische, menschliche Wesen, das seinen Ursprung in den letzten Unterrassen der dritten Wurzelrasse nahm). Deren Tochter Clito heiratet der Gott, und sein ältester Sohn Atlas empfängt als seinen Anteil den Berg und den Kontinent, die nach seinem Namen benannt waren.

Nun waren alle Götter sowohl des Olymps als auch des indischen Pantheons und die Rishis die siebenförmigen Personifizierungen (1) der Noumena der intelligenten Kräfte der Natur; (2) der kosmischen Kräfte; (3) der Himmelskörper; (4) der Götter oder Dhyan Chohans; (5) der psychischen und spirituellen Kräfte; (6) der göttlichen Könige auf der Erde (oder der Inkarnationen der Götter); und (7) der irdischen Heroen oder Menschen. Wie unter diesen sieben Formen die eine beabsichtigte zu erkennen sei, diese Wissenschaft gehörte zu allen Zeiten den Initiierten, deren früheste Vorgänger dieses symbolische und allegorische System erschaffen hatten.

Während somit Uranus (oder die durch diese Schar repräsentierte himmlische Gruppe) über die zweite Rasse und ihren (damaligen) Kontinent herrschte und regierte, beeinflusste Kronos oder Saturn die Lemurier; über Atlantis, welches zur Zeit der vierten Rasse die gesamte Erde umfasste, herrschten laut der Allegorie Jupiter, Neptun126 und andere. Poseidonis oder die (letzte) Insel von Atlantis – in der mystischen Sprache der geheimen Bücher „der dritte Schritt Idaspatis“ (oder Vishnus) – existierte bis vor etwa 12.000 Jahren.127 Die Atlantier Diodors hatten Recht mit der Behauptung, ihr Land, die Umgebung des Berges Atlas, sei der Ort gewesen, wo „die Götter geboren wurden“ – d. h. „inkarnierten“. Aber erst nach ihrer vierten Inkarnation wurden sie zum ersten Mal menschliche Könige und Herrscher.

Diodor spricht von Uranus als dem ersten König von Atlantis, und vermischt entweder bewusst oder unbewusst die Kontinente. Aber wie wir gezeigt haben, stellt Platon den Satz indirekt richtig. Der erste astronomische Lehrer der Menschen war Uranus, weil er einer der sieben Dhyan Chohans der zweiten Periode oder Rasse war. Auch im zweiten Manvantara (in dem Swarochishas) [SD # 766] finden wir demnach unter den sieben Söhnen Manus, den herrschenden Göttern oder Rishis dieser Klasse, Jyotis,128 den Unterweiser in der Astronomie (Jyotisha), einen der Namen Brahmâs. Und so verehren auch die Chinesen Tien (oder den Himmel, Ouranos), und nennen ihn ihren ersten Lehrer der Astronomie. Uranus brachte die Titanen der dritten Rasse hervor, und sie (personifiziert durch Saturn-Kronos) waren es, die ihn verstümmelten. Denn die Titanen fielen in die Zeugung, als „die Erschaffung durch den Willen von der physischen Fortpflanzung abgelöst wurde“, sie brauchten Uranus nicht mehr.

Und hier muss eine kurze Abschweifung erlaubt und entschuldigt werden. Infolge des letzten gelehrten Werkes von Gladstone im Nineteenth Century, „The Greater Gods of Olympos“, wurden die Vorstellungen eines Großteils des Publikums über griechische Mythologie noch verdrehter und voreingenommener. Homer wird ein innerer Gedanke zugeschrieben, der von Gladstone als „der wahre Schlüssel zur homerischen Auffassung“ betrachtet wird, während dieser „Schlüssel“ lediglich eine Blende ist. Poseidon „ist in der Tat essenziell von der Erde, irdisch . . . . stark und anmaßend, sinnlich und außerordentlich eifersüchtig und rachsüchtig“, das aber kommt daher, dass er den Geist der vierten Wurzelrasse symbolisiert, den Herrscher der Meere, jener Rasse, die oberhalb der Meeresoberfläche lebt (λίμνη, II, xxiv, 79), aus Riesen bestehend, den Kindern Eurymedons, jenes Geschlechtes, das der Vater des Titanen Polyphem und der einäugigen Zyklopen ist. Auch wenn Zeus über die vierte Rasse regiert, ist es Poseidon, der herrscht und der wahre Schlüssel zur Dreiheit der kronidischen Brüder und zu unseren menschlichen Rassen ist. Poseidon und Nereus sind eins: der Erstere als Herrscher oder Geist von Atlantis vor dem Beginn seines Untergangs, der Letztere danach. Neptun ist die titanische Stärke der lebendigen Rasse; Nereus sein inkarnierter Geist in der folgenden fünften oder arischen Rasse: Und das ist es, was der griechische Gelehrte aus England bis jetzt noch nicht entdeckt oder auch nur dunkel geahnt hat. Und doch macht er viele Beobachtungen über die „Redegewandtheit“ Homers, der Nereus niemals erwähnt und zu dessen Bezeichnung wir ausschließlich über den Familiennamen der Nereiden gelangen!

Somit neigen selbst die gelehrtesten Hellenisten dazu, ihre Spekulationen auf die exoterischen Bilder der Mythologie zu beschränken und ihre innere Bedeutung aus den Augen zu verlieren: Und ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist der Fall des ehrenwerten W. E. Gladstone, wie wir gezeigt haben. Er ist als Staatsmann fast die auffälligste Figur unseres Zeitalters, und gleichzeitig einer der kultiviertesten Gelehrten, die England jemals hervorgebracht hat. Sein ganzes Leben lang studierte er am liebsten die griechische Literatur, und er fand inmitten der Wirren öffentlicher Angelegenheiten Zeit dazu, die zeitgenössische Literatur mit Beiträgen zur griechischen Gelehrsamkeit zu bereichern, welche seinen Namen in den kommenden Generationen berühmt machen werden. Gleichzeitig kann die Schreiberin des Vorliegenden als seine aufrichtige Bewunderin nur tiefes Bedauern darüber verspüren, [SD # 767] dass die Nachwelt, obwohl sie seine tiefe Gelehrsamkeit und glänzende Bildung anerkennen wird, dennoch in dem größeren Licht, das dann auf die ganze Frage der Symbolik und Mythologie scheinen muss, das Urteil fällen wird, dass es ihm nicht gelungen ist, den Geist des religiösen Systems zu erfassen, das er so oft vom dogmatisch christlichen Standpunkt aus kritisierte. In der zukünftigen Zeit wird man wahrnehmen, dass die Geheimlehre der prähistorischen Nationen der esoterische Schlüssel zu den Mysterien, sowohl der christlichen als auch der griechischen Theogonie und Wissenschaft ist, was er zusammen mit anderen abstritt. Diese Lehre allein kann die Verwandtschaft aller religiösen Spekulationen der Menschen oder selbst der sogenannten Offenbarungen aufzeigen, sie ist die Lehre, die den Lebensgeist in die Gliederpuppen auf den Bergen Meru, Olymp, Walhalla oder Sinai eingießt. Wäre Gladstone ein jüngerer Mann, könnten seine Bewunderer darauf hoffen, dass seine gelehrten Studien durch die Entdeckung dieser grundlegenden Wahrheit gekrönt würden. Wie die Dinge aber liegen, verschwendet er die goldenen Stunden seiner zur Neige gehenden Jahre in nutzlose Dispute mit dem gigantischen Freidenker Oberst Ingersoll, wobei jeder mit den Waffen exoterischer Natur kämpft, die den Arsenalen unwissenden Buchstabenglaubens entstammen. Diese beiden großen Polemiker sind gleichermaßen blind für die wahre esoterische Bedeutung der Texte, die sie sich gegenseitig wie Eisenkugeln an den Kopf schleudern, wobei die Welt an solchen Streitigkeiten nur leidet, da der eine die Reihen der Materialisten zu verstärken hilft und der andere die des blinden Sektierertums und des toten Buchstabens. Und nun können wir wieder zu unserem unmittelbaren Gegenstand zurückkehren.

Häufig wird unter einem anderen Namen über Atlantis gesprochen, und zwar unter einem unseren Kommentatoren unbekannten. Groß ist die Macht der Namen, und das war bekannt, seit die ersten Menschen von den göttlichen Meistern unterrichtet wurden. Da Solon sie studiert hatte, übersetzte er die „atlantischen“ Namen durch von ihm selbst erdachte. In Bezug auf den Kontinent von Atlantis ist es erstrebenswert sich vor Augen zu halten, dass die von den alten griechischen Schriftstellern auf uns überlieferten Berichte verwirrte Angaben enthalten. Einige beziehen sich auf den großen Kontinent und andere auf die letzte kleine Insel Poseidonis. Es ist üblich geworden, sie alle so zu verstehen, dass sie sich lediglich auf Letztere beziehen, aber dass das unrichtig ist, geht schon aus der Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Angaben über die Größe etc. von „Atlantis“ hervor.

So sagt Platon im Timaios und Kritias, dass die die Stadt umgebende Ebene selbst wiederum von Bergketten umgeben war . . . . und dass die Ebene glatt und eben und von länglicher Form war, sich von Norden nach Süden dreitausend Stadien in die eine und zweitausend in die andere Richtung erstreckte . . . . Man umgab die Ebene mit einem ungeheuren Kanal oder Graben, 101 Fuß tief, 606 Fuß breit und 1.250 Meilen lang.

Nur wurde die Gesamtlänge der Insel Poseidonis an anderen Stellen etwa genauso angegeben wie hier allein die „die Stadt umgebende Ebene“. [SD # 768] Offenbar bezieht sich eine Reihe der Angaben auf den großen Kontinent, und die andere auf seinen letzten Überrest – Platons Insel.

Das stehende Heer von Atlantis wurde wiederum mit mehr als einer Million Mann angegeben; ihre Marine mit 1.200 Schiffen und 240.000 Mann; derartige Zahlen sind für einen kleinen Inselstaat etwa von der Größe Irlands ganz und gar unpassend!

Die griechischen Allegorien geben dem Atlas oder Atlantis sieben Töchter (sieben Unterrassen), deren Namen Maia, Elektra, Taygeta, Asterope, Merope, Alkyone und Celaeno lauten. Das ist ethnologisch, da ihnen zugeschrieben wird, Götter geheiratet und die Mütter berühmter Helden geworden zu sein, Begründer vieler Nationen und Städte. Astronomisch sind die Atlantiden zu den sieben Plejaden (?) geworden. In der okkulten Wissenschaft sind die beiden mit dem Schicksal von Nationen verbunden, da diese Schicksale durch die vergangenen Ereignisse ihrer früheren Leben entsprechend dem karmischen Gesetz gestaltet sind.

Drei große Nationen des Altertums nahmen eine Abstammung unmittelbar vom Reich des Saturns oder Lemurien für sich in Anspruch (das schon mehrere tausend Jahre vor unserer Ära mit Atlantis verwechselt wurde), und das waren die Ägypter, die Phönizier (vide Sanchuniathon) und die alten Griechen (vide Diodor, nach Platon). Aber von Indien, dem ältesten zivilisierten Land Asiens, kann ebenso gezeigt werden, dass es dieselbe Abstammung behauptet. Unterrassen, vom karmischen Gesetz oder Schicksal geleitet, wiederholen unbewusst die ersten Schritte ihrer betreffenden Mutterrassen. So wie die verhältnismäßig hellen Brahmanen – die zusammen mit ihren dunkelhäutigen Draviden in Indien einfielen – aus dem Norden gekommen sind, muss auch die arische fünfte Rasse ihren Ursprung aus den nördlichen Regionen herleiten. Die okkulten Wissenschaften zeigen, dass die Gründer (die entsprechenden Gruppen der sieben Prajapatis) der Wurzelrassen alle mit dem Polarstern in Verbindung gebracht wurden. Im Kommentar finden wir:

Wer das Zeitalter des Dhruvas129 versteht, das 9.090 sterbliche Jahre misst, wird die Zeiträume der Pralayas verstehen, des schließlichen Schicksals der Nationen, oh Lanu.“

Des Weiteren muss es einen guten Grund dafür gegeben haben, dass eine asiatische Nation ihre großen Vorfahren und Heiligen in den Großen Bären verlegen sollte, ein nördliches Sternbild. Es sind jedoch 70.000 Jahre vergangen, seit der Erdpol auf das entferntere Ende des Schwanzes des Kleinen Bären ausgerichtet war; und noch viele Jahrtausende mehr, seit die sieben Rishis mit dem Sternbild des Großen Bären identifiziert worden sein können.

Die arische Rasse wurde im hohen Norden geboren und entwickelte sich dort, obwohl ihre Stämme nach dem Untergang des Kontinents von Atlantis weiter südwärts nach Asien auswanderten. Daher ist Prometheus der Sohn Asiens, und sein Sohn Deukalion, der griechische Noah – der die Menschen aus den Steinen von Mutter Erde erschuf – [SD # 769] wird von Lukian als nördlicher Skythe bezeichnet, und Prometheus wird zum Bruder von Atlas gemacht und mitten im Schnee an den Berg Kaukasus gefesselt.130

Griechenland hatte seinen hyperboreischen wie auch seinen südlichen Apollo. Somit sind nahezu alle Götter Ägyptens, Griechenlands und Phöniziens und anderer Pantheons nördlicher Herkunft und haben ihren Ursprung in Lemurien, gegen Ende der dritten Rasse, nachdem ihre physische und physiologische Evolution vollständig abgeschlossen war.131 Alle „Fabeln“ Griechenlands würden sich als auf historische Tatsachen aufgebaut erweisen, wäre diese Erzählung lediglich rein durch Mythen auf die Nachwelt überliefert worden. Die „einäugigen“ Zyklopen, die Giganten, die der Fabel nach die Söhne von Coelus und Terra waren – drei an der Zahl, laut Hesiod – waren die letzten drei Unterrassen der Lemurier, wobei das „eine Auge“ sich auf das Weisheitsauge bezog;132 denn die beiden Stirnaugen wurden erst zu Beginn der vierten Rasse vollständig als physische Organe entwickelt. Die Allegorie von Odysseus, dessen Gefährten verschlungen wurden, während der König Ithakas selbst dadurch errettet wurde, dass er das Auge des Polyphems mit einer Fackel blendete, fußt auf der psycho-physiologischen Verkümmerung des „Dritten Auges“. Odysseus gehört dem Zyklus der Heroen der vierten Rasse an und muss, obwohl er in den Augen der Letzteren ein „Weiser“ war, nach Ansicht der pastoralen Zyklopen doch lasterhaft gewesen sein.133 Sein Abenteuer mit den Letzteren – einem wilden Riesengeschlecht, das Gegenteil zivilisierter Gesinnung in der Odyssee, ist ein allegorischer Bericht von dem allmählichen Übergang der zyklopischen Zivilisation der Stein- und der Kollosalbauten zu der mehr sinnlichen und körperlichen Kultur der Atlantier. Letztere ließ schließlich den Rest der dritten Rasse ihr alles durchdringendes spirituelles Auge verlieren. [SD # 770] Die andere Allegorie, nach der Apollo die Zyklopen töten lässt, um den Tod seines Sohnes Asklepios zu rächen, bezieht sich nicht auf die drei Unterrassen, die durch die drei Söhne von Himmel und Erde repräsentiert werden, sondern auf die hyperboreischen arimaspen Zyklopen, die letzten der mit dem „Weisheitsauge“ ausgestatteten Rasse. Die Ersteren ließen überall Überreste ihrer Gebäude zurück, im Süden ebenso wie im Norden; die Letzteren waren lediglich auf den Norden beschränkt. Apollo – in erster Linie der Gott der Seher, dessen Pflicht es ist, Entweihung zu bestrafen – tötete sie also – wobei seine Pfeile die wilden und tödlichen menschlichen Leidenschaften repräsentieren – und verbarg seinen Pfeil hinter einem Berg in den hyperboreischen Regionen (Hyginus, „Astron. Poétique“, Buch II, c. 15). Kosmisch und astronomisch ist dieser hyperboreische Gott die personifizierte Sonne, welche im Verlauf eines siderischen Jahres (25.868 Jahre) das Klima auf der Erdoberfläche verändert, indem sie tropische Regionen in kalte verwandelt und umgekehrt. Psychisch und spirituell ist seine Bedeutung viel wichtiger. Wie Gladstone in seinen „The Greater Gods of Olympos“ trefflich bemerkt: „Die Eigenschaften Apollos (zusammen mit denen von Athene) sind unmöglich zu erklären, ohne auf Quellen zurückzugreifen, die jenseits des Bereichs der meisten zur Erklärung der griechischen Mythologie erforschten Überlieferungen liegen.“ („Nineteenth Century“, Juli 1887)

Die Geschichte von Latona (Leto), der Mutter Apollos, ist überreich an unterschiedlichen Bedeutungen. Astronomisch ist Latona die Polarregion und die Nacht, welche die Sonne, Apollo, Phöbus etc. hervorbringt. Sie wurde in den hyperboreischen Ländern geboren, wo alle Bewohner Priester ihres Sohnes waren, die alle neunzehn Jahre bei der Erneuerung des Mondzyklus seine Wiederauferstehung und seinen Abstieg in ihr Land feierten („Diod. Sic.“, II, 307). Latona ist der hyperboreische Kontinent und seine Rasse – geologisch.134

[SD # 771] Wenn die astronomische Bedeutung der spirituellen und der göttlichen weicht – wobei Apollo und Athene sich als Symbol und Glyphe der höheren Gottheiten und Engel in die Gestalt von Vögeln verwandeln – erlangt der strahlende Gott göttliche schöpferische Kräfte. Apollo wird die Personifizierung der Seherschaft, wenn er das astrale Doppelbild von Äneas auf das Schlachtfeld sendet („Ilias“, 431-53), und hat die Gabe, seinen Sehern zu erscheinen, ohne anderen anwesenden Personen sichtbar zu sein („Ilias“, xvii, 322-35) – eine Gabe, die jeder hohe Adept besitzt.

Der König der Hyperboreer war daher der Sohn von Boreas, des Nordwindes, und Apollos Hohepriester. Der Streit zwischen Latona und Niobe (der atlantischen Rasse) – der Mutter von sieben Söhnen und sieben Töchtern, welche die sieben Unterrassen der vierten Rasse und ihre sieben Zweige (siehe Apollodor für diese Zahl) personifizieren – allegorisiert die Geschichte der zwei Festländer. Der Zorn der „Söhne Gottes“ oder von „Wille und Yoga“ beim Anblick der andauernden Erniedrigung der Atlantier war groß (siehe The Sons of God and the Sacred Island“) und die Vernichtung von „Niobes Kindern“ durch Latonas Kinder – durch Apollo und Diana, die Gottheiten des Lichts, der Weisheit und Reinheit, oder astronomisch durch Sonne und Mond, deren Einfluss Änderungen der Erdachse, Sintfluten und andere große Umwälzungen verursacht – ist somit sehr klar.135 Die Fabel von den unaufhörlichen Tränen Niobes, [SD # 772] deren Gram Zeus veranlasst, sie in einen Brunnen zu verwandeln – Atlantis ist vom Wasser bedeckt – ist als Symbol nicht weniger anschaulich. Man erinnere sich daran, dass Niobe die Tochter einer der Plejaden (oder Atlantiden) ist, daher die Enkelin von Atlas (siehe Ovid, „Metamorphosen“, Buch VI), weil sie die letzten Generationen des verfluchten Kontinents repräsentiert.

Baillys Anmerkung, Atlantis habe einen enormen Einfluss auf das Altertum gehabt, war richtig. Er fügt hinzu: „Wenn diese Namen lediglich Allegorien sind, dann kommt alles, was sie an Wahrheit in sich tragen, von Atlantis; wenn die Fabel eine wirkliche Überlieferung darstellt – wie verändert sie auch sein mag – dann ist die alte Geschichte durchaus ihre Geschichte.“ („Lettres sur l’Atlantide“, S. 137)

Und zwar so sehr, dass alle Schriften – Prosa und Poesie – voll sind von Erinnerungen an die Lemuro-Atlantier, die ersten physischen Rassen, obwohl sie die dritte und die vierte Rasse in Folge darstellen. Hesiod berichtet die Überlieferung von den Menschen der Bronzezeit, die Jupiter aus Eschenholz gemacht hatte, mit Herzen härter als Diamant. Von Kopf bis Fuß in Bronze gekleidet, verbrachten sie ihr Leben mit Kämpfen. Monströs an Größe, mit schrecklicher Kraft ausgestattet, hingen unbesiegbare Arme und Hände von ihren Schultern herab, sagt der Dichter (Hesiod in Werke und Tage“, Vers 143). So werden die Riesen der ersten physischen Rassen geschildert. Die Iraner haben eine Bezugnahme auf die späteren Atlantier in Yasna“, IX, 15. Die Überlieferung behauptet, dass die „Söhne Gottes“ oder die großen Initiierten der Heiligen Insel die Flut dazu benutzten, die Erde von allen Zauberern unter den Atlantiern zu befreien. Der betreffende Vers ruft Zarathustra als einen der „Söhne Gottes“ an. Er lautet wie folgt: „Du, oh Zarathustra, bewirktest, dass alle Dämonen (d. h. Zauberer), die zuvor in menschlichen Formen auf der Welt herumschwärmten, sich in der Erde verbargen.“ (D. h. er half ihnen, unterzutauchen.)

Die Lemurier und auch die frühen Atlantier waren in zwei getrennte Klassen geteilt – die „Söhne der Nacht“ oder Finsternis und die „Söhne der Sonne“ oder des Lichts. Die alten Bücher erzählen uns von schrecklichen Schlachten zwischen den beiden, als die Ersteren ihr Land der Dunkelheit verließen, von welchem sich die Sonne lange Monate entfernte, aus ihren unfreundlichen Gegenden herabstiegen und versuchten, ihren besser gestellten Brüdern in den Äquatorialregionen „den Herrn des Lichts zu entreißen“. Es könnte uns erzählt werden, dass die Alten von der langen, sechs Monate dauernden Nacht in den Polarregionen nichts wussten. Selbst Herodot, der gelehrter war als die Übrigen, [SD # 773] erwähnt lediglich ein Volk, das sechs Monate im Jahr schlief und die andere Hälfte wach blieb. Doch wussten die Griechen gut, dass im Norden ein Land existiert, wo das Jahr in einen Tag und eine Nacht von je sechsmonatiger Dauer geteilt ist, denn Plinius sagt das klar in seinen 4. Buch, c. 12. Sie sprechen von den Kimmeriern und den Hyperboreern, und unterscheiden zwischen den beiden. Die Ersteren wohnten am Palus Maeotis (zwischen dem 45. und dem 50. Breitengrad). Plutarch erklärt, dass sie lediglich ein kleiner Teil einer großen Nation waren, die von den Skythen vertrieben wurden, eine Nation, die nahe Tanais blieb, nachdem sie Asien durchquert hatte. „Diese kriegerischen Massen lebten früher an den Meeresufern, in dichten Wäldern und unter einem düsteren Himmel. Dort berührt der Pol nahezu das Haupt, dort teilen lange Nächte und Tage das Jahr.“ (In Plutarch, „Caius Marius“) Was die Hyperboreer anbelangt, lässt sich Solins „Polyhistor“ (c. 16) über diese Völker folgendermaßen aus: „Sie säen am Morgen, reifen am Mittag, sammeln ihre Früchte am Abend und speichern sie während der Nacht in ihren Höhlen.“

Selbst die Verfasser des Zohar kannten diese Tatsache (wie in III, fol. 10a gezeigt), denn dort ist zu lesen: „Im Buch des Hammannunah, des Alten, lernen wir . . . . dass einzelne Länder der Erde beleuchtet werden, während andere sich in Dunkelheit befinden; diese haben den Tag, während bei den Letzteren die Nacht herrscht; und es gibt Länder, in denen es beständig Tag ist oder zumindest die Nacht nur wenige Augenblicke andauert.“ (Isaac Myers „Qabbalah“, S. 139)

Die Insel Delos, in der griechischen Mythologie Asteria, befand sich niemals in Griechenland, denn dieses Land existierte zu dieser Zeit noch gar nicht, nicht einmal in seiner Molekularform. Verschiedene Schriftsteller haben gezeigt, dass sie ein Land oder eine Insel repräsentierte, die viel größer als die kleinen Landflecken war, die zu Griechenland wurden. Sowohl Plinius als auch Diodoros Siculus versetzten sie in die nördlichen Meere. Der eine nennt sie Basilea oder die „Königliche“ (Diod., Bd. II, S. 225); der andere, Plinius, nennt sie Osericta (Buch xxxvii, c. 2), ein Wort, das nach Rudbeck (Bd. I, S. 462-464) „in den nördlichen Sprachen eine Bedeutung hatte wie in etwa die Insel der göttlichen Könige oder Gottkönige“, oder wieder die „königliche Insel der Götter“, weil die Götter dort geboren waren, d. h. die göttlichen Dynastien der Könige von Atlantis gingen daraus hervor. Mögen die Geografen und Geologen bei der von Nordenskiöld auf seiner Vega-Reise in die arktischen Regionen entdeckten Inselgruppe danach suchen.136 Die geheimen Bücher teilen uns mit, dass sich das Klima in diesen Gegenden mehr als einmal geändert hat, seitdem die ersten Menschen diese nunmehr fast unzugänglichen Breitengrade bewohnten. Sie waren ein Paradies, [SD # 774] bevor sie zur Hölle wurden; der dunkle Hades der Griechen und das kalte Schattenreich, wo die skandinavische Hel, die Gott-Königin des Totenlandes, „tief unten in Helheim und Niflheim herrscht“. Und doch war sie der Geburtsort Apollos, der sowohl der hellste der Götter am Himmel war – astronomisch – als auch, in seiner menschlichen Bedeutung, der erleuchtetste der über die frühen Nationen herrschenden göttlichen Könige. Letztere Tatsache wird in der „Ilias“, IV, 239-62, vide Gladstone, „The Greater Gods of Olympos“, bestätigt, wo es von Apollo heißt, dass er viermal in seiner eigenen Form (als der Gott der vier Rassen) erschien, und sechsmal in menschlicher Form, d. h. im Zusammenhang mit den göttlichen Dynastien der früheren, noch nicht getrennten Lemurier.

Diese frühen mysteriösen Völker, ihre Länder (die heute unbewohnbar sind) sowie auch der Name, der einerseits dem toten, andererseits dem lebenden Menschen gegeben wurde, haben den unwissenden Kirchenvätern die Gelegenheit geboten, eine Hölle zu erfinden, die sie aus einem frostigen in einen brennenden Ort verwandelten.137

Es ist natürlich einleuchtend, dass unsere Atlantier weder die mit den Griechen vertrauten und verkehrenden Hyperboreer, die Kimmerier, die Arimaspen, noch die Skythen waren. Sie waren jedoch alle Abkömmlinge ihrer letzten Unterrassen. Die Pelasger waren sicherlich eine der Wurzelrassen des zukünftigen Griechenlands, und sie waren ein Überrest einer Unterrasse von Atlantis. Von Letzteren sprechend, deutet Platon etwa dasselbe an, dass deren Name, wie behauptet, sich von pelagos ableitet, dem großen Meer. Noahs Sintflut ist astronomisch und allegorisch, aber sie ist nicht mythisch, denn die Geschichte beruht auf derselben archaischen Überlieferung von Menschen – oder vielmehr von Nationen – die während der Umwälzungen in Kanus, Archen und Schiffen gerettet wurden. Niemand würde es wagen zu behaupten, der chaldäische Xisuthrus, der indische Vaivasvata, der japanische Peirum – der „Liebling der Götter“, die ihn in einem Kanu aus der Flut retteten – oder der schwedische Bergelmir, für den die Götter dasselbe im Norden taten, seien allesamt als Persönlichkeiten identisch. Ihre Legenden jedoch entsprangen alle aus der Katastrophe, die sowohl den Kontinent als auch die Insel von Atlantis betraf.

Die Allegorie über die vorsintflutlichen Riesen und ihre Errungenschaften in der Zauberei ist kein Mythos. Es werden tatsächlich biblische Ereignisse offenbart. Aber weder durch die Stimme Gottes unter Donner und Blitz auf dem Berg Sinai, noch durch einen göttlichen Finger, [SD # 775] der den Bericht in Steintafeln ritzte, sondern einfach durch die Überlieferung heidnischer Quellen. Es war sicher nicht der Pentateuch, den Diodor wiedergab, als er über die Titanen schrieb – die Riesen, geboren von Himmel und Erde, oder vielmehr geboren von Söhnen Gottes, die sich die schönen Töchter der Menschen als Frauen nahmen. Auch zitierte Pherekydes nicht aus der Genesis, als er Details über diese Riesen nannte, die sich in den jüdischen Schriften nicht finden. Er sagt, die Hyperboreer stammen vom Geschlecht der Titanen, einer von den frühesten Riesen abstammenden Rasse, und dass die hyperboreische Region der Geburtsort der ersten Riesen war. Die Kommentare zu den heiligen Büchern erklären, dass die erwähnte Region der hohe Norden war, die heutigen Polarländer, der früheste vorlemurische Kontinent, der einstmals das gegenwärtige Grönland, Spitzbergen, Schweden, Norwegen etc. umfasste.

Aber wer waren die Nephilim der Genesis 6,4? In Palästina existierten Zeitalter vor den im Buch der Anfänge berichteten Ereignissen paläolithische und neolithische Menschen. Die theologische Überlieferung identifiziert diese Nephilim mit haarigen Menschen oder Satyrn, Letztere sind ein Mythos der fünften Rasse, und die Ersteren sowohl in der vierten als auch in der fünften Rasse historisch. Wir haben anderswo festgestellt, was die Prototypen dieser Satyrn waren, und haben von der Bestialität der frühen und späteren atlantischen Rasse gesprochen. Was ist die Bedeutung von Poseidons Liebesabenteuern inmitten einer solchen Vielfalt tierischer Formen? Er verwandelte sich in einen Delfin, um Amphitrite zu gewinnen; in ein Pferd, um Ceres zu verführen; in einen Widder, um Theophane zu hintergehen etc. Poseidon ist die Personifizierung nicht nur des Geistes und der Rasse von Atlantis, sondern auch der Laster dieser Riesen. Gesenius und andere widmen der Bedeutung des Wortes Nephilim einen außerordentlichen Raum und erklären sehr wenig. Aber die esoterischen Berichte zeigen, dass diese stark behaarten Geschöpfe die letzten Abkömmlinge der lemuro-atlantischen Rassen sind, die mit weiblichen Tieren einer jetzt längst ausgestorbenen Art Kinder zeugte; so brachten sie stumme Menschen hervor. „Monster“, wie die Stanzen sie bezeichnen.

Nun spricht die auf Hesiods Theogonie aufbauende Mythologie, ein lediglich dichterisch ausgeführter Bericht tatsächlicher Ereignisse oder mündlich überlieferter Geschichte, von drei Rassen namens Briareos, Kottos und Gyges, die in einem dunklen Land lebten, wo sie von Kronos eingesperrt werden, weil sie gegen ihn aufbegehrten. Die Sage stattet alle drei mit hundert Armen und fünfzig Häuptern aus. Letztere repräsentieren Rassen, und die Ersteren Unterrassen und Stämme. Hält man sich vor Augen, dass fast jede Person in der Mythologie einen Gott oder einen Halbgott repräsentiert, und in seinem zweiten Aspekt138 auch einen König oder einen einfachen Sterblichen; [SD # 776] und dass beide als Symbole für Länder, Inseln, Naturkräfte, Elemente, Nationen, Rassen und Unterrassen stehen, wird der esoterische Kommentar verständlich. Er besagt, die drei Riesen seien drei Polarländer, die mehrere Male ihre Form änderten, bei jeder weiteren Umwälzung oder dem Verschwinden eines Kontinents, um einem anderen Platz zu machen. Der gesamte Globus erfährt periodische Erschütterungen; und seit dem Auftreten der ersten Rasse geschah das vier Mal. Obwohl jedoch das gesamte Antlitz der Erde jedes Mal verwandelt wurde, wurde die Gestalt des arktischen und des antarktischen Pols nur wenig modifiziert. Die Polarländer vereinigen sich oder sie zerfallen zu Inseln und Halbinseln, doch sie bleiben immer dieselben. Daher wird Nordasien das „ewige und immerwährende Land“ genannt und die Antarktis das „ewig lebende“ und das „verborgene“; wohingegen die mediterranen, atlantischen, pazifischen und andere Gegenden abwechselnd in den großen Wassern verschwinden und wieder über denselben auftauchen.

Seit dem ersten Erscheinen des großen Kontinents Lemurien waren die drei Polarriesen von Kronos in ihrem Kreis eingekerkert. Ihr Gefängnis ist von einem ehernen Wall umgeben, und der Ausgang führt durch von Poseidon (oder Neptun, also durch die Meere) angefertigte Tore, die sie nicht durchschreiten können; und in dieser nebligen Region, wo ewige Dunkelheit herrscht, schmachten die drei Brüder. Die „Ilias“ (viii, 13) macht daraus den Tartarus. Als sich die Götter und Titanen ihrerseits gegen Zeus – die Gottheit der vierten Rasse – erhoben, erinnerte sich der Vater der Götter an die eingeschlossenen Giganten, auf dass sie ihn unterstützen könnten, die Götter und Titanen zu besiegen und die Letzteren in den Hades zu stürzen; oder, mit klareren Worten, Lemurien unter Donner und Blitz auf den Meeresgrund zu versenken, um so Platz zu schaffen für Atlantis, das wiederum dann versinken und zu Grunde gehen sollte, wenn es an der Reihe wäre.139 Die geologische Hebung und Flut von Thessalien war eine Wiederholung der großen Umwälzung in einem kleineren Maßstab. Und da sie sich dem Gedächtnis der Griechen eingeprägte, wurde sie von ihnen mit dem allgemeinen Schicksal von Atlantis verschmolzen und vermischt. So wurden auch der Krieg zwischen den Rakshasas von Lanka und den Bharatern, das Hin und Her zwischen Atlantiern und Ariern in ihrem Entscheidungskampf oder der Streit zwischen Devs und Izeds (oder Peris) Zeitalter später zum Kampf der in zwei feindliche Lager getrennten Titanen, und noch später zum Krieg zwischen den Engeln Gottes und den Engeln Satans. Historische Tatsachen wurden zu theologischen Dogmen. Ehrgeizige Scholiasten, Männer einer kleinen, erst kurz zuvor geborenen Unterrasse, jene der letzten Nachkommen des arischen Stammes, unternahmen es, das religiöse [SD # 777] Denken der Welt umzukehren, und hatten Erfolg damit. Nahezu zweitausend Jahre lang prägten sie der denkenden Menschheit den Glauben an die Existenz des Satans ein.

Nachdem aber heute mehr als ein Gelehrter des Griechischen zur Überzeugung gelangt ist – wie Bailly und Voltaire – dass Hesiods Theogonie auf geschichtlichen Tatsachen fußt (siehe Decharmes „Mythol. de la Grèce Antique“), wird es für die okkulten Lehren einfacher, ihren Weg in die Gemüter aufmerksamer Menschen zu finden, und deshalb werden diese Zitate aus der Mythologie in unserer Erörterung der modernen Gelehrsamkeit in diesen Anhängen vorgebracht.

Derartige sich in allen exoterischen Glaubensrichtungen findende Symbole sind auch Landmarken prähistorischer Wahrheiten. Das sonnige, glückliche Land, die ursprüngliche Wiege der frühesten Menschenrassen, wurde seit damals mehrere Male hyperboreisch und saturnisch;140 und auf diese Weise wurden unterschiedliche Aspekte des Goldenen Zeitalters und des Reichs von Saturn gezeigt. Es hatte in der Tat einen vielseitigen Charakter – klimatisch, ethnologisch und moralisch. Denn die dritte, lemurische Rasse muss physiologisch in die frühere androgyne und in die spätere zweigeschlechtliche geteilt werden; und das Klima ihrer Wohnorte und Kontinente in das eines ewigen Frühlings und eines ewigen Winters, in Leben und Tod, Reinheit und Unreinheit. Der Zyklus der Legenden wird auf seiner Reise durch die Fantasie des Volkes beständig umgewandelt. Aber er kann von den Unreinheiten, die er auf seinem Weg durch viele Nationen und durch die zahllosen Gemüter aufgelesen hat, die seine eigenen überschwänglichen Zutaten zu den ursprünglichen Tatsachen hinzugefügt haben, befreit werden. Verlassen wir eine Weile die griechischen Auslegungen, damit wir in den wissenschaftlichen und geologischen Beweisen weitere Bestätigungen für die Letzteren suchen können.

 

[SD # 778]
§ VII
wissenschaftliche und geologische Beweise für
die Existenz mehrerer versunkener Kontinente

Es mag nicht verkehrt sein – zum Nutzen jener, die die Überlieferung eines verschwundenen miozänen Atlantis in einen „antiquierten Mythos“ auflösen – ein paar wissenschaftliche Eingeständnisse zu diesem Punkt beizufügen. Die Wissenschaft, das ist wahr, steht solchen Fragen sehr gleichgültig gegenüber. Aber es gibt Wissenschaftler, die bereitwillig einräumen, dass auf jeden Fall ein vorsichtiger Agnostizismus in Bezug auf die ferne Vergangenheit betreffende geologische Probleme viel philosophischer ist als eine a priori ablehnende Verneinung oder eine voreilige Verallgemeinerung aufgrund ungenügender Daten.

Inzwischen möge auf zwei sehr interessante Beispiele hingewiesen werden, auf die wir unlängst gestoßen sind, da sie gewisse Stellen in dem Brief eines Meisters, der im „Esoteric Buddhism“ veröffentlicht wurde, „unterstützen“. Die Bedeutung der Autoritäten wird nicht in Frage gestellt werden:

Auszug aus „Esoteric Buddhism”, S. 70

Nr. 1

„Der Untergang von Atlantis (die Gruppe der Kontinente und Inseln) begann im Eozän . . . . und gipfelte im Miozän, erstens im endgültigen Verschwinden des größten von ihnen, ein Ereignis, das mit der Anhebung der Alpen zusammenfiel, und zweitens im Untergang der letzten der von Platon erwähnten schönen Inseln.“

Auszug aus einem Vortrag von W. Pengelly, F.R.S., F.G.S.

Nr. 1

„Gab es, wie einige glaubten, ein Atlantis – einen Kontinent oder ein Archipel großer Inseln im Bereich des Nordatlantiks? Vielleicht ist gar nichts Unphilosophisches an dieser Hypothese. Denn wie Geologen behaupten, ‘haben die Alpen seit dem Beginn des Eozäns 4.000 und an einigen Stellen sogar mehr als 10.000 Fuß ihrer heutigen Höhe erlangt’ (Lyells „Principles of Geology“, 2. Ausgabe, S. 256) – eine post-miozäne Senkung könnte das hypothetische Atlantis in fast abgründige Tiefen versetzt haben.141

Nr. 2

„Lemurien kann ebenso wenig mit dem Kontinent Atlantis verwechselt werden wie Europa mit Amerika. Die beiden Ersteren versanken und wurden mitsamt all ihren ‘Göttern’ ertränkt; und doch verging zwischen den beiden Perioden ein Zeitraum von ungefähr 700.000 Jahren; Lemurien blühte auf und beendete seine Karriere genau in diesem unbedeutenden Zeit­abschnitt vor dem frühen Eozän, da seine Rasse die dritte war. Schauen Sie sich die Überreste dieser einst großen Rasse in einigen der flachköpfigen Ureinwohner Ihres Australiens an.“ („Esoteric Buddhism“, S. 64-65)

Nr. 2

„Es wäre verfrüht, dies zu behaupten, denn bisher ist nicht bewiesen, dass im Eozän keine Menschen existiert haben könnten, zumal nachgewiesen werden kann, dass eine Menschenrasse, die niedrigste uns bekannte, mit jenen Überresten der Flora des Eozäns koexistierte, die immer noch auf dem Kontinent und den Inseln Australiens überleben.“ (Auszug aus einem Artikel in der „Popular Science Review“, Band V, S. 18, von Professor Seemann, Ph.D. F.L.S., P.A.S.) Haeckel, der die Realität eines früheren Lemuriens vollkommen akzeptiert, betrachtet ebenfalls die Australier als direkte Nachkommen der Lemurier. „Persistente Formen (seiner beiden Lemurierstämme) sind aller Wahrscheinlichkeit nach noch vorhanden . . . Papuas und Hottentotten . . . Australier . . . ein Teil der Malaien.“

[SD # 779] In Bezug auf eine frühere Zivilisation, deren letzter verbliebener Spross ein Teil dieser schwächer gewordenen Australier bildet, ist die Ansicht Gerlands sehr bedeutsam. Über die Religion und Mythologie der Stämme schreibt er: „Nirgends zeigt sich die Behauptung, die australische Zivilisation (?) weise auf eine höhere Stufe hin, klarer wie hier, wo alles wie verhallende Stimmen aus früherer, reicherer Zeit herüberschallt. Daher ist diese Idee, die Australier besäßen keine Spur von Religion und Mythologie, völlig falsch. Aber diese Religion ist sicherlich ziemlich verfallen.“ (Zitiert in Schmidts „The Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 300-1) Was seine andere Feststellung betrifft, nämlich die Australier seien „ein Abteilung der Malaien“ (vide seine ethnologischen Theorien in „The Pedigree of Man“), irrt sich Haeckel, wenn er die Australier mit den Übrigen in eine Reihe stellt. Die Malaien und Papuas sind ein gemischter Stamm und aus den Mischehen der niederen atlantischen Unterrassen mit der siebten Unterrasse der dritten Wurzelrasse hervorgegangen. Gleich den Hottentotten stammen sie indirekt von den Lemuro-Atlantiern ab. Es ist eine höchst bedeutende Tatsache – für die konkreten Denker, die einen physischen Beweis für Karma verlangen – dass die niedersten Menschenrassen jetzt rasch aussterben; ein Phänomen, das größtenteils auf eine außerordentliche, sich bei den Frauen einstellende Sterilität zurückzuführen ist, die mit der Zeit begann, als sie zum ersten Mal mit den Europäern in Kontakt kamen. Auf der ganzen Erde findet ein Prozess der Dezimierung statt bei jenen Rassen, [SD # 780] deren „Zeit abgelaufen ist“ – gerade unter den Stämmen, wohlgemerkt, welche die Esoterische Philosophie als die abgelebten Vertreter verlorener archaischer Nationen betrachtet. Es ist ungenau zu behaupten, das Aussterben einer niederen Rasse sei ausnahmslos eine Folge der von Kolonisten verübten Grausamkeiten oder Misshandlungen. Veränderung der Lebensweise, Alkoholsucht etc. etc. haben viel dazu beigetragen. Aber diejenigen, die sich auf solche Daten als vollständige, ausreichende Erklärung der Probleme berufen, können nicht der Phalanx von Tatsachen standhalten, die jetzt so dicht geschart sind. Selbst der Materialist Lefèvre sagt: „Nichts kann jene retten, die ihre Bahn durchlaufen haben. . . . Ihr vorbestimmter Zyklus müsste erweitert werden. . . . Die Völker, die verhältnismäßig am meisten verschont blieben . . . die Hawaiianer und die Maori, wurden nicht minder dezimiert als die massakrierten oder durch die europäischen Eindringlinge verdorbenen Stämme.“ („Philosophy: Historical and Critical “, S. 508)

Korrekt; ist das hier bestätigte Phänomen aber nicht ein Beispiel für die Wirkung des zyklischen Gesetzes, welches nach materialistischen Grundsätzen schwer zu erklären ist? Woher kommt der „vorbestimmte Kreislauf“ und die hier bezeugte Ordnung? Warum erfasst diese (karmische) Unfruchtbarkeit gewisse Rassen in der ihr „bestimmten Stunde“ und löscht sie aus? Die Antwort, das sei eine Folge des „mentalen Missverhältnisses“ zwischen der kolonisierenden und der eingeborenen Rasse, ist offensichtlich ausweichend, da sie nicht das plötzliche „Ende der Fruchtbarkeit“ erklärt, das so häufig auftritt. Das Aussterben der Hawaiianer, zum Beispiel, ist heute eines der mysteriösesten Probleme. Die Ethnologie wird früher oder später in Übereinstimmung mit den Okkultisten erkennen müssen, dass die wahre Lösung in einem Verständnis der Wirkung Karmas gesucht werden muss. Wie Lefèvre bemerkt: „Die Zeit naht heran, wo nur mehr drei große Menschentypen übrig bleiben“ (vor dem Aufdämmern der sechsten Wurzelrasse), die weiße (die arische fünfte Wurzelrasse), die gelbe und der afrikanische schwarze Typus, sowie ihre Kreuzungen (atlanto-europäische Unterteilungen). Die amerikanischen Ureinwohner, Eskimos, Papuas, Australier, Polynesier etc. etc. – sie alle werden aussterben. Wer begreift, dass jede Wurzelrasse eine Stufenleiter von sieben Unterrassen mit je sieben Zweigen etc. durchläuft, wird das „Warum“ verstehen. Die Flutwelle der inkarnierenden Egos ist an ihnen vorbeigerollt, um in weiter entwickelten und weniger greisenhaften Stämmen Erfahrung zu sammeln; und ihr Verlöschen ist daher eine karmische Notwendigkeit. Einige außerordentliche und unerklärte statistische Daten bezüglich des Aussterbens von Rassen wurden von de Quatrefages in „The Human Species“, S. 428 gegeben. Sie können bislang ausschließlich auf der Ebene des Okkulten erklärt werden.

Aber wir sind von unserem eigentlichen Thema abgewichen. Sehen wir jetzt, was Professor Huxley über diese Frage des früheren atlantischen und pazifischen Kontinents zu sagen hat.

Er schreibt in der Zeitschrift „Nature“ vom 4. Nov. 1880: „Soweit mir bekannt ist, existiert kein biologischer oder geologischer Beweis, der die Hypothese unhaltbar machen würde, dass ein Bereich des mittelatlantischen oder pazifischen Meeresbodens von der Größe Europas nach dem Paläozoikum auf die Höhe des Mont Blanc angehoben wurde und wieder absank, [SD # 781] wenn überhaupt einen Grund existierte, diese Hypothese zu vertreten.“

Es gibt also nichts, was gegen einen positiven Beweis für die Tatsache sprechen könnte; und daher auch nichts gegen die geologischen Postulate der Esoterischen Philosophie. Dr. Seemann versichert uns Folgendes in der „Popular Science Review“ (Bd. V, S. 19), Artikel „Australia and Europe formerly One Continent“:142

„Die Tatsachen, welche die Botaniker zur Rekonstruktion dieser verlorenen Landkarten des Globus sammelten, sind ziemlich umfassend. Sie unterließen es auch nicht, die frühere Existenz großer Festlandstriche in heute von großen Meeren eingenommenen Bereichen nachzuweisen. Die vielen auffälligen Berührungspunkte zwischen der gegenwärtigen Flora der Vereinigten Staaten und derjenigen Ostasiens führten sie zu der Annahme, dass innerhalb der gegenwärtigen Ordnung der Dinge zwischen Südostasien und Westamerika eine kontinentale Verbindung bestanden haben muss. Die einzigartige Entsprechung der gegenwärtigen Flora der Südstaaten Amerikas mit jener der Flora der europäischen Karbonzeit veranlasst sie zu dem Glauben, Europa und Amerika seien im Miozän durch einen Landweg verbunden gewesen, von welchem Island, Madeira und weitere atlantische Inseln Überbleibsel darstellten; dass es sich bei der von einem ägyptischen Priester Solon erzählten Geschichte von Atlantis nicht um reine Fantasie handele, sondern dass sie auf einer soliden geschichtlichen Grundlage beruhe. . . . Das Europa des Eozäns empfing die Pflanzen, die sich über Berge und Ebenen, Täler und Flussufer verbreiteten (im Allgemeinen von Asien her), weder ausschließlich aus dem Süden noch aus dem Osten. Auch der Westen lieferte Beiträge, und wenn sie in dieser Periode auch sehr spärlich waren, zeigen sie doch auf alle Fälle, dass sich die Brücke bereits bildete, die zu einer späteren Periode die Verbindung zwischen den beiden Kontinenten in so merkwürdiger Weise erleichtern sollte. In dieser Zeit begannen einige Pflanzen des westlichen Kontinents, Europa über die damals wahrscheinlich gerade (?) aus dem Ozean auftauchende Insel Atlantis zu erreichen.“

In einer anderen Ausgabe derselben Review (Bd. 16, S. 151) spielt Duppa Crotch, M.A., F.L.S., in einem Aufsatz mit dem Titel „The Norwegian Lemming and its Migrations“ auf denselben Gegenstand an:

„Ist es wahrscheinlich, dass es dort Land gegeben haben könnte, wo heute der breite Atlantische Ozean rollt? Alle Überlieferungen behaupten das: Wie Strabo und andere uns erzählten, sprachen die alten ägyptischen Berichte von Atlantis. Die Sahara selbst ist der Sand eines alten Meeres, und die auf ihrer Oberfläche gefundenen Muscheln beweisen, dass ein Meer über die jetzige Wüste wogte, frühestens vom Miozän an. [SD # 782] Die Reise der ‘Challenger’ erbrachte den Nachweis dreier langer Rücken143 im Atlantischen Ozean,144 einer davon mehr als dreitausend Meilen lang, und seitliche Ausläufer könnten durch die Verbindung dieser Rücken die wundersame Ähnlichkeit der Fauna der atlantischen Inseln erklären.145 . . . . Der versunkene Kontinent Lemurien im jetzigen Indischen Ozean wird als Lösung für viele Probleme in der Erklärung der Verteilung organischen Lebens erachtet, und ich denke, die Existenz eines Atlantis im Miozän wird sich als bedeutender, aufklärender Einfluss erweisen in Bezug auf Gegenstände von größerem Interesse (wahrlich so!) als die Wanderung der Lemminge. Wenn nachgewiesen werden kann, dass in früheren Zeiten dort Land existierte, wo sich heute der Nordatlantik befindet, ist damit nicht nur ein Beweggrund für diese augenscheinlich selbstmörderischen Wanderungen gefunden, sondern auch ein starker Nebenbeweis dafür, dass das, was wir Instinkte nennen, lediglich das blinde und manchmal sogar schädliche Erbe früher erlangter Erfahrung darstellt.“

(In bestimmten Zeiten, lernen wir, schwimmen Unmengen dieser Tiere in das Meer und gehen zugrunde. Sie kommen tatsächlich aus allen Teilen Norwegens, und ein mächtiger Instinkt, der schon seit Zeitaltern als Erbe ihrer Vorfahren fortbesteht, treibt sie an, einen einstmals existierenden Kontinent zu suchen, der jetzt unter den Ozean versunken ist, und damit im Wasser ein Grab zu finden.)

In einem Artikel, der eine Kritik von A. R. Wallaces „Island Life“ enthält – einem Werk, das sich der Frage der Verteilung der Tiere etc. ausführlich widmet – schreibt Starkie Gardner („Subsidence and Elevation“, „Geological Magazine“, Juni 1881):

„Mit Hilfe der von einer umfassenden Reihe von Tatsachen unterschiedlicher Art unterstützten Argumentation kommt er zu dem Schluss, dass die Verteilung des Lebens auf dem Land, wie wir sie jetzt sehen, ohne die Hilfe bedeutender Modifikationen der gegenseitigen Positionen der Kontinente und Meere vollbracht wurde. Akzeptieren wir seine Anschauungen, müssen wir jedoch glauben, dass Asien und Afrika, Madagaskar und Afrika, Neuseeland und Australien, Europa und Amerika in einer nicht allzu fernen geologischen Periode jeweils miteinander vereinigt waren, und dass Meere bis zur Tiefe von 1.000 Faden überbrückt wurden; wir müssen aber die Annahme als völlig grundlos und im völligen Widerspruch zu allen uns zur Verfügung stehenden Beweisen (!!) [SD # 783] ansehen, das gemäßigte Europa und das gemäßigte Amerika sowie Australien und Südamerika seien jemals miteinander verbunden gewesen, außer über den arktischen oder antarktischen Kreis, und Länder, die heute durch mehr als 1.000 Faden tiefe Meere voneinander getrennt sind. Wallace, das muss zugestanden werden, war erfolgreich in der Erklärung der Hauptzüge der bestehenden Lebensverteilung ohne Überbrückung des Atlantischen oder des Pazifischen Ozeans mit Ausnahme in den Polargegenden. Doch kann ich nicht umhin zu denken, einige der Tatsachen könnten möglicherweise einfacher erklärt werden, wenn man die frühere Existenz einer Verbindung der Küsten von Chile und Polynesien146 sowie von Großbritannien und Florida annimmt, die durch die sich zwischen ihnen erstreckenden submarinen Bänke angedeutet sind. Es wurde noch nichts vorgebracht, was diese direkteren Landbrücken unmöglich machen würde, und kein physikalischer Grund dafür angegeben, warum das Bett des Ozeans nicht aus irgendeiner beliebigen Tiefe hätte angehoben werden können. Die Route, über welche sich (laut der anti-atlantischen und der anti-lemurischen Hypothese Wallaces) die Flora Südamerikas und diejenige Australiens angenommenerweise vermischt haben sollen, ist mit nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten gespickt, und das scheinbar plötzliche Auftreten einer Anzahl subtropischer amerikanischer Pflanzen in der Flora unseres Eozäns setzen eine südlichere Verbindung voraus als die gegenwärtige 1.000-Faden-Linie . . . . Unaufhörlich sind Kräfte am Werk, und es gibt keinen Grund, warum eine einmal im Zentrum eines Ozeans in Tätigkeit gesetzte anhebende Kraft wieder ausgesetzt werden sollte, bevor sich ein Kontinent geformt hat. In verhältnismäßig junger geologischer Zeit waren derartige Kräfte aktiv und hoben die höchsten Berge der Erde aus dem Meer. Wallace selbst räumt wiederholt ein, dass sich Seebecken um 1.000 Faden und Inseln aus Tiefen von 3.000 Faden anhoben. Die Annahme, die hebenden Kräfte seien ihrer Stärke nach begrenzt, ist, wie mir scheint, ‘durchaus unbegründet und steht allen uns zu Gebote stehenden Zeugnissen vollständig entgegen’.“

Der „Vater“ der englischen Geologie – Sir Charles Lyell – war in seinen Anschauungen über die Bildung von Kontinenten Uniformitarist. Auf S. 492 seiner „Geological Evidences of the Antiquity of Man“ hören wir ihn sagen:

„Die Professoren Unger („Die versunkene Insel Atlantis“) und Heer („Flora Tertiaria Helvetiae“) vertraten auf Grundlage botanischer Argumente die frühere Existenz eines atlantischen Kontinents in Teilen des Tertiärs, was sie als einzige annehmbare Erklärung für die Analogie zwischen der miozänen Flora Zentraleuropas und der gegenwärtigen Flora Ostamerikas angaben. Nachdem er gezeigt hat, wie viele der amerikanischen, in Europa fossil gefundenen Typen in Japan verbreitet vorkommen, neigt Professor Oliver andererseits der zuerst von Dr. Asa Gray aufgestellten Theorie zu, die Wanderung der Arten, welche aus der Übereinstimmung der Typen der östlichen Staaten Nordamerikas und der miozänen Flora Europas zu folgern ist, habe stattgefunden, als zwischen Amerika und Zentralasien zwischen dem fünfzigsten und sechzigsten Breitengrad oder südlich der Behringstraße eine Überlandverbindung in Richtung der Aleuten bestand. Auf diesem Weg könnten sie in irgendeiner miozänen, pliozänen oder pleistozänen Epoche vor der Eiszeit ihren Weg in das Amurgebiet an der Ostküste Nordasiens gefunden haben.“

Es ist wirklich kaum zu übersehen, wie hier unnötige Probleme und Verwicklungen erschaffen werden, um die Hypothese eines atlantischen Kontinents zu vermeiden [SD # 784] . Stünden die botanischen Zeugnisse für sich allein, wäre die Skepsis teilweise begründet. Aber in diesem Fall laufen alle Zweige der Wissenschaft auf einen Punkt zusammen. Die Wissenschaft hat Fehler gemacht und sich größeren Irrtümern ausgesetzt, indem sie unsere beiden heute nicht erkennbaren Kontinente nicht zuließ. Sie hat selbst das Unleugbare abgestritten, seit den Tagen des Mathematikers Laplace bis heute, bis vor ein paar Jahren.147 Wir haben die Autorität von Professor Huxley, der sagt, dass die diese Sichtweise unterstützenden Beweise nicht a priori unwahrscheinlich sind (vide supra). Doch wird der hervorragende Gelehrte, nachdem der positive Beweis nun erbracht ist, die Schlussfolgerung anerkennen?

Dieses Problem betreffend sagt Sir Charles Lyell an einer anderen Stelle („Principles of Geology“, S. 12-13): „In Bezug auf die Kosmogonie der ägyptischen Priester erhalten wir viele Informationen von den Schriftstellern der griechischen Sekten, die fast all ihre Lehrsätze von Ägypten entlehnt hatten, darunter auch diejenigen von der früheren Zerstörung und darauffolgenden Wiedererneuerung der Welt (kontinentale, nicht kosmische Katastrophen). Wir lernen von Plutarch, dass sie das Thema einer der Hymnen über Orpheus waren, der in den legendären Zeiten Griechenlands so berühmt war. Er hatte sie von den Ufern des Nils mitgebracht, und wir finden sogar in seinen Versen, so wie in den indischen Systemen, dass der Dauer jeder der aufeinanderfolgenden Welten ein bestimmter Zeitraum zugeschrieben wird. Die Wiederkehr der großen Katastrophen war durch die Periode des Annus Magnus oder Großen Jahres bestimmt – ein aus den Umläufen der Sonne, des Mondes und der Planeten zusammengesetzter Zyklus, der dann endet, wenn sie alle wieder zusammen in dasselbe Zeichen zurückkehren, von dem sie angenommenerweise in einer fernen Epoche ausgingen. Wir lernen insbesondere aus Platons Timaios, dass die Ägypter glaubten, die Welt sei gelegentlichen Feuern und Fluten unterworfen. Die Sekte der Stoiker übernahm das System von Katastrophen vollständig, die dazu bestimmt sind, die Welt in bestimmten Intervallen zu zerstören. Dieselben sind, wie sie lehrten, von zweierlei Art – der Kataklysmus oder die Zerstörung durch eine Flut und die Ekpyrosis oder die Zerstörung durch Feuer (Unterwasservulkane). Den Ägyptern verdankten sie die Lehre vom allmählichen Abstieg des Menschen aus einem Zustand der Unschuld“ (ursprüngliche Einfachheit der ersten Unterrassen einer jeden Wurzelrasse). [SD # 785] „Gegen Ende einer jeden Ära konnten die Götter die Verruchtheit der Menschen nicht länger ertragen, und eine Erschütterung der Elemente oder eine Flut versenkte sie (siehe Entartung zu magischen Praktiken und grober Animalität der Atlantier); nach diesem Unglück stieg Asträa wieder auf die Erde herab, um das Goldene Zeitalter zu erneuern“ (Aufdämmern einer neuen Wurzelrasse).

Asträa, die Göttin der Gerechtigkeit, verlässt als letzte der Gottheiten die Erde, wenn die Götter, wie es heißt, sie aufgeben und von Jupiter wieder in den Himmel aufgenommen werden. Aber Zeus trägt Ganymed nicht früher von der Erde weg (das personifizierte Objekt der Lust) als der Vater der Götter Asträa wieder auf sie hinabgeworfen hat, wo sie auf ihrem Kopf landet. Asträa ist das Tierkreiszeichen Jungfrau. Astronomisch hat es eine sehr klare Bedeutung, und eine, die den Schlüssel zum okkulten Sinn ergibt. Aber es ist untrennbar vom Löwen, dem ihm vorangehenden Zeichen, und von den Plejaden und von ihren Schwestern, den Hyaden, deren strahlender Führer Aldebaran ist. Sie alle stehen mit den periodischen Erneuerungen der Erde in Verbindung, mit Bezug auf ihre Kontinente – selbst Ganymed, der astronomisch der Wassermann ist. Es wurde bereits gezeigt, dass der Südpol der Abgrund ist (oder die höllischen Regionen, figürlich und kosmologisch), und der Nordpol geografisch der erste Kontinent; wohingegen astronomisch und metaphorisch der Himmelspol, mit seinem Polarstern im Himmel, Meru ist oder der Sitz Brahmâs, der Thron Jupiters etc. Denn zu der Zeit, als die Götter die Erde verließen und, wie es hieß, in den Himmel aufstiegen, verlief die Ekliptik parallel zum Meridian, und ein Teil des Tierkreises schien vom Nordpol zum nördlichen Horizont hinabzusteigen. Aldebaran befand sich damals in Konjunktion zur Sonne, wie vor 40.000 Jahren bei den großen Festlichkeiten zur Erinnerung an den Annus Magnus, von dem Plutarch sprach. Seit diesem Jahr (vor 40.000 Jahren) fand eine rückläufige Bewegung des Äquators statt, und vor ungefähr 31.000 Jahren war Aldebaran in Konjunktion mit dem Punkt der Frühlingstagundnachtgleiche. Die dem Stier zugeschriebene Rolle, selbst im christlichen Mystizismus, ist zu gut bekannt, um einer Wiederholung zu bedürfen. Der berühmte orphische Hymnus über die große periodische Umwälzung verkündet die gesamte Esoterik des Ereignisses. Pluto (im Abgrund) entführt die von der (Polar-) Schlange gebissene Eurydike. Dann ist Leo, der Löwe, besiegt. Wenn nun der Löwe im Abgrund ist oder unter dem Südpol, dann folgt ihm als nächstes Zeichen die Jungfrau. Wenn sie vom Haupt bis zur Hüfte unter dem südlichen Horizont ist – steht sie auf dem Kopf. Andererseits sind die Hyaden die Regen- oder Flutgestirne; und Aldebaran (der den Töchtern des Atlas oder den Plejaden folgt oder nachfolgt) blickt aus dem Auge des Stiers herab. Von diesem Punkt der Ekliptik aus wurden die Berechnungen des neuen Zyklus begonnen. Der Schüler muss sich auch daran erinnern, dass wenn Ganymed (der Wassermann) in den Himmel (oder über den Horizont des Nordpols) erhoben wird, [SD # 786] die Jungfrau oder Asträa, die Venus-Luzifer ist, kopfüber unter den Horizont des Südpols oder den Abgrund hinab steigt; jenen Abgrund oder Pol, der auch der Große Drache oder die Flut ist. Der Schüler möge seine Intuition üben, indem er diese Tatsachen zusammenstellt; mehr kann nicht gesagt werden.

„Diese Verbindung“, bemerkt Lyell, „zwischen der Lehre der aufeinander­folgenden Katastrophen und der sich wiederholenden Degeneration des moralischen Charakters des Menschengeschlechts ist inniger und natürlicher als man zunächst glauben möchte. Befindet sich eine Gesellschaft in einem Zustand der Verrohung, werden sämtliche großen Übel von den Menschen als Strafe Gottes für die Verruchtheit des Menschen angesehen. . . . Entsprechend finden wir in der Solon von den ägyptischen Priestern mitgeteilten Erzählung über den Untergang der Insel Atlantis unter die Wasser des Ozeans, in der Folge von wiederholten Erschütterungen durch Erdbeben, dass das Ereignis stattfand, als Jupiter die moralische Verkommenheit der Bewohner erkannt hatte.

Stimmt; aber war es nicht eine Folge der Tatsache, dass alle esoterischen Wahrheiten der Öffentlichkeit von den Initiierten der Tempel unter dem Deckmantel von Allegorien mitgeteilt wurden? „Jupiter“ ist lediglich die Verkörperung jenes unveränderlichen zyklischen Gesetzes, das den Abwärtstrend jeder Wurzelrasse aufhält, nachdem sie den Zenit ihrer Herrlichkeit überschritten hat.148 Oder wir schließen uns der einzigartig dogmatischen Meinung von Prof. John Fiske an,149 jeder Mythos sei „eine Erklärung irgendeines Naturphänomens durch einem ungebildeten Verstand; keine Allegorie, kein esoterisches Symbol, denn es ist eine Verschwendung von Scharfsinn (!!) zu versuchen, in den Mythen die Überreste einer kultivierten urzeitlichen Wissenschaft zu entdecken – aber eine Erklärung. Die ursprünglichen Menschen verfügten über keine tiefe Wissenschaft, um sie mittels der Allegorie zu verewigen (woher will Fiske das wissen?), noch waren sie so traurige Pedanten, dass sie in Rätseln sprachen, wenn klare Sprache ihrem Zweck hätte dienen können.“ Wir wagen zu behaupten, die Sprache der wenigen Initiierten sei viel „klarer“ gewesen und ihre Naturwissenschaft-Philosophie viel umfassender und gleichermaßen befriedigender für die physikalischen [SD # 787] wie für die spirituellen Bedürfnisse des Menschen als selbst die von Fiskes Meister – Herbert Spencer – ausgearbeitete Terminologie und sein System. Was aber ist Sir Charles Lyells „Erklärung“ des „Mythos“? Ganz bestimmt unterstützt er in keiner Weise die Idee seines „astronomischen“ Ursprungs, der von einigen Schriftstellern behauptet wird.

Die beiden Interpreten stehen völlig im Widerspruch zueinander, Lyells Lösung ist wie folgt. Da er aufgrund der Nichtexistenz (?) irgendwelcher verlässlicher historischer Daten über den Gegenstand und auch wegen einer starken Voreingenommenheit zugunsten der uniformitarischen Auffassungen der geologischen Veränderungen nicht an kataklysmische Veränderungen glaubt,150 versucht er, die atlantische „Tradition“ auf folgende Quellen zurückzuführen:

(1) Barbarische Stämme bringen Katastrophen mit einem rächenden Gott in Zusammenhang, von dem sie annehmen, dass er auf diese Art unmoralische Rassen bestrafe.

(2) Daher ist der Beginn einer neuen Rasse logischerweise ein tugendhafter.

(3) Die ursprüngliche Quelle der geologischen Grundlage der Überlieferung war Asien – ein Kontinent, der heftigen Erdbeben unterworfen ist. Übertreibende Berichte würden so über Zeitalter weitergereicht.

(4) Ägypten, selbst von Erdbeben verschont, begründete dennoch sein nicht unbeträchtliches geologisches Wissen auf diese Überlieferungen von Umwälzungen.

Eine scharfsinnige „Erklärung“, wie alle anderen auch. Doch eine Negation zu beweisen, ist sprichwörtlich eine schwierige Aufgabe. Die mit den wirklichen Talenten der ägyptischen Priesterschaft vertrauten Schüler der esoterischen Wissenschaft benötigen keine derartig künstlichen Hypothesen. Während ein fantasiereicher Theoretiker immer imstande sein wird, eine leidliche Lösung für Probleme zu liefern, die in einem Wissenschaftszweig die Hypothese periodischer kataklysmischer Veränderungen auf der Oberfläche unseres Planeten notwendig zu machen scheint, [SD # 788] wird der nicht spezialisierte unparteiische Kritiker die unermessliche Schwierigkeit erkennen, die gebündelten Beweise zugunsten früherer, jetzt versunkener Kontinente in Abrede zu bringen – nämlich die archäologischen, ethnologischen, geologischen, traditionellen, botanischen und selbst die biologischen. Kämpft jede der Wissenschaften für sich allein, wird die gebündelte Beweiskraft fast ausnahmslos aus den Augen verloren.

In „The Theosophist“ (August 1880) schrieben wir: „Als Beweis führen wir die ältesten Überlieferungen verschiedener und weit voneinander getrennter Völker an – Legenden in Indien, im alten Griechenland, auf Madagaskar, Sumatra, Java und allen Hauptinseln Polynesiens, sowie die Legenden beider Amerikas. Unter den Ureinwohnern und in den Überlieferungen der reichsten Literatur in der Welt – der Sanskritliteratur Indiens – findet sich eine Übereinstimmung in der Behauptung, dass vor Zeitaltern im Pazifischen Ozean ein großer Kontinent existierte, welcher durch eine geologische Umwälzung vom Meer verschlungen wurde151 (Lemurien). Und es ist unsere feste Überzeugung . . . dass die meisten, wenn nicht alle Inseln vom Malaiischen Archipel bis Polynesien, Bruchstücke jenes einstmals gewaltigen, versunkenen Kontinents sind. Sowohl Malakka als auch Polynesien, die an den beiden Enden des Ozeans liegen und seit Menschengedenken niemals Verkehr miteinander oder auch nur Kenntnis voneinander hatten oder auch nur haben konnten, besitzen dennoch eine allen Inseln und Inselchen gemeinsame Überlieferung, dass ihre Länder sich weit, weit hinaus in die See erstreckten; dass es in der Welt nur zwei gewaltige Kontinente gab, der eine bewohnt von gelben, der andere von dunklen Menschen; und dass der Ozean sie auf Befehl der Götter verschlang, um ihre unaufhörliche Streiterei zu bestrafen. Unbeschadet der geografischen Tatsache, dass Neuseeland und die Sandwich- sowie die Osterinseln 800 bis 1.000 Seemeilen voneinander entfernt liegen, und dass allen Beweisen zufolge weder sie noch irgendwelche anderen dazwischen liegenden Inseln, z. B. die Marquesas-, Gesellschafts-, Fiji-, Tahiti-, Samoa- und weitere, jemals vor der Ankunft der Europäer miteinander verkehrt haben konnten, seit sie zu Inseln geworden waren, da ihre Menschen den Kompass nicht kannten; behaupten sie dennoch alle, dass sich ihre jeweiligen Länder weit zur asiatischen Seite nach Westen hin erstreckten. Ferner sprechen offenbar alle sich nur wenig voneinander unterscheidende Dialekte ein und derselben Sprache, und sie verstehen einander ohne große Probleme, haben dieselben religiösen Überzeugungen und Aberglauben und ziemlich ähnliche Bräuche. Und da wenige der Polynesischen Inseln früher entdeckt wurden als vor einem Jahrhundert und der Pazifische Ozean selbst den Europäern bis zur Zeit von Kolumbus unbekannt war, und da diese Inselbewohner niemals aufgehört haben, dieselben alten Überlieferungen wiederzugeben, seitdem die Europäer zum ersten Mal den Fuß auf ihre Ufer setzten, [SD # 789] scheint es uns eine logische Schlussfolgerung zu sein, dass unsere Theorie der Wahrheit näher ist als alle anderen. Der Zufall müsste seinen Namen und seine Bedeutung ändern, wäre all das ihm allein zuzuschreiben.“

Prof. Schmidt schreibt zur Verteidigung der Hypothese eines früheren Lemuriens und erklärt: „Eine große Reihe tiergeografischer Tatsachen kann nur durch die Annahme des einstigen Bestehens eines südlichen Kontinents erklärt werden, von dem Australien ein Überbleibsel ist. . . . .“ (Die Verteilung der Arten) „deutet auf das verschwundene Südland, wo vielleicht auch die Heimat der Vorfahren der Makis von Madagaskar zu finden sein könnte.“152

A. R. Wallace kommt in seinem „The Malay Archipelago“ nach einer Prüfung der zu Gebote stehenden Fülle an Beweismaterial zu folgendem Schluss: „Aus diesen Tatsachen müssen wir ohne Zweifel die Folgerung schließen, dass die gesamten Inseln östlich von Borneo und Sumatra dem Wesen nach einen Teil eines früheren australischen oder pazifischen Kontinents bilden . . . Dieser Kontinent muss sich früher geteilt haben, als der äußerste südöstliche Teil Asiens über die Wasser des Ozeans angehoben wurde, denn ein Großteil der Landmasse von Borneo und Java ist bekanntlich geologisch eine ziemlich junge Formation.“

Nach Haeckel: „Südasien selbst war nicht die älteste Wiege des Menschen­geschlechts, sondern Lemurien, ein südlich davon gelegener Kontinent, der später unter den Spiegel des Indischen Ozeans versank.“ („The Pedigree of Man“, S. 73) In einem Sinn hat Haeckel damit Recht, dass Lemurien „die Wiege des Menschengeschlechts“ war. Dieser Kontinent war die Heimat des ersten physischen Menschenstammes – der späteren Menschen der dritten Rasse. Vor der Epoche waren die Rassen viel weniger gefestigt und physiologisch ganz verschieden. (Laut Haeckel erstreckte sich Lemurien von den Sundainseln bis nach Afrika und Madagaskar und ostwärts bis Oberindien.)

Der hervorragende Paläontologe Professor Rütimeyer fragt: „Muss die Ver­mutung, die fast ausschließlich Gras und Insekten fressenden Beutel-, Faul-, Gürtel- und Schuppentiere sowie die Ameisenbären und die Strauße hätten einst auf einem südlichen Kontinent einen tatsächlichen Vereinigungspunkt besessen, von welchem die heutigen Floren Feuerlands und Australiens Über­reste darstellen müssten – muss diese Vermutung zu einem Zeitpunkt Fragen aufwerfen, in welchem Heer aus ihren fossilen Überresten die früheren Wälder von Smithsund und Spitzbergen wieder zum Vorschein bringt?“ (Angeführt im Schmidts „The Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 237)

Nachdem wir uns jetzt mit der verbreiteten Haltung der Wissenschaft zu den beiden Fragen allgemein auseinandergesetzt haben, wird es vielleicht zu einer angenehmen Kürze beitragen, wenn wir die auffälligeren Einzelfakten zugunsten dieser grundlegenden Behauptung der esoterischen Ethnologen zusammenfassen – der Wirklichkeit von Atlantis. Lemurien ist weit und breit akzeptiert, [SD # 790] sodass eine weitere Erörterung des Themas unnötig ist. Mit Bezug auf Ersteres findet man jedoch Folgendes:

(1) Die miozäne Flora Europas weist die zahlreichsten und auffallendsten Entsprechungen in den Vereinigten Staaten auf. In den Wäldern Virginias und Floridas findet man Magnolien, Tulpenbäume, immergrüne Eichen, Platanen etc. etc. etc., die den europäischen Pflanzen des Tertiärs Stück für Stück entsprechen. Wie wurde die Wanderung bewirkt, wenn wir die Theorie von einem atlantischen Kontinent ausschließen, der den Ozean zwischen Amerika und Europa überbrückte? Die vorgeschlagene „Erklärung“, der Übergang sei über Asien und die Aleuten erfolgt, ist bloß eine unangebrachte Theorie, die offensichtlich von der Tatsache widerlegt wird, dass eine große Anzahl dieser Pflanzen ausschließlich östlich der Rocky Mountains vorkommen. Das macht auch die Idee einer transpazifischen Wanderung zunichte. Sie wurde jetzt durch den europäischen Kontinent und die Inseln im Norden ersetzt.

(2) An den Ufern der Donau und des Rheins ausgegrabene Schädel zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit denen der Kabiren und der alten Peruaner (Littré). In Mittelamerika wurden Denkmäler ausgegraben, die zweifelsfrei Darstellungen von Köpfen und Gesichtern Schwarzer aufweisen. Wie können derartige Tatsachen erklärt werden, wenn nicht durch die Hypothese von Atlantis? Was jetzt Nordwestafrika ist, war einst durch ein Netzwerk von Inseln mit Atlantis verbunden, von denen heute nur noch Wenige übrig sind.

(3) Nach Farrar („Families of Speech“) hat die „isolierte Sprache“ der Basken keine Verwandtschaft mit den anderen europäischen Sprachen,153 sondern mit „den Ursprachen des großen gegenüberliegenden Kontinents (Amerika), und zwar mit diesen allein“. Professor Broca vertritt diese Meinung ebenfalls.

Der paläolithische europäische Mensch der Miozän- und Pliozänzeit war ein reiner Atlantier, wie wir bereits zuvor festgestellt haben. Die Basken sind natürlich viel jünger als er, aber ihre Verwandtschaft ist, wie hier gezeigt wurde, ein weitgehender Beweis für den ursprünglichen Auszug ihrer entfernten Ahnen. Die „mysteriöse“ Verwandtschaft zwischen ihrer Sprache und der der dravidischen Rassen Indiens wird verstehen, wer unserer Skizze der Bildung und des Kontinentaldrifts gefolgt ist.

(4) Auf den Kanarischen Inseln wurden Steine mit eingemeißelten Symbolen gefunden, die den Funden vom Ufer des Oberen Sees ähneln. Bertholet sah sich durch dieses Beweismaterial veranlasst, [SD # 791] die Rasseneinheit der frühen Menschen der Kanarischen Inseln und Amerikas zu postulieren. (Vgl. Benjamin, „The Atlantic Islands“, S. 130)

Die Guanchen der Kanarischen Inseln waren direkte Nachfahren der Atlantier. Diese Tatsache wird die große Statur erklären, von welcher ihre alten Skelette ebenso zeugen wie die ihrer europäischen Verwandten, der paläolithischen Menschen von Cro-Magnon.

(5) Jeder erfahrene Seemann muss nur den unmessbar tiefen Ozean entlang den Kanarischen Inseln befahren, um sich bald die Frage zu stellen, wann oder wie diese Gruppe vulkanischer und felsiger kleiner Inseln gebildet wurde, die von allen Seiten von gewaltigen Wasserflächen umgeben sind. Häufige Fragen dieser Art führten schließlich zu der Expedition des berühmten Leopold von Buch, die im ersten Viertel des gegenwärtigen Jahrhunderts stattfand. Einige Geologen behaupteten, die vulkanischen Inseln hätten sich direkt vom Grund des Meeres erhoben, dessen Tiefe in unmittelbarer Nachbarschaft der Insel zwischen 6.000 und 18.000 Fuß variiert. Andere waren geneigt, in diesen Gruppen, einschließlich Madeira, den Azoren und den Kapverdischen Inseln, die Überreste eines riesigen, aber versunkenen Kontinents zu sehen, der einstmals Afrika mit Amerika verband. Letztere Wissenschaftler unterstützen ihre Hypothese mit einer Masse von aus alten „Mythen“ entnommenem Beweismaterial zu ihren Gunsten. Uralter „Aberglaube“, wie z. B. das märchenhafte Atlantis Platons, der Garten der Hesperiden, Atlas, der die Welt auf seinen Schultern trägt – alles Mythen, die mit dem Pico del Teide von Teneriffa in Verbindung gebracht wurden, hatten nicht viel Einfluss auf die skeptische Wissenschaft. Die Identität der Tier- und Pflanzenwelt – die beide einen früheren Zusammenhang zwischen Amerika und den verbliebenen Inselgruppen zeigen – (die Hypothese, sie seien von den Wellen von der Neuen zur Alten Welt getrieben worden, war zu unsinnig, um sich lange zu halten) – fand ernstere Beachtung. Aber erst ganz spät, und nachdem Donnellys Buch schon jahrelang veröffentlicht war, hat die Theorie größere Aussicht als je zuvor, als Tatsache akzeptiert zu werden. Es wurde jetzt nachgewiesen, dass an der Ostküste Südamerikas aufgefundene Fossilien Juraformationen angehören, und sie sind nahezu identisch mit den jurassischen Fossilien des westlichen Europas und des nördlichen Afrikas. Der geologische Bau der beiden Küsten ist ebenfalls nahezu identisch; die Ähnlichkeit zwischen den kleineren Seetieren, die in den seichteren Gewässern der südamerikanischen, westafrikanischen und südeuropäischen Küsten leben, ist ebenfalls sehr groß. Alle derartigen Tatsachen sind dazu bestimmt, die Naturforscher zu der Schlussfolgerung zu führen, dass in entfernten prähistorischen Zeiten ein Kontinent bestand, der sich von der Küste Venezuelas quer über den Atlantischen Ozean bis zu den Kanarischen Inseln und nach Nordafrika erstreckte, und von Neufundland bis nahezu an die Küste Frankreichs.

(6) Die große Ähnlichkeit zwischen den jurassischen Fossilien Südamerikas, [SD # 792] Nordafrikas und Westeuropas ist an sich eine ausreichend auffällige Tatsache und lässt keine Erklärung zu, wenn der Ozean nicht durch ein Atlantis überbrückt wurde. Aber warum existiert auch eine derartige Ähnlichkeit in der Fauna (tierisches Leben) der jetzt isolierten atlantischen Inseln? Warum sind die von Sir C. Wyville Thomson mit dem Schleppnetz gefangenen Exemplare der brasilianischen Fauna der von Westeuropa so ähnlich? Warum besteht eine Ähnlichkeit zwischen vielen der westafrikanischen und westindischen Tiergruppen? Und wiederum:

Wenn man die Tiere und Pflanzen der Alten und Neuen Welt vergleicht, kann man nicht umhin von ihrer Gleichheit beeindruckt zu sein. Alle, nahezu alle, gehören denselben Gattungen an, während sogar viele Arten beiden Kontinenten gemeinsam sind, . . . was darauf hindeutet, dass sie aus einem gemeinsamen Zentrum (Atlantis) ausstrahlten.“ (Westminster Review“, Jan. 1872)

Das Pferd hatte laut der Wissenschaft seinen Ursprung in Amerika. Zumindest wurde ein Großteil der einstmals „fehlenden Glieder“, die es mit den niederen Formen verbinden, aus amerikanischen Schichten ausgegraben. Wie kam das Pferd nach Europa und Asien, wenn keine Landverbindung die ozeanischen Zwischenräume überbrückte? Oder wenn behauptet wird, dass das Pferd seinen Ursprung in der Neuen Welt hatte, wie kamen dann in erster Linie Formen wie das Hipparion etc. der Wanderungshypothese zufolge nach Amerika?

Und wiederum: „Buffon hatte . . . diese Wiederholung der afrikanischen in der amerikanischen Fauna bemerkt, z. B. ist das Lama eine jüngere und schwächere Ausgabe des Kamels, der Puma der Neuen Welt repräsentiert den Löwen der Alten (Schmidt, „The Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 223).

(7) Das folgende Zitat hängt mit Nr. 2 zusammen, aber seine Bedeutung ist so groß und der angeführte Verfasser so maßgeblich, dass es einen eigenen Platz verdient:

„In Bezug auf die ursprünglichen Langschädel von Amerika ziehe ich eine noch kühnere Hypothese in Erwägung, nämlich dass sie nahe verwandt sind mit den Guanchen der Kanarischen Inseln und mit den atlantischen Bevölkerungen von Afrika, den Mauren, Tuareg und Kopten, die Latham unter der Bezeichnung Ägypto-Atlantiden zusammenfasst. Wir finden ein und dieselbe Schädelform auf den Kanarischen Inseln, vor der Küste von Afrika und auf den Karibischen Inseln, an der gegenüberliegenden Küste, die auf Afrika blickt. Auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans wird die Hautfarbe dieser Bevölkerungen als rötlichbraun beschrieben.“ (Professor Retzius, „Smithsonian Report“, 1859, S. 266)

Wenn also die Basken und die Höhlenmenschen von Cro-Magnon derselben Rasse angehören wie die kanarischen Guanchen, folgt daraus, dass die Ersteren auch mit den amerikanischen Ureinwohnern verwandt sind. Das ist die Schlussfolgerung, welche die unabhängigen Untersuchungen von Retzius, Virchow und de Quatrefages notwendigerweise verlangen. Die atlantischen Verwandtschaften dieser drei Typen werden offensichtlich.

(8) Die von der „HMS Challenger“ und vom „Dolphin“ unternommenen Tiefseelotungen haben die Tatsache festgestellt, dass sich eine aus den abgrundartigen Tiefen des Atlantischen Ozeans hochragende gewaltige Erhebung [SD # 793] von einem Punkt nahe den Britischen Inseln über 3.000 Meilen in der Länge in Richtung Süden erstreckt, dann nach Kap Verde abbiegt, und in südöstlicher Richtung entlang der westafrikanischen Küste verläuft. Diese Erhebung weist eine Durchschnittshöhe von 9.000 Fuß auf und überragt in den Azoren, in Ascension und an anderen Stellen den Wasserspiegel. In den ozeanischen Tiefen in der Umgebung der Ersteren wurden Rippen einer einstmals massiven Landmasse entdeckt (siehe die Forschungen des Schiffes der Vereinigten Staaten „Dolphin“ und anderer). „Die Unebenheiten, die Berge und Täler seiner Oberfläche, konnten auf keinen Fall in Übereinstimmung mit irgendwelchen bekannten Gesetzen der Ablagerung von Sedimenten oder der Unterwassererhebung entstanden sein; sondern sie müssen im Gegenteil durch Kräfte eingeschnitten worden sein, die über dem Meeresspiegel wirksam sind.“ („Scientific American“, 28. Juli 1877) Es ist höchst wahrscheinlich, dass früher eine Landzunge existierte, die Atlantis mit Südamerika verband, irgendwo oberhalb der Mündung des Amazonas; und auf der Seite Afrikas nahe dem Kap Verde, wobei ein ähnlicher Verbindungspunkt mit Spanien nicht unwahrscheinlich ist, wie Donnelly behauptet (siehe seine Karte, in „Atlantis: The Antediluvian World“, S. 47, engl. Ausg. 1882, obwohl er sich lediglich mit einem Bruchstück des tatsächlichen Kontinents befasst). Ob letztere Verbindung existierte ober nicht, ist angesichts der Tatsache belanglos, dass das (heutige) Nordwest-Afrika – vor der Erhebung der Sahara und vor dem Bruch der Verbindung von Gibraltar – eine Verlängerung von Spanien war. Deshalb kann in Bezug auf die Art und Weise, wie die Wanderung der europäischen Fauna (etc.) stattfand, kein Problem aufgezeigt werden.

Vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus wurde jetzt genug gesagt, und angesichts der Art und Weise, wie der Gegenstand bereits entlang der Linien esoterischen Wissens entwickelt worden ist, macht es überflüssig, immer weitere Zeugnisse zu präsentieren. Zum Schluss mögen die Worte eines der intuitivsten Schriftsteller unserer Zeit angeführt werden, da sie auf bewundernswerte Weise die Anschauungen eines Okkultisten illustrieren, der die Morgendämmerung des folgenden Tages geduldig erwartet:

„Wir beginnen gerade erst, die Vergangenheit zu verstehen; vor hundert Jahren wusste die Welt nichts von Pompeji und Herculaneum, nichts von dem Band der Sprachen, das die indoeuropäischen Nationen miteinander verbindet, nichts von der Bedeutung des großen Buches der Inschriften auf den Gräbern und Tempeln Ägyptens, nichts vom Sinn der babylonischen Keilschriften, nichts von den wunderbaren Zivilisationen, die in den Ruinen von Yukatan, Mexiko und Peru offenbar werden. Wir stehen an der Schwelle. Die wissenschaftliche Forschung schreitet mit Riesenschritten voran. Wer könnte behaupten, dass nicht in hundert Jahren von heute an die großen Museen der Welt mit Gemmen, Statuen, Waffen und Geräten aus Atlantis geschmückt sein könnten, und dass die Bibliotheken der Welt Übersetzungen ihrer Schriften enthielten, die neues Licht auf die gesamte vergangene Geschichte des Menschengeschlechts werfen, und auf alle großen Probleme, die jetzt die Denker von heute in Verlegenheit versetzen?“154

 

 

 

[SD # 794]

Und nun wollen wir zusammenfassen.

Wir haben uns mit den alten Berichten der Völker befasst, mit den Lehren chronologischer und psychischer Zyklen, für welche diese Berichte der greifbare Beweis sind, und mit vielen anderen Gegenständen, die auf den ersten Blick in diesem Band unangebracht erscheinen mögen.

Sie sind jedoch tatsächlich notwendig. Wenn man sich mit den geheimen Annalen und Traditionen so vieler Völker befasst, deren eigentlicher Ursprung niemals auf einer sichereren Grundlage, als lediglich auf Vermutungen beruht, wenn man den Glauben und die Philosophie von mehr als prähistorischen Rassen darlegt, ist es nicht ganz so einfach, mit dem Thema umzugehen, wie es wäre, würde es sich um die Philosophie lediglich einer speziellen Rasse und deren Entwicklung handeln. Die Geheimlehre ist das gemeinsame Eigentum der zahllosen Millionen von Menschen, die in unterschiedlichen Klimazonen geboren werden, in Zeiten, mit denen zu befassen die Geschichte sich weigert und denen die esoterischen Lehren Daten zuschreiben, die mit den Theorien der Geologie und der Anthropologie unvereinbar sind. Die Geburt und Entwicklung der Heiligen Wissenschaft der Vergangenheit sind in der Nacht der Zeit verloren; und selbst dem, was historisch ist – d. h. was sich hier und dort in der alten klassischen Literatur verstreut findet – wird fast immer von der modernen Kritik ein Mangel an Beobachtung seitens der alten Schriftsteller unterstellt oder ein aus der Unwissenheit des Altertums geborener Aberglauben. Es ist daher unmöglich, diesen Gegenstand so zu behandeln wie die gewöhnliche Entwicklung einer Kunst oder Wissenschaft bei irgendeinem breit anerkannten historischen Volk behandelt würde. Nur dadurch, dass man dem Leser eine Fülle von Beweisen vorlegt, alle darauf abzielend aufzuzeigen, dass sich in allen Zeitaltern, unter allen Bedingungen der Zivilisation und Erkenntnis, die gebildeten Klassen aller Nationen zu den mehr oder weniger getreuen Echos eines identischen Systems und seiner fundamentalen Überlieferungen machten – nur dadurch kann er dahin gebracht werden einzusehen, dass so viele Ströme desselben Wassers eine gemeinsame Quelle gehabt haben müssen, aus welcher sie entsprangen. Was war diese Quelle? Wenn es heißt, zukünftige Ereignisse würden ihre Schatten vorauswerfen, müssen auch vergangene Ereignisse ihren Eindruck hinterlassen haben. Mittels der Schatten jener grauen Vergangenheit und ihrer fantastischen Umrisse auf dem äußeren Schirm aller Religionen und Philosophien können wir also, indem wir sie im Vorübergehen untersuchen und vergleichen, schließlich den Körper zurückverfolgen, der sie hervorbrachte. Wahrheit und Fakten müssen sich in dem finden, was alle Völker des Altertums annahmen und zur Grundlage ihrer Religionen und ihres Glaubens machten. Außerdem, wie Haliburton sagte: „Hört eine Seite, und ihr werdet im Dunklen sein; hört beide Seiten, und alles wird klar sein.“ Die Öffentlichkeit hat bisher nur eine Seite kennengelernt und gehört – oder vielmehr die zwei einseitigen Ansichten zweier diametral entgegengesetzter Klassen von Menschen, deren prima facie Behauptungen oder entsprechenden Prämissen sich auf den ersten Blick stark voneinander unterscheiden, ihre schlussendlichen Folgerungen jedoch dieselben sind – Wissenschaft und Theologie. [SD # 795] Und nun haben unsere Leser die Gelegenheit, die Rechtfertigung der anderen zu hören – der Angeklagten – und die Art unserer Argumente zu erfahren.

Bliebe die Öffentlichkeit ihren alten Ansichten überlassen, nämlich einerseits, dass Okkultismus, Magie, die alten Legenden etc. allesamt das Ergebnis von Unwissenheit und Aberglauben sind; und andererseits, dass alles außerhalb der orthodoxen Linie Teufelswerk sei, was würde daraus folgen? Mit anderen Worten, wäre in den letzten Jahren keinerlei theosophischer und mystischer Literatur Gehör geschenkt worden, hätte das vorliegende Werk lediglich geringe Aussicht auf unparteiische Betrachtung gehabt. Man hätte es zu einem Märchen erklärt – und viele werden es immer noch tun –, aus abstrusen Problemen gewoben, auf Luft gebaut, aus Seifenblasen, die bei der leisesten Berührung durch ernsthafte Überlegungen zerplatzten, und das, wie man behaupten würde, keine Grundlage hätte, auf der es stehen könnte. Selbst „die alten abergläubischen und leichtgläubigen Klassiker“ enthielten kein Wort in klaren und unmissverständlichen Formulierungen, das sich darauf bezöge, und die Symbole selbst verfehlten, einen Hinweis auf die Existenz eines solchen Systems zu geben. So würde das Urteil aller lauten. Wird jedoch unwiderlegbar bewiesen, dass der Anspruch der heutigen asiatischen Völker auf eine Geheimwissenschaft und eine esoterische Weltgeschichte auf Tatsachen beruht; dass diese zwar den Massen bisher unbekannt und selbst für die Gelehrten ein verschleiertes Geheimnis waren (weil sie niemals den Schlüssel zu einem rechten Verständnis der zahlreichen, von den alten Klassikern verbreiteten Andeutungen besaßen), aber kein Märchen ist, sondern die Wirklichkeit; dann wird das vorliegende Werk lediglich der Vorläufer vieler weiterer derartiger Bücher werden. Die Behauptung, bis jetzt hätten sich selbst die von einigen großen Gelehrten gefundenen Schlüssel für den Gebrauch als zu rostig erwiesen, und dass sie lediglich schweigende Zeugen dafür seien, dass hinter dem Schleier sehr wohl Mysterien existieren, die ohne einen neuen Schlüssel unerreichbar seien – wird von zu vielen Beweisen unterstützt, als dass sie einfach verworfen werden könnte. Zur Illustration möge ein Beispiel aus der Geschichte der Freimaurerei gegeben werden.

In seinem „Orthodoxie Maçonnique: suivie de la Maçonnerie occulte et de l‘initiation“ tadelt Ragon, ein berühmter und gelehrter belgischer Freimaurer, berechtigt oder unberechtigt, die englischen Brüder, die einst auf den Alten Mysterien aufbauende Freimaurerei materialisiert und entehrt zu haben, indem sie aufgrund einer irrtümlichen Vorstellung über den Ursprung der Zunft den Namen Freie Maurerei und Freie Maurer annahmen. Der Irrtum, sagt er, ist denen anzurechnen, die die Maurerei mit der Erbauung des Salomonischen Tempels in Verbindung bringen und ihren Ursprung daraus herleiten. Er verspottet die Idee und sagt: . . „Der Franc Mason (der nicht maçon libre oder Freimaurerei ist) wusste bei der Annahme des Titels genau, dass es sich nicht darum handelte, eine Mauer zu erbauen, sondern darum, in die alten Mysterien initiiert zu werden, die unter dem Namen der Francmaçonnerie (Freimaurerei) verschleiert sind; dass seine Arbeit lediglich die Fortsetzung oder Erneuerung der alten Mysterien sein solle und dass er ein Maurer nach der Art Apollos oder Amphions werden sollte. Und wissen wir nicht, dass die alten initiierten Dichter, wenn sie von der Gründung einer Stadt sprachen, [SD # 796] damit die Aufstellung einer Lehre meinten? So stellten sich Neptun, der Gott des logischen Denkens, und Apollo, der Gott der verborgenen Dinge, Priams Vater Laomedon als Maurer vor, um ihm zu helfen, die Stadt Troja zu erbauen – das heißt, die trojanische Religion zu stiften.“ („Orthodoxie Maconnique“, S. 44)

Derartig verschleierte zweideutige Sätze sind bei den alten Schrift­stellern häufig zu finden. Wäre daher ein Versuch gemacht worden, z. B. zu zeigen, dass Laomedon einen Zweig der archaischen Mysterien gründete, in welchem die erdgebundene materielle Seele (das vierte Prinzip) durch Menelaos untreue Frau (die schöne Helena) personifiziert war, und Ragon nicht gekommen wäre, unsere Behauptungen zu bekräftigen, hätte man uns vielleicht gesagt, dass kein klassischer Autor etwas Derartiges geäußert hätte und dass Homer Laomedon eine Stadt erbauen ließ und nicht einen esoterischen Kult oder Mysterien! Abgesehen von einigen Initiierten, wer wäre heute noch fähig, die Sprache und korrekte Bedeutung derartiger symbolischer Begriffe zu verstehen?

Doch obwohl wir auf so manches missverstandene Symbol hingewiesen haben, das sich auf unsere Thesen bezieht, bleiben doch noch viele Schwierigkeiten zu überwinden. Das wichtigste dieser Hindernisse ist die Chronologie. Aber das ist kaum zu ändern.

Eingekeilt zwischen theologischer Chronologie und Geologen, unterstützt von allen materialistischen Anthropologen, die dem Menschen und der Natur Zeiträume zuschreiben, die einzig zu ihren eigenen Theorien passen – was hätte die Schreiberin noch mehr tun können, als sie getan hat? Nachdem die Theologie die Sintflut auf 2.448 v. Chr. ansetzt und die Erschaffung der Welt vor lediglich 5.890 Jahren; und nachdem die genauen Forschungen nach den Methoden der exakten Wissenschaft die Geologen und Physiker dahin geführt haben, die Krustenbildung unseres Globus zwischen 10 Millionen und 1.000 Millionen Jahren anzusetzen155 (ein geringfügiger Unterschied, fürwahr!); und die unterschiedlichen Meinungen der Anthropologen über das Erscheinen des Menschen schwanken – zwischen 25.000 und 500.000 Jahren – was kann jemand, der die okkulte Lehre studiert, anderes tun, als die esoterischen Berechnungen der Welt tapfer vorzulegen?

Aber um das zu tun, war eine Bestätigung durch „historische“ Belege notwendig, wenn auch nur durch wenige, obwohl alle den wirklichen Wert der sogenannten „historischen Beweise“ kennen. Denn ob der Mensch vor 18.000 oder 18.000.000 Jahren auf der Erde erschien, kann für die profane Geschichte keinen Unterschied machen, da sie kaum ein paar tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung beginnt, und sie setzt sich hoffnungslos dem Kriegslärm von sich widersprechenden und gegenseitig zerstörenden Meinungen aus, die sie umgeben. Wie auch immer, angesichts des Respekts, welcher dem gewöhnlichen Leser für die exakte Wissenschaft anerzogen wurde, würde selbst diese kurze Vergangenheit bedeutungslos bleiben, würden die esoterischen Lehren nicht an Ort und Stelle bestätigt und untermauert – wann immer möglich – durch Verweise auf historische Namen der sogenannten historischen Periode. [SD # 797] Das ist der einzige Führer, der dem Anfänger gegeben werden kann, bevor ihm erlaubt wird, in die (für ihn) ungewohnten Windungen des dunklen Labyrinths einzutreten, das die prähistorischen Zeitalter genannt wird. Dieser Notwendigkeit wurde Genüge getan. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Wunsch, so zu handeln, der die Schreiberin dahin geführt hat, andauernd alte und neue Zeugnisse zur Bestätigung der archaischen und ziemlich unhistorischen Vergangenheit vorzubringen, ihr nicht die Anklage einbringen wird, die verschiedenen, weit auseinanderliegenden Perioden der Geschichte und Überlieferung ohne Ordnung und Methode heillos durcheinandergeworfen zu haben. Die literarische Form und Methode musste jedoch der größeren Klarheit der allgemeinen Darlegung geopfert werden.

Um die vorgenommene Aufgabe zu vollenden, musste die Schreiberin zu dem ziemlich ungewöhnlichen Mittel Zuflucht nehmen, jeden Band oder jedes Buch in drei Abschnitte zu teilen, von welchen lediglich der erste die fortlaufende, wenn auch sehr fragmentarische Geschichte der Kosmogonie und der Evolution des Menschen auf diesem Globus darstellt. Diese beiden Bände mussten jedoch als Prolog dienen und das Gemüt des Lesers auf jene vorzubereiten, die jetzt folgen sollen. Bei der Behandlung der Kosmogonie und anschließend der Anthropologie des Menschen war es notwendig zu zeigen, dass keine Religion, von der allerfrühesten an, jemals vollständig auf Fiktion beruhte, dass keine von ihnen Gegenstand einer besonderen Offenbarung war; und dass es einzig und allein das Dogma war, welches seit jeher die ursprüngliche Wahrheit tötete. Schließlich, dass keine vom Menschen erschaffene Lehre, kein Glaube, wie sehr er auch durch Brauch und Alter geheiligt ist, sich an Heiligkeit mit der Religion der Natur messen kann. Der Schlüssel der Weisheit, der die gewaltigen Tore aufschließt, die zum Arkanum der innersten Heiligtümer führen, kann nur in ihrem Schoß verborgen gefunden werden: und dieser Schoß befindet sich in Ländern, auf die der große Seher des vergangenen Jahrhunderts, Emanuel Swedenborg, hingewiesen hat. Dort liegt das Herz der Natur, jener Schrein, aus dem die frühen Rassen der ursprünglichen Menschheit hervorgingen und der die Wiege des physischen Menschen ist.

So weit die groben Umrisse der Glaubensvorstellungen und Lehren der archaischen, frühesten Rassen, die in ihren bisher geheimen biblischen Aufzeichnungen enthalten sind. Unsere Erklärungen sind jedoch durchaus unvollständig, und sie behaupten auch nicht, den vollständigen Wortlaut herauszugeben oder mit Hilfe von mehr als drei oder vier Schlüsseln des siebenfachen Bundes der esoterischen Interpretation gelesen zu haben; und selbst das ist nur teilweise geschehen. Die Arbeit ist für eine Person zu umfangreich, um bewältigt zu werden. Unser Hauptbestreben war lediglich, den Boden vorzubereiten. Wir sind zuversichtlich, das erreicht zu haben. Diese beiden Bände stellen nur die Arbeit eines Pfadfinders dar, der sich den Weg in das beinahe undurchdringliche Dickicht der jungfräulichen Urwälder des okkulten Landes erzwungen hat. Ein Anfang wurde gemacht mit dem Fällen und Entwurzeln der todbringenden Upasbäume des Aberglaubens, des Vorurteils und der anmaßenden Unwissenheit, so dass diese beiden Bände dem Schüler ein geeignetes Präludium zu Band III und IV bilden sollen. Bis der Müll der Zeitalter aus den Gemütern der Theosophen, denen diese Bände gewidmet sind, weggeräumt ist, ist es unmöglich, dass die im dritten Band enthaltene praktischere Lehre verstanden werden kann. Deshalb hängt es vollständig von der Aufnahme ab, welche Band I und II in den Händen der Theosophen und Mystiker finden wird, ob die beiden letzten Bände jemals veröffentlicht werden, obwohl sie beinahe vollendet sind.

Satyat Nasti paro dharmah

KEINE RELIGION IST HÖHER ALS DIE WAHRHEIT

 

 

 

Ende des zweiten Bandes

 

 

 

Fußnoten

1 „The Human Spezies“, S. 111 von de Quatrefages. Er bezieht sich auf die entsprechende Entwicklung des Menschen- und des Affengehirns. „Beim Affen erscheinen die spheroidalen Falten im Schläfenbereich, die den mittleren Lappen bilden, früher und werden vor den vorderen Windungen fertiggestellt, die den Stirnlappen bilden. Beim Menschen erscheinen im Gegensatz dazu die Stirnwindungen zuerst, und die des Mittellappens werden später gebildet.“ (Ibid.)

2 Eine Bemerkung des Herausgebers fügt dem hinzu, dass ein gewisser „F. J. B.“ im „Antenaeum“ – (Nr. 3069, Aug. 21, 1886, S. 242-243) darauf hinweist, die Naturforscher hätten lange erkannt, dass es „morphologische“ und „physiologische“ Arten gibt. Die Ersteren haben ihren Ursprung im Denken der Menschen, die Letzteren in einer Reihe von Veränderungen, die hinreichend sind, sowohl die inneren als auch die äußeren Organe einer Gruppe verwandter Individuen zu beeinflussen. Die „physiologische Selektion“ der morphologischen Spezies stellt eine Verwirrung von Ideen dar; die der physiologischen Spezies „eine Begriffsredundanz“.

3 Nägelis „Prinzip der Vervollkommnungsfähigkeit“; von de Baers „Streben nach dem Zweck“; Brauns „Göttlicher Hauch als innerer Antrieb in der Evolutionsgeschichte der Natur; Professor Owens „Trieb nach Vervollkommnungsfähigkeit“ etc. – das sind allesamt Formulierungen für die verschleierten Manifestationen des universalen, leitenden Fohats, von göttlichem und dhyan-chohanischem Gedanken erfüllt.

4 Vide infra, M. de Quatrefages Exposé über Haeckel, in § ii, „Die Wissenschaft bietet eine Ahnenmenschheit an“.

5 Genau gesagt ist du Bois-Reymond ein Agnostiker und kein Materialist. Er hat sehr stark gegen die Behauptung der materialistischen Lehre protestiert, spirituelle Phänomene seien lediglich das Ergebnis von Molekularbewegung. Die genaueste physiologische Kenntnis des Aufbaus des Gehirns ließe uns „nichts anderes übrig als in Bewegung befindliche Materie“, behauptet er; „wir müssen weiter gehen, und die vollständig unbegreifbare Natur des psychischen Prinzips zugestehen, die unmöglich lediglich als das Ergebnis materieller Ursachen betrachtet werden kann.“

6 Für die Erklärung des Begriffs Kriyashakti siehe Kommentar 2 zu Stanze 26.

7 The Pedigree of Man“ – The Proofs of Evolution“, S. 273.

8 Verfasser von „Modern Science and Modern Thought“.

9 Vide Teil II dieses Bandes, Stanze VIII, S. 211-2.

10 Hierin wurde, wie in Teil I, die moderne Wissenschaft weit über ihre eigenen Spekulationen in dieser Richtung hinaus von der archaischen Wissenschaft vorweggenommen.

11 Theosophen werden sich daran erinnern, dass gemäß der okkulten Lehre sogenannte zyklische Pralayas lediglich Verdunklungen sind, Perioden, in welchen die Natur, d. h. alles Sichtbare und Unsichtbare auf einem ruhenden Planeten, im Status quo verbleibt. Die Natur ruht und schlummert, es gibt keine Zerstörung auf dem Globus, auch wenn kein aktives Werk getan wird. Alle Formen sowie ihre astralen Typen verbleiben so, wie sie im letzten Augenblick ihrer Aktivität sind. Die „Nacht“ eines Planeten tritt ohne nennenswerte vorangehende Dämmerung ein. Er wird von ihr erfasst wie ein gewaltiges Mammut von einer Lawine, und verbleibt schlummernd und gefroren bis zur nächsten Dämmerung seines neuen Tages – der sehr kurz ist im Vergleich zu einem „Tag Brahmâs“.

12 Das wird geringschätzig behandelt werden, weil es von unseren modernen Wissenschaftlern nicht verstanden werden wird; aber jeder Okkultist und Theosoph wird den Vorgang leicht verstehen. Weder auf der Erde (noch im Universum) kann es eine objektive Form geben, ohne dass ihr astraler Prototyp zuvor im Raum gebildet worden wäre. Von Phidias herunter bis zum bescheidensten Töpfer – muss jeder Bildhauer zunächst in seinen Gedanken ein Modell erschaffen, dann dasselbe in ein- oder zweidimensionalen Linien skizzieren, und erst dann kann er es in einer dreidimensionalen oder objektiven Figur reproduzieren. Und wenn das menschliche Gemüt ein lebendiges Beispiel solcher aufeinanderfolgender Stadien im Evolutionsvorgang ist – wie könnte es anders sein, wenn das Gemüt der Natur und ihre schöpferischen Kräfte in Betracht kommen?

13 Es scheint somit, dass die Haeckelsche Schule in ihrem ängstlichen Bestreben, unsere edle Abstammung von dem schmalnasigen „Pavian“ zu beweisen, die Zeiten des prähistorischen Menschen um Jahrmillionen zurückverlegt hat (siehe „The Pedigree of Man“, S. 273). Die Okkultisten danken der Wissenschaft für eine derartige Bestätigung unserer Behauptungen!

14 Das scheint ein armseliges Kompliment an die Geologie zu sein, die nicht eine spekulative, sondern eine ebenso exakte Wissenschaft ist wie die Astronomie – mit Ausnahme vielleicht ihrer allzu gewagten chronologischen Spekulationen. Sie ist vorwiegend eine „deskriptive“ im Gegensatz zu einer „abstrakten“ Wissenschaft.

15 Solche neu geprägten Begriffe wie „Perigenesis der Plastidule“, „Plastidulseelen“ (!), und weitere weniger gelehrte und anmutige, von Haeckel erfunden, mögen sehr richtig sein, insofern sie die Idee in seiner eigenen lebendigen Fantasie sehr anschaulich ausdrücken können. Als Fakten jedoch bleiben sie für seine weniger fantasievollen Kollegen schmerzhaft zenogenetisch – um seine eigene Terminologie zu benutzen; d. h. für die wahre Wissenschaft sind sie unberechtigte Spekulationen, solange sie aus „empirischen Quellen“ hergeleitet werden. Wenn er daher zu beweisen versucht, dass „die Abstammung des Menschen von anderen Säugetieren, und am direktesten vom catarrhinen Affen, ein deduktives Gesetz ist, welches notwendigerweise dem induktiven Gesetz der Abstammungslehre folgt“ („Anthropogenie“, S. 392) – haben seine nicht weniger gelehrten Gegner (du Bois-Reymond, zum Beispiel) ein Recht, diesen Satz als bloßes Wortspiel zu betrachten; ein „testimonium paupertatis der Naturwissenschaft“ – wie er selbst beklagt, während er sie umgekehrt als ignoramuses bezeichnet (siehe „The Pedigree of Man“, Anmerkungen).

16 Die mentale Barriere zwischen Mensch und Affe, von Huxley als eine „enorme Kluft, ein praktisch unermesslicher Abstand“!! charakterisiert, ist in der Tat in sich schlüssig. Sicherlich bildet sie eine beständige Schwierigkeit für den Materialisten, der sich an den schwachen Strohhalm der „natürlichen Selektion“ klammert. Trotz einer seltsamen Gemeinsamkeit gewisser Züge sind die physiologischen Unterschiede zwischen Mensch und Affe tatsächlich ebenso auffällig. Dr. Schweinfurth, einer der wichtigsten und erfahrensten Naturforscher, behauptet: „Kein Tier hat in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Studenten stärker auf sich gezogen als die großen Quadrumana (die Anthropoiden), die eine derartig verblüffende Ähnlichkeit mit der menschlichen Gestalt aufweisen, dass es gerechtfertigt ist, sie als anthropomorph zu bezeichnen. . . . . Doch alle Untersuchungen führen die menschliche Intelligenz gegenwärtig zum Eingeständnis seiner Unzulänglichkeit; und nirgends ist größere Vorsicht geboten, nirgends ein voreiliges Urteil mehr abzulehnen als beim Versuch, die mysteriöse Kluft zu überbrücken, die Mensch und Tier voneinander trennt.“ („Heart of Africa“, 1, 519-20.)

17 Ein Beispiel lächerlicher evolutionistischer Widersprüche leistet sich Schmidt („The Doctrine of Descend and Darwinism“, auf S. 292). Er behauptet: „Die Verwandtschaft des Menschen mit dem Affen wird durch die bestialische Stärke des Gebisses des ausgewachsenen männlichen Orangs oder Gorillas nicht angefochten.“ Darwin begabt im Gegenteil dieses fabelhafte Wesen mit Zähnen, die als Waffen benützt werden!

18 Selbst einem Mitdenker zufolge, Professor Schmidt, hat Darwin „gewiss kein schmeichelhaftes und in vielen Punkten vielleicht nicht korrektes Porträt unseres angenommenen Vorfahren in der Morgendämmerung der Menschheit entwickelt“. („The Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 284)

19 Natürlich ist das esoterische System der Evolution in der vierten Runde viel verwickelter als es dieser Absatz und die erwähnten Zitate kategorisch behaupten. Es stellt tatsächlich eine Umkehrung der landläufigen westlichen Vorstellungen dar – sowohl der embryologischen Schlussfolgerungen als auch der zeitlichen Aufeinanderfolge der Arten.

20 Laut Haeckel gibt es auch Zellseelen; eine „anorganische Molekülseele“ ohne und eine „Plastidulseele mit (oder im Besitz von) Gedächtnis“. Was sind unsere esoterischen Lehren im Vergleich dazu? Angesichts einer derartig wunderbaren Offenbarung muss die göttliche und menschliche Seele der sieben Prinzipien im Menschen verblassen und das Feld räumen!

21 Das ist ein wertvolles Geständnis. Nur lässt es den Versuch, die Abstammung des Bewusstseins im Menschen, ebenso wie die seines physischen Körpers, vom Bathybius Haeckelii herzuleiten, noch humoristischer und im Sinne von Websters zweiter Definition empirischer erscheinen.

22 Diejenigen, die den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen und die Existenz der menschlichen Seele „für eine übernatürliche Erscheinung halten, ein spirituelles Phänomen, das von vollständig anderen als den physischen Kräften der Natur bestimmt wird“, . . . „spotten“, wie er meint, „jeder rein naturwissenschaftlichen Erklärung“. Wie es scheint, haben sie kein Recht zu behaupten, „die Psychologie sei teilweise oder insgesamt eine Geisteswissenschaft und keine Naturwissenschaft“ . . . Die neue Entdeckung Haeckels (die jedoch seit Jahrtausenden in allen östlichen Religionen gelehrt wird), dass Tiere über eine Seele, Wille und Empfindung verfügen und somit über Seelenfunktionen, führt ihn dahin, die Psychologie zu einer Wissenschaft der Zoologen zu machen. Die uralte Lehre, dass die „Seele“ (die tierische und die menschliche Seele, oder Kama und Manas) ihre „Entwicklungsgeschichte“ hat – wird von Haeckel als seine eigene Entdeckung und Erneuerung auf einem „unbetretenen (?) Pfad“ für sich in Anspruch genommen! Er (Haeckel) wird die vergleichende Evolution der Seele im Menschen und in anderen Tieren ausarbeiten. . . . „Die vergleichende Morphologie der Seelenorgane und die vergleichende Physiologie der Seelenfunktionen, beide gestützt auf die Evolution, werden so zur psychologischen (in Wirklichkeit materialistischen) Aufgabe des Naturforschers.“ (Cell-Souls and Soul-Cells“, S. 137, „The Pedigree of Man“)

23 (Siehe „Transmigration of the Life-Atoms“ in „Five Years of Theosophy“, S. 533-539). Das kollektive Aggregat dieser Atome bildet so die Anima Mundi unseres Sonnensystems, die Seele unseres kleinen Universums, von dem jedes Atom natürlich eine Seele ist, eine Monade, ein kleines Universum, das mit Bewusstsein begabt ist, somit mit Gedächtnis. (Bd. I, Teil III, „Götter, Monaden und Atome“)

24 In „The Transmigration of the Life-Atoms“ sagen wir, um eine nur allzu häufig missverstande Stelle besser zu erklären: „Es ist allgegenwärtig . . . . obwohl (auf dieser Ebene der Manifestation) im Schlafzustand – wie im Stein . . . . Die Definition, die besagt, dass diese unzerstörbare Kraft, wenn sie von einem Aggregat von Atomen (Moleküle hätte man sagen sollen) getrennt wird, sofort von anderen angezogen wird; das bedeutet aber nicht, dass sie das erste Aggregat vollständig verlässt (weil die Atome in diesem Fall selbst verschwinden würden), sondern lediglich, dass sie ihre Vis viva oder Lebenskraft – die Bewegungsenergie – auf ein anderes Aggregat überträgt. Aber daraus, dass sie sich im nächsten Aggregat als sogenannte kinetische Energie offenbart, folgt nicht, dass das erste Aggregat ihrer vollständig beraubt ist; denn sie ist noch darin, als potenzielle Energie oder latentes Leben“ etc. etc. Was kann nun Haeckel mit seinen „nicht identischen Atomen, sondern ihren eigentümlichen Bewegungen und Aggregationszuständen“ meinen, wenn nicht dieselbe kinetische Energie, die wir erklärt haben? Er muss Paracelsus gelesen und „Five Years of Theosophy“ studiert haben, ohne die Lehren richtig zu verdauen, bevor er solche Theorien entwickelt hat.

25 Muss der primitive Mensch auf diese Art agiert haben? Wir kennen in unserem Zeitalter keine Menschen, nicht einmal Wilde, von denen man wüsste, dass sie die Affen nachgeahmt hätten, die Seite an Seite mit ihnen in den Wäldern Amerikas und auf den Inseln lebten. Aber wir kennen große Affen, die gezähmt und in Häusern lebend die Menschen bis zum Anlegen von Hüten und Röcken nachahmen. Die Schreiberin besaß einstmals persönlich einen Schimpansen, der, ohne dass es ihm beigebracht worden wäre, eine Zeitung öffnete und den Anschein gab, darin zu lesen. Die nachkommenden Generationen, die Kinder, ahmen ihre Eltern nach – nicht umgekehrt.

26 Es wird gefragt, ob es ein Jota an der im obigen Satz enthaltenen wissenschaftlichen Wahrheit und Tatsache ändern würde, lautete er wie folgt: „Der Affe ist lediglich ein Exemplar des Typus des Zweifüßlers, besonders dafür entwickelt, im Allgemeinen auf allen Vieren zu gehen, und mit einem kleineren Gehirn.“ Esoterisch gesprochen ist das die tatsächliche Wahrheit, und nicht umgekehrt.

27 Wir können Laing hier nicht folgen. Wenn erklärte Darwinisten wie Huxley auf „die große Kluft an intellektueller Kraft zwischen dem niedersten Affen und dem höchsten Menschen“, hinweisen, auf die „enorme Kluft . . . zwischen ihnen“, auf die „unermessliche und praktisch unendliche Abweichung des menschlichen vom Affengeschlecht“ („Evidence as to Man’s Place in Nature“, S. 122 f.); wenn selbst die physische Grundlage des Denkvermögens – das Gehirn – an Größe das der höchsten existierenden Affen derartig weit überragt; wenn Männer wie Wallace gezwungen sind, die Tätigkeit außerirdischer Intelligenzen anzurufen, um die Erhebung eines Geschöpfes wie des Pithecanthropus alalus oder sprachlosen Urmenschen Haeckels auf die Stufe des großhirnigen und moralischen Menschen von heute zu erklären – so ist es müßig, evolutionistische Rätsel so leicht abzutun. Wenn der strukturelle Beweis so wenig überzeugend ist und dem Darwinismus insgesamt so feindlich gegenübersteht, sind die Schwierigkeiten in Bezug auf das „wie“ der Evolution des menschlichen Denkvermögens durch natürliche Selektion noch zehnmal größer.

28 Eine Rasse, die de Quatrefages und Hamy als einen Zweig desselben Stammes betrachten, von dem die Guanchen der kanarischen Inseln entsprangen – Nachfahren der Atlantier, kurz gesagt.

29 Professor Owen glaubt, dass diese Muskeln – der Attolens, der Retrahens und der Attrahens aurem – bei den Menschen der Steinzeit in Funktion waren. Das mag der Fall sein oder nicht. Die Frage fällt unter die gewöhnliche „okkulte“ Erklärung und bedarf für ihre Lösung keinen „tierischen Vorfahren“ als Voraussetzung.

30 Von de Quatrefages zitiert bei der Rezension von „Introduction à l’Etude des Races Humaines“. Wir haben Huxleys Werk nicht zur Hand, um daraus zu zitieren. Oder um eine andere gute Autorität anzuführen: „Wir finden einen der menschenähnlichsten Affen (den Gibbon) im Tertiär, und diese Art steht noch immer auf derselben niedrigen Stufe, und Seite an Seite mit ihm findet man am Ende der Eiszeit den Menschen auf derselben hohen Stufe wie heute, sodass sich der Affe dem Menschen nicht angenähert und der moderne Mensch sich nicht weiter vom Affen entfernt hat als der erste (fossile) Mensch. . . diese Tatsachen widersprechen einer Theorie der beständig fortschreitenden Entwicklung.“ (Pfaff) Wenn nach Vogt das durchschnittliche Gehirn des Australiers = 99,35 Kubikzoll misst, das des Gorillas 30,51 Kubikzoll und das des Schimpansen nur 25,45 Kubikzoll, wird die vom Verteidiger der „natürlichen Selektion“ zu überbrückende enorme Kluft offensichtlich.

31 „In dieser Periode“, schreibt Darwin, „verlaufen die Arterien in bogenähnlichen Zweigen, als ob sie das Blut zu Kiemen führen wollten, die bei den höheren Wirbeltieren nicht vorhanden sind, obwohl die Spaltungen an der Seite des Halses noch verbleiben und ihre frühere (?) Lage andeuten.“

31Es ist bemerkenswert, dass ihr Auftreten im Rahmen der fötalen Entwicklung der Wirbeltiere regelmäßig bemerkt wird, obwohl Kiemenspalten für alle vollkommen nutzlos sind, mit Ausnahme der Amphibien und Fische etc. Selbst Kinder werden manchmal mit einer Öffnung am Hals geboren, die einer der Spalten entspricht.

32 Wer mit Haeckel die Kiemenspalten mit ihren Begleiterscheinungen als Illustration einer aktiven Funktion bei unseren amphibischen und fischartigen Ahnen (siehe seine XII. und XIII. Stufe) betrachten, sollten erklären, warum die im „fötalen Wachstum auftretende „Pflanze mit Blättern“ (Lefèvre) bei seinen 22 Stufen nicht erscheint, durch die die Monere bei ihrem Aufstieg zum Menschen hindurchgegangen ist. Haeckel postuliert keinen pflanzlichen Ahnen. Das embryologische Argument ist somit ein zweischneidiges Schwert und verwundet hier seinen Besitzer.

33 „Philosophy: Historical and Critical“, Lefèvre, S. 480.

34 Wir gestehen, dass wir keine guten Gründe für E. Clodds Behauptung in der „Knowledge“ sehen können. Bei der Besprechung des Menschen der neolithischen Zeit, „von welchen Grand Allen . . . eine lebhafte und genaue Skizze gegeben hat“ und die „direkte Vorfahren von Völkern sind, von denen es noch Überbleibsel in abgelegenen Ecken Europas gibt, wo sie zusammengequetscht wurden oder strandeten“, fügt er hinzu: „Die Menschen der paläolithischen Zeit können jedoch mit keiner der existierenden Rassen identifiziert werden; sie waren Wilde eines niedrigeren Typus als alle, die heute existieren; groß, doch kaum aufrecht stehend, mit kurzen Beinen und krummen Knien, mit prognathen, d. h. vorstehenden affenartigen Unterkiefern und kleinen Gehirnen. Woher sie kommen, können wir nicht sagen, und ‘bis heute weiß niemand, wo sie begraben sind‘.“
Von der Möglichkeit einmal abgesehen, dass es Menschen geben kann, die wissen, woher sie kamen und wie sie zugrunde gingen – ist es nicht korrekt zu behaupten, dass die paläolithischen Menschen oder ihre Fossilienfunde alle „kleine Gehirne“ aufweisen. Der älteste aller bisher gefundenen Schädel, der „Neandertal-Schädel“, ist von durchschnittlichem Fassungsvermögen, und Huxley war gezwungen einzugestehen, dass er überhaupt keine wirkliche Annäherung an das „fehlende Glied“ darstellte. Es gibt Stämme von Ureinwohnern in Indien, deren Gehirne viel kleiner sind und dem des Affen näher stehen als alle bislang vom paläolithischen Menschen gefundenen Schädel.

35 Die tatsächlich benötigte Zeit für eine solche theoretische Verwandlung ist notwendigerweise enorm. „Wenn“, sagt Professor Pfaff, „in den Hunderttausenden von Jahren, die ihr (die Evolutionisten) zwischen dem Auftreten des paläolithischen Menschen und unserer heutigen Zeit annehmt, ein größerer Abstand des Menschen vom Tier nicht nachweisbar ist (der älteste Mensch war ebenso weit vom Tier entfernt wie der heute lebende), welcher vernünftige Grund könnte dann für die Vermutung vorgebracht werden, dass sich der Mensch aus dem Tier entwickelt und in unendlich kleinen Zeitabschnitten und in unendlich kleinen Abstufungen von ihm entfernt hat?“. . . . „Je größer das zwischen unsere Zeit und die sogenannten paläolithischen Menschen gelegte Intervall ist, um so verhängnisvoller und verderblicher ist das erklärte Resultat für die Theorie von der allmählichen Entwicklung des Menschen aus dem Tierreich.“ Huxley schreibt („Man‘s Place in Nature“, S. 184), dass die großzügigsten Schätzungen für das Alter des Menschen noch weiter vergrößert werden müssen.

36 Die Haltlosigkeit dieser Behauptung wie auch vieler anderer Übertreibungen des fantasievollen Grant Allen wurde von dem bedeutenden Anatomen Professor R. Owen im „Longman´s Magazine“ Nr. 1 treffend dargelegt. Muss außerdem wiederholt werden, dass der paläolithische Cro-Magnon-Typus einer großen Anzahl existierender Rassen überlegen ist?

37 Es ist somit logisch, dass die Wissenschaft niemals von einem vortertiären Menschen träumen würde und dass de Quatrefages sekundärer Mensch jeden Akademiker und „F.R.S.“ vor Schreck in Ohnmacht fallen lässt, weil die Wissenschaft, um die Affentheorie zu retten, den Menschen nach dem Sekundär platzieren muss. Genau deswegen hat de Quatrefages die Darwinisten verhöhnt, indem er hinzufügt, dass insgesamt mehr wissenschaftliche Gründe für die Ableitung des Affen vom Menschen existieren als für die des Menschen vom Anthropoiden. Von dieser Ausnahme abgesehen, hat die Wissenschaft nicht ein einziges starkes Argument gegen das hohe Alter des Menschen anzubieten. Aber in diesem Fall verlangt die moderne Evolution aus zwei sehr einfachen, aber guten Gründen viel mehr als die von Croll geforderten fünfzehn Millionen Jahre für die Tertiärtzeit: (a) Vor dem Miozän wurde kein anthropoider Affe gefunden; (b) Die Feuersteinrelikte des Menschen wurden auf die pliozänen Schichten zurückgeführt und ihre Gegenwart in den miozänen Schichten vermutet, wenn auch nicht von allen akzeptiert. Nochmal, wo ist in diesem Fall dann das „fehlende Glied“? Und wie konnte selbst ein paläolithischer Wilder, ein „Cannstatt-Mensch“, sich in so kurzer Zeit aus dem wilden Dryopithecus des Miozäns in einem denkenden Menschen entwickeln? Warum Darwin die Theorie verwarf, dass seit dem Kambrium erst 60 Millionen Jahre verflossen sein sollen, ist jetzt erkennbar. „Er urteilt aufgrund der kleinen Anzahl organischer Veränderungen seit der Gletscherperiode und fügt hinzu, dass die vorangegangenen 140 Millionen Jahre für die Entwicklung der verschiedenartigen Lebensformen, die sicherlich gegen Ende der kambrischen Periode existierten, kaum als ausreichend betrachtet werden können.“ (Ch. Gould.)

38 Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an die esoterische Lehre, die besagt, dass der Mensch in der dritten Runde auf der astralen Ebene eine riesige, affenartige Form aufwies. Und ähnlich war es am Ende der dritten Rasse in dieser Runde. Auf diese Art erklärt sie die menschlichen Züge der Affen, insbesondere der späteren Anthropoiden – abgesehen von der Tatsache, dass die Letzteren durch Vererbung eine Ähnlichkeit mit ihren atlantisch-lemurischen Vätern bewahren.

39 Es mag hier angemerkt werden, dass jene Darwinisten, die mit Grant Allen unsere „haarigen, Bäume bewohnenden“ Vorfahren bis ins Eozän zurückversetzen, in ein ziemlich unangenehmes Dilemma geraten sind. Kein fossiler anthropoider Affe – noch viel weniger der fabelhafte, dem Menschen und dem Pithekoiden zugeschriebene gemeinsame Ahne – taucht in den eozänen Schichten auf. Erst im Miozän tritt zum ersten Mal ein anthropoider Affe auf.

40 Ed. Lartet, „Nouvelles Recherches sur la coexstence de l’homme et des Grand Mammifèrres Fossils de la dernière pèriode Géologique“, „Anales des Sienc. Nat“, t. XV, S. 256.

41 Aus einem Bericht der „Hibbert Lectures, 1887. Vorlesungen über Ursprung und Entwicklung der Religion, dargelegt an der Religion der alten Babylonier“. Von A. H. Sayce. (London; Williams and Norgate)

42 Nat. Philos.“, Anhang D, Trans. Royal Soc., Edin.

43 „Popular Astronomy“ S. 509.

44 „Climate and Time“, S. 335.

45 Reade, Ansprache an die „Geologische Gesellschaft von Liverpool, 1876“.

46 World-Life“, S. 180.

47 World-Life“, S. 367-368.

48 „Climate and Time“.

49 Angeführt in Ch. Goulds „Mythical Monsters“, S. 84.

50 Nach Bischof waren 1.004.177 Jahre und nach Chaevandiers Berechnungen 672.788 Jahre notwendig für die sogenannte Steinkohlebildung. „Die Tertiärschichten, etwa 1.000 Fuß mächtig, benötigten für ihre Entstehung ungefähr 350.000 Jahre.“ Siehe „Force and Matter“, Büchner, J. F. Collingwoods Ausgabe.

51 Evidence as to Man’s Place in Nature“, S. 122, Fußn.

52 „100.000.000 Jahre sind wahrscheinlich völlig ausreichend für alle Erfordernisse der Geologie“, sagt der Text. In Frankreich finden es einige Gelehrte nicht einmal annähernd „ausreichend“, Le Couturier beansprucht 350 Millionen Jahre; Buffon war zufrieden mit 34 Millionen Jahren – aber andere in den moderneren Schulen werden nicht mit weniger als 500 Millionen Jahren zufrieden sein.

53 Es wird uns gelehrt, dass die höchsten Dhyan Chohans oder Planetengeister (abgesehen von der Kenntnis des Gesetzes der Analogie) in Unkenntnis über das sind, was jenseits der sichtbaren Planetensysteme liegt, da ihre Wesenheit sich nicht in jenen Welten assimilieren kann, die jenseits unseres Sonnensystems liegen. Wenn sie einen höheren Zustand der Evolution erreichen, werden ihnen diese anderen Universen offen stehen. Unterdessen haben sie vollständige Kenntnis von allen Welten innerhalb und außerhalb der Grenzen unseres Sonnensystems.

54 Nachdem kein einziges Atom im ganzen Kosmos ohne Leben und Bewusstsein ist, um wie viel mehr müssen seine mächtigen Globen mit beiden erfüllt sein? – Gleichwohl sie für uns Menschen, die wir kaum auch nur in das Bewusstsein der uns nächststehenden Lebensformen eindringen können, versiegelte Bücher bleiben müssen?

55 Das bezieht sich auf den Logos jeder Kosmogonie. Das unbekannte Licht – mit dem er, wie gesagt wird, gleich ewig und gleichzeitig ist – wird im „Erstgeborenen“, dem Protogonos, reflektiert; und der Demiurg oder das Universalgemüt richtet sein Göttliches Denken auf das Chaos, das unter der Gestaltung der kleineren Götter in die sieben Ozeane geteilt werden wird – Sapta Samudras. Purusha, Ahura-Mazda, Osiris etc. und schließlich der gnostische Christos sind in der Kabbala Hokhmah oder Weisheit, das „Wort“.

56 Die Form des Tikkun oder Protogonos, des „Erstgeborenen“, d. h. die universale Form und Idee hat sich noch nicht im Chaos gespiegelt.

57 Der „Himmlische Mensch“ ist Adam Kadmon – die Synthese der Sephiroth, so wie „Manu Svayambhuva“ die Synthese der Prajapatis ist.

58 „Bereshith Rabba“, Parsha IX.

59 Das bezieht sich auf die drei Runden, die unserer vierten vorangingen.

60 Dieser Satz enthält einen doppelten Sinn und ein tiefes Mysterium der okkulten Wissenschaften, dessen Geheimnis, wenn und wann es verstanden wird – dem Adepten gewaltige Kräfte verleiht, seine sichtbare Form zu wechseln.

61 „Idra Suta“, Zohar, III, 135b. „Ein Herabsinken aus ihrem Status“ – ist klar; von aktiven Welten sind sie gefallen in zeitweilige Verdunklung – sie ruhen und sind daher vollständig verändert.

62 In dem gelehrten und witzigen Werk „God and His Book“ von dem gefürchteten „Saladin“ mit seinem agnostischen Ruf, erinnert seine amüsante Berechnung lebhaft an die Vergangenheit: nämlich dass Christus, wäre er mit der Geschwindigkeit einer Kanonenkugel aufgefahren, noch nicht einmal den Sirius erreicht hätte. Sie erregt vielleicht den nicht ganz unbegründeten Verdacht, dass selbst unser Zeitalter der wissenschaftlichen Erleuchtung in seinen materialistischen Verneinungen ebenso grob absurd sein kann wie die Menschen des Mittelalters in ihren religiösen Behauptungen absurd und materialistisch waren.

63 Knowledge“, 31. März 1882.

64 Und der vor etwa 20 Jahren dennoch, in einem anderen Werk, „La Préhistorique Antiquité de l’Homme“, unserer Menschheit großmütig lediglich 230.000 Jahre zugestand! Da wir jetzt erfahren, dass er den Menschen in das „mittlere Miozän“ versetzt, müssen wir sagen, dass der sehr verehrte Professor der prähistorischen Anthropologie (in Paris) in seinen Anschauungen etwas widersprüchlich und unbeständig, wenn nicht gar naiv ist.

65 Die Wurzel und Grundidee der Entstehung und Umwandlung der Arten – die Vererbung (der erlangten Fähigkeiten) scheint in jüngster Zeit sehr ernste Gegner in Deutschland gefunden zu haben. Die Physiologen du Bois-Reymond und Dr. Pflüger, abgesehen von anderen ebenso herausragenden Wissenschaftlern, erkennen unüberwindliche Probleme und sogar Unmöglichkeiten in der Lehre.

66 Natürliche Schöpfungsgeschichte“, S. 20.

67 Dieselben Bezeichnungen wurden so beibehalten, wie sie von der Wissenschaft gegeben sind, um die Parallelität zu verdeutlichen. Wir haben ganz andere Begriffe dafür.

68 Der Schüler möge sich daran erinnern, dass es sieben Grade von Devas oder „Vorfahren“ gibt oder sieben Klassen, von den vollkommensten bis zu den weniger erhabenen.

69 Es könnte behauptet werden, wir seien inkonsequent, wenn wir in diese Tabelle nicht einen Menschen des Primärzeitalters einführen. Die hier angenommene Parallelität der Rassen und geologischen Perioden ist, insofern der Ursprung der ersten und zweiten in Betracht kommt, rein versuchsweise, da keine unmittelbare Auskunft zu erhalten ist. Nachdem wir schon früher die Frage einer in der Karbonzeit möglichen Rasse erörtert haben, ist es unnötig, die Debatte erneut zu führen.

70 In einer Zwischenzeit zwischen zwei Runden verbleibt der Globus und alles auf ihm im Status quo. Man erinnere sich, dass die Vegetation in ihrer ätherischen Form vor der sogenannten Primordialzeit begann, die Primärzeit durchlief und sich in ihr verdichtete, und dass sie ihr physisches Leben in der Sekundärzeit voll erreichte.

71 Die Geologen sagen uns, „die einzigen (bis jetzt) in Europa entdeckten Säugetiere aus der Sekundärzeit sind die fossilen Überreste eines kleinen Marsupials oder Beuteltieres“. („Knowledge“, Bd. 1, 31 März 1882, S. 464) Sicherlich kann das Beuteltier oder Didelphis (das einzige überlebende Tier aus dieser Familie, die zur Zeit des androgynen Menschen auf der Erde anwesend war), nicht das einzige Tier gewesen sein, das damals auf der Erde war. Seine Gegenwart spricht deutlich für die Anwesenheit weiterer (obwohl unbekannter) Säugetiere, abgesehen von den Kloaken- und den Beuteltieren, und zeigt somit, dass die Bezeichnung „Zeitalter der Säugetiere“, wenn es ausschließlich dem Tertiär zugewiesen wird, irreführend und fehlerhaft ist, da das die Schlussfolgerung erlaubt, dass es in den mesozoischen Zeitaltern – der Sekundärzeit – keine Säugetiere, sondern lediglich Reptilien, Vögel, Amphibien und Fische gab.

72 Wer sich geneigt fühlt, über die Lehre der esoterischen Ethnologie zu lächeln, welche die Existenz des Menschen in der Sekundärzeit annimmt, wird gut daran tun die Tatsache zu beachten, dass einer der hervorragendsten Anthropologen der Gegenwart, de Quatrefages, ernsthaft in diesem Sinn argumentiert. Er schreibt: „Die Idee erscheint dann nicht unmöglich zu sein, dass er (der Mensch) mit den ersten Repräsentanten des Typus, wozu er vermöge seiner Organisation gehört, auf der Erde erschienen sei.“ Dieser Satz nähert sich sehr bedeutend unserer Grundbehauptung, dass der Mensch den anderen Säugetieren voranging.

72Prof. Lefèvre räumt ein, dass die „Arbeiten von Boucher de Perthes, Lartet, Christy, Bourgeois, Desnoyers, Broca, de Mortillet, Gaudry, Capelline und hundert anderen alle Zweifel überwunden und die fortschreitende Entwicklung des menschlichen Organismus und seiner Aktivität sich seit der miozänen Epoche des Tertiärzeitalters deutlich gefestigt haben” („Philosophy“, S. 499, Kap. über die organische Evolution). Warum verwirft er die Möglichkeit der Existenz des Menschen in der Sekundärzeit? Lediglich, weil er in die Maschen der darwinistischen Anthropologie verstrickt ist!! „Der Ursprung des Menschen ist mit dem der höheren Säugetiere verknüpft“; er erschien „erst mit den letzten Typen seiner Klasse“!! Das ist keine Beweisführung, sondern Dogmatismus. Die Theorie kann niemals die Tatsache exkommunizieren. Muss den bloßen Arbeitshypothesen der westlichen Evolutionisten alles weichen? Sicherlich nicht!

73 Diese Plazentatiere der dritten Unterklasse werden scheinbar eingeteilt in Villiplacentalia (Plazenta zusammengesetzt aus vielen getrennten zerstreuten Zotten), in Zonoplazentalia (mit gürtelförmiger Plazenta) und in Discoplazentalia (mit scheibenförmiger). Haeckel sieht in der Marsupialia Didelphis eines der genealogischen Bindeglieder zwischen dem Menschen und dem Moneron!!

74 Diese Einbeziehung der ersten Rasse in die Sekundärzeit ist notwendigerweise bloß eine vorläufige Arbeitshypothese – da die tatsächliche Chronologie der ersten, zweiten, und frühen dritten Rasse von den Initiierten fest verhüllt wird. Nach allem, was über den Gegenstand gesagt werden kann, könnte die erste Wurzelrasse vorsekundär gewesen sein, wie in der Tat gelehrt wird (vide supra).

75 Die obenstehenden Parallelen gelten nur dann, wenn Professor Crolls frühere Berechnungen akzeptiert werden, nämlich 15.000.000 Jahre seit dem Beginn des Eozäns (siehe Charles Goulds „Mythical Monsters“, S. 84), und nicht die Angaben in seinem „Climate and Time“, die dem Tertiär lediglich 2½ oder höchstens 3 Millonen Jahre zugestehen. Das würde jedoch die gesamte Dauer des Verkrustungszeitalters der Welt auf lediglich 131.600.000 Jahre reduzieren, nach Professor Winchell, während laut der esoterischen Lehre die Schichtenbildung in dieser Runde annähernd vor mehr als 320 Millionen Jahren begann. Doch widersprechen diese Berechnungen unseren in Bezug auf die Epochen der Gletscherperioden im Tertiär nicht sehr, die in unseren esoterischen Büchern das Zeitalter der „Pygmäen“ genannt wird. Mit Bezug auf die der Sedimentation zugeschriebenen 320.000.000 Jahre ist zu beachten, dass während der Vorbereitung dieses Globus für die vierte Runde vor der Entstehung der Schichten sogar noch mehr Zeit vergangen ist.

76 Obwohl wir den Ausdruck „wahrhaft menschlich“ nur auf die vierte atlantische Wurzelrasse anwenden, ist die dritte Rasse in ihrem spätesten Teil doch nahezu menschlich, da sich die Menschheit in ihrer fünften Unterrasse geschlechtlich teilte und der erste Mensch auf die gegenwärtig übliche Weise geboren wurde. Dieser „erste Mensch“ entspricht in der Bibel (Genesis 4) dem Enos oder Enoch, dem Sohn Seths.

77 Die Geologie verzeichnet die frühere Existenz eines universalen Ozeans, und Schichten eines überall gleichförmig vorhandenen Meeressediments bestätigen das; doch das ist noch nicht einmal die Epoche, auf die in der Allegorie Vaivasvata Manus Bezug genommen wird. Letzterer ist ein Deva-Mensch (oder Manu), der in einer Arche (dem weiblichen Prinzip) die Keime der Menschheit rettet, und auch die sieben Rishis – die hier als die Symbole für die sieben menschlichen Prinzipien stehen – von welcher Allegorie wir an anderer Stelle gesprochen haben. Die „Universale Flut“ ist der wässrige Abgrund des Ursprünglichen Prinzips von Berossos (siehe Stanzen 2 bis 8, in Teil I). Wenn Croll einräumt, seit dem Eozän seien 15 Millionen Jahre verflossen (was wir aufgrund der Autorität eines Geologen, Ch. Goulds, feststellen), wieso vermutet er dann, dass „seit dem Beginn der kambrischen Periode in der Primordialzeit“ lediglich 60 Millionen vergangen sein sollen – das übersteigt das Begriffsvermögen. Die sekundären Schichten sind doppelt so mächtig wie die tertiären, und die Geologie zeigt damit, dass das Sekundärzeitalter allein doppelt so lang dauerte wie das Tertiär. Sollen wir also nur 15 Millionen Jahre für beide annehmen, das Primär- und das Primordialzeitalter? Kein Wunder, dass Darwin die Berechnung verwarf.

78 Wir hoffen, alle wissenschaftlichen Daten dafür an anderer Stelle besorgt zu haben.

79 Die Geologie räumt ein, es „stehe außer Zweifel, dass nach dem Abgang des paläolithischen Menschen und vor der Ankunft seines neolithischen Nachfolgers eine beträchtliche Zeitspanne vergangen sein muss” (siehe James Geikies „Prehistoric Europe“, und Ch. Goulds „Mythical Monsters“, S. 98).

80 Die den Pfahldörfern des nördlichen Borneo einigermaßen ähnlich sind.

81 „Der geschickteste Bildhauer unserer Zeit wäre wahrscheinlich auch nicht erfolgreicher, würde ein Feuersteinsplitter seinen Stichel darstellen und Stein und Knochen die zu behauenden Materialien“!! (Prof. Boyd Dawkins, „Cave Hunting“, S. 344) Es ist unnötig, nach einem solchen Zugeständnis noch auf die Aussagen von Huxley, Schmidt, Laing und anderen Nachdruck zu legen, die dahin gehen, dass der paläolithische Mensch nicht so aufgefasst werden kann, dass er uns irgendwie zu einer pithekoiden Menschenrasse zurückführe. Auf diese Art zerstören sie die Fantasien vieler oberflächlicher Evolutionisten. Der Überrest von künstlerischem Wert, der hier bei den Menschen des Zeitalters der bearbeiteten Steine wieder erscheint, lässt sich auf ihre atlantischen Vorfahren zurückführen. Der neolithische Mensch war ein Vorläufer der großen arischen Invasion und wanderte aus einer ganz anderen Himmelsgegend ein – aus Asien und zu einem gewissen Maß aus Nordafrika. (Die Stämme, die Letzteres im Nordwesten bevölkerten, waren sicherlich atlantischen Ursprungs – sie datierten etwa hunderttausend Jahre vor der neolithischen Periode in Europa – aber sie waren vom Typus ihrer Vorväter so stark abgewichen, dass sie keine der demselben eigentümlichen eindeutigen Merkmale aufwiesen.) Was den Gegensatz zwischen neolithischen und paläolithischen Menschen betrifft, ist es eine bemerkenswerte Tatsache, dass, wie Carl Vogt ausführt, der Erstere ein Kannibale war, während das auf den viel früheren Menschen des Mammutzeitalters nicht zutraf. Die menschlichen Tugenden und Bräuche scheinen sich also mit der Zeit nicht zu verbessern? In diesem Beispiel jedenfalls nicht.

82 Auf der Grundlage der Daten der modernen Wissenschaft, Physiologie und natürlichen Selektion wäre es sogar möglich – und das ganz ohne zu irgendeiner übernatürlichen Schöpfung Zuflucht suchen zu müssen –, dass zwei schwarze menschliche Exemplare von niedrigster Intelligenz – sagen wir stumm geborene Idioten – durch Züchtung eine stumme Pastrana-Art hervorbringen, die den Beginn einer neuen, veränderten Rasse markiert und so im Verlauf der geologischen Zeit den gewöhnlichen anthropoiden Affen erzeugt.

83 „Kraft und Stoff“, von Dr. Ludwig Büchner, übersetzt und herausgegeben von J. Frederick Collingwood, F.R.S., F.G.S., 1864.

84 Der paläolithische Mensch müsste zu seiner Zeit in diesem Fall mit dreifacher Herkuleskraft und mit magischer Unverletzbarkeit ausgestattet gewesen sein, oder der Löwe war zu dieser Zeit so schwach wie ein Lamm, denn beide teilten dieselbe Wohnstatt. Wir könnten genauso gut aufgefordert werden zu glauben, dieser Löwe oder die Hyäne hätten das Wild in das Geweih eingeritzt als dass dieses Kunstwerk von einem derartigen Wilden angefertigt worden sei.

85 Mehr als zwanzig Exemplare fossiler Affen wurden allein an einem Ort in miozänen Schichten (in Pikermi bei Athen) gefunden. Wenn der Mensch damals noch nicht existierte, ist die Periode für seine Verwandlung zu kurz – man möge sie dehnen, wie man will. Und wenn er schon da war und kein früherer Affe gefunden wird, was folgt daraus?

86 „Geological Evidence of the Antiquity of Man“, S. 540.

87 Und um wie viel noch „enormer“, wenn wir die Angelegenheiten umkehren und sagen: während der Entwicklung des Affen aus dem Menschen der dritten Rasse.

88 Die Theorie Darwins ist derartig übertrieben, dass selbst Huxley einmal gezwungen war, es ausdrücklich zu missbilligen, dass sie in „Fanatismus“ ausarte. Oscar Schmidt liefert ein gutes Beispiel für einen denkenden Menschen, der eine Hypothese unbewusst überbewertet. Er gesteht zu („Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 158), dass die „Natürliche Selektion“ . . . „in einigen Fällen . . . nicht ausreichend . . . in anderen . . . unnötig ist, da die Lösung der Artenbildung in anderweitigen, natürlichen Bedingungen zu finden ist“. Er behauptet auch, dass „alle Zwischenstufen fehlen, die mit Sicherheit auf den direkten Übergang von plazentalosen zu plazentalen Säugern schließen lassen“ (S. 271); dass „wir hinsichtlich des Ursprungs der Säuger ganz auf Vermutungen und Schlussfolgerungen angewiesen sind“ (S. 268); und er spricht von den wiederholten Misserfolgen der Gestalter „hypothetischer Stammbäume“, insbesondere von Haeckel. Nichtsdestoweniger behauptet er (S. 194), „was wir mit der durch die Selektionstheorie begründeten Abstammungslehre gewinnen, ist die Erkenntnis des Zusammenhangs der Organismen als ‘blutsverwandte Wesen’ “. Ist angesichts der oben zitierten Zugeständnisse Erkenntnis also gleichbedeutend mit Vermutung und Theorie?

89 Es wird darum gebeten sich vor Augen zu halten, dass die Tiere – einschließlich der Säugetiere – zwar alle entsprechend und teilweise aus den abgeworfenen Geweben des Menschen entwickelt wurden, dass jedoch das Säugetier als viel niedrigeres Wesen viel früher als der Mensch plazental wurde und sich abtrennte.

90 Die Wissenschaftler räumen jetzt ein, dass sich Europa im Miozän eines warmen, im Pliozän oder dem späteren Tertiär eines gemäßigten Klimas erfreute. Littrés Behauptung in Bezug auf die milden Frühlinge im Quartär – dem die Ablagerungen zuzurechnen sind, in welchen de Perthes Werkzeuge aus Feuerstein entdeckte (seit die Somme das Tal viele Meter tiefer ausgewaschen hatte) – muss mit großer Zurückhaltung aufgenommen werden. Die Relikte des Sommetals sind postglazial und deuten möglicherweise auf die Einwanderung von Wilden in einer der gemäßigteren Perioden hin, die zwischen den kleineren Eiszeiten auftraten.

91 Woher sie (die alten Höhlenmenschen) kamen, können wir nicht sagen“ (Grant Allen). „Die paläolithischen Jäger des Sommetals hatten ihren Ursprung nicht in dem ungastlichen Klima, sondern zogen aus irgendeiner milderen Gegend nach Europa ein.“ (Dr. Southall, „Epoch of the Mammoth“, S. 315)

92 Die rein atlantischen Typen – von welchen die großen Höhlenmenschen des Quartärs teilweise direkte Nachkommen waren – immigrierten lange vor der Eiszeit nach Europa; in der Tat tatsächlich bereits im Pliozän und im Miozän des Tertiärs. Die bearbeiteten Feuersteine von Thenay aus dem Miozän und die von Prof. Capellini in Italien entdeckten menschlichen Spuren aus dem Pliozän bestätigen diese Tatsache. Diese Kolonisten waren Teile einer einst glorreichen Rasse, deren Zyklus seit dem Eozän ablief.

93 Die Kunstfertigkeit der alten Höhlenmenschen macht die Hypothese, die sie an den „Pithecanthropus alalus“ annähert – dieses mythische Haeckelsche Ungeheuer –, zu einer Absurdität, für deren Entlarvung es weder eines Huxleys noch eines Schmidts bedarf. „Wir erkannten in ihrer Geschicklichkeit beim Gravieren einen Schimmer atlantischer Kultur atavistisch wieder erscheinen.“ Man wird sich daran erinnern, dass Donnelly die moderne europäische Zivilisation als eine Renaissance der atlantischen betrachtet. („Atlantis“, S. 237-264)

94 Lettres sur l’Atlantide“.

95 Histoire de l’Astronomie Ancienne“, S. 25 ff.

96 Diese Vermutung ist halb erraten. In der fünften Rasse gab es solche „Sintfluten von Barbaren“. Was die vierte Rasse anbelangt, war es eine redliche Sintflut durch Wasser, die sie hinweg spülte. Weder Voltaire noch Bailly wussten jedoch irgendetwas von der Geheimlehre des Ostens.

97 Eine vollständige Erörterung der Beziehungen zwischen den alten Griechen und den Römern und den atlantischen Kolonisten findet sich in „Five Years of Theosophy“.

98 Die Geschichte von Atlantis und alle Überlieferungen darüber werden, wie jederman weiß, von Platon in seinen Timaios“ und Kritias“ erzählt. Platon erfuhr sie als Kind von seinem Großvater Kritias, damals neunzig Jahre alt, dem in seiner Jugend Solon davon erzählt hatte, der Freund seines Vaters Dropides – Solon, einer der Sieben Weisen Griechenlands. Wir glauben, es könnte keine verlässlichere Quelle gefunden werden.

99 Haeckels „Menschenaffe“ des Miozäns ist der Traum eines Monomanen, den de Quatrefages (siehe sein „The Human Species“, S. 105-113) geschickt eliminierte. Es ist nicht klar, warum die Welt die nächtlichen Ausführungen eines psychophoben Materialisten (dessen Theorie nur akzeptiert werden kann, wenn man an verschiedene der Wissenschaft und der Natur unbekannte Tiere glaubt, z. B. die Sozura, die Amphibien, die niemals irgendwo anders als in der Einbildung Haeckels existierten) eher akzeptieren sollte als die Überlieferung des Altertums.

100 Der scharfsinnige Verfasser von „Atlantis: The Antediluvian World“ gibt bei der Besprechung des Ursprungs der verschiedenen griechischen und römischen Einrichtungen seiner Überzeugung Ausdruck, dass „die Wurzeln der heutigen Einrichtungen bis ins Miozän zurückreichen“. Jawohl, und noch weiter, wie bereits festgestellt wurde.

101 Aber nur wie wir sie kennen. Denn die Geologie beweist nicht nur, dass die Britischen Inseln viermal versanken und wieder angehoben wurden, sondern auch, dass der Kanal zwischen ihnen und Europa in einer entfernten früheren Epoche trockenes Land war.

102 „Les Origines de la Terre et de l’Homme“, S. 454. Prof. N. Joly aus Toulouse, der den Abbé in seinem „Man before Metals“ zitiert, bringt seine Hoffnung darüber zum Ausdruck, dass M. Fabre ihm erlauben wird, „bezüglich dieses letzten Punktes anderer Meinung zu sein als er“, S. 186. Das tun auch die Okkultisten; denn obwohl sie große Unterschiede in der Physiologie und in der äußeren Erscheinung der bisher evolvierten fünf Rassen sehen, halten sie doch daran fest, dass das gegenwärtige Menschengeschlecht von ein und demselben ursprünglichen Stamm herrührt, der aus den „Göttlichen Menschen“ evolvierte – unseren gemeinsamen Vorfahren und Stammvätern.

103 „Die Feuersteine aus Thenay tragen unverkennbare Spuren der Bearbeitung durch Menschenhand.“ (G. de Mortillet, „Promenades au Musée de Saint-Germain“, S. 76)

104 Über die Rentierjäger von Périgord sprechend sagt Joly, dass „sie groß gewachsen und athletisch waren, mit einem starken Skelett . . .“ etc. („Man before Metals“, S. 353).

105 „An den Ufern des Sees von Beauce“, sagt der Abbé Bourgeois, „lebte der Mensch inmitten einer Fauna, die vollständig verschwunden ist (Aceratherium, Tapir, Mastodon). Mit dem Flusssand aus Orléanais kam der anthropomorphe Affe (Pliopithecus antiquus); deshalb nach dem Menschen.“ (Siehe die „Comptes Rendus“ des Prähistorischen Kongresses von 1867 in Paris.)

106 „Bei Bohrungen im schlammigen Grund des Niltals wurden zwei gebrannte Ziegel entdeckt, der eine in einer Tiefe von 20, der andere von 24 Yard. Wenn wir die Mächtigkeit der von dem Fluss gebildeten jährlichen Ablagerungen auf 8 Zoll pro Jahrhundert schätzen (sorgfältigere Berechnungen haben gezeigt, dass es nicht mehr als drei oder fünf pro Jahrhundert sind), müssen wir dem ersten dieser Ziegel ein Alter von 12.000 Jahren und dem zweiten von 14.000 Jahren zuschreiben. Aufgrund ähnlicher Berechnungen vermutet Burmeister, dass seit dem ersten Auftreten des Menschen auf ägyptischem Boden 72.000 Jahre vergangen sind, und Draper schreibt dem europäischen Menschen, der Zeuge der letzten Eiszeit war, ein Alter von mehr als 250.000 Jahren zu.“ („Man before Metals“, S. 183 f.) Der ägyptische Zodiak umfasst mehr als 75.000 Jahre Beobachtungszeit! (Siehe weiter unten) Es muss ferner gut beachtet werden, dass Burmeister lediglich von der Bevölkerung des Deltas spricht.

107 Oder auf dem, was heute die Britischen Inseln sind, die in jenen Tagen noch nicht vom Hauptkontinent getrennt waren. „Der altertümliche Bewohner der Pikardie konnte nach Großbritannien gehen, ohne den Kanal zu durchqueren. Die Britischen Inseln waren mit Gallien durch eine Landzunge verbunden, die seither versunken ist.“ („Man before Metals“, S. 184)

108 Er war Zeuge und erinnerte sich auch daran, da „der schließliche Untergang des größten Kontinents von Atlantis mit der Hebung der Alpen zusammenfiel“, wie einer der Meister schreibt. (Siehe „Esoteric Buddhism“, S. 70) Pari passu, sowie ein Teil des trockenen Landes unserer Hemisphäre verschwand, tauchte irgendein Land des neuen Kontinents aus den Meeren auf. Auf diese kolossale Umwälzung, die über einen Zeitraum von 150.000 Jahren andauerte, bauen alle Überlieferungen von „Fluten“ auf, während die Juden ihre Version auf einem Ereignis gründeten, das sich später auf „Poseidonis“ ereignete.

109 Das Alter des Menschengeschlechts in „Man before Metals“, von M. Joly, Professor an der Science Faculty of Toulouse, S. 184.

110 Die wissenschaftliche „Jury“ war wie gewöhnlich uneins; während de Quatrefages, de Mortillet, Worsaë, Engelhardt, Waldemar, Schmidt, Capellini, Hamy und Cartailhac die Spuren menschlicher Handarbeit auf den Feuersteinen erkannten, weigerten sich Steenstrup, Virchow und Desor, das anzuerkennen. Die Mehrheit ist noch immer, wenn wir einige englische Gelehrte ausnehmen, für Bourgeois.

111 Die folgende Beschreibung entnehmen wir einem wissenschaftlichen Werk. „Das erste dieser Tiere (der Alligator), der mit beträchtlicher Geschicklichkeit entworfen ist, ist nicht weniger als 250 Fuß lang. . . . . Das Innere ist aus einem Haufen von Steinen gebildet, worüber die Form aus einem feinem, steifen Lehm modelliert ist. Die große Schlange ist mit offenem Rachen dargestellt, im Begriff, ein Ei zu verschlingen, dessen Durchmesser an der dicksten Stelle 100 Fuß beträgt. Der Körper des Tieres ist in anmutigen Windungen gekrümmt und der Schweif in einer Spirale aufgerollt. Die Gesamtlänge des Tieres beträgt 1.100 Fuß. Dieses Werk ist einzigartig . . . . und auf dem alten Kontinent existiert nichts, was irgendeine Analogie dazu bietet.“ Mit Ausnahme der Symbolik der Schlange – dem Zyklus der Zeit – die das Ei, den Kosmos, verschlingt.

112 Es wäre vielleicht besser, wir hätten für die Fakten mehr Spezialisten in der Wissenschaft und weniger „Autoritäten“ über allgemeine Fragen. Niemand hat je vernommen, dass Humboldt autoritative und endgültige Entscheidungen über die Natur von Polypen oder einer Wucherung getroffen hätte.

113 57.000 Jahre ist das Alter, das Dr. Dowler den Überresten des menschlichen Skeletts zuschreibt, das in New Orleans an den Ufern des Mississippis unter vier alten Wäldern begraben gefunden wurde.

114 Murray behauptet von den Barbaren des Mittelmeers, sie hätten die Tapferkeit der Atlantier bewundert. „Ihre körperliche Kraft war außerordentlich (ihre zyklopischen Bauten bezeugen das in der Tat), die Erde erbebte manchmal unter ihren Füßen. Was immer sie taten, geschah rasch. . . . . . Sie waren weise und teilten ihre Weisheit mit den Menschen.“ („Mythology“, S. 4)

115 Die Magier Persiens waren aber niemals Perser – nicht einmal Chaldäer. Sie kamen aus einem weit entfernten Land. Die Orientalisten meinen, es handle sich dabei um Medien. Dem mag so sein, aber aus welchem Teil Mediens? Darauf bekommen wir keine Antwort.

116 „Civilization of the Eastern Iranians in Ancient Times“, S. 129.

117 Vgl. z. B. Bd. I, 4 der Pablavi-Übersetzung; Bdh. xxi, 2-3.

118 Fußnote von Darab Dastur Peshotan Sanjana, B. A., dem Übersetzer von Dr. Wilhelm Geigers Werk über die „Civilization of the Eastern Iranians“.

119 Dr. Keneally zitiert in seinem „Book of God“ Vallancey, der sagt: „Ich war noch keine Woche in Irland gelandet, von Gibraltar herkommend, wo ich bei Juden aus verschiedenen Ländern Hebräisch und Chaldäisch studiert hatte, als ich ein Landmädchen zu einem neben ihr stehenden Bauern sagen hörte: „Teach an Maddin Nag“ (siehe, der Morgenstern), wobei sie auf den Planeten Venus zeigte, die Maddina Nag der Chaldäer.“ („Book of God“, S. 162-163)

120 Es gab eine Zeit, in der die ganze Welt, die gesamte Menschheit, eine Religion hatte und von „einer Zunge“ war. Alle Religionen der Erde waren zuerst eine und gingen von einem Mittelpunkt aus“, sagt Faber sehr richtig.

121 Platons Wahrhaftigkeit wurde bei der Erörterung der „Geschichte von Atlantis“ selbst von so freundlichen Kritikern wie Professor Jowett derartig ungerechtfertigt in Zweifel gezogen, dass es angebracht scheint, das Zeugnis eines Experten über diesen Gegenstand anzuführen. Es ist hinreichend, um literarische Nörgler in eine sehr lächerliche Lage zu bringen:

121„Wäre unsere Kenntnis von Atlantis gründlicher, würde es zweifellos so aussehen, dass in sämtlichen Fällen, wo die Menschen Europas mit den Menschen Amerikas übereinstimmen, sich beide mit dem Volk von Atlantis in Übereinstimmung befänden. . . . . Es wird ersichtlich sein, dass diese Übereinstimmung in allen Fällen existiert, wo Platon uns beliebige Informationen in Bezug auf Atlantis gibt. Sie bestand in der Architektur, Bildhauerei, Schifffahrt, Gravierkunst, Schrift, in einem etablierten Priestertum, in der Art der Verehrung, des Ackerbaus und im Bau von Straßen und Kanälen; und es ist vernünftig anzunehmen, dass sich dieselbe Übereinstimmung bis hinab in alle kleineren Einzelheiten erstreckte.“ (Donnelly, „Atlantis, The Antediluvian World “, S. 164)

122 Die Christen sollten dieser Lehre von der periodischen Zerstörung der Kontinente durch Feuer und Wasser nicht widersprechen; denn der Hl. Petrus spricht von der Erde, die „entstehend aus Wasser und im Wasser, und dass diese Erde, die mit Wasser überflutet war, untergegangen ist“, dass sie aber „jetzt vor dem Feuer bewahrt wird“. (Siehe auch „The Lives of Alchemystical Philosophers“, S. 4, London 1815)

123 Das soll nicht heißen, der Atlas sei die Gegend, wo sie stürzte, denn das geschah im nördlichen und zentralen Asien; sondern dass der Atlas einen Teil des Kontinents bildete.

124 Hätte nicht Diokletian im Jahr 296 die esoterischen Werke der Ägypter verbrannt, zusammen mit ihren Büchern über Alchemie – „περὶ χυμείας αργύρον καὶ χρυσοῦ“; Caesar 700.000 Rollen zu Alexandrien; und Leo, der Isaurer, 300.000 zu Konstantinopel (im achten Jahrhundert); und die Mohammedaner alles, woran sie ihre frevelhaften Hände legen konnten – die Welt würde mehr von Atlantis wissen als sie jetzt weiß. Denn die Alchemie nahm während der vierten Rasse auf Atlantis ihren Anfang, und erlebte in Ägypten lediglich ihre Renaissance.

125 Professor Max Müllers Vorlesungen – „Über die Philosophie der Mythologie“ – liegen uns vor. Wir lesen seine Zitate von Heraklit (460 v. Chr.), der erklärte, Homer verdiene es, „aus den öffentlichen Versammlungen ausgestoßen und ausgepeitscht zu werden“, und jene von Xenophanes, der „Homer und Hesiod für den volkstümlichen Aberglauben Griechen­lands verantwortlich machte . . . “, und dafür, dass sie „den Göttern all das zuschrieben, was bei den Menschen als entehrend und anstößig gilt . . . gesetzeswidrige Handlungen wie Diebstahl, Ehebruch und Betrug“. Schließlich zitiert der Oxforder Professor aus Professor Jowetts Übersetzung von Platon, wo Letzterer Adeimantos (Republik) erklärt, „dem jungen Mann (im Staat) solle nicht gesagt werden, er sei weit davon entfernt, etwas Schändliches zu tun, wenn er die übelsten Verbrechen begehe, und dass er seinen Vater züchtigen könne (wie es Zeus mit Kronos tat), . . . auf welche Art er wolle, und damit lediglich dem Vorbild des ersten und größten der Götter folge. . . Nach meiner Ansicht sind diese Geschichten nicht dazu geeignet, erzählt zu werden“. Dazu merkt Professor Max Müller an: „Die griechische Religion gehörte offenbar zu den nationalen und traditionellen Religionen, und als solche teilte sie gleichzeitig die Vor- und Nachteile dieser Form religiösen Glaubens“; wohingegen die christliche Religion „eine historische und eine in hohem Maß individuelle Religion darstellt, welche den Vorteil eines autorisierten Kodex und eines festgelegten Glaubenssystems aufweist“. (S. 349) Um so schlimmer, wenn sie „historisch“ ist, denn bezüglich Lots Vorfall mit seinen Töchtern wäre es sicherlich vorteilhaft, wäre er „allegorisch“.

126 Neptun oder Poseidon ist der indische Idaspati, identisch mit Narayana (dem sich auf den Wassern Bewegenden) oder Vishnu, und gleich diesem indischen Gott wird er dargestellt, wie er den gesamten Horizont mit drei Schritten durchmisst. Idaspati bedeutet auch „Meister der Wasser“.

127 Baillys Behauptung, die von den ägyptischen Priestern erwähnten 9.000 Jahre seien keine „Sonnenjahre“, ist grundlos. Bailly wusste nichts von der Geologie und ihren Berechnungen; sonst hätte er sich anders geäußert.

128 SieheMatsya-Purana“, das ihn unter die sieben Prajapatis der Periode einreiht.

129 Das Äquivalent dieses Namens wird in dem Original gegeben.

130 Deukalion soll die Verehrung für Adonis und Osiris nach Phönizien gebracht haben. Nun gilt diese Verehrung der verlorengegangenen und wiedergefundenen Sonne in ihrer astronomischen Bedeutung. Lediglich am Pol stirbt die Sonne für den gesamten Zeitraum von sechs Monaten, denn auf dem 68. Breitengrad bleibt sie nur vierzig Tage lang tot, wie in der Osirisfeier. Die beiden Kulte entstanden im Norden Lemuriens oder auf jenem Kontinent, von dem Asien eine Art abgeknickte Verlängerung darstellte und der sich bis in die Polregionen hoch erstreckte. Das wird in de Gébelins „Allégories d’Orient“, S. 246 gut gezeigt, und von Bailly; obwohl weder Herkules noch Osiris Sonnenmythen darstellen, außer in einem ihrer sieben Aspekte.

131 Die Hyperboreer, heute als mythisch betrachtet, werden als die geliebten Priester und Diener der Götter und hauptsächlich Apollons beschrieben (Herod., IV, 33-35, Pausanias, 1, 31, 2; V, 7, 8; ad X, 5, 7, 8).

132 Die Zyklopen sind in der Überlieferung nicht die einzigen „einäugigen“ Repräsentanten. Die Arimaspen waren ein skytisches Volk, und auch ihnen wurde nur ein Auge zugeschrieben (d´Anville, Géographie ancienne, Bd. II, S. 321). Sie waren es, die von Apollo mit seinen Pfeilen vernichtet wurden (siehe supra).

133 Odysseus erlitt Schiffbruch an der Insel Aiaia, wo Kirke alle seine Gefährten wegen deren Lüsternheit in Schweine verwandelte; danach wurde er nach Ogygia verschlagen, der Insel der Kalypso, wo er etwa sieben Jahre mit der Nymphe in einer unerlaubten Verbindung lebte (Odyssee und anderswo). Nun war Kalypso eine Tochter von Atlas („Odyssee“, Buch XII), und alle traditionellen alten Versionen behaupten, sobald sie von der Insel Ogygia sprechen, sie wäre sehr weit entfernt von Griechenland und liege genau in der Mitte des Ozeans, somit identifizieren sie dieselbe mit Atlantis.

134 Um zwischen Lemurien und Atlantis zu unterscheiden, bezeichneten die alten Schriftsteller Letzteres als das nördliche oder hyperboreische Atlantis und Ersteres als das südliche. So sagt Apollodor („Mythologische Bibliothek“, Buch II): „Die von Herkules davongetragenen goldenen Äpfel sind nicht, wie einige glauben, aus Libyen; sie sind aus dem hyperboreischen Atlantis.“ Die Griechen naturalisierten alle Götter, die sie entlehnten, und machten aus ihnen Hellenen, und die Modernen unterstützten sie dabei. So versuchten auch die Mythologen, aus dem Eridanus den Fluss Po in Italien zu machen. Im Mythos von Phaeton heißt es, dass seine Schwestern bei seinem Tod heiße Tränen vergossen, die in den Eridanus fielen und in Bernstein verwandelt wurden! Nur wird Bernstein ausschließlich in den nördlichen Meeren gefunden, in der Ostsee. Phaeton, der seinen Tod findet, als er den gefrorenen Sternen der nördlichen Regionen Wärme bringt, den vor Kälte erstarrten Drachen am Pol erweckt und in den Eridanus hinabgeschleudert wird, ist eine Allegorie, die sich unmittelbar auf die Veränderungen des Klimas in diesen weit zurückliegenden Zeiten bezieht, als sich die polaren Länder von einer kalten Zone in ein Land mit einem gemäßigten und warmen Klima verwandelt hatten. Dass der Usurpator der Funktionen der Sonne, Phaeton, durch Jupiters Donnerschlag in den Eridanus gestürzt wird, ist eine Anspielung auf die zweite Veränderung, die in diesen Gegenden stattfand, als das Land, in dem „die Magnolie blühte“, sich erneut in das abstoßende Land des fernsten Nordens und des ewigen Eises verwandelte. Die Allegorie umfasst die Ereignisse von zwei Pralayas und sollte, wenn sie recht verstanden würde, ein Beweis für das außerordentliche Alter der Menschengeschlechter sein.

135 So okkult und mystisch ist einer der Aspekte Latonas, dass sie sogar in der Offenbarung (xii) als ein mit der Sonne (Apollo) bekleidetes Weib erscheint, und der Mond (Diana) war unter ihren Füßen, sie war schwanger und „schreit in Geburtswehen und -schmerzen.“ Ein großer, feuerroter Drache etc. steht vor dem Weibe, bereit, das Kind zu verschlingen. Sie gebiert das Knäblein, das mit eisernem Zepter über alle Völker herrschen soll, und das entrückt ward zu Gott und seinem Throne (der Sonne). Die Frau entfloh in die Wüste, noch immer von dem Drachen verfolgt, der wiederum flieht, und aus seinem Mund schießt ein Wasser wie ein Strom, wobei die Erde der Frau half und den Strom verschlang. Und der Drache ging hin zu streiten mit den Übrigen ihres Samens, die da Gottes Gebote hielten etc. (siehe xii, 1-17). Wer die Allegorie der von der Rache der eifersüchtigen Juno verfolgten Latona liest, wird die Identität der beiden Lesarten erkennen. Juno entsendet den Drachen, Python, damit er Latona verfolge und töte und ihr Kind verschlinge. Letzteres ist Apollo, die Sonne, denn das „Knäblein“ der Offenbarung, „der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird“, ist sicher nicht der sanftmütige „Sohn Gottes“, Jesus. Der Drache ist der Nordpol, der allmählich die frühen Lemurier aus den Ländern trieb, die mehr und mehr hyperboreisch und ungeeignet wurden, von denen bewohnt zu werden, die sich rasch zu physischen Menschen entwickelten, denn sie mussten nun auf die klimatischen Veränderungen Rücksicht nehmen. Der Drache wird Latona nicht erlauben, „zu gebären“ – (der Sonne zu erscheinen). „Sie wurde aus dem Himmel vertrieben und fand keinen Ort, wo sie gebären könnte“, bis Neptun (der Ozean) mitleidsvoll die schwimmende Insel Delos (die Nymphe Asteria, die sich bislang unter den Wogen des Ozeans vor Jupiter verborgen hatte) unbeweglich macht, auf der Latona Zuflucht findet und wo der strahlende Gott Δήλιος geboren wird, der Gott, der sofort nach seinem Erscheinen Python tötet, die Kälte und den Frost der arktischen Region, in dessen todbringenden Windungen alles Leben erlischt. Mit anderen Worten, Latona-Lemuria wird in Niobe-Atlantis verwandelt, über die ihr Sohn Apollo oder die Sonne regiert – mit einem eisernen Zepter fürwahr, da Herodot die Atlantier ihre allzu große Hitze verfluchen lässt. Diese Allegorie wird in ihrer anderen mystischen Bedeutung (einem anderen von den sieben Schlüsseln) in den eben angeführten Kapiteln der Apokalypse wiederholt. Latona wurde in der Tat eine mächtige Göttin und sah, wie ihr Sohn in nahezu jedem Heiligtum des Altertums verehrt wurde (Sonnenverehrung). In seinem okkulten Aspekt ist Apollo der Patron der Zahl 7. Er wurde am siebten des Monats geboren, und die Schwäne von Myorica schwimmen siebenmal um Delos herum und besingen das Ereignis; sieben Saiten werden ihm für seine Leier gegeben – die sieben Strahlen der Sonne und die sieben Kräfte der Natur. Aber das betrifft lediglich die astronomische Bedeutung, während das Obenstehende rein geologischer Natur ist.

136 Diese Inseln wurden „mit Fossilien von Pferden, Schafen, Ochsen etc. zwischen Knochen von Elefanten, Mammuts, Nashörnern etc. bedeckt vorgefunden“. Wenn in dieser Periode auf der Erde noch kein Mensch vorkam, „wie kann es dann sein, dass Pferde und Schafe in Gesellschaft der großen Vorsintflutler gefunden werden?“, fragt ein Meister in einem Brief („Esoteric Buddhism“, S. 67). Die Antwort ist oben im Text gegeben.

137 Ein guter Beweis dafür, dass alle Götter und religiösen Überzeugungen und Mythen aus dem Norden kamen, der auch die Wiege des physischen Menschen war, liegt in verschiedenen bedeutsamen Worten, die ihren Ursprung bei den nördlichen Stämmen haben und bei ihnen bis heute in ihrer ursprünglichen Bedeutung existieren; aber obwohl es eine Zeit gab, in der alle Nationen „eine Sprache“ hatten, haben diese Worte bei den Griechen und Lateinern eine andere Bedeutung erlangt. Ein solches Wort ist Mann, man, ein lebendes Wesen, und Manes, tote Menschen. Die Lappländer nennen ihre Leichname bis heute manee („Voyage de Renard en Laponie“, I, 184). Mannus ist der Vorfahr der germanischen Rasse; der indische Manu, das denkende Wesen, von man; der ägyptische Menes; und Minos, der König von Kreta, nach seinem Tod der Richter der unterweltlichen Regionen – alle gehen aus derselben Wurzel oder demselben Wort hervor.

138 So ist z. B. Gyges ein hundertarmiges und fünfzigköpfiges Monster, einmal ein Halbgott und anderes Mal ein Lydier, der Nachfolger des Königs des Landes, Kandaules. Dasselbe findet sich im indischen Pantheon, wo die Rishis und die Söhne Brahmâs als Sterbliche wiedergeboren werden.

139 Die Kontinente gehen abwechselnd durch Feuer und Wasser zugrunde: entweder durch Erdbeben und vulkanische Ausbrüche oder durch Versinken und die große Verschiebung der Gewässer. Unsere Kontinente müssen durch den Ersteren der Kataklysmen zugrunde gehen. Die unaufhörlichen Erdbeben der letzten Jahre mögen eine Warnung sein.

140 Der Geograf Denis sagt uns, dass das große Meer nördlich von Asien als Eismeer oder Saturnisches Meer bezeichnet wurde (V. 35). Orpheus (V. 1077) und Plinius (Buch iv, c. 16) bestätigen die Aussage, indem sie zeigen, dass ihm seine riesigen Bewohner diesen Namen gaben. Und die Geheimlehre erklärt beide Behauptungen, indem sie uns sagt, dass alle Kontinente von Norden nach Süden ausgebildet wurden; und dass, wenn der plötzliche Klimawechsel die darauf geborene Rasse verkleinerte, indem er ihr Wachstum hemmte, einige Grade südwärts die veränderten Bedingungen in jeder neuen Menschheit die größten Menschen oder Rassen hervorbrachten. Wir sehen das bis zum heutigen Tag. Die größten Menschen werden jetzt in den nördlichen Ländern gefunden, während die kleinsten die Südasiaten, Hindus, Chinesen, Japaner etc. sind. Man vergleiche die großen Sikhs und Punjabis, die Afghanen, Norweger, Russen, Norddeutschen, Schotten und Engländer mit den Bewohnern von Zentralindien und dem durchschnittlichen Kontinentaleuropäer. So sind auch die Riesen von Atlantis, und daher auch Hesiods Titanen, alle Nordländer.

141 Nachdem wir bereits einige Beispiele für die Launen der Wissenschaft gegeben haben, ist es wunderbar, in diesem besonderen Fall eine solche Übereinstimmung zu finden. In Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen Zugeständnis (das an anderer Stelle zitiert wurde) der Unkenntnis der Geologen auch nur über die annähernde Dauer der Perioden, ist folgende Stelle höchst lehrreich: „Wir sind noch nicht imstande, auch nur ein annäherndes Datum für die neueste Epoche zu geben, in der unsere nördliche Halbkugel mit Gletschern bedeckt war. Nach Wallace könnte diese Epoche vor siebzigtausend Jahren stattgefunden haben, während andere ihr ein Alter von mindestens zweihunderttausend Jahren zuschreiben würden und noch andere starke Argumente zugunsten der Meinung anführen, dass eine Million Jahre kaum ausreichend sei, die Veränderungen zustande zu bringen, die seit diesem Ereignis stattgefunden haben.“ (Fiske, „Outlines of Cosmic Philosophy“, Bd. I, S. 304) Prof. Lefèvre wiederum gibt uns als seine Schätzung 100.000 Jahre an. Es ist also klar, dass die moderne Wissenschaft, wenn sie nicht imstande ist, den Zeitraum einer verhältnismäßig jungen Ära wie der Eiszeit abzuschätzen, schwerlich die esoterische Chronologie der Rassenperioden und geologischen Zeitalter anfechten kann.

142 Unzweifelhaft eine Tatsache und eine Bestätigung der esoterischen Vorstellung von Lemurien, welches ursprünglich nicht nur große Gebiete im Indischen und Pazifischen Ozean umfasste, sondern sich rund um Südafrika bis zum Nordatlantik hin erstreckte. Sein atlantischer Teil wurde in der Folge die geologische Grundlage der zukünftigen Heimat der Atlantier der vierten Rasse.

143 Vergleiche die veröffentlichten Berichte der „Challenger“-Expedition; und auch Donnellys „Atlantis: The Antediluvian World“, S. 468 und S. 46-56, Kapitel The Testimony of the Sea“.

144 Selbst der vorsichtige Lefèvre spricht von der Existenz des Menschen im Tertiär auf „angehobenen Ländern, Inseln und Kontinenten, die damals blühten, aber seither in den Wassern versanken“. Anderwärts führt er ein „mögliches Atlantis“ zur Erklärung ethnologischer Tatsachen an. Vergleiche seine „Philosophy: Historical and Critical“, S. 478 und 504. Donnelly bemerkt mit seltener Intuition: „Die moderne Zivilisation ist atlantisch . . . . die ‘Erfindungskraft’ des gegenwärtigen Zeitalters nimmt das große übertragene Schöpfungswerk dort wieder auf, wo es Atlantis vor Jahrtausenden zurückließ.“ („Atlantis“, S. 177) Er führt auch den Ursprung der Kultur auf das Miozän zurück. Der ist jedoch in den Lehren zu suchen, die den Menschen der dritten Rasse von ihren Göttlichen Herrschern gegeben wurde – in einer weit früheren Periode.

145 Eine gleichermaßen „seltsame“ Ähnlichkeit lässt sich zwischen einem Teil der westindischen und der westafrikanischen Fauna nachweisen.

146 Der pazifische Teil des großen lemurischen Kontinents, von dem Anthropologen Dr. Carter Blake Pacificus genannt.

147 Als Howard vor der Royal Society von London einen Vortrag über die ersten ernsthaften Untersuchungen der Aerolithen hielt, war der Genfer Naturforscher Pictet im Publikum; nach seiner Rückkehr nach Paris teilte er die von Howard berichteten Erkenntnisse der Französischen Akademie der Wissenschaften mit. Er wurde jedoch sofort von dem großen Astronomen Laplace unterbrochen, der ausrief: „Halt! Wir haben genug von solchen Fabeln und wissen alles darüber“, woraufhin Pictet sehr kleinlaut wurde. Kugelblitze oder Donnerkeile wurden von der Wissenschaft erst anerkannt, nachdem Arago ihre Existenz bewiesen hatte. De Rochas sagt („Les Forces Non Définies“, S. 4): „Alle erinnern sich an Dr. Bouillands Missgeschick an der Medizinischen Akademie, als er Edisons Phonographen zu ‘einem Bauchrednertrick’ erklärte!“

148 Das zyklische Gesetz der Rassenevolution ist den Gelehrten höchst unwillkommen. Die Tatsache „einer ursprünglichen Zivilisation“ zu erwähnen reicht aus, um die Darwinisten zur Raserei zu bringen. Denn es ist einleuchtend, dass die Grundlage der Theorie eines Affen als Ahnen um so sicherer wird, je weiter Kultur und Wissenschaft zurückverlegt werden. Wie Jacolliot jedoch sagt: „Was immer an jenen Überlieferungen (versunkenen Kontinenten etc.) dran sein mag, und wo immer auch der Ort gewesen sein mag, an dem sich eine Zivilisation entwickelte, älter als jene von Rom, Griechenland, Ägypten oder Indien – sicher ist, dass diese Zivilisationen existierten und dass es für die Wissenschaft höchst wichtig ist, ihre Spuren wieder zu finden, wie schwach und flüchtig sie auch sein mögen.“ („Histoire des Vierges; les Peuples et les continents disparus“, S. 15) Donnelly hat diese Tatsache aus den klarsten Prämissen bewiesen, die Evolutionisten wollen jedoch nicht hören. Eine miozäne Zivilisation wirft die Theorie einer „universalen Steinzeit“ über den Haufen, und auch die von einem stetigen Aufstieg des Menschen aus dem Animalismus! Und doch durchkreuzt Ägypten zumindest die landläufigen Hypothesen. Dort ist kein Steinzeitalter bemerkbar, sondern eine um so herrlichere Kultur taucht auf, je weiter wir zurückblicken können. (Verb. Sap.)

149 „Myths and Myth-Makers“, S. 21.

150 In den Annalen der meisten, wenn nicht aller Nationen, finden sich Berichte über intensive kleinere Umwälzungen und gewaltige Erdbeben. Hebungen und Senkungen von Kontinenten finden ständig statt. Die gesamte Küste Südamerikas hat sich innerhalb einer Stunde um 10 bis 15 Fuß angehoben und wieder abgesenkt. Huxley hat gezeigt, dass die Britischen Inseln viermal unter den Ozean versanken und in der Folge wieder angehoben und bevölkert wurden. Die Alpen, der Himalaya und die Kordilleren waren alle das Ergebnis von auf die Meeresgründe geschwemmten Ablagerungen, welche von titanischen Kräften in ihre gegenwärtige Höhe angehoben wurden. Die Sahara war das Becken eines miozänen Meeres. Innerhalb der letzten fünf- oder sechstausend Jahre hoben sich die Ufer Schwedens, Dänemarks und Norwegens um 200 Fuß bis 600 Fuß an; in Schottland gibt es angehobene Ufer mit sie überragenden Felsen und Klippen, die inzwischen von den hungrigen Wogen abgetragen wurden. Der Norden Europas hebt sich noch immer aus dem Meer, und Südamerika bietet die Erscheinung von erhöhten Uferlinien von mehr als 1.000 Meilen Länge, deren Höhe jetzt zwischen 100 und 1.300 Fuß über dem Meeresspiegel variiert. Andererseits ist die Küste Grönlands in raschem Sinken begriffen, so rasch, dass die Grönländer die Ufer nicht bebauen möchten. All diese Erscheinungen sind gewiss. Warum also sollte nicht eine allmähliche Veränderung in entfernten Epochen einer plötzlichen Umwälzung Platz gemacht haben? Zumal derartige Umwälzungen in kleinerem Maßstab selbst heute stattfinden (z. B. der Fall der Sundainsel mit der Vernichtung von 80.000 Malaien).

151 Bezüglich der Ansichten Jacolliots, nach langen Reisen über die Polynesischen Inseln und wegen seiner Beweise für eine frühere große geologische Umwälzung im Stillen Ozean, siehe seine „Histoire des Vierges; les Peuples et les Continents Disparus“, S. 308.

152 The Doctrine of Descent and Darwinism“, S. 236. (Vlg. auch seine ausführlichen Argumente zu diesem Thema, S. 231-7)

153 Für weitere Tatsachen in Bezug auf die Isolierung der Basken in Europa und ihre ethnologischen Beziehungen, siehe Joly, „Man before Metals“, S. 316. J. B. Davis ist aufgrund einer Untersuchung der Schädel der Guanchen der Kanarischen Inseln und der modernen Basken dazu geneigt einzuräumen, dass beide einer Rasse angehören, welche die alten Inseln bewohnte, deren Überreste die Kanaren sind!! Das ist in der Tat ein Schritt nach vorn. Sowohl de Quatrefages als auch Hamy schreiben die südfranzösischen Cro-Magnon-Menschen und die Guanchen einem einzigen Typus zu – eine Feststellung, die eine gewisse Schlussfolgerung in sich einschließt, zu der sich zu bekennen die beiden Autoren wenig geneigt sein könnten.

154 Donnelly, „Atlantis: The Ante-Diluvian World“, S. 480.

155 Vide Sir W. Thomson und Huxley.

[SD # 301]
BAND I, TEIL II

 

DIE
ENTWICKLUNG DER SYMBOLIK

IN IHRER UNGEFÄHREN ReihenFOLGE


ERLÄUTERNDE KAPITEL

 

[SD # 302] [SD # 303]

 

 

 

 

 

§ I
SYMBOLISMUS UND IDEOGRAMME

„Ein Symbol ist für den, der Augen dafür hat, immer eine mehr oder weniger klare Offenbarung des Göttlichen.Durch sie alle schimmert etwas von einer göttlichen Idee. Nein, nicht einmal das erhabenste Zeichen, unter dem die Menschen sich jemals begegneten und umarmten, das Kreuz, hätte keinerlei Bedeutung mit Ausnahme einer zufälligen, äußerlichen.“ – Carlyle

Den größten Teil des Lebens der gegenwärtigen Schreiberin hat das Studium der verborgenen Bedeutung sämtlicher religiöser und profaner Legenden eingenommen, von welcher Nation auch immer, ob groß oder klein – und insbesondere der Traditionen des Ostens. Sie zählt zu jenen, die davon überzeugt sind, dass mythologische Geschichten und überlieferte Begebenheiten der Weisheit der Völker aller Zeiten noch niemals reine Erfindung gewesen seien, sondern dass jede dieser Erzählungen auf einem tatsächlichen historischen Hintergrund beruht. Wie angesehen auch immer diese Symbologen sein mögen, die Schreiberin stimmt mit jenen von ihnen nicht überein, die in jedem Mythos nichts anderes als einen weiteren Beweis für die abergläubische Gedankenhaltung der Alten finden und der Ansicht sind, sämtliche Mythologien seien aus Sonnenmythen entsprungen und darauf aufgebaut. Diese oberflächlichen Denker wurden auf bewundernswerte Weise von Gerald Massey, dem Dichter und Ägyptologen, in einem Vortrag über „Luniolatry: Ancient and Modern“ widerlegt. Da sie unsere eigenen Gefühle so gut wiedergibt, ist seine scharfe Kritik einer Wiederholung in diesem Teil dieses Werkes wert; dieselbe Kritik brachten wir bereits im Jahre 1875 offen zum Ausdruck, als „Isis Unveiled“ geschrieben wurde.

„Seit dreißig Jahren lehrt Prof. Max Müller in seinen Büchern und Vorträgen, in der Times und verschiedenen Zeitschriften, von der Bühne der Royal Institution, von der Kanzel der Westminster Abbey und von seinem Stuhl in Oxford aus, dass Mythologie eine Krankheit der Sprache sei, und dass die alte Symbolik das Ergebnis einer Art frühgeschichtlicher Verwirrung war.

‘Wir wissen’, sagt Renouf in seinen Hibbert-Vorlesungen und wiederholt damit Max Müller, ‘wir wissen, dass Mythologie eine Krankheit ist, die in einem gewissen Stadium der menschlichen Kultur auftritt’. So lautet die oberflächliche Erklärung der Nichtevolutionisten, und solche Erklärungen werden bis heute vom britischen Publikum akzeptiert, das andere [SD # 304] für sich denken lässt. Prof. Max Müller, Cox, Gubernatis und andere Vertreter der Idee eines Sonnenmythos stellten den ursprünglichen Erschaffer eines Mythos als eine Art germanisierten Hindu-Metaphysiker dar, der seinen eigenen Schatten auf einen Gedankennebel projiziert und geistreich über Rauch oder zumindest Wolken spricht; dabei wird der Himmel über ihm zum mit Bildern uralter Alpträume bekritzelten Dom des Traumlands! Sie stellen sich den frühen Menschen nach ihrem eigenen Bild vor und sind der Ansicht, dass er widernatürlich zur Selbst-Mystifizierung neige, oder wie Fontenelle sich ausdrückt: ‘Anfällig dafür, nicht existierende Dinge zu sehen.’ Sie stellten den primitiven oder archaischen Menschen fälschlicherweise so dar, als wäre er von Anfang an durch eine aktive, aber ungeschulte Imagination idiotischerweise dazu verleitet worden, an alle Arten von Trugbildern zu glauben, welche seinen eigenen täglichen Erfahrungen direkt und beständig widersprachen; ein Dummkopf inmitten der grausamen Wirklichkeiten, die ihm seine Erfahrungen einschliffen wie die scheuernden Eisberge ihre Spuren auf die unter Wasser liegenden Felsen hinterlassen. Es bleibt zu sagen – und es wird eines Tages anerkannt werden –, dass diese akzeptierten Lehrer den Anfängen der Mythologie und der Sprache nicht näher kamen als Burns Dichter Willie dem Pegasus. Meine Antwort lautet, es ist nur ein Traum der metaphysischen Theoretiker, dass Mythologie eine Krankheit der Sprache war oder von irgendetwas anderem als seinem eigenen Gehirn. Diese Sonnendeuter und falschen Wetter-Propheten verfehlten den Ursprung und die Bedeutung der Mythologie vollständig! Mythologie war eine ursprüngliche Art, den frühen Gedanken zu denken. Sie gründete sich auf Tatsachen der Natur und ist auch heute noch durch Phänomene nachweisbar. Es liegt nichts Wahnsinniges, nichts Irrationales in ihr, wenn sie im Licht der Evolution betrachtet und die sie zum Ausdruck bringende Symbolsprache vollständig verstanden wird. Der Wahnsinn besteht vielmehr darin, sie fälschlicherweise für menschliche Geschichte oder Göttliche Offenbarung zu halten.1 Mythologie ist die Fundgrube der ältesten Wissenschaft des Menschen, und das ist es, was uns wirklich interessiert – wenn sie wieder richtig interpretiert wird, ist sie dazu bestimmt, diesen falschen Theologien den Tod zu bringen, die sie unbewusst ins Leben gesetzt hat.2 Im modernen Sprachgebrauch wird eine Aussage manchmal im Verhältnis zu ihrer Unwahrheit als mythisch bezeichnet. Die alte Mythologie war jedoch kein System und keine Art von Fälschung in diesem Sinn. Ihre Fabeln waren Mittel, um Tatsachen mitzuteilen. Sie waren weder Fälschungen noch Erdichtungen. . . . Wenn zum Beispiel die Ägypter den Mond als eine Katze abbildeten, waren sie weder so unwissend zu glauben, dass der Mond eine Katze wäre; noch erkannte ihre ausschweifende Fantasie irgendeine Ähnlichkeit zwischen dem Mond und einer Katze; auch war ein Katzenmythos keine bloße Erweiterung einer verbalen Metapher oder hatten sie irgendeine Absicht, Geduldsspiele oder Rätsel zu erschaffen. . . . Sie hatten die einfache Tatsache beobachtet, dass die Katze im Dunkeln sieht und dass ihre Augen bei Nacht kugelrund werden und am stärksten leuchten. Der Mond war bei Nacht der Seher am Himmel, und die Katze sein Äquivalent auf der Erde; und so wurde die vertraute Katze als sein Repräsentant angenommen, ein natürliches Symbol, ein lebendiges Piktogramm der Mondkugel. . . . Und daraus folgte, dass die Sonne, die zur Nachtzeit in die Unterwelt blickte, ebenfalls die Katze genannt werden konnte, weil sie sozusagen auch in der Dunkelheit sah. [SD # 305] Katze heißt auf Ägyptisch Mau, was Seher bedeutet, von mau, sehen. Einer der Autoren über Mythologie bestätigt, dass die Ägypter ‘sich eine große Katze hinter der Sonne vorstellten, wobei die Pupille deren Katzenauge ist’. Aber diese Vorstellung ist ganz modern. Sie ist aus dem Müllerschen Warenlager. Der Mond als Katze war das Auge der Sonne, weil er das Sonnenlicht reflektierte und weil das Auge das Bild in seinem Spiegel zurückwirft. In Gestalt der Göttin Pasht wacht die Katze über die Sonne, indem sie mit ihrer Pfote den Kopf der Schlange der Finsternis niederhält und zerquetscht, die als ihr ewiger Feind bezeichnet wird. . . .

Das ist eine sehr genaue Darstellung des Mondmythos in seinem astronomischen Aspekt. Die Selenografie ist jedoch die am wenigsten esoterische der Unterabteilungen der lunaren Symbolik. Um die – wenn wir ein neues Wort prägen dürfen – Selenognosis vollständig zu beherrschen, muss man in mehr Dingen bewandert sein als in ihrer astronomischen Bedeutung. Der Mond (vide § IX, „Deus Lunus“) steht in enger Verwandtschaft mit der Erde, wie in Stanze VI des I. Bandes gezeigt wurde, und hat direkter mit all den Mysterien unseres Globus zu tun als selbst Venus-Luzifer, die okkulte Schwester und das Alter-Ego der Erde.

Die unermüdlichen Forschungsarbeiten westlicher, insbesondere deutscher Symbologen im letzten und gegenwärtigen Jahrhundert, haben alle Okkultisten und die vorurteilsfreiesten Menschen dahin gebracht einzusehen, dass ohne die Hilfe der Symbologie (mit ihren sieben Unterabteilungen, von denen die Modernen nichts wissen) keine heilige Schrift jemals richtig verstanden werden kann. Symbologie muss in jedem einzelnen ihrer Aspekte studiert werden, denn jede Nation hatte ihre eigenen, besonderen Ausdrucksweisen. Kurz gesagt, kein ägyptischer Papyrus, kein indisches Palmblatt, kein assyrischer Ziegel und keine hebräische Schriftrolle sollte buchstäblich gelesen und akzeptiert werden.

Das weiß heute jeder Gelehrte. Die vortrefflichen Vorlesungen von Gerald Massey allein reichen aus, jeden aufrichtigen Christen davon zu überzeugen, dass er in einen noch größeren Irrtum und Aberglauben verfällt als ihn das Gehirn eines wilden Südseeinsulaners jemals hervorgebracht hat, wenn er den toten Buchstaben der Bibel akzeptiert. Aber der Punkt, dem gegenüber selbst die meisten wahrheitsliebenden und wahrheitssuchenden Orientalisten blind zu bleiben scheinen – seien sie Experten für Arier oder Ägyptologen – ist die Tatsache, dass jedes auf Papyrus oder einen Tontopf aufgezeichnete Symbol einem vielflächigen Diamanten gleicht, dessen Facetten jede für sich nicht nur unterschiedliche Interpretationen in sich birgt, sondern sich auch auf verschiedene Wissenschaften bezieht. Ein Beispiel hierfür ist die soeben zitierte Interpretation des Mondes, der durch die Katze symbolisiert wird – ein Beispiel für siderisch-terrestrische Bilddarstellung, denn der Mond hat bei anderen Nationen noch viele weitere Bedeutungen.

Wie der verstorbene Kenneth Mackenzie, erfahrener Freimaurer und Theosoph, in seiner Royal Masonic Cyclopaedia gezeigt hat, besteht ein großer Unterschied zwischen Emblem und Symbol. Ersteres „umfasst eine größere Anzahl von Gedanken als ein Symbol, von dem man sagen kann, dass es nur eine einzelne, besondere Idee versinnbildlicht“. So bilden die Symbole (sagen wir lunare oder solare) verschiedener Länder, von denen ein jedes eine solche besondere Idee oder eine Reihe von Ideen veranschaulicht, zusammengenommen ein esoterisches Emblem. Letzteres ist „ein konkretes, sichtbares [SD # 306] Bild oder Zeichen, das ein Prinzip oder eine Reihe von Prinzipien darstellt – für jene erkennbar, die gewisse Instruktionen erhalten haben“ (Initiierte). Um es noch klarer zu machen: Ein Emblem ist gewöhnlich eine allegorisch betrachtete und erklärte Reihe von grafischen Bildern, und es entfaltet in panoramischen Motiven Schritt für Schritt eine Idee. So sind die Puranas geschriebene Embleme. Das Gleiche gilt für die mosaischen und christlichen Testamente oder die Bibel und allen anderen exoterischen Schriften. Wie uns dieselbe Autorität sagt:

„Alle esoterischen Gesellschaften verwendeten Embleme und Symbole, so wie die Pythagoreische Gesellschaft, die Eleusinische, die Hermetische Bruderschaft von Ägypten, die Rosenkreuzer und die Freimaurer. Viele dieser Embleme sind nicht dafür geeignet, den Augen der Allgemeinheit preisgegeben zu werden, und ein sehr geringfügiger Unterschied kann das Emblem oder Symbol in seiner Bedeutung stark verändern. Die magischen Sigillen, die auf gewissen Zahlenprinzipien gründen, weisen denselben Charakter auf; und wenn sie auch in den Augen der nicht Unterwiesenen ungeheuerlich oder lächerlich erscheinen, vermitteln sie denjenigen ein ganzes Lehrgebäude, die darin geschult wurden, sie zu erkennen.“

Die oben aufgezählten Gesellschaften sind alle verhältnismäßig jung, keine reicht weiter zurück als bis ins Mittelalter. Um so angebrachter wird es daher sein, dass die Schüler der ältesten archaischen Schule darauf bedacht sind, keine Geheimnisse preiszugeben, welche für die Menschheit von viel größerer Bedeutung sind (in dem Sinne, dass sie in den Händen Letzterer gefährlich sind) als sämtliche sogenannten „freimaurerischen Geheimnisse“, welche jetzt dem „Polichinelle“ anheim fielen, wie die Franzosen sagen! Aber diese Einschränkung kann lediglich die psychologische oder vielmehr psycho-physiologische und kosmische Bedeutung der Symbole und Embleme betreffen, und selbst das nur teilweise. Ein Adept muss sich weigern, die Bedingungen und Mittel weiterzugeben, die auf eine Korrelation von Elementen hinführen – ob psychisch oder physisch –, welche sowohl ein schädliches als auch ein nützliches Resultat hervorbringen können. Aber er ist immer bereit, dem ernsthaften Schüler das Geheimnis des alten Denkens mitzuteilen in Bezug auf die hinter der mythologischen Symbolik verborgene Geschichte, und ihn damit für einen Rückblick in die Vergangenheit mit einigen weiteren Landmarken auszustatten, insoweit sich daraus nützliche Informationen über den Ursprung des Menschen, die Evolution der Rassen und die Geognosis ergeben; und doch wird heutzutage die Klage nicht nur unter den Theosophen, sondern auch unter den wenigen an dem Thema interessierten Profanen laut: „Warum enthüllen die Adepten nicht das, was sie wissen?“ Hierauf könnte man antworten: „Warum sollten sie das tun, da im Vorhinein bekannt ist, dass kein Wissenschaftler die übermittelten Tatsachen akzeptieren wird, nicht einmal als Hypothese, geschweige denn als Theorie oder Axiom? Haben Sie auch nur das A B C der okkulten Philosophie, wie es im Theosophist, im „Esoteric Buddhism“ und anderen Werken und Zeitschriften enthalten ist, akzeptiert oder daran geglaubt? Wurde nicht selbst das Wenige, was gegeben wurde, lächerlich gemacht und verspottet und einerseits der „Tier-“ und „Affentheorie“ von Huxley/Haeckel und andererseits der Rippe Adams und dem Apfel gegenübergestell? Trotz dieser wenig beneidenswerten Aussichten wird im vorliegenden Werk eine Menge von Tatsachen gegeben. Und nun werden der Ursprung des Menschen, die Evolution des Globus und [SD # 307] der menschlichen und tierischen Rassen hier so vollständig behandelt, wie die Schreiberin sich dazu in der Lage sieht.

Die zur Bestätigung der alten Lehren vorgebrachten Beweise finden sich weit verstreut in den alten Schriften vergangener Zivilisationen. Die Puranas, die Zend-Avesta und die alten Klassiker sind voll von ihnen; aber niemand hat sich jemals die Mühe gemacht, diese Tatsachen zu sammeln und abzugleichen. Der Grund dafür ist, dass alle diese Ereignisse symbolisch aufgezeichnet wurden; und dass die besten Gelehrten, die schärfsten Denker unter unseren Arier-Experten und Ägyptologen, allzu oft von der einen oder anderen vorgefassten Meinung und noch häufiger von einseitigen Ansichten über die geheime Bedeutung in Verwirrung gebracht wurden. Und dennoch ist selbst eine Parabel ein gesprochenes Symbol: eine Erdichtung oder Fabel, wie manche denken; eine allegorische Darstellung von Lebenswirklichkeiten, Ereignissen und Tatsachen, wie wir sagen. Und da Parabeln für gewöhnlich eine Moral enthalten, welche eine effektive Wahrheit und Tatsache im menschlichen Leben darstellt, konnten jene, die mit den hieratischen Wissenschaften vertraut waren, aus gewissen in den alten Tempelarchiven aufgezeichneten Emblemen und Symbolen echte historische Ereignisse ableiten. Die religiöse und esoterische Geschichte einer jeden Nation wurde in Symbole eingebettet; niemals wurden viele Worte um sie gemacht. Alle Gedanken und Emotionen, all die Gelehrsamkeit und das Wissen der früheren Rassen, offenbart und erworben, fanden ihre bildliche Darstellung in Allegorie und Parabel. Warum? Weil das gesprochene Wort eine Kraft besitzt, welche den modernen „Weisen“ nicht bekannt ist, die sie nicht erwarten und anzweifeln. Weil Ton und Rhythmus mit den vier Elementen der Alten in enger Beziehung stehen; und weil diese oder jene Schwingung in der Luft mit Sicherheit korrespondierende Kräfte erwecken kann und eine Vereinigung mit ihnen gegebenenfalls gute oder schlechte Wirkungen hervorbringt. Keinem Schüler wurde jemals erlaubt, historische, religiöse oder tatsächliche Ereignisse jedweder Art in mancherlei unmissverständlichen Worten vorzutragen, um nicht die mit dem Ereignis in Verbindung stehenden Mächte erneut anzuziehen. Solche Ereignisse wurden nur während der Initiation geschildert, und jeder Schüler musste sie in entsprechenden, aus seinem eigenen Gemüt entnommenen Symbolen aufzeichnen, später prüfte sie sein Meister, bevor sie schließlich akzeptiert wurden. So entstand mit der Zeit das chinesische Alphabet, entsprechend der Festlegung der hieratischen Symbole im alten Ägypten davor. In der chinesischen Sprache, deren Schriftzeichen in jeder beliebigen Sprache3 gelesen werden können und die nur wenig jünger sind als das ägyptische Alphabet des Thot, besitzt jedes Wort sein korrespondierendes Symbol, welches das benötigte Wort in bildlicher Form darstellt. Die Sprache besitzt viele Tausende solcher Symbolbuchstaben oder Logogramme, von denen jedes ein ganzes Wort bedeutet; denn einzelne Buchstaben oder ein Alphabet existieren im Chinesischen ebenso wenig wie bis zu einer viel späteren Periode im Ägyptischen.

[SD # 308] Nun wird die Erklärung der Hauptsymbole und Embleme versucht, weil Band II, der die Anthropogenesis behandelt, ohne vorbereitende Bekanntschaft zumindest mit den metaphysischen Symbolen äußerst schwer zu verstehen sein würde.

Auch wäre es unangemessen, eine esoterische Erklärung der Symbole zu beginnen, ohne jenem die gebührende Ehre zu erweisen, der ihr in diesem Jahrhundert den größten Dienst erwiesen hat, indem er den Hauptschlüssel zu der alten hebräischen Symbologie entdeckte, welcher mit der Metrologie eng verwoben ist und einen der Schlüssel zur einstmals universalen Mysteriensprache darstellt. Unser Dank gebührt Ralston Skinner aus Cincinnati, dem Verfasser von „The Key to the Hebrew-Egyptian Mystery in the Source of Measures“. Von Natur aus Mystiker und Kabbalist, hat er viele Jahre in dieser Richtung gearbeitet, und seine Bemühungen wurden zweifellos von großem Erfolg gekrönt. Mit seinen eigenen Worten:

„Der Schreiber ist sich ganz sicher, dass es eine alte Sprache gab, die gegenwärtig und bis in unsere Zeit verloren zu sein scheint, deren Spuren aber reichlich vorhanden sind. . . . Der Verfasser entdeckte, dass dieses geometrische Verhältnis (das integrale Verhältnis zwischen Kreisdurchmesser und -umfang) der sehr alte und wahrscheinlich göttliche Ursprung der linearen Maße ist. . . . Es erscheint nahezu bewiesen, dass dasselbe System von Geometrie, Zahlen, Verhältnissen und Maßen auch auf dem nordamerikanischen Kontinent bekannt war und benützt wurde, sogar bevor es den abstammenden Semiten bekannt war. . . . .

Die Besonderheit dieser Sprache war, dass sie in einer anderen enthalten sein konnte, verborgen und nicht wahrnehmbar, ausgenommen mithilfe einer besonderen Unterweisung; Buchstaben und Silbenzeichen besaßen gleichzeitig die Kraft oder Bedeutung von Zahlen, von geometrischen Figuren, Bildern oder Ideogrammen und Symbolen. Ihr beabsichtigter Zweck konnte von in Erzählungen oder Teilen von Erzählungen enthaltenen Parabeln unterstützt werden; oder er wurde separat dargelegt, unabhängig und auf unterschiedliche Weise durch Bilder, in Steinwerken oder Lehmbauten.

Um eine Zweideutigkeit in Bezug auf den Ausdruck Sprache aufzuklären: Ursprünglich bedeutet das Wort den Ausdruck von Ideen durch die menschliche Sprache. In zweiter Linie aber kann es auch den Ausdruck von Ideen durch ein beliebiges anderes Mittel bedeuten. Diese alte Sprache ist auf solche Weise in den hebräischen Text gefasst, dass mit der Verwendung der geschriebenen Schriftzeichen – welche die der ersten Definition entsprechende Sprache ergeben – eine sich von den Inhalten der gelesenen Lautzeichen unterscheidende Reihe von Ideen absichtlich mitgeteilt werden kann. Hinter einem Schleier verborgen, legt diese Sekundärsprache ganze Reihen von Ideen dar, Kopien wahrnehmbarer und abbildbarer Dinge in der Imagination, und von Dingen, die als real bezeichnet werden können, ohne jedoch wahrnehmbar zu sein; zum Beispiel kann die Zahl 9 als eine Wirklichkeit betrachtet werden, obwohl sie keine wahrnehmbare Existenz hat, und so kann auch eine Umdrehung des Mondes, unabhängig von dem diese Umdrehung verursachenden Mond so betrachtet werden, dass sie eine reale Vorstellung hervorruft oder sie verursachen kann, obwohl ein solcher Umlauf nicht substanziell ist. Diese Ideensprache kann aus Symbolen bestehen, die auf willkürliche Begriffe und Zeichen mit einem sehr eng begrenzten Vorstellungsinhalt beschränkt und ziemlich bedeutungslos sind, oder sie kann eine Vorstellung der Natur in einigen ihrer Manifestationen von nahezu unermesslichem Wert in Bezug auf die menschliche Zivilisation sein. Ein Bild eines beliebigen natürlichen Gegenstandes kann die Vorstellung von in Einklang gebrachter [SD # 309] Substanz-Materie hervorrufen, welche den Speichen eines Rades gleich in verschiedene und selbst in entgegengesetzte Richtungen ausstrahlt und natürliche Wirkungen in Bereichen hervorrufen, welche der scheinbaren Richtung der Auffassung des ersten oder Anfangsbildes ganz fremd sind. Ein Begriff kann einen verwandten Begriff hervorrufen, aber wenn das zutrifft, dann müssen, auch scheinbar inkongruent, alle sich ergebenden Ideen aus dem ursprünglichen Bild hervorgehen und harmonisch miteinander verbunden oder verwandt sein. . . . So könnte aus einer bildlich dargestellten Idee – wenn sie radikal genug ist – die Vorstellung vom Kosmos selbst, sogar mit den Einzelheiten seiner Konstruktion, entstehen. Ein solcher Gebrauch der gewöhnlichen Sprache ist jetzt veraltet, aber dem Verfasser kam die Frage in den Sinn, ob sie oder etwas Ähnliches nicht zu einer längst vergangenen Zeit die Weltsprache war und allgemein verwendet wurde, jedoch in den Besitz einer auserwählten Klasse oder Kaste gelangte, als sie mehr und mehr in ihre geheimen Formen ausgebildet wurde. Damit meine ich, dass die Volkssprache oder Mundart bereits in ihren ersten Anfängen als Vehikel für diese besondere Art der Weitergabe von Ideen benützt zu werden begann. Hierfür existieren starke Beweise; und es scheint so, dass in der Geschichte der menschlichen Rasse aus Gründen, die wir zumindest gegenwärtig auf keine Weise zurückverfolgen können, ein Verfall oder Verlust einer ursprünglichen vollkommenen Sprache und einem vollkommenen Wissenssystem eingetreten ist – sollen wir sagen vollkommen, weil sie göttlichen Ursprungs war und vom Göttlichen eingeführt wurde?“

„Göttlicher Ursprung“ bedeutet hier nicht eine Offenbarung eines anthropomorphen Gottes auf einem Berg inmitten von Blitz und Donner; sondern – wie wir es verstehen – eine Sprache und ein Wissenschaftssystem, welche der ersten Menschheit von einer weiter vorangeschrittenen Menschheit übermittelt wurde – soviel höher, dass sie in den Augen dieser kindlichen Menschheit göttlich war. Kurz gesagt, von einer „Menschheit“ aus anderen Sphären; eine Idee, die nichts Übernatürliches enthält, deren Annahme oder Ablehnung jedoch vom Maß der Einbildung und Arroganz im Gemüt dessen abhängt, dem sie vorgelegt wird. Denn wenn die Professoren der modernen Wissenschaft nur eingestehen würden, dass sie zwar nichts über die Zukunft des körperlosen Menschen wissen – oder vielmehr nichts darüber annehmen wollen –, dass aber diese Zukunft voller Überraschungen und unerwarteter Enthüllungen für sie sein könnte, sobald ihre Egos von ihren groben Körpern befreit sein werden – dann hätte der materialistische Unglaube geringere Chancen als gegenwärtig. Wer von ihnen weiß oder kann uns sagen, was geschehen könnte, wenn der Lebenszyklus dieses Globus einst abgelaufen sein und unsere Mutter Erde selbst in ihren letzten Schlaf versinken wird? Wer ist kühn genug zu behaupten, dass die göttlichen Egos unserer Menschheit – zumindest die Auserwählten der in andere Sphären übergehenden Scharen – nicht ihrerseits die „göttlichen“ Unterweiser einer neuen, von ihnen auf einem neuen Globus erschaffenen Menschheit sein werden, von den entkörperten „Prinzipien“ unserer Erde ins Leben gerufen und in Aktivität versetzt? (Siehe Stanze VI, Band I, Teil I) All das mag in der Vergangenheit erlebt worden sein, und diese seltsamen Dokumente liegen in der „Mysteriensprache“ der prähistorischen Zeitalter vergraben, jener Sprache, die jetzt Symbolik genannt wird.

 

 

[SD # 310]
§
II
Die Mysteriensprache und ihre Schlüssel

Über den geringsten Zweifel erhaben beweisen somit kürzlich von großen Mathematikern und Kabbalisten gemachte Entdeckungen, dass alle Theologien, von der frühesten und ältesten bis hin zur jüngsten, nicht nur aus einer gemeinsamen Quelle abstrakter Glaubenslehren abstammen, sondern auch aus einer universalen, esoterischen oder „Mysterien“-Sprache. Diese Gelehrten besitzen den Schlüssel zur universalen Sprache der Vorzeit und haben das in die Halle der Mysterien führende hermetisch verschlossene Tor damit erfolgreich aufgeschlossen, wenn auch nur einmal. Das seit vorgeschichtlichen Zeiten als die heilige Weisheits-Wissenschaft bekannte große archaische System, welches in allen alten so gut als wie in allen neuen Religionen enthalten ist und dort gefunden werden kann, besaß seine universale Sprache und besitzt sie noch immer – wie der Freimaurer Ragon vermutet –, die Sprache der Hierophanten, die sozusagen sieben „Dialekte“ hat, von welchen sich jeder Einzelne auf eines der sieben Geheimnisse der Natur bezieht und dafür besonders geeignet ist. Jeder hatte seine eigene Symbolik. Die Natur konnte so entweder in ihrer Gänze gelesen oder von einem beliebigen ihrer besonderen Aspekte aus betrachtet werden.

Der Beweis dafür liegt bis zum heutigen Tag in der außerordentlichen Schwierigkeit, welchen die Orientalisten im Allgemeinen und die Erforscher der indischen Sprachen und die Ägyptologen im Besonderen bei der Interpretation der allegorischen Schriften der Arier und der hieratischen Aufzeichnungen des alten Ägyptens begegnen. Das ist so, weil sie niemals berücksichtigen, dass alle alten Aufzeichnungen in einer universalen und in der alten Zeit allen Nationen gleichermaßen bekannten Sprache geschrieben waren, die jedoch heute nur den Wenigen verständlich ist. Wie die arabischen Ziffern, welche die Menschen aller Nationen kennen, oder wie das englische Word and, das bei den Franzosen zum et und bei den Deutschen zum und wird und so weiter, das aber bei sämtlichen zivilisierten Nationen durch das einfache Zeichen & ausgedrückt werden kann – auf dieselbe Weise haben alle Worte der Mysteriensprache für alle Menschen ein und dieselbe Bedeutung, einerlei welcher Nationalität sie angehören mögen. Es gab verschiedene beachtenswerte Männer, die den Versuch unternahmen, eine solche universale und philosophische Sprache erneut zu errichten, darunter Delgarme, Wilkins, Leibniz; Demaimieux zeigte mit seiner Pasigrafie als Einziger auf, dass sie möglich ist. Das die „Griechische Kabbala“ genannte System von Valentinius, welches auf der Verbindung griechischer Buchstaben beruht, kann als Vorbild dienen.

Die vielseitigen Facetten der Mysteriensprache haben in der Exoterik der kirchlichen Rituale zur Annahme sehr unterschiedlicher Dogmen und Riten geführt. Noch einmal, diese waren der Ursprung der meisten Dogmen der christlichen Kirche, z. B. der sieben Sakramente, der Dreieinigkeit, der Wiederauferstehung; der sieben Todsünden und der sieben Tugenden. Die sieben Schlüssel zur Mysteriensprache jedoch befanden sich immer in [SD # 311] der Verwahrung der höchsten unter den initiierten Hierophanten des Altertums; durch den Verrat einiger frühzeitiger Kirchenväter – ehemaliger Tempelinitiierter – fiel der neuen Sekte der Nazarener lediglich der teilweise Gebrauch einiger dieser sieben in die Hände. Einige der frühen Päpste waren Initiierte. Die letzten Bruchstücke ihrer Wissenschaft sind heute jedoch in den Machtbereich der Jesuiten gefallen, die sie in ein System von Zauberei verwandelten.

Es wird behauptet, dass Indien (nicht in seinen gegenwärtigen Grenzen, sondern innerhalb seiner alten Grenzen) das einzige Land der Erde ist, unter dessen Söhnen sich noch Adepten befinden, welche die Kenntnis aller sieben Untersysteme und den Schlüssel zum gesamten System besitzen. Seit dem Fall von Memphis begann Ägypten, diese Schlüssel zu verlieren, einen nach dem anderen, und Chaldäa bewahrte in den Tagen des Berossos lediglich noch drei von ihnen auf. Was die Hebräer betrifft, so zeigen sie in allen ihren Schriften keine genaue Kenntnis der astronomischen, geometrischen und numerischen Systeme, die alle menschlichen und insbesondere die physiologischen Funktionen symbolisieren. Sie haben die höheren Schlüssel niemals besessen.

Gaston Maspero, der große französische Ägyptologe und Nachfolger von Auguste Mariette-Bey, schreibt: „So oft ich Menschen über die Religion Ägyptens sprechen höre, bin ich immer versucht zu fragen, von welcher der ägyptischen Religionen sie sprechen. Sprechen sie von der ägyptischen Religion der 4. Dynastie oder von der ägyptischen Religion der Ptolemäischen Periode? Von der Religion des Pöbels oder von der der Gelehrten? Von der in den Schulen von Heliopolis gelehrten oder von der in den Köpfen und Vorstellungen der Priesterklasse in Theben gepflegten? Denn zwischen dem ersten Grab von Memphis, welches die Kartusche eines Königs der dritten Dynastie trägt, und den letzten Steinen in Esna unter Philippus Caesar, dem Araber, liegt ein Zeitraum von mindestens fünftausend Jahren. Wenn wir die Invasion der Hirten, die äthiopischen und assyrischen Herrschaftsgebiete, die persische Eroberung, die griechische Kolonisierung und die tausend Umwälzungen seines politischen Lebens außer Acht lassen, hat Ägypten während dieser fünftausend Jahre zahlreiche Wandlungen des moralischen und intellektuellen Lebens durchgemacht. Kapitel 17 des „Totenbuches“, welches eine Darstellung des Weltensystems gemäß der Auffassung in Heliopolis zur Zeit der ersten Dynastien zu enthalten scheint, ist uns nur durch einige wenige aus der elften und zwölften Dynastie erhaltene Kopien bekannt. Jeder der darin enthaltenen Verse wurde schon damals auf drei oder vier verschiedene Arten interpretiert, die sich tatsächlich derartig voneinander unterschieden, dass nach der einen oder anderen Auslegung der Demiurg entweder zum Sonnenfeuer – Ra-Schu – oder zum Urwasser wurde. Fünfzehn Jahrhunderte später hatte die Zahl der Deutungen erheblich zugenommen. Die Zeit hatte in ihrem Verlauf die Vorstellungen vom Universum und die es beherrschenden Kräfte modifiziert. In den kaum achtzehn Jahrhunderten, welche das Christentum besteht, hat es die meisten seiner Dogmen ausgearbeitet, [SD # 312] entwickelt und umgewandelt; wie oft mag da nicht die ägyptische Priesterschaft ihre Dogmen während jener fünfzig Jahrhunderte verändert haben, die Theodosius von den königlichen Erbauern der Pyramiden trennen?“

Hier geht der hervorragende Ägyptologe unserer Ansicht nach zu weit. Die exoterischen Dogmen mögen oft verändert worden sein, die esoterischen niemals. Er berücksichtigt nicht die heilige Unveränderlichkeit der ausschließlich während der Initiationsmysterien geoffenbarten ursprünglichen Wahrheiten. Die ägyptischen Priester haben viel vergessen, sie veränderten nichts. Der Verlust eines großen Teiles der ursprünglichen Lehre war die Folge plötzlicher Todesfälle unter den großen Hierophanten, die verstarben, bevor sie Zeit hatten, ihren Nachfolgern alles zu offenbaren; hauptsächlich, weil es an würdigen Erben für das Wissen fehlte. Doch bewahrten sie die Hauptsätze der Geheimlehre in ihren Ritualen und Dogmen. So finden wir in dem von Maspero erwähnten siebzehnten Kapitel Folgendes: (1) Osiris sagt, er sei Tum (die schöpferische Kraft in der Natur, welche allen Wesen, Geistern und Menschen ihre Form gibt), selbst erzeugt und selbstexistent, hervorgegangen aus Nun, dem himmlischen Fluss, Vater-Mutter der Götter genannt, die ursprüngliche Gottheit, die Chaos oder Tiefe ist, von dem unsichtbaren Geist erfüllt. (2) Er fand Schu (Sonnenkraft) auf der Treppe in der Stadt der Acht (der zwei Würfel des Guten und Bösen) und vernichtete die Kinder des Aufruhrs, die bösen Prinzipien in Nun (Chaos). (3) Er ist das Feuer und das Wasser, d. h. Nun, der ursprüngliche Elter, und er erschuf die Götter aus seinen Gliedern – 14 Götter (zweimal sieben), sieben dunkle und sieben helle (bei den Christen die sieben Geister der Gegenwart und die sieben dunklen, bösen Geister). (4) Er ist das Gesetz der Existenz und des Seins (V. 10), der Bennu (oder Phönix, der Vogel der Auferstehung in der Ewigkeit), in welchem die Nacht dem Tag und der Tag der Nacht folgt – eine Anspielung auf die periodischen Zyklen der kosmischen Wiederauferstehung und der menschlichen Reinkarnation; was sonst könnte dies bedeuten? „Der Wanderer, der Millionen von Jahren durchschreitet, im Namen des Einen, und das Große Grüne (Urwasser und Chaos) ist der Name des anderen“ (V. 17), der eine zeugt Millionen von zusammenhängenden Jahren, der andere verschlingt sie, um sie wiederherzustellen. (5) Er spricht von den Sieben Leuchtenden, die ihrem Herrn folgen, der Gerechtigkeit gewährt (Osiris in Amenti).

All das war, wie jetzt gezeigt wurde, Quelle und Ursprung christlicher Dogmen. Was die Juden durch Moses und andere Initiierte aus Ägypten hatten, wurde in späteren Jahren ziemlich verwirrt und entstellt. Und was die Kirchen von beiden übernommen haben, ist noch schlechter interpretiert.

Doch hat sich ihr System auf einem speziellen Gebiet der Symbologie – nämlich dem Schlüssel zu den Mysterien der Astronomie in ihrem Zusammenhang mit denen der Zeugung und Empfängnis – jetzt als übereinstimmend erwiesen mit den Vorstellungen jener alter Religionen, deren Theologien das phallische Element entwickelten. Das jüdische System der auf religiöse Symbole angewendeten heiligen Maße entspricht jenen von Chaldäa, Griechenland und Ägypten, [SD # 313] insofern geometrische und numerische Kombinationen in Betracht gezogen werden, denn die Juden übernahmen es in den Jahrhunderten ihrer Sklavendienste und Gefangenschaft in diesen Nationen.4 Was charakterisierte dieses System? Es ist die tiefste Überzeugung des Verfassers von „The Source of Measures“, dass „die mosaischen Bücher beabsichtigen, mithilfe einer Art Kunstsprache ein geometrisches und numerisches System exakter Wissenschaft aufzustellen, das als eine Quelle der Maße dienen sollte“. Piazzi Smyth glaubt dasselbe. Dieses System und diese Maße werden von einigen Gelehrten für identisch gehalten mit jenen, die bei der Erbauung der Großen Pyramide benutzt wurden – aber das ist nur teilweise so. „Die Grundlage dieser Maße war das Parkersche Verhältnis“, sagt R. Skinner in „The Source of Measures“.

Nach seiner Angabe fand der Verfasser dieses ganz außergewöhnlichen Werkes das heraus, als er das integrale Zahlenverhältnis zwischen dem Durchmesser und dem Umfang des Kreises anwandte, welches von John Parker aus New York entdeckt worden war. Dieses Verhältnis beträgt 6.561 für den Durchmesser und 20.612 für den Umfang. Weiter fand er heraus, dass dieses geometrische Verhältnis der sehr alte (und wahrscheinlich) der göttliche Ursprung dessen ist, was durch exoterische Bearbeitung und praktische Anwendung zu den britischen Längenmaßen wurde. „Deren zugrundeliegende Einheit, nämlich das Zoll, war gleichermaßen die Grundlage der königlichen ägyptische Elle und des römischen Fußes. Er fand auch heraus, dass es eine modifizierte Form dieses Verhältnisses gab, nämlich 113 zu 355 (erklärt in seinem Werk); und dass – da dieses Verhältnis aufgrund seines Ursprungs auf das exakte Integral pi oder auf 6.561 zu 20.612 hindeutet – es auch als Grundlage für astronomische Berechnungen diente. Der Verfasser entdeckte, dass ein auf diese Verhältnisse gründendes und beim Bau der Großen Pyramide in Ägypten angewendetes System exakter geometrischer, numerischer und astronomischer Wissenschaft ein Teil der Fracht dieser Sprache war, welche im Wortschwall des hebräischen Textes der Bibel enthalten und darin verborgen ist. Der Zoll und das 2-Fuß-Lineal mit 24 Zoll, deren Anwendung sich durch die Elemente des Kreises (siehe die ersten Seiten von Band I) und der erwähnten Verhältnisse erklärt, wurden als Grundlage oder Fundament dieses natürlichen, ägyptischen sowie hebräischen wissenschaftlichen Systems erkannt, außerdem scheint es auch einigermaßen erwiesen zu sein, dass dieses System selbst als aus göttlichem Ursprung stammend und als göttlich geoffenbart betrachtet wurde. . . .“ [SD # 314] Aber schauen wir einmal, was die Gegner von Prof. Piazzi Smyths Vermessung der Pyramide vorzubringen haben.

Petrie scheint sie zurückzuweisen, und überhaupt mit Piazzi Smyths Berechnungen in ihrem Zusammenhang mit der Bibel kurzen Prozess gemacht zu haben. Desgleichen Proctor, während vieler vergangener Jahre der Meister der „Übereinstimmung“ in allen Fragen bezüglich alter Künste und Wissenschaften. Er spricht über die „Vielfalt der von der Pyramide unabhängigen Beziehungen, welche mit den Bemühungen der Pyramidenforscher auftauchten, die Pyramide mit dem Sonnensystem in Verbindung zu bringen . . . . diese Übereinstimmungen“, sagt er, „sind insgesamt seltsamer als jegliche Übereinstimmung zwischen der Pyramide und astronomischen Zahlen: Erstere sind so naheliegend und bemerkenswert wie real.“ (D. h., diese „Übereinstimmungen“, die übrig blieben, selbst wenn die Pyramide nicht existiert hätte) „Letztere, die lediglich imaginär (?) sind, wurden nur mithilfe eines Vorgangs geschaffen, welchen die Schuljungen ‘mogeln’ nennen, und jetzt machen neue Messungen die Wiederholung der Arbeit von Grund auf notwendig.“ (Petries Brief an The Academy, 17. Dez. 1881). Hierzu bemerkt Staniland Wake in seinem Werk über „The Origin and Significance of the Great Pyramid“ (London, 1882) zu Recht: „Sie müssen jedoch mehr gewesen sein als bloße Übereinstimmungen, wenn die Erbauer der Pyramide das astronomische Wissen hatten, das sich in ihrer perfekten Orientierung und ihren anderen eingeräumten astronomischen Merkmalen offenbart.“

Sie besaßen es; und auf diesem „Wissen“ fußte das Programm der Mysterien und die Initiationsreihe: Von dort stammt die Konstruktion der Pyramiden, die immerwährende Aufzeichnung und das unzerstörbare Symbol dieser Mysterien und Initiationen auf der Erde, so wie die Bahnen der Sterne im Himmel sind. Der Zyklus der Initiation war im Kleinen eine Reproduktion jener großen Serien kosmischer Veränderungen, welche die Astronomen als Tropisches oder Siderisches Jahr bezeichneten. Gerade so wie am Schluss des Zyklus des siderischen Jahres (25.868 Jahre) die Himmelskörper in dieselbe relative Stellung zueinander zurückkehren, welche sie zu Beginn einnahmen, hat der innere Mensch am Schluss des Initiationszyklus den ursprünglichen Zustand göttlicher Reinheit und Erkenntnis wiedererlangt, von welchem aus er zu seinem Zyklus irdischer Inkarnation aufgebrochen war.

Moses, ein in die ägyptische Mystagogie Initiierter, stützte die religiösen Mysterien der von ihm neu erschaffenen Nation auf dieselbe abstrakte, aus diesem siderischen Zyklus abgeleiteten Formel, welche er durch die Form und die Maße des Tabernakels symbolisierte, den er angeblich in der Wildnis errichtete. Auf diese Daten begründeten die späteren jüdischen Hohepriester die Allegorie von Salomons Tempel – ein Gebäude, das niemals wirklich existierte, nicht mehr als König Salomon selbst, der einfach und genauso einen Sonnenmythos darstellt wie der noch spätere Hiram Abif der Freimauer, wie Ragon trefflich zeigte. Wenn daher die Maße dieses allegorischen Tempels, des Symbols des [SD # 315] Initiationszyklus, mit jenen der Großen Pyramide übereinstimmen, ist das eine Folge der Tatsache, dass die Ersteren von den Letzteren aus dem Tabernakel des Moses abgeleitet waren.

Dass unser Verfasser zweifellos einen und sogar zwei der Schlüssel entdeckt hat, ist in dem eben erwähnten Werk vollständig erwiesen. Man braucht es nur zu lesen, um die Überzeugung in sich wachsen zu fühlen, dass die verborgene Bedeutung der Allegorien und Parabeln beider Testamente jetzt enthüllt ist. Dass er jedoch diese Entdeckung weit mehr seinem eigenen Genie verdankt als Parker und Piazzi Smyth, ist ebenso sicher, wenn nicht noch sicherer. Denn ob, wie soeben gesagt, die von den biblischen „Pyramidalisten“ als korrekt angenommenen Maße der Großen Pyramide über jeden Zweifel erhaben sind, ist nicht so sicher. Ein Beweis dafür findet sich in dem Werk „The Pyramids and Temples of Gizeh“ von F. Petrie; und außerdem in anderen Werken, die vor Kurzem geschrieben wurden, um den genannten Berechnungen entgegenzutreten, die als voreingenommen bezeichnet wurden. Wir schließen daraus, dass sich fast jede der Messungen Piazzi Smiths von den späteren und sorgfältiger angestellten Messungen Petries unterscheidet, der die Einleitung zu seinem Werk mit folgendem Satz schließt:

Was die Ergebnisse der ganzen Untersuchung anbelangt, werden vielleicht viele Theorien mit einem Amerikaner übereinstimmen, der ein glühender Anhänger der Pyramidentheorien war, als er nach Gizeh kam. Ich hatte dort für ein paar Tage das Vergnügen seiner Gesellschaft; und bei unserer letzten gemeinsamen Mahlzeit sagte er mir in einem betrübten Ton: ‘Wohlan, mein Herr! Ich fühle mich, als ob ich einer Beerdigung beigewohnt hätte. Auf alle Fälle sollen die alten Theorien anständig beerdigt werden, wenn wir uns auch in Acht nehmen sollten, dass wir in unserer Hast nicht einen der Verwundeten lebendig begraben.’“

Was die Berechnungen des verstorbenen J. A. Parker im Allgemeinen und seinen dritten Lehrsatz im Besonderen betrifft, haben wir einige hervorragende Mathematiker befragt, und im Wesentlichen antworteten sie Folgendes:

Parkers Beweisführung beruht vielmehr auf sentimentalen als auf mathematischen Überlegungen und ist logisch nicht beweiskräftig.

Lehrsatz III, nämlich, dass –

„der Kreis die natürliche Grundlage oder der Anfang einer jeden Fläche ist und dass in der mathematischen Wissenschaft das Quadrat anstelle dessen verwendet wird, ist künstlich und willkürlich –“

– ein Muster eines willkürlichen Lehrsatzes darstellt und für mathematische Beweisführungen nicht sicher verwendet werden kann. Dasselbe gilt, sogar noch stärker, für Lehrsatz VII, der besagt:

Weil der Kreis die ursprüngliche Form der Natur darstellt und somit die Grundlage der Fläche; und weil der Kreis nur nach dem Verhältnis seines halben Umfanges zum Radius durch das Quadrat gemessen wird und diesem gleich ist, sind deshalb Umfang und Radius, und nicht das Quadrat des Durchmessers, die einzigen natürlichen und rechtmäßigen Elemente der Fläche, durch welche alle regelmäßigen Formen sowohl dem Quadrat als auch dem Kreis gleichen.“

Lehrsatz IX ist ein bemerkenswertes Beispiel einer fehlerhaften ­Schluss­­folgerung, und es ist jener, auf dem Parkers Quadratur hauptsächlich beruht. Er behauptet Folgendes:

[SD # 316] „Der Kreis und das gleichseitige Dreieck sind einander in allen Elementen ihrer Konstruktion entgegengesetzt. Daher steht der Teilkreisdurchmesser eines Kreises, welcher dem Durchmesser eines Quadrats gleich ist, im entgegengesetzten quadratischen Verhältnis zu dem Durchmesser eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Flächeninhalt gleich eins ist.“ etc. etc.

Nehmen wir des Beweises halber an, man könnte sagen, ein Dreieck habe einen Radius in dem Sinn, wie wir vom Radius eines Kreises sprechen – denn was Parker den Radius des Dreiecks nennt, ist der Radius des einem Dreieck eingeschriebenen Kreises und daher überhaupt nicht der Radius des Dreiecks. Und nehmen wir für den Augenblick die anderen fantastischen und mathematischen in seinen Prämissen vereinten Lehrsätze als erwiesen an, wieso müssen wir dann schlussfolgern, dass – wenn das Dreieck und der Kreis in allen Elementen ihrer Konstruktion entgegengesetzt sind – der Durchmesser irgendeines gegebenen Kreises im entgegengesetzt quadratischen Verhältnis zum Durchmesser irgendeines gegebenen äquivalenten Dreiecks steht? Welcher notwendige Zusammenhang besteht zwischen den Prämissen und der Schlussfolgerung? Diese Argumentationsweise ist in der Geometrie unbekannt; und strenge Mathematiker würden sie in keinem Fall gelten lassen.

Ob das archaische esoterische System das britische Zoll hervorbrachte oder nicht, ist jedoch für den strikten und wahren Metaphysiker von geringer Bedeutung. Auch wird Ralston Skinners esoterische Auffassung der Bibel nicht nur deshalb unrichtig, weil die Abmessungen der Pyramide sich mit den Maßen von Salomons Tempel, der Arche Noah etc. nicht in Übereinstimmung befinden; oder weil Parkers Quadratur des Kreises von Mathematikern verworfen wird. Denn Skinners Auslegung beruht in erster Linie auf den kabbalistischen Methoden und dem rabbinischen Zahlenwert der hebräischen Buchstaben. Aber es ist äußerst wichtig zu ermitteln, ob die Maßangaben, die bei der Entwicklung und Erschaffung der symbolischen Religion der Arier, bei der Erbauung ihrer Tempel, bei den Zahlenangaben der Puranas und insbesondere in ihrer Chronologie, ihren astronomischen Symbolen, in der Dauer der Zyklen und anderen Berechnungen, dieselben sind, wie die in den biblischen Maßen und Glyphen verwendeten oder nicht. Denn das wird beweisen, dass die Juden – wenn sie ihre heilige Elle und sonstige Maße nicht von den Ägyptern übernommen haben (Moses war von deren Priestern initiiert) – diese Vorstellungen aus Indien erhalten haben müssen. Auf jeden Fall überlieferten sie diese den ersten Christen. Somit sind die Okkultisten und Kabbalisten die „wahren“ Erben der Erkenntnis oder Geheimen Weisheit, wie sie in der Bibel noch zu finden ist; sie allein verstehen heute ihren wirklichen Sinn, während profane Juden und Christen sich an ihre Schale und den toten Buchstaben klammern. Dass es das Maßsystem ist, welches zur Erfindung der Gottesnamen Elohim und Jehovah und zu ihrer Anpassung an den Phallizismus führte und dass Jehovah eine nicht sehr schmeichelhafte Kopie von Osiris ist, wird jetzt vom Verfasser von „The Source of Measures“ aufgezeigt. Aber sowohl Letzterer als auch Piazzi Smyth scheinen unter dem Eindruck zu arbeiten, dass (a) der Hauptteil des Systems den Israeliten gehöre, da [SD # 317] die hebräische Sprache die göttliche Sprache sei und dass (b) diese Universalsprache der direkten Offenbarung angehöre!

Die letztere Hypothese ist lediglich in dem Sinn richtig, den wir im letzten Abschnitt des vorhergehenden § aufgezeigt haben. Wir müssen aber noch über die Natur und den Charakter des göttlichen „Offenbarers“ übereinkommen. Was die Priorität anbelangt – sie wird für den Profanen natürlich (a) vom inneren und äußeren Beweismaterial der Offenbarung und (b) von den individuellen Vorurteilen eines jeden Gelehrten abhängen. Das kann jedoch weder den theistischen Kabbalisten noch den pantheistischen Okkultisten daran hindern, auf seine eigene Weise zu glauben; und keiner von beiden kann den anderen überzeugen. Die von der Geschichte überlieferten Daten sind für alle beide zu spärlich und unbefriedigend, um einem Skeptiker beweisen zu können, wer von ihnen im Recht ist.

Andererseits werden die von der Tradition überlieferten Beweise zu hartnäckig verworfen, als dass wir in unserem gegenwärtigen Zeitalter an eine Lösung der Frage glauben könnten. Unterdessen wird die materialistische Wissenschaft Kabbalisten und Okkultisten ohne Unterschied auslachen. Aber sobald besagte strittige Frage über die Priorität einmal beiseite gelassen wird, wird die Wissenschaft in ihren Zweigen der Philologie und der vergleichenden Religionswissenschaft sich schließlich vor die Aufgabe gestellt und gezwungen sehen, den gemeinsamen Anspruch gelten zu lassen.5 Anstatt jenen vermeint­lichen [SD # 318] „Mischmasch widersinniger Erdichtung und Aberglaubens“, wie die brahmanische Literatur gewöhnlich genannt wird, geringschätzend zu übergehen, werden sich die größten Gelehrten bemühen, die symbolische Universalsprache mit ihren numerischen und geometrischen Schlüsseln zu erlernen. Aber auch hierin werden sie schwerlich Erfolg haben, wenn sie dem Glauben anhängen, dass das jüdische kabbalistische System den Schlüssel zum gesamten Mysterium enthält; denn das ist nicht der Fall. Auch keine andere Schrift enthält ihn gegenwärtig in seiner Gänze, denn selbst die Veden sind nicht vollständig. Jede alte Religion stellt lediglich ein oder zwei Kapitel aus dem ganzen Band der archaischen ursprünglichen Mysterien dar – der östliche Okkultismus allein kann sich rühmen, im Besitz des ganzen Geheimnisses mit seinen sieben Schlüsseln zu sein. Vergleiche werden angestellt und so viel wie möglich in diesem Werk erklärt werden – das Übrige ist der persönlichen Intuition des Schülers überlassen. Denn mit der Aussage, dass der östliche Okkultismus das Geheimnis besitzt, ist nicht gemeint, dass die Schreiberin eine „vollständige“ oder auch nur annähernde Kenntnis für sich beanspruchen würde, das wäre absurd. Was ich weiß, das gebe ich weiter; was ich nicht erklären kann, muss der Schüler selbst herausfinden.

Wenngleich wir davon ausgehen, dass ganze künftige Jahrhunderte nicht ausreichen werden, den gesamten Kreis der universalen Mysterien­sprache zu bewältigen, so ist doch selbst das wenige bislang von einigen Gelehrten in der Bibel Entdeckte für den Beweis der Behauptung vollkommen ausreichend – mathematisch. Da das Judentum selbst zwei der sieben Schlüssel benützte und diese beiden Schlüssel jetzt neu entdeckt worden sind, ist es nicht länger ein Gegenstand individueller Spekulation und Hypothese, am allerwenigsten der „Übereinstimmung“, sondern des richtigen Verständnisses der biblischen Texte, so wie jeder mit der Arithmetik Vertraute eine Addition oder Summe versteht und auf ihre Richtigkeit überprüft.6 Noch ein paar Jahre, und dieses System wird den toten Buchstaben der Bibel genauso zerstören wie den aller anderen exoterischen Glaubensrichtungen, indem es die Dogmen in ihrer wirklichen, unverhüllten Bedeutung zeigt.

Und dann wird diese unleugbare Bedeutung, wie unvollständig auch immer, das Mysterium des Seins enthüllen und außerdem die modernen wissenschaftlichen Systeme der Anthropologie, Ethnologie und speziell der Chronologie gänzlich verändern. Das Element des Phallizismus, das sich in jedem Gottesnamen und jeder Erzählung des Alten (und in einem gewissen Grad auch des Neuen) Testaments findet, könnte mit der Zeit ebenfalls die modernen materialistischen Anschauungen in der Biologie und Physiologie erheblich verändern.

Ihrer modernen, abstoßenden Derbheit entkleidet, werden solche Sicht­weisen von Natur und Mensch kraft der Autorität der Himmelskörper und ihrer Mysterien [SD # 319] die Entwicklungen des menschlichen Denkvermögens enthüllen und zeigen, wie natürlich sich solche Gedankengänge ergaben. Die sogenannten phallischen Symbole wurden lediglich durch das materielle und animalische Element in ihnen anstößig. Sie entstanden zusammen mit den archaischen Rassen und waren deshalb nichts anderes als natürlich. Nach allem, was sie wussten, waren sie aus einem androgynen Vorfahren hervorgegangen und deshalb nach ihrer eigenen Überzeugung die ersten phänomenalen Manifestationen der getrennten Geschlechter und durch das sich daraus ergebende Mysterium selbst zu Schöpfern geworden. Wenn spätere Rassen, insbesondere das „auserwählte Volk“, sie entwürdigten, berührt das den Ursprung jener Symbole nicht. Der kleine semitische Stamm – einer der kleinsten Zweige aus der Vermischung der vierten und fünften Unterrasse (der mongolisch-turanischen und der sogenannten indo-europäischen nach dem Untergang des großen Kontinents) –, konnte seine Symbologie letztlich nur in jenem Geist annehmen, welcher ihm von den Nationen überliefert wurde, von denen er abstammte. Vielleicht war in den mosaischen Anfängen jene Symbologie noch nicht so grob wie sie später durch die Behandlung von Esra wurde, der den gesamten Pentateuch umgestaltete. Denn die Glyphe der Tochter des Pharaos (die Frau), des Nils (die Große Tiefe und das Wasser) und des kleinen Jungen, der darin in einem Binsenkorb schwimmend gefunden wird, wurde ursprünglich nicht für oder von Moses gestaltet. Sie findet sich in den babylonischen Fragmenten auf Ziegeln vorweggenommen, in der Geschichte des Königs Sargon7, der lange vor Moses lebte. Was ist nun die logische Schlussfolgerung? Ganz sicherlich, dass wir das Recht haben zu behaupten, dass Esra die uns über Moses berichtete Geschichte während seines Aufenthalts in Babylon kennenlernte [SD # 320] und dass er die über Sargon erzählte Allegorie auf den jüdischen Gesetzgeber übertrug. Kurz gesagt, dass der Exodus niemals von Moses geschrieben, sondern aus alten Materialien von Esra neu zusammengestellt wurde.

Und wenn das so ist, warum sollten von diesem Adepten nicht auch noch weitere Symbole und Glyphen mit noch viel derberen phallischen Elementen der späteren chaldäischen und sabäischen Phallusverehrung hinzugefügt worden sein? Man lehrt uns, dass der ursprüngliche Glaube der Israeliten ziemlich verschieden war von dem, der Jahrhunderte später von den Talmudisten und vor ihnen von David und Hesekiel entwickelt wurde.

All das reicht – trotz des jetzt in den beiden Testamenten gefundenen exoterischen Elementes – vollkommen aus, um die Bibel zu den esoterischen Werken zählen zu können und ihr geheimes System mit indischer, chaldäischer und ägyptischer Symbolik in Zusammenhang zu bringen. Der gesamte Kreis biblischer Glyphen und Zahlen, wie sie durch astronomische Beobachtungen angedeutet werden – Astronomie und Theologie stehen in enger Beziehung – findet sich sowohl in exoterischen wie auch in esoterischen Systemen Indiens. Diese Ziffern und ihre Symbole, die Zeichen des Tierkreises, die Planeten, ihre Aspekte und Knoten – der letztere Ausdruck ist jetzt sogar in unsere moderne Botanik übergegangen, um männliche und weibliche Pflanzen zu unterscheiden (die eingeschlechtlichen, polygamen, einhäusigen, zweihäusigen etc. etc.) – sind in der Astronomie als Sextile, Quartile und so weiter bekannt, wurden vor Zeitaltern und Äonen von den archaischen Völkern benutzt und haben in einem gewissen Sinn dieselbe Bedeutung wie die hebräischen Zahlen. Die frühesten Formen der elementaren Geometrie müssen sicherlich durch die Beobachtung der Himmelskörper und ihrer Anordnung angeregt worden sein. Daher sind die archaischsten Symbole der östlichen Esoterik der Kreis, der Punkt, das Dreieck, die Ebene, der Würfel, das Pentagramm und das Sechseck sowie ebene Flächen mit unterschiedlichen Seiten und Winkeln. Das zeigt, dass die Kenntnis und der Gebrauch der geometrischen Symbolik so alt ist wie die Welt.

Wenn wir davon ausgehen, wird es leicht verständlich, wie die Natur selbst auch ohne die Hilfe der göttlichen Lehrer die ursprüngliche Menschheit diese ersten Prinzipien einer numerischen und geometrischen Symbolsprache lehren konnte.8 Deshalb bemerken wir, dass in sämtlichen archaischen symbolischen Schriften Zahlen und Ziffern zum [SD # 321] Ausdruck und zur Aufzeichnung von Gedanken verwendet werden. Es handelt sich immer um dieselben, von gewissen Variationen abgesehen, welche sich aus den ersten Ziffern ergeben. So wurden die Evolution und die Wechselbeziehung der Mysterien des Kosmos, seines Wachstums und seiner Entwicklung – spirituell und physisch, abstrakt und konkret – zuerst mittels geometrischer Formveränderungen aufgezeichnet. Jede Kosmogonie begann mit einem Kreis, einem Punkt, einem Dreieck und einem Würfel, aufwärts bis zur Zahl 9, worauf sie mit einer ersten Linie und einem Kreis zusammengefügt wurde – die pythagoreische, mystische Dekade, die Summe von allem, die Mysterien des gesamten Kosmos umfassend und sie zum Ausdruck bringend; die im hinduistischen System hundertfach vollständiger aufgezeichnet sind für denjenigen, der dessen mystische Sprache verstehen kann. Die Zahlen 3 und 4 in ihrer Verschmelzung zu 7 sowie 5, 6, 9 und 10 sind die wahren Ecksteine okkulter Kosmogonien. Diese Zehnergruppe und ihre tausend Kombinationen finden sich in allen Teilen des Globus. Man erkennt sie sowohl in den Höhlen und Felsentempeln Hindustans und Zentralasiens als auch in den Pyramiden und Felsmalereien Ägyptens und Amerikas; in den Katakomben des Ozymandias, in den Grabhügeln des schneebedeckten kaukasischen Hochlands, in den Ruinen von Palenque, auf der Osterinsel, überall, wohin der Fuß des Vorzeitmenschen jemals gelangte. Die 3 und die 4, das Dreieck und der Würfel oder die männliche und weibliche universale Glyphe, welche den ersten Aspekt der evolvierenden Gottheit zeigt, ist dem Himmel im Kreuz des Südens für immer eingeprägt und ebenso im ägyptischen Crux Ansata. Das findet sich auch so ausgedrückt: „Der auseinandergefaltete Würfel zeigt ausgebreitet ein Kreuz in der ägyptischen Form des Tau oder in der christlichen Form. . . . Ein an Ersteres angefügter Kreis bildet das Henkelkreuz. . . Die Zahlen 3 und 4 auf dem Kreuz gezählt zeigen eine Form des (hebräischen) goldenen Leuchters (im Allerheiligsten), und die 3 + 4 = 7, und 6 + 1 = 7 Tage im Wochenkreis sowie 7 Lichter der Sonne. So stellte die Woche aus 7 Lichtern auch den Ursprung von Monat und Jahr dar, so gibt sie auch das Zeitmaß für die Geburt. . . . Die Kreuzform zeigt sich dann durch das Verhältnis von 113 : 355, das Symbol wird durch das Anbringen eines Menschen am Kreuz vervollständigt.9 Diese Art des Maßes wurde gemacht, um es mit der Idee vom Ursprung des menschlichen Lebens abzustimmen, und daher die phallische Form.10

Die Stanzen zeigen, dass das Kreuz und diese Zahlen in der archaischen Kosmogonie eine herausragende Rolle spielen. Unterdessen können wir aus dem vom selben Verfasser gesammelten Beweismaterial Nutzen ziehen, um die über die ganze Erde reichende Identität der Symbole und ihre esoterische Bedeutung aufzuzeigen, welche der Autor mit Recht die „ursprünglichen Spuren dieser Symbole“ nennt.

[SD # 322] „Bei der allgemeinen Untersuchung der Natur der Zahlenformen . . . . ist es eine äußerst interessante Aufgabe zu erforschen, wann und wo ihre Existenz und ihr Gebrauch zuerst bekannt wurden. War es Gegenstand einer Offenbarung in der uns als historisch bekannten Zeit – einem Zyklus, der außerordentlich modern erscheint, wenn man das Alter der menschlichen Rasse betrachtet? In der Tat scheint es so zu sein, dass der Zeitpunkt ihrer Erlangung durch den Menschen von den alten Ägyptern aus gerechnet weiter in der Vergangenheit zurückliegt als die alten Ägypter von uns.

Die Osterinseln im ‘mittleren Pazifik’ bieten den Umriss übriggebliebener Berg­spitzen eines versunkenen Kontinents, weil diese Spitzen mit zyklopischen Statuen reichlich übersät sind, den Überbleibseln der Zivilisation eines bevölkerungsreichen und kultivierten Volkes, welches notwendigerweise ein weitläufiges Gebiet bewohnt haben muss. Auf dem Rücken dieser Standbilder findet sich das ‘Henkelkreuz’ sowie eine den Umrissen der menschlichen Gestalt angepasste Form davon. Eine ausführliche Beschreibung mit einer Tafel, die das Land mit den dicht gesäten Statuen darstellt, sowie mit Kopien der Standbilder, findet sich im Londoner Builder in der Ausgabe vom Januar 1870.

Im ‘Naturalist’, in Salem in Massachusetts publiziert, findet sich in einer der ersten Ausgaben eine Beschreibung einer sehr alten und merkwürdigen in die Kammwände der Berge Südamerikas eingeritzte Figur, die erwiesenermaßen viel älter ist als die heute lebenden Rassen. Das Sonderbare an diesen Spuren ist, dass sie die Umrisse eines auf ein Kreuz ausgestreckt liegenden Menschen zeigen11 – durch eine Serie von Abbildungen, welche aus dem Umriss eines Menschen den eines Kreuzes entspringen lässt, dabei aber so ausgeführt, dass man das Kreuz für den Menschen oder den Menschen für das Kreuz ansehen kann; auf diese Weise ist eine symbolische Darstellung für eine Interdependenz der dargelegten Formen gegeben.

Es ist bekannt, dass die Tradition der Azteken einen sehr vollkommenen Bericht über die Sintflut überlieferte. . . . Baron Humboldt sagt, dass wir das Land Aztlán suchen müssen, das ursprüngliche Land der Azteken – hoch im Norden, mindestens über dem zweiundvierzigsten Breitengrad; dorthin reisend, gelangten sie schließlich in das Tal Mexikos. In diesem Tal wurden die Erdhügel des fernen Nordens zu den eleganten Steinpyramiden und anderen Gebäuden, deren Überreste jetzt gefunden werden. Die Entsprechungen zwischen den aztekischen Ruinen und den Ruinen der Ägypter sind wohlbekannt. . . . Nachdem er Hunderte von ihnen untersucht hat, ist Attwater überzeugt, dass die Azteken astronomische Kenntnisse besaßen. Von einer der vollkommensten dieser aztekischen Pyramidenbauten gibt Humboldt eine Beschreibung folgenden Inhalts:

„Die Form dieser Pyramide (von Papantla), die sieben Stockwerke hat, läuft spitzer zu als jedes andere bisher entdeckte Monument dieser Art. Ihre Höhe jedoch ist unbedeutend und beträgt lediglich 57 Fuß, ihre Basis ist an allen Seiten nur 25 Fuß lang. Doch ist sie aus einem Grund bemerkenswert: Sie ist vollständig aus behauenen Steinen von außerordentlicher Größe und sehr schöner Form aufgebaut. Drei Treppen führen zur Spitze empor, deren Stufen mit hieroglyphischen Skulpturen und kleinen, symmetrisch angeordneten Nischen geschmückt sind. Die Zahl dieser Nischen scheint auf die 318 einfachen und zusammengesetzten Zeichen der Tage ihres bürgerlichen Kalenders anzuspielen.“

„318 ist der gnostische Wert Christi“, bemerkt der Autor, „und die berühmte Zahl der unterwiesenen oder beschnittenen Diener Abrahams. Wenn man [SD # 323] in Betracht zieht, dass 318 ein abstrakter Wert ist, und universal, und ebenso ausdrucksvoll wie der Wert des Durchmessers im Verhältnis zum Kreisumfang der Einheit, wird seine Verwendung bei der Abfassung des bürgerlichen Kalenders klar.“

Identische Glyphen, Zahlen und esoterische Symbole finden sich in Ägypten, Peru, Mexiko, auf der Osterinsel, in Indien, Chaldäa und Zentralasien. Gekreuzigte Menschen und Symbole der Evolution der Rassen aus Göttern; und doch sehen wir, wie die Wissenschaft die Idee einer menschlichen Rasse zurückweist, die nicht nach unserem Ebenbild gemacht ist; die Theologie klammert sich an ihre 6.000 Schöpfungsjahre; die Anthropologie lehrt unsere Abstammung vom Affen; und der Klerus leitet sie von Adam ab, 4.004 Jahre v. Chr. ! !

Soll man aus Furcht davor, als abergläubischer Narr und sogar Lügner bezeichnet zu werden, sich davon abhalten lassen, Beweise zu liefern – die so gut sind wie alle anderen – nur weil der Tag noch nicht heraufgedämmert ist, an dem alle sieben Schlüssel an die Wissenschaft übergeben sein werden, oder vielmehr an die Gelehrten und Forscher auf dem Gebiet der Symbologie? Angesichts der niederschmetternden Entdeckungen der Geologie und Anthropologie in Bezug auf das Alter des Menschen sollen wir – nur um der üblichen Strafe zu entgehen, die jeden erwartet, der von den ausgetretenen Pfaden der Theologie oder des Materialismus abweicht – uns an die 6.000 Jahre und die „besondere Schöpfung“ halten oder in untertäniger Bewunderung unseren Stammbaum und unsere Abstammung vom Affen annehmen? Keinesfalls, solange bekannt ist, dass die geheimen Aufzeichnungen die genannten sieben Schlüssel zum Mysterium der Entstehung des Menschen enthalten. Fehlerhaft, materialistisch und voreingenommen wie die wissenschaftlichen Theorien sein mögen, sind sie doch der Wahrheit tausendmal näher als die Launen der Theologie. Die Letzteren befinden sich für jeden, mit Ausnahme der unnachgiebigen Frömmler und Fanatiker, in ihrem Todeskampf.12 Wir haben daher keine andere Wahl als entweder die Schlussfolgerungen der Wissenschaft blindlings anzunehmen oder uns von ihr loszureißen und ihrem Anblick furchtlos Widerstand zu leisten, indem wir feststellen, was die Geheimlehre uns lehrt – vollständig darauf vorbereitet, die Konsequenzen zu tragen.

Aber wir wollen sehen, ob nicht die Wissenschaft in ihren materialistischen Spekulationen und selbst die Theologie in ihrem Todesröcheln und in ihrem äußersten Versuch, die seit Adam vergangenen 6.000 Jahre mit Sir Charles Lyells „Geological Evidences of the Antiquity of Man“ in Einklang zu bringen, uns nicht unbewusst zu Hilfe kommen. Nach dem Eingeständnis einiger ihrer gelehrtesten Jünger erachtet es die Ethnologie bereits als unmöglich, die Verschiedenheiten in der menschlichen Rasse zu erklären, ohne die Hypothese der Schöpfung verschiedener Adams anzunehmen. Sie sprechen von „einem weißen Adam und einem schwarzen Adam, einem [SD # 324] roten und einem gelben Adam“.13 Wären sie Hindus, welche die Wiedergeburten von Vamadeva aus dem Linga-Purana aufzählen, könnten sie noch ein wenig mehr berichten. Denn die Aufzählung der wiederholten Geburten Shivas zeigt ihn in einem Kalpa mit weißer, in einem anderen mit schwarzer, in noch einem anderen mit roter Hautfarbe, woraufhin der Kumara dann zu den „vier Jünglingen mit gelber Hautfarbe“ wird. Dieses seltsame Zusammentreffen, wie Procter sagen würde, spricht nur für die wissenschaftliche Intuition, da Shiva-Kumara die menschlichen Rassen während der Entstehung des Menschen lediglich allegorisch darstellt. Aber das führte zu einem anderen intuitiven Phänomen – dieses Mal in den Reihen der Theologen. Der unbekannte Verfasser von „Primeval Man“ bemerkt in einer verzweifelten Anstrengung, die göttliche Offenbarung vor den unbarmherzigen und beredten Entdeckungen der Geologie und der Anthropologie zu beschützen: „Es wäre unglücklich, wenn die Verfechter der Bibel in die Lage gebracht würden, entweder die Inspiration der Heiligen Schrift aufzugeben oder die Schlussfolgerungen der Geologen zu bestreiten.“ Und – er findet einen Kompromiss. Ja, er widmet dem Beweis dieser Tatsache sogar einen ganzen, umfangreichen Band: „Adam war nicht der erste Mensch,14 der auf dieser Erde erschaffen wurde.“ . . . Die exhumierten Überreste eines präadamischen Menschen „erschüttern unser Vertrauen in die Schrift nicht, sondern liefern vielmehr einen weiteren Beweis für ihre Wahrheit.“ (S. 194) Wieso? Auf die denkbar einfachste Art; denn der Verfasser argumentiert, dass hinfort „wir“ (der Klerus) imstande seien, die Wissenschaftler ihre Studien verfolgen zu lassen, ohne dabei versuchen zu müssen, sie aus Furcht vor Ketzerei einzuschränken . . . (das muss in der Tat eine Erlösung für Männer wie Huxley, Tyndall und Sir Charles Lyell sein). . . . „Die biblische Erzählung beginnt nicht mit der Schöpfung, wie allgemein angenommen wird, sondern mit der Erschaffung von Adam und Eva, Millionen von Jahren nach der Erschaffung unseres Planeten. Seine frühere Geschichte ist, was die Heilige Schrift betrifft, noch ungeschrieben.“ . . . . . „Vor der Zeit Adams mag es nicht eine, sondern zwanzig verschiedene Rassen auf der Erde gegeben haben, genauso gut wie es in anderen Welten zwanzig verschiedene Menschenrassen geben kann.“ (S. 55) . . . Wer oder was waren nun diese Rassen, da der Verfasser noch immer behauptet, Adam sei der erste Mensch unserer Rasse? Sie waren die satanische Rasse und Rassen! „Satan (war) niemals im Himmel, Engel und Menschen (waren) eine Art.“ Es war die voradamische Rasse der „Engel, die sündigten“. Satan war „der erste Fürst dieser Welt“, so lesen wir. Nachdem er infolge seiner Rebellion gestorben war, blieb er als entkörperter Geist auf der Erde und versuchte Adam und Eva. „Die früheren Zeitalter der satanischen Rasse und genauer während Satans Lebenszeit (! ! !) mögen eine Periode [SD # 325] patriarchalischer Zivilisation und verhältnismäßiger Ruhe gewesen sein – eine Zeit der Tubal-Kains und Jubals, in der sowohl die Wissenschaften als auch die Künste versuchten, ihre Wurzeln in den verfluchten Boden zu schlagen. . . . . Welch ein Thema für ein Epos. . . . (wenn) unvermeidliche Ereignisse existieren, die stattgefunden haben müssen. Vor uns sehen wir . . . . den heiteren Liebhaber der Vorzeit, der seine errötende Braut am taufrischen Abend unter den dänischen Eichen umwirbt, die damals wuchsen, wo heute keine Eichen wachsen würden . . . . den grauen urzeitlichen Patriarchen . . . . die urzeitliche Nachkommenschaft unschuldig an seiner Seite umhertollend. . . . . Tausende solcher Bilder erstehen vor uns!“ . . . . (S. 206-207).

Der rückwärts gewandte Blick auf die satanische „errötende Braut“ in den Tagen von Satans Unschuld verliert durch ihren Gewinn an Originalität nicht an Poesie. Ganz im Gegenteil! Die moderne christliche Braut – die vor ihren heiteren, modernen Liebhabern heutzutage nicht mehr allzu häufig errötet – könnte aus dieser von der überschwänglichen Fantasie ihres ersten menschlichen Biografen geschaffenen Tochter Satans selbst eine moralische Lektion herleiten. Diese Bilder – und um sie nach ihrem wahren Wert zu schätzen, muss man sie in dem Werk untersuchen, welches sie beschreibt – werden alle mit einer Tendenz beschrieben, die Unfehlbarkeit der geoffenbarten Schrift mit Sir C. Lyells „Antiquity of Man“ und anderen schädlichen wissenschaftlichen Werken zu versöhnen. Aber das verhindert nicht, dass am Grund dieser Launen Wahrheit und Tatsachen auftauchen, die der Verfasser weder mit seinem eigenen, ja nicht einmal mit einem geborgten Namen zu unterzeichnen wagte. Denn seine präadamischen Rassen – nicht satanische, sondern lediglich atlantische und vor ihnen hermaphroditische – werden in der Bibel, wenn man sie esoterisch liest, ebenso erwähnt wie in der Geheimlehre. Die sieben Schlüssel öffnen die vergangenen und zukünftigen Mysterien der sieben großen Wurzelrassen und der sieben Kalpas. Obwohl die Entstehungsgeschichte des Menschen und selbst die esoterische Geologie sicherlich von der Wissenschaft ebenso abgelehnt werden wie die satanischen und präadamischen Rassen, sind wir doch sicher, dass die Gelehrten, wenn sie keinen anderen Ausweg aus ihren Schwierigkeiten haben und gezwungen sind, zwischen den beiden zu wählen, trotz der Heiligen Schrift die archaische Lehre wählen werden, sobald die Mysteriensprache einmal annähernd beherrscht werden wird.

 

 

 

 

§ III
URSUBSTANZ UND GÖTTLICHER GEDANKE

„Da es unvernünftig erscheinen würde zu behaupten, dass wir bereits alle existierenden Ursachen kennen, muss die Erlaubnis erteilt werden, von einer gänzlich neuen wirkenden Kraft auszugehen, wenn es notwendig ist.

Wenn wir annehmen – was bis jetzt genau genommen noch nicht zutrifft –, dass die Wellenhypothese alle Tatsachen erklärt, sind wir aufgefordert zu entscheiden, ob die Existenz von Etherwellen hiermit erwiesen ist. Wir können nicht ausdrücklich bestätigen, [SD # 326] dass für die Erklärung der Tatsachen keine andere Hypothese existiert. Newtons Korpuskularhypothese ist zugegebenermaßen an der Interferenz gescheitert; und bis zum heutigen Tag besteht kein Konkurrent. Doch ist es bei allen solchen Hypothesen äußerst wünschenswert, zusätzliche Bestätigungen zu erlangen, für den angenommenen Ether irgendeinen Beweis aus einem anderen Bereich zu finden. . . . . Einige Hypothesen bestehen aus Annahmen in Bezug auf die kleinsten Strukturen und Wirkungsweisen von Körpern. Der Natur der Sache nach können diese Annahmen niemals unmittelbar bewiesen werden. Ihr einziger Vorzug liegt darin, zur Darstellung der Phänomene geeignet zu sein. Sie sind repräsentative Fiktionen.“ („Logic“ von Dr. jur. Alexander Bain, Teil II, S. 133)

Ether, dieser hypothetische Proteus, eine der „repräsentativen Fiktionen“ der modernen Wissenschaft – der nichtsdestoweniger schon so lange akzeptiert wird – ist eines der niedrigeren „Prinzipien“ dessen, was wir als Ursubstanz bezeichnen (in Sanskrit Akasha), einer der Träume des Altertums, der jetzt wiederum zum Traum der modernen Wissenschaft geworden ist. Er ist die größte wie auch die kühnste der überlebenden Spekulationen der alten Philosophen. Für die Okkultisten sind jedoch sowohl Ether als auch die Ursubstanz Wirklichkeiten. Um es klar auszudrücken: Ether ist das Astrallicht, und die Ursubstanz ist Akasha, der Upadhi des Göttlichen Gedankens.

In moderner Sprache würde man Letzteren besser kosmische Ideation nennen – Geist; und Erstere kosmische Substanz, Materie. Diese beiden, das Alpha und das Omega des Seins, sind lediglich die beiden Facetten der einen, absoluten Existenz. Letztere wurde im Altertum niemals beim Namen genannt, ja nicht einmal erwähnt, ausgenommen allegorisch. In der ältesten arischen Rasse, der hinduistischen, bestand diese Verehrung in den gebildeten Klassen niemals in einer glühenden Anbetung in wundervoller und künstlerischer Form (wie bei den Griechen), die später zu Anthropomorphismus führte. Der griechische Philosoph verehrte die Form, und nur der indische Weise erkannte „die wahre Beziehung zwischen irdischer Schönheit und ewiger Wahrheit“, die Ungebildeten aller Nationen verstanden unterdessen keines von beiden, zu keiner Zeit.

Sie verstehen es auch heute noch nicht. Die Entwicklung der Gottesvorstellung schreitet mit der intellektuellen Entwicklung des Menschen zusammen voran. Das ist so wahr, dass das edelste Ideal, zu dem sich der religiöse Geist eines Zeitalters emporschwingen kann, dem philosophischen Denken einer nachfolgenden Epoche lediglich wie eine grobe Karikatur erscheinen wird! Die Philosophen selbst mussten in erkenntnisreiche Mysterien initiiert werden, bevor sie die Vorstellungen der Alten in Bezug auf diesen höchst metaphysischen Gegenstand richtig erfassen konnten. Andererseits – außerhalb einer solchen Initiation – gibt es für jeden Denker ein „bis hier her und nicht weiter“, denn das ist durch seine eigene intellektuellen Fähigkeiten ebenso klar und unverkennbar vorgezeichnet wie der Fortschritt einer jeden Nation oder Rasse in ihrem Zyklus vom karmischen Gesetz vorgezeichnet ist. Außerhalb der Initiation müssen den Idealen des zeitgenössischen religiösen Denkens immer die Flügel gestutzt werden und es somit unfähig bleiben, weiter aufzusteigen; denn Idealisten wie auch Realisten und selbst Freidenker sind nur das Ergebnis und das natürliche Produkt ihrer betreffenden Umgebungen und Zeitperioden. Die Ideale beider sind lediglich [SD # 327] notwendige Folgen ihrer Temperamente und das Ergebnis der Phase des intellektuellen Fortschritts, welchen eine Nation in ihrer Gesamtheit erreicht hat. Wie bereits angemerkt, haben aus diesem Grund selbst die Höhenflüge der modernen (westlichen) Metaphysik die Wahrheit weit verfehlt. Viele der gegenwärtigen agnostischen Spekulationen über die Existenz der „Ersten Ursache“ sind wenig mehr als verhüllter Materialismus – nur die Ausdrucksweise ist verschieden. Selbst ein so großer Denker wie Herbert Spencer spricht von dem „Unerkennbaren“ mitunter in Worten, welche den tödlichen Einfluss des materialistischen Denkens zeigen, der, wie der tödliche Scirocco, alle gegenwärtigen ontologischen Spekulationen austrocknete und verdorren lies.15

Von den frühen Zeiten der vierten Rasse an – als der Geist allein verehrt und das Mysterium manifest wurde, bis hin zu den letzten glorreichen Tagen der griechischen Kunst beim Heraufdämmern des Christentums – hatten die Hellenen allein es gewagt, dem Unbekannten Gott einen öffentlichen Altar zu errichten. Was immer der Hl. Paulus mit seinem tiefgründigen Geist im Sinn hatte, als er den Athenern erklärte, dass dieser „Unbekannte“, den sie in Unwissenheit anbeteten, der wahre Gott sei, den er verkündete – diese Gottheit war nicht „Jehovah“ (siehe „Das Allerheiligste“), noch war er „der Erschaffer der Welt und aller Dinge“. Denn nicht der „Gott Israels“, sondern der „Unbekannte“ der alten und modernen Pantheisten ist es, welcher „nicht in Tempeln wohnt, die mit Händen gemacht sind“ (Apostelgeschichte 17,23-25).

Der Göttliche Gedanke kann nicht definiert und seine Bedeutung nicht erklärt werden, ausgenommen durch die zahllosen Manifestationen kosmischer Substanz, in welchen er von jenen, die dazu fähig sind, geistig erspürt wird. Das zu sagen, nachdem man ihn als die unbekannte Gottheit definiert hat, abstrakt, unpersönlich, geschlechtslos, welche an die Wurzel einer jeden Kosmogonie und ihrer nachfolgenden Evolution gesetzt werden muss, bedeutet, überhaupt nichts zu sagen. Es gleicht dem Versuch, eine transzendentale Bedingungsgleichung aufzustellen, um die wahren Werte ihrer Glieder zu ermitteln, wobei zur Berechnung lediglich eine Anzahl unbekannter Größen gegeben ist. Ihr Platz findet sich auf den alten, ursprünglichen, symbolischen Schaubildern, auf denen sie, wie bereits im Text gezeigt, mit einer unbegrenzten Dunkelheit dargestellt ist, auf deren Grund der erste zentrale Punkt in Weiß erscheint – wodurch die Erscheinung der gleich-alten und gleich-ewigen Geist-Materie in der phänomenalen Welt vor ihrer ersten Differenzierung symbolisiert wird. Wenn „die Eins zur Zwei wird“, [SD # 328] dann kann das als Geist und Materie bezeichnet werden. Auf den „Geist“ lässt sich jede Offenbarung reflektierenden oder unmittelbaren Bewusstseins und von unbewusster Absichtlichkeit zurückführen (um einen modernen Ausdruck zu adoptieren, der in der westlichen sogenannten Philosophie gebraucht wird), was das Lebensprinzip und die Unterwerfung der Natur unter die majestätische Abfolge des unveränderlichen Gesetzes bezeugt. „Materie“ muss als Objektivität in ihrer reinsten Abstraktion betrachtet werden – die selbstexistierende Basis, deren siebenfältige manvantarische Differenzierung die objektive Wirklichkeit bildet, die den Erscheinungen einer jeden Phase bewusster Existenz zugrunde liegt. In der Periode des universalen Pralayas ist die kosmische Ideenbildung nicht existent. Und die verschiedenartig differenzierten Zustände der kosmischen Substanz werden wiederum in den ursprünglichen Zustand abstrakter, potenzieller Objektivität aufgelöst.

Der manvantarische Impuls beginnt mit der Wiedererweckung der kosmischen Ideenbildung (des „Universalgemüts“), gleichzeitig und parallel mit dem ersten Auftauchen der kosmischen Substanz – Letztere ist das manvantarische Vehikel der Ersteren – aus ihrem undifferenzierten pralayischen Zustand. Dann spiegelt sich die Absolute Weisheit in ihrer Ideenbildung; das wieder resultiert durch einen transzendentalen, über das menschliche Bewusstsein erhabenen und ihm unverständlichen Prozess in kosmischer Energie (Fohat). Die Tiefen träger Substanz durchdringend, treibt Fohat sie zur Tätigkeit an und leitet ihre ursprünglichen Differenzierungen auf allen sieben Ebenen kosmischen Bewusstseins. So gibt es sieben Protyle (wie sie jetzt genannt werden), das arische Altertum kannte sie als die sieben Prakritis oder Naturen. Für sich genommen dienen sie als die relativ homogene Grundlage, die sich im Verlauf der zunehmenden Heterogenität (in der Evolution des Universums) zu der wunderbaren Zusammengesetztheit differenziert, welche wiederum die Erscheinungen auf den Ebenen der Wahrnehmung darbieten. Der Ausdruck „relativ“ wurde absichtlich gewählt, weil schon die Existenz eines solchen Vorgangs, der auf die ursprünglichen Trennungen der undifferenzierten kosmischen Substanz in die siebenfältigen Grundlagen der Evolution hinausläuft, uns dazu zwingt, die Protyle16 jeder Ebene lediglich als Zwischenzustand zu betrachten, welchen die Substanz bei ihrem Durchgang vom Abstrakten zu voller Gegenständlichkeit annimmt.

Es heißt, dass die kosmische Ideenbildung während der pralayischen Perioden nicht existiert – aus dem einfachen Grund, weil niemand und nichts zugegen ist, um ihre Wirkungen wahrzunehmen. Es kann keine Manifestation von Bewusstsein, Halbbewusstsein oder selbst „unbewusste Absichtlichkeit“ existieren, es sei denn durch das materielle Vehikel. [SD # 329] Auf unserer Ebene also, wo sich das menschliche Bewusstsein in seinem normalen Zustand nicht über das emporschwingen kann, was als transzendentale Metaphysik bekannt ist, erfolgt ein Emporquellen des Geistes nur durch eine molekulare Anhäufung oder Struktur in einem Strom individueller oder unterbewusster Subjektivität. Und da eine von Wahrnehmung getrennt existierende Materie eine bloße Abstraktion darstellt, befinden sich diese beiden Aspekte des Absoluten – kosmische Substanz und kosmische Ideenbildung – in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Um Verwirrung und Missverständnisse zu vermeiden, sollte genau genommen das Wort „Materie“ nur auf das Aggregat von Objekten möglicher Wahrnehmung und „Substanz“ auf das Noumenon angewendet werden; denn insofern die Phänomene unserer Ebene Schöpfungen des wahrnehmenden Egos sind – die Veränderungen seiner eigenen Subjektivität –, können für die Kinder unserer Ebene sämtliche „Materiezustände, welche das Aggregat aller wahrgenommenen Gegenstände darstellen“, nur eine relative und rein phänomenale Existenz aufweisen. Die Zusammenwirkung von Subjekt und Objekt bewirkt den Sinnesgegenstand oder das Phänomen, wie die modernen Idealisten sagen würden. Das aber führt nicht notwendigerweise zu dem Schluss, dass es auf allen anderen Ebenen dasselbe ist. Das Zusammenwirken beider auf den Ebenen ihrer siebenfältigen Differenzierung hat ein siebenfältiges Aggregat von Phänomenen zur Folge, welche auf die gleiche Weise nicht an sich existent sind – wenngleich sie auch für jene Wesenheiten, von deren Erfahrung sie einen Teil bilden, konkrete Wirklichkeiten darstellen – gerade so wie die Felsen und Flüsse um uns herum vom Standpunkt des Physikers aus gesehen real sind, es sich dabei aber aus Sicht des Metaphysikers um unwirkliche Sinnestäuschungen handelt. Es wäre ein Irrtum, etwas Derartiges zu sagen oder auch nur zu denken. Vom Standpunkt des höchsten Metaphysikers aus ist das ganze Universum, einschließlich der Götter, eine Illusion; doch ist die Illusion von einem, der selbst eine Illusion darstellt, auf jeder Bewusstseinsebene anders; und wir haben kein Recht dazu, über die mögliche Natur der Wahrnehmungsfähigkeiten eines Egos auf der, sagen wir, sechsten Ebene zu dogmatisieren, genauso wenig wie wir unsere Wahrnehmungen mit jenen einer Ameise, die ihre eigene Art von Bewusstsein hat, gleichstellen oder sie zum Maßstab dafür machen dürfen. Der reine, vom Bewusstsein17 getrennte Gegenstand ist uns unbekannt, solange wir auf der Ebene unserer dreidimensionalen Welt leben, denn wir kennen lediglich die Gemütszustände, welche der Gegenstand in dem wahrnehmenden Ego hervorruft. Und solange der Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt andauert – nämlich solange wir uns unserer fünf Sinne erfreuen und nicht mehr; und nicht wissen, wie unser alles wahrnehmendes Ego (das Höhere Selbst) von der Sklaverei dieser Sinne befreit werden kann – so lange wird es für das persönliche Ego unmöglich sein, die Schranke zu durchbrechen, die es von einer [SD # 330] Erkenntnis der Dinge an sich (oder der Substanz) trennt. Dieses Ego muss – fortschreitend auf einem Bogen der emporsteigenden Subjektivität – die Erfahrungen einer jeden Ebene ausschöpfen. Aber bevor die Einheit nicht in das Alles eingetaucht ist, sei es auf dieser oder einer anderen Ebene, und bevor Subjekt und Objekt nicht gleichermaßen in der absoluten Negation des nirvanischen Zustands verschwunden sind (Negation wiederum nur von unserer Ebene aus) – ist der Gipfel der All-Wissenheit, der Kenntnis der Dinge an sich, noch nicht erreicht; und die Lösung des noch erhabeneren Rätsels ist noch nicht herangerückt, vor welchem sich selbst der höchste Dhyan Chohan in Schweigen und Unwissenheit beugen muss – des unaussprechlichen Mysteriums dessen, was die Vedantisten Parabrahman nennen.

So liegt der Fall, und so haben alle, die versuchten, dem unerkennbaren Prinzip einen Namen zu geben, es nur herabgewürdigt. Selbst von kosmischer Ideenbildung zu sprechen – ausgenommen in ihrem phänomenalen Aspekt – gleicht dem Versuch, das ursprüngliche Chaos in Flaschen abzufüllen oder der Ewigkeit ein Etikett aufzukleben.

Was ist nun diese „Ursprüngliche Substanz“, jenes mysteriöse Objekt, von dem in der Alchemie immer die Rede war und die in allen Zeitaltern Thema philosophischer Spekulationen war? Was kann sie letztendlich sein, selbst in ihrer phänomenalen Prädifferenzierung? Selbst das ist in der manifestierten Natur Alles und – für unsere Sinne nichts. Sie wird unter verschiedenen Namen in sämtlichen Kosmogonien erwähnt und in allen Philosophien besprochen und erweist sich bis zum heutigen Tag als der sich immer dem Zugriff entziehende Proteus in der Natur. Wir berühren sie, und doch fühlen wir sie nicht; wir schauen sie, ohne sie zu sehen; wir atmen sie und nehmen sie nicht wahr; wir hören und riechen sie und haben nicht die geringste Kenntnis von ihrer Gegenwart, denn sie ist in jedem Molekül dessen, was wir in unserer Illusion und Unwissenheit als Materie in allen ihren Zuständen betrachten oder als eine Empfindung vorstellen, einen Gedanken, eine Emotion. . . . Kurz gesagt, sie ist der „Upadhi“ oder das Vehikel eines jeden möglichen physischen, intellektuellen oder psychischen Phänomens. In den einleitenden Sätzen der Genesis sowie in der chaldäischen Kosmogonie; in den Puranas Indiens und im ägyptischen Totenbuch – überall eröffnet sie den Kreislauf der Manifestation. Sie wird „Chaos“ genannt und das Antlitz der Wasser, vom Geist ausgebrütet, der aus dem Unbekannten hervorgeht, unter welchem Namen auch immer (siehe „Chaos, Theos, Kosmos“).

Die Autoren der heiligen Schriften Indiens gehen auf den Ursprung der Evolution der Dinge tiefer ein als Thales oder Hiob, denn sie sagen: „Aus Intelligenz (in den Puranas Mahat genannt) in Verbindung mit Unwissenheit (Iswara, als eine persönliche Gottheit) begleitet von ihrer projizierenden Kraft, in der die Eigenschaft der Unwissenheit (Tamas, Gefühlslosigkeit) überwiegt, geht Ether hervor – aus Ether Luft; aus Luft Wärme; aus Wärme Wasser und aus Wasser Erde ‘mit allem, was auf ihr existiert’. Aus diesem, aus eben diesem Selbst, wurde der Ether hervorgebracht“, sagt der Veda (Taittiriya-Upanishad“, 2. 1).

Es leuchtet somit ein, dass es nicht dieser Ether ist – auf der vierten [SD # 331] Stufe aus einer Emanation von Intelligenz in „Verbindung mit Unwissenheit“ entsprungen – welcher das hohe Prinzip ist, die vergöttlichende Wesenheit, welche von den Griechen und Lateinern unter dem Namen „Pater Omnipotens Aether“ und in seinem kollektiven Aggregat als „Magnus Aether“ verehrt wurde. Die Alten kannten in Bezug auf die Kräfte des Ethers kollektiv eine siebenfältige Abstufung, unzählige Unterabteilungen und Unterscheidungsmerkmale. Für alle Zweige der Wissenschaft war er immer ein ärgerliches Rätsel, von seinen äußeren Randeffekten, mit welchen unsere Wissenschaft so vertraut ist, bis hinauf zu der „unwägbaren Substanz“, einst als der „Ether des Raumes“ eingeräumt, aber momentan wieder abgelehnt. Die Mythologen und Symbologen heutzutage werden – von dieser unbegreiflichen Verherrlichung auf der einen und der Herabsetzung auf der anderen Seite verwirrt – von ein und derselben vergöttlichten Wesenheit und in denselben religiösen Systemen oft zu den lächerlichsten Irrtümern getrieben. Die Kirche, an allen ihren frühen, fehlerhaften Interpretationen wie an einem Felsen festhaltend, hat aus dem Ether den Aufenthaltsort ihrer satanischen Legionen18 gemacht. Die gesamte Hierarchie der „gefallenen“ Engel findet sich darin; die Kosmokratoren, oder „Weltenträger“ (nach Bossuet), die Mundi Tenentes – oder „Weltenhalter“, wie Tertullian sie nennt; und die Mundi Domini, die „Beherrschungen der Welt“ oder vielmehr die Beherrscher, die Curbati oder „Gekrümmten“ etc., die so aus den Sternen und den Himmelskörpern auf ihren Bahnen Teufel machen!

Während der Äther der Alten das universale Feuer ist, kann der zwischen den sieben Zuständen des Ethers getroffene Unterschied (der selbst wieder eines der sieben kosmischen Prinzipien ist) aus den Anordnungen Zoroasters, respektive Psellos’, gesehen werden. Ersterer sagte: „Befrage ihn nur dann, wenn er ohne Form oder Gestalt ist“ – absque forma et figura –, das bedeutet ohne Flammen oder brennende Kohlen. „Wenn er eine Form hat, beachte ihn nicht“, lehrte Psellos, „aber wenn er formlos ist, gehorche ihm, denn dann ist er das heilige Feuer, und alles was er Dir enthüllen wird, wird wahr sein.“19 Das beweist, dass Ether – selbst ein Aspekt von Akasha – seinerseits verschiedene Aspekte oder „Prinzipien“ besitzt.

Alle alten Nationen vergötterten den Äther in seinem unwägbaren Aspekt und seiner Kraft. Vergil nennt Jupiter Pater Omnipotens Aether, den „großen Äther“20. Die Hindus reihten ihn ebenfalls unter ihren Gottheiten ein; und zwar unter dem Namen Akasha (der Synthese von Äther). Und der Urheber des homerischen [SD # 332] Systems der Philosophie, Anaxagoras von Klazomenai, glaubte fest daran, dass die spirituellen Prototypen aller Dinge sowie deren Elemente im grenzenlosen Ether zu finden wären, wo sie erschaffen wurden, woraus sie sich entwickelten und wohin sie zurückkehrten ­– eine okkulte Lehre.

Es wird somit klar, dass aus dem Ether in seinem höchsten synthetischen Aspekt die erste Idee einer persönlichen, erschaffenden Gottheit entsprang, sobald er anthropomorphisiert wurde. Bei den philosophischen Hindus sind die Elemente Tamas, d. h. „vom Intellekt nicht erleuchtet, den sie verdunkeln“.

Wir müssen nun die Frage nach der mystischen Bedeutung des „ursprünglichen Chaos“ und des Wurzelprinzips erschöpfend behandeln und zeigen, in welchem Zusammenhang sie in den alten Philosophien mit Akasha standen, das fälschlich mit Äther übersetzt wurde; und auch mit Maya (Illusion) – deren männlicher Aspekt Iswara ist. Wir werden ferner von dem intelligenten „Prinzip“ sprechen oder vielmehr von den unsichtbaren immateriellen Eigenschaften der sichtbaren und materiellen Elemente, welche aus dem „ursprünglichen Chaos entsprangen“.

Denn: „Was ist das ursprüngliche Chaos anderes als Äther?“ wird in „Isis entschleiert“ gefragt. Nicht der moderne Ether; nicht so wie er jetzt anerkannt wird, sondern wie er den alten Philosophen lange vor der Zeit von Moses bekannt war; sondern der Äther mit all seinen mysteriösen und okkulten Eigenschaften, welcher die Keime der universalen Schöpfung in sich enthielt. Der höhere Äther oder Akasha ist die Himmlische Jungfrau und Mutter jeder existierenden Form und jeden Wesens, aus deren Schoß nach der „Inkubation“ durch den Göttlichen Geist Materie und Leben, Kraft und Tätigkeit, ins Dasein gerufen werden. Äther ist die Aditi der Hindus, und er ist Akasha. Elektrizität, Magnetismus, Wärme, Licht und chemische Reaktionen werden selbst heute noch so wenig verstanden, dass neue Fakten stets den Bereich unserer Kenntnisse erweitern. Wer weiß, wo die Macht dieses proteusartigen Riesen – des Äthers – endet; oder woher er seinen mysteriösen Ursprung nimmt? Wer, sagen wir, kann den Geist leugnen, der in ihm wirkt und alle sichtbaren Formen aus ihm heraus entwickelt?

Es wird eine leichte Aufgabe sein zu zeigen, dass die kosmogonischen Legenden der ganzen Welt auf einem Wissen der Alten über diese Wissenschaften beruht, die sich in unseren Tagen zur Unterstützung der Evolutionslehre verbündet haben; und dass weitere Forschung den Nachweis liefern kann, dass diese Alten mit der Tatsache der Evolution viel besser vertraut waren als wir es heute sind, sowohl vom physischen als auch vom spirituellen Gesichtspunkt aus betrachtet. „Bei den alten Philosophen war die Evolution ein universales Theorem, eine Lehre, die das Ganze umfasste, und ein anerkanntes Prinzip, während unsere modernen Evolutionisten uns lediglich spekulative Theorien vorsetzen können mit besonderen, wenn nicht gänzlich negativen Lehrsätzen. Es ist eine leere Drohung der Vertreter unserer modernen Weisheit, die Debatte nur aus dem einen Grund zu beenden und zu behaupten, die Frage sei geklärt, weil die dunkle Ausdrucksweise des mosaischen Berichts viel später mit der bestimmten Auslegung der ‘exakten Wissenschaft’ im Widerspruch steht.“ („Isis Unveiled“)

[SD # 333] Wendet man sich nun den „Gesetzen Manus“ (oder Satzungen) zu, findet man den Prototyp all dieser Ideen. In ihrer ursprünglichen Form (für die westliche Welt) meistens verloren, durch spätere Einfügungen und Zugaben entstellt, bewahrten sie nichtsdestoweniger genug von ihrem alten Geist, um dessen Charakter zu zeigen. „Die Finsternis entfernend, wurde der selbstexistierende Herr“ manifest (Vishnu, Narayana etc.) und „in dem Wunsch, Wesen aus seiner Wesenheit hervorzubringen, schuf er im Anbeginn das Wasser allein. In dieses warf er die Saat. . . . . Daraus entstand ein goldenes Ei.“ (Verse 6, 7, 8, 9) Woher kommt dieser selbstexistierende Herr? Er wird Dieses genannt und „Dunkelheit, unwahrnehmbar, ohne bestimmte Eigenschaften, unentdeckbar, als ob gänzlich in Schlaf versunken“ (Vers 5). Nachdem er ein ganzes göttliches Jahr in diesem Ei gewohnt hat, spaltet er, „der in der Welt Brahmâ genannt wird“, das Ei in zwei Teile. Aus dem oberen bildet er den Himmel, aus dem unteren die Erde und aus der Mitte den sichtbaren Himmel und „den ewigen Platz der Wasser“ (12, 13).

Unmittelbar auf diese Verse folgend findet sich etwas für uns Wichtigeres, da es unsere esoterischen Lehren vollständig bestätigt. Von Vers 14 bis 36 wird die Evolution in der Reihenfolge dargestellt, wie sie in der Esoterischen Philosophie beschrieben wird. Das kann kaum bestritten werden. Selbst Medhatithi, Sohn Virasvamins und Verfasser des ­Kom­mentars, des „Manu-bhasya“, der gemäß westlichen Orientalisten 1.000 v. Chr. lebte, hilft uns mit seinen Bemerkungen bei der ­Auf­klärung der Wahrheit. Er zeigte sich selbst entweder abgeneigt, mehr zu veröffentlichen, weil er jene Wahrheit kannte, die den Profanen vorzuenthalten war, oder er war wirklich verwirrt. Doch legt das, was er veröffentlicht, das siebenfältige Prinzip im Menschen und in der Natur ausreichend klar dar.

Beginnen wir mit Kapitel I der „Satzungen“ oder „Gesetze“, nachdem sich der selbstexistierende Herr, der sich nicht manifestierende Logos der unbekannten „Dunkelheit“, in dem goldenen Ei manifestiert. Aus diesem „Ei“, aus –

(11) dem, welches die ungetrennte (undifferenzierte) Ursache ist, ewig, das ist und nicht ist, aus diesem ging jener Männliche hervor, der in der Welt Brahmâ genannt wird. . . . .

Hier – sowie in allen echten philosophischen Systemen – finden wir das „Ei“ oder den Kreis (oder die Null), grenzenlose Unendlichkeit, mit Es21 bezeichnet; und Brahmâ, die erste Einheit allein, als den männlichen Gott benannt, d. h. als das befruchtende Prinzip. Dieses ist , oder 10 (zehn), die Dekade. Auf der Ebene der Siebenheit oder in unserer Welt wird es Brahmâ genannt. Auf der der vereinten Dekade, im Bereich der Wirklichkeit, ist dieser männliche Brahmâ eine Illusion.

(14) „Aus dem Selbst (atmanah) schuf er das Gemüt, (1) das ist und nicht ist; [SD # 334] (2) und aus dem Gemüt den Ego-ismus (Selbst-Bewusstsein), den Herrscher; (3) den Herrn.“

(1) Das Gemüt ist Manas. Medhatithi, der Kommentator, bemerkt hier mit Recht, dass es umgekehrt sei und zeigt bereits eine Einfügung und Umstellung; denn es ist Manas, das aus Ahamkara oder (universalem) Selbstbewusstsein entspringt, so wie Manas im Mikrokosmos aus Mahat oder Maha-Buddhi (Buddhi im Menschen) entspringt. Denn Manas ist dual; und wie Colebrooke zeigt und übersetzt, „ist es durch seine Affinität ein Organ, indem es mit dem Übrigen verwandt ist und damit sowohl der Empfindung als auch der Handlung dient. „Das Übrige“ bedeutet hier, dass Manas, unser fünftes Prinzip (das fünfte, weil der Körper als das erste bezeichnet wurde, was die Umkehrung der wahren philosophischen Reihenfolge darstellt)22, sowohl mit Atman-Buddhi als auch mit den niederen vier Prinzipien verwandt ist. Daher unsere Lehre: dass nämlich Manas dem Atman-Buddhi nach Devachan folgt, dass das niedere (der Bodensatz oder Überrest) Manas mit dem Kama-Rupa im Limbus oder Kama-Loka verbleibt, dem Aufenthaltsort der „Hüllen“.

(2) Das ist die Bedeutung von Manas, das „ist und nicht ist“.

(3) Medhatithi übersetzt es als „derjenige, der sich des Ichs bewusst ist“ oder das Ego, und nicht als „den Herrscher“, wie es die Orientalisten tun. So übersetzen sie auch Vers 16: „Nachdem er die feinen Teile jener sechs (das große Selbst und die fünf Sinnesorgane“ aus unermesslichem Glanz erschaffen hatte, um in die Elemente des Selbst (Atmamatrasu) einzutreten, erschuf er alle Wesen.“

Wenn es nach Medhatithi an Stelle von „Atmamatrasu“ Matra-Chit hieße, würde es folgendermaßen lauten:

„Er, der die feinen Teile jener sechs aus unermesslichem Glanz mit den Elementen des Selbst durchdrungen hatte, erschuf alle Wesen.“

Letztere Lesart muss die richtige sein, weil er, das Selbst, das ist, was wir Atman nennen und so das siebte Prinzip bildet, die Synthese der „sechs“. Das ist auch die Ansicht des Herausgebers des Manava Dharmashastra, der intuitiv viel tiefer in den Geist der Philosophie eingedrungen zu sein scheint als der Übersetzer der „Satzungen Manus“, der verstorbene Dr. Burnell. Denn er schwankt kaum zwischen dem Text des Kulluka und den Kommentaren des Medhatithi. Indem er die Tanmatras oder die feinen Elemente und das Atmamatrasu des Kulluka verwirft, sagt er, die Prinzipien auf das kosmische Selbst anwendend: „Die sechs scheinen vielmehr Manas plus die fünf Prinzipien von Ether, Luft, Feuer, Wasser, Erde zu sein“; „nachdem er fünf Teile jener sechs mit dem spirituellen Element (dem siebten) vereinigt hatte, schuf er (so) alle existierenden Dinge.“ Atmamatra ist daher das spirituelle Atom im Gegensatz zu den elementaren, nicht reflektiven „Elementen seiner selbst“. Die Übersetzung von Vers 17 korrigiert er folgendermaßen. (17) „Da die feinen Elemente der körperlichen Formen dieses Einen von den sechs abhängen, nennen [SD # 335] die Weisen seine Form Çarira (Sarira)“ – und er fügt hinzu, dass diese „Elemente“ hier Teile (oder Prinzipien) bedeuten, welche Deutung durch Vers 19 gerechtfertigt wird, in welchem es heißt:

(19) „Dieses Nichtewige (Universum) erhebt sich also aus dem Ewigen mithilfe der feinen Elemente der Formen jener sieben höchst herrlichen Prinzipien“ (Purusha).

Dazu bemerkt der Herausgeber laut Medhatithi, dass „die fünf Elemente plus Denkvermögen (Manas) und Selbstbewusstsein (Ahamkara)23 gemeint sind“. „Die feinen Elemente“ (bedeuten) wie zuvor „fünf Teile der Form“ (oder Prinzipien). Vers 20 zeigt dies, wenn er von diesen fünf Elementen oder „fünf Teilen der Form“ (Rupa plus Manas und Selbstbewusstsein) sagt, dass sie die „sieben Purusha“ oder Prinzipien bilden, in den Puranas die „sieben Prakritis“ genannt.

Weiter werden diese „fünf Elemente“ oder „fünf Teile“ in Vers 27 bezeichnet als „diejenigen, die atomisch zerstörbare Anteile genannt werden“ – und sich daher „von den Atomen Nyayas unterscheiden“.

Dieser aus dem Welten- oder Goldenen Ei hervortretende schöpferische Brahmâ vereinigt die männlichen und weiblichen Prinzipien in sich. Er ist, kurz gesagt, dasselbe wie alle schöpferischen Protologoi. Von Brahmâ könnte man jedoch nicht wie von Dionysos sagen: “ πρωτόγονον διφυῆ τρίγονον Βακχεῖον Ανακτα Αγριον ἀρρητὸν κρύφιον δικέρωτα δίμορφν – ein lunarer Jehovah, wahrlich Bacchus mit dem nackt vor seinem Symbol, der Bundeslade, tanzenden David – weil zügellose Dionysien niemals in seinem Namen und ihm zu Ehren eingerichtet worden wären. Jede derartige öffentliche Verehrung war exoterisch, und die großen universalen Symbole wurden überall entstellt – so wie die Vallabhacharyas Bombays, die Verehrer des kindlichen Gottes, jetzt die Symbole des Krishna entstellen. Aber sind diese volkstümlichen Götter die wahre Gottheit? Sind sie der Gipfel und die Synthese der siebenfältigen Schöpfung einschließlich des Menschen? Niemals! Jeder und alle sind Sprossen der siebenfältigen Leiter Göttlichen Bewusstseins, die heidnischen wie die christlichen. Es heißt, dass sich Ain Soph durch die sieben Buchstaben von Jehovahs Namen manifestiert, welchem, nachdem er sich des Platzes des Unbekannten Grenzenlosen bemächtigt hatte, von seinen Verehrern seine sieben Engel der Gegenwart – seine sieben Prinzipien – gegeben wurden. Und dennoch werden diese in fast jeder Schule erwähnt. In der reinen Sankhya-Philosophie werden Mahat, Ahamkara und die fünf Tanmatras die sieben Prakritis (oder Naturen) genannt, und sie werden von Maha-Buddhi oder Mahat zur Erde abwärts gezählt (siehe „Sankhya Karika“ III und Kommentare).

Wie stark jedoch die ursprünglich elohistische Version Esras für die Zwecke der Rabbiner entstellt wurde, wie widerwärtig selbst die [SD # 336] esoterische Bedeutung in den hebräischen Schriftrollen teilweise auch sein mag, tatsächlich weitaus schlimmer als der äußere Schleier oder die Verhüllung24 – sobald man die jehovistischen Teile ausschließt, findet man die Mosaischen Bücher erfüllt von rein okkultem und unschätzbarem Wissen, insbesondere in den ersten sechs Kapiteln.

Mithilfe der Kabbala gelesen, findet man einen unvergleichlichen Tempel okkulter Wahrheiten, eine Quelle tief verborgener Schönheit unter einem Gebäude versteckt, dessen sichtbare Architektur, trotz ihrer offensichtlichen Symmetrie, der kalten Kritik der Vernunft nicht standhalten und ihr Alter nicht enthüllen kann, da sie allen Zeitaltern angehört. In den exoterischen Fabeln der Puranas und der Bibel findet sich mehr Weisheit als in allen exoterischen Fakten und Wissenschaften der Weltliteratur und mehr okkulte, echte Wissenschaft als in sämtlichen Akademien auffindbare exakte Kenntnisse. Klarer und stärker ausgedrückt, findet sich in einigen Teilen der exoterischen Puranas und des Pentateuch wohl so viel esoterische Weisheit wie Unsinn und vorsätzliche, kindische Fantasie, wenn sie nur nach dem toten Buchstaben der mörderischen Interpretationen der großen dogmatischen Religionen und insbesondere der Sekten gelesen werden.

Man lese die ersten Verse von Kapitel 1 der Genesis und denke darüber nach. Dort befiehlt „Gott“ einem weiteren, seinem Gebot Folge leistenden „Gott“ – selbst in der autorisierten, vorsichtigen, englisch-protestantischen Übersetzung von König Jakob I.

Im „Anfang“, die hebräische Sprache kennt kein Wort, um die Idee der Ewigkeit auszudrücken25, schuf „Gott“ Himmel und Erde; und Letztere war „wüst und leer“, während Ersterer in der Tat kein Himmel, sondern die „Tiefe“, Chaos, ist – Finsternis war über der Tiefe.26

„Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“ (Vers 2) oder der großen Tiefe des unendlichen Raumes; und dieser Geist ist Nara-Yana oder Vishnu.

[SD # 337] „Und Gott sprach: Es werde eine Ausdehnung inmitten der Wasser . . . “ (Vers 6), und „Gott“, der zweite, gehorchte und „Gott machte die Ausdehnung“ (Vers 7) – „Und Gott sprach: Es werde Licht.“ Und „es ward Licht“. Nun bedeutet das Letztere überhaupt nicht Licht, sondern in der Kabbala den androgynen „Adam Kadmon“ oder Sephira (spirituelles Licht), denn sie sind eins; oder – nach dem chaldäischen „Buch der Zahlen“ – die zweiten Engel; die ersten sind die Elohim, die das Aggregat des „formenden“ Gottes darstellen. Denn an wen sind diese Anordnungen gerichtet? Und wer erteilt die Befehle? Das ewige Gesetz gibt die Befehle, und Folge leisten ihnen die Elohim, die bekannte Quantität, welche in und mit x wirkt oder dem Koeffizienten der unbekannten Quantität, den Kräften der einen Kraft. All das ist Okkultismus und findet sich in den archaischen Stanzen. Es ist vollständig immateriell, ob wir diese „Kräfte“ als Dhyan Chohans bezeichnen oder mit dem Heiligen Johannes als Ophanim.

„Das eine Universale Licht, welches für den Menschen die Finsternis ist, existiert immer“, sagt das „Chaldäische Buch der Zahlen“. Aus ihm geht periodisch die Energie hervor, welche in der „Tiefe“ oder dem Chaos reflektiert wird, der Vorratskammer der zukünftigen Welten; und erst einmal erweckt, rüttelt diese Energie die verborgenen Kräfte auf und befruchtet sie; die verborgenen Kräfte sind die immer gegenwärtigen, ewigen Potenzialitäten in ihr. Dann erwachen die Brahmâs und Buddhas von Neuem – die gleich ewigen Kräfte – und ein neues Universum tritt ins Dasein. . . . .

Im „Sefer Jezirah“, dem kabbalistischen Schöpfungsbuch, hat der Verfasser offenbar die Worte Manus wiederholt. In ihm wird die göttliche Substanz dargestellt, wie sie allein seit Ewigkeit existiert, grenzenlos und absolut; und wie sie aus sich selbst den Geist27 aussandte. „Eins ist der Geist des lebendigen Gottes, gepriesen sei Sein Name, der da lebt für immer! Stimme, Geist und Wort, das ist der Heilige Geist.“28 Und das ist die kabbalistische abstrakte Dreieinigkeit, welche von den christlichen Kirchenvätern ganz ungezwungen anthropomorphisiert wurde. Aus dieser dreifachen Eins emanierte der gesamte Kosmos. Zuerst emanierte aus der Eins die Zahl Zwei oder Luft (der Vater), das schöpferische Element; und dann die Zahl Drei, das Wasser (die Mutter), hervorgegangen aus der Luft; Ether oder Feuer vervollständigt die mystische Vier, den Arba-il.29 „Als der Verborgene Sich selbst aus dem Verborgenen offenbaren wollte, machte er zuerst einen Punkt (den ursprünglichen Punkt oder den ersten Sephiroth, Luft oder den Heiligen Geist), brachte ihn in eine heilige Form (die zehn Sephiroth oder den Himmlischen Menschen) und deckte ein reiches und glänzendes Gewand darüber, welches die Welt ist.“30

[SD # 338] „Er macht den Wind zu Seinem Boten, das flammende Feuer zu Seinem Diener,“ sagt die Jezirah, die damit den kosmischen Charakter der später euhemerisierten Elemente31 zeigte und dass der Geist alle Atome im Kosmos durchdringt.

Diese „ursprüngliche Substanz“ wird von einigen Chaos genannt: Platon und die Pythagoreer nannten sie die Weltseele, nachdem sie vom Geist dessen, was über den ursprünglichen Wassern oder dem Chaos brütet, befruchtet worden war. Indem das brütende Prinzip sich in ihm reflektierte – sagen die Kabbalisten –, schuf es das Truggebilde eines sichtbaren, manifestierten Universums. Chaos, davor – Ether, danach die „Reflexion“, ist immer noch die Gottheit, die den Raum und alle Dinge durchdringt. Er ist der unsichtbare, unwägbare Geist der Dinge, und das unsichtbare, aber nur allzu gut fühlbare Fluidum, das aus den Fingern des gesunden Magnetiseurs ausstrahlt, denn es ist die Lebenselektrizität – das Leben selbst. Vom Marquis de Mirville spöttisch der „nebelhafte Allmächtige“ genannt, heißt der Ether bis zum heutigen Tag bei den Theurgisten und Okkultisten das „lebendige Feuer“; und es gibt keinen Hindu, der zur Morgendämmerung eine gewisse Art von Meditation übt, ohne seine Wirkungen zu kennen.32 Es ist der „Geist des [SD # 339] Lichts“ und Magnes. Wie von einem Gegner richtig formuliert, sind Magus und Magnes zwei aus demselben Stamm wachsende und dieselben Resultate austreibende Zweige. Und in dieser Bezeichnung eines „lebendigen Feuers“ können wir auch den Sinn des verwirrenden Satzes im Zendavesta entdecken: Es ist „ein Feuer, das die Kenntnis der Zukunft, die Wissenschaft und eine liebenswürdige Sprache verleiht“, d. h. in Sibyllen, Sensitiven und selbst in gewissen Rednern bewirkt es eine außerordentliche Beredsamkeit.

Von diesem „Feuer“ sprechen sowohl alle Hindu-Bücher als auch die kabbalistischen Werke. Der „Zohar“ erklärt es als das „weiße, verborgene Feuer in Resha Trivrah“ (dem Weißen Haupt), dessen Wille die feurige Flüssigkeit in 370 Strömen in jede Richtung des Universums fließen lässt. Es ist dasselbe wie die „sich in 370 Sprüngen bewegende Schlange“ der Siphrah Dzeniouta, die – sobald der „vollkommene Mensch“, der Metatron, errichtet worden ist, der Göttliche Mensch also im tierischen Menschen wohnt – zu drei Geistern wird, d. h. in unserer theosophischen Nomenklatur wird es zu Atman-Buddhi-Manas (siehe Teil II in Band II, § 3, „Die vielen Bedeutungen des Krieges im Himmel“).

Geist also oder kosmische Ideenbildung und kosmische Substanz – von deren Prinzipien eines der Ether ist – sind eins, und schließen die Elemente in dem Sinn in sich ein, wie der Hl. Paulus sie versteht. Diese Elemente sind die verschleierte Synthese und stehen für die Dhyan Chohans, Devas, Sephiroth, Amschaspands, Erzengel etc. etc. Der Ether der Wissenschaft – den Ilus des Berossos oder das Protyl der Chemie – bildet sozusagen das Rohmaterial (relativ), aus welchem die oben genannten „Baumeister“ den für sie ewig im Göttlichen Gedanken vorgezeichneten Plan ausführen und die Systeme des Kosmos ausarbeiten. Das sind „Mythen“, sagt man uns. „Nicht mehr als der Ether und die Atome“, antworten wir. Die beiden Letzteren sind für die Physik absolute Notwendigkeiten, und die „Baumeister“ sind eine ebenso absolute Notwendigkeit für die Metaphysik. Wir werden verhöhnt: „Ihr habt sie nie gesehen.“ Und wir fragen die Materialisten: „Habt ihr jemals den Ether oder eure Atome oder auch nur eure Kraft gesehen?“ Einer der größten westlichen Evolutionisten der Neuzeit, A. R. Wallace, ein Gehilfe Darwins, wenn er die natürliche Selektion allein als nicht ausreichend bezeichnet zur Erklärung der körperlichen Form des Menschen – räumt obendrein ein, dass die lenkende Wirkung „höherer Intelligenzen“ ein notwendiger Bestandteil der großen Gesetze sei, die das materielle Universum regieren“ („Contributions to Theory of Natural Selections“).

Diese „höheren Intelligenzen“ sind die Dhyan Chohans der Okkultisten.

In der Tat gibt es nur wenige Mythen in den Religionssystemen, welche diesen Namen verdienen und die sowohl eine historische als auch eine wissenschaftliche Begründung haben. „Mythen“, bemerkt Pococke zu Recht, „erweisen sich just als Fabeln, und zwar genau in dem Verhältnis, wie wir sie miss­verstehen; und als Wahrheiten in dem Verhältnis, in dem sie einst verstanden wurden.

Die eine vorherrschende und am stärksten ausgeprägte Idee – die sich [SD # 340] in Bezug auf kosmische Evolution und die erste „Schöpfung“ unseres Globus mit allen seinen organischen und anorganischen (ein wunderliches Wort aus dem Munde eines Okkultisten) Produkten in jeder alten Lehre finden lässt – ist die, dass der gesamte Kosmos aus dem Göttlichen Gedanken entsprungen ist. Dieser Gedanke befruchtet die Materie, die gleich-ewig ist mit der Einen Wirklichkeit. Und alles, was lebt und atmet, evolviert aus den Emanationen des Einen Unveränderlichen – Parabrahman = Mulaprakriti, die ewige Wurzel-Einheit. Das Erstere dieser beiden ist sozusagen der Aspekt des nach innen in solche Gebiete gewendeten Mittelpunkts, die dem menschlichen Intellekt ziemlich unzugänglich sind, und es ist absolute Abstraktion; während es in seinem Aspekt als Mulaprakriti – der ewigen Wurzel von allem – zumindest ein nebelhaftes Verständnis des Mysteriums des Seins vermittelt.

„Daher wurde in den inneren Tempeln gelehrt, dass dieses sichtbare Universum aus Geist und Materie lediglich das konkrete Bild der idealen Abstraktion darstellt. Es wurde nach dem Modell der ersten Göttlichen Idee gebildet. Seit ewig existierte unser Universum in einem latenten Zustand. Die Seele, die dieses rein geistige Universum belebt, ist die Zentralsonne, die höchste Gottheit selbst. Nicht der Eine bildete die konkrete Form der Idee, sondern der Erstgeborene; und als sie nach der geometrischen Form des Dodekaeders33 entworfen war, ‘freute sich’ der Erstgeborene darauf, ‘12.000 Jahre auf ihre Erschaffung zu verwenden’. Diese Zahl wird in der tyrrhenischen Kosmogonie34 zum Ausdruck gebracht, welche den Menschen als im sechsten Jahrtausend erschaffen betrachtet. Das stimmt mit der ägyptischen Theorie der 6.000 ‘Jahre’35 und mit der hebräischen Berechnung überein. Aber es stellt die exoterische Form der Berechnung dar. Die geheime Berechnung erklärt, dass es sich bei den ‘zwölf Tausend und 6.000 Jahren’ um Jahre Brahmâs handelt, und ein Tag Brahmâs 4.320.000.000 Jahre dauert. Sanchuniathon36 erklärt in seiner Kosmogonie, dass – als der Wind (Geist) sich in seine eigenen Prinzipien (Chaos) verliebte – eine innige Vereinigung stattfand. Diese Verbindung wurde Pothos genannt und brachte den Samen von allem hervor. Und das Chaos wusste nichts von seiner eigenen Erschaffung, denn es war ohne Sinne; aus seiner Umarmung mit dem Wind jedoch wurde Mot erzeugt, oder der Ilys (Schlammgrund).37 Daraus gingen die Schöpfungssporen und die Erschaffung des Universums hervor.

Zeus-Zen (Äther) sowie Chthonia (die chaotische Erde) und Metis (Wasser), seine Gemahlinnen; Osiris – jener Gott, der ebenfalls den Ether repräsentiert – und Isis-Latona, die erste Emanation der höchsten Gottheit, Amun, die ursprüngliche Quelle des Lichts; wiederum die Göttin Erde und Wasser; Mithras38, der felsengeborene Gott, das Symbol des männlichen Weltenfeuers oder das personifizierte Urlicht; und Mithra, die Feuergöttin – zugleich seine Mutter und seine Gemahlin: das reine Element des Feuers (das tätige oder männliche Prinzip), das als Licht und Wärme angesehen wird in Verbindung mit Erde und Wasser oder Materie (dem weiblichen oder passiven Element der kosmischen Zeugung); [SD # 341] Mithras ist der Sohn Bordjs, des persischen Weltenbergs39, aus dem er als glänzender Lichtstrahl hervorblitzte. Brahmâ, der Feuergott und seine fruchtbare Gemahlin; und der hinduistische Agni, die strahlende Gottheit, aus deren Körper tausend Ströme von Glanz und sieben Flammenzungen hervorgehen und dem zu Ehren gewisse Brahmanen bis zum heutigen Tag ein ewiges Feuer unterhalten; Shiva, personifiziert durch Meru, den Weltenberg der Hindus: diese fantastischen Feuergötter, die der Legende nach wie der jüdische Jehovah in einer Feuersäule vom Himmel herabstiegen; und ein Dutzend anderer archaischer, doppelgeschlechtlicher Gottheiten; sie alle verkünden laut ihre verborgene Bedeutung. Und was könnten diese dualen Mythen anderes bedeuten als das psycho-chemische Prinzip der ursprünglichen Schöpfung? Die erste Evolution in ihrer dreifachen Manifestation als Geist, Kraft und Materie; die göttliche Wechselbeziehung an ihrem Ausgangspunkt, versinnbildlicht durch die Hochzeit von Feuer und Wasser, den Produkten des elektrisierenden Geistes, die Vereinigung des männlichen aktiven Prinzips mit dem weiblichen passiven Element, die die Eltern ihres tellurischen Kindes werden, kosmischer Materie, der Prima Materia, deren Seele der Äther und deren Schatten das Astrallicht ist“ („Isis Unveiled“).

Die Fragmente der uns erhaltenen Systeme werden heute als törichte Fabeln zurückgewiesen. Die okkulte Wissenschaft – die selbst die große Flut überlebte, welche die vorsintflutlichen Riesen und mit ihnen sogar die Erinnerung an sie verschlang, von den in der Geheimlehre, der Bibel und anderen Schriften erhaltenen Berichten abgesehen – besitzt noch immer den Schlüssel zu allen Weltproblemen.

Wenden wir diesen Schlüssel also auf die spärlichen Fragmente längst vergessener Kosmogonien an; und versuchen wir, mithilfe ihrer verstreuten Teile die einst universale Kosmogonie der Geheimlehre wieder herzustellen. Der Schlüssel passt bei allen. Niemand kann ernsthaft die alten Philosophien studieren, ohne wahrzunehmen, dass die auffallende Ähnlichkeit der Vor­stellungen in all diesen Kosmogonien, welche in ihrer exoterischen Form sehr häufig und in ihrem verborgenen Geist unwandelbar zu Tage treten, nicht das Werk bloßen Zufalls ist, sondern sich aus einem übereinstimmenden Plan ergibt: und dass in der Jugendzeit der Menschheit lediglich eine Sprache, eine Erkenntnis und eine universale Religion existierte, als es noch keine Kirchen, keine Glaubensbekenntnisse oder Sekten gab, sondern jeder Mensch sein eigener Priester war. Und wenn gezeigt wird, dass sich das religiöse Denken des Menschen auf allen Teilen des Globus in übereinstimmender Sympathie bereits in jenen frühen Zeiten entwickelte, die sich unseren Blicken durch das üppige Wachstum der Tradition entziehen; dann wird es offensichtlich, dass dieses Denken, unabhängig vom Breitengrad, im kalten Norden oder im sengenden Süden, im Osten oder Westen, von denselben Offenbarungen inspiriert war und dass der Mensch unter dem schützenden Schatten ein und desselben Baums der Erkenntnis aufgezogen wurde.

 

 

[SD # 342]
§
IV
Chaos – Theos – Kosmos

Diese drei bilden den Inhalt des Raums; oder, wie ein gelehrter Kabbalist es definierte: „Raum, der alles enthaltende Nichtenthaltene, ist die ursprüngliche Verkörperung der einfachen Einheit. . . . grenzenlose Ausdehnung.“40 Aber er fragt wiederum: „Grenzenlose Ausdehnung wovon?“ – und gibt die richtige Antwort: „Von dem unbekannten Enthalter von Allem, der Unbekannten Ersten Ursache.“ Das ist eine höchst richtige Definition und Antwort, höchst esoterisch und wahr, von jedem Gesichtspunkt der okkulten Lehre aus betrachtet.

In ihrer Unwissenheit und bilderstürmerischen Neigung zur Zerstörung jeder philosophischen Idee des Altertums proklamierten die modernen Besserwisser den Raum als „eine abstrakte Idee“ und als eine Leere, tatsächlich ist er jedoch der Enthalter und der Körper des Universums mit seinen sieben Prinzipien. Er ist ein Körper von grenzenloser Ausdehnung, dessen Prinzipien, in okkulter Ausdrucksweise – jedes seinerseits eine Siebenheit – in unserer Erscheinungswelt lediglich das gröbste Gewebe ihrer Unterabteilungen manifestieren. „Niemand hat jemals die Elemente in ihrer Gänze gesehen“, vermittelt die Lehre. Wir müssen unsere Weisheit in den ursprünglichen Äußerungen der Urvölker und in ihren Synonymen finden. Selbst die spätesten dieser Urvölker, die Juden, zeigen in ihren kabbalistischen Lehren dieselbe Idee, d. h. die siebenköpfige Schlange des Raums, „die Große See“ genannt. „Im Anbeginn schufen die Elohim die Himmel und die Erde; die 6 (Sephiroth). . . . Sie erschufen sechs, und auf diesen beruhen alle Dinge. Und diese (sechs) hängen von den sieben Formen des Craniums ab, bis hinauf zum Erhabensten alles Erhabenen („Siphrah Dzeniouta“, I, § 16), siehe Teil ii, Band II „Ancient Divisions and the Mystic Numbers“.

Nun waren die Begriffe Wind, Luft und Geist seit jeher bei allen Nationen sinnverwandt. Pneuma (Geist) und Anemos (Wind) bei den Griechen, Spiritus und Ventus bei den Lateinern waren austauschbare Begriffe, selbst wenn sie von der ursprünglichen Vorstellung vom Lebensatem getrennt wurden. In den „Kräften“ der Wissenschaft sehen wir lediglich die materielle Auswirkung des spirituellen Einflusses vom einen oder anderen der vier ursprünglichen Elemente, welche uns von der vierten Rasse ebenso vererbt wurden wie wir den Ether (oder vielmehr seine grobe Unterabteilung) in seiner Gänze der sechsten Wurzelrasse vererben werden. Das wird in diesem und im folgenden Band erklärt.

Das „Chaos“ wurde bei den Alten als empfindungslos bezeichnet, weil es (Chaos und Raum waren synonym) sämtliche Elemente in ihrem rudimentären, undifferen­zierten Zustand repräsentierte und sie in sich enthielt. Sie machten Ether, das fünfte Element, zur Synthese der anderen vier; denn der Äther der griechischen Philosophen war nicht gleichbedeutend mit seinem Bodensatz (Ether) – von welchem sie tatsächlich mehr wussten [SD # 343] als die heutige Wissenschaft – der ganz richtig als ein Vermittler angenommen wird für viele der Kräfte, die sich auf der Erde offenbaren. Ihr Äther war der Akasha der Hindus; der von der Physik angenommene Ether ist lediglich einer seiner Unterabteilungen auf unserer Ebene – das Astrallicht der Kabbalisten mit all seinen sowohl üblen als auch nützlichen Wirkungen.

In Anbetracht dessen, dass die Essenz des Äthers oder des unsichtbaren Raums als vermeintlicher Schleier der Gottheit für göttlich erachtet wurde, betrachtete man ihn als das Medium zwischen diesem und dem nächsten Leben. Die Alten nahmen an, dass im Falle des Rückzugs der lenkenden, tätigen „Intelligenzen“ (der Götter) von irgendeinem Teil des Ethers in unserem Raum – einem der vier Bereiche, welchen sie vorstehen – diese besondere Region dem Besitz des Bösen überlassen war, der wegen der Abwesenheit des Guten in dieser Region so bezeichnet wurde.

„Die Anwesenheit des Geistes in dem gemeinsamen Mittler, dem Ether, wird vom Materialismus abgestritten, während die Theologie aus ihm einen persönlichen Gott macht. Der Kabbalist aber behauptet, dass beide im Unrecht sind und sagt, dass im Ether die Elemente lediglich die Materie repräsentieren – die blinden kosmischen Kräfte der Natur; Geist hingegen repräsentiert die sie leitende Intelligenz. Die arischen, hermetischen, orphischen und pythagoreischen kosmogonischen Lehren sowie die von Sanchuniathon und Berossos beruhen allesamt auf einer unwiderlegbaren Formel, nämlich dass Äther und Chaos, oder in der platonischen Ausdrucksweise Geist und Materie, die beiden ursprünglichen und ewigen Prinzipien des Universums seien, gänzlich unabhängig von allem anderen. Ersterer war das alles belebende intellektuelle Prinzip; Chaos hingegen ein formloses, flüssiges Prinzip, ohne ‘Form oder Sinn’, und aus der Vereinigung dieser beiden trat das Universum ins Dasein, oder vielmehr die universale Welt, die erste androgyne Gottheit – die chaotische Materie wurde ihr Körper und Ether ihre Seele. In der Ausdrucksweise eines Fragments von Hermeias lautet es: ‘Das Chaos, aus dieser Vereinigung mit dem Geist den Sinn erlangend, leuchtete in Wonne, und so ward Protogonos hervorgebracht, das (erstgeborene) Licht.’41 Das ist die auf den metaphysischen Vorstellungen der Alten beruhende universale Dreieinigkeit, welche auf der Grundlage der Analogie den Menschen, welcher eine Verbindung von Intellekt und Materie ist, zum Mikrokosmos des Makrokosmos oder des großen Universums machten.“ („Isis entschleiert“)

„Die Natur verabscheut das Vakuum“, sagten die Peripatetiker. Obwohl sie auf ihre eigene Weise Materialisten waren, verstanden sie vielleicht doch, warum Demokrit mit seinem Lehrer Leukippos unterrichtete, dass die ersten Prinzipien aller im Universum enthaltenen Dinge Atome und ein Vakuum waren. Letzteres bedeutet lediglich eine latente Gottheit oder Kraft; sie war vor ihrer ersten Offenbarung, in welcher sie zum Willen wurde – der diesen Atomen den ersten Impuls übermittelte –, das große Nichts, Ain Soph oder Nichtding; und daher in jedem Sinn eine Leere – oder Chaos.

Jenes Chaos wurde indes nach Platon und den Pythagoreern zur „Seele der Welt“. Nach der indischen Lehre durchdringt die Gottheit in der Gestalt des Äthers (Akasha) alle Dinge; daher wurde sie [SD # 344] von den Theurgisten das „lebendige Feuer“, der „Geist des Lichts“ und manchmal Magnes genannt. Nach Platon bildete die höchste Gottheit selbst das Universum in der geometrischen Gestalt des Dodekaeders; und ihr „Erstgeborener“ wurde vom Chaos und dem ursprünglichen Licht (der Zentralsonne) zur Geburt gebracht. Dieser „Erstgeborene“ war indes lediglich das Aggregat der Schar der „Baumeister“, der ersten konstruktiven Kräfte, welche in alten Kosmogonien die Alten genannt werden (aus der Tiefe oder dem Chaos geboren) und der „erste Punkt“. Er ist das sogenannte Tetragrammaton an der Spitze der sieben unteren Sephiroth. Das war der Glaube der Chaldäer. Philo, der Jude, äußert sich ziemlich gedankenlos über die ersten Unterweiser seiner Vorfahren, indem er schreibt: „Diese Chaldäer waren der Ansicht, dass der Kosmos unter den Dingen, die existieren (?), ein einzelner Punkt ist, der entweder Gott (Theos) selbst ist oder in dem Gott ist, die Seele aller Dinge umfassend.“ (Siehe seine Wanderung Abrahams“, § 32)

Chaos-Theos-Kosmos sind lediglich die drei Aspekte ihrer Synthese – des Raums. Man kann niemals hoffen, das Geheimnis dieser Tetraktis aufzulösen, wenn man sich an den toten Buchstaben selbst der alten Philosophien hält, wie sie heute noch vorhanden sind. Aber selbst in diesen werden Chaos-Theos-Kosmos = Raum in alle Ewigkeit als der eine unbekannte Raum identifiziert, über welchen das letzte Wort vielleicht niemals vor unserer siebten Runde bekannt sein wird. Trotzdem sind die Allegorien und metaphysischen Symbole über den ursprünglichen und vollkommenen Würfel bemerkenswert, selbst in den exoterischen Puranas.

Auch dort ist Brahmâ Theos, der sich aus dem Chaos oder der großen „Tiefe“ entwickelt, aus den Wassern, über welchen der Geist = Raum in der ersten Stunde des Wiedererwachens schweigend schwebt, personifiziert durch Ayana – den Geist, welcher sich über der Ebene des künftigen, grenzenlosen Kosmos bewegt. Er ist auch der auf Anantashesha, der großen Schlange der Ewigkeit schlafende Vishnu, aus welchem die westliche Theologie, des einzigen die Geheimnisse der Bibel öffnenden Schlüssels unkundig, nämlich der Kabbala – den Teufel gemacht hat. Er ist auch das erste Dreieck oder die pythagoreische Triade, der „Gott mit den drei Aspekten“, bevor er durch seine vollkommene Quadratur des unendlichen Kreises zum „viergesichtigen Brahmâ“ wird.

„Aus ihm, der ist und doch nicht ist, aus dem Nichtsein, der Ewigen Ursache, wird das Sein – Purusha geboren“, sagt Manu, der Gesetzgeber.

In „Isis entschleiert“ wird gesagt:

„In der ägyptischen Mythologie wird Kneph, der ewig ungeoffenbarte Gott, durch ein Emblem der Schlange der Ewigkeit dargestellt, die eine Wasserurne umschlingt, wobei ihr Kopf über den Wassern schwebt, welche sie mit ihrem Atem bebrütet. In diesem Fall ist die Schlange der Agathodaimon, der gute Geist: In ihrem entgegengesetzten Aspekt ist sie der Kakodaimon – der böse Geist. In den skandinavischen Eddas fällt der Honigtau, die Frucht der Götter und der schöpferischen, fleißigen Yggdrasil (Bienen), während der Nachtstunden, wenn die Atmosphäre mit Feuchtigkeit geschwängert ist; und in den nördlichen Mythologien versinnbildlicht er als das passive Schöpfungsprinzip die [SD # 345] Erschaffung des Universums aus dem Wasser; dieser Tau ist das Astrallicht in einer seiner Kombinationen und besitzt sowohl schöpferische als auch zerstörerische Eigenschaften. In der chaldäischen Legende des Berossos unterrichtet Oannes oder Dagon, der Fischmann, das Volk und zeigt, dass die kindliche Welt aus dem Wasser erschaffen wurde und dass alle Dinge aus dieser Prima Materia entspringen. Moses lehrt, dass eine lebendige Seele lediglich von Erde und Wasser ins Dasein gebracht werden kann: Und wir lesen in den Schriften, dass die Kräuter nicht wachsen konnten, ehe es nicht der Ewige regnen ließ auf Erden. Im mexikanischen Popol Vuh wird der Mensch aus Schlamm oder Lehm (terre glaise) geschaffen, der unter dem Wasser entnommen wurde. Brahmâ erschafft auf seinem Lotus sitzend den großen Muni (oder den ersten Menschen), jedoch erst nachdem er Geister ins Dasein gerufen hat, die sich somit einer früheren Existenz erfreuen als die Sterblichen, und er erschafft ihn aus Wasser, Luft und Erde. Die Alchemisten behaupten, dass auf ihre erste Substanz zurückgeführte ursprüngliche oder voradamische Erde in ihrem zweiten Umwandlungszustand wie klares Wasser sei, während der erste der eigentliche Alkahest ist. Es heißt, dass diese ursprüngliche Substanz in sich die Essenz von allem enthält, was den Menschen aufbauen wird; sie enthält nicht nur alle Elemente seines körperlichen Wesens, sondern auch den ‘Lebensatem’ in einem latenten Zustand, bereit, erweckt zu werden. Dieser rührt vom ‘Brüten’ des ‘Geistes Gottes’ über den Wassern her – dem Chaos: Tatsächlich ist diese Substanz das Chaos selbst. Paracelsus behauptete, aus ihr seine ‘Homunkuli’ machen zu können; und aus diesem Grund behauptete Thales, der große Naturphilosoph, dass das Wasser das Prinzip aller Dinge in der Natur sei.42 . . . Hiob sagt in Kapitel 26,5: ‘Unter den Wassern und ihren Bewohnern werden tote Dinge geformt.’ Im ursprünglichen Text steht an Stelle der ‘Toten’ tote Raphaim (Riesen oder mächtige Urmenschen), von denen die ‘Evolution’ eines Tages unsere gegenwärtige Rasse herleiten mag.“

„Im Ursprungszustand der Schöpfung“, sagt Poliers Mythologie des Indous“, „ruhte das noch anfängliche Universum, im Wasser versunken, im Schoß Vishnus. Aus diesem Chaos und dieser Dunkelheit entsprungen, schwamm (bewegte sich) Brahmâ, der Erbauer der Welt, auf einem Lotosblatt balancierend über den Wassern, außerstande, irgendetwas anderes als Wasser und Dunkelheit wahrzunehmen“. Bestürzt, diesen traurigen Zustand der Dinge wahrnehmend, führt Brahmâ folgendes Selbstgespräch: „Wer bin ich? Woher kam ich?“ Dann hört er eine Stimme.43 „Richte Dein Denken auf Bhagavat.“ Sich aus seinem schwimmenden Zustand erhebend, nimmt Brahmâ in kontemplativer Haltung auf dem Lotus Platz und beginnt, über das Ewige zu reflektieren, welches, erfreut über diesen Beweis seiner Frömmigkeit, die ursprüngliche Finsternis zerstreut und seine Verständnisfähigkeit aktiviert. „Danach tritt Brahmâ als Licht aus dem Universalen Ei (dem unendlichen Chaos) hervor, denn seine Fähigkeit zu verstehen ist jetzt aktiv, und er setzt sich selbst in Tätigkeit: Mit dem Geist Gottes in sich selbst bewegt er sich auf den ewigen Wassern; und in seiner Eigenschaft als Beweger der Wasser ist er Vishnu oder Narayana.“ Das ist [SD # 346] natürlich exoterisch, aber die Grundidee stimmt so genau wie möglich mit der ägyptischen Kosmogonie überein, welche in ihren Anfangssätzen Athtor44 oder Mutter Nacht (die Darstellung der unbegrenzbaren Finsternis) als das Ursprüngliche Element nennt, welches den durch Wasser belebten, unendlichen Abgrund sowie den universalen Geist des Ewigen überdeckt, der allein im Chaos wohnt. Auf ähnliche Weise beginnt in den jüdischen Schriften die Geschichte der Schöpfung mit dem Geist Gottes und seiner schöpferischen Emanation – einer weiteren Gottheit.45

Der „Zohar“ lehrt, dass die ursprünglichen Elemente – die Trinität aus Feuer, Luft und Wasser –, die vier Himmelsrichtungen sowie alle Kräfte der Natur zusammen genommen die Stimme des Willens Memrab bilden oder das „Wort“, den Logos des absolut stillen Alls. „Der unteilbare Punkt, grenzenlos und unerkennbar“, breitet sich durch den unendlichen Raum aus und bildet so einen Schleier (die Mulaprakriti des Parabrahman), welcher diesen absoluten Punkt verhüllt (siehe weiter unten).

In den Kosmogonien aller Nationen sind es die im Demiurgen (in der Bibel die „Elohim“) synthetisierten „Architekten“, welche den Kosmos aus dem Chaos formen und die der kollektive Theos sind, „männlich-weiblich“, Geist und Materie. „Mit einer Reihe (yom) von Gründungen (hasoth) riefen die Elohim Erde und Himmel ins Dasein“ (Gen 2,4). In der Bibel sind es zunächst Elohim, dann Jahwe-Elohim und schließlich Jehovah – nach der Trennung der Geschlechter im vierten Kapitel der Genesis. Es ist bemerkenswert, dass nirgends, ausgenommen in den späteren oder vielmehr in den letzten Kosmogonien unserer fünften Rasse, der unaussprechliche und unbeschreibliche Name46 – das Symbol der unbekannten Gottheit, das nur in den Mysterien verwendet wurde – in Zusammenhang mit der „Schöpfung“ des Universums benutzt wird. Die „Beweger“, die „Läufer“, die Theoi (von θέειν „laufen“) vollbringen das Werk der Bildung, die „Boten“ des manvantarischen Gesetzes, die jetzt im Christentum zu den „Boten“ (Malachim) geworden sind; und das scheint auch für den Hinduismus oder den frühzeitigen Brahmanismus zu gelten. Denn im „Rigveda“ ist nicht Brahmâ der Schöpfer, sondern es sind die Prajapatis, die „Herren des Seins“, welche die Rishis sind; der Begriff Rishi ist (nach Professor Mahadeo Kunte) verbunden mit den Worten bewegen und anführen, in ihrem irdischen Charakter auf sie angewendet, wenn sie als Patriarchen ihre Scharen zu den sieben Flüssen hinführen.

Im Singular kam das Wort „Gott“, das sämtliche Götter – oder Theos von Theoi – umfasst, übrigens aus einer sonderbaren Quelle zu den „höherstehenden“, zivilisierten Nationen, die ebenso vollständig und überragend phallisch ist wie der [SD # 347] ernsthafte, offen ausgesprochene Lingam Indiens. Der Versuch, das Wort Gott vom angelsächsischen Synonym „gut“ abzuleiten, wurde als Idee verworfen, denn in keiner anderen Sprache, in der der Ausdruck mehr oder weniger variiert, von den persischen Khoda bis zum lateinischen Deus, hat sich ein Beispiel dafür gefunden, dass Gottes Name von dem Attribut der Güte abgeleitet sein könnte. Zu den lateinischen Rassen kam der Begriff vom arischen Dyaus (der Tag); zu den slawischen vom griechischen Bacchus (Bagh-bog); und zu den germanischen Rassen unmittelbar aus dem hebräischen Yodh oder Jod. Das Letztere, י , ist der Zahlbuchstabe 10, männlich und weiblich, und Yod ist der phallische Haken: daher das altsächsische Godh, das germanische Gott und das englische God. Dieser symbolische Ausdruck kann als Darstellung des Schöpfers der physischen „Menschheit“ auf der irdischen Ebene angesehen werden; aber mit der Bildung oder der „Erschaffung“ des Geistes, der Götter oder des Kosmos hat er ganz bestimmt nichts zu tun!

Chaos-Theos-Kosmos, die dreifache Gottheit, ist alles in allem. Daher wird es als männlich und weiblich, gut und böse, positiv und negativ bezeichnet: mit der ganzen Reihe gegensätzlicher Eigenschaften. Wenn es latent ist (in Pralaya), so ist es unbegreiflich und wird zur Unerkennbaren Gottheit. Es kann nur in seinen aktiven Wirkungen erkannt werden; somit als Materie-Kraft und lebendiger Geist, als die Wechselbeziehungen und die Folge oder der Ausdruck auf der sichtbaren Ebene der letzten und für alle Ewigkeit unbekannten Einheit.

Diese dreifache Einheit bringt ihrerseits die vier ursprünglichen „Elemente“47 hervor, welche in unserer sichtbaren, irdischen Natur als die sieben (bis jetzt die fünf) Elemente bekannt sind, von welchen jedes einzelne in neunundvierzig (oder sieben mal sieben) Unterelemente teilbar ist; mit ungefähr siebzig dieser Elemente ist die Chemie vertraut. Jedes kosmische Element, wie Feuer, Luft, Wasser und Erde, teilt die Eigenschaften und Makel seiner Urkräfte und ist seiner Natur entsprechend Gut und Böse, Kraft (oder Geist) und Materie etc. etc.; und jedes ist daher gleichzeitig Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Wirkung und Gegenwirkung (siehe § xiv, „Die vier Elemente“). Unter dem niemals aufhörenden Impuls des Einen Elements (des Unerkennbaren), das in der Welt der Erscheinungen durch den Äther oder „die unsterblichen Götter, welche allem Geburt und Leben geben“ repräsentiert wird, formen sie immer und fortwährend die Materie.

In „den philosophischen Schriften Salomon ben Jehuda ibn Gabirols (übersetzt in Isaac Myers „Qabbalah“, eben veröffentlicht) heißt es über die Struktur des Universums: „R. Jehuda begann, so steht es geschrieben: ‘Elohim sagten: Es werde eine Feste zwischen den Wassern.’ Komm und siehe, zu der Zeit, dass der Heilige. . . . die Welt erschuf, [SD # 348] schuf Er 7 Himmel oben, 7 Erden unten, 7 Meere, 7 Tage, 7 Flüsse, 7 Wochen, 7 Jahre, 7 Zeiten, und 7.000 Jahre, die die Welt gewesen ist. Der Heilige ist das Siebte von allem.“ etc. (S. 415)

Das zeigt auch eine seltsame Übereinstimmung mit der Kosmogonie der Puranas (z. B. Vishnu-Purana“, 1. Buch). Es bestätigt alle unsere Lehren in Bezug auf die Zahl Sieben, wie sie im „Esoterischen Buddhismus“ kurz angedeutet sind.

Die Hindus besitzen zum Ausdruck dieser Idee eine endlose Reihe von Allegorien. Im ursprünglichen Chaos, bevor es sich zu den sieben Ozeanen (Sapta Samudra) entwickelt hatte, sind sowohl Amrita (Unsterblichkeit) als auch Visha (Gift, Tod, Übel) latent vorhanden; die sieben Ozeane stellen emblematisch die sieben Gunas (oder bedingten Qualitäten) dar, welche aus den Trigunas (Sattva, Rajas und Tamas, siehe Puranas) zusammengesetzt sind. Diese Allegorie findet sich auch im „Buttern des Ozeans“ der Götter. Amrita steht über allen Gunas, denn es ist per se unbedingt; sobald es jedoch in die phänomenale Schöpfung fällt, wird es vermischt mit Übel, Chaos, den latenten Theos in sich tragend, bevor der Kosmos evolviert wurde. Daher finden wir Vishnu – hier das ewige Gesetz repräsentierend –, wie er periodisch den Kosmos zur Tätigkeit aufruft oder „aus dem ursprünglichen Ozean (dem grenzenlosen Chaos) das Amrita der Ewigkeit herstellt“, welches ausschließlich den Göttern und Devas vorbehalten ist; und zu diesem Zweck muss er sich der Nagas und Asuras – oder im esoterischen Hinduismus der Dämonen – bedienen. Die ganze Allegorie ist hoch philosophisch, und wir finden sie in jedem philosophischen System wieder. So finden wir sie bei Platon, der die von Pythagoras aus Indien mitgebrachten Ideen voll erfasste, sie zusammenstellte und in einer Form veröffentlichte, die verständlicher war als die der ursprünglichen, geheimnisvollen Zahlen des griechischen Weisen. So ist bei Platon der Kosmos „der Sohn“, dessen Vater und Mutter der Göttliche Gedanke und die Materie sind.48

„Die Ägypter“, sagt Dunlap,49 „unterscheiden zwischen einem älteren und einem jüngeren Horus; Ersterer ist der Bruder von Osiris, Letzterer der Sohn von Osiris und Isis.“ Der Erste ist die im demiurgischen Gemüt verweilende Idee der Welt, „vor der Erschaffung der Welt in Dunkelheit geboren“. Der zweite Horus ist die aus dem Logos hervorgehende „Idee“, welche mit Materie bekleidet wird und tatsächlich in Existenz tritt.50

Die Chaldäischen Orakel sprechen von „dem ewigen, grenzenlosen, jungen und alten Weltengott mit einer gewundenen Form“.51

Diese „gewundene Form“ ist ein Bild für die schwingende Bewegung des Astrallichts, mit welchem die alten Priester vollkommen vertraut waren, wenn die Bezeichnung auch erst von den Martinisten festgelegt wurde.

Die moderne Wissenschaft zeigt verachtungsvoll mit dem Finger auf den Aberglauben der Kosmolatrie. Die Wissenschaft sollte jedoch, bevor sie darüber lacht, nach dem Rat eines französischen [SD # 349] Gelehrten „ihr eigenes System kosmo-pneumatologischer Erziehung gänzlich umgestalten“. Satis eloquentiae, sapientiae parum! Die Kosmolatrie kann, dem Pantheismus gleich, in ihrem letzten Ausdruck mit denselben Worten beschrieben werden wie Vishnu . . . . „Er ist lediglich die ideale Ursache der Potenzen, die in dem Schöpfungswerk erschaffen werden sollen. Und aus ihm gehen die zu schaffenden Potenzen hervor, nachdem sie zur realen Ursache geworden sind. Neben dieser einen idealen Ursache existiert keine andere, auf welche die Welt bezogen werden könnte. . . . . Kraft dieser Ursache tritt jedes erschaffene Ding entsprechend seiner eigenen Natur ins Dasein (original Sanskrit-Texte, Teil iv, Seiten 32-33).

 

 

§ V
Über die verborgene Gottheit,
ihre Symbole und Glyphen

Der Logos oder die schöpferische Gottheit, das „fleischgewordene Wort“ einer jeden Religion soll jetzt bis zu seiner letzten Quelle und Wesenheit zurückverfolgt werden. In Indien ist er ein Proteus mit 1.008 göttlichen Namen und Aspekten in allen seinen persönlichen Verwandlungen, von Brahmâ-Purusha über die sieben göttlichen Rishis und zehn halb-göttlichen Prajapatis (ebenfalls Rishis) bis hinab zu den göttlich-menschlichen Avataren. Dasselbe verwirrende Problem des „Einen in den Vielen“ und der Vielheit im Einen findet sich in anderen Pantheons, im ägyptischen, im griechischen und im chaldäisch-jüdischen, wobei Letzteres die Verwirrung noch vollkommener machte, indem es seine Götter euhemeristisch in Gestalt von Patriarchen darstellte. Und diese Patriarchen werden jetzt von jenen akzeptiert und als lebende und historische Wesen dargestellt, die Romulus als einen Mythos ablehnen. Verbum satis sapienti.

Im „Zohar“ ist Ain Soph ebenfalls das Eine, die unendliche Einheit. Das war den sehr wenigen gelehrten Kirchenvätern bekannt, die sich darüber bewusst waren, dass Jehovah keinen „höchsten“ Gott darstellte, sondern eine Kraft dritten Ranges. Sich bitter über die Gnostiker beklagend, sagte Irenäus: „. . . unsere Häretiker behaupten . . . Propator sei lediglich dem Eingeborenen Sohn52 (der unter anderem Brahmâ ist) bekannt, das heißt der Vernunft.“ (Nous) Irenäus erwähnte aber nie, dass die Juden in ihren echten geheimen Büchern dasselbe taten. Valentinus, „der profundeste Doktor der Gnosis“, behauptete, „es gebe einen vollkommenen Aion, der vor Bythos oder Buthon existierte (der erste Vater der unergründlichen Natur, welche den zweiten Logos darstellt), und er wurde Propator genannt“. Dieser Aion ist es, der als ein Strahl aus Ain Soph entspringt (das nicht erschafft), und dieser Aion ist es, der erschafft, oder durch den vielmehr alles erschaffen wird oder evolviert. [SD # 350] Denn wie die Basilidianer lehrten, „gab es einen höchsten Gott, Abraxax, von welchem das Gemüt (im Sanskrit Mahat, im Griechischen Nous) erschaffen wurde.“ „Aus dem Gemüt ging hervor das Wort, Logos; und aus dem Wort die Vorsehung (vielmehr das Göttliche Licht), daraus sodann Tugend und Weisheit in Fürstentümern, Kräften, Engeln etc. etc.“ Von diesen (Engeln) wurden die 365 Äonen erschaffen. „Unter die niedrigsten, fürwahr, und jenen, die diese Welt erschaffen hatten, setzt er (Basilides) den Gott der Juden an die letzte Stelle von allen und bestreitet, dass dieser Gott sei (und das zu Recht), hingegen beteuert er, dass der Gott der Juden einer der Engel sei.“ (Ibid.) Hier nun finden wir dasselbe System wie in den Puranas, in welchen das Unbegreifliche einen Samen ausstreut, der zum Goldenen Ei wird, aus dem Brahmâ hervorgeht. Brahmâ erzeugt Mahat etc. etc. Die wahre Esoterische Philosophie spricht jedoch weder von „Schöpfung“ noch von „Entwicklung“ im Sinn der exoterischen Religionen. Alle diese personifizierten Kräfte stellen nicht Entwicklungen des einen aus dem anderen dar, sondern die vielfältigen Aspekte der einen und einzigen Offenbarung des Absoluten Alls. Das im Gnostischen herrschende System regiert auch in den sephirothischen Aspekten des Ain Soph, und da diese Aspekte in Zeit und Raum existieren, wird bei der Reihenfolge ihrer aufeinanderfolgenden Erscheinungen eine gewisse Ordnung eingehalten. Es ist daher unmöglich, die großen Veränderungen unbeachtet zu lassen, welche Generationen christlicher Mystiker dem „Zohar“ zufügten. Denn selbst in der Metaphysik des Talmuds konnte das „niedere Gesicht“ (oder das „Kleinere Antlitz“), der Mikroprosopus, niemals auf eine Ebene gestellt werden mit demselben abstrakten Ideal des höheren oder „Größeren Antlitz“, des Makroprosopus. Letzterer ist in der chaldäischen Kabbala eine reine Abstraktion; das Wort oder der Logos, oder Dabar (im Hebräischen), dessen Wort, obwohl es tatsächlich zu einer Mehrzahl oder „Worten“ wird – D(a)B(a)Rim, wenn es sich selbst reflektiert oder in den Aspekt einer Schar (von Engeln oder Sephiroth, „Zahlen“) fällt, doch kollektiv Eins ist und auf der idealen Ebene eine Null – 0, ein „Nicht-Ding“. Es ist ohne Form oder Dasein, „ohne jegliche Ähnlichkeit mit etwas anderem“ (Franck, „Die Kabbala“, S. 126). Und selbst Philo nennt den Schöpfer den Logos, der Gott am nächsten steht, „den Zweiten Gott“ und „den zweiten Gott, der seine (des höchsten Gottes) Weisheit ist“ (Philo, „Quaest. et Solut“). Gottheit ist nicht Gott. Sie ist Nichts und Dunkelheit. Sie ist namenlos und wird daher Ain Soph genannt, wobei „das Wort Ayin Nichts bedeutet“. Siehe Franck, „Die Kabbala“, S. 153. Siehe auch Abschnitt xii, „Die Theogonie der schöpferischen Götter“. Der „Höchste Gott“ (der unmanifestierte Logos) ist sein Sohn.

Die meisten der uns von den Kirchenvätern verstümmelt überlieferten gnostischen Systeme sind kein bisschen besser als die entstellten Hülsen der ursprünglichen Spekulationen. Auch waren sie für das Publikum oder den Leser niemals offen zugänglich; d. h. wäre ihre verborgene Bedeutung oder Esoterik enthüllt worden, hätte es sich nicht mehr um eine esoterische Lehre gehandelt, und das durfte niemals geschehen. Lediglich Markus (das Haupt der Markosianer, zweites Jahrhundert), der lehrte, [SD # 351] dass die Gottheit unter dem Symbol von vier Silben betrachtet werden müsse, veröffentlichte mehr esoterische Wahrheiten als alle anderen Gnostiker. Aber selbst er wurde niemals richtig verstanden. Denn lediglich an der Oberfläche und dem toten Buchstaben seiner Offenbarung nach scheint es, dass Gott eine Vierheit ist, und zwar „der Unaussprechliche, das Schweigen, der Vater und die Wahrheit“ ­–, was tatsächlich ziemlich fehlerhaft ist und lediglich ein neues esoterisches Rätsel aufgibt. Diese Lehre von Markus war auch die der ersten Kabbalisten und entspricht unserer. Denn er macht aus der Gottheit die Zahl 30, in 4 Silben, was esoterisch übersetzt eine Dreiheit oder ein Dreieck und eine Vierheit oder ein Quadrat bedeutet, das ergibt zusammen sieben, was auf der niederen Ebene die sieben göttlichen oder geheimen Buchstaben ausmacht, aus welchen der Name Gottes zusammengesetzt ist. Das erfordert eine Erläuterung. In seiner „Offenbarung“ spricht Markus von göttlichen Geheimnissen, die mithilfe von Buchstaben und Zahlen ausgedrückt werden. Er erzählt, wie sich aus der Region, die weder gesehen noch benannt werden kann, die „höchste Tetrade in einer weiblichen Form zu mir (ihm) herabsenkte, weil die Welt unfähig gewesen war, ihr Erscheinen in einer männlichen Form zu ertragen“ und ihm „die Erschaffung des Universums enthüllte, die zuvor weder den Göttern noch den Menschen mitgeteilt worden war“.

Bereits der erste Satz ist doppeldeutig. Warum sollte eine weibliche Figur von der Welt leichter ertragen oder angehört werden als eine männliche Figur? Oberflächlich betrachtet erscheint das unsinnig. Aber für jemanden, der mit der Mysteriensprache vertraut ist, ist es doch ganz einfach und klar. Die Esoterische Philosophie oder die geheime Weisheit wurde mit einer weiblichen Form symbolisiert, während die männliche Figur für das enthüllte Geheimnis stand. Daher die Formulierung, dass die Welt, die nicht dafür vorbereitet war, das enthüllte Geheimnis zu empfangen, es nicht ertragen konnte, und die Offenbarung des Markus musste allegorisch gegeben werden. So schreibt er:

„Als das Unbegreifliche, das Daseins- und Geschlechtlose (der kabbalistische Ain Soph) anfangs in den Wehen lag (d. h. als die Stunde schlug, in welcher Es sich selbst manifestierte) und wünschte, dass Sein Unaussprechlicher (der erste Logos oder Äon oder Aion) geboren und sein Unsichtbarer mit Form bekleidet werde, öffnete sich sein Mund und sprach das Wort von seinem Wort. Dieses Wort (Logos) manifestierte sich selbst in Form des Unsichtbaren. Das Aussprechen des (unaussprechlichen) Namens (durch das Wort) geschah nun auf folgende Weise. Er (der Höchste Logos) sprach das erste Wort seines Namens, welches eine Silbe mit vier Buchstaben ist. Dann wurde die zweite Silbe hinzugefügt, ebenfalls mit vier Buchstaben. Dann die dritte, aus zehn Buchstaben zusammengesetzt, und darauf wurde die vierte ausgesprochen, die zwölf Buchstaben enthält. Der ganze Name besteht somit aus dreißig Buchstaben und aus vier Silben. Jeder Buchstabe hat seine eigene Betonung und Schreibweise, aber keiner versteht oder schaut die Form des ganzen Namens – nein; noch nicht einmal die Macht des Buchstabens, der Ihm selbst am nächsten ist (dem Daseinslosen und dem Unbegreiflichen).53 Miteinander vereinigt stellen die Klänge dieser Silben das kollektive Daseinslose dar, das [SD # 352] ungezeugte Äon, und diese sind die beständig das Angesicht des Vaters schauenden Engel54 (der Logos, der „zweite Gott“, der nach Philo Gott, dem „Unbegreiflichen“, am nächsten ist).

Das ist so klar, wie es die alte esoterische Geheimhaltung nur machen konnte. Es ist zwar weniger verhüllt, aber dennoch ebenso kabbalistisch wie der „Zohar“, in dem die mystischen Namen oder Attribute ebenfalls viersilbige, zwölf-, zweiundvierzig- und sogar zweiundsiebzigsilbige Worte sind! Die Vierheit zeigt Markus die Wahrheit in Gestalt eines nackten Weibes und beschriftet jedes Glied dieser Figur mit Buchstaben. Sie nennt ihr Haupt Ω, ihren Hals Ψ, Schultern und Hände Γ und Χ etc. etc. In dieser Sephirah ist leicht wiederzuerkennen: die Krone (Kether) oder das Haupt trägt die Zahl eins; das Gehirn oder Chochmah 2; das Herz oder die Intelligenz (Binah) 3; und die übrigen sieben Sephiroth repräsentieren die Glieder des Körpers. Der sephirothische Baum ist das Universum, und das wird im Westen von Adam Kadmon repräsentiert und in Indien von Brahmâ.

Überall werden die 10 Sephiroth in einer Einteilung in die höhere Dreiheit oder die spirituelle Triade und die niedere Siebenheit dargestellt. Die wahre esoterische Bedeutung der heiligen Zahl Sieben wird im „Zohar“ zwar geschickt verhüllt, aber durch die doppelte Schreibweise des Wortes „im Anbeginn“, oder Be-resheeth, und Be-raishath, dennoch verraten, denn das Letztere bedeutet „höhere oder obere Weisheit“. Wie von MacGregor Mathers in seiner „The Kabbalah Unveiled“ (­S. 46-7) und in der „Qabbalah“ von I. Myer (S. 232-3) gezeigt wird – und diese Kabbalisten werden beide von den besten alten Autoritäten unterstützt – haben diese Worte eine doppelte und geheime Bedeutung. B´raisheeth barah elohim bedeutet, dass die sechs, über welchen der siebte Sephiroth steht, der niederen materiellen Klasse angehören, oder, wie der Verfasser sagt: „Sieben . . . . bezieht sich auf die niedere Schöpfung und Drei auf den spirituellen Menschen, den Himmlischen Prototypen oder den ersten Adam.“

Wenn Theosophen und Okkultisten sagen, dass Gott kein Wesen ist, weil Es nichts ist, Nicht-Ding, so sind sie gegenüber der Gottheit ehrfurchtsvoller, religiöser und ehrerbietiger als jene, die Gott mit Er benennen, und so aus Ihm einen riesigen Mann machen.

Wer die Kabbala studiert, wird bald dieselbe Idee im letzten Gedanken ihrer Verfasser finden, der früheren und großen hebräischen Initiierten, die diese geheime Weisheit in Babylonien von den chaldäischen Hierophanten empfingen, während Moses sie in Ägypten erhielt. Nach seinen Übersetzungen ins Lateinische und andere Sprachen kann der „Zohar“ kaum beurteilt werden, da seine gesamten Vorstellungen natürlich verflacht und an die Ansichten und die Politik seiner christlichen Bearbeiter angepasst wurden; denn in Wahrheit entsprechen seine Ideen denjenigen aller anderen religiösen Systeme. Die verschiedenen Kosmogonien zeigen, dass die archaische Universalseele von allen Nationen als das „Gemüt“ des demiurgischen Schöpfers betrachtet wurde; und dass es bei den Gnostikern [SD # 353] die „Mutter“, Sophia (oder die weibliche Weisheit) genannt wurde, bei den Juden Sephirah und bei den Hindus Sarasvati oder Vach, und auch der Heilige Geist ist ein weibliches Prinzip.

Somit war der aus ihm geborene Kyrios oder Logos der Griechen „Gott, Verstand“ (Nous). „Nun bedeutet Koros (Kyrios) die reine und unvermischte Natur von Intellekt-Weisheit“, sagt Platon im „Kratylos“; und Kyrios ist Merkur, die Göttliche Weisheit, und „Merkur ist Sol“ (die Sonne) („Arnobius“ vi, xii), von welcher Thot-Hermes diese Göttliche Weisheit empfing. Währenddessen stehen nun die Logoi aller Länder und Religionen (in ihren geschlechtsspezifischen Aspekten) mit der weiblichen Seele der Welt oder der „Großen Tiefe“ in Wechselbeziehungen; die Gottheit, welcher diese Zwei in Einem ihr Dasein verdanken, ist für immer verhüllt und wird die „Verborgene“ genannt, und sie steht mit der Schöpfung55 nur indirekt in Verbindung, da sie lediglich durch die aus der ewigen Wesenheit ausstrahlende zweifache Kraft wirken kann. Selbst Äskulap, der „Heiland aller“ genannt, ist nach den alten klassischen Schriftstellern wesensgleich mit dem Ptah, dem schöpferischen Intellekt (oder der Göttlichen Weisheit) der Ägypter, und mit Apollo, Baal, Adonis und Herkules (siehe Dunlaps „Sod, The Mysteries of Adoni“, S. 93 ff.); und Ptah ist in einem seiner Aspekte die „Anima Mundi“, Platons Universalseele, der „Göttliche Geist“ der Ägypter, der „Heilige Geist“ der ersten Christen und Gnostiker, das Akasha der Hindus und in seinem niederen Aspekt sogar das Astrallicht. Denn Ptah war ursprünglich der „Totengott“, in dessen Schoß sie aufgenommen wurden, daher der Limbus der griechischen Christen oder das Astrallicht. Erst viel später wurde Ptah unter die Sonnengötter eingeordnet, und sein Name bedeutet „der, der eröffnet“, und so wird er dargestellt, wie er als Erster das Antlitz der toten Mumie entschleiert, um die Seele zum Leben in seinem Innern aufzurufen (siehe Masperos „Guide du Visiteur au Musée de Boulaq“). Kneph, der ewig Ungeoffenbarte, wird mit dem Symbol der Schlange der Ewigkeit dargestellt, welche eine Wasserurne umschlingt, wobei ihr Haupt über den „Wassern“ schwebt, welches sie mit ihrem Atem ausbrütet – eine andere Form ein und derselben Vorstellung von der „Finsternis“, deren Strahl sich auf den Wassern bewegt etc. Als die „Logos-Seele“ heißt diese Permutation Ptah; als der Logos-Schöpfer wird er Imhot-pou, sein Sohn, der „Gott mit dem schönen Gesicht“. In ihren ursprünglichen Charakteren waren diese beiden die erste kosmische Duade, Nut, „Raum oder Himmel“, und Nun, die „ursprünglichen Wasser“, die androgyne Einheit, über welche Knephs verborgener Atem strich. Und jedem von ihnen waren heilige Wassertiere oder -pflanzen zugeordnet, der Ibis, der Schwan, die Gans, das Krokodil und der Lotus.

Kehren wir zu der Gottheit der Kabbala zurück, so ist diese verborgene Einheit ףזםויא = τό πάν = ἄπειρος das Endlose, Grenzenlose, Nichtexistierende דיא, [SD # 354] solange sich das Absolute in Oulom56 befand, der schranken- und grenzenlosen Zeit. Als solches kann Ain Soph weder Schöpfer noch Gestalter des Universums sein, noch Aur (das Licht). Daher ist auch Ain Soph die Finsternis. Das unveränderlich Unendliche und das absolut Schrankenlose kann weder wollen, denken, noch handeln. Um das zu tun, muss es endlich werden, und dies erreicht es durch seinen Strahl, der in das Weltenei – den unendlichen Raum – eindringt und aus ihm als endlicher Gott emaniert. Dies alles ist dem in dem Einen verborgenen Strahl überlassen. Wenn der Zeitpunkt kommt, entfaltet der absolute Wille dem Gesetz entsprechend naturgemäß die Kraft in sich, dessen innere und letzte Wesenheit er ist. Die Hebräer nahmen nicht das Ei als Symbol, sondern ersetzten es mit den „doppelten Himmeln“, denn der Satz „Gott schuf die Himmel und die Erde“ würde richtig lauten: „In und aus seiner eigenen Wesenheit als Mutterschoß (dem Weltenei) schuf Gott die zwei Himmel.“ Die Christen jedoch haben die Taube als Symbol ihres Heiligen Geistes gewählt.

Wer immer sich mit דה, dem Merkabah und mit Lagasch (geheime Sprache oder Anrufung) vertraut macht, wird das Geheimnis der Geheimnisse lernen.“ Lagasch ist nahezu gleichbedeutend mit Vach, der verborgenen Kraft der Mantras.

Sobald die aktive Periode angebrochen ist, tritt Sephirah aus dem Inneren der ewigen Wesenheit Ain Sophs hervor, die tätige Kraft, die als der ursprüngliche Punkt und die Krone, Kether, bezeichnet wird. Nur durch sie kann die „un-begrenzte Weisheit“ dem abstrakten Gedanken eine konkrete Form geben. Zwei Seiten des oberen Dreiecks, durch das die unaussprechliche Wesenheit und das Universum – ihr manifestierter Körper – symbolisiert werden, die rechte Seite und die Grundlinie bestehen aus durchgezogenen Linien; die dritte, die linke Seite, ist punktiert. Durch Letztere erhebt sich Sephirah. Sich in allen Richtungen ausbreitend, umfasst sie schließlich das gesamte Dreieck. In dieser Emanation wird die dreifache Dreiheit geformt. Aus dem von der höheren Uni-Triade, dem „Haupt“, herabfallenden unsichtbaren Tau (so bleiben lediglich 7 Sephiroth) erschafft Sephirah die ursprünglichen Wasser, d. h. das Chaos nimmt Gestalt an. Es ist der erste Schritt in Richtung zur Verfestigung des Geistes, der durch verschiedene Modifikationen die Erde hervorbringen wird. „Erde und Wasser sind erforderlich, um eine lebendige Seele zu erschaffen“, sagt Moses. Es erfordert das Bild eines Wasservogels, um sie mit dem Wasser zu verbinden, dem weiblichen Element der Fortpflanzung mit dem Ei und dem Vogel, der es befruchtet.

Wenn sich Sephirah aus dem Innern der verborgenen Gottheit als aktive Kraft erhebt, ist sie weiblich; wenn sie das Amt eines Schöpfers übernimmt, wird sie männlich, daher ist sie androgyn. Sie ist „Vater und [SD # 355] Mutter Aditi“ der indischen Kosmogonie und der Geheimlehre. Wären die ältesten hebräischen Rollen erhalten geblieben, hätten die modernen Verehrer Johovahs festgestellt, wie zahlreich und ungebührlich die Symbole des schöpferischen Gottes waren. Der Frosch im Mond, sinnbildlich wegen seines Fortpflanzungscharakters, war das Häufigste. Sämtliche jetzt in der Bibel als „unrein“ bezeichneten Vögel und Tiere waren in den Tagen des Altertums Symbole dieser Gottheit. Weil sie so heilig waren, wurde ihnen die Maske der Unreinheit vorgebunden, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Die eherne Schlange war in keiner Weise poetischer als die Gans oder der Schwan, wenn Symbole à la lettre aufgefasst werden sollen.

Mit den Worten des Zohars: „Der unteilbare Punkt, der grenzenlos ist und wegen seiner Reinheit und seines Glanzes nicht begriffen werden kann, dehnte sich von außen aus und bildete einen Glanz, der ihm als Schleier diente.“ Aber auch Letzterer „konnte infolge seines unermesslichen Lichts nicht gesehen werden. Auch er dehnte sich von außen aus, und diese Ausdehnung war sein Gewand. So entstand durch beständiges Emporheben (Bewegung) schließlich die Welt.“ („Zohar“, I, 20a) Die vom unendlichen Licht ausgesandte spirituelle Substanz ist die erste Sephirah oder Shekinah: Sephirah enthält exoterisch alle anderen neun Sephiroth in sich. Esoterisch enthält sie nur zwei, Chochmah oder Weisheit, „eine männliche, aktive Kraft, deren göttlicher Name Jah (ה י) ist“, und Binah, eine weibliche, passive Potenz. Diese wird durch den göttlichen Namen Jehovah (ה ו ה י) repräsentiert; diese beiden Kräfte formen zusammen mit Sephirah als dritter die jüdische Dreieinigkeit oder die Krone, Kether. Diese beiden Sephiroth mit den Namen Abba, Vater, und Amona, Mutter, sind die Duade oder der zweigeschlechtliche Logos, aus welchem die anderen sieben Sephiroth hervorgingen (siehe „Zohar“). So entspricht die erste jüdische Triade (Sephirah, Chochmah und Binah) der indischen Trimurti.57 Trotz aller Verhüllung, selbst im „Zohar“, und einer noch größeren im exoterischen Pantheon Indiens wiederholt sich jede Einzelheit in Verbindung mit dem einen auch im anderen. Die Prajapati sind die Sephiroth. Mit Brahmâ zusammen zehn an der Zahl, vermindern sie sich auf sieben, sobald die Trimurti oder die kabbalistische Triade von den Übrigen getrennt wird. Die sieben Bauleute (Schöpfer) werden zu den sieben Prajapati oder zu den sieben Rishis in derselben Reihenfolge, wie die Sephiroth zu den Schöpfern und anschließend zu den Patriarchen etc. werden. In beiden geheimen Systemen ist die eine universale Wesenheit unerfassbar und in ihrer Absolutheit inaktiv und kann mit dem Aufbau des Universums nur mittelbar in Zusammenhang gebracht werden. In beiden repräsentieren das ursprüngliche Männlich-Weibliche oder androgyne Prinzip und seine zehn und sieben Emanationen (Brahmâ-Viraj und Aditi-Vach auf der einen Seite und die Elohim-Jehovah oder Adam-Adami (Adam Kadmon) und Sephirah Eva auf der [SD # 356] anderen) mit ihren Prajapati und Sephiroth in ihrer Gänze vor allem den archetypischen Menschen, den Proto-Logos; zu kosmischen Kräften und astronomischen oder siderischen Körpern werden sie lediglich in ihren sekundären Aspekten. Wenn Aditi die Mutter der Götter ist, Devamatri, dann ist Eva die Mutter alles Lebendigen; sie sind in ihrem weiblichen Aspekt die Shakti oder Zeugungskraft des „Himmlischen Menschen“, und sie sind alle zusammengesetzte Schöpfer. Das „Gupta Vidya“-Sutra sagt: „Im Anbeginn wurde ein Strahl von Paramarthika (der einen und einzigen wahren Existenz) emittiert, in Vyavaharika (gewöhnliche Existenz) manifestiert, welche als ein Vahana für den Abstieg in die Universale Mutter diente und sie dazu veranlasste, sich auszudehnen (anzuschwellen, brih).“ Und im „Zohar“ heißt es: „Die unendliche Einheit, formlos und unvergleichlich, benützte die Form des Himmlischen Menschen, sobald sie erschaffen war. Das Unbekannte Licht58 (Finsternis) benützte für seinen Abstieg ה א ו צ מ ך א (die himmlische Form) als Wagen ה ב ב ד מ und wünschte, nach dieser Form genannt zu werden, was der heilige Name Jehovah ist.“

Wie der „Zohar“ sagt: „Im Anbeginn war der Wille des Königs, vor jeder anderen Existenz. . . . Er (der Wille) entwarf die Formen aller bislang verborgenen Dinge, welche aber jetzt sichtbar wurden. Und als ein versiegeltes Geheimnis entsprang aus dem Haupt Ain Sophs ein nebelartiger Funke aus Materie, ohne Gestalt oder Form. . . . Das Leben wird von unten angezogen, und von oben erneuert sich die Quelle selbst, die See ist immer voll und breitet ihre Wasser überall aus.“ So wird die Gottheit mit einem uferlosen Meer verglichen, dessen Wasser „die Quelle des Lebens“ ist („Zohar“, iii, 290). „Der siebte Palast, die Quelle des Lebens, ist von oben der erste in der Reihe.“ (ii, 261). Daher kam dem sehr kabbalistischen Salomon der kabbalistische Lehrsatz in den Sinn, der in den Sprüchen 9,1, sagt: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut; sie hat ihre sieben Säulen ausgehauen.“

Woher nun all diese Übereinstimmungen der Ideen, wenn keine ursprüng­liche universale Offenbarung existierte? Verglichen mit dem, was noch alles im Rahmen dieses Werkes enthüllt werden wird, gleichen die wenigen bis jetzt vorgebrachten Punkte lediglich ein paar Halmen in einem Strohhaufen. Wenden wir uns der verschwommensten aller Kosmogonien zu – der chinesischen –, so finden wir selbst dort dieselbe Idee. Tsi-tsai (der Selbst-Existierende) ist die unbekannte Finsternis, die Wurzel des Wu-liang-sheu (grenzenlosen Zeitalters). Amitabha und Tien (der Himmel) folgen später. Das „Große Extreme“ des Konfuzius vermittelt dieselbe Idee, unbeschadet seines „Strohs“. Letzteres ist für die Missionare eine Quelle großer Erheiterung. Sie lachen über jede „heidnische“ Religion und verachten und hassen ihre [SD # 357] christlichen Mitbrüder anderer Konfessionen, und nehmen doch alle zusammen ihre Genesis wörtlich. Wenden wir uns zur chaldäischen, so finden wir in ihr Anu, die verborgene Gottheit, das Eine, dessen Name übrigens auf sanskritischen Ursprung hinweist. Anu, das im Sanskrit „Atom“, Aniyamsam Aniyasam (das Kleinste des Kleinen) bedeutet, ist in der Vedanta-Philosophie eine Bezeichnung Parabrahmans; Parabrahman wird dort als kleiner beschrieben als das kleinste Atom und größer als das größte Himmelsgewölbe oder das größte Universum: „Anagraniyam und Mahatorvavat“. Das gibt George Smith als die ersten Verse der akkadischen Genesis an, wie sie in den Keilschrifttexten auf den „Lateras Coctiles“ zu finden ist. Dort finden wir ebenfalls Anu, die passive Gottheit oder Ain Soph, Bel, den Schöpfer, den sich auf der Fläche der Wasser bewegenden Geist Gottes (Sephirah), daher selbst Wasser, und Hea, die Universalseele oder die Weisheit der drei zusammengenommen.

Die ersten acht Verse lauten folgendermaßen:

1. Als oben die Himmel noch nicht erhoben waren;

2. Und unten auf der Erde noch keine Pflanze gewachsen war.

3. Die Tiefe hatte ihre Schranken nicht durchbrochen.

4. Als ihre Mutter brachte das Chaos (oder Wasser) Tiamat (die See) sie alle im Ganzen hervor. (Das ist die kosmische Aditi und Sephirah.)

5. Jene Wasser wurden im Anbeginn eingesetzt, jedoch –

6. Noch kein Baum war gewachsen, noch keine Blume hatte sich entfaltet.

7. Als die Götter noch nicht erschienen waren, noch keiner von ihnen.

8. Noch war keine Pflanze gewachsen, und Ordnung existierte nicht.

Das war die chaotische oder vorgenetische Periode – der doppelte Schwan und der dunkle Schwan, der weiß wird, sobald das Licht erschaffen ist.59

Das für das majestätische Ideal des Universalprinzips ausgesuchte Symbol mag vielleicht als schlechte Wahl erscheinen für die Wiedergabe seines heiligen Charakters. Eine Gans oder selbst ein Schwan mag zweifellos unpassend erscheinen, die Erhabenheit des Geistes zu repräsentieren. Nichtsdestoweniger muss es irgendeine tiefe, okkulte Bedeutung gehabt haben, denn er spielt nicht nur in allen Kosmogonien und Weltreligionen eine Rolle, sondern er war auch von den mittelalterlichen Christen, den Kreuzfahrern, auserkoren, als der Träger des Heiligen Geistes zu gelten, von welchem man annahm, dass er das Heer nach Palästina geleitete, um das Grab des Heilands den Händen der Sarazenen zu entreißen. Wenn wir Prof. Drapers Behauptung in seinem „History of the Intellectual Development of Europe“ Glauben schenken wollen, schritt den Kreuzfahrern unter Peter dem Einsiedler an der Spitze des Heeres der Heilige Geist voran und zwar in der Gestalt eines von einer Ziege begleiteten weißen Gänserichs. Seb, der ägyptische Gott der Zeit, trägt eine Gans auf dem Kopf. Jupiter nimmt die Gestalt eines Schwans an und ebenso Brahmâ, denn die Wurzel von alledem ist jenes Geheimnis der Geheimnisse – das Weltenei (siehe nachfolgender §). [SD # 358] Man sollte den Hintergrund eines Symbols kennen, bevor man es herabsetzt. Das zweifache Element von Luft und Wasser ist das des Ibis, des Schwans, der Gans und des Pelikans, der Krokodile und Frösche, der Lotosblumen und Wasserlilien etc.; und das Resultat ist die Wahl der unschicklichsten Symbole seitens sowohl der modernen als auch der alten Mystiker. Pan, der große Gott der Natur, spielte für gewöhnlich in Verbindung mit Wasservögeln, insbesondere Gänsen, eine Rolle und gleich ihm auch andere Götter. Wenn mit der späteren, stufenweisen Entartung der Religion die Götter, denen Gänse geheiligt waren, zu priapischen Gottheiten wurden, leuchtet es deshalb nicht ein, dass die Wasservögel Pan und anderen phallischen Gottheiten geweiht waren, wie einige Spötter selbst schon im Altertum es gerne gehabt hätten (siehe „Petronii Satyrica“, cxxxvi); sondern es wird vielmehr klar, dass die abstrakte und göttliche Kraft der fruchtbaren Natur in grober Weise anthropomorphisiert worden war. Auch weist Ledas Schwan nicht auf „priapische Handlungen und ihr Vergnügen daran“ hin, wie es Hargrave Jennings keusch ausdrückt; denn der Mythos ist lediglich eine weitere Wiedergabe derselben philosophischen Idee der Kosmogonie. Schwäne werden oft in der Gesellschaft Apollos gefunden, da sie die Embleme von Wasser und Feuer (und auch von Sonnenlicht) vor der Trennung der Elemente sind.

Unsere modernen Symbologen könnten von einigen Bemerkungen einer wohlbekannten Schriftstellerin profitieren, Lydia Maria Child: „Seit unvordenklichen Zeiten wurde in Hindustan ein Emblem als der Typus der Schöpfung oder des Ursprungs des Lebens verehrt. . . . Shiva oder der Mahadeva ist nicht nur der Vervielfältiger menschlicher Formen, sondern auch das befruchtende Prinzip, die das Universum durchdringende Zeugungskraft. Das mütterliche Emblem ist ebenfalls ein religiöser Typus. Diese Ehrfurcht für die Hervorbringung des Lebens führte die sexuellen Embleme in die Verehrung des Osiris ein. Ist es sonderbar, dass sie das große Geheimnis der menschlichen Geburt mit Ehrfurcht betrachteten? Waren sie also unrein, indem sie es so sahen? Oder sind wir unrein, weil wir es nicht so betrachten? Kein reines und aufmerksames Gemüt könnte doch zu dieser Ansicht kommen. . . . Seit jene alten Einsiedler in den feierlichen Tiefen ihrer ersten Heiligtümer zuerst von Gott und der Seele sprachen, sind wir einen weiten Weg gegangen, und die Pfade waren unrein. Lächeln wir nicht über ihre Art, die Spur der unendlichen und unbegreiflichen Ursache durch alle Geheimnisse der Natur zu verfolgen, damit wir nicht dadurch den Schatten unserer eigenen Grobheit auf ihre altehrwürdige Einfachheit werfen.“ („Progress of Religious Ideas“, Band 1, S. 17 f.)

 

 

[SD # 359]
§
VI
das Weltenei

Woher kommt dieses universale Symbol? Das Ei wurde von allen Völkern der Erde als heiliges Zeichen für die Kosmogonie einverleibt und sowohl wegen seiner Form als auch wegen seines inneren Geheimnisses verehrt. Von den ersten intellektuellen Vorstellungen des Menschen an war es dafür bekannt, dass es den Ursprung und das Geheimnis des Seins am erfolgreichsten repräsentiert. Die stufenweise Entwicklung des unwahrnehmbaren Keims innerhalb der geschlossenen Schale; das innere Wirken, welches ohne das augenscheinliche Zutun irgendeiner äußerlichen Kraft aus einem verborgenen Nichts ein aktives Etwas hervorbrachte und dazu nichts anderes benötigte als Wärme; welches sogleich, sich allmählich zu einem konkreten Lebewesen entwickelte, seine Schale zerbrach und den äußeren Sinnen als ein selbsterzeugtes und selbsterschaffenes Wesen erschien – all das muss von Anfang an ein beständiges Wunder gewesen sein.

Die Geheimlehre gibt als Grund dieser Verehrung die Symbolik der vorgeschichtlichen Rassen an. Zu Anfang hatte die „Erste Ursache“ keinen Namen. Später wurde sie in der Fantasie der Denker als ein immer unsichtbarer, geheimnisvoller Vogel abgebildet, welcher ein Ei in das Chaos ablegte, das dann zum Universum wurde. Daher wurde Brahman Kalahansa genannt, der „Schwan in (Raum und) Zeit“. Er wurde zum „Schwan der Ewigkeit“, welcher am Beginn eines jeden Maha-Manvantaras ein „Goldenes Ei“ legt. Es versinnbildlicht den großen Kreis oder O, selbst wieder ein Symbol des Universums und seiner kugelförmigen Körper.

Der zweite Grund dafür, dass das Ei als die symbolische Darstellung des Universums und unserer Erde gewählt wurde, war seine Form. Er war Kreis und Kugel; und die eiförmige Gestalt unseres Globus muss vom Anbeginn der Symbologie an bekannt gewesen sein, da sie so allgemein übernommen wurde. Die erste Manifestation des Kosmos in der Form eines Eies war der am weitesten verbreitete Glaube des Altertums. Wie Bryant zeigt (iii, 165), nahmen die Griechen das Symbol an, die Syrer, die Perser und die Ägypter. In Kap. liv über das ägyptische Ritual heißt es über Seb, den Gott der Zeit und der Erde, dass er ein Ei gelegt oder das Universum „ein Ei empfangen habe zur Stunde des großen Einen der dualen Kraft“ („Sec.“, V, 2, 3 etc.).

Gleich Brahmâ wird Ra als im Weltenei heranreifend dargestellt. Die Verstorbenen befinden sich „glänzend im Ei des Landes der Mysterien“ (xxii,1). Denn es ist „das Ei, dem unter den Göttern das Leben gegeben ist“ (xlii, 13). „Es ist das Ei der großen Glucke, das Ei Sebs, der aus ihm wie ein Habicht hervorgeht.“ (lxiv, 1, 2, 3; lxxvii, 1)

Bei den Griechen wird das orphische Ei von Aristophanes beschrieben und war Bestandteil der Dionysischen und anderer Mysterien, in deren Verlauf [SD # 360] das Weltenei geweiht und seine Bedeutung erklärt wurde. Porphyrios zeigt, dass es die Welt repräsentiert: ’ Eρμήνενει δέ τὸ ὠὸν κόσμον. Faber und Bryant versuchten nachzuweisen, dass das Ei die Arche Noah verkörperte, bei der es sich jedoch um eine wilde Vorstellung handelt, insofern sie nicht rein allegorisch und symbolisch aufgefasst wird. Das Ei kann die Arche Noah lediglich als Synonym für den Mond versinnbildlicht haben, den Argha, der den universalen Samen des Lebens trägt; es hatte aber ganz bestimmt nichts mit der biblischen Arche zu tun. Jedenfalls war der Glaube allgemein verbreitet, dass das Universum im Anfang in Gestalt eines Eies existierte. Und Wilson erzählt: „Alle (indischen) Puranas geben ähnliche Berichte über die erste Ansammlung der Elemente in der Form eines Eies ab, versehen mit dem üblichen Beiwort Haima oder Hiranya, ‘golden’, wie es im Manu genannt wird.“ Wie von dem großen indischen Gelehrten, dem verstorbenen Swami Dayanand Sarasvati, in seiner nicht veröffentlichten Polemik mit Professor Max Müller bewiesen wurde, bedeutet Hiranya jedenfalls eher „prächtig“ oder „strahlend“ als „golden“. So heißt es im Vishnu-Purana“: „Der Intellekt (Mahat) . . . formte mit den (unmanifestierten) groben Elementen ein Ei . . . und der Herr des Universums wohnte selbst darinnen in der Eigenschaft Brahmâs. In diesem Ei, oh Brahmane, befanden sich die Kontinente, die Meere und die Berge, die Planeten und die Einteilungen des Universums, die Götter, die Dämonen und die Menschheit.“ (Buch i, Kap. 2) Sowohl in Griechenland als auch in Indien wohnte das erste erkennbar männliche Wesen, das in sich die Natur beider Geschlechter vereinigte, in dem Ei und ging aus ihm hervor. Dieser „Erstgeborene der Welt“ war für einige Griechen Dionysos; jener Gott, der aus dem Weltenei entsprang, und von dem die Sterblichen und die Unsterblichen abstammen. Der Gott Ra wird im Ritual („Totenbuch“, xvii, 50) dargestellt, wie er in seinem Ei (der Sonne) erstrahlt und aufbricht, sobald der Gott Schu (die Energie der Sonne) erwacht und ihm den Anstoß gibt. „Er ist in dem Sonnenei, dem Ei, dem unter den Göttern das Leben gegeben ist.“ (Ibid., xlii, 13) Der Sonnengott ruft aus: „Ich bin die schöpferische Seele des himmlischen Abgrunds, keiner sieht mein Nest, keiner kann mein Ei zerbrechen, ich bin der Herr!“ (Ibid., lxxxv, 9)

Angesichts dieser Kreisform, der “ | ”, die aus dem “ ” oder dem Ei hervorgeht, oder im Androgynen das Männliche aus dem Weiblichen, mutet die Behauptung eines Gelehrten sonderbar an, dass die alten Arier das Dezimalsystem nicht gekannt haben sollen, da die ältesten indischen Manuskripte keine Spur davon aufwiesen. Als die heilige Zahl des Universums war die 10 geheim und esoterisch, sowohl in Kombination als auch als Ziffer oder Null, der Kreis. Obendrein sagt Professor Max Müller, dass „die beiden Worte cipher und zero, die ein und dasselbe bedeuten, ein hinreichender Beweis dafür sind, dass unsere Zahlen von den Arabern entliehen sind.60 Cipher ist das arabische „cifron“ und bedeutet [SD # 361] leer, eine Übersetzung des Sanskritwortes für Nichts, „Synyan“, sagt der Professor.61

Die Araber hatten ihre Zahlzeichen aus Hindustan und beanspruchten die Entdeckung niemals für sich.62 Was die Pythagoreer anbelangt, so brauchen wir uns nur an die alten Manuskripte der von Boethius im 6. Jahrhundert verfassten Abhandlung „Geometrie“ zu wenden, um unter den pythagoreischen Zahlen63 die 1 und die Null als erste und letzte Ziffer zu finden. Und den Pythogoreer Moderatos64 zitierend sagt Porphyrios, dass die Zahlzeichen des Pythagoras „hieroglyphische Symbole waren, mit deren Hilfe er Vorstellungen bezüglich der Natur der Dinge“ oder den Ursprung des Universums „erklärte“.

Wenn nun einerseits die ältesten indischen Manuskripte noch keine Spur eines Dezimalsystems aufweisen und Max Müller ganz klar feststellt, dass er soweit lediglich neun Buchstaben in ihnen gefunden hat (die Anfangsbuchstaben der Sanskritziffern); verfügen wir andererseits über ebenso alte Aufzeichnungen, welche den fehlenden Beweis liefern. Wir sprechen von den Skulpturen und den heiligen Bildern in den ältesten Tempeln des fernen Ostens. Pythagoras Wissen stammte aus Indien. Und diese Behauptung bestätigt Professor Max Müller zumindest insofern, als dass er einräumt, dass die Neo-Pythagoreer unter den Griechen und Römern die Ersten waren, die die Verwendung der Null lehrten; dass „sie in Alexandria, oder in Syrien, mit den indischen Ziffern bekannt wurden und sie dem pythagoreischen Abakus anpassten“ (unseren Ziffern). Dieses vorsichtige Zugeständnis schließt in sich ein, dass Pythagoras selbst lediglich mit neun Ziffern bekannt war. So könnten wir begründeterweise antworten, dass wir zwar keinen sicheren (exoterischen) Beweis dafür besitzen, dass der genau am Ende der archaischen Zeit65 lebende Pythagoras das Dezimalsystem kannte, jedoch mit hinreichender Gewissheit aufzeigen können, dass alle von Boethius angegebenen Ziffern den Pythogoreern bekannt waren, selbst vor der Erbauung Alexandrias.66 Diese Gewissheit finden wir bei Aristoteles, der sagt: „Einige Philosophen behaupten, dass Ideen und Zahlen von gleichartiger Natur seien und sich insgesamt auf Zehn belaufen.“67 Das reicht aus, glauben wir, um zu zeigen, dass das Dezimalsystem bei ihnen mindestens schon vier Jahrhunderte vor Christus bekannt gewesen sein muss, denn Aristoteles scheint die Frage nicht als eine Innovation der „Neo-Pythagoreer“ zu behandeln.

[SD # 362] Aber wir wissen mehr als das: Wir wissen, dass der Menschheit das Dezimalsystem bereits in den ältesten archaischen Zeiten bekannt gewesen sein muss, da der gesamte astronomische und geometrische Teil der geheimen Priestersprache auf der Zahl 10 aufgebaut war oder auf der Kombination des männlichen und weiblichen Prinzips, und weil die sogenannte „Cheopspyramide“ auf den Maßzahlen dieses Dezimalsystems aufgebaut ist oder vielmehr auf dessen Ziffern in ihren Kombinationen mit der Null. Darüber ist jedoch genug in Isis entschleiert gesagt worden, und es ist unnötig, zu demselben Gegenstand zurückzukehren und es zu wiederholen.

Die Symbolik der Mond- und Sonnengottheiten ist so unentwirrbar vermischt, dass es nahezu unmöglich erscheint, solche Glyphen wie das Ei, den Lotus und die „heiligen“ Tiere voneinander zu trennen. Der Ibis z. B. wurde in Ägypten zutiefst verehrt. Er war der Isis geweiht, die oftmals mit dem Haupt dieses Vogels abgebildet wird, und ebenso Merkur oder Thot, von dem es heißt, er habe seine Form auf der Flucht vor Typhon angenommen – der Ibis wurde in Ägypten zutiefst verehrt. Es gab zwei Ibis-Arten in Ägypten, wie uns Herodot überlieferte („Lib“, IIc 75 ff), eine weitgehend schwarze, die andere schwarz und weiß. Von der Ersteren glaubte man, dass sie die geflügelten Schlangen bekämpfe und vertilge, die jedes Frühjahr aus Arabien kommend das Land überfielen. Die andere war dem Mond geweiht, weil die vordere Seite dieses Planeten weiß und glänzend sei, die von der Erde abgewandte Seite jedoch dunkel und schwarz. Obendrein tötet der Ibis Landschlangen und bringt wahre Verheerung über Krokodileier und schützt damit Ägypten davor, dass der Nil von diesen schrecklichen Echsen heimgesucht wird. Man glaubt, dass der Vogel das bei Mondschein vollbringe und auf diese Weise von Isis unterstützt werde, deren siderisches Symbol der Mond ist. Aber die diesem Volksmythos zugrunde liegende genauere esoterische Wahrheit ist, dass Hermes, wie Abenephius zeigt („De cultu Egypt“), in der Form dieses Vogels über die Ägypter wachte und sie die okkulten Künste und Wissenschaften lehrte. Das bedeutet ganz einfach, dass der ibis religiosa mit vielen anderen Vögeln zusammen „magische“ Eigenschaften hatte und hat, insbesondere mit dem Albatros und dem mythischen weißen Schwan, dem Schwan der Ewigkeit oder der Zeit, dem Kalahansa.

Wäre es tatsächlich anders, warum hätten dann sämtliche alten Völker, die auch nicht närrischer waren als wir es sind, eine solch abergläubische Furcht vor der Tötung gewisser Vögel haben sollen? Wer in Ägypten einen Ibis tötete oder den Goldsperber – das Symbol von Sonne und Osiris – konnte dem Tod kaum entrinnen. Die Vogelverehrung war in einigen Nationen so groß, dass Zoroaster in seinen Vorschriften ihre Schlachtung als verruchtes Verbrechen verbot. In unserem Zeitalter lachen wir über jede Art von Prophezeiung. Doch warum sollten so viele Generationen an eine Weissagung durch Vögel geglaubt haben und selbst an Tierorakel, die laut Suidas von Orpheus mitgeteilt worden sein sollen, welcher lehrte, wie unter gewissen Bedingungen das aus dem Dotter und dem Eiklar [SD # 363] zu entnehmen sei, was der daraus geborene Vogel in der kurzen Zeit seines Lebens rund um sich herum beobachtet haben würde? Diese okkulte Kunst, die vor 3.000 Jahren die größte Gelehrsamkeit und die abwegigsten mathematischen Berechnungen erforderte, ist jetzt der tiefsten Erniedrigung anheim gefallen. Und heutzutage sind es nurmehr alte Köchinnen und Wahrsagerinnen, welche den nach einem Ehemann strebenden Dienstmädchen aus dem in ein Glas gegossenen Eiklar die Zukunft lesen.

Trotzdem haben selbst die Christen bis zum heutigen Tag ihre heiligen Vögel, z. B. die Taube, das Symbol des Heiligen Geistes. Auch haben sie die heiligen Tiere nicht vernachlässigt. Und die evangelische Zoolatrie mit dem Stier, dem Adler, dem Löwen und dem Engel (in Wirklichkeit dem Cherub oder Seraph, der feuerbeflügelten Schlange) ist ebenso heidnisch wie die der Ägypter oder Chaldäer. Diese vier Tiere sind in Wirklichkeit die Symbole der vier Elemente und der vier niederen Prinzipien des Menschen. Nichtsdestoweniger entsprechen sie körperlich und materiell den vier Konstellationen, welche sozusagen das Gefolge und das Geleit des Sonnengottes bilden, und die zur Zeit der Wintersonnenwende die vier Kardinalpunkte des Tierkreises einnehmen. Diese vier „Tiere“ sind in vielen römisch-katholischen Neuen Testamenten zu sehen, wo die Porträts der Evangelisten gezeigt werden. Sie sind die Tiere in Hesekiels Merkabah.

Ragon bemerkt tatsächlich: „Die alten Hierophanten verknüpften die Dogmen und Symbole ihrer Religionsphilosophien so geschickt, dass diese Symbole nur durch die Verbindung und Kenntnis sämtlicher Schlüssel vollständig interpretiert werden konnten.“ Sie können nur annäherungsweise interpretiert werden, selbst wenn man drei dieser sieben Systeme entdeckt: das anthropologische, das psychische und das astronomische. Die beiden Hauptauslegungen, die höchste und die niedrigste, die spirituelle und die physiologische, wurden in größter Geheimhaltung aufbewahrt, bis Letztere schließlich in die Hände der Profanen fiel. Soweit in Bezug auf die vor-historischen Hierophanten, bei denen das, was jetzt rein (oder unrein) phallisch geworden ist, eine ebenso tiefgründige und geheimnisvolle Wissenschaft war wie es heutzutage die Biologie und die Physiologie sind. Das war ausschließlich ihr Eigentum, die Frucht ihrer Studien und Entdeckungen. Die beiden anderen Auslegungen handelten von den schöpferischen Göttern (Theogonie) und vom schöpferischen Menschen, d. h. von den idealen und den praktischen Mysterien. Diese Auslegungen waren so geschickt verhüllt und verknüpft, dass zwar einigen die Entschlüsselung der einen Bedeutung gelang, sie sich dann aber vergeblich bemühten, die Bedeutung der anderen zu verstehen, und so wurden niemals so große Teile enträtselt, dass gefährliche Indiskretionen begangen werden konnten. Die höchsten, die erste und die vierte – die Theogonie im Verhältnis zur Anthropogonie – zu ergründen, war nahezu unmöglich. Die Beweise dafür finden wir in der jüdischen „Heiligen Schrift“.

Da die Schlange Eier legt, wurde sie zum Symbol der Weisheit und ein Emblem der Logoi oder Selbstgeborenen. Im Tempel von Philae in Oberägypten wurde aus mit verschiedenem Räucherwerk [SD # 364] durchwirkten Ton ein künstliches Ei hergestellt. Dieses wurde in einem speziellen Vorgang ausgebrütet und brachte eine Cerastes (die Hornviper) hervor. Dasselbe geschah in den indischen Tempeln im Altertum mit der Kobra. Der schöpferische Gott entschlüpft dem Ei, welches in Gestalt einer geflügelten Schlange aus dem Mund Knephs hervorgeht, denn die Schlange ist das Symbol der allumfassenden Weisheit. Bei den Hebräern wurde diese Schlange durch die „fliegenden und feurigen Schlangen“ des Moses in der Wildnis dargestellt. Bei den alexandrinischen Mystikern wird sie zum Ophio-Christos, dem Logos der Gnostiker. Die Protestanten versuchen zu zeigen, dass die Allergorie von der ehernen Schlange und den „feurigen Schlangen“ eine direkte Beziehung zum Geheimnis Christi und der Kreuzigung68 hat, wobei sie tatsächlich viel enger mit dem Geheimnis der Zeugung verbunden ist, wenn sie vom Ei mit dem Keim in der Mitte oder dem Kreis mit seinem Mittelpunkt losgelöst ist. Die eherne Schlange besaß keine vergleichbare heilige Bedeutung, auch wurde sie tatsächlich nicht mehr glorifiziert als die „feurigen Schlangen, denn deren Biss war lediglich ein natürliches Heilmittel. Die symbolische Bedeutung des Wortes „ehern“ ist die des weiblichen Prinzips und die von feurig oder „golden“ die des männlichen.69

Im Totenbuch wird, wie soeben gezeigt, das Ei häufig erwähnt. Re, der Mächtige, bleibt während des Kampfs zwischen den „Kindern des Aufruhrs“ und Schu (der Energie der Sonne und des Drachens der Finsternis) (Kap. xvii) in seinem Ei. Der Verstorbene erstrahlt in seinem [SD # 365] Ei, wenn er das Land des Mysteriums durchquert (xxii i). Er ist das Ei Sebs („Liv.“, 1-3). . . . Das Ei war das Symbol des Lebens in Unsterblichkeit und Ewigkeit; und auch die Glyphe der fruchtbaren Matrix; während das mit dem Ei verbundene Tau lediglich das Symbol des Lebens und der Geburt durch Erzeugung war. Das Weltenei war in Chnum, die „Wasser des Raums“, versetzt oder in das weibliche abstrakte Prinzip (mit dem „Fall“ der Menschheit in die Zeugung und den Phallizismus wurde Chnum zu Amun, dem schöpferischen Gott); und wenn Ptah, der „feurige Gott“, das Weltenei in seiner Hand trägt, wird die Symbolik in ihrer Bedeutung ganz irdisch und konkret. In Verbindung mit dem Sperber, dem Symbol von Osiris-Sonne, ist das Symbol doppelt und bezieht sich auf beide Leben – das sterbliche und das unsterbliche. Die Abbildung eines Papyrus in Kirchers „Oedipus Aegyptiacus“ (Bd. iii., S. 124) zeigt ein über der Mumie schwebendes Ei. Das ist das Symbol der Hoffnung und das Versprechen einer zweiten Geburt für den osirifizierten Toten; seine Seele wird, nach entsprechender Reinigung in Amenti, in diesem Ei der Unsterblichkeit heranreifen, um daraus zu einem neuen Leben auf der Erde wiedergeboren zu werden. Denn dieses Ei ist in der esoterischen Lehre Devachan, der Aufenthaltsort der Glückseligkeit; der geflügelte Skarabäus ist ein weiteres Symbol dafür. Die „geflügelte Kugel“ ist nur eine andere Form des Eies und hat dieselbe Bedeutung wie der Skarabäus, der Khopiru (von der Wurzel khopru „werden“, „wiedergeboren“ werden), was sich sowohl auf die Wiedergeburt des Menschen als auch auf seine spirituelle Erneuerung bezieht.

In der Theogonie des Mochus finden wir zuerst den Äther und dann die Luft, aus welcher Ulom, die verständliche ( νοήτος) Gottheit (das sichtbare Universum der Materie), aus dem Weltenei geboren wird (Movers, „Die Phönizer“, S. 282).

In den Orphischen Hymnen evolviert Eros-Phanes aus dem von den ätherischen Winden befruchteten göttlichen Ei, wobei Wind „der Geist der unbekannten Dunkelheit“ ist – „der Geist Gottes“ (wie K. O. Müller auf S. 236 erklärt); die göttliche „Idee“ sagt Platon, „von der es heißt, sie bewege den Äther“.

In der indischen Kathopanishad steht Purusha, der göttliche Geist, vor der ursprünglichen Materie, „aus deren Vereinigung die große Seele der Welt entspringt“, Maha-Atman, Brahmâ, der Geist des Lebens70 etc. etc.71 In den heiligen Büchern der Brahmanen verstreut existieren neben dieser noch viele weitere reizende Allegorien über diesen Gegenstand. An einer Stelle ist es der weibliche Schöpfer, der zuerst ein Keim, dann ein Tropfen himmlischen Taus, eine Perle und schließlich ein Ei ist. In solchen Fällen – deren es zu viele gibt, um sie einzeln aufzuzählen – bringt das Ei die vier Elemente innerhalb des fünften hervor, des Ethers, und ist mit sieben Hüllen bedeckt, welche später zu den sieben oberen und den sieben unteren Welten werden. Das Ei bricht entzwei, die Schale wird zum Himmel, das Innere zur Erde, und das Eiklar bildet die [SD # 366] irdischen Wasser. Dann ist es wieder Vishnu, der aus dem Inneren des Eies auftaucht, einen Lotus in seiner Hand haltend. Vinata, eine Tochter Dakshas und Kashyapas Frau („des aus der Zeit entsprungenen Selbstgeborenen“, einem der sieben „Schöpfer“ unserer Welt), brachte ein Ei hervor, aus dem der Garuda, der Träger Vishnus, geboren wurde. Letztere Allegorie hat lediglich eine Beziehung zu unserer Erde, denn Garuda bezeichnet den großen Zyklus.

Das Ei war Isis geweiht; und daher aßen die Priester Ägyptens niemals Eier.72

Diodoros Siculus stellt fest, dass Osiris ebenso wie Brahmâ aus einem Ei geboren wurde. Aus Ledas Ei wurden Apollo und Latona geboren und ebenso Castor und Pollux – die leuchtenden Zwillinge. Und obwohl die Buddhisten ihrem Gründer nicht den gleichen Ursprung zuschreiben, verzehren sie doch ebensowenig Eier wie die alten Ägypter oder die modernen Brahmanen, um nicht den darin verborgenen Keim des Lebens zu zerstören und damit eine Sünde zu begehen. Die Chinesen glauben, dass ihr erster Mensch aus einem Ei geboren wurde, welches Tien, ein Gott, vom Himmel auf die Erde in die Wasser herabfallen ließ.73 Dieses Symbol betrachten auch einige als eine Darstellung der Idee des Ursprungs des Lebens, was eine wissenschaftliche Wahrheit ist, obwohl das menschliche Ovum für das bloße Auge unsichtbar ist. Daher sehen wir die Verehrung, die ihm seit dem entferntesten Altertum bezeugt wurde, von den Griechen, Phöniziern, Römern, den Japanern und den Siamesen, den nord- und südamerikanischen Stämmen, und selbst den unzivilisierten Völkern der entferntesten Inseln.

Bei den Ägyptern war Amun (Mon) der verborgene Gott. Alle ihre Götter waren dual: die wissenschaftliche Wirklichkeit für das Heiligtum, ihr Doppel, die sagenhafte und mythische Wesenheit, für die Massen. Zum Beispiel war, wie in „Chaos, Theos, Kosmos“ beschrieben, der ältere Horus die im demiurgischen Gedanken verbleibende, „vor der Erschaffung der Welt in Dunkelheit geborene“ Idee der Welt; der zweite Horus74 stand für dieselbe Idee, wie er aus dem Logos hervorgeht, mit Materie bekleidet wird und tatsächlich in Existenz tritt (vergleiche Movers „Phönizier“, S. 268). Dasselbe trifft auf Chnum und Amun zu.75 Beide werden mit Widderköpfen dargestellt und oft miteinander verwechselt, obwohl ihre Funktionen unterschiedlich sind. Chnum ist der „Modellierer des Menschen“ und bildet aus dem Weltenei auf einer Töpferscheibe Menschen und Dinge. [SD # 367] Amun-Re, der Erzeuger, ist der sekundäre Aspekt der verborgenen Gottheit. Chnum wurde in Elephanta und Philae angebetet,76 Amun in Theben. Es ist jedoch Emepht, das Eine, das höchste planetarische Prinzip, welches das Ei aus seinem Mund bläst und das daher Brahmâ ist. Der Schatten der Gottheit, kosmisch und universal, dessen, was das Ei bebrütet und es mit seinem belebenden Geist durchdringt bis der darin enthaltende Keim reif ist, war der geheime Gott, dessen Name unaussprechlich war. Er ist jedoch Ptah, „Er, der eröffnet“, der Eröffner des Lebens und des Todes,77 der aus dem Weltenei hervorgeht, um sein duales Werk zu beginnen („Buch der Zahlen“).

Den Griechen zufolge wurde die Phantomform des auf den etherischen Wogen der empyreischen Sphäre schwimmenden Chemis (das altägyptische Chemmis) von Horus-Apollo ins Dasein gerufen, dem Sonnengott, der sie aus dem Weltenei hervorgehen ließ.78

In der skandinavischen Kosmogonie, die laut Professor Max Müller „viel älter ist als die Veden“, findet sich in der Völuspa-Dichtung (dem Gesang der Prophetin) das Weltenei in dem Phantom-Keim des Universums wieder, welcher in der Darstellung im Ginnungagap liegt – dem Gefäß der Illusion (Maya), dem schrankenlosen und leeren Abgrund. In diese Matrix der Welt, welche eine Region der Nacht und Trostlosigkeit war, Niflheim (den Nebelraum, den Nebelhaften, wie er jetzt genannt wird, in das Astrallicht), fiel ein Strahl kalten Lichts, der dieses Gefäß bis zum Überlaufen füllte und darinnen gefror. Dann schickte das Unsichtbare einen brennenden Wind, welcher die gefrorenen Wasser auftaute und den Nebel klärte. Diese Wasser (das Chaos), die Ströme von Elivagar genannt, destillierten sich in belebenden Tropfen. Sie fielen nieder und schufen die Erde und den Riesen Ymir, der nur „den Anschein des Menschen hatte“ (des Himmlischen Menschen), und die Kuh Audhumbla (die „Mutter“ oder das Astrallicht, kosmische Seele), aus deren Euter vier Ströme von Milch hervorflossen (die vier Himmelsrichtungen: die vier Quellen der vier Flüsse von Eden etc. etc.). Diese „vier“ werden durch den Würfel in allen seinen verschiedenen und mystischen Bedeutungen symbolisiert.

Die Christen – insbesondere die griechischen und lateinischen Kirchen – haben das Symbol vollständig adoptiert und sehen darin eine Erinnerung an das ewige Leben, an [SD # 368] die Erlösung und die Wiederauferstehung. Das zeigt und bestätigt der altehrwürdige Brauch, sich gegenseitig „Ostereier“ zu schenken. Seit dem Anguinum, dem „Ei“ der „heidnischen“ Druiden, dessen Name allein Rom in Furcht erzittern ließ, bis zum roten Osterei der slawischen Bauern ist ein Zyklus vergangen. Und doch finden wir sowohl im zivilisierten Europa als auch bei den ärmlichen Ureinwohnern Zentralamerikas denselben archaischen ursprünglichen Gedanken; wenn wir ihn nur suchen wollen und nicht im Hochmut unserer eingebildeten geistigen und körperlichen Überlegenheit die ursprüngliche Idee des Symbols entstellen.

 

 

§ VII
Die Tage und Nächte Brahmâs

Das ist der Name, der den Manvantara (Manu-antara oder zwischen den Manus) und Pralaya (Auflösung) genannten Perioden gegeben wird; Ersterer bezieht sich auf die aktiven Perioden des Universums, der andere auf seine Zeiten verhältnismäßiger und vollständiger Ruhe – je nachdem, ob sie am Ende eines „Tages“ oder eines „Zeitalters“ (eines Lebens) Brahmâs stattfinden. Diese regelmäßig aufeinander folgenden Perioden heißen auch kleine oder große Kalpas sowie das kleine und das Maha-Kalpa; genau genommen ist das Maha-Kalpa allerdings niemals ein „Tag“, sondern ein ganzes Leben oder ein Zeitalter Brahmâs, denn es heißt im Brahmâ Vaivarta: „Die Chronologen berechnen ein Kalpa aus dem Leben Brahmâs; Samvarta und die anderen kleineren Kalpas sind zahlreich.“ Die nüchterne Wahrheit ist, dass ihre Zahl unendlich ist, denn sie hatten niemals einen Anfang, d. h. es gab niemals ein erstes Kalpa, noch wird es jemals in der Ewigkeit ein letztes geben.

Ein Parardha – so wie dieses Zeitmaß für gewöhnlich verstanden wird – oder die Hälfte von Brahmâs Existenz ist (im gegenwärtigen Maha-Kalpa) bereits verflossen; der letzte war der Padma-Kalpa oder der des Goldenen Lotus; gegenwärtig befinden wir uns im Varaha79-Kalpa („Eber“-Inkarnation oder -Avatara).

[SD # 369] Eine Sache hat der Schüler beim Studium der hinduistischen Religion nach den Puranas besonders zu beachten. Er darf die dort zu findenden Behauptungen niemals wörtlich nehmen oder lediglich in einer einzigen Deutung verstehen. Das gilt insbesondere für die über die Manvantaras oder Kalpas zu findenden Aussagen, welche in ihren unterschiedlichen Beziehungen verstanden werden müssen. So beziehen sich beispielsweise diese Zeitalter mit denselben Begriffen sowohl auf die großen als auch die kleinen Perioden, auf Maha-Kalpas und auf kleinere Zyklen. Der Matsya- oder Fisch-Avatara ging dem Varaha- oder Eber-Avatara voraus; die Allegorien müssen sich daher sowohl auf das Padma-Manvantara wie auf das gegenwärtige beziehen und auf die kleineren Zyklen, die seit dem Wiedererscheinen unserer Weltenkette und der Erde abgelaufen sind. Und da der Matsya-Avatara Vishnus und Vaivasvatas Flut mit Recht durch ein in der gegenwärtigen Runde auf unserer Erde geschehenes Ereignis verbunden werden, ist es offensichtlich, dass eine Referenz zu einer entfernten geologischen Periode besteht, während es sich eigentlich auf vorkosmische Ereignisse (im Sinn unseres Kosmos´ oder Sonnensystems) bezieht. Nicht einmal die Esoterische Philosophie kann behaupten, anders als durch Analogieschlüsse von dem zu wissen, was vor dem Wiedererscheinen unseres Sonnensystems und vor dem letzten Maha-Pralaya geschah. Aber Folgendes lehrt sie ausdrücklich: Die erste geologische Störung der Erdachse endete damit, dass der gesamte zweite Kontinent – von dessen nachfolgenden „Erden“ oder Kontinenten Atlantis den vierten darstellte – mitsamt seinen ursprünglichen Rassen auf den Meeresgrund hinabgeschwemmt wurde; eine darauffolgende weitere Störung wurde dadurch verursacht, dass die Erdachse ebenso plötzlich wieder in ihren ursprünglichen Neigungswinkel zurückkehrte wie sie ihn zuvor verändert hatte; so wurde die Erde tatsächlich erneut aus den Wassern gehoben, und – wie oben, so unten; und vice versa. In jenen Tagen wandelten „Götter“ auf der Erde, Götter, und nicht Menschen, wie wir sie jetzt kennen, sagt die Überlieferung. Wie in Band II gezeigt werden wird, bezieht sich die Berechnung der Zeiträume im exoterischen Hinduismus sowohl auf die großen kosmischen als auch auf die kleinen irdischen Ereignisse und Umwälzungen, und das Gleiche kann in Bezug auf Namen nachgewiesen werden. Zum Beispiel der Name Yudishthira – der erste König der Sakas, der das Kali-Yuga eröffnet, welches 432.000 Jahre dauern muss – „ein wirklicher König, der 3.102 Jahre v. Chr. lebte“ – bezieht sich auch auf die große Sintflut zur Zeit des ersten Sinkens von Atlantis. Er ist der „auf dem Berg der hundert Gipfel am Ende der [SD # 370] Welt geborene Yudishthira80, über das niemand hinausgehen kann“, und „unmittelbar nach der Flut“ (siehe „Royal Asiat. Soc.“, Bd. 9, S. 364). Eine Flut im Jahre 3.102 v. Chr. ist uns nicht bekannt – es kann sich auch nicht um die Noahs handeln, denn diese geschah nach der jüdisch-christlichen Chronologie 2.349 Jahre v. Chr.

Das bezieht sich auf eine esoterische Einteilung der Zeit und auf ein Mysterium, das anderwärts erklärt wird und daher vorläufig beiseite gelassen werden kann. Es muss ausreichen an dieser Stelle anzumerken, dass sämtliche Anstrengungen der Einbildungskraft der Wilfords, Bentleys und anderer vermeintlicher Ödipusse der esoterischen Hinduchronologie bitter versagt haben. Bis heute ist keine einzige Berechnung irgendeines der vier Zeitalter oder der Manvantaras von unseren sehr gelehrten Orientalisten enträtselt worden, die darum den Gordischen Knoten mit der Erklärung auseinander hieben, das Ganze sei „eine Erdichtung eines brahmanischen Gehirns“. Sei es so, und mögen die großen Gelehrten in Frieden ruhen. Die „Erdichtung“ wird in den einleitenden Abschnitten, die der Anthropogenesis in Band II vorangehen, mit esoterischen Zugaben gegeben.

Sehen wir uns jedoch einmal die drei Arten von Pralayas und den volkstümlichen Glauben über sie an, der ausnahmsweise einmal mit der Esoterik übereinstimmt.

Vierzehn Manvantaras, über die eine gleiche Anzahl von Manus regieren, gehen dem Pralaya voran, an dessen Schluss die „zugehörige“ oder Brahmâs Auflösung stattfindet. Über dieses Pralaya heißt es zusammengefasst im Vishnu-Purana“, dass „am Ende von eintausend jeweils einen Tag Brahmâs ausmachenden Zeiträumen mit je vier Zeitaltern die Erde nahezu erschöpft ist. Der ewige Avyaya (Vishnu) nimmt dann die Eigenschaft Rudras an, (des Zerstörers, Shiva) und vereinigt alle seine Geschöpfe wieder in sich. Er tritt in die sieben Strahlen der Sonne ein und saugt alle Gewässer des Globus auf; er lässt die Feuchtigkeit verdunsten und so die ganze Erde vertrocknen. Ozeane und Flüsse, Wildwasser und kleine Ströme, sie verdunsten alle. Derartig mit Feuchtigkeit im Überfluss genährt, schwellen die sieben Sonnenstrahlen zu sieben Sonnen an und setzen die Welt schließlich in Flammen. Hari, der Zerstörer aller Dinge, der ‘Kalagni ist, die Flamme der Zeit’, verzehrt schließlich die Erde. Dann atmet der zum Janardana werdende Rudra Wolken und Regen.“

Es gibt viele Arten von Pralayas, in alten Hindu-Büchern werden jedoch drei hauptsächliche besonders erwähnt. Das Erste davon, wie Wilson zeigt, heißt Naimittika81, das „Gelegentliche“ oder „Zugehörige“, und es wird von den Phasen zwischen „Brahmâs Tagen“ verursacht; es ist die Zerstörung der Geschöpfe, von allem, was lebt und Form hat, aber nicht der Substanz, welche nach dieser „Nacht“ bis zur nächsten Morgendämmerung im Status Quo verbleibt. [SD # 371] Das Nächste heißt Prakritika und findet am Ende des Zeitalters oder Brahmâs Lebens statt, wenn alles, was existiert, wieder in das ursprüngliche Element aufgelöst wird, um am Ende dieser längeren Nacht neu gestaltet zu werden. Das dritte, Atyantika, bezieht sich nicht auf Welten oder das Universum, sondern nur auf die Individualität einzelner Menschen; somit ist es das individuelle Pralaya oder Nirvana, und sobald man es erreicht hat, ist bis nach dem Maha-Pralaya keine weitere Existenz oder Wiedergeburt möglich. Die letztere Nacht dauert 311.040.000.000.000 Jahre an; diese Zeitdauer kann im Fall eines glücklichen Jivanmukta nahezu verdoppelt werden, der Nirvana in einer frühen Periode eines Manvantaras erreicht, und das ist lang genug, um als ewig, wenn nicht als endlos angesehen zu werden. Das „Bhagavata“ (XII, iv, 35) spricht von einer vierten Art von Pralaya, dem Nitya oder der beständigen Auflösung, und erklärt es als die Veränderung, die in jedem Ding in diesem Universum, vom Globus bis zum Atom, unmerklich und unaufhörlich ständig vor sich geht. Es ist Wachstum und Verfall (Leben und Tod).

Wenn das Maha-Pralaya anbricht, suchen die von der Feuersbrunst aufgescheuchten Bewohner Svar-Lokas (der oberen Sphäre) Zuflucht „bei den Pitris, ihren Vorfahren, den Manus, den sieben Rishis, den verschiedenen Ordnungen der himmlischen Geister und den Göttern in Mahar-Loka“. Wenn Mahar-Loka ebenfalls erreicht wird, wandern sämtliche oben aufgezählten Wesen wiederum aus Mahar-Loka aus und begeben sich nach Jana-Loka, in „ihren feinen Formen, dazu bestimmt, mit Fähigkeiten ausgestattet wiederverkörpert zu werden, welche ihren früheren entsprechen, wenn die Welt am Beginn des nachfolgenden Kalpa wieder erneuert wird.“ (Vayu-Purana“)

„ . . . Diese Wolken, von mächtiger Größe und von Donner durchdrungen, erfüllen den gesamten Raum (Nabhastala)“, heißt es im Vishnu-Purana“ (Buch VI, Kap. iii). „Ströme von Wasser herabregnend, löschen diese Wolken die schrecklichen Feuer, und dann regnen sie ununterbrochen hundert (göttliche) Jahre lang und überfluten die ganze Welt (das Sonnensystem). In Massen herabströmend, in Tropfen so groß wie Würfel, überziehen diese Regen die Erde, erfüllen die Mittelregion (Bhuvar-Loka) und überschwemmen den Himmel. Die Welt ist jetzt in Dunkelheit gehüllt, und alle Dinge, die belebten wie die unbelebten, sind zugrunde gegangen. Die Wolken ergießen weiter ihre Wasser“ . . . „und die Nacht Brahmâs herrscht erhaben über dem Schauplatz der Verwüstung . . . . .“

Das ist, was wir in der esoterischen Lehre ein „solares Pralaya“ nennen . . . Wenn die Wasser die Region der sieben Rishis erreicht haben, und die Welt (unser Sonnensystem) ein einziger Ozean ist, halten sie schließlich inne. Der Atem Vishnus wird zu einem starken Wind, der weitere hundert (göttliche) Jahre weht, bis sich alle Wolken aufgelöst haben. Der Wind ist dann wieder eingezogen und „Jenes, aus welchem alle Dinge gemacht sind, der Herr, durch den alle Dinge existieren, Er, der da ist unbegreiflich, ohne Anbeginn, der Anfang des Universums, ruht inmitten der Tiefe schlafend auf der Sesha (der Schlange der Unendlichkeit). Der Adikrit [SD # 372] (Schöpfer?) Hari schläft auf dem Ozean des Raumes in der Form Brahmâs – von Sanaka82 und den Siddhas (Heiligen) des Jana-Lokas verherrlicht und von den heiligen Einwohnern Brahmâ-Lokas betrachtet, die in mystischen Schlummer versunken nach endgültiger Erlösung streben, die himmlische Personifikation seiner eigenen Illusionen. . . .“ Das ist Pratisanchara (die Auflösung?), die Beiläufige genannt, da Hari ihre zugehörige (ideale) Ursache ist. . . . .83 Wenn der Universalgeist erwacht, lebt die Welt auf; wenn er seine Augen schließt, sinken alle Dinge auf das Bett des mystischen Schlummers. Geradeso wie 1.000 große Zeitalter einen Tag Brahmâs ausmachen (im Original ist es Padma-Yoni, dasselbe wie Abja-Yoni – der „Lotusgeborene“, nicht Brahmâ), besteht seine Nacht aus einer gleich langen Periode. „Am Ende einer Nacht erwachend, erschafft der Ungeborene . . . das Universum erneut. . . .“ (Vishnu-Purana“)

Das ist das „gelegentliche“ Pralaya; was ist nun aber die elementare Auflösung? Parashara beschreibt sie Maitreya wie folgt: „Wenn durch Mangel und Feuer alle Welten und Patalas (Höllen) verdorrt sind . . .,84 hat der Prozess der elementaren Auflösung begonnen. Dann verschlingen zuerst die Wasser die Eigenschaft der Erde (welche die Grundlage des Geruchs ist), und die Erde geht, dieser Eigenschaft beraubt, der Zerstörung entgegen – und wird eins mit dem Wasser . . . . wenn das Universum so von den Wogen des wässrigen Elements durchdrungen ist, wird sein elementarer Geschmack von den feurigen Elementen verschlossen . . . wodurch die Wasser selbst zerstört . . . und eins werden mit dem Feuer; und das Universum ist daher gänzlich von der (etherischen) Flamme erfüllt, die allmählich die ganze Welt überzieht. Während der Raum eine Flamme ist, . . . reißt das Element des Windes die rudimentäre Eigenschaft oder Form an sich, welche die Ursache des Lichts ist, und, indem sie zurückgezogen (pralina) wird, wird alles von luftartiger Natur. Da die Grundlage der Form zerstört und Vibhavasu (Feuer?) seiner Grundlage beraubt ist, löscht die Luft das Feuer und verbreitet sich im Raum, der des Lichts beraubt ist, sobald sich das Feuer in der Luft auflöst. Dann dehnt sich die Luft, vom Ton begleitet, welcher die Quelle des Ethers ist, überall in die zehn Regionen aus . . . . bis der Ether die Kohäsion (Sparsa – Berührung?) erfasst, ihre grundlegende Eigenschaft, durch deren Verlust die Luft zerstört wird, und Kha bleibt unverändert; ohne Form, Geschmack, Gefühl (Sparsa) und Geruch existiert er, verkörpert (murttimat) und unermesslich groß, und durchdringt den gesamten Raum. Akasha, dessen charakteristische Eigenschaft und Grundlage der Ton (das „Wort“) ist, bewohnt die gesamte Leere des Raumes. Dann verschlingt der Ursprung (das Noumenon?) der Elemente (Bhutadi) den Ton (den kollektiven Demiurgen); und die Scharen der Dhyan Chohans und alle vorhandenen [SD # 373] Elemente85 sind sogleich in ihrem Ursprung vereint. Das ursprüngliche Element, Bewusstsein, mit Tamasa (spirituelle Dunkelheit) verbunden, wird von Mahat selbst (dem Universalgemüt) aufgelöst, dessen charakteristische Eigenschaft Buddhi ist. Die Erde und Mahat sind die inneren und äußeren Grenzen des Universums.“ So wie (im Anbeginn) „die sieben Formen der Prakriti (Natur) von Mahat bis zur Erde aufgezählt wurden, genauso treten diese sieben, eines in das andere, der Reihe nach wieder ein.“86

„Brahmâs Ei (Sarva-Mandala) wird in den es umgebenden Wassern mit seinen sieben Bereichen (Dvipas), sieben Ozeanen, sieben Regionen und deren Bergen aufgelöst; die Umhüllung des Wassers wird vom Feuer verzehrt; das (Stratum des) Feuers wird absorbiert durch (jenes der) Luft; Luft vermischt sich mit Ether (Akasha); der Bhutadi (Ursprung oder vielmehr Ursache des ursprünglichen Elements) verschlingt den Ether und wird (selbst) von Mahat zerstört (dem Großen, dem Universalgemüt), was wiederum, zusammen mit allen anderen, von Prakriti erfasst wird und verschwindet. Die Prakriti ist essenziell dieselbe, ob getrennt oder ungetrennt; lediglich das, was getrennt ist, wird schließlich absorbiert und verliert sich im Ungetrennten. Auch Pums (Geist), der eins ist, rein, unvergänglich, ewig und alles durchdringend, ist ein Teil jenes Höchsten Geistes, der alle Dinge ist. Dieser Geist (Sarvesa), der etwas anderes als der (verkörperte) Geist ist, besitzt keinerlei Attribute wie Namen, Arten (Naman und jati oder Rupa, daher eher Körper als Arten) oder dergleichen – verbleibt als die einzige Existenz (SattA). . . Prakriti und Purusha lösen sich beide schließlich in den Höchsten Geist auf. . . .“ (aus „Vishnu-Purana“, Wilsons Irrtümer sind hier korrigiert und die ursprünglichen Begriffe in Klammern gesetzt).

Dieses ist das letzte Pralaya87 – der Tod des Kosmos – nach welchem sein Geist in Nirvana ruht oder in Jenem, für das weder Tag noch Nacht existieren. Alle anderen Pralayas treten periodisch auf und folgen in regelmäßiger Aufeinanderfolge den Manvantaras, wie bei jedem menschlichen Geschöpf die Nacht dem Tag folgt, bei jedem Tier und jeder Pflanze. Der Zyklus der Schöpfung der Leben des Kosmos ist durchschritten, die Energie des manifestierten „Wortes“ hatte [SD # 374] ihr Wachstum, ihren Höhepunkt und ihre Abnahme gleich allen vorübergehenden Dingen, wie lang auch immer ihre Dauer sein mag. Die schöpferische Kraft ist als Noumenon an sich ewig; als phänomenale Manifestation in ihren Aspekten hat sie einen Anfang und muss daher auch ein Ende haben. In diesen Intervallen hat sie ihre Phasen der Aktivität und ihre Phasen der Ruhe. Und das sind die „Tage und Nächte Brahmâs“. Aber Brahman, das Noumenon, ruht niemals, da es sich nie verändert, sondern immer ist, obwohl man von ihm nicht sagen kann, dass es irgendwo sei. . . . .

Die jüdischen Kabbalisten empfanden für die ewige, unendliche Gottheit die Notwendigkeit dieser Unwandelbarkeit und wendeten daher denselben Gedanken auf den anthropomorphen Gott an. Die Idee ist poetisch und in ihrer Anwendung sehr angemessen. Im „Zohar“ lesen wir Folgendes:

Als Moses auf dem Berg Sinai in Gegenwart der Gottheit Wache hielt, die seinem Anblick durch eine Wolke verborgen war, fühlte er sich von großer Furcht ergriffen und fragte plötzlich: ‘Herr, wo bist du . . . . schläfst du, oh Herr? . . .’ Und der Geist antwortete ihm: ‘Ich schlafe niemals: Würde ich vor meiner Zeit nur einen einzigen Augenblick lang in Schlaf fallen, zerfiele die gesamte Schöpfung augenblicklich in Auflösung.’“

Vor meiner Zeit“ ist sehr vielsagend. Es zeigt, dass der Gott des Moses lediglich ein zeitweiser Stellvertreter ist, ebenso wie der männliche Brahmâ ein Stellvertreter und ein Aspekt von Jenem ist, das unveränderlich ist und daher keinen Anteil an den „Tagen“ oder „Nächten“ haben kann, noch mit irgendetwas anderem, das mit Umwandlung oder Auflösung verbunden ist.

Während die östlichen Okkultisten sieben verschiedene Arten der Interpretation besitzen, haben die Juden lediglich vier – nämlich die wirklich mystische, die allegorische, die moralische und die buchstäbliche oder Paschut. Letztere ist der Schlüssel der exoterischen Kirchen und der Besprechung nicht wert. Mit dem ersten oder mystischen Schlüssel gelesen, finden sich hier einige Sätze, welche die Identität der Grundlagen des Aufbaus einer jeden heiligen Schrift zeigen. Sie finden sich in Isaac Myers ausgezeichnetem Buch über die kabbalistischen Werke, die er gut studiert zu haben scheint. Ich zitiere wörtlich. „B’raisheeth barah elohim ath hash ama yem v’ath haa’retzd. h. ‘Im Anfang schuf(en) Gott (die Götter) die Himmel und die Erde’; (was bedeutet:) die sechs Sephiroth des Aufbaus,88 über welche B’raisheeth wacht, gehören alle nach unten. Es erschuf sechs, (und) auf diesen fußen alle Dinge. Und diese hängen von den sieben Formen des Craniums ab bis hinauf zum Erhabensten aller Erhabenen. Und die zweite ‘Erde’ wird nicht mitgezählt, daher wurde gesagt: ‘Und aus ihr (dieser Erde), welche dem Fluch ausgesetzt war, kam sie hervor.’ . . . . ‘Sie (die Erde) war ohne Form und wüst, und die Finsternis schwebte über dem Angesicht der Tiefe, und der Geist der Elohim . . . . atmete (me’ racha ’phath), – d. h. schwebte, brütete über, bewegte. . . . . Dreizehn beruhen auf dreizehn [SD # 375] (Formen) der würdigsten Erhabenheit. Sechstausend Jahre sind mit den (auf sie beziehen sich die) ersten sechs Worten verbunden. Das siebente (Tausend, das Millennium) über ihr (der verfluchten Erde) ist das, was aus sich selbst heraus stark ist. Und sie wurde innerhalb von zwölf Stunden (eines . . . . Tages) gänzlich verwüstet, wie es geschrieben steht. . . . . In der dreizehnten wird Es (die Gottheit) alles wieder herstellen . . . . und alles wird erneuert werden wie zuvor; und jene sechs werden alle andauern . . . . etc.“ („Qabbalah,“ S. 233, aus „Siphrah Dzeniouta“, Kap. i, § 16, S. 9)

Die „Sephiroth des Aufbaus“ sind die sechs Dhyan Chohans, Manus oder Prajapatis, vom siebten „B’raisheeth (die erste Emanation oder der Logos) zusammengefasst, daher werden sie die Erbauer des niederen oder physischen Universums genannt“, alle gehören nach unten. Diese sechs , deren Essenz vom Siebten stammt – sind der Upadhi, die Grundlage oder der Grundstein, auf dem das objektive Universum aufgebaut ist, das Noumenoi aller Dinge. Daher sind sie gleichzeitig die Naturkräfte, die sieben Engel der Gegenwart, das sechste und das siebte Prinzip im Menschen; die spirituell-seelisch-körperlichen Sphären der siebenfältigen Kette, die Wurzelrassen usw. usw. Sie alle „hängen von den sieben Formen des Craniums ab“, bis hinauf zum Höchsten. Die „zweite Erde“ „wird nicht mitgezählt“, weil sie keine Erde ist, sondern das Chaos oder der Abgrund des Raums, in welchem das paradigmatische oder Modell-Universum in der Ideenbildung der Oberseele ruhte, welche es bebrütete. Der Ausdruck „Fluch“ ist hier sehr irreführend, denn er bedeutet lediglich Schicksal oder Bestimmung, oder jenes Verhängnis, welches sie in den objektiven Zustand stellte. Das zeigt sich in der Beschreibung dieser unter dem „Fluch“ stehenden „Erde“ als „ohne Form und wüst“, in deren unergründlichen Tiefen der „Atem“ der Elohim (der kollektiven Logoi) die erste Göttliche Ideenbildung der zukünftigen Dinge hervorbrachte oder abbildete. Dieser Vorgang wiederholt sich nach jedem Pralaya vor dem Beginn der neuen Manvantaras oder der Periode fühlenden, individuellen Daseins. „Dreizehn beruhen auf dreizehn Formen“, bezieht sich auf die dreizehn Zeiträume, verkörpert durch die dreizehn Manus mit Svayambhuva, dem vierzehnten (13 anstatt 14 stellt eine weitere Verschleierung dar): jene vierzehn Manus, die innerhalb der Frist eines Maha-Yuga regieren, eines „Tages“ Brahmâs. Diese (dreizehn-vierzehn) des objektiven Universums beruhen auf den dreizehn (vierzehn) paradigmatischen, idealen Formen. Die Bedeutung der „sechstausend Jahre“, welche „mit den ersten sechs Worten verbunden sind“, muss wiederum in der indischen Weisheit gesucht werden. Sie beziehen sich auf die ursprünglichen sechs (sieben) „Könige von Edom“, welche die Welten (oder Sphären) unserer Kette während der ersten Runde darstellen und auch auf die ursprünglichen Menschen dieser Runde. Sie sind die siebenfältige voradamische (oder vor der dritten, getrennten Rasse) erste Wurzelrasse. Da sie Schatten waren und ohne Sinne (sie hatten die Frucht vom Baum der Erkenntnis noch nicht gegessen), konnten sie die [SD # 376] Parguphim nicht sehen, oder „Angesicht konnte Angesicht nicht sehen“ (die ursprünglichen Menschen waren unbewusst“). „Daher starben die ursprünglichen (sieben) Könige“, d. h. sie wurden zerstört (vide „Siphrah Dzeniouta“). Wer sind nun diese Könige? Sie sind die „sieben Rishis, gewisse (sekundäre) Gottheiten, Sakra (Indra), Manu und die Söhne des Königs, die in einer Periode geschaffen werden und vergehen“, wie das Vishnu-Purana“ uns sagt (Buch I, Kap iii). Denn das siebte („Tausend“) (nicht das Tausendjährige Reich der exoterischen Christenheit, sondern das der Anthropogenesis) repräsentiert sowohl die „siebte Schöpfungsperiode“, die des körperlichen Menschen (Vishnu-Purana“), als auch das siebte Prinzip, makrokosmisch und mikrokosmisch, und ebenso das Pralaya nach der siebten Periode, die „Nacht“, welche dieselbe Dauer hat wie der „Tag“ Brahmâs. „Sie wurde innerhalb von zwölf Stunden gänzlich verwüstet, wie es geschrieben steht.“ Und in der dreizehnten (zweimal sechs und die Synthese) wird alles wiederhergestellt sein, „und die sechs werden fortdauern“.

So bemerkt der Verfasser der „Qabbalah“ ganz wahrheitsgemäß, dass „lange vor seiner (ibn Gabirols) Zeit, . . . viele Jahrhunderte vor der christlichen Ära, in Zentralasien eine ‘Weisheitsreligion’ existierte, die sich in der Folgezeit bruchstückhaft bei den Gelehrten der archaischen Ägypter, der alten Chinesen, Hindus etc. fanden . . .“ und . . . . . „Die Qabbalah kam höchstwahrscheinlich aus arischen Quellen über Zentralasien, Persien, Indien und Mesopotamien, denn aus Ur und von Haran kam Abraham und viele andere nach Palästina.“ (S. 221) Der Verfasser von „The Gnostics and Their Remains“, C. W. King, pflegte dieselbe feste Überzeugung.

Vamadeva Modelyar (Modely) beschreibt den Anbruch der „Nacht“ höchst poetisch. Obwohl schon in „Isis entschleiert“ mitgeteilt, ist sie doch eine Wieder­holung wert.

„Seltsame Geräusche werden vernommen, von überall ausgehend. . . . Das sind die Vorboten von Brahmâs Nacht; die Dämmerung erhebt sich am Horizont, und die Sonne vergeht hinter dem dreizehnten Grad des Makara (des Tierkreiszeichens) und wird das Zeichen des Minas (das Tierkreiszeichen Pisces oder die Fische) nicht mehr erreichen. Die Gurus der Pagoden, deren Aufgabe es ist, das Rasichakra (den Tierkreis) zu überwachen, können ihren Zirkel und ihre Instrumente jetzt zerbrechen, denn von nun an sind sie nutzlos.

Allmählich verblasst das Licht, die Wärme nimmt ab, es gibt immer mehr unbewohnte Orte auf der Erde. Die Luft wird dünner und dünner. Die Wasserquellen vertrocknen. Die großen Flüsse sehen ihre Wellen erschöpft. Der Ozean zeigt seinen sandigen Grund, und die Pflanzen sterben. Menschen und Tiere verlieren täglich an Größe. Leben und Bewegung verlieren ihre Kraft. Die Planeten können kaum mehr im Raum gravitieren; sie erlöschen einer nach dem anderen wie Lampen, die aufzufüllen die Hand des Chokras (Dieners) versäumte. Surya (die Sonne) flackert und erlöscht. Die Materie verfällt der Auflösung (dem Pralaya) und Brahmâ vereint sich wieder mit Dayus, dem ungeoffenbarten Gott, und da seine Aufgabe [SD # 377] erfüllt ist, fällt er in den Schlaf. Ein weiterer Tag ist vollbracht. Die Nacht bricht herein und dauert bis zur zukünftigen Morgendämmerung.

Und nun fügt er die Keime von allem, was existiert, wieder in das Goldene Ei seines Gedankens ein, wie uns der göttliche Manu sagt. Während Seiner friedlichen Ruhe stellen die mit den Prinzipien der Aktivität begabten belebten Wesen ihre Funktionen ein, und alles Fühlen (Manas) wird untätig. Wenn alle in die Höchste Seele absorbiert sind, schläft diese Seele aller Wesen in vollkommener Ruhe bis zu dem Tag, an dem sie wieder ihre Form annimmt und aufs Neue aus ihrer ursprünglichen Dunkelheit erwacht.“89

Wie das „Satya-Yuga“ in der Reihe der vier Zeitalter oder Yugas immer an der ersten Stelle steht, befindet sich das Kali-Yuga immer an der letzten. Das Kali-Yuga herrscht jetzt uneingeschränkt in Indien, und es scheint mit demselben Zeitalter im Westen zusammenzufallen. Auf jeden Fall ist es merkwürdig zu sehen, wie prophetisch der Verfasser des Vishnu-Puranas in fast allen Dingen war, als er Maitreya einige der dunklen Einflüsse und Sünden dieses Kali-Yugas vorhersagte. Denn als er sagte, dass die „Barbaren“ die Herren der Ufer des Indus von Chandrabhaga und Kaschmira sein werden, fügte er hinzu:

„Es wird zeitgenössische Monarchen geben, die über die Erde herrschen – Könige von grobem Geist, Jähzorn und immer der Falschheit und Bosheit ergeben. Sie werden Frauen, Kinder und Kühe töten. Sie werden das Eigentum ihrer Untertanen an sich reißen und den Frauen anderer nachstellen; sie werden über unbegrenzte Macht verfügen, ihre Lebensdauer wird kurz sein, ihre Begierden unersättlich. . . . Menschen verschiedener Länder, die sich mit ihnen vermischen, werden ihrem Beispiel folgen; und die Barbaren werden unter dem Schutz der Fürsten (in Indien) mächtig sein, während ehrlichere Stämme vernachlässigt werden und das Volk zugrunde gehen wird (oder wie der Kommentator sagt: ‘Die Mlechchhas werden in der Mitte stehen und die Arier am Ende.’)90 Wohlstand und Frömmigkeit werden abnehmen, bis die Welt gänzlich verkommen ist. Besitz allein wird den Rang verleihen; Reichtum wird die einzige Quelle der Ergebenheit sein; Leidenschaft das einzige Band der Vereinigung zwischen den Geschlechtern; Falschheit das einzige Mittel zum Erfolg im Rechtsstreit. Und die Frauen werden lediglich noch der Gegenstand sinnlicher Befriedigung sein. . . . . . Äußerlichkeiten werden die einzige Unterscheidung der verschiedenen Lebensordnungen darstellen; . . . . . ein reicher Mann als rein angesehen werden; der Lebensunterhalt allgemein mit Unredlichkeit (Anyaya) verdient werden; Schwäche die Ursache von Abhängigkeit sein, Drohung und Anmaßung die Gelehrsamkeit ersetzen; Freizügigkeit für Ergebenheit gehalten; gegenseitiges Einverständnis wird Ehe sein; schöne Kleider Würde. Wer der Stärkste ist, wird herrschen. Das Volk, unfähig, die schweren Lasten Khara Bhara (die Steuerlast) zu ertragen, wird seine Zuflucht in den Tälern suchen. . . . So wird im Kali-Zeitalter der Verfall beständig fortschreiten, bis [SD # 378] das Geschlecht der Menschen sich seiner Vernichtung (Pralaya) nähert. . . . Wenn sich das Ende des Kali-Zeitalters nähert, wird ein Teil des aus seiner eigenen spirituellen Natur (Kalki Avatara) existierenden göttlichen Wesens . . . auf die Erde herabsteigen . . . mit den acht übermenschlichen Fähigkeiten begabt. . . . Er wird die Recht­schaffenheit auf Erden wiederherstellen und die Gemüter der am Ende des Kali-Yugas Lebenden werden erweckt und deshalb so durchsichtig sein wie Kristall. Die so veränderten Menschen . . . werden die Samen menschlicher Wesen sein und eine Rasse hervorbringen, welche den Gesetzen des Krita-Zeitalters oder des Zeitalters der Reinheit folgen wird. So heißt es: ‘Wenn sich die Sonne und der Mond und Tishya, das Haus des Mondes, und der Planet Jupiter in einem Hause befinden, wird das Krita- (oder Satya-) Zeitalter wiederkehren’.

. . . . Zwei Personen, Devapi aus dem Geschlecht der Kuru und Maru (Moru) aus der Ikshvaku-Familie, leben während der gesamten vier Zeitalter, in Kalapa wohnend.91 Zu Beginn des Krita-Zeitalters werden sie hierher zurückkehren . . . Maru (Moru)92, der Sohn Schighras, lebt noch durch die Kraft des Yoga . . . . und wird der Wiederhersteller des Kshatriyageschlechts der Sonnendynastie sein.“93 (Vayu-Purana“, Bd. III, S. 187)

Einerlei ob letztere Prophezeiung richtig ist oder nicht, die Segnungen des Kali-Yugas sind gut beschrieben und passen wunderbar selbst auf das, was im Europa und anderen zivilisierten und christlichen Ländern auf der Höhe des 19. und dem Anbruch des 20. Jahrhunderts unserer großen Ära der Erleuchtung zu sehen und hören ist.

 

 

[SD # 379]
§
VIII
Der Lotus als universales Symbol

Es gibt keine alten Symbole ohne einen damit verbundenen tiefen und philosophischen Sinn; ihre Wichtigkeit und Bedeutsamkeit nimmt mit ihrem Alter zu. Ein solches ist der Lotus. Er ist die der Natur und ihren Göttern geweihte Blume und symbolisiert das abstrakte und das konkrete Universum, indem er als das Emblem für die produktiven Kräfte sowohl der spirituellen als auch der physischen Natur steht. Er wurde seit dem entferntesten Altertum von den arischen Hindus, den Ägyptern und nach ihnen den Buddhisten gleichermaßen als heilig erachtet. Er wurde in China und Japan verehrt und von den griechischen und lateinischen Kirchen als christliches Emblem angenommen, die aus ihm einen Sendboten machten, sowie die heutigen Christen, die ihn durch die Wasserlilie ersetzen.94 Er hatte und hat noch seine mystische Bedeutung, die bei allen Nationen der Welt übereinstimmt. Wir verweisen den Leser auf Sir William Jones.95 Bei den Hindus ist der Lotus das Emblem der produktiven Kraft der Natur durch die Wirkung von Feuer und Wasser (Geist und Materie). „Oh, du Ewiger! Ich sehe Brahmâ, den Schöpfer, in dir über dem Lotus thronend!“, lautet ein Vers der Bhagavadgita. Und Sir W. Jones zeigt, wie bereits in den Stanzen angemerkt, dass die Lotus-Samen schon bevor sie keimen vollkommen ausgebildete Blätter enthalten, die Miniaturformen dessen, zu dem sie eines Tages als vollendete Pflanzen werden. In Indien ist der Lotus das Symbol der fruchtbaren Erde und, was wichtiger ist, des Berges Meru. Jeder der vier Engel oder Genien der vier Viertel des Himmels (die Maharajas, siehe die Stanzen) steht auf einem Lotus. Der Lotus ist das zweifache Sinnbild des göttlichen und menschlichen Hermaphroditen, da er sozusagen zweigeschlechtlich ist.

Brahmâ wurde bei den Hindus aus dem Geist des Feuers (oder der Wärme) evolviert, der alles, was aus dem Wasser oder der ursprünglichen Erde geboren wird (aus seinem idealen Prototypen) zu konkreter Form anregt, befruchtet und entwickelt. Die aus Vishnus Nabel herauswachsende Lotusblume – des auf seiner Schlange der Unendlichkeit und den Wassern des Raumes ruhenden Gottes – ist das anschaulichste jemals erschaffene Symbol: Es steht für das sich aus der zentralen Sonne entwickelnde Universum, aus dem Punkt, dem immer verborgenen Keim. Lakshmi, welche den [SD # 380] weiblichen Aspekt Vishnus96 repräsentiert und die auch Padma, der Lotus, genannt wird, wird ebenfalls als auf einer Lotusblume schwimmend dargestellt, während der „Schöpfung“ und des „Butterns des Ozeans“ des Raumes, aus dem „Milchmeer“ hervorgehend wie Venus aus dem Schaume.

„ . . . Dann, auf einem Lotus sitzend
Erhebt der Schönheit Göttin, der unvergleichlichen Sri
Sich aus den Wellen . . .”

lautet der Gesang eines englischen Orientalisten und Dichters (Sir Monier Williams).

Die diesem Symbol zugrunde liegende Vorstellung ist wunderschön und weist überdies in allen religiösen Systemen auf eine übereinstimmende Herkunft hin. Einerlei ob in der Form des Lotus oder der Wasserlilie, es bedeutet ein und dieselbe philosophische Idee, nämlich die Emanation des Objektiven aus dem Subjektiven, die Göttliche Ideenbildung, wie sie aus dem Abstrakten zum Konkreten oder zur sichtbaren Form übergeht. Denn sobald die Dunkelheit – oder vielmehr das, was die „Dunkelheit“ für die Unwissenheit ist – in ihren eigenen Bereich ewigen Lichtes verschwunden ist und lediglich ihre göttliche, offenbarte Ideenbildung hinter sich zurückgelassen hat, haben die kreativen Logoi ihr Verständnis eröffnet, und sie erkennen in der idealen Welt (die bis dahin im Göttlichen Gedanken verborgen lag) die archetypischen Formen von allem und machen sich daran, die vergänglichen und transzendenten Formen nach diesen Mustern nachzubilden oder zu erbauen und zu gestalten.

Auf dieser Stufe der Aktivität ist der Demiurg97 noch nicht der Architekt. In der Dämmerung der Aktivität geboren, hat er zunächst den Plan zu erfüllen und muss die idealen Formen verwirklichen, welche im Schoß der ewigen Ideenbildung vergraben liegen, geradeso wie die zukünftigen Lotusblätter, die unbefleckten Blütenblätter, im Samen dieser Pflanze verborgen liegen. . . . .

Im die „Transformation in den Lotus“ genannten Kapitel lxxxi des Rituals („Totenbuch“) ruft Gott in Gestalt eines aus der Blüte auf­tauchenden Hauptes: „Ich bin der reine Lotus, der aus dem Strahlenden hervortritt. . . . . Ich überbringe die Botschaften des Horus. Ich bin der reine Lotus, der aus den Gefilden der Sonne kommt. . . . .“

Die Lotus-Idee kann sogar im elohistischen ersten Kapitel der Genesis zurückverfolgt werden, wie in Isis behauptet wird.

[SD # 381] In dieser Idee müssen wir den Ursprung und die Erklärung des Verses in der jüdischen Kosmogonie suchen, der lautet: „Und Gott sprach: Lasse die Erde hervorgehen . . . . fruchtbare Bäume, dass ein jeglicher nach seiner Art Früchte und seinen eigenen Samen in sich selbst trage.“ In allen ursprünglichen Religionen ist der schöpferische Gott der „Sohn des Vaters“, d. h. sein sichtbar gemachter Gedanke; und vor der christlichen Ära, von der Trimurti der Hindu bis hinab zu den drei kabbalistischen Häuptern der Schriften, wie sie von den Juden erklärt werden, war die dreieinige Gottheit aller Nationen vollständig bestimmt und mit ihren Allegorien belegt.

Das ist die kosmische und ideale Bedeutung dieses großen Symbols bei den östlichen Völkern. Aber im Rahmen seiner Anwendung auf die praktische, exoterische Anbetung, die auch ihre esoterische Symbologie hatte, wurde der Lotus mit der Zeit Träger und Behälter einer eher irdischen Vorstellung. Keine dogmatische Religion ist jemals dem in ihr enthaltenen sexuellen Element entkommen; und bis zum heutigen Tag beschmutzt dasselbe die moralische Schönheit der Grundidee. Das Folgende stammt aus demselben kabbalistischen Manuskript, das wir bereits zitiert haben:

„Auf dieselbe Bedeutung wies der in den Wassern des Nils wachsende Lotus hin. Die Art seines Wachstums macht ihn besonders geeignet dafür, als ein Symbol der Zeugungsaktivitäten zu dienen. Die Blüte des Lotus, welche als Ergebnis ihres Heranreifens den Samen für die Fortpflanzung trägt, steht mithilfe des langen, durch das Fruchtwasser, d. h. durch den Fluss Nil, führenden seilartigen Stengel, der Nabelschnur, mittels eines einer Plazenta ähnelnden Anhangs mit Mutter Erde oder mit dem Schoß der Isis in Verbindung. Nichts kann klarer sein als dieses Symbol. Und um es in seiner beabsichtigten Bedeutung vollkommen zu machen, ist mitunter ein auf der Blüte sitzendes oder aus ihr hervorkommendes Kind dargestellt.98 So werden Osiris und Isis, die Kinder des Kronos oder der endlosen Zeit, in diesem Bild in der Entwicklung ihrer Naturkräfte unter dem Namen Horus zu den Eltern des Menschen. . . (siehe § IX, „The Moon, Deus Lunus, Phoebe”).

Wir können nicht genug betonen, dass diese Zeugungsfunktion als Basis einer Symbolsprache und einer wissenschaftlichen Kunstsprache gewählt wurde. Ein Nachsinnen über diese Idee führt sofort dazu, die schöpferische Ursache zu betrachten. In den Werken der Natur lässt sich beobachten, dass sie einen wundervollen, lebendigen Mechanismus erschaffen hat, der von einer ihm hinzugefügten, lebendigen Seele gesteuert wird; die Entwicklung des Lebens und die Geschichte dieser Seele in Bezug auf ihr Woher, ihre Gegenwart und ihr Wohin übersteigen alle Anstrengungen des menschlichen Intellekts.99 Das Neugeborene ist ein immer wiederkehrendes Wunder, ein Beweis dafür, dass [SD # 382] in der Werkstatt der Gebärmutter eine intelligente, schöpferische Kraft die Zusammenfügung einer lebendigen Seele mit einer physischen Maschine bewirkt hat. Das erstaunlich Wunderbare dieser Tatsache verbindet eine heilige Weihe mit allem, was mit den Zeugungsorganen in Verbindung steht, als mit der Wohnung und dem Ort einer offensichtlich schöpferischen Intervention der Gottheit.“

Das ist eine korrekte Wiedergabe der zugrunde liegenden Ideen der alten Zeit, der rein pantheistischen, unpersönlichen und ehrfurchtsvollen Vorstellungen der archaischen Philosophen der prähistorischen Zeitalter. Sie ist es jedoch nicht, wenn man sie auf die sündige Menschheit anwendet, auf die groben, dem Persönlichen anhaftenden Ideen. Daher würde kein pantheistischer Philosoph die dem Obigen folgenden und den Anthropomorphismus der jüdischen Symbologie darstellenden Bemerkungen anders einstufen, als dass sie die Heiligkeit der wahren Religion gefährden und lediglich für unser materialistisches Zeitalter passen, welches das unmittelbare Ergebnis und Resultat dieses anthropomorphischen Charakters ist. Denn das ist der Grundton für den gesamten Geist und die Essenz des Alten Testaments, wie das Manuskript bei der Behandlung der Symbolik der biblischen Kunstsprache erklärt:

„Daher ist der Ort des Schoßes als der allerheiligste Platz anzusehen, als das Sanctum Sanctorum und der wahrhaftige Tempel des Lebendigen Gottes.100 Vom Mann wurde der Besitz der Frau immer als ein wesentlicher Teil seiner selbst betrachtet, um zwei zu einem zu machen und eifersüchtig als heilig behütet. Selbst der Teil des gewöhnlichen Hauses oder Heims, welcher der Wohnstätte der Frau geweiht war, wurde penetralia genannt, das Geheime oder Geheiligte, und folglich wurde die Metapher vom Allerheiligsten bei heiligen Bauwerken aus der Idee der Heiligkeit der Zeugungsorgane geschöpft. Diese Darstellung wird durch die Metapher auf die Spitze getrieben101, dass dieser Teil des Hauses in der Heiligen Schrift als „zwischen den Schenkeln des Hauses liegend“ beschrieben wird, und manchmal ist diese Idee durch die große, zwischen seitlich davon stehenden Strebepfeilern gesetzte Toröffnung der Kirchen konstruktiv ausgeführt.“

Bei den alten, ursprünglichen Ariern existierte niemals ein derartiger „auf die Spitze getriebener“ Gedanke. Das ist durch die Tatsache erwiesen, dass in der vedischen Epoche ihre Frauen nicht von den Männern abgesondert in der Penetralia oder „Zenanas“ untergebracht wurden. Ihre Abgeschlossenheit begann, als die Mohammedaner – nach dem christlichen Kirchentum die nächsten Erben der hebräischen Symbolik – das Land erobert hatten und den Hindus allmählich ihre Sitten und Bräuche aufzwangen. Die vor- und nach-vedische Frau war ebenso frei wie der Mann, und der religiösen Symbolik [SD # 383] der frühzeitlichen Arier wurden niemals unreine irdische Gedanken beigemengt.Die Idee und Anwendung ist rein semitisch. Das wird vom Verfasser der genannten außerordentlich gelehrten und kabbalistischen Offenbarung bestätigt, indem er am Schluss der oben zitierten Abschnitte hinzufügt:

Wenn mit diesen Organen als Symbolen der schöpferischen kosmischen Kräfte die Idee des Ursprungs der Maße sowie der Zeitperioden verbunden werden kann, dann sollte in der Tat bei der Konstruktion der Tempel als Wohnungen der Gottheit oder Jehovahs der zum Allerheiligsten oder zum heiligsten Platz bestimmte Teil seinen Namen von der anerkannten Heiligkeit der Zeugungsorgane herleiten, die sowohl als Symbole der Maße als auch der schöpferischen Ursache angesehen wurden. Bei den alten Weisen existierte kein Name, keine Vorstellung und kein Symbol einer Ersten Ursache.“ . . . .

Ganz gewiss nicht. Lieber ihm niemals einen Gedanken widmen und es für immer namenlos lassen, wie es die alten Pantheisten taten, als die Heiligkeit dieses Ideals der Ideale durch die Erniedrigung seiner Symbole in solch anthropomorphische Formen zu zerstören! Hier erkennt man erneut die ungeheure Kluft zwischen dem arischen und dem semitischen religiösen Denken: die beiden entgegengesetzten Pole – Aufrichtigkeit und Verheimlichung. Bei den Brahmanen, welche die natürlichen Fortpflanzungs­funktionen der Menschheit noch niemals mit der Eigenschaft der „Erbsünde“ ausstatteten, ist es eine religiöse Pflicht, einen Sohn zu haben. Ein Brahmane der alten Zeit zog sich, nachdem er seine Sendung als menschlicher Schöpfer erfüllt hatte, in den Dschungel zurück und verbrachte den Rest seiner Tage in religiöser Andacht. Er hatte seine Pflicht gegenüber der Natur als sterblicher Mensch und als ihr Mitarbeiter erfüllt und widmete von nun an alle seine Gedanken dem spirituellen und unsterblichen Teil in ihm, indem er das Irdische als bloße Täuschung, als einen dahinschwindenden Traum betrachtete – was er in der Tat ist. Bei dem Semiten verhielt sich das anders. Er erfand eine Versuchung des Fleisches in einem Garten Eden; zeigte, dass sein Gott (esoterisch der Versucher und der Beherrscher der Natur) eine Handlung für immer verfluchte, die dem logischen Programm dieser Natur innewohnte.102 All das exoterisch, wie in der Verhüllung und dem toten Buchstaben der Genesis und des Übrigen; esoterisch betrachtete er gleichzeitig die angebliche Sünde und den Fall als derartig heiligen Akt, dass er das Organ, den Verursacher der Erbsünde, zum geeignetsten und heiligsten Symbol für die Darstellung dieses Gottes erwählte, von dem doch gezeigt wurde, dass er seinen beginnenden Gebrauch als Ungehorsam und ewige Sünde brandmarkte!

Wer kann jemals die von Widersprüchen erfüllten Tiefen semitischen Denkens ergründen? Und dieses paradoxe Element minus seiner innersten Bedeutung ist jetzt gänzlich in die christliche Theologie und das christliche Dogma übergegangen!

Ob die esoterische Bedeutung des hebrä­ischen (Alten) Testaments den ersten Kirchenvätern allgemein bekannt war oder lediglich einigen wenigen, während die Übrigen in Bezug auf das Geheimnis unwissend blieben, darüber hat [SD # 384] die Nachwelt zu entscheiden. Eines ist auf jeden Fall gewiss. Da die Esoterik des Neuen Testaments mit der Esoterik der hebräischen mosaischen Bücher vollkommen übereinstimmt; und da gleichzeitig eine Anzahl rein ägyptischer Symbole und heidnischer Dogmen im Allgemeinen – zum Beispiel die Dreieinigkeit – von den synoptischen Evangelien und vom Hl. Johannes kopiert und eingebunden wurden, leuchtet es ein, dass den Verfassern des Neuen Testaments die Identität dieser Symbole bekannt war, wer immer sie gewesen sein mögen. Sie müssen auch vom Vorrang der ägyptischen Esoterik Kenntnis gehabt haben, da sie sich verschiedene solcher Symbole aneigneten, welche rein ägyptische Begriffe und Glaubenslehren darstellen – ihrer äußeren und inneren Bedeutung nach –, die im jüdischen Kanon nicht zu finden sind. Eines davon ist das Symbol der Wasserlilie in den Händen des Erzengels in den frühzeitlichen Darstellungen seiner Erscheinung vor der Jungfrau Maria; und diese symbolischen Bilder haben sich bis zum heutigen Tag in der Ikonografie der griechischen und römischen Kirche erhalten. Somit liefern Wasser, Feuer, das Kreuz sowie die Taube, das Lamm und andere heilige Tiere in all ihren Kombinationen esoterisch eine übereinstimmende Bedeutung und müssen als eine Verbesserung gegenüber dem reinen und einfachen Judentum angenommen worden sein.

Denn der Lotus und das Wasser gehören zu den ältesten Symbolen und sind in ihrem Ursprung rein arisch, obwohl sie während der Abzweigung der fünften Rasse zum Allgemeingut wurden. Wir wollen ein Beispiel geben. Buchstaben, und genauso gut Zahlen, waren allesamt mystisch, sowohl in ihren Verbindungen als auch einzeln genommen. Der heiligste von allen ist der Buchstabe M. Er ist zugleich weiblich und männlich oder androgyn und dafür vorgesehen, das Wasser, die große Tiefe, in seinem Ursprung zu symbolisieren. Er ist in allen Sprachen, den östlichen und den westlichen, ein mystischer Buchstabe und steht als Glyphe für die Wogen, solcherart: . In der arischen sowie in der semitischen Esoterik stand dieser Buchstabe immer für die Gewässer, z. B. bedeutet Makara – das zehnte Zeichen des Tierkreises – im Sanskrit Krokodil oder vielmehr ein Ungeheuer der Fluten, das immer mit Wasser assoziiert wurde. Der Buchstabe MA entspricht dem und korrespondiert mit der Zahl 5 – welche sich zusammensetzt aus einer Zweiheit, dem Symbol der beiden getrennten Geschlechter, und aus der Dreiheit, dem Symbol des dritten Lebens, dem Nachkommen der Zweiheit. Das wiederum wird häufig durch ein Pentagon symbolisiert, welches ein heiliges Zeichen ist, ein göttliches Monogramm. Maitreya ist der geheime Name des fünften Buddhas und der Kalki Avatara der Brahmanen – der letzte Messias, der am Höhepunkt des großen Zyklus erscheinen wird. Es ist auch der Anfangsbuchstabe der griechischen Metis oder der Göttlichen Weisheit; von Mimra, dem „Wort“ oder Logos; und von Mithras (dem Mihr), der Monade, dem Mysterium. Sie alle werden in und aus der großen Tiefe geboren. Sie sind die Söhne der Maya – der Mutter; in Ägypten Mut, in Griechenland Minerva (Göttliche Weisheit), Maria, oder Miriam, ­Myrrha usw., der Mutter des christlichen Logos, und der Maya, der Mutter Buddhas. Madhava und Madhavi sind die Titel des wichtigsten Gottes und der wichtigsten Göttin des Hindu-Pantheons. Schließlich ist Mandala [SD # 385] im Sanskrit „ein Kreis“ oder eine Scheibe (die zehn Abteilungen des Rigvedas). Generell beginnen die heiligsten Namen in Indien mit diesem Buchstaben – von Mahat, dem ersten geoffenbarten Intellekt, und Mandara, dem großen Berg, welchen die Götter beim Rühren des Ozeans benutzten, bis zur Mandakin, dem himmlischen Ganga (dem Ganges), dem Manu usw. usw.

Wird man das einen Zufall nennen? Dann ist es in der Tat ein seltsamer, wenn wir selbst bei Moses – der im Wasser des Nils gefunden wurde – denselben symbolischen Konsonant in seinem Namen finden. Und die Tochter des Pharao „nannte ihn beim Namen Moses . . . weil,“ sagte sie, „Ich zog ihn aus dem Wasser.“ (Exodus 2,10)103 Außerdem ist der diesen Buchstaben M betreffende hebräische heilige Name Gottes Meborah, der „Heilige“ oder der „Gesegnete“, und das Wasser der Flut heißt M’bul. Eine Erinnerung an die „drei Marien“ bei der Kreuzigung und ihren Zusammenhang mit Mare, dem Meer oder Wasser, mag dieses Beispiel abschließen. Das ist der Grund, warum im Juden- und Christentum der Messias immer im Zusammenhang steht mit dem Wasser, mit der Taufe und auch mit den Fischen (dem im Sanskrit Mina heißenden Tierkreiszeichen) und selbst mit dem Matsya- (Fisch)-Avatara, und mit dem Lotus – dem Symbol des Schoßes oder mit der Wasserlilie, welche dieselbe Bedeutung hat.

In den Relikten des alten Ägyptens finden sich um so häufiger Lotusblüten und Wasser in Verbindung mit den Sonnengöttern, je größer das Alter der ausgegrabenen Weihegegenstände mit ihren Symbolen und Emblemen ist. Der Gott Chnum – die Kraft der Feuchtigkeit – Wasser, über das Thales lehrte, dass es der Ursprung aller Dinge ist, sitzt auf einem Thron, der von einem Lotus umschlossen ist (saïtische Epoche, Serapeum). Der Gott Bes steht auf einem Lotus, bereit, seine Nachkommenschaft zu verschlingen (Ibid., Abydos). Thot, der Gott des Mysteriums und der Weisheit, der heilige Schreiber von Amenti, der die Sonnenscheibe als Kopfschmuck trägt, sitzt mit einem Stierhaupt (der heilige Widder von Mendes ist eine Form von Thot) und einem menschlichen Körper auf einem voll aufgeblühten Lotus (IV. Dynastie). Schließlich ruht die Göttin Hiquet in der Gestalt eines Frosches auf dem Lotus und zeigt so ihre Verbindung mit dem Wasser. Und aus der unpoetischen Gestalt dieses Symbols des Frosches, zweifellos das älteste Symbol ihrer ägyptischen Gottheiten, versuchten die Ägyptologen vergeblich, das Geheimnis und die Funktionen der Göttin zu enthüllen. Die Annahme dieses Symbols in der Kirche durch die ersten Christen zeigt, dass sie es besser kannten als unsere modernen Orientalisten. Die „Frosch- oder Krötengöttin“ war eine der bedeutendsten kosmischen Gottheiten in Verbindung mit der Schöpfung aufgrund ihrer amphibischen Natur und hauptsächlich wegen ihrer scheinbaren Wiederauferstehung nach langen Zeiten einsamen Lebens, während der sie in alten Mauern, in Felsen und dergleichen verehrt wurde. Zusammen mit Chnum hatte sie nicht nur Anteil an der Gestaltung der Welt, sondern sie wurde auch mit dem [SD # 386] Dogma der Auferstehung in Zusammenhang gebracht.104 Es muss eine sehr tiefe und heilige Bedeutung mit diesem Symbol verknüpft gewesen sein, da es die ersten ägyptischen Christen in ihre Kirchen aufnahmen, obwohl sie damit Gefahr liefen, einer widerwärtigen Form der Tierverehrung beschuldigt zu werden. Ein in eine Lotusblüte eingeschlossener Frosch oder eine Kröte, oder lediglich die Lotusblüte selbst, wurde für die Kirchenlampen als Form gewählt, auf welchen die folgenden Worte eingraviert waren: „Ich bin die Auferstehung – “ ᾽Εγώ εἰμι ἀνάστασις”.105 Diese Froschgöttinnen finden sich auch bei sämtlichen Mumien.

 

 

§ IX
Der Mond, Deus Lunus, Phoebe

Dieses archaische Symbol ist das poetischste und philosophischste aller Symbole. Die alten Griechen stellten es in den Vordergrund, und die modernen Poeten haben es bis zur Abgedroschenheit abgetragen. Die Königin der Nacht, welche in der Majestät ihres einzigartigen Lichts über den Himmel gleitet, alles in Dunkelheit wirft, selbst Hesperos, und ihren Silbermantel über die gesamte Sternenwelt ausbreitet, war schon immer ein Lieblingsthema aller Dichter der Christenheit, von Milton und Shakespeare herab bis zum letzten Dichterling. Aber die strahlende Lampe der Nacht mit ihrem Gefolge unzähliger Sterne regte nur die Fantasie der Profanen an. Bis vor Kurzem hatten Religion und Wissenschaft mit dem schönen Mythos nichts zu tun. Doch der kalte, keusche Mond, in den Worten Shelleys –

. . . . „Der Du all’ verschönst, was dein Lächeln trifft,
Wandernder Schrein der sanften, eis’gen Flamm’,
Immer gewandelt, doch immer derselb’,
Der nicht wärmt, jedoch erleuchtet.” . . . .

steht in engerer Beziehung zur Erde als alle anderen Gestirne. Die Sonne ist der Lebensspender für das ganze Planetensystem. Der Mond ist der Lebensspender für unseren Globus, und die frühen Rassen verstanden und wussten das, selbst in ihrer Kindheit. Er ist die Königin, und er ist der König. Er war König Soma, bevor er in Phoebe und die keusche Diana umgewandelt wurde. Vor allem war er durch die mosaischen und kabbalistischen Juden die Gottheit der Christen, wenn diese Tatsache der zivilisierten Welt auch lange unbekannt geblieben sein mag. Tatsächlich war er das immer, seitdem [SD # 387] der letzte initiierte Kirchenvater die Geheimnisse der heidnischen Tempel mit ins Grab genommen hatte. Für solche „Väter“ – wie Origenes oder Clemens von Alexandria – war der Mond Jehovahs lebendiges Symbol, der Lebens- und der Todesspender, der Daseinsspender – in unserer Welt. Denn wenn Artemis Luna am Himmel und bei den Griechen Diana auf der Erde war, die über die Geburt der Kinder und das Leben wachte, so war sie bei den Ägyptern Hekat (Hekate) in der Hölle, die Göttin des Todes, die Beherrscherin der Magie und der Zaubereien. Mehr als das: Als der personifizierte Mond, dessen Erscheinungen dreifältig sind, ist Diana-Hekate-Luna die Drei in Einem. Denn sie ist die Diva triformis, tergemina triceps – drei Häupter auf einem Hals106, wie Brahmâ-Vishnu-Shiva. Daher ist sie die Urform unserer Dreieinigkeit, die nicht immer ausschließlich männlich gewesen ist. Die Zahl sieben, die in der Bibel eine so hervorragende Rolle spielt und im siebten Tag (Sabbat) so geheiligt wird, kam aus dem Altertum zu den Juden und hatte ihren Ursprung in der vierfältigen Zahl 7, die in den 28 Tagen des Mondmonats enthalten ist, wobei jeder siebenfältige Teil davon durch ein Viertel des Mondes dargestellt wird.

Es ist in diesem Werk die Mühe wert, aus der Vogelschau einen Blick auf den Ursprung und die Entwicklung des Mondmythos und der Mondverehrung auf unserer Seite des Globus im historischen Altertum zu werfen. Ihren früheren Ursprung kann die exakte Wissenschaft nicht zurückverfolgen, die sämtliche Überlieferungen zurückweist; für die Theologie jedoch, welche unter der Führung der schlauen Päpste jedes Bruchstück der Literatur brandmarkte, das nicht die Imprimatur der römischen Kirche trug, ist ihre archaische Geschichte ein Buch mit sieben Siegeln. Ob die ägyptische oder die arisch-indische Religionsphilosophie die ältere ist – die Geheimlehre hält die Letztere für älter – tut in diesem Fall nicht viel zur Sache, da die Mond- und Sonnen-„Verehrung“ die ältesten Verehrungen der Welt darstellen. Beide haben überlebt und treten bis zum heutigen Tag auf der ganzen Welt auf, bei einigen offen, bei anderen – d. h. in der christlichen Symbologie – verborgen. Die Katze, ein lunares Symbol, war der Isis geweiht, die in einem Sinn der Mond selbst war, so wie Osiris die Sonne war. Die Katze findet sich oft am Kopf des Sistrums in der Hand der Göttin. Dieses Tier wurde in der Stadt Bubastis tief verehrt, die nach dem Tod jeder heiligen Katze in tiefe Trauer verfiel, weil in dieser Stadt der Mysterien Isis als der Mond besonders verehrt wurde. Die astronomische Symbolik im Zusammenhang damit wurde bereits in Teil I, „Symbolik“, gegeben, und niemand hat sie besser beschrieben als Gerald Massey in seinen „Lectures“ und in „The Natural Genesis“. Das Auge der Katze, heißt es, scheint den zu- und abnehmenden Mondphasen zu folgen, und ihre Augäpfel leuchten wie zwei Sterne in der Dunkelheit der Nacht. Daher stammt die mythologische Allegorie, die Diana sich in der Gestalt einer Katze im Mond verbergen lässt, als sie in der Gesellschaft anderer Gottheiten der Verfolgung durch Typhon [SD # 388] zu entkommen versuchte (siehe Ovids „Metamorphosen“). Der Mond war in Ägypten beides, das „Auge des Horus“ und das „Auge des Osiris“, der Sonne.

Dasselbe gilt für den Kynokephalen. Der hundsköpfige Affe war eine Glyphe, die symbolhaft abwechselnd Sonne und Mond darstellte, obwohl Kynokephalos eher ein hermetisches als ein religiöses Symbol ist. Denn er ist die Hieroglyphe Merkurs, des Planeten, und des Merkurs der alchemistischen Philosophen, die sagen: „Merkur muss sich immer in der Nähe von Isis befinden, als ihr Diener, denn ohne Merkur können weder Isis noch Osiris irgendetwas in dem Grossen Werk vollbringen.“ Sobald Kynokephalos zusammen mit dem Caduceus abgebildet wird, mit dem Halbmond, oder mit dem Lotus, ist er die Glyphe des „philosophischen“ Merkurs; ist er jedoch mit einem Schilfrohr oder einer Pergamentrolle zu sehen, steht er für Hermes, den Sekretär und Ratgeber der Isis, wie Hanuman, der dasselbe Amt für Rama ausfüllte.

Obwohl die regulären Sonnenverehrer, die Parsen, nicht zahlreich sind, ist nicht nur der Hauptteil der indischen Mythologie und Geschichte auf diesen beiden Kulten aufgebaut und mit ihnen verwoben, sondern auch die christliche Religion selbst. Von ihrem Ursprung an bis zum heutigen Tag hat dieser Kult die Theologien der römisch-katholischen und der protestantischen Kirchen gefärbt. Die Unterschiede zwischen den arisch-indischen und den arisch-europäischen Glaubensbekenntnissen sind in der Tat unbedeutend, wenn lediglich die grundlegenden Ideen der beiden in Betracht gezogen werden. Die Hindus nennen sich selbst mit Stolz vor allem Suryas und Chandravamshas (Nachkommen der solaren und lunaren Dynastien). Die Christen betrachten dies vorgeblich als Götzendienst, und doch hängen sie selbst einer Religion an, die gänzlich auf der Sonnen- und Mondverehrung beruht. Es ist nutzlos und eitel von den Protestanten, sich wegen ihres „Marienkults“ über die römischen Katholiken zu ereifern, der auf dem alten Kult der Mondgöttinnen beruht, solange sie selbst Jehovah verehren, der in der Hauptsache ein lunarer Gott ist, und wenn beide Kirchen in ihren Theologien den „Sonnen“-Christus und die lunare Dreieinigkeit angenommen haben.

Sehr wenig ist über die chaldäische Mondverehrung des babylonischen Gottes Sin bekannt, der von den Griechen „Deus Lunus“ genannt wurde. Dieses Wenige ist geeignet, den profanen Schüler in die Irre zu führen, dem es nicht gelingt, die esoterische Bedeutung der Symbole zu erfassen. Wie es den alten profanen Philosophen und Schriftstellern landläufig bekannt war (denn die Initiierten unter ihnen waren zum Stillschweigen verpflichtet), verehrten die Chaldäer den Mond unter seinen (und ihren) verschiedenen Namen, ebenso wie die Juden, die nach ihnen kamen.

In dem bereits erwähnten unveröffentlichten Manuskript über die Kunst­sprache, welches einen Schlüssel zur Bildung der alten (symbolischen) Sprache enthält, wird eine logische Begründung für die Existenzberechtigung dieser doppelten Verehrung vorgebracht. Es wurde von einem ausgesprochen gut unterrichteten und scharfsinnigen Gelehrten und Mystiker verfasst, der sie in der umfassenden Form einer Hypothese wiedergibt. Letztere wird jedoch in der Geschichte der religiösen [SD # 389] Entwicklung des menschlichen Denkens für jeden, der jemals auch nur einen schwachen Einblick in das Geheimnis der alten Symbologie erhalten hat, zwangsläufig zu einer erwiesenen Tatsache. Er sagt also:

„Eine der ersten Beschäftigungen der Menschen, die zu den tatsächlich notwendigen gehörte, dürfte die Wahrnehmung von Zeitperioden betreffen107, die dem gewölbten Himmelsbogen eingeschrieben sind, der sich über den ebenen Grund des Horizonts oder die Ebene des ruhenden Wassers erhebt. Diese beträfen Tag und Nacht, die Mondphasen, dessen siderische und synodische Umläufe sowie die Periode des Sonnenjahrs mit den wiederkehrenden Jahreszeiten, sowie die Anwendung solcher Perioden auf das natürliche Maß von Tag und Nacht oder dem in den lichten und den dunklen Anteil geteilten Tag. Es würde ebenso entdeckt werden, dass es im Zeitraum eines Sonnenjahres einen längsten und einen kürzesten Sonnentag gibt, sowie zwei Sonnentage mit gleich langen Tag- und Nachtzeiten; und im Jahreslauf könnten deren Punkte mit der größten Genauigkeit in den Sterngruppen des Himmels oder in den Konstellationen registriert werden, welche einer rückläufigen Bewegung unterworfen sind, was mit der Zeit eine Korrektur durch einen Einschub erforderlich machen würde, was auch bei der Beschreibung der Flut der Fall war, wo 150 Tage zur Korrektur eines 600 Jahre umfassenden Zeitraums eingefügt wurden, über dessen Landmarken immer mehr Konfusion herrschte. . . . Das könnte natürlich geschehen . . . . bei allen Rassen und zu allen Zeiten; und man muss davon ausgehen, dass solche Kenntnisse der menschlichen Rasse angeboren waren, vor der von uns als historische Periode bezeichneten Zeit. . . .“

Auf dieser Grundlage sucht der Verfasser nach einer natürlichen physischen Funktion, welche sich in der gesamten menschlichen Rasse manifestiert und mit den periodischen Manifestationen in Zusammenhang steht, so dass „sich die Verbindung zwischen den beiden Arten von Phänomenen . . . im volkstümlichen Gebrauch fixierte“. Er findet das in (a) den Erscheinungen der weiblichen Physiologie, die sich jeden Mondmonat mit 28 Tagen oder alle 4 Wochen mit je 7 Tagen wiederholen, sodass in 364 Tagen 13 Wiederholungen dieser Periode stattfinden, die dem solaren Wochenjahr von 52 Wochen mit je 7 Tagen entsprechen. (b) Die erste Bewegung des Fötus findet in einem Zeitraum von 126 Tagen oder 18 Wochen mit je 7 Tagen statt. (c) Der Zeitraum bis zur sogenannten „Lebensfähigkeit“ beträgt 210 Tage oder 30 Wochen mit je 7 Tagen. (d) Der Zeitraum bis zur Entbindung wird in 280 Tagen vollendet oder in 40 Wochen mit je 7 Tagen oder in 10 Mondmonaten mit je 28 Tagen oder in 9 Kalendermonaten mit je 31 Tagen, wobei das Maß für die Übergangsperiode von der Finsternis des Mutterschoßes zum Licht und zur Herrlichkeit des bewussten Daseins, dieses immerwährenden, unergründlichen Geheimnisses und Wunders, vom königlichen Bogen des Himmels abgenommen wurde . . . Die Wirkungsweisen der die Geburtsfunktion betreffenden beobachteten Zeitperioden würden daher auf natürliche Weise zur Grundlage astronomischer Berechnungen werden . . . Wir können annähernd bestätigen, . . . dass die Berechnungen bei allen Nationen auf diese Weise angestellt wurden, entweder unabhängig, intermediär oder indirekt durch Unterricht. Die Hebräer verfuhren auf diese Weise, denn bis heute berechnen sie den Kalender mithilfe der 354 oder 355 Tage des Mondjahrs, und wir besitzen ein besonderes Zeugnis dafür, dass das auch die Vorgehensweise der alten Ägypter war, was wie folgt zu beweisen ist:

[SD # 390] Die der Religionsphilosophie der Hebräer zugrundeliegende Idee war, dass Gott alle Dinge in sich enthalte108 und dass der Mensch sein Abbild sei, der Mensch einschließlich der Frau . . . Die Position, welche bei den Hebräern Mann und Frau einnahmen, hatten bei den Ägyptern Stier und Kuh inne, Osiris und Isis geweiht,109 die dementsprechend durch einen Mann mit einem Stierkopf und durch eine Frau mit einem Kuhhaupt dargestellt und als Symbole verehrt wurden. Bekanntlich war Osiris die Sonne und der Fluss Nil und das tropische Jahr von 365 Tagen, wobei diese Zahl dem Wert des Wortes Neilos entspricht und dem Stier, da er auch das Prinzip des Feuers und der Leben spendenden Kraft war, wohingegen Isis für den Mond stand, das Flussbett des Nils oder Mutter Erde wegen der Leben spendenden Kräfte, für die Wasser eine notwendige Voraussetzung war. Dann das Mondjahr von 354–364 Tagen, der Zeitmesser der Schwangerschaftsperiode, und die Kuh, die durch oder mit der Sichel des Neumonds gekennzeichnet war. . . .

Die Ägypter verwendeten die Kuh anstelle der Frauen der Hebräer; damit wurde nicht irgendein radikaler Bedeutungsunterschied beabsichtigt, sondern vielmehr eine Übereinstimmung der Lehre und lediglich der Ersatz eines Symbols von gemeinsamer Bedeutung, namentlich wurden die Dauer der Tragzeit der Kuh und der Schwangerschaft der Frau mit 280 Tagen oder zehn Mondmonaten zu je 4 Wochen für gleich lang angenommen. Und in dieser Zeitdauer bestand der wesentliche Wert dieses Tiersymbols, dessen Zeichen die zunehmende Mondsichel war110 . . . Diese Schwangerschafts- und Naturperioden sind auf der ganzen Welt Gegenstand der Symbolik. Sie wurden somit von den Hindus verwendet und finden sich höchst eindeutig dargelegt bei den alten Amerikanern auf den Richardson- und Gest-Tafeln im Palenque-Kreuz; und sie stellen offenbar auch die Grundlage für die Entwicklung der Kalenderformen der Maya von Yukatan, der Inder, der Assyrer und der alten Babylonier so gut wie der Ägypter und der alten Hebräer. Die natürlichen Symbole . . . wären entweder der Phallus oder der Phallus und die Yoni, . . . oder das Männliche und das Weibliche. In der Tat sind die im 27. Vers des ersten Kapitels der Genesis durch den verallgemeinernden Ausdruck mit männlich und weiblich übersetzten Worte . . . sacr` und n´cabrah oder wortwörtlich Phallus und Yoni111, während die Darstellung der phallischen Embleme kaum auf die genitalen Glieder des menschlichen Körpers verweisen könnten, wenn ihre Funktionen und die von ihnen hervorgebrachten Samenbläschen betrachtet würden; dann ergäbe sich ein Anhaltspunkt für eine Weise, Mondzeiten zu ermitteln und über die Mondzeiten dann Sonnenzeiten.“ . . .

Das ist der physiologische oder anthropologische Schlüssel zum Mond­symbol. Der das Geheimnis der Theogonie oder Evolution der manvantarischen Götter eröffnende Schlüssel ist komplizierter und enthält nichts Phallisches in sich. Alles dort ist mystisch und göttlich. Abgesehen davon, dass die Juden Jehovah unmittelbar mit dem Mond als einem Zeugungsgott in Verbindung brachten, zogen sie es vor, die höheren Hierarchien zu ignorieren und einige von ihnen (Tierkreiskonstellationen und planetarische Götter) zu ihren Patriarchen zu machen und so die [SD # 391] rein theosophische Idee zu euhemerisieren und auf das Niveau der sündigen Menschheit herabzuziehen (siehe Abschnitt „Das Allerheiligste“ in der „Symbolik“ des II. Bandes). Das Manuskript, aus dem das Obige herausgezogen wurde, erklärt sehr deutlich, welcher Hierarchie von Göttern Jehovah angehört und wer dieser jüdische Gott war; es zeigt in klarer Sprache das auf, worauf die Verfasserin immer bestanden hat – nämlich dass der Gott, mit dem sich die Christen belastet haben, nichts Besseres war als das lunare Symbol der Vermehrungs- und Zeugungsfähigkeit in der Natur. Sie ignorierten selbst den hebräischen Geheimgott der Kabbalisten aus den frühesten kabbalistischen und mystischen Konzepten, Ain Soph, eine so großartige Vorstellung wie die über Parabrahman. Aber die Kabbala Rosenroths kann niemals die wahren ursprünglichen Lehren Schimon ben Jochais wiedergeben, die so metaphysisch und philosophisch waren, wie sie nur sein konnten. Und wie viele Schüler der Kabbala gibt es, die mehr darüber wussten als ihre entstellten lateinischen Übersetzungen enthielten? Werfen wir einen Blick auf die Idee, welche die alten Juden dahin führte, für das ewig Unerkennbare einen Ersatz anzunehmen und die Christen dahingehend in die Irre zu führen, dass sie diesen Ersatz für die Wirklichkeit hielten.

Wenn diesen Organen (Phallus und Yoni) als Symbolen schöpferischer kosmischer Kräfte die Vorstellung von . . . . Zeitperioden zugeordnet werden kann, dann sollte in der Tat bei der Konstruktion der Tempel als Wohnungen der Gottheit oder Jehovahs der zum Allerheiligsten oder zum hochheiligsten Platz bestimmte Teil seinen Ehrentitel von der anerkannten Heiligkeit der Zeugungsorgane herleiten, die als Symbole sowohl für die Maße als auch für die schöpferische Ursache betrachtet wurden.“

Bei den alten Weisen existierte kein Name und keine Vorstellung und kein Symbol einer Ersten Ursache.112 Bei den Hebräern war die indirekte Vorstellung davon in einem negierenden Verständnis formuliert, nämlich Ain Soph oder Der-ohne-Grenzen. Aber das Symbol seiner ersten erfassbaren Manifestation war die Vorstellung eines Kreises mit seiner Durchmesserlinie . . . . (siehe Vorwort zu Band I, Teil I), um gleichzeitig eine geometrische, eine phallische und eine astronomische Vorstellung zu vermitteln . . . . denn die Eins hat ihren Ursprung in der Null oder dem Kreis, ohne den sie nicht sein könnte. Und aus der Eins oder ursprünglichen Eins entspringen die neun Ziffern und geometrisch alle Flächen. So ist in der Kabbala dieser Kreis mit seiner Durchmesserlinie das Bild der zehn Sephiroth oder Emanationen, welche Adam Kadmon oder den archetypischen Menschen zusammensetzen, den schöpferischen Ursprung aller Dinge. . . . . Diese Vorstellung, den Kreis und seinen Durchmesser miteinander zu verbinden, d. h. die für die Fortpflanzungsorgane stehende Zahl zehn und den allerheiligsten Ort, wurde mit der Königskammer oder dem Allerheiligsten der Großen Pyramide konstruktiv ausgeführt, im Tabernakel des Moses und im Allerheiligsten in Salomons Tempel. . . . . Es ist das Bild eines doppelten Schoßes, denn im Hebräischen ist der Buchstabe ה gleichzeitig die Zahl 5 und das Symbol des Schoßes, und zweimal 5 ist 10 oder die phallische Zahl.“

Dieser „doppelte Schoß“ zeigt auch die Dualität der Vorstellung, die von [SD # 392] der höchsten spirituellen bis zur tiefsten oder irdischen Ebene herabgeführt und von den Juden auf Letztere beschränkt wurde. Aus diesem Grund erlangte bei ihnen die Zahl 7 den herausragendsten Platz in ihrer exoterischen Religion, einem Kult äußerlicher Formen und leerer Rituale; wie zum Beispiel ihr Sabbat, der siebte Tag, der ihrer Gottheit, dem Mond, als Symbol des generativen Jehovah geweiht war. Bei anderen Nationen stand die Zahl sieben jedoch typischerweise für die theogonische Evolution, für Zyklen, kosmische Ebenen und für die sieben Kräfte und okkulten Mächte des Kosmos als einem schrankenlosen Ganzen, dessen erstes, oberes Dreieck für den endlichen Verstand des Menschen unerreichbar war – während also andere Nationen sich in ihrer gewaltsamen Begrenztheit des Kosmos in Zeit und Raum lediglich mit seiner siebenfältigen manifestierten Ebene beschäftigten, zentrierten die Juden diese Zahl einzig und allein auf den Mond und gründeten darauf alle ihre heiligen Berechnungen. Deshalb die Anmerkung des aufmerksamen Verfassers des eben angeführten Manuskripts in Bezug auf die Metrologie der Juden: „Wird 20.612 mit 4/3 multipliziert, ergibt das Produkt eine Basis zur Bestimmung der exakten Zeitdauer der mittleren Mondumlaufzeit, und wenn dieses Produkt erneut mit 4/3 multipliziert wird, stellt dieses weitere Produkt eine Basis zur exakten Bestimmung des mittleren solaren Jahres zur Verfügung, . . . diese Form . . . leistet sehr große Dienste bei der Bestimmung astronomischer Zeitperioden.“ Diese doppelte (männliche und weibliche) Zahl wird auch durch einige wohlbekannte Götterbilder symbolisiert, z. B. „Ardhana-Iswara, die Isis der Hindus, Eridanus oder Ardan oder den hebräischen Jordan oder den Ursprung des Abstiegs. Sie steht auf einem auf dem Wasser schwimmenden Lotusblatt. Aber die Bedeutung ist, dass es androgyn oder hermaphroditisch ist, dass Phallus und Yoni vereint sind, die Zahl 10, der hebräische Buchstabe Jod י, die Eingrenzung Jehovahs. Sie, oder vielmehr sie-er, markiert auf demselben 360 Grad umfassenden Kreis die Minuten.“

In seinem besten Aspekt ist „Jehovah“ Binah, „die obere vermittelnde Mutter, das große Meer oder der Heilige Geist“, und daher vielmehr ein Synonym für Maria, die Mutter Jesu, als für seinen Vater. Diese „Mutter, die das lateinische Mare ist“, das Meer, ist hier also auch Venus, die Stella del Mare oder der „Meeresstern“.

Die Vorfahren der geheimnisvollen Akkadier – die Chandra- oder Indovansas, die Mondkönige, deren Überlieferung sie lange vor unserer Zeit über Prayaga (Allahabad) regieren lässt – waren aus Indien gekommen und hatten die Verehrung ihrer Vorväter für das Soma und seinen Sohn Budha mitgebracht, welche später auch von den Chaldäern verehrt wurden. Eine solche Anbetung, weit entfernt von volkstümlicher Sternen- und Sonnenverehrung, stellt jedoch in keinem Sinn einen Götzendienst dar. Auf jeden Fall nicht mehr als die moderne römisch-katholische Symbolik, welche die Jungfrau Maria – die Magna Mater der Syrer und Griechen – mit dem Mond in Verbindung bringt.

Auf diese Verehrung sind die frömmsten der römischen Katholiken sehr stolz [SD # 393] und bekennen sich laut zu ihr. In einem Mémoire an die französische Akademie sagt der Marquis de Mirville:

„Es ist nur natürlich, als eine unbewusste Weissagung, dass Amun-Re der Gemahl seiner Mutter sein sollte, da die Magna Mater der Christen genau die Gattin des Sohnes ist, den sie empfängt. . . . Wir (Christen) können jetzt verstehen, warum Neith ihre Strahlen auf die Sonne wirft und doch der Mond bleibt, da die Jungfrau, welche die Himmelskönigin ist, wie es auch Neith war, sich selbst in ihren Glanz hüllt und ihrerseits die Christus-Sonne bekleidet.“ „Tu vestis solem et te sol vestit“ . . . wie die römischen Katholiken in ihrem Gottesdienst singen, und er fügt hinzu:

„Wir (Christen) verstehen auch, warum die berühmte Inschrift zu SaÏs lauten sollte, dass ‘noch niemals jemand meinen Schleier (peplum) gelüftet hat’, wenn wir in Betracht ziehen, dass dieser Satz, wörtlich übersetzt, die Zusammenfassung dessen ist, was in der Kirche am Tag der unbefleckten Empfängnis gesungen wird.“ („Archaeology of the Virgin Mother“, S. 117)

Sicherlich könnte nichts aufrichtiger sein als das! Es rechtfertigt vollständig, was Gerald Massey in seiner Vorlesung über „Luniolatry: Ancient and Modern“ sagte:

„Dem Mann im Mond (Osiris-Sut, Jehovah-Satan, Christus-Judas und andere lunare Zwillinge) wird oft schlechtes Benehmen unterstellt. . . . In Bezug auf die lunaren Phänomene stellte sich der Mond geschlechtlich als zweifältig und in Bezug auf den Charakter als dreifältig dar – als Mutter, Kind und erwachsener Mann. Auf diese Weise wurde das Kind des Monds der Gatte seiner eigenen Mutter! Das ließ sich überhaupt nicht vermeiden, wenn irgendeine Art von Fortpflanzung eine Rolle spielen sollte. Er wurde dazu gezwungen, sein eigener Vater zu sein! Diese Verwandtschaftsbeziehungen wurden von der späteren Soziologie zurückgewiesen und der ursprüngliche Mann im Mond zum Tabu erklärt. Und dennoch wurde genau das in seiner letzten, unverständlichsten Phase zur Hauptlehre des gröbsten Aberglaubens, den die Welt je gesehen hat, denn diese Mondphänomene und ihre menschlich dargestellten Wechselbeziehungen, bis hin zur Blutschande, sind exakt die Grundlage der christlichen Dreiheit in der Einheit. Durch die Unkenntnis der Symbolik wurde die einfache Darstellung der Frühzeit zum tiefsten religiösen Geheimnis der modernen Mondverehrung. Ohne sich des Beweises auch nur im Mindesten zu schämen, porträtiert die römische Kirche die in die Sonne gehüllte Jungfrau Maria mit dem sichelförmigen Mond zu ihren Füßen, das Mondkind in ihren Armen haltend – als Kind und Gatten des mütterlichen Mondes! Mutter, Kind und erwachsener Mann sind fundamental.

Auf diese Art kann bewiesen werden, dass unsere Christologie eine mumifizierte Mythologie und märchenhafte Sage ist, die uns sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament als göttliche Offenbarung, als von der Stimme Gottes selbst verkündet angedreht wurde.“

Im „Zohar“ ist eine reizende Allegorie zu finden, die den wahren Charakter Jehovahs oder YHVH in der ursprünglichen Vorstellung der hebräischen Kabbalisten besser als alles andere enthüllt. Sie findet sich heute in der Philosophie der von Isaac Myer übersetzten Kabbala von ibn Gabirol. Unser Verfasser sagt: „In der von R. ‘Hiz’qee-yah geschriebenen Einleitung, die sehr alt ist und einen Teil unserer Brody-Ausgabe des „Zohar“ bildet (I, 5b ff.), findet sich ein Bericht über eine von Rabbi Eleazar, Sohn des Rabbi Schimon ben Jochai, zusammen mit Rabbi Abba unternommene Reise. Sie trafen einen Mann, der eine schwere Last trug und fragten ihn nach seinem Namen; er aber weigerte sich, ihn zu nennen und fuhr fort, ihnen die Thora [SD # 394] (das Gesetz) zu erklären. Sie fragten: ‘Wer veranlasste dich, solcherart zu wandeln und eine so schwere Last zu tragen?’ Er antwortete: ‘Der Buchstabe י, (Yod, das 10 entspricht und Kether symbolisiert und die Essenz und der Keim des Heiligen Namens ist הוהי YHVH).’ . . . . Sie sagten zu ihm. ‘Wenn du uns den Namen deines Vaters nennen willst, so werden wir den Staub deiner Füße küssen.’ Er erwiderte: ‘Was meinen Vater anbelangt, so hatte er seine Wohnung in der Großen See und war ein Fisch darin (wie Vishnu und Dagon oder Oannes), ‘welcher (zuerst) die Große See zerstörte . . . . . und er war groß und mächtig und „der Alte der Tage“, bis dass er alle anderen Fische in der (Großen) See verschlang.‘ . . . Rabbi Eleazar hörte zu und sprach zu ihm: ‘Du bist der Sohn der Heiligen Flamme, du bist der Sohn von Rab Ham-’nun-ah Sabah [der Alte: Fisch ist im Aramäischen oder Chaldäischen nun (noon)], du bist der Sohn des Lichts der Thora.“ (Dharma) usw. Dann erklärt der Verfasser, dass Binah, die weibliche Sephira, von den Kabbalisten die Große See genannt wird. Daher ist Binah, deren göttliche Namen Jehovah, Yah und Elohim lauten, ganz einfach die chaldäische Tiamat, die weibliche Kraft, die Thalatta des Berossos, welche dem Chaos vorsteht; später wurde sie von der christlichen Theologie zur Schlange und zum Teufel erklärt. Er-Sie (Yah-hovah) ist das Überirdische (He und Eva). Dieses Yah-hovah nun, oder Jehovah, ist identisch mit unserem Chaos – Vater, Mutter, Sohn – auf der materiellen Ebene und in der rein physischen Welt. Gleichzeitig Demon und Deus; Sonne und Mond, Gutes und Böses, Gott und Dämon.

Lunarer Magnetismus erzeugt Leben, erhält und zerstört es, sowohl psychisch als auch physisch. Und wenn er astronomisch einer der sieben Planeten der Alten Welt ist, so ist er in der Theogonie einer ihrer Regenten, bei den Christen jetzt ebenso wie bei den Heiden, indem die Ersteren unter dem Namen eines ihrer Erzengel auf ihn Bezug nehmen und die Letzteren unter dem eines ihrer Götter.

Daher ist die Bedeutung des „Märchens“ leicht zu verstehen, das Chwolson aus einer alten chaldäischen Handschrift ins Arabische übertrug, worin Qu-tamy vom Idol des Mondes unterrichtet wird (siehe Buch III). Seldenus verrät uns das Geheimnis, ebenso wie Maimonides („More Nevochim“, Buch III, Kap. xxx). Die Verehrer der Teraphim (der jüdischen Orakel) „erschufen Bildnisse und behaupteten, dass dadurch, dass das Licht der Hauptsterne (Planeten) dieselben durch und durch durchdringe, die engelhaften Tugenden (oder die Herrscher der Sterne und Planeten) mit ihnen verkehrten und sie viele höchst nützliche Dinge und Künste lehrten.“ Und Seldenus erklärt, dass die Teraphim nach der Stellung gewisser Planeten geschaffen und entworfen wurden, welche die Griechen στοιχεῖα nannten, sowie nach Himmelsgestalten, ἀλεξητῆροι oder Schutzgötter genannt. Jene, welche die στοιχεῖα absteckten, wurden στοιχειωματιχοὶ genannt oder die Wahrsager der στοιχεῖα („De Diis Syriis, Teraph“, II, Synt. S. 31) vide infra die Teraphim.

Derartige Sätze im „Nabatäischen Landbau“ [SD # 395] entsetzten jedoch die Wissenschaftler und veranlassten sie zu erklären, das Werk sei „entweder eine Apokryphe oder ein Märchen und der Beachtung eines Akademikers nicht würdig“. Wie gezeigt wurde, rissen gleichzeitig eifrige römische Katholiken und auch Protestanten diese Überlieferung in Stücke, bildlich gesprochen; die Ersteren, weil „sie die Anbetung von Dämonen beschreibe“, die Letzteren weil sie „gottlos“ sei. Wieder einmal haben alle Unrecht. Diese Überlieferung ist kein Märchen; und was die frommen Kirchenleute angeht, lässt sich diesselbe Anbetung in den Schriften nachweisen, wie sehr sie auch durch die Übersetzung entstellt sein mag. Sonnen- und Mondverehrung sowie die Verehrung der Sterne und Elemente lässt sich in der christlichen Theologie nachweisen und spielt darin ihre Rolle; das wird von den Papisten verteidigt, und die entschiedene Verleugnung durch die Protestanten kann deshalb lediglich auf eigenes Risiko und Rechnung erfolgen. Zwei Beispiele mögen gegeben werden.

Ammianus Marcellinus lehrt, dass die alten Weissagungen immer mit der Unterstützung der Geister der Elemente, „Spiritus elementorum, und im Griechischen πνεύματα τῶν στοιχείων“, vollbracht wurden (1, I, 21).

Nun findet sich aber, dass die Planeten, die Elemente und der Tierkreis nicht nur in Heliopolis mittels der als „Geheimnisse der Elemente“, elementorum arcana, bezeichneten zwölf Steine dargestellt wurden, sondern auch in Salomons Tempel, und nach Hinweisen unterschiedlicher Schriftsteller auch in verschiedenen alten italienischen Kirchen, selbst in Notre Dame de Paris, wo sie bis zum heutigen Tag zu sehen sind.

Kein Symbol – die Sonne eingeschlossen – war in seinen vielfältigen Bedeutungen komplizierter als das des Mondes. Das Geschlecht war natürlich dual. Bei einigen war es männlich, z. B. der hinduistische „König Soma“ und der chaldäische Sin; bei anderen Nationen war es weiblich, die schönen Göttinnen Diana-Luna, Ilithyia, Lucina. Auf Tauris wurden Artemis, einer Form der Mondgöttin, menschliche Schlachtopfer dargebracht; die Kreter nannten sie Diktynna und die Meder und Perser Anaïtis, wie eine Inschrift bei Koloé zeigt: ᾽Αρτέμιδι ᾽Ανάειτι. Aber wir haben es jetzt hauptsächlich mit der keuschesten und reinsten der jungfräulichen Göttinnen zu tun, mit Luna-Artemis, welcher Pamphos als Erster den Beinamen Καλλίστη gab und über die Hippolytos schrieb: Καλλίστα πολὺ παρθενῶν (siehe „Pausanias“, viii, 35, 8). Diese Artemis Lochia, die der Empfängnis und Geburt vorstehende Göttin („Iliad“, „Pausanias“ etc. etc.), ist in ihren Funktionen und als die dreifache Hekate, die orphische Gottheit, die Vorläuferin des Gottes der Rabbiner und der vorchristlichen Kabbalisten, und sie ist sein lunarer Typus. Die Göttin Τρίμορφος war das personifizierte Symbol der verschiedenen aufeinanderfolgenden Erscheinungen, welche in ihren drei Phasen durch den Mond repräsentiert wurden; und diese Auslegung war bereits den Stoikern zu eigen („Cornut.“, De Nat. D. 34, 1), während die Orphiker den Beinamen (Τρίμορφος) mit den drei Naturreichen erklärten, über die sie herrschte. Eifersüchtig, blutdürstig, rachsüchtig und anspruchsvoll ist Hekate-Luna ein würdiges Gegenbild zum „eifersüchtigen Gott“ der hebräischen Propheten.

[SD # 396] Das ganze Rätsel der Sonnen- und Mondverehrung, wie es jetzt in den Kirchen nachgewiesen wird, beruht in der Tat auf diesem weltalten Geheimnis der Monderscheinungen. Die für die moderne Wissenschaft verborgen liegenden, sich aber für die Erkenntnis der östlichen Adepten in voller Tätigkeit befindenden und untereinander in Wechselbeziehungen stehenden Kräfte der „Königin der Nacht“ erklären wohl die tausendundein Bilder, in welchen der Mond bei den Alten dargestellt wurde. Das zeigt auch, wie viel gelehrter die Alten in Bezug auf die Mondmysterien waren als heute unsere modernen Astronomen. Das ganze Pantheon der lunaren Götter und Göttinnen, Nephtys oder Neith, Proserpina, Melitta, Kybele, Isis, Astarte, Venus und Hekate auf der einen Seite, und Apolle, Dionysos, Adonis, Bacchus, Osiris, Atys, Tammuz etc. auf der anderen, zeigen allesamt dem Anschein ihrer Namen und Titel nach – „Söhne“ und „Gatten“ ihrer „Mütter“ – ihre Wesensgleichheit mit der christlichen Dreieinigkeit. In allen religiösen Systemen wurden die Funktionen der Götter als Vater, Sohn und Gatte in eine einzige verschmolzen, und die Göttinnen wurden als „Weib, Mutter und Schwester“ des männlichen Gottes identifiziert; die Ersteren fassten die menschlichen Attribute zusammen zur „Sonne, dem Lebensspender“, die Letzteren versenkten alle anderen Titel in die große, als Maïa, Maya, Maria etc. bekannte Synthese, welche einen Gattungsnamen darstellt. Durch eine aufgezwungene Ableitung erhielt Maïa bei den Griechen die Bedeutung von „Mutter“, von der Wurzel ma (Amme), und gab ihren Namen sogar dem Monat Mai, der allen diesen Göttinnen geweiht war, bevor das nur noch für Maria galt.113 Ihre ursprüngliche Bedeutung jedoch war Maya, Durga, von den Orientalisten als die „Unnahbare“ übersetzt, während die wirkliche Bedeutung die „Unerreichbare“ ist, im Sinn von Täuschung und Unwirklichkeit; als die Quelle und Ursache der Zauberwerke, die Personifizierung der Illusion.

In religiösen Bräuchen diente der Mond einem doppelten Zweck. Als weibliche Göttin personifiziert diente er exoterischen Zwecken. Als männlicher Gott in Allegorie und Symbol personifiziert wurde unser Satellit in der okkulten Philosophie als geschlechtslose Kraft betrachtet, die eingehend studiert werden musste, da man sich vor ihr zu fürchten hatte. Bei den initiierten Ariern, Chaldäern, Griechen und Römern repräsentierten sie die okkulten Kräfte des Monds: Soma, Sin, Artemis Soteira (der hermaphroditische Apollo, dessen Attribut die Leier ist, und die bärtige Diana mit Pfeil und Bogen), Deus Lunus und insbesondere Osiris-Lunus und Thot-Lunus114. Aber einerlei ob männlich oder weiblich, ob Thot oder Minerva, Soma oder Astoreth, ist der Mond das verborgene Geheimnis der Geheimnisse und mehr ein Symbol des Bösen als des Guten. Seine sieben Phasen (nach der ursprünglichen esoterischen Einteilung) werden in drei astronomische Erscheinungen und vier [SD # 397] rein psychische Phasen eingeteilt. Dass der Mond nicht immer verehrt wurde, zeigt sich in den Mysterien, in welchen der Tod des Mondgottes (die drei Phasen des allmählichen Abnehmens und schließlich Verschwindens) so allegorisiert wurden, dass der Mond den Genius des Bösen repräsentierte, der zeitweilig über den licht- und Leben spendenden Gott (die Sonne) triumphiert. Und die gesamte Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit der alten Hierophanten der Magie war notwendig, um diesen Triumph in eine Niederlage zu verwandeln.

In der dritten Rasse unserer Runde, bei den Hermaphroditen, wurde in der ältesten aller Anbetungen der männliche Mond heilig, als nach dem sogenannten „Fall“ die Geschlechter getrennt worden waren. „Deus Lunus“ wurde dafür dann androgyn, abwechselnd männlich und weiblich; um den Atlantiern der vierten Wurzelrasse schließlich als duale Kraft für die Zauberei zu dienen. In der fünften Wurzelrasse (unserer eigenen) teilte die Mond- und Sonnenverehrung die Nationen in zwei getrennte, feindliche Lager. Sie führte zu Ereignissen, welche Äonen später im mahabharatischen Krieg beschrieben wurden, der für die Europäer der märchenhafte und für die Hindus und Okkultisten der historische Kampf zwischen den Suryavansas und Indovansas ist. Ihren Ursprung in dem doppelten Aspekt des Mondes als Verehrung des weiblichen und des männlichen Prinzips nehmend, mündete diese Verehrung in ausgeprägte Sonnen- und Mondkulte. Bei den semitischen Rassen galt die Sonne sehr lange als weiblich und der Mond als männlich – letztere Auffassung übernahmen sie aus atlantischen Überlieferungen. Vor dem Beginn der Schemesch-Verehrung hieß der Mond „Herr der Sonne“, Bel-Schemesch115. Die Unkenntnis der anfänglichen Gründe für eine solche Unterscheidung sowie der okkulten Prinzipien führte die Nationen zu einem anthropomorphischen Götzendienst. Aber die Religion aller alten Völker hat ursprünglich auf den okkulten Offenbarungen einer rein abstrakten Kraft oder eines solchen Prinzips beruht, das jetzt „Gott“ genannt wird. Die Einrichtung einer solchen Verehrung allein zeigt in ihren Einzelheiten und Gebräuchen, dass die mit der Entwicklung solcher subjektiven und objektiven Natursysteme beschäftigten Philosophen über tiefgehende Kenntnisse verfügten und mit vielen Tatsachen [SD # 398] wissenschaftlicher Natur vertraut waren. Denn abgesehen davon, dass sie rein okkult waren, beruhten die Gebräuche der Mondverehrung, wie soeben gezeigt worden ist, auf einer Kenntnis der Physiologie (einer ganz modernen Wissenschaft bei uns), der Psychologie, der heiligen Mathematik, Geometrie und Metrologie und ihrer korrekten Anwendung auf Symbole und Figuren, welche lediglich Glyphen darstellen, die beobachtete natürliche und wissenschaftliche Fakten aufzeichnen; kurz gesagt, auf einer höchst eingehenden und tiefen Kenntnis der Natur. Der lunare Magnetismus erzeugt Leben, bewahrt und zerstört es. Soma verkörpert die dreifache Kraft der Trimurti, obwohl es bis zum heutigen Tag für die Profanen unerkennbar bleibt. Die Allegorie, nach der Soma, der Mond, in einem anderen Manvantara von den Göttern durch das Rühren des Lebensozeans (des Raums) hervorgebracht wurde (d. h. an dem prägenetischen Tag unseres Planetensystems), und die weitere Allegorie mit der Angabe, dass die „Rishis die Erde molken, deren Kalb Soma war, der Mond“, haben eine tiefe, weltbeschreibende Bedeutung, denn weder ist es unsere Erde, die gemolken wurde, noch war der uns bekannte Mond das Kalb116. Hätten unsere weisen Wissenschaftler ebenso viel von den Geheimnissen der Natur gewusst wie die alten Arier, hätten sie sich sicherlich niemals eingebildet, dass der Mond aus der Erde herausgeschleudert worden sei. Noch einmal müssen wir uns die ältesten Permutationen in der Theogonie – den zu seinem eigenen Vater gewordenen Sohn und die Mutter, die vom Sohn gezeugt wird – ins Gedächtnis rufen und in Betracht ziehen, wenn wir die symbolische Sprache der Alten verstehen wollen. Andernfalls wird die Mythologie bei den Orientalisten immer nur als „die Krankheit, die in einem gewissen Stadium der menschlichen Kultur auftritt“ herumgeistern, wie Renouf in einem Vortrag von Hibbert würdevoll anmerkt.

Die Alten lehrten sozusagen die Selbst-Erzeugung der Götter: Die eine göttliche Essenz, nicht geoffenbart, erzeugt beständig ein ihrer Natur nach androgynes Zweit-Selbst, das manifestiert ist, und das gebiert auf unbefleckte Weise alles Makrokosmische und Mikrokosmische in diesem Universum. Das wurde einige Seiten weiter vorne mithilfe des Kreises und seines Durchmessers oder der heiligen 10 gezeigt.

Aber trotz des außerordentlichen Verlangens unserer Orientalisten, in der Natur ein homogenes Element zu entdecken, wollen sie es nicht sehen; in ihren Untersuchungen durch derartige Unwissenheit beengt, werden die Arianisten und Ägyptologen in ihren Spekulationen beständig von der Wahrheit abgelenkt. So ist de Rougé nicht dazu imstande, in dem von ihm übersetzten Text den Sinn dessen zu verstehen, was Amun-Re zu König Amenophis (der für Memnon gehalten wird) sagt: „Du bist mein Sohn, ich habe dich gezeugt.“ Und nachdem er [SD # 399] dieselbe Idee in vielen Texten und verschiedenen Formen wiederfindet, ist dieser sehr christliche Orientalist schließlich gezwungen auszurufen: „Damit diese Idee vom Verstand eines Hierogrammatikers angenommen werden konnte, muss es in ihrer Religion eine mehr oder weniger bestimmte Lehre gegeben haben, die eine göttliche und unbefleckte Inkarnation in einer menschlichen Form als eine mögliche Tatsache darstellte, die sich wirklich einmal ereignen könnte.“ Exakt. Wozu aber sollte man die Erklärung einer unmöglichen Prophezeiung aufbürden, wenn das ganze Geheimnis sich dadurch erklärt, dass die spätere Religion die frühere kopierte?

Diese Lehre war universal, und sie wurde auch nicht von irgendeinem Hierogrammatiker ausgedacht; denn die indischen Avataras beweisen das Gegenteil. Nachdem de Rougé soweit gekommen war, „sich klarer zu vergegenwärtigen“,117 was der „Göttliche Vater und Sohn“ bei den Ägyptern gewesen sei, versäumt er noch immer zu erklären und zu erkennen, welcher Art die Funktionen waren, die dem weiblichen Prinzip in dieser ursprünglichen Zeugung zugeschrieben wurden. Er findet sie nicht in der Göttin Neith von Saïs. Und doch zitiert er die Ansprache des Komturs an den Kambyses, als er diesen König in den saïtischen Tempel einführte: „Ich machte kund Seiner Majestät die Würde von Saïs, der Wohnstatt von Neith, der großen (weiblichen) Hervorbringerin, der Schöpferin der Sonne, die da ist die Erstgeborene und die nicht gezeugt wurde, sondern nur hervorgebracht“ und somit die Frucht einer unbefleckten Mutter.

Um wieviel großartiger, philosophischer und poetischer ist der tatsächliche Unterschied – für jeden, der imstande ist, ihn zu verstehen und zu würdigen – zwischen der unbefleckten Jungfrau der alten Heiden und jener der modernen päpstlichen Auffassung. Die ewig junge Mutter Natur – der Gegentypus ihrer Prototypen, der Sonne und des Mondes – erzeugt bei den Ersteren ihren „aus der Seele geborenen“ Sohn, das Universum, und bringt es hervor. Sonne und Mond befruchten als männlich-weibliche Gottheiten die Erde, die mikrokosmische Mutter, und Letztere empfängt und gebiert wiederum ihrerseits. Bei den Christen wird der „Erstgeborene“ (primogenitus) in der Tat erzeugt, d. h. gezeugt, „genitum, non factum“, und tatsächlich empfangen und geboren: „Virgo pariet“, erklärt die lateinische Kirche. So zieht sie das edle geistige Ideal der Jungfrau Maria auf die Erde herab, und indem sie sie „von der Erde, von Staub“ macht, erniedrigt sie das Ideal zur niedersten der anthropomorphischen Göttinnen des Gesindels.

Wahrhaftig, Neith, Isis, Diana etc. etc. waren jede „eine demiurgische Göttin, gleichzeitig sichtbar und unsichtbar, die ihren Platz im Himmel hatte und die Erzeugung der Arten unterstützte“ – mit einem Wort der Mond. Seine okkulten Aspekte und Kräfte sind zahllos. Und in einem dieser Aspekte wird der Mond bei [SD # 400] den Ägyptern zu Hathor, einem anderen Aspekt von Isis118, und diese beiden Göttinnen werden Horus säugend dargestellt. Siehe die Hathor in der ägyptischen Halle im Britischen Museum, wie sie vom Pharao Thutmosis verehrt wird, welcher zwischen ihr und dem Herrn der Himmel steht. Der Monolith stammt aus Karnac; und dieselbe Göttin hat an ihrem Thron folgende Aufschrift angebracht: „Die Göttliche Mutter und Herrin oder die Königin des Himmels“, auch der „Morgenstern“ und das „Licht des Meeres“ (Stella Matutina und Lux Maris). Alle Mondgöttinnen besaßen zwei Aspekte – einer war göttlich, der andere höllisch. Alle waren die jungfräulichen Mütter eines auf unbefleckte Weise geborenen Sohns – der Sonne. Raoul-Rochette zeigt die Mondgöttin der Athener – Pallas oder Kybele, Minerva oder wieder Diana – ihren kleinen Jungen auf ihrem Schoße haltend, bei ihren Festlichkeiten angerufen als Μονογενς
θεοῦ, „die eine Mutter Gottes“, auf einem Löwen sitzend und von zwölf Persönlichkeiten umgeben; in ihnen erkennt der Okkultist die zwölf großen Götter und der fromme christliche Orientalist die Apostel oder vielmehr die griechisch-heidnische Prophezeiung ihrer selbst.

Sie haben beide Recht, denn die unbefleckte Göttin der lateinischen Kirche ist eine getreue Kopie der älteren heidnischen Göttinnen; die Anzahl (zwölf) der Apostel entspricht jener der zwölf Stämme, und die Letzteren sind eine Personifizierung der zwölf großen Götter und der zwölf Zeichen des Zodiaks. Fast jede Einzelheit des christlichen Dogmas ist von den Heiden entlehnt. Semele, die Frau Jupiters und die Mutter von Bacchus, der Sonne, wird laut Nonnus nach ihrem Tod ebenfalls „emporgetragen“ oder in den Himmel erhoben, wo sie zwischen Mars und Venus herrscht, unter dem Namen der Königin der Welt oder des Universums, πανβασιλεία; „vor deren Namen“, wie bei den Namen Hathors, Hekates und anderer Höllengöttinnen, „alle Dämonen erzittern“.119

Σεμελῆν τρέμουσι δαίμονες.“ Diese griechische Inschrift auf einem kleinen Tempel, auf einem Stein reproduziert, der von jemandem gefunden wurde und den Montfaucon kopierte, wie uns de Mirville sagt (113 ff., „Archéologie de la Vièrge-Mère“), teilt uns die verblüffende Tatsache mit, dass die Magna Mater der Alten Welt ein unverschämtes, vom Teufel verübtes Plagiat der unbefleckten jungfräulichen Mutter seiner Kirche war. Ob so oder vice versa, ist nicht von Bedeutung. Von Interesse zu bemerken ist lediglich die vollkommene Übereinstimmung zwischen der archaischen Kopie und dem modernen Original.

Hätten wir ausreichend Raum, würden wir auf die unbegreifliche Kaltblütigkeit und Gleichgültigkeit hinweisen, die gewisse Anhänger der römisch-katholischen Kirche zur Schau stellten, als man ihnen die Enthüllungen der Vergangenheit vor Augen hielt. Auf die Bemerkung Maurys, dass „die Jungfrau von allen Heiligtümern der Ceres und [SD # 401] der Venus Besitz ergriff, und dass die heidnischen Riten, die zu Ehren dieser Göttinnen verkündet und praktiziert wurden, im großen Maßstab auf die Mutter Christi übertragen wurden“, antwortet der Anwalt Roms:

„Dass das eine Tatsache ist, und dass es genau so ist, wie es sein soll und ganz natürlich. Da das Dogma, die Liturgie und die Riten, die von der römisch-apostolischen Kirche im Jahre 1862 verkündet wurden, sich auf Monumenten eingraviert und auf Papyri und Zylinder aus der Zeit kurz nach der Sintflut aufgezeichnet finden, scheint es unmöglich, die Existenz eines ersten vorgeschichtlichen (römischen) Katholizismus zu leugnen, von welchem unser eigener lediglich die getreue Fortsetzung darstellt. . . . Während jedoch Ersterer der Gipfelpunkt, das summum dämonischer Unverschämtheiten und Goëtischer Nekromantie war . . . . ist Letzterer göttlich. Wenn in unserer (christlichen) Offenbarung (l’ Apocalypse) Maria, mit der Sonne bekleidet und mit dem Mond unter ihren Füßen, nichts weiter mit der demütigen Magd von Nazareth (sic) gemein hat, so kommt das daher, dass sie jetzt zur größten theologischen und kosmologischen Kraft in unserem Universum geworden ist.“ („Archaeol. de la Vièrge-Mère“, S. 119 und 116, und von Marquis de Mirville)

Wahrhaftig so, da Pindars „Hymnen an Minerva“ (XXXI), . . . „die zur rechten Hand ihres Vaters Jupiter sitzt und mächtiger ist als alle übrigen (Engel oder) Götter“ genauso für die Jungfrau gelten. Es ist der Hl. Bernhard, der nach dem Zitat von Cornelius a Lapide die Jungfrau Maria auf folgende Art angerufen haben soll:

„Der Sonnen-Christus lebt in dir und du lebst in ihm.“ (Predigt auf die Heilige Jungfrau) . . . .

Derselbe schlichte heilige Mann gesteht ferner zu, dass die Jungfrau der Mond ist. Als Lucina der Kirche, also bei der Geburt eines Kindes, werden die Verse Virgils auf sie angewendet: „Casta fave Lucina, tuus jam regnat Apollo“ – „Wie der Mond ist die Jungfrau die Königin des Himmels“, fügt der unschuldige Heilige hinzu. („Apok“, Kap. xii, Komm. von Cornelius a Lapide).

Das beantwortet die Frage. Nach Schriftstellern wie de Mirville erscheint die christliche Religion umso göttlicher und erweist sich umso klarer als die einzige wahrhaftig inspirierte, insbesondere in ihrer römisch-katholischen Form, je größer die Ähnlichkeit zwischen den heidnischen Vorstellungen und den christlichen Dogmen ist. Die ungläubigen Wissenschaftler und Akademiker, die meinen, in der römischen Kirche das genaue Gegenteil göttlicher Inspiration zu erkennen und die nicht an den satanischen Trick eines Plagiats durch Vorwegnahme glauben wollen, werden streng ins Gebet genommen. Aber da „glauben sie an nichts und lehnen selbst den ‘Nabathäischen Landbau’ als Romantik und als einen Haufen abergläubischen Unsinns ab“, klagt der Memoirenschreiber. „Ihrer verdrehten Ansicht nach sind Qu-tamys ‘Mondidol’ und die Statue der Madonna ein und dasselbe!“ Ein edler Marquis schrieb vor zwanzig Jahren sechs umfangreiche Bände oder, wie er sie nennt, „Mémoires an die Französische Akademie“, einzig und allein zu dem Zweck zu beweisen, dass der römische Katholizismus ein inspirierter und geoffenbarter Glaube ist. Zum Beweis dafür bringt er zahllose Tatsachen vor, die alle darauf abzielen zu zeigen, dass die gesamte Welt seit den Tagen [SD # 402] der Sintflut ohne Unterbrechung mithilfe des Teufels die Riten, Zeremonien und Dogmen der zukünftigen Heiligen Kirche, die erst Zeitalter später geboren werden sollte, systematisch plagiiert habe. Was dieser getreue Sohn Roms wohl gesagt hätte, wenn er seinen Religionsgenossen – Herrn Renouf, den ausgezeichneten Ägyptologen des Britischen Museums – in einer seiner gelehrten Vorlesungen hätte erklären hören, dass „weder die Hebräer noch die Griechen irgendeine ihrer Ideen aus Ägypten hatten?“120

Aber vielleicht ist es genau das, was Herr Renouf sagen wollte, nämlich dass die Ägypter, die Griechen und die Arier ihre Ideen aus der römischen Kirche entlehnten? Und wenn es so wäre, warum im Namen der Logik weisen die Papisten dann die weiteren Informationen zurück, welche ihnen die Okkultisten über die Mondverehrung geben könnten, wenn doch alles dazu tendiert zu beweisen, dass ihre Verehrung (der römisch-katholischen Kirche) so alt ist wie die Welt – des Sabäertums und der Astrolatrie?

Die frühzeitige christliche und spätere römisch-katholische Sternen­verehrung und die symbolische Verehrung von Sonne und Mond –, die mit jener der Gnostiker identisch ist, jedoch weniger philosophisch und unreiner als die „Sonnenverehrung“ der Zoroastrier – resultiert natürlich aus ihrer Abstammung und ihrem Ursprung. Die Übernahme solcher Symbole wie des Wassers, des Feuers, der Sonne, des Mondes und der Sterne und vielerlei anderer Dinge durch die römische Kirche stellt lediglich eine Fortsetzung der alten Verehrung der heidnischen Nationen durch die ersten Christen dar. So erhielt Odin seine Weisheit, seine Kraft und sein Wissen dadurch, dass er Mimir zu Füßen saß, des dreimalweisen Jötunn, der sein Leben an der Quelle der ursprünglichen Weisheit zubrachte und deren kristallklare Wasser sein Wissen jeden Tag mehrten. Mimir „gewann die höchste Erkenntnis aus der Quelle, weil die Welt aus dem Wasser geboren wurde. Daher war die ursprüngliche Weisheit in diesem geheimnisvollen Element zu finden.“ („Asgard and the Gods“, S. 86) Das Auge, das Odin opfern musste, um diese Erkenntnis zu erlangen, mag „die Sonne sein, die alle Dinge erleuchtet und durchdringt. Sein anderes Auge ist der Mond, dessen Widerschein aus der Tiefe blickt und der zum Schluss, wenn er untergeht, in den Ozean versinkt.“ (Ibid.) Aber darüber hinaus ist es noch etwas mehr als das. Von Loki, dem Feuergott, heißt es, er habe den Lichtbringer, dessen Widerschein er darin fand, sowohl im Wasser als auch im Mond verborgen; und diese Überzeugung, dass das Feuer im Wasser Zuflucht fände, beschränkte sich nicht nur auf die alten Skandinavier. Er wurde von allen Nationen geteilt und schließlich von den ersten Christen übernommen, die den Heiligen Geist in der Gestalt des Feuers symbolisierten, „gespaltene Zungen wie Feuer“ – der Atem von Vater-Sonne. Dieses „Feuer“ steigt auch hinab in das Wasser oder in die See: Mare, Maria. Die Taube war bei verschiedenen Nationen das Symbol der Seele, sie war der Venus geheiligt, der aus dem [SD # 403] Meeresschaum geborenen Göttin, und wurde später das Symbol der christlichen Anima Mundi oder des Heiligen Geistes.

Eines der okkultesten Kapitel des „Totenbuchs“ ist Kap. lxxx, und es trägt den Titel: „Die Verwandlung in den Gott, der Licht auf den Pfad der Finsternis wirft“, worin das „weibliche Licht des Schattens“ Thot bei seinem Rückzug in den Mond dient. Es heißt, dass sich Thot-Hermes darin verbirgt, weil er die Geheime Weisheit repräsentiert. Wenn er sich in die entgegengesetzte Hemisphäre zurückziehen soll, ist er der geoffenbarte Logos seiner hellen Seite, die verborgene Gottheit oder die „dunkle Weisheit“. Von seiner Macht sprechend, nennt sich der Mond selbst wiederholt: „das Licht, das in der Finsternis scheint,“ das „weibliche Licht“. So wurde er das akzeptierte Symbol aller jungfräulich-mütterlichen Göttinnen. Wie die verruchten „bösen“ Geister in längst vergangenen Zeiten gegen den Mond ankämpften, sollen sie noch heute kämpfen, ohne jedoch imstande zu sein, sich gegen die tatsächliche Königin des Himmels, Maria, den Mond, durchzusetzen. Daher stand der Mond auch in allen heidnischen Theogonien in enger Verbindung mit dem Drachen, seinem ewigen Feind; die Jungfrau oder Madonna steht auf dem in dieser Form symbolisierten mythischen Satan, der unter ihren Füßen liegt, zermalmt und kraftlos. Das wurde im alten Griechenland auch durch die beiden Schlangen symbolisiert, da das Haupt und der Schwanz des Drachen bis zum heutigen Tag in der östlichen Astronomie den aufsteigenden und absteigenden Knoten des Mondes repräsentierten. Herkules tötet die Schlangen am Tag seiner Geburt, und das Gleiche tut das Kind in den Armen seiner jungfräulichen Mutter. Wie Gerald Massey treffend in diesem Zusammenhang bemerkt: „All diese Symbole bildeten von Anfang an ihre eigenen Tatsachen ab und stellten nicht andere Fakten aus ganz anderen Ordnungen vor. Die Ikonografie (und auch die Dogmen) haben sich in Rom aus einer entfernten vorchristlichen Periode erhalten. Es gab weder Fälschung noch Interpolationen von Typen; nichts als einen Fortbestand der Symbolik mit einer Verdrehung ihrer Bedeutung.

 

 

§ X
Baum-, Schlangen- und KrokodilVerehrung

„Dem Gegenstand des Entsetzens oder der Anbetung, der Schlange, begegnen die Menschen mit unversöhnlichem Hass, oder sie werfen sich vor ihrem Genius zu Boden. Die Lüge erwählt sie, die Klugheit beansprucht sie, der Neid trägt sie in seinem Herzen und die Beredsamkeit auf ihrem Stabe. In der Hölle bewaffnet sie die Geißel der Furien, im Himmel macht die Ewigkeit sie zu ihrem Symbol.”
– de Chateaubriand

Die Ophiten behaupteten, zwischen Gott und Menschen existierten unterschiedliche Arten von Genien und dass deren relative Überlegenheit vom Maß des jedem Einzelnen gewährten [SD # 404] Lichts entschieden werde. Und sie beteuerten, dass man die Schlange beständig anrufen und ihr danken müsse für den außerordentlichen Dienst, den sie der Menschheit erwiesen habe, denn sie hätte Adam gelehrt, sein Wesen würde unermesslich erhöht durch die Erkenntnis und Weisheit, die er mit dem Genuss der Frucht des Baums der Erkenntnis von Gut und Böse erlangen könne. Das wurde exoterisch als Grund angegeben.

Man kann leicht sehen, wo die ursprüngliche Idee dieses doppelten, janusartigen guten und des bösen Charakters der Schlange herstammt. Dieses Symbol gehört zu den ältesten, weil die Reptilien den Vögeln vorausgingen und die Vögel den Säugetieren. Daher der Glaube oder vielmehr der Aberglaube der wilden Völker, die meinen, dass die Seelen ihrer Vorfahren in dieser Form leben und die verbreitete Verbindung der Schlange mit dem Baum. Die Legenden über die unterschiedlichen Dinge, die sie darstellt, sind zahllos; da aber die meisten von ihnen allegorisch sind, sind sie jetzt in die Reihe der auf Unwissenheit und finsterem Aberglauben beruhenden Fabeln übergegangen. Wenn beispielsweise Philostratos erzählt, dass die Eingeborenen Indiens und Arabiens Herz und Leber von Schlangen verspeisten, um die Sprachen aller Tiere zu erlernen, weil man der Schlange diese Fähigkeit zuschrieb, hatte er sicherlich niemals im Sinn, dass seine Worte buchstäblich verstanden würden (siehe „Vita Apollinii“, 1, xiv). Wie man im Verlauf unserer weiteren Ausführungen mehr als einmal finden wird, wurden die „Weisen“, die initiierten Adepten der alten Zeiten, als „Schlangen“ und „Drachen“ benannt. Es war ihre Weisheit und ihre Gelehrsamkeit, die von ihren Anhängern verschlungen oder assimiliert wurden, daher die Allegorie. Wenn vom skandinavischen Sigurd in einer Fabel erzählt wird, dass er das Herz des von ihm erschlagenen Drachens Fafnir geröstet habe und dadurch der weiseste der Menschen geworden sei, so hat das dieselbe Bedeutung. Sigurd war in den Runen und magischen Zaubern unterrichtet; er empfing das „Wort“ von einem Initiierten mit jenem Namen, oder von einem Zauberer, woraufhin Letzterer verstarb, wie es viele tun, nachdem sie „das Wort weitergegeben haben“. Epiphanius gibt ein Geheimnis der Gnostiker preis, als er versucht, ihre Ketzereien zu enthüllen: Die gnostischen Ophiten, sagt er, hatten einen Grund, die Schlange zu verehren, „nämlich weil sie die ersten Menschen die Mysterien lehrte“ („Adv. Haeres.“, 37). Wahrhaftig so; aber sie dachten nicht an Adam und Eva im Garten, als sie dieses Dogma lehrten, sondern lediglich an das oben Festgestellte. Die Nagas der hinduistischen und tibetanischen Adepten waren menschliche Nagas (Schlangen), keine Reptilien. Obendrein war die Schlange zu allen Zeiten das Sinnbild der aufeinanderfolgenden und periodischen Erneuerung, der Unsterblichkeit und der Zeit.

Die in „The Natural Genesis“ gegebenen zahlreichen und außerordentlich interessanten Deutungen, Interpretationen und Tatsachen über die Schlangen­verehrung sind sehr geistreich und wissenschaftlich korrekt. Aber sie sind sehr weit davon entfernt, der Gesamtheit der darin enthaltenen Bedeutungen gerecht zu werden. Sie enthüllen lediglich die astronomischen und physiologischen Mysterien, einschließlich einiger kosmischer Phänomene. Auf der niedrigsten Ebene der Materialität war die Schlange zweifellos [SD # 405] das „große Geheimnis in den Mysterien“ und wurde sehr wahrscheinlich wegen „ihrer Häutung und Selbsterneuerung als Sinnbild der weiblichen Geschlechtsreife betrachtet“. So verhielt es sich jedoch lediglich in Bezug auf die das irdische, tierische Leben betreffenden Geheimnisse, denn als das Symbol der „Neubekleidung und Wiedergeburt in den (universalen) Mysterien“ war ihre „letzte Phase121 – oder sollen wir besser sagen die Phasen ihres Anbeginns und ihres Gipfelpunktes – nicht von dieser Ebene. Sie entstanden in dem reinen Bereich idealen Lichts, und nachdem sie die Runde des gesamten Zyklus der Anpassungen und Symbolik vollendet hatten, kehrten die „Mysterien“ dorthin zurück, woher sie gekommen waren – in die Essenz immaterieller Ursächlichkeit. Sie gehörten der höchsten Gnosis an. Ihren Namen und Ruhm hätten sie sicherlich niemals einzig und allein deshalb erlangen können, weil sie in physiologische und insbesondere weibliche Funktionen eingedrungen waren!

Als Symbol hatte die Schlange ebenso viele Aspekte und okkulte Bedeutungen wie der Baum selbst, der „Baum des Lebens“, mit dem sie emblematisch und nahezu unauflöslich verbunden war. Einerlei, ob als metaphysisches oder als physisches Symbol betrachtet, wurden Baum und Schlange, zusammen oder jedes für sich alleine, im Altertum niemals so erniedrigt wie heute in unserem gegenwärtigen Zeitalter der Zerstörung der Idole, nicht um der Wahrheit willen, sondern um die eher gröbere Materie zu verherrlichen. Die Enthüllungen und Erklärungen in „Rivers of Life“ hätten die Verehrer von Baum und Schlange in den Tagen archaischer chaldäischer und ägyptischer Weisheit zutiefst erstaunt; und selbst die frühen Shivaisten wären entsetzt vor den Theorien und Anregungen des Verfassers des genannten Werkes (J. G. R. Forlong) zurückgeschreckt. „Payne Knights und Inmans Vorstellung, das Kreuz oder Tau sei lediglich ein Abbild der männlichen Organe in einer triadischen Form, ist von Grund auf falsch“, schreibt G. Massey, der beweist, was er sagt. Das aber ist eine Feststellung, die ebenso gut auf nahezu alle modernen Erklärungen alter Symbole angewendet werden könnte. „The Natural Genesis“, ein monumentales Forschungs- und Gedankenwerk, das Vollständigste, was jemals über diesen Gegenstand veröffentlicht worden ist, umfasst große Gebiete und erklärt viel mehr als alle Symbologen, die bisher darüber schrieben, und geht doch nicht über das „psycho-theistische“ Stadium alten Denkens hinaus. Payne Knight und Inman lagen jedoch nicht vollkommen falsch; ausgenommen darin, dass es ihnen überhaupt nicht gelang zu erkennen, dass ihre Interpretationen des „Baumes des Lebens“ als Kreuz und Phallus lediglich im niedersten und im spätesten Zustand der evolutionären Entwicklung zur Idee des Lebensspenders passten und sich ihm annäherten. Es war die letzte und gröbste körperliche Umwandlung der Natur im Tier, Insekt, Vogel und selbst in der Pflanze; denn der zweieinige kreative Magnetismus in der Form der Anziehung der Gegensätze oder der geschlechtlichen Polarisation wirkt sich bei der Erschaffung eines Reptils oder Vogels genauso aus wie bei der des Menschen. Überdies können die modernen Symbologen und Orientalisten – vom Ersten bis zum Letzten – [SD # 406] in ihrer Unkenntnis der wirklichen, durch den Okkultismus enthüllten Geheimnisse notwendigerweise lediglich dieses letzte Stadium sehen. Würde man ihnen sagen, dass die gegenwärtig der gesamten Daseinswelt dieser Erde zueigene Art der Fortpflanzung nur eine vorübergehende Phase darstellt, ein physisches Mittel, um die Bedingungen für die Phänomene des Lebens zur Verfügung zu stellen und sie selbst hervorzubringen, und dass sie sich mit dieser Wurzelrasse ändern und mit der nächsten verschwinden werden – so würden sie über einen derartig abergläubischen und unwissenschaftlichen Gedanken lachen. Die gelehrtesten Okkultisten behaupten aber genau das, weil sie es wissen. Die Gesamtheit aller lebenden Wesen, all jener, die ihre Spezies fortpflanzen, ist der lebendige Zeuge für die verschiedenen Arten der Fortpflanzung in der Evolution der tierischen und menschlichen Arten und Rassen; und ein Naturforscher sollte den Sinn dieser Wahrheit intuitiv erspüren, auch wenn er noch nicht dazu imstande ist, sie zu beweisen. Wie könnte er das auch mit den gegenwärtigen Denkgewohnheiten! Die Marksteine der archaischen Geschichte der Vergangenheit sind selten und rar, und die von den Wissenschaftlern aufgefundenen werden irrtümlich für Wegweiser unserer kleinen Ära gehalten. Selbst die sogenannte „universale“ (?) Geschichte umfasst lediglich ein winziges Feld des nahezu grenzenlosen Raums unerforschter Gebiete unserer letzten Wurzelrasse, der fünften. Daher wird jeder neue Wegweiser, jede neue Glyphe der altersgrauen Vorzeit, die entdeckt wird, dem alten Bestand des Wissens zugeordnet, um nach denselben Regeln vorgefasster Vorstellungen erklärt zu werden und ohne irgendwelche Rücksichtnahme auf den besonderen Gedankenzyklus, dem diese besondere Glyphe angehören mag. Wie kann die Wahrheit jemals ans Licht kommen, wenn diese Methode niemals geändert wird!

So waren Baum und Schlange im Anbeginn ihrer gemeinschaftlichen Existenz als Glyphen für das unsterbliche Dasein wahrhaft göttliche, bildliche Darstellungen. Der Baum war umgekehrt, seine Wurzeln entsprangen im Himmel und wuchsen aus der Wurzellosen Wurzel des Allseins. Sein Stamm wuchs und entwickelte sich und durchmaß dabei die Ebenen des Pleroma, und er trieb seine üppigen Zweige quer aus, zunächst auf der Ebene der noch kaum differenzierten Materie, und dann hinunter, bis sie die irdische Ebene berührten. Von Ashvattha, dem Baum des Lebens und Daseins, dessen Zerstörung allein zur Unsterblichkeit führt, heißt es deshalb in der Bhagavadgita, seine Wurzeln würden aufwärts und seine Zweige abwärts wachsen (Kap. xv) Die Wurzeln repräsentieren das Höchste Wesen oder die Erste Ursache, den Logos; man muss aber über jene Wurzeln noch hinausgehen, um sich mit Krishna zu vereinigen, der, wie Arjuna sagt (xi), „größer ist als Brahman und die Erste Ursache . . . das Unzerstörbare, das, was ist, das, was nicht ist, und das, was jenseits dieser beiden steht.“ Seine Zweige sind Hiranyagarbha (Brahmâ oder Brahman in seinen höchsten Manifestationen, sagen Sridhara und Madhusudana), die höchsten Dhyan Chohans oder Devas. Die Veden sind seine Blätter. Nur derjenige, der über die Wurzeln hinausgeht, wird niemals zurückkehren, d. h. er wird während dieses „Zeitalters“ Brahmâs nicht mehr reinkarnieren.

Als seine reinen Äste den irdischen Schlamm des Gartens von Eden unserer adamischen Rasse berührt hatten, wurde dieser Baum folglich durch die Berührung beschmutzt und verlor seine ursprüngliche Reinheit; und die Schlange der [SD # 407] Ewigkeit – der himmelsgeborene Logos – wurde endgültig erniedrigt. In den alten Zeiten – den göttlichen Dynastien auf der Erde – wurde das jetzt gefürchtete Reptil als der erste aus dem Abgrund des göttlichen Geheimnisses hervorscheinende Lichtstrahl angesehen. Man ließ es unterschiedliche Formen annehmen und passte zahlreiche natürliche Symbole daran an, während es die Äonen der Zeit durchmaß: als es aus der unendlichen Zeit selbst – Kala – in Raum und Zeit fiel, die sich aus der menschlichen Spekulation entwickelt hatten. Diese Formen waren kosmisch und astronomisch, theistisch und pantheistisch, abstrakt und konkret. Sie wurden der Reihe nach zum Polaren Drachen und zum Kreuz des Südens, zum Alpha Draconis der Pyramide und zum hinduistisch-buddhistischen Drachen, der die Sonne immer bedroht, sie jedoch während ihrer Verfinsterungen niemals verschlingt. Bis dahin blieb der Baum stets grün, denn er war mit den Wassern des Lebens benetzt; der große Drache blieb immer göttlich, solange er in den Bezirken des Sternengefildes gehalten wurde. Aber der Baum wuchs, und seine unteren Zweige berührten schließlich die höllischen Regionen – unsere Erde. Dann nagte die große Schlange Nidhöggr – welche die Leichname der Übeltäter in der „Halle des Elends“ (dem menschlichen Leben) verschlingt, sobald sie in „Hwergelmir“, dem brausenden Kessel (der menschlichen Leidenschaften) eingetaucht sind – am Weltenbaum. Die Würmer der Materialität bedeckten die einstmals gesunden und mächtigen Wurzeln und klettern jetzt höher und höher am Stamm empor; indessen umspannt die Midgard-Schlange, am Grund der Meere zusammengerollt, die Erde und macht sie durch ihren giftigen Atem kraftlos, sodass sie sich nicht mehr selbst verteidigen kann.

Die Drachen und Schlangen des Altertums sind allesamt siebenköpfig – „ein Haupt für jede Rasse, und jedes Haupt mit sieben Haaren darauf“, wie die Allegorie es ausdrückt. Wahrlich, von Ananta, der Schlange der Ewigkeit, die Vishnu durch das Manvantara trägt, von dem ursprünglichen Ur-Sesha, dessen sieben Köpfe in der puranischen Fantasie zu „eintausend Köpfen“ werden, bis hinab zur siebenköpfigen akkadischen Schlange. Diese versinnbildlicht die sieben Prinzipien in der gesamten Natur und im Menschen; das höchste oder mittlere Haupt ist das siebte. Philo spricht in seiner „Schöpfung der Welt „nicht vom mosaischen, jüdischen Sabbat, wenn er sagt, dass die Welt „nach der vollkommenen Natur der Zahl 6“ vollendet wurde. Denn „wenn diese Vernunft (Nous), die in Übereinstimmung mit der Zahl 7 heilig ist, in die Seele (vielmehr in den lebendigen Körper) eingetreten ist, ist die Zahl 6 damit eingesperrt und mit ihr alle sterblichen Dinge, welche diese Zahl ausmachen“. Und wiederum: „Die Zahl 7 ist der Festtag der ganzen Erde, der Geburtstag der Welt. Ich weiß nicht, ob irgendjemand imstande ist, die Zahl 7 in angemessenen Worten zu zelebrieren.“ . . . („Par.“, Seiten 30 und 419) Der Autor von „The Natural Genesis“ meint, dass „die Siebenzahl der im Großen Bären zu sehenden Sterne (die Septarshis) und der siebenköpfige Drache einen sichtbaren Ursprung für die symbolische Sieben der oben erwähnten Zeit lieferten. Die Göttin der sieben Sterne“, fügt er hinzu,

[SD # 408] „war als Kep die Mutter der Zeit; daher Kepti und Sebti für die beiden Zeiten und die Zahl sieben. So ist dies der Name des Sterns der Sieben. Sevekh (Kronos), der Sohn der Göttin, hat den Namen der Sieben oder des Siebten. Ebenso Sefekh Abu, der das Haus auf der Höhe erbaut, so wie die Weisheit (Sophia) das ihre auf sieben Pfeilern erbaute. . . Es gab sieben ursprüngliche Kronotypen, und so beruht der Anbeginn der Zeit im Himmel aufgrund der stellaren Kundgeber auf der Zahl und dem Namen der Sieben. Die sich jährlich drehenden sieben Sterne hielten gewissermaßen den Zeigefinger der rechten Hand ausgestreckt und beschrieben so am oberen und unteren Himmel einen Kreis.122 Die Zahl sieben legt naturgemäß eine Maßeinheit auf der Basis sieben nahe, was zu einem Siebener führen würde, wie man es nennen könnte, und zur Bezeichnung und Ausarbeitung des Kreises in sieben entsprechende Teile, welche den sieben großen Konstellationen zugeordnet wurden; und auf diese Weise wurde die himmlische Heptanomis Ägyptens am Himmel geformt. Als die himmlische Heptanomis aufgelöst und in vier Viertel geteilt wurde, multiplizierte man sie mit vier, und die achtundzwanzig Zeichen nahmen die Stelle der ursprünglichen sieben Konstellationen ein, und der lunare Zodiak von achtundzwanzig Tagen ist das aufgezeichnete Ergebnis davon.123 . . . In der chinesischen Anordnung sind die vier Siebenheiten vier Genien übergeben, die den vier Himmelsrichtungen vorstehen. . . .“ (Im chinesischen Buddhismus und der Esoterik werden die Genien durch vier Drachen dargestellt – die „Maharajas“ der Stanzen.) „Die sieben nördlichen Konstellationen ergeben den Schwarzen Krieger; die sieben östlichen (der Chinesische Herbst) bilden den Weißen Tiger; die sieben südlichen sind der Zinnoberrote Vogel, und die sieben westlichen (die Frühlingshaften) sind der Azurblaue Drache. Jeder dieser vier Geister steht seiner Heptanomis einer Mondwoche lang vor. Die Abstammung der ersten Heptanomis (Typhon mit den sieben Sternen) nahm jetzt einen lunaren Charakter an; . . . in dieser Phase finden wir, dass die Göttin Sefekh, deren Name die Zahl 7 bedeutet, das weibliche Wort ist, oder Logos an Stelle der Mutter der Zeit, welche das frühere Wort war, als Göttin der sieben Sterne“ („Typology of Time“, Band II, Seite 313, „Nat. Gen.“).

Der Verfasser zeigt, dass die Göttin des Großen Bären und die Mutter der Zeit in Ägypten seit den ältesten Zeiten das „lebendige Wort“ war, und dass „Sevekh-Kronos, dessen Typus Krokodil-Drache war, die vorplanetarische Form des Saturns, ihr Sohn und Gatte genannt wurde. Er war ihr Wort-Logos.“ (Seite 344, Band II)

Das Obige ist ganz klar, aber es war nicht die Kenntnis der Astronomie allein, welche die Alten zum Vorgang des Einteilens des Siebeners hinführte. Die ursprüngliche Ursache geht viel tiefer und wird an geeigneter Stelle erklärt werden.

Die obigen Ausführungen stellen keine Abschweifungen dar, sie werden vorgebracht, um Folgendes zu zeigen: (a) den Grund dafür, warum ein vollständig Initiierter „Drache“, „Schlange“ oder „Naga“ genannt wurde, und (b) dass unsere siebenfältige Einteilung von den Priestern der früheren Dynastien in Ägypten aus demselben Grund und auf derselben Grundlage benutzt wurde wie von uns. Das erfordert jedoch eine weitere Erklärung. Wie bereits festgestellt – was bei G. Massey als die vier Genien der vier Himmelsrichtungen und bei den Chinesen als Schwarzer Krieger und Weißer Tiger, [SD # 409] Zinnoberroter Vogel und Azurblauer Drache bezeichnet wird, heißt in den geheimen Büchern die „vier verborgenen Drachen der Weisheit“ und die „Himmlischen Nagas“. Nun wurde, wie gezeigt, der siebenköpfige oder siebenfältige Drachen-Logos sozusagen im Lauf der Zeit in vier heptanomische Teile oder 28 Abteilungen aufgespalten. Jede lunare Woche hat im lunaren Monat einen bestimmten okkulten Charakter; jeder der achtundzwanzig Tage hat seine besondere Eigenschaft; wie jede der zwölf Konstellationen, einerlei ob getrennt oder in Verbindung mit anderen Zeichen, einen okkulten Einfluss hat, entweder zum Guten oder zum Bösen. Das repräsentiert die Summe des Wissens, welches die Menschen auf dieser Erde erlangen können. Aber nur Wenige sind es, die das erreichen, und noch weniger sind die weisen Menschen, die bis zur Wurzel der Erkenntnis gelangen, welche durch den großen Wurzeldrachen symbolisiert wird, den spirituellen Logos dieser sichtbaren Zeichen. Aber jene, die dahin gelangen, erhalten den Namen der „Drachen“, und sie sind die „Arhats der vier Wahrheiten der 28 Fähigkeiten“ oder Attribute, und wurden schon immer so genannt.

Um echte Chaldäer oder Magier zu werden, so behaupteten die alexandrinischen Neuplatoniker, müsse man die Wissenschaft oder Erkenntnis der Perioden der sieben Rektoren der Welt beherrschen, in welchen sich alle Weisheit befindet. In Proklos’ Kommentaren zum „Timaios“, I, wird Iamblichos eine andere Lesart zugeschrieben, die jedoch den Sinn nicht ändert. Er sagt, dass „die Assyrer nicht nur die Aufzeichnungen von sieben und zwanzig Myriaden von Jahren aufbewahrten, wie Hipparchos von ihnen behauptet, sondern ebenso die gesamten Apokatastasen und Perioden der sieben Weltherrscher“. Die Legenden aller Nationen und Völker, sowohl der zivilisierten als auch der wilden, weisen auf den einst universalen Glauben an die große Weisheit und Schlauheit der Schlangen hin. Sie sind „Schmeichler“. Sie hypnotisieren den Vogel mit ihrem Auge, und selbst der Mensch kann sich ihrem faszinierenden Einfluss oftmals kaum entziehen; daher ist das Symbol höchst passend.

Das Krokodil ist der ägyptische Drache. Er war das doppelte Symbol von Himmel und Erde, von Sonne und Mond, und war infolge seiner amphibischen Natur Osiris und Isis geweiht. Nach Eusebius stellten die Ägypter die Sonne als Steuermann eines Schiffs dar, und dieses Schiff wurde von einem Krokodil fortgetragen, „um damit die Bewegung der Sonne in der Feuchte (im Raum) darzustellen“ („Prepar. Evang.“, 1, 3, K. 11). Das Krokodil war ferner das Symbol Ägyptens selbst, des unteren, welches das sumpfigere der beiden Länder ist. Die Alchemisten vertreten eine andere Interpretation. Sie sagen, dass das in einem Boot über den Ether des Raumes fahrende Symbol der Sonne die Bedeutung habe, dass die hermetische Materie das Prinzip oder die Basis von Gold sei oder wiederum der philosophischen Sonne; das Wasser, in welchem das Krokodil schwimmt, stellt eben dieses Wasser dar oder diese Materie in verflüssigter Form. Das Schiff selbst schließlich stellt das Fahrzeug der Natur dar, in dem die Sonne oder das sulfurische, feurige Prinzip als Steuermann wirkt: weil es die Sonne ist, [SD # 410] die durch ihre Einwirkung auf die Feuchtigkeit oder das Quecksilber das Werk leitet. Obiges ist nur für Alchemisten.

Die Schlange wurde erst während des Mittelalters zum Typus und Symbol des Übels oder des Teufels. Die ersten Christen – wie auch die ophitischen Gnostiker – hatten ihren dualen Logos: die gute und die böse Schlange, den Agathodaimon und den Kakodaimon. Das zeigt sich in den Schriften von Markus, Valentinus und vieler anderer, und insbesondere in der „Pistis Sophia“ – gewiss ein Dokument aus den frühesten Jahrhunderten des Christentums. Auf dem im Jahr 1852 nahe der Porta Pia entdeckten Marmorsarkophag eines Grabes findet sich die Darstellung einer Szene der Anbetung der Magier, „oder andernfalls“, bemerkt der verstorbene C. W. King in „The Gnostics“, „der Prototyp dieser Szene, die ‘Geburt der Neuen Sonne’“. Der Mosaikboden zeigte eine merkwürdige Zeichnung, die entweder (a) Isis darstellen mochte, wie sie den kleinen Harpokrates stillt, oder (b) die das Jesuskind nährende Madonna. In den die größeren umgebenden kleineren Sarkophagen wurden elf wie Schriftrollen aufgerollte Bleiplatten gefunden, von denen drei entziffert wurden. Deren Inhalt sollte als endgültiger Beweis einer viel erörterten Frage angesehen werden, denn sie zeigen, dass entweder die ersten Christen bis zum 6. Jahrhundert bona fide Heiden waren, oder dass das dogmatische Christentum insgesamt entlehnt war und alles in die christliche Kirche überging – Sonne, Baum, Schlange, Krokodil und alles Übrige.

„Auf der Ersten sieht man Anubia . . . eine Rolle vor sich haltend; zu seinen Füßen finden sich zwei weibliche Büsten; unter dem Ganzen umschlingen zwei Schlangen . . . einen Leichnam, der wie eine Mumie eingewickelt ist. Auf der zweiten Rolle . . . ist Anubis, der ein Kreuz vor sich hält, das „Zeichen des Lebens“. Unter seinen Füßen liegt ein in die zahlreichen Windungen einer riesigen Schlange eingerollter Leichnam, des Agathodaimons, der Wächterin der Verstorbenen. . . . . Auf der dritten Rolle . . . trägt Anubis auf seinem Arm . . . . . den Umriss . . eines vollständigen lateinischen Kreuzes . . . Zu Füßen des Gottes findet sich ein Rhomboid, das ägyptische ‘Weltenei’, auf welches eine in einen Kreis geschlungene Schlange zukriecht . . . . unter den Büsten befindet sich der Buchstabe ω, in einer Zeile siebenfach wiederholt, an einen der ‘Namen’ erinnernd . . . Sehr bemerkenswert ist auch die Zeile anscheinend palmyrischer Schriftzeichen auf den Beinen des ersten Anubis. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Talismane nicht aus dem Isis-, sondern aus dem neueren ophitischen Glauben hervorgegangen sind, kann in Bezug auf die Gestalt der Schlange gesagt werden, dass sie gut und gerne jene „wahre und vollkommene Schlange“ bedeuten kann, welche die Seelen aller auf sie Vertrauenden aus dem Ägypten des Körpers und durch das Rote Meer des Todes in das Land der Verheißung führt, indem sie dieselben auf ihrem Weg vor den Schlangen der Wüste schützt, d. h. vor den Beherrschern der Sterne“ (Kings „Gnostics“, S. 367-8).

Und diese „wahre und vollkommene Schlange“ ist der siebenbuchstabige Gott, der jetzt für Jehovah gehalten wird, und für Jesus, der eins ist mit ihm. In der „Pistis Sophia“, einem Werk, das älter ist als die Offenbarung des heiligen Johannes und offenbar derselben Schule angehört, wird der Initiationskandidat von Christos zu diesem siebenvokaligen Gott geschickt. „Die (Schlange der) Sieben Donner sprach(en) [SD # 411] diese sieben Vokale“, aber „Versiegelt jene Dinge, welche die Sieben Donner sprachen und schreibt sie nicht auf“, sagt die Offenbarung. „Forschet ihr nach diesen Geheimnissen?“, fragt Jesus in der Pistis Sophia. „Kein Geheimnis ist herrlicher als sie (die sieben Vokale): denn sie werden eure Seelen in das Licht der Lichter bringen“ – d. h. in die wahre Weisheit. „Nichts ist deshalb vorzüglicher als die Geheimnisse nach welchen ihr forschet, ausgenommen nur das Geheimnis der sieben Vokale und ihrer Vierzig und Neun Kräfte und deren Zahlen.“

In Indien war es das Geheimnis der Sieben Feuer und ihrer neunundvierzig Feuer oder Aspekte oder „deren Teile“, genau dasselbe.

Diese sieben Vokale werden durch das Symbol der Swastika auf den Kronen der sieben Häupter der Schlange der Ewigkeit dargestellt, in Indien, bei den esoterischen Buddhisten, in Ägypten, in Chaldäa etc. etc., und bei den Initiierten aller anderen Länder. Dabei handelt es sich um die in den hermetischen Schriften geschilderten sieben Zonen des nach dem Tode erfolgenden Aufsteigens, wobei der „Sterbliche“ auf jeder von ihnen eine seiner „Seelen“ (oder Prinzipien) zurücklässt, bis er schließlich, auf der über all diesen Zonen liegenden Ebene angekommen, als die große formlose Schlange der absoluten Weisheit – oder Gottheit selbst – verbleibt. Die siebenköpfige Schlange hat in den arkanen Lehren mehr als eine Bedeutung. Sie ist der siebenköpfige Draco, dessen Häupter jeweils ein Stern des Kleinen Bären sind. Sie war jedoch auch, und zwar vorwiegend, die Schlange der Dunkelheit (d. h. unerfassbar und unbegreiflich), deren sieben Häupter die sieben Logoi waren, die Reflexionen des Einen und erstgeoffenbarten Lichtes – des universalen Logos.

 

 

§ XI
Demon est Deus Inversus

Dieser symbolische Satz in seinen vielfältigen Formen ist sicherlich höchst gefährlich und bilderstürmerisch, angesichts aller späteren dualistischen Religionen, oder vielmehr Theologien, insbesondere im Licht des Christentums. Doch ist es weder gerecht noch korrekt zu behaupten, das Christentum habe Satan ersonnen und hervorgebracht. Satan existierte schon immer – als „Widersacher“, als entgegengesetzte Kraft, die für das Gleichgewicht und die Harmonie der Dinge in der Natur notwendig ist – so wie der Schatten das strahlende Licht heller macht, die Nacht den Tag umso befreiender wirken und die Kälte uns die Annehmlichkeiten der Wärme umso mehr würdigen lässt. Homogenität ist eins und unteilbar. Wenn aber das homogene Eine und Absolute keine bloße Redensart ist, und wenn die Heterogenität mit ihrem doppelten Aspekt ihr Sprössling ist – ihr gegabelter Schatten oder Wiederschein –, dann muss selbst diese göttliche Homogenität in sich zugleich die Essenz von [SD # 412] Gut und Böse enthalten. Wenn „Gott“ absolut, unendlich und die universale Wurzel von allem und jedem in der Natur und ihrem Weltall ist, woher kommt dann das oder der Böse, wenn nicht aus demselben „goldenen Schoß“ des Absoluten? So sehen wir uns dazu gezwungen, entweder die Emanation des Guten und Bösen, des Agatho- und des Kakodaimon, als Sprösslinge ein und desselben Stamms vom Baum des Seins zu betrachten, oder uns mit der Absurdität zu bescheiden, an zwei ewige Absolute zu glauben!

Da wir den Ursprung der Idee bis zum ersten Anbeginn menschlichen Denkens zurückzuverfolgen haben, ist es nur billig, unterdessen selbst dem sprichwörtlichen Teufel sein Recht zukommen zu lassen. Das Altertum wusste nichts von einem getrennten, durch und durch und absolut schlechten „Gott des Bösen“. Die heidnische Denkweise stellt Gut und Böse als Zwillingsbrüder dar, von ein und derselben Mutter geboren – der Natur; sobald dieser Gedanke nicht mehr archaisch war, wurde auch die Weisheit zur Philosophie. Am Anfang waren die Symbole von Gut und Böse bloße Abstraktionen, Licht und Dunkelheit; später wurden ihre Urbilder aus den allernatürlichsten und immer wiederkehrenden periodischen Himmelserscheinungen gewählt – nämlich Tag und Nacht oder Sonne und Mond. Dann stellte man sie durch die Scharen der solaren und lunaren Gottheiten dar, und dem Drachen der Finsternis wurde der Drache des Lichts entgegengestellt (siehe Stanzen V und VII, Band I). Satans Schar ist ein Sohn Gottes, nicht weniger als die Schar der Benei Ha’Elohim, der Kinder Gottes, welche kamen, „um vor Johovah zu treten“, ihren Vater (siehe Hiob 2). „Die Söhne Gottes“ werden erst dann zu den „gefallenen Engeln“, nachdem sie wahrnehmen, dass die Töchter der Menschen schön waren (Genesis 6). In der indischen Philosophie gehören die Suras zu den ältesten und leuchtendsten Göttern, und sind erst dann zu den Asuras geworden, als sie von der brahmanischen Fantasie entthront wurden. Satan nahm niemals eine anthropomorphische, individualisierte Gestalt an, bevor die Schöpfung des „einen lebendigen persönlichen Gottes“ durch den Menschen vollbracht worden war; und dann auch lediglich als Folge absoluter Notwendigkeit. Eine Projektionsfläche wurde benötigt; ein Sündenbock, um die Grausamkeit, die Missgriffe und die nur allzu offenbare Ungerechtigkeit zu erklären, die jener verübte, für den unbedingte Vollkommenheit, Barmherzigkeit und Güte beansprucht wurden. Dies war die erste karmische Wirkung der Abschaffung eines philosophischen und logischen Pantheismus, um zur Stütze des trägen Menschen „einen gütigen Vater im Himmel“ aufzurichten, dessen tägliche und stündliche Handlungen als Natura Naturans, als der „anmutigen, aber steinkalten Mutter“, diese Annahme Lügen strafen. Dies führte zu den ursprünglichen Zwillingen Osiris-Typhon, Ormazd-Ahriman, und schließlich Kain-Abel sowie jeder und aller Gegensätze.

„Gott“ der Schöpfer, im Anfang mit der Natur gleichgesetzt, wurde schließlich zum Urheber derselben gemacht. Pascal erledigt das Problem sehr schlau, indem er sagt: „Die Natur hat Vollkommenheiten, um zu zeigen, dass sie ein Bildnis Gottes ist; und sie hat Mängel, um zu zeigen, dass sie lediglich sein Abbild ist.“

Je weiter man in die Dunkelheit der vorhistorischen [SD # 413] Zeitalter zurückgeht, desto philosophischer erscheint die prototypische Gestalt des späteren Satans. Der erste „Widersacher“ in individueller, menschlicher Form, dem man in der alten puranischen Literatur begegnet, ist einer ihrer größten Rishis und Yogis – Narada, mit dem Beinamen der „Streitmacher“.

Und Narada ist ein Brahmâputra, ein Sohn des männlichen Brahmâs. Doch später mehr von ihm. Wer der große „Täuscher“ wirklich ist, kann man erfahren, wenn man mit offenen Augen und vorurteilsfreiem Denken in allen alten Kosmogonien und Schriften nach ihm forscht.

Er ist der anthropomorphisierte Demiurg, der Schöpfer des Himmels und der Erde, wenn er von den kollektiven Scharen seiner Mitschöpfer getrennt wird, die er sozusagen repräsentiert und zusammenfasst. Heute ist er der theologische Gott. „Der Wunsch ist der Vater des Gedankens.“ Einst ein philosophisches Symbol, das der verdrehten menschlichen Fantasie überlassen wurde; später zu einem feindseligen, trügerischen, schlauen und eifersüchtigen Gott ausgestaltet.

Drachen und andere gefallene Engel sind an weiteren Stellen dieses Werkes beschrieben, darum werden ein paar Worte über den viel verleumdeten Satan genügen. Der Schüler tut gut daran sich zu erinnern, dass der Teufel bis zum heutigen Tag bei keinem Volk ein schlechteres Wesen ist als der entgegengesetzte Aspekt in der doppelten Natur des sogenannten Schöpfers, mit Ausnahme der christlichen Nationen. Dies ist nur natürlich. Man kann Gott nicht als Synthese des ganzen Weltalls, als allgegenwärtig, allwissend und unendlich aufstellen, und ihn dann vom Bösen trennen. Da viel mehr Böses in der Welt ist als Gutes, folgt daraus logisch begründet, dass entweder Gott das Böse in sich einschließen muss oder aber die unmittelbare Ursache desselben ist, oder im anderen Fall seine Ansprüche an die Absolutheit abzutreten hat. Die Alten verstanden dies so gut, dass ihre Philosophen, denen jetzt die Kabbalisten nachfolgen, das Böse zur Auskleidung Gottes oder des Guten erklärten: Demon est Deus Inversus ist ein sehr altes Sprichwort. In der Tat ist das Böse lediglich eine entgegenwirkende, blinde Kraft der Natur; es ist Reaktion, Opposition und Kontrast – böse für die einen, gut für die anderen. Es gibt kein malum in se; bloß den Schatten des Lichts, ohne welchen das Licht keine Existenz haben könnte, nicht einmal in unserer Wahrnehmung. Würde das Böse verschwinden, würde zugleich das Gute mit ihm von der Erde verschwinden. Bevor er zur Materie wurde, war der „alte Drache“ reiner Geist, er war passiv, bevor er aktiv wurde. In der syrisch-chaldäischen Magie sind Ophis und Ophiomorphos im Tierkreiszeichen des androgynen Jungfrau-Skorpion vereinigt. Vor ihrem Fall auf die Erde war die Schlange Ophis-Christos, und nach ihrem Fall wurde sie zu Ophiomorphos-Chrestos. Überall behandeln die Spekulationen der Kabbalisten das Böse als eine dem Guten entgegengesetzte Kraft, welche für das Gute aber gleichzeitig essenziell ist, da es ihm Lebenskraft und die Existenz schenkt, die es auf keine andere Weise haben könnte. Ohne den Tod wäre Leben nicht möglich (im mayavischen Sinn); keine Wiedererzeugung und Wiederherstellung ohne Zerstörung. Die Pflanzen würden in ewigem Sonnenlicht zu Grunde gehen, und ebenso der Mensch, der zum Roboter würde, ohne die Ausübung seines freien Willens und ohne sein Streben nach diesem Sonnenlicht, [SD # 414] das für ihn sein Wesen und seinen Wert verlöre, wenn er nichts anderes als das Licht hätte. Das Gute ist lediglich in dem uns ewig Verborgenen unendlich und ewig, und das ist der Grund, warum wir es für ewig halten. Auf den geoffenbarten Ebenen hält das eine dem anderen die Waage. Nur wenige Theisten und Anhänger eines persönlichen Gottes machen aus Satan nicht den Schatten Gottes; oder, beide miteinander verwechselnd, glauben nur wenige nicht, das Recht zu besitzen, ihren Abgott anbeten und seine Hilfe und seinen Schutz für die Verübung ihrer bösen und grausamen Taten erbitten zu dürfen und um Straflosigkeit anzurufen. „Führe uns nicht in Versuchung“, diese Worte werden täglich von Millionen christlicher Herzen an „unseren Vater im Himmel“ gerichtet, und nicht an den Teufel. Damit wiederholen sie genau die ihrem Heiland in den Mund gelegten Worte, und dabei widmen sie nicht einen Gedanken der Tatsache, dass ihrer Absicht kurzweg von Jakobus, dem „Bruder des Herrn“, widersprochen wird, der sagt: „Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht; denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, und selbst versucht er niemand.“ (Jakobus 1,13) Warum nun behaupten, dass der Teufel uns versucht, wenn die Kirche uns aufgrund der Autorität Christi lehrt, dass Gott es ist, der dieses tut? Schlagt irgendein frommes Buch auf, in dem das Wort „Versuchung“ seinem theologischen Sinne nach erklärt wird, und ihr findet sofort zwei Definitionen: (1) jene Anfechtungen und Leiden, durch die Gott seine Anhänger prüft; (2) jene Mittel und Verlockungen, derer sich der Teufel bedient, um die Menschheit zu verführen und zu verlocken (Jakobus 1,2 und 12 und Matthäus 6,13). Wörtlich genommen widersprechen sich die Lehren von Christus und Jakobus, und welches Dogma kann die beiden in Übereinstimmung bringen, wenn die okkulte Auffassung verworfen wird?

Jener Philosoph wird weise sein, der zwischen den alternativen Verlockungen zu unterscheiden imstande sein wird, der fähig sein wird zu entscheiden, wo Gott verschwindet, um dem Teufel Platz zu machen! Wenn wir daher lesen, dass „der Teufel ein Lügner ist und der Vater der Lüge“, d. h. die inkarnierte Lüge, und man uns im selben Atemzug sagt, dass Satan – der Teufel – ein Sohn Gottes und der herrlichste seiner Erzengel war, so ziehen wir es vor, den Pantheismus und die heidnische Philosophie zu befragen, anstatt zu glauben, dass Vater und Sohn eine riesenhafte, personifizierte und ewige Lüge seien.

Sobald wir den Schlüssel zur Genesis in unseren Händen halten, enthüllt uns die wissenschaftliche und symbolische Kabbala das Geheimnis. Die große Schlange im Garten Eden und „Gott der Herr“ sind ein und dasselbe, und genauso sind Jehovah und Kain eins ­– jener Kain, der in der Theologie als „Mörder“ und Lügner vor Gott bezeichnet wird! Jehovah versucht den König von Israel das Volk zu zählen, und an einer anderen Stelle versucht ihn Satan, das Gleiche zu tun. Jehovah verwandelt sich in die feurigen Schlangen, um jene zu beißen, die ihm missfallen; und Jehovah beseelt die eherne Schlange, welche diese heilt.

Diese kurzen und scheinbar widersprüchlichen Stellen im Alten Testament (widersprüchlich deshalb, weil die beiden Kräfte getrennt werden, anstatt sie als die beiden Seiten ein und desselben Dings zu betrachten) sind der [SD # 415] durch Exoterik und Theologie bis zur Unkenntlichkeit entstellte Wiederhall der universalen und philosophischen Dogmen der Natur, wofür die ursprünglichen Weisen ein so gutes Verständnis hatten. Dieselbe Grundlegung finden wir in verschiedenen Personifikationen in den Puranas, nur viel ausführlicher und philosophisch bedeutsamer.

So wird Pulastya, ein „Sohn Gottes“, einer aus der ersten Nachkommenschaft, zum Vorfahren der Dämonen gemacht, der Rakshasas, Versucher und Verschlinger der Menschen. Pisacha, ein weiblicher Dämon, ist eine Tochter Dakshas, ebenfalls ein „Sohn Gottes“, und ein Gott und die Mutter aller Pisachas (Padma-Purana). Die in den Puranas sogenannten Dämonen sind ganz außerordentliche Teufel, wenn man vom Standpunkt europäischer und orthodoxer Anschauungen über diese Kreaturen urteilt, da sie allesamt – Danavas, Daityas, Pisachas und Rakshasas – als außerordentlich fromm dargestellt werden, welche die Vorschriften der Veden befolgen; einige von ihnen galten gar als große Yogis. Aber sie bekämpfen den Klerus und den Ritualismus, die Opfer und die Formen – genau so wie es die voll entwickelten Yogis Indiens bis zum heutigen Tage tun – und werden deshalb nicht weniger geachtet, obwohl es ihnen gestattet ist, weder Kaste noch Ritual zu beachten; daher werden alle diese puranischen Riesen und Titanen Teufel genannt. Die Missionare, immer darauf aus zu zeigen, dass die indischen Traditionen nichts Besseres sind als eine Reflexion der jüdischen Bibel, haben aus der angeblichen Identität des Pulastya mit Kain und aus der der Rakshasas mit den Kainiten, den „Verfluchten“, der Ursache von Noahs Sintflut, einen ganzen Roman gesponnen (siehe das Werk Abbè Gorresios, der Pulastyas Namen „etymologisch“ auf die Bedeutung „der Verworfene“ zurückführt und somit von Kain, wenn man will). Pulastya wohnt in Kedara, sagt er, was einen „aufgegrabenen Platz“, eine Mine bedeutet, und Kain wird in der Tradition und in der Bibel als der erste Metallbearbeiter und Minenarbeiter dargestellt!

Während es sehr wahrscheinlich ist, dass die Gibborim (die Riesen) der Bibel die Rakshasas der Inder sind, ist es noch sicherer, dass beide den Atlantiern und den untergegangenen Rassen angehören. Wie auch immer, kein Satan könnte im Verleumden seines Feindes ausdauernder und in seinem Hasse boshafter sein als es die christlichen Theologen ihm gegenüber sind, indem sie ihn als den Vater alles Bösen verfluchen. Man vergleiche ihre Beschimpfungen und ihre Meinungen über den Teufel mit den philosophischen Ansichten der puranischen Weisen und ihrem christusgleichen Sanftmut. Als Parasharas Vater von einem Rakshasa verschlungen worden war, bereitete Ersterer sich darauf vor, die gesamte Rasse der Rakshasas (mithilfe der Magie) zu vernichten; nachdem sein Großvater Vasishtha dem erzürnten Weisen nach seinem eigenen Eingeständnis bewiesen hatte, dass es zwar Böses und Karma, jedoch keine „bösen Geister“ gäbe, sprach er die folgenden bedeutsamen Worte: „Besänftige deinen Zorn“, sagt er. „Die Rakshasas sind nicht tadelnswert; deines Vaters Tod war das Werk Karmas. Zorn ist die Leidenschaft der Narren; ein weiser Mann wird nicht zornig. Von wem, kann gefragt werden, wird einer getötet? Jeder Mann erntet die Folgen seiner eigenen Taten. Zorn, mein Sohn, bedeutet die Zerstörung [SD # 416] all dessen, was der Mensch erlangt . . . und verhindert die Erlangung der Befreiung. Die Weisen scheuen die Wut. Sei nicht, mein Kind, ihrem Einfluss unterworfen. Vernichte nicht diese harmlosen Geister der Finsternis; lasse dein Opfer enden. Barmherzigkeit ist die Macht des Gerechten.“ (Vishnu-Purana“, Buch i, Kap. i) Somit ist jedes solches mit der Bitte um Hilfe an Gott gerichtete „Opfer“ oder Gebet nichts Besseres als ein Akt schwarzer Magie. Der Gegenstand von Parasharas Gebet war die Vernichtung der Geister der Finsternis als seine persönliche Rache. Er wird ein Heide genannt, und die Christen haben ihn als solchen in die ewige Hölle verdammt. Aber in welcher Hinsicht ist das Gebet der Herrscher und Generäle, die vor jeder Schlacht für die Vernichtung ihrer Feinde beten, irgendwie besser? Ein solches Gebet ist in jedem Fall schwarze Magie der übelsten Sorte, wie ein dämonischer „Mr. Hyde“ hinter einem scheinheiligen „Dr. Jekyll“ verborgen.

In der menschlichen Natur bedeutet das Böse lediglich die Polarität von Stoff und Geist, einen „Kampf ums Dasein“ zwischen den beiden in Raum und Zeit geoffenbarten Prinzipien, dessen Prinzipien per se eins sind, insofern als sie im Absoluten wurzeln. Im Kosmos muss das Gleichgewicht erhalten bleiben. Die Wirkungsweisen der beiden Gegensätze erzeugen Harmonie, wie bei den zentripetalen und zentrifugalen Kräften, die nicht ohne einander sein können – wechselseitig voneinander abhängig – „damit beide leben können“. Wird eine der beiden ausgesetzt, führt die Tätigkeit der anderen zur unmittelbaren Selbstzerstörung.

Nachdem die Satan genannte Personifikation in ihrem dreifachen Aspekt ausführlich analysiert worden ist – nach dem Alten Testament, der christlichen Theologie und der alten heidnischen Gedankenhaltung – werden jene, die mehr über den Gegenstand erfahren wollen, auf Band II von „Isis entschleiert,“ Kap. 10 und auf Teil II im zweiten Band des vorliegenden Werkes verwiesen. Dass der Gegenstand hier berührt und neue Erklärungen versucht werden, geschieht aus sehr gutem Grund. Bevor wir uns der Entwicklung des körperlichen und göttlichen Menschen zuwenden können, müssen wir zunächst die Idee der zyklischen Entwicklung beherrschen, uns mit den Philosophien und Glaubensweisen der vier unserer gegenwärtigen vorausgegangenen Rassen vertraut machen und lernen, welche Vorstellungen jene Titanen und Riesen hegten – Riesen fürwahr, sowohl an Verstand wie auch körperlich. Das gesamte Altertum war von jener Philosophie durchdrungen, welche die Involution des Geistes in die Materie, den fortschreitenden, abwärts gerichteten zyklischen Abstieg oder die tätige, selbstbewusste Evolution lehrte. Die alexandrinischen Gnostiker veröffentlichten eine ausreichende Menge der Geheimnisse der Initiation, und ihre Aufzeichnungen sind erfüllt vom „Herabgleiten der Äonen“ in ihrer doppelten Eigenschaft als engelhafte Wesen und Zeiträume: die einen die natürliche Entwicklung der anderen. Anderseits sind die orientalischen Überlieferungen auf beiden Seiten des „schwarzen Wassers“, der die beiden Osten trennenden Meere, gleichermaßen erfüllt von Allegorien über den Niedergang des Pleromas, der Götter und Devas. Jede Einzelne von ihnen versinnbildlichte und erklärte den Fall als das [SD # 417] Verlangen zu lernen und Wissen zu erlangen – zu wissen. Dies ist der natürliche Ablauf intellektueller Entwicklung; das Geistige wird in das Stoffliche und Körperliche verwandelt. Dasselbe Gesetz des Abstiegs in die Stofflichkeit und des Wiederaufstiegs in die Geistigkeit behauptete sich während der christlichen Ära, und der Umschwung hat in unserer eigenen, besonderen Unterrasse gerade eben erst begonnen.

Vor ungefähr zehn Jahrtausenden wurde im „Pymander“ eine auf dreifache Weise interpretierbare Allegorie aufgestellt, welche die Aufzeichnung astronomischer, anthropologischer und selbst alchemistischer Tatsachen beabsichtigte, namentlich die Allegorie von den sieben Rektoren, die die sieben Feuerkreise durchbrechen; sie wurde zu einer einzigen materiellen und anthropomorphischen Erklärung erniedrigt – zur Rebellion und dem Fall der Engel. Die vieldeutige, zutiefst philosophische Erzählung in seiner poetischen Form einer „Ehe zwischen Himmel und Erde“, über die Liebe der Natur für die göttliche Form und über den von seiner eigenen, im Spiegel der Natur reflektierten Schönheit hingerissenen „Himmlischen Menschen“, d. h. von dem zum Stoff hingezogenen Geist, stellt sich durch die theologische Behandlung heute wie folgt dar: „Die sieben Rektoren gehorchen Jehovah nicht, Selbstbewunderung erzeugt satanischen Stolz, worauf ihr Fall folgte, da Jehovah nicht gestattete, dass irgendjemandem Verehrung erwiesen wird, außer ihm selbst. Kurz gesagt, die schönen Planetenengel, die herrlichen zyklischen Äonen der Alten, wurden in ihrer orthodoxesten Form zu Samael zusammengefasst, dem Fürsten der Dämonen im Talmud, „der großen Schlange mit zwölf Schwingen, die in ihrem Fall das Sonnensystem oder die Titanen mit sich herabzieht“. Aber Schemal, das Alter Ego und der sabäische Typus Samaels bedeutete in seinem philosophischen und esoterischen Aspekt das „Jahr“ in seinem astrologisch bösen Bezug, in der Natur seine zwölf Monate oder Schwingen des unvermeidlichen Bösen. In der esoterischen Theogonie (siehe Chwolson, „Nabathean Agriculture“, Band II, S. 217) repräsen­tierten sowohl Schemal als auch Samael eine besondere Gottheit. Bei den Kabbalisten sind sie der „Geist der Erde“, der persönliche Gott, der dieselbe beherrscht, und daher de facto wesensgleich mit Jehovah. Denn die Talmudisten gestehen selbst zu, dass Samael der Gottesname einer der sieben Elohim ist. Die Kabbalisten zeigen zudem, dass die beiden, Schemal und Samael, eine symbolische Form des Saturn oder Kronos sind; die zwölf Schwingen stehen für die zwölf Monate, und das Symbol bedeutet in seiner Gesamtheit einen Rassenzyklus. Jehovah und Saturn sind auch glyphisch identisch.

Dies wiederum führt zu einer sehr merkwürdigen Schlussfolgerung aus einem römisch-katholischen Dogma. Viele berühmte, der römischen Kirche zugehörige Schriftsteller räumen ein, dass ein Unterschied besteht und gemacht werden sollte zwischen den Uranischen Titanen, den vorsintflutlichen Riesen (auch Titanen), und jenen nachsintflutlichen Riesen, in welchen sie (die römischen Katholiken) beharrlich die Nachkommen des mythischen Ham sehen wollen. Klarer ausgedrückt muss eine Unterscheidung gemacht werden zwischen den kosmischen, ursprünglichen entgegenwirkenden Kräften – die vom zyklischen Gesetz gelenkt waren –, den atlantischen menschlichen Riesen und den nachsintflutlichen großen Adepten, einerlei ob [SD # 418] der rechten oder der linken Hand. Gleichzeitig zeigen sie, dass Michael, „der Generalissimus der streitbaren himmlischen Schar, der Leibwächter Jehovahs“, wie es scheint (siehe de Mirville) selbst auch ein Titan ist, dessen Bezeichnung lediglich mit dem Adjektiv des „göttlichen“ versehen wurde. Da sie sich gegen Kronos (Saturn) aufgelehnt hatten, werden somit jene überall als „göttliche Titanen“ bezeichneten „Uraniden“ auch als Feinde Samaels dargestellt (ebenfalls einer der Elohim und gleichbedeutend mit Jehovah in seiner Gesamtheit); sie sind identisch mit Michael und seiner Schar. Kurz gesagt, die rôles sind vertauscht, alle Mitstreiter in Unordnung gebracht, und kein Schüler ist imstande klar zu unterscheiden, wer nun was sein könnte. Die esoterische Erklärung kann jedoch einige Ordnung in diese Verwirrung bringen, die infolge der unvorsichtigen Versuche der allzu getreuen Eiferer entstand, in jedem heidnischen Gott einen Teufel zu sehen; in dieser Verwirrung wird Jehovah zum Saturn und zu Michael mit seiner Schar, zu Satan und zu den rebellischen Engeln. Der wahre Sinn ist viel philosophischer, und die Legende vom ersten „Fall“ (der Engel) nimmt eine wissenschaftliche Färbung an, wenn sie richtig verstanden wird.

Kronos steht für die endlose (daher unbewegliche) Dauer, anfanglos, endlos, jenseits der geteilten Zeit und jenseits des Raumes. Von jenen „Engeln“, Genien, oder Devas, die geboren wurden, um in Zeit und Raum zu wirken, d. h. die sieben Kreise übergeistiger Ebenen zu durchbrechen und in die phänomenalen oder begrenzten überirdischen Regionen einzutreten, heißt es allegorisch, dass sie sich gegen Kronos auflehnten und den (damals) einen lebendigen und höchsten Gott bekämpften. Wenn Kronos seinerseits so dargestellt wird, dass er seinen Vater Uranus verstümmelt, so ist die Bedeutung der Verstümmelung sehr einfach. Die absolute Zeit wird zur endlichen und bedingten gemacht; dem Ganzen wird ein Teil geraubt und somit gezeigt, dass Saturn, der Vater der Götter, von einer ewigen Dauer in eine begrenzte Zeitperiode transformiert wurde. Kronos mäht mit seiner Sense selbst die längsten und (für uns) scheinbar endlosen Zyklen nieder, die nichtsdestoweniger in der Ewigkeit begrenzt sind, und vernichtet mit eben dieser Sense die mächtigsten Rebellen. Ja, nicht einer wird der Sense der Zeit entrinnen! Preise Gott oder die Götter oder verhöhne einen oder beide, und diese Sense wird nicht den millionsten Teil einer Sekunde in ihrem Auf- und Abschwung erzittern.

Die Titanen aus Hesiods Theogonie waren griechische Abbilder der indischen Suras und Asuras. Kürzlich hat man in einem alten, die griechische Mythe betreffenden Fragment entdeckt, dass diese hesiodischen Titanen, die Uraniden, die einst lediglich mit sechs beziffert wurden, sieben an der Zahl waren; der Siebte hieß Phoreg. Somit ist ihre Identität mit den sieben Rektoren vollständig bewiesen. Der Ursprung des „Krieges im Himmel“ und der Fall ist unserer Ansicht nach unvermeidlich auf Indien zurückzuführen, und vielleicht auf eine weit frühere Zeit als auf die der puranischen Berichte darüber. Denn der Tara Maya ist älter, und in fast allen Kosmogonien lassen sich drei Berichte finden, ein jeder über einen anderen Krieg.

[SD # 419] Der Erste ereignete sich in der Nacht der Zeit zwischen den Göttern und (A)-suras und dauerte den Zeitraum eines „göttlichen Jahres“.124 Bei dieser Gelegenheit wurden die Götter von den Daityas unter der Führung Hradas besiegt. Mithilfe einer List Vishnus, an den sich die besiegten Götter um Hilfe gewendet hatten, schlugen die Letzteren später jedoch die Asuras. Im Vishnu-Purana“ findet sich keine Pause zwischen den beiden Kämpfen. Nach der esoterischen Lehre jedoch ereignet sich vor der Bildung des Sonnensystems ein Krieg; ein weiterer bei der „Schöpfung“ des Menschen auf der Erde; und ein dritter „Krieg“ wird erwähnt, der am Ende der vierten Rasse zwischen den Adepten derselben und denen der fünften Rasse stattgefunden haben soll; d. h. zwischen den Initiierten der „Heiligen Insel“ und den atlantischen Schwarzmagiern. Wir fassen den ersten Streit ins Auge, wie er von Parashara überliefert wird, und versuchen, die beiden Berichte zu trennen, die absichtlich miteinander vermengt wurden. Es heißt darin, dass die Daityas und Asuras die Pflichten ihrer verschiedenen Kasten (Varnas) übernommen hatten und die in der heiligen Schrift vorgeschriebenen Pfade verfolgten, auch religiöse Buße übten – eine sonderbare Beschäftigung für Dämonen, wenn sie, wie behauptet wird, mit unseren Teufeln identisch sind – und es daher den Göttern unmöglich war, sie zu vernichten. Die von den Göttern an Vishnu gerichteten Gebete erscheinen merkwürdig, da diese Vorstellungen aufweisen, die einer anthropomorphischen Gottheit zugeordnet werden. Nachdem sie nach ihrer Niederlage „an die nördliche Küste des Milchmeeres (des atlantischen Ozeans) geflohen waren“,125 richteten die geschlagenen Götter viele demütige Bitten „an das Erste [SD # 420] der Wesen, an den göttlichen Vishnu“, und zwar unter anderen Folgende: „Gepriesen seiest Du, der du eins bist mit den Heiligen, dessen vollkommene Natur immer gesegnet ist. . . . Gepriesen seiest Du, der Du eins bist mit der Schlangenrasse, doppelzüngig, ungestüm, grausam, unersättlich im Genuss und überreich an Besitztümern. . . . Gepriesen seiest Du, . . . . oh Herr, der Du weder Farbe noch Ausdehnung hast, noch Größe (ghana), noch irgendwelche Dir zuschreibbaren Eigenschaften, und dessen Essenz (Rupa), das reinste des Reinen, nur von den heiligen Paramarshis (den größten Weisen oder Rishis) wahrgenommen werden kann. Wir beugen uns vor Dir in der Natur des unerschaffenen, unvergänglichen (Avyaya) Brahman, der Du in unseren Körpern bist und in allen anderen Körpern und in allen lebenden Geschöpfen und neben dem nichts existiert. Wir preisen jenen Vasudeva, den Herrn von allem, der ohne Makel ist, der Same aller Dinge, von der Auflösung ausgenommen, ungeboren, ewig; der seiner Wesenheit nach Paramapadatmavat (jenseits der Bedingungen des Geistes) ist und seiner Essenz und Substanz (Rupa) nach die Gesamtheit von diesem (Weltall).“ (Vishnu-Purana“, III, Kap. xvii)

Das Obige wird als eine Darstellung für die große Angriffsfläche zitiert, die die Puranas jedem europäischen Frömmler für gegnerische und falsche Kritik bieten, der eine fremde Religion lediglich aufgrund äußerer Anzeichen beurteilt. Wer auch immer gewohnt ist, das von ihm Gelesene einer gedankenvollen Prüfung zu unterziehen, wird auf den ersten Blick erkennen, wie widersinnig es ist, das als „Unerkennbares“ angenommene, das formlose und attributlose Absolute, wie die Vedantisten Brahman definieren, anzurufen als „eins mit der Schlangenrasse, doppelzüngig, grausam und unersättlich“ und auf diese Weise das Abstrakte mit dem Konkreten zu verbinden und damit dem, das von allen Beschränkungen frei und unbedingt ist, Eigenschaften zuzuordnen. Selbst Dr. Wilson hätte es besser wissen müssen, hat er doch so viele Jahre lang von Brahmanen und Pandits umgeben in Indien gelebt – und doch ließ sogar dieser Gelehrte sich keine Gelegenheit entgehen, die indischen Schriften in dieser Hinsicht zu kritisieren. So ruft er aus:126

„Die Puranas lehren ständig unvereinbare Doktrinen! Laut dieser Stelle ist das höchste Wesen nicht nur die untätige Ursache der Schöpfung, sondern erfüllt gleichzeitig die Aufgabe einer aktiven Vorsehung. Der Kommentator zitiert zur Unterstützung dieser Auffassung eine Stelle aus dem Veda: ‘Die Universalseele tritt in die Menschen ein und bestimmt ihr Verhalten.’ Wie auch immer, Widersprüche kommen in den Veden genauso häufig vor wie in den Puranas. . . . .“

Seltener jedenfalls – und das ist die nüchtere Wahrheit – als in der mosaischen Bibel. Aber in den Herzen unserer Orientalisten gibt es große Vorurteile, insbesondere in denen „ehrwürdiger“ Gelehrter. Die Universalseele ist nicht die untätige Ursache der Schöpfung oder (Para-) Brahman, sondern einfach das, was wir das sechste Prinzip des intellektuellen Kosmos auf der geoffenbarten Daseinsebene nennen. Sie ist Mahat, oder Mahabuddhi, die große Seele, die Trägerin des Geistes, die erste ursprüngliche Widerspiegelung der formlosen Ursache und dessen, was selbst jenseits des Geistes ist. [SD # 421] Soviel zu Professor Wilsons unangebrachtem Hieb gegen die Puranas. Was die offenbar widerspruchsvolle Anrufung Vishnus von Seiten der geschlagenen Götter betrifft, findet sich die Erklärung eben dort im Text des Vishnu-Puranas, wenn die Orientalisten sie nur beachten wollten.127 Es gibt einen Vishnu als Brahmâ und einen Vishnu in seinen beiden Aspekten, lehrt uns die Philosophie. Es gibt nur ein Brahman, „essenziell Prakriti und Geist“ etc.

Daher ist es nicht Vishnu – „die untätige Ursache der Schöpfung“ –, welcher die Aufgabe einer aktiven Vorsehung erfüllt, sondern die Universalseele, das, was É. Lévi das Astrallicht in seinem materiellen Aspekt nennt. In ihren dualen Aspekten von Geist und Materie ist diese „Seele“ der wahre anthropomorphische Gott der Theisten; denn dieser Gott ist eine Personifikation dieses universalen schöpferischen Agenten, wegen seines geoffenbarten Zustandes und seiner Differenziation in diese mayavische Welt ist er sowohl rein als auch unrein – Gott und Teufel fürwahr. Aber Dr. Wilson verfehlte zu sehen, weshalb Vishnu in diesem Charakter große Ähnlichkeit mit dem Herrgott von Israel hat, „insbesondere in seiner Strategie der Täuschung, Versuchung und List“.

Im Vishnu-Purana“ wird dies so klar gemacht, wie es nur geht. Denn es heißt dort: „Am Ende ihrer Gebete (stotra) erblickten die Götter die höchste Gottheit Hari (Vishnu) mit der Muschel, dem Diskus und der Keule bewaffnet, auf dem Garuda reitend.Nun ist „Garuda“ der manvantarische Zyklus, wie an der entsprechenden Stelle gezeigt werden wird. Vishnu ist daher die Gottheit in Raum und Zeit; speziell der Gott der Vaishnavas (solche Götter heißen in der Esoterischen Philosophie Stammes- oder Rassen-Götter); d. h. einer der vielen Dhyanis oder Götter oder Elohim, von denen gewöhnlich aus irgendeinem besonderen Grund eine Nation oder ein Stamm einen bestimmten auserwählt und auf diese Weise allmählich zu einem „Gott über allen Göttern“ (2 Chr 2,5) wurde, zum „höchsten Gott“, wie Jehovah, Osiris, Bel oder jeder beliebige der sieben Regenten.

„Den Baum erkennt man an seiner Frucht“ – die Natur eines Gottes an seinen Handlungen. Wir müssen Letztere entweder nach dem toten Buchstaben der Erzählungen beurteilen oder sie allegorisch verstehen. Wenn wir die beiden vergleichen – Vishnu als den Verteidiger und Besten der Götter; und Jehovah, den Verteidiger und Besten des „auserwählten“ Volks, was unzweifelhaft ironisch gemeint ist, da es ja die Juden selbst waren, die diesen „eifersüchtigen“ Gott auserwählten –, so werden wir finden, dass beide sich der Täuschung und List bedienen. Sie tun dies nach dem Grundsatz, dass „der Zweck die Mittel heiligt“, um über ihre [SD # 422] entsprechenden Gegner und Feinde – die Dämonen – die Oberhand zu gewinnen. Während (nach den Kabbalisten) Jehovah also im Garten Eden die Gestalt der versuchenden Schlange annimmt; Satan aussendet mit dem besonderen Auftrag, Hiob zu versuchen; den Pharao drangsaliert und ermüdet mit Sara, der Frau Abrahams und sein Herz gegen Moses „verhärtet“, damit ihm nicht die Gelegenheit dazu genommen wird, sein Opfer „mit großen Plagen“ zu schlagen (Genesis 12, Exodus) – nimmt Vishnu laut seinem Purana seine Zuflucht in einen Kniff, der eines jeden anständigen Gottes nicht minder unwürdig ist.

„Habe Mitleid mit uns, oh Herr, und schütze uns, die wir zu dir gekommen sind, um Hilfe gegen die Daityas (Dämonen)!“, beten die geschlagenen Götter. „Sie haben sich der drei Welten bemächtigt und die Opfer angeeignet, die unser Anteil sind, Sorge tragend, die Vorschriften des Veda nicht zu verletzen. Obwohl wir, ebenso gut wie sie, Teile von dir sind.128 . . . . da sie sich an die in der Heiligen Schrift vorgeschriebenen Pfade halten . . . . ist es uns nicht möglich, sie zu vernichten. Oh du, dessen Weisheit unermesslich ist (Ameyatman), unterrichte uns in irgendeinem Mittel, das uns in den Stand versetzt, die Feinde der Götter zu vertilgen!“

Als der mächtige Vishnu ihre Bitte hörte, entsendete er eine illusive Form (Mayamoha, den „Blender durch Illusion“) aus seinem Körper, gab sie den Göttern und sprach also: „Dieser Mayamoha wird die Daityas vollständig entzücken, so dass sie, vom Pfad der Veden abgelenkt, getötet werden können. . . . So geht nun hin und fürchtet euch nicht. Lasst euch diese trügerische Erscheinung voranschreiten. Sie soll euch an diesem Tag von großem Dienst sein, oh Götter!“

Hierauf ging diese große Täuschung Mayamoha hin zur Erde, erblickte die mit asketischen Büßungen beschäftigten Daityas, näherte sich ihnen in der Gestalt eines Digambara (eines nackten Bettelmönchs) mit geschorenem Haupt . . . und sprach mit sanfter Stimme also zu ihnen: „Oh, ihr Herren vom Stamme der Daityas, warum führet ihr diese Bußübungen aus?“ usw. usw. (Buch II, xviii)

Schließlich wurden die Daityas durch die arglistige Rede des Mayamoha verführt, wie Eva durch den Rat der Schlange verführt wurde. Sie wurden Abtrünnige der Veden. Dr. Muir übersetzt die Stelle wie folgt:

„Der große Betrüger, Illusionen errichtend, verführte zunächst andere Daityas mithilfe vielerlei Arten von Ketzerei. Nach sehr kurzer Zeit fielen diese Asuras (Daityas), von dem Betrüger (der Vishnu war) getäuscht, von dem ganzen, auf den Anordnungen des dreifachen Veda gegründeten Systems ab. Einige schmähten die Veden; andere das Opferzeremoniell; und andere die Brahmanen. Dies (riefen sie aus) ist eine Lehre, die einer Prüfung nicht Stand hält; das Schlachten (der Tiere beim Opfer) ist religiösem Verdienst nicht förderlich. Zu behaupten, Butter darzubringen und im Feuer zu verbrennen werde irgendwie zukünftigen Lohn bringen, ist kindisch. . . . Wenn ein beim Opfer geschlachtetes Tier tatsächlich in den Himmel erhoben wird, warum schlachtet der Opfernde dann nicht seinen eigenen Vater? . . . . Ihr großen Asuras, unfehlbare Aussprüche fallen nicht vom Himmel; ich und andere intelligente Personen wie ihr nehmen lediglich Behauptungen an, welche auf Vernunftschlüssen begründet sind! So wurden die Daityas auf mannigfache Art von dem großen Betrüger (der Urteilskraft) ins Wanken gebracht. . . . Als [SD # 423] sie den Pfad des Irrtums betreten hatten, sammelten die Götter all ihre Kräfte und zogen in die Schlacht. Hierauf folgte eine Schlacht der Götter mit den Asuras; und die Letzteren, die den rechten Pfad verlassen hatten, wurden von den Ersteren besiegt. In früherer Zeit schützte sie die Rüstung der Rechtschaffenheit, mit der sie angetan waren; aber nachdem die zerstört war, gingen auch sie selbst zu Grunde.“ („Journal of the Royal Asiat. Society“, Vol. xix, 302)

Was auch immer man über die Inder denken mag, nicht einmal ihre Feinde können sie für Narren halten. Ein Volk, dessen heilige Männer und Weise der Welt die größten und erhabensten jemals dem menschlichen Denken entsprungenen Philosophien hinterlassen haben, muss den Unterschied zwischen Recht und Unrecht gekannt haben. Selbst ein Unzivilisierter kann Weiß von Schwarz, Gut von Böse und Betrug von Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit unterscheiden. Wer auch immer dieses Ereignis in der Biografie ihres Gottes erzählt hat, muss eingesehen haben, dass in diesem Fall Gott der Erzbetrüger war, und dass die Daityas, welche „die Vorschriften der Veden niemals übertraten“, sich auf der hellen Seite der Geschehnisse befanden und die wahren „Götter“ waren. Daher muss eine geheime, verborgene Bedeutung dieser Allegorie existieren, und das ist auch der Fall. Betrug und List wurden noch in keiner Gesellschaftsschicht irgendeiner Nation als göttliche Tugenden angesehen – ausgenommen vielleicht in der Klasse der klerikalen Theologen und im modernen Jesuitentum.

Das Vishnu-Purana“129 ging, wie alle anderen Werke dieser Art, in einer späteren Periode in die Hände der Tempel-Brahmanen über, und die alten Manuskripte wurden von Sektierern zweifellos noch einmal manipuliert. Es gab aber eine Zeit, in der die Puranas esoterische Werke waren, und das sind sie auch jetzt noch für die Initiierten, die sie mit dem Schlüssel lesen können, der sich in ihrem Besitz befindet.

Ob die brahmanischen Initiierten die volle Bedeutung dieser Allegorien jemals veröffentlichen werden, ist eine Frage, mit deren Beantwortung die Schreiberin sich nicht zu befassen hat. Zweck des Vorliegenden ist es zu zeigen, dass bei aller Verehrung der schöpferischen Kräfte in ihren vielfältigen Formen kein Philosoph die Allegorie als den wahren Geist auffassen konnte, noch dass das jemals geschehen sei, vielleicht mit Ausnahme einiger den gegenwärtigen „überlegenen und zivilisierten“ christlichen Rassen angehörenden Philosophen. Jehovah ist Vishnu in ethischer Hinsicht nicht im Geringsten überlegen, wie gezeigt wurde. Das ist der Grund, warum die Okkultisten und selbst einige Kabbalisten die Ursache niemals mit der Wirkung verwechseln und den Geist der Erde für Parabrahman oder Ain Soph halten werden, einerlei ob sie diese schöpferischen Kräfte als lebendige und bewusste Wesenheiten betrachten oder nicht – und es ist nicht einzusehen, warum sie nicht so verstanden werden sollten. Auf jeden Fall kennen sie die wahre Natur dessen, was die Griechen Vater-Äther, Jupiter-Titan usw. nannten, genau. Sie wissen, dass die Seele des Astrallichts göttlich ist und [SD # 424] sein Körper (die Lichtwellen auf den niederen Ebenen) teuflisch. Dieses Licht wird im „Zohar“ durch das „magische Haupt“ symbolisiert, durch das doppelte Gesicht auf der doppelten Pyramide; die schwarze Pyramide erhebt sich vor einem reinen, weißen Grund mit einem weißen Haupt und Gesicht in ihrem schwarzen Dreieck; die weiße Pyramide ist umgekehrt – der Widerschein der Ersteren auf den dunklen Wassern, welcher die dunkle Spiegelung des weißen Gesichts zeigt. . . . .

Das ist das „Astrallicht“, oder Demon Est Deus Inversus.

 

 

§ XII
Die Theogonie der schöpferischen Götter

Um die einer beliebigen alten Kosmologie zugrundeliegende Vorstellung vollständig verstehen zu können, ist das Studium und die vergleichende Analyse sämtlicher großen Religionen des Altertums notwendig; denn die Wurzelidee kann ausschließlich auf diese Weise verdeutlicht werden. Könnte sich die exakte Wissenschaft so hoch aufschwingen, die Tätigkeit der Natur bis zu ihren letzten und ursprünglichen Quellen zurückzuverfolgen, würde sie diese Idee als die Hierarchie der Kräfte bezeichnen. Es gab nur eine einzige ursprüngliche, transzendentale und philosophische Vorstellung. Aber als die Systeme in den fortschreitenden Zeitaltern mehr und mehr die Eigenarten der Völker widerzuspiegeln begannen und Letztere sich in verschiedene Gruppen getrennt niederließen, die sich alle in ihren eigenen nationalen oder stammesspezifischen Linien entwickelten, wurde die Grundidee allmählich von der menschlichen Fantasie überwuchert und dadurch verschleiert. Während in einigen Ländern den Kräften oder vielmehr den intelligenten Mächten der Natur göttliche Ehren zuteil wurden, auf die sie schwerlich Anspruch erheben konnten, erscheint in anderen – wie jetzt in Europa und den anderen zivilisierten Ländern – der bloße Gedanke, dass solche Kräfte mit Intelligenz begabt sein könnten, widersinnig und wird für unwissenschaftlich erklärt. Man fühlt sich daher erleichtert zu lesen, was in der Einleitung zu „Asgard and the Gods: The Tales and Traditions of Our Northern Ancestors“, herausgegeben von W. S. W. Anson, zu finden ist. Der Autor sagt auf Seite 3: „In Zentralasien und an den Ufern des Indus, im Land der Pyramiden und auf der griechischen und italienischen Halbinsel, und gerade auch im Norden, wohin die Kelten, Teutonen und Slawen wanderten, haben die religiösen Vorstellungen der Völker unterschiedliche Formen angenommen; und dennoch ist ihr gemeinsamer Ursprung noch erkennbar. Wir weisen auf diesen Zusammenhang zwischen den Erzählungen über die Götter hin, auf die in ihnen enthaltenen tiefsinnigen Gedanken und auf ihre Wichtigkeit, damit der Leser einsehen möge, dass sich vor ihm nicht eine magische Welt ausschweifender Einbildungskraft eröffnet, sondern dass . . . das Leben und die Natur selbst die Grundlage für das Dasein und Wirken dieser Gottheiten bildeten.“ Und obwohl kein Okkultist und kein Schüler der östlichen Esoterik mit der seltsamen Idee übereinstimmen könnte, [SD # 425] dass „die religiösen Vorstellungen der berühmtesten Nationen des Altertums mit dem Beginn der Zivilisation der germanischen Rassen im Zusammenhang stehen“, so werden sie doch sehr erfreut sein, Wahrheiten formuliert zu finden wie die Folgende: „Diese Feenmärchen sind nicht bloß sinnlose Geschichten, die für müßige Unterhaltung geschrieben sind; sie verkörpern vielmehr die tiefsinnige Religion unserer Vorväter . . .“

Ganz genau so. Nicht bloß ihre Religion, sondern desgleichen ihre Geschichte. Denn Mythos bedeutet im Griechischen μῦθος, mündliche Tradition, von Mund zu Mund von einer Generation an die nächste weitergegeben; und selbst in der modernen Etymologie steht das Wort für eine fabelartige Darlegung, die irgendeine bedeutende Wahrheit befördert; eine Erzählung über eine außerordentliche Persönlichkeit, deren Lebensbild infolge der Verehrung durch aufeinanderfolgende Geschlechter von reicher, volkstümlicher Fantasie überwuchert ist, welche aber dennoch nicht vollständig in das Reich der Fabel gehört. Gleich unseren Vorfahren, den ursprünglichen Ariern, glauben auch wir fest an die Persönlichkeit und Intelligenz nicht nur einer der die Phänomene hervorbringenden Naturkräfte.

Mit voranschreitender Zeit wurde die archaische Lehre immer trüber; die Völker verloren das höchste und Eine Prinzip aller Dinge mehr oder weniger aus den Augen und begannen, die abstrakten Attribute der „ursachenlosen Ursache“ auf die verursachten Wirkungen zu übertragen, die ihrerseits ursächlich wurden als die schöpferischen Kräfte des Weltalls; die großen Nationen handelten so aus Furcht, die Idee zu entweihen; die kleineren entweder, weil sie sie nicht zu erfassen vermochten oder weil es ihnen an philosophischer Vorstellungskraft mangelte, die für den Erhalt ihrer unbefleckten Reinheit notwendig ist. Mit Ausnahme der jetzt zu Europäern und Christen gewordenen späteren Arier weisen sämtliche Völker in ihren Kosmogonien diese Verehrung auf. Wie Thomas Taylor130 zeigt, der intuitivste aller Übersetzer der griechischen Fragmente, hat sich keine Nation jemals das Eine Prinzip als den unmittelbaren Schöpfer des sichtbaren Weltalls vorgestellt, denn kein geistig Normaler würde davon ausgehen, dass der Planer und Architekt des von ihm bewunderten Gebäudes es mit seinen eigenen Händen selbst erbaut hat. Nach Damaskios’ ( Περὶ ᾽αρχῶν ) Zeugnis bezeichneten sie das Eine Prinzip als die „Unbekannte Dunkelheit“. Die Babylonier übergingen es mit Stillschweigen: „An jenen Gott“, sagt Porphyrios in „Περὶ ἀποχῆς ἐμψυχῶν“, „der über allen Dingen ist, sollte man sich weder in äußerer Rede wenden noch in jener, die innerlich ist. . . . .“ Hesiod beginnt seine Theogonie mit den Worten: „Von allen Dingen wurde das Chaos als Erstes hervorgebracht“,131 und gestattet so den Schluss, dass über seine Ursache oder seinen Hervorbringer mit ehrfurchtsvollem Stillschweigen hinweggegangen werden muss. Homer erhebt sich in seinen Gedichten nicht höher als bis zur Nacht, welche er von Zeus verehren lässt. Nach allen alten Theologen und nach den Lehren von Pythagoras oder Platon ist Zeus oder der [SD # 426] unmittelbare Erbauer des Weltalls nicht der höchste Gott; nicht mehr, als Sir Christopher Wren in seinem körperlichen, menschlichen Aspekt das sich in ihm befindende Gemüt ist, welches die großen Kunstwerke erschuf. Homer schweigt deshalb nicht nur in Bezug auf das erste Prinzip, sondern ebenso auch in Bezug auf die dem ersten unmittelbar nachfolgenden beiden Prinzipien, Orpheus’ und Hesiods Äther und Chaos sowie Pythagoras’ und Platons Begrenztes und die Unendlichkeit.132 . . . . Proklos sagt über das höchste Prinzip, es sei . . . . „die Einheit der Einheiten und jenseits der ersten Adyta . . . . . unaussprechlicher als alles Schweigen und okkulter als jede Essenz . . . . . verborgen inmitten der fassbaren Götter.“ (Ibid.)

Thomas Taylor schrieb im Jahr 1797, dass „die Juden nicht weiter gekommen zu sein scheinen . . . . als bis zum unmittelbaren Baumeister des Weltalls“, da „Moses eine Finsternis über dem Antlitz der Tiefe einführt, ohne auch nur anzudeuten, dass es für ihre Existenz irgendeinen Grund geben musste“.133 Es ließe sich noch mehr hinzufügen. Die Juden haben in ihrer Bibel (ein rein esoterisches, symbolisches Werk) die metaphorische Gottheit niemals so tief erniedrigt wie die Christen, indem sie Jehovah als ihren einzigen lebendigen, aber persönlichen Gott annahmen.

Dieses Erste, oder vielmehr Eine Prinzip wurde der „Himmelskreis“ genannt und durch das Hierogramm eines Punktes innerhalb eines Kreises oder eines gleichseitigen Dreiecks symbolisiert, wobei der Punkt den Logos bedeutete. So wird im „Rigveda“, in welchem Brahmâ nicht einmal erwähnt ist, die Kosmogonie mit Hiranyagarbha, dem „Goldenen Ei“, und mit Prajapati (später Brahmâ) eingeleitet, aus denen sämtliche „Schöpfer“-Hierarchien anschließend hervorgehen. Die Monade oder der Punkt ist der Ursprung und die Einheit, aus welcher das gesamte Zahlensystem hervorgeht. Dieser Punkt ist die Erste Ursache, aber Jenes, aus welchem sie hervorgeht, oder vielmehr dessen Ausdruck sie ist, der Logos, wird stillschweigend übergangen. Das universale Symbol wiederum, der Punkt im Kreis, war noch nicht der Architekt, sondern die Ursache dieses Architekten, und Letzterer stand exakt in demselben Verhältnis zu ihm wie der Punkt selbst zum Kreisumfang steht, der nach Hermes Trismegistos nicht definiert werden kann. Porphyrios zeigt, dass Pythagoras’ Monade und Duade wesensgleich sind mit Platons Unendlichem und Endlichem im Philebos, oder was Platon ἄπειρον und πέρας nennt. Lediglich Letzteres (die Mutter) ist substanziell, Ersteres ist „die Ursache aller Einheit und das Maß aller Dinge“, (Vit. Pythag“, S. 47); die Duade (Mulaprakriti, der Schleier) wird somit als die Mutter des Logos und gleichzeitig als seine Tochterd. h. das Objekt seiner Wahrnehmung – dargestellt, die erschaffene [SD # 427] Erschafferin und die sekundäre Ursache davon. Bei Pythagoras kehrt die Monade in Schweigen und Dunkelheit zurück, sobald sie die Triade evolviert hat, von der die übrigen 7 der 10 (zehn) Zahlen ausgehen, welche die Grundlage des geoffenbarten Weltalls darstellen.

In der nordischen Kosmogonie findet sich dasselbe. „Im Anbeginn war ein großer Abgrund (Chaos), und es gab weder Tag noch Nacht; der Abgrund war Ginnungagap, die gähnende Kluft, ohne Anfang und ohne Ende. All-Vater, der Unerschaffene, der Unsichtbare, wohnte in der Tiefe des ‘Abgrunds’ (Raum) und wollte, und was gewollt war, trat ins Dasein.“ (Siehe „Asgard and the Gods“) Wie in der indischen Kosmogonie ist die Entwicklung des Weltalls in zwei Akte geteilt, die in Indien die Prakriti- und die Padma-Schöpfung heißen. Bevor die aus der „Wohnung des Glanzes“ hervorströmenden warmen Strahlen die großen Wasser des Raumes zum Leben erwecken, treten die Elemente der ersten Schöpfung hervor, und aus ihnen wird der Riese Ymir (auch Örgelmir) geschaffen – die aus dem Chaos differenzierte, ursprüngliche Materie (wörtlich siedender Lehm). Dann folgt die Kuh Audhumbla, die Ernährerin,134 die Buri (den Erzeuger) hervorbringt, der von Bestla, der Tochter der „Eisriesen“ (Söhne Ymirs), drei Söhne hatte, Odin, Willi und We oder „Geist“, „Wille“ und „Heiligkeit“ (vergleiche die Genesis der ursprünglichen Rassen in diesem Werk). Dies geschah, während noch überall im Raum die Finsternis herrschte, als die Asen, die schöpferischen Kräfte (Dhyan Chohans) noch nicht entwickelt waren und Yggdrasil, der Baum des Universums, der Zeit und des Lebens, noch nicht gewachsen war und Walhalla oder die Halle der Helden noch nicht existierte. Die skandinavischen Schöpfungslegenden über unsere Erde und Welt beginnen mit der Zeit und dem menschlichen Leben. Alles, was diesem vorangeht, ist für sie „Finsternis“, in welcher der All-Vater verweilt, die Ursache von allem. Wie der Herausgeber von „Asgard and the Gods“ bemerkt, enthalten diese Legenden zwar die Idee des All-Vaters, der ursprünglichen Ursache von allem, doch „wird er in dieser Dichtung kaum erwähnt“. Das geschah seiner Ansicht nach nicht deshalb, weil sich die Idee vor der Verkündigung des Evangeliums „nicht zu klaren Vorstellungen des Ewigen erheben konnte“, sondern wegen ihres tief esoterischen Charakters. Daher beginnen alle schöpferischen Götter oder persönlichen Gottheiten mit dem zweiten Stadium der kosmischen Entwicklung. Zeus wird in und aus Kronos geboren – der Zeit. So ist Brahmâ die Hervorbringung und Emanation von Kala, „Ewigkeit und Zeit“, da Kala einer von Vishnus Namen ist. Daher finden wir Odin als Vater der Götter und der Asen, entsprechend Brahmâ, welcher der Vater der Götter und der Asuras ist, daher auch der androgyne Charakter aller wichtigen schöpferischen Götter, von der zweiten Monade der Griechen herab bis zum Sephiroth Adam Kadmon, dem Brahmâ oder Prajapati-Vach der Veden, und Platons Androgynem, was lediglich eine weitere Version des indischen Symbols ist.

[SD # 428] Die beste metaphysische Definition der ursprünglichen Theogonie im Geist der Vedantisten ist in den „Notes on the Bhagavat Gita“ von T. Subba Row zu finden (siehe „The Theosophist“, Ausgabe Februar 1887). Der Vortragende sagt seinen Zuhörern über Parabrahman, das Unbekannte und Unerkennbare:

„ . . . . . Es ist nicht Ego, es ist nicht Nichtego, noch ist es Bewusstsein . . . . . es ist nicht einmal Atman“ . . . . . „aber, obwohl es selbst nicht Gegenstand der Erkenntnis ist, ist es doch dazu imstande, jegliche Art von Objekt und von Existenz, die selbst zum Gegenstand der Erkenntnis wird, zu tragen und hervorzurufen. Es ist die Eine Essenz, aus der ein Energiezentrum ins Dasein tritt . . . . .“, das er Logos nennt.

Dieser Logos ist das Shabda Brahman der Hindus, dem er nicht einmal den Namen Iswara (der „Herr“ Gott) zuordnen will, damit das Wort in den Vorstellungen der Menschen nicht Verwirrung stiftet. Er ist aber der Avalokitesvara der Buddhisten, das Verbum der Christen in seiner wirklichen, esoterischen Bedeutung, nicht in seiner theologischen Entstellung.

„Er ist“, sagt er, „der Gñatha oder das Ego im Kosmos, und jedes andere Ego . . . . . . ist bloß seine Reflexion und Offenbarung. . . . . . Während des Pralayas existiert er in einem latenten Zustand im Schoß Parabrahmans. . . .“ (Während des Manvantaras) „besitzt er sein eigenes Bewusstsein und seine eigene Individualität . . . . .“ (Er ist ein Energiezentrum, aber) . . . . . „es existieren nahezu unzählige derartige Energiezentren in Parabrahmans Schoß . . . . .“ „Man darf nicht glauben, der Logos sei der Schöpfer oder er sei lediglich ein einziges Energiezentrum . . . . . . ihre Zahl ist nahezu unendlich.“ „Dieses Ego“, fügt er hinzu, ,,ist das erste, das im Kosmos erscheint, und ist das Ende aller Entwicklung. Es ist das abstrakte Ego“ . . . . . „dies ist die erste Offenbarung (oder Aspekt) Parabrahmans.“ „Sobald er als ein bewusstes Wesen ins Dasein tritt . . . . . . erscheint ihm Parabrahman von seinem objektiven Standpunkt aus als Mulaprakriti.“ „Man möge dies wohl beachten“, bemerkt der Vortragende, „denn hierin liegt die Wurzel der Schwierigkeit, die von verschiedenen Schriftstellern über Vedantaphilosophie in Bezug auf Purusha und Prakriti empfunden wurde. Diese Mulaprakriti ist für ihn (den Logos) so materiell, wie sämtliche materiellen Gegenstände es für uns sind. Diese Mulaprakriti ist nicht mehr Parabrahman als das Bündel von Attributen eines Pfeilers der Pfeiler selbst ist; Parabrahman ist eine unbedingte und absolute Realität, und Mulaprakriti ist eine Art darüber geworfener Schleier. Parabrahman selbst kann nicht gesehen werden, wie es ist. Der Logos sieht es mit einem Schleier bedeckt, und dieser Schleier ist die gewaltige Ausdehnung der kosmischen Materie. . . .“ „Nachdem Parabrahman einerseits als das Ego und andererseits als Mulaprakriti erschienen ist, wirkt es durch den Logos als die eine Energie.“

Und der Vortragende erklärt mithilfe eines schönen Gleichnisses, was er unter diesem Wirken von Etwas, was Nichts ist, obwohl es das All ist, versteht. Er vergleicht den Logos mit der Sonne, die Licht und Wärme ausstrahlt, deren Energie jedoch, Licht und Wärme, in irgendeinem unbekannten Zustand im Raum existiert und dort lediglich als sichtbares Licht und Wärme verbreitet wird, während die Sonne nur der Vermittler davon ist. Dies ist die erste dreifältige Hypostase. Die vierfältige wird abgeschlossen durch das vom Logos ausgegossene Energie spendende Licht.

Die hebräischen Kabbalisten erklären das in einer Weise, die esoterisch mit den Erläuterungen [SD # 429] der Vedantisten übereinstimmt. Ain Soph, so lehren sie, könne nicht erfasst, nicht lokalisiert und auch nicht benannt werden, obwohl er die unverursachte Ursache von allem ist. Daher ist sein Name – Ain Soph – ein negativer Ausdruck, „der Unerforschbare, der Unerkennbare, und der Unbenennbare“. Daher machten sie aus ihm einen grenzenlosen Kreis, eine Sphäre, von welcher der menschliche Intellekt selbst mit äußerster Anstrengung lediglich das Gewölbe wahrnehmen konnte. Mit den Worten eines Mannes, der im kabbalistischen System vieles enträtselt hat, in Bezug auf eine seiner Bedeutungen gelang ihm dies sogar höchst gründlich, und zwar der numerischen und geometrischen Esoterik: „Schließt eure Augen und versucht, in eurem Denken im Bewusstsein eurer eigenen Wahrnehmung in allen Richtungen nach außen zu gehen, bis an die äußersten Grenzen. Ihr werdet finden, dass sich gleich lange Wahrnehmungslinien oder -strahlen gleichmäßig in alle Richtungen erstrecken, bis die äußerste Anstrengung der Wahrnehmung im Gewölbe einer Sphäre ihre Grenze finden wird. Die Begrenzung dieser Kugel wird notwendigerweise ein großer Kreis sein, und die direkten Gedankenstrahlen in jede und alle Richtungen müssen geradlinige Radien dieses Kreises sein. Menschlich gesprochen muss dies nun die weiteste, allumfassendste Idee des geoffenbarten Ain Soph sein, die sich von selbst als eine geometrische Figur formuliert, nämlich als ein Kreis mit seinen Elementen des gekrümmten Umfangs und geradlinigen Durchmessers, der sich in Radien teilt. Daher ist eine geometrische Figur das erste erkennbare Mittel für eine Verbindung zwischen dem Ain Soph und der Intelligenz des Menschen.“135

Dieser große Kreis (den die östliche Esoterik auf den Punkt innerhalb des grenzenlosen Kreises reduziert) ist der Avalokitesvara, der Logos oder das Verbum, von dem T. Subba Row spricht. Dieser Kreis oder geoffenbarte Gott ist uns aber genauso unbekannt wie das Eine, es sei denn durch sein geoffenbartes Weltall, obwohl leichter für unsere höchste Auffassung oder viel möglicher erscheinend. Dieser während des Pralayas im Schoß Parabrahmans schlafende Logos, vergleichbar unserem „während Sushupti, also des Schlafs, (in uns) latent liegenden Ego“; welcher also Parabrahman nicht anders zu erkennen vermag denn als Mulaprakriti – Letztere ein kosmischer Schleier, welcher „die gewaltige Ausdehnung kosmischer Materie“ ist – und somit bei der kosmischen Schöpfung lediglich ein Organ, durch welches die Energie und Weisheit Parabrahmans strahlt, dem Logos ebenso unbekannt wie uns selbst. Da uns ferner der Logos genauso unbekannt ist wie Parabrahman in Wirklichkeit dem Logos, haben sowohl die östliche Esoterik als auch die Kabbala die abstrakte Synthese in konkrete Bilder aufgelöst, um den Logos in den Bereich unseres Vorstellungsvermögens zu bringen; nämlich in die Widerspiegelungen oder vielfachen Aspekte dieses Logos oder Avalokitesvara, Brahmâ, Ormazd, Osiris, Adam Kadmon – mit welchem dieser Namen auch immer man sie bezeichnen will –, deren Aspekte oder manvantarische Emanationen die Dhyan Chohans, die Elohim, die Devas, die Amschaspands etc. etc. sind. Laut T. Subba Row erklären die Metaphysiker die Wurzel und den Keim der Letzteren zur ersten Manifestation Parabrahmans, „die höchste Dreiheit, die [SD # 430] zu verstehen wir in der Lage sind“, nämlich Mulaprakriti (der Schleier), der Logos sowie die bewusste Energie des Letzteren oder seine Kraft und sein Licht136; oder „Materie, Kraft und das Ego, oder die eine Wurzel des Selbst, von welcher jede andere Art von Selbst lediglich eine Offenbarung oder ein Widerschein ist“. Nur in diesem Licht (des Bewusstseins) intellektueller und körperlicher Wahrnehmung vermag der praktische Okkultismus dies mithilfe geometrischer Figuren sichtbar zu machen, welche bei genauem Studium nicht nur eine wissenschaftliche Erklärung des wirklichen, objektiven Daseins137 der „Sieben Söhne der göttlichen Sophia“ liefern werden, welche das Licht des Logos sind, sondern auch mithilfe anderer noch unentdeckter Schlüssel zeigen werden, dass diese „Sieben Söhne“ und ihre zahllosen Emanationen, die personifizierten Energiezentren, in Bezug auf die Menschheit eine unbedingte Notwendigkeit sind. Schaffe sie aus der Welt, und das Geheimnis des Seins und der Menschheit wird niemals enträtselt werden, ja man wird seiner Lösung nicht einmal nahe kommen.

Durch dieses Licht wurde alles erschaffen. Diese Wurzel des intellektuellen Selbst ist zugleich die Wurzel des körperlichen Selbst, denn dieses Licht ist in unserer geoffenbarten Welt die Permutation Mulaprakritis, welche in den Veden Aditi genannt wird. In seinem dritten Aspekt wird es zu Vach,138 der Tochter und Mutter des Logos, so wie Isis die Tochter und Mutter des Osiris ist, der Horus ist; und Mut die Tochter, Gattin und Mutter Amuns in der ägyptischen Mondglyphe. In der Kabbala ist Sephira gleichbedeutend mit Shekinah, und in einer anderen Zusammensetzung ist sie die Gattin, Tochter und Mutter des „Himmlischen Menschen“, Adam Kadmons. Sie ist sogar identisch mit ihm, ebenso wie Vach identisch ist mit Brahmâ und der weibliche Logos genannt wird. Im „Rigveda“ ist Vach „die mystische Sprache“, mit deren Hilfe dem Menschen okkultes Wissen und Weisheit vermittelt werden, und folglich heißt es, Vach „sei in die Rishis eingetreten“. Sie ist „von den Göttern erschaffen“; sie ist die göttliche Vach, die „Königin der Götter“, und sie ist – wie Sephira mit den Sephiroth – bei ihrem Schöpfungswerk mit den Prajapati verbunden. Obendrein wird sie die „Mutter der Veden“ genannt, „da Brahmâ die Veden mit ihrer Macht (als mystische Rede) offenbarte und er auch das Universum aufgrund ihrer Kraft hervorbrachte“ – d. h. durch Rede und Worte (dargestellt mit dem „Wort“) und Zahlen.139

Wenn Vach aber auch als Dakshas Tochter erwähnt wird – „des Gottes, der in allen Kalpas lebt“ –, so beweist das ihren mayavischen Charakter: [SD # 431] Während des Pralayas verschwindet sie, absorbiert in den Einen, alles verschlingenden Strahl.

Bei allen diesen Nachahmungen der weiblichen Naturkraft oder der Natur – der noumenalen und der phänomenalen – existieren jedoch zwei ausgeprägte Aspekte in der universalen Esoterik, in der östlichen wie in der westlichen. Der eine ist ihr rein metaphysischer Aspekt, wie er von dem gelehrten Redner in seinen „Notes on the Bhagavadgita“ beschrieben wird; der andere ist irdisch und körperlich und vom Standpunkt der praktischen menschlichen Vorstellung und des Okkultismus aus gleichzeitig göttlich. Sie alle sind Symbole und Personifikationen des Chaos, der „großen Tiefe“ oder der Ursprünglichen Wasser des Raums, des undurchdringlichen Schleiers zwischen dem Unerkennbaren und dem Logos der Schöpfung. „Indem er sich mithilfe seines Gemüts mit Vach verbindet, schuf Brahmâ (der Logos) die Ursprünglichen Wasser“. In der Kathaka-Upanishad ist das noch klarer ausgesprochen: „Prajapati war dieses Universum. Vach war nach ihm die Wichtigste. Er verband sich mit ihr . . . sie brachte diese Geschöpfe hervor und trat wieder in Prajapati ein.“140

Und hier können wir beiläufig auf einen der vielen ungerechten Verunglimpfungen hinweisen, wie sie von den frommen und guten Missionaren in Indien gegen die Landesreligion erhoben wurden. Diese Allegorie – aus der „Satapatha-Brahmana“ – dass Brahmâ als Vater der Menschen das Schöpfungswerk durch einen inzestuösen Umgang mit seiner eigenen Tochter Vach vollbrachte, auch Sandhya (Zwielicht) und Satarupa (die hundertfach Geformte) genannt, wird den Brahmanen unaufhörlich zur Verurteilung ihrer „verabscheuungswürdigen, falschen Religion“ ins Gesicht geschleudert. Abgesehen von der Tatsache, dass zweckdienlicherweise von den Europäern vergessen wird, dass der Patriarch Lot sich desselben Verbrechens in menschlicher Form als schuldig erwies, während Brahmâ oder vielmehr Prajapati den Inzest in Gestalt eines Hirsches mit seiner Tochter ausführte, welche die Gestalt einer Hirschkuh (Rohit) angenommen hatte, zeigt die esoterische Lesart des dritten Kapitels der Genesis (Kap. iii) dasselbe. Ferner hat die indische Allegorie ganz bestimmt eine kosmische und nicht eine physiologische Bedeutung, nachdem Vach eine Permutation von Aditi und Mulaprakriti (Chaos) ist, und Brahmâ eine Permutation von Narayana, des in die Natur eintretenden und sie befruchtenden Geistes Gottes; daher ist in dieser Idee überhaupt nichts Phallisches enthalten.

Wie bereits festgestellt, ist Aditi-Vach der weibliche Logos, oder das „Wort“, Verbum; und die Sephira der Kabbala ist dasselbe. Diese weiblichen Logoi sind in ihrem noumenalen Aspekt alle Korrelationen von Licht, Ton und Ether, und zeigen, wie gut unterrichtet die Alten sowohl in Bezug auf [SD # 432] die Wissenschaft der Physik (wie sie jetzt den Modernen bekannt ist) waren als auch in Bezug auf die Geburt dieser Wissenschaft in den spirituellen und astralen Sphären.

„Unsere alten Schriftsteller sagten, Vach sei von viererlei Art . . . . Para, Pasyanti, Madhyama, Vaikhari (eine Aussage, die im „Rigveda“ und in den Upanishaden zu finden ist) . . . . Vaikhari Vach ist, was wir aussprechen.“ Sie ist Ton, Sprache, das wiederum, was für einen unserer physischen Sinne erkennbar und gegenständlich wird und den Gesetzen unserer Wahrnehmung unterstellt werden kann. Daher: „Jede Art von Vaikhari Vach existiert in ihrer Madhyama-, . . . . Pasyanti- und schließlich in ihrer Para-Form. . . . . Dieser Pranava141 wird Vach genannt, weil diese vier Prinzipien des großen Kosmos diesen vier Formen der Vach entsprechen. . . . . Der ganze Kosmos in seiner objektiven Form ist Vaikhari Vach; das Licht des Logos ist die Madhyama-Form; der Logos selbst die Pasyanti-Form; unterdessen ist Parabrahman der Para-Aspekt (jenseits des Noumenon aller Noumena) dieser Vach.“ („Notes on the Bhagavadgita“)

Somit sind Vach, Shekinah und die „Sphärenmusik“ des Pythagoras ein und dasselbe, wenn wir unsere Beispiele den drei (scheinbar) einander unähnlichsten Religionsphilosophien der Welt entnehmen – der hinduistischen, der griechischen und der chaldäisch-hebräischen. Diese Nachahmungen und Allegorien können unter vier (Haupt-) und drei (Neben-) oder im Ganzen unter sieben Aspekten betrachtet werden, wie in der Esoterik. Die Para-Form ist das ewig subjektive und latente Licht sowie der Ton, welche im Schoß des Unerkennbaren ewig existieren; wenn sie in die Ideenbildung des Logos oder in dessen latentes Licht transferiert wird, heißt sie Pashyanti, und wenn sie zum Ausdruck dieses Lichts wird, ist sie Madhyama.

Nun gibt die Kabbala die Definition wie folgt: „Es gibt drei Arten von Licht, und diese (die vierte), welche die anderen durchdringt; (1) das klare und das durchdringende, das objektive Licht, (2) das reflektierte Licht und (3) das abstrakte Licht. Die zehn Sephiroth, die drei und die sieben, heißen in der Kabbala die 10 Worte, d-brim (Dabarim), die Zahlen und Emanationen des himmlischen Lichts, das beides ist – Adam Kadmon und Sephira oder (Brahmâ) Prajapati-Vach. Licht, Ton und Zahl sind die drei Schöpfungsfaktoren in der Kabbala. Parabrahman kann nicht erkannt werden, außer durch den leuchtenden Punkt (den Logos), der Parabrahman nicht kennt, sondern nur Mulaprakriti. Ebenso kannte Adam Kadmon nur Shekinah, obwohl er Ain Sophs Vehikel war. Und als Adam Kadmon ist er nach der esoterischen Interpretation die Zusammenfassung der Zahl Zehn, der Sephiroth (selbst eine Trinität oder die drei Attribute der [SD # 433] unerkennbaren Gottheit in Einem).142 „Als der Himmlische Mensch (oder Logos) zuerst die Form der Krone143 (Kether) annahm und sich mit Sephira identifizierte, bewirkte er, dass sieben strahlende Lichter aus ihr (der Krone) hervorgingen“, die in ihrer Gesamtheit zehn ergaben; genauso ließ Brahmâ-Prajapati, nachdem er von Vach getrennt wurde und dennoch mit ihr vereint blieb, aus dieser Krone die sieben Rishis hervorgehen, die sieben Manus oder Prajapatis. In der Exoterik wird man immer 10 und 7 finden, entweder Sephiroth oder Prajapati; in der esoterischen Darstellung aber immer 3 und 7, was ebenfalls 10 ergibt. Nur wenn sie in der manifestierten Sphäre in 3 und 7 geteilt sind, bilden sie das androgyne und das , oder die geoffenbarte und differenzierte Zahl X.

Das wird dem Schüler helfen zu verstehen, warum Pythagoras die Gottheit (den Logos) als den Mittelpunkt der Einheit und die „Quelle der Harmonie“ verehrte. Wir sagen, dass diese Gottheit der Logos war und nicht die in Einsamkeit und Stille verweilende Monade, weil Pythagoras lehrte, dass die Einheit nicht teilbar und deshalb keine Zahl ist. Und das ist auch der Grund, warum man von dem um Aufnahme in seine Schule ersuchenden Kandidaten verlangte, dass er als Vorstufe bereits die Wissenschaften der Arithmetik, Astronomie, Geometrie und Musik studiert hatte, die als die vier Abteilungen der Mathematik betrachtet wurden.144 Das erklärt wieder, warum die Pythagoreer behaupteten, dass die Lehre von den Zahlen – die wichtigste in der Esoterik – dem Menschen von den himmlischen Gottheiten enthüllt worden sei; dass die Welt von Ton und Harmonie aus dem Chaos hervorgerufen und nach den Grundsätzen der musikalischen Proportion aufgebaut worden sei; und ferner, dass die Bewegungen der die Geschicke der Sterblichen lenkenden sieben Planeten harmonisch erfolgen – „entsprechend der musikalischen Intervalle, welche verschiedene Klänge von so vollkommenem Zusammenklang ergeben, dass sie die süßeste Melodie hervorbringen, die für uns nur wegen der Erhabenheit des Klangs unhörbar ist, den zu vernehmen unsere Ohren nicht fähig sind“ („Censorinus“).

In der pythagoreischen Theogonie waren die Hierarchien der himmlischen Schar und der Götter beziffert und durch Zahlen ausgedrückt. Pythagoras hatte die Geheimwissenschaft in Indien studiert. Daher finden wir seine Schüler sagen: „Die Monade (das geoffenbarte Eine) ist die Grundlage aller Dinge. Aus der Monade und der unbestimmten Duade (dem Chaos) entsprangen die [SD # 434] Zahlen; aus den Zahlen die Punkte; aus den Punkten die Linien; aus den Linien die Flächen; aus den Flächen die Körper; aus diesen die festen Körper, die aus vier Elementen bestehen: Feuer, Wasser, Luft, Erde; aus den umgewandelten und vollständig veränderten Elementen (sich mit ihnen in Wechselbeziehung befindend) besteht die Welt.“ (Diogenes Laertios in der Vit. Pythag“.)

Und das mag, wenn es auch noch nicht das ganze Geheimnis enthüllt, auf jeden Fall den Zipfel des Schleiers jener wunderbaren Allegorien heben, der über Vach geworfen wurde, die geheimnisvollste aller brahmanischen Göttinnen, welche „die melodische Kuh genannt wird, von der Nahrung und Wasser gemolken werden kann“ (die Erde mit all ihren mystischen Kräften), und wiederum sie, „die uns Nahrung und Unterhalt gibt“ (die physische Erde). Isis ist ebenfalls die mystische Natur und auch die Erde; und ihre Kuhhörner identifizieren sie mit Vach. Nachdem Letztere in ihrer höchsten Form als Para erkannt wurde, wird sie am niederen oder materiellen Ende der Schöpfung – Vaikhari. Daher ist sie die mystische, wenn auch physische Natur mit allen ihren magischen Seiten und Eigenschaften.

Als Göttin der Sprache und des Tons und als eine Permutation der Aditi, ist sie in einem Sinn das Chaos. Auf jeden Fall ist sie die „Mutter der Götter“, und die wirkliche, geoffenbarte Theogonie muss von Brahmâ (Iswara oder dem Logos) und Vach sowie von Adam Kadmon und Sephira ausgehen. Darüber hinaus ist alles Dunkelheit und abstrakte Spekulation. Mit den Dhyan Chohans oder den Göttern befinden sich die Seher, die Propheten und die Adepten im Allgemeinen auf festem Grund. Einerlei ob Aditi oder die göttliche Sophia der griechischen Gnostiker, ist sie die Mutter der Sieben Söhne: der „Engel des Angesichts“, der „Tiefe“ oder des „Großen Grünen“ aus dem „Totenbuch“. Das Buch Dzyan (der durch Meditation erlangten Erkenntnis) sagt:

„Die große Mutter lag mit , der und dem , der zweiten und dem 145 in ihrem Schoß, bereit sie hervorzubringen, die mutigen Söhne der (oder der 4.320.000, dem Zyklus), deren zwei Vorläufer der und der • (Punkt) sind.“

Zu Beginn eines jeden 4.320.000 Jahre dauernden Zyklus steigen die sieben (oder wie einige Nationen sagten, die acht) großen Götter herab, um die neue Ordnung der Dinge zu begründen und den neuen Zyklus anzustoßen. Dieser achte Gott war der vereinigende Kreis oder Logos, im exoterischen Dogma von seiner Schar getrennt und unterschieden, gerade so, wie die drei göttlichen Hypostasen der alten Griechen jetzt in den Kirchen für drei verschiedene personae gehalten werden. Wie der Kommentar sagt: „Die Mächtigen erfüllen ihre großen Werke und hinterlassen ewige Denkmale zum Gedenken an ihren Besuch, jedesmal wenn sie in unseren mayavischen Schleier (unsere Atmosphäre) eindringen“, sagt ein [SD # 435] Kommentar.146 So wird uns gelehrt, dass die großen Pyramiden unter ihrer direkten Aufsicht erbaut wurden „als Dhruva (der damalige Polarstern) seine untere Kulmination durchlief und die Krittikas (die Plejaden) über sein Haupt blickten (sich auf demselben Meridian befanden, aber darüber standen), um das Werk der Riesen zu überwachen“. Da die ersten Pyramiden am Anfang eines siderischen Jahres unter Dhruva (Alpha Polaris) erbaut wurden, muss das vor über 31.000 Jahren (31.105) geschehen sein. Bunsen hatte Recht, als er für Ägypten ein Alter von über 21.000 Jahren einräumte, aber dieses Zugeständnis umfasst in dieser Frage kaum die volle Wahrheit und den gesamten Sachverhalt. „Die von den ägyptischen Priestern und anderen über die Zeitrechnung in Ägypten erzählten Geschichten stellen in den Augen derer, die den Fesseln der Bibel entronnen sind, schon immer weniger Lügen dar“, schreibt der Verfasser von „The Natural Genesis“. „Kürzlich wurden in Sakkara Inschriften gefunden, welche zwei Sothis-Zyklen erwähnen . . . die damals, jetzt vor etwa 6.000 Jahren, aufgezeichnet wurden. Als Herodot in Ägypten war, hatten die Ägypter somit – wie jetzt bekannt ist – mindestens fünf verschiedene Sothis-Zyklen zu je 1.461 Jahren aufgezeichnet. Die Priester informierten den griechischen Fragesteller, dass die Zeit bei ihnen schon derartig lange so berechnet wurde, dass die Sonne bereits zweimal dort aufgegangen sei, wo sie damals unterging, und zweimal untergegangen, wo sie damals aufging. Das . . . kann als Tatsache in der Natur ausschließlich mit dem Ablauf zweier Präzessionszyklen oder mit einem Zeitraum von 51.736 Jahren erklärt werden.“ (Band II, S. 318. Siehe aber auch in unserem Band II, „Chronologie der Brahmanen“.)

Mar Isaak (siehe Kirchers „Oedipus Aegyptiacus“, Bd. ii, S. 425) zeigt, dass die alten Syrer ihre Welt der „Herrscher“ und „aktiven Götter“ ebenso definierten wie die Chaldäer. Die unterste Welt war die Sublunare – unsere eigene – von „Engeln“ der ersten oder niedrigsten Stufe bewacht; als nächste folgte dem Rang nach Merkur, beherrscht von den „Erzengeln“; dann kam Venus, deren Götter die Fürstentümer waren; die vierte war die der Sonne, die Domäne und die Region der höchsten und mächtigsten Götter unseres Systems, der Sonnengötter aller Nationen; die fünfte war Mars, von den „Tugenden“ beherrscht; die sechste – die von Bel oder Jupiter – wurde von den Herrschern regiert; die siebte – die Welt des Saturn – von den Thronen. Diese sind die Welten der Form. Darüber kommen die vier höheren, was wieder sieben ergibt, nachdem die drei höchsten „nicht angesprochen werden können und unaussprechlich“ sind. Die achte, aus 1.122 Sternen zusammengesetzt, ist die Domäne der Cherubim; die neunte, die aufgrund ihrer Entfernung den wandernden und zahllosen Sternen angehört, hat die Seraphim; in Bezug auf die zehnte sagt Kircher, indem er Mar Isaak zitiert, dass sie zusammengesetzt ist „aus unsichtbaren Sternen, die, wie sie sagten, für Wolken gehalten werden könnten – so groß ist ihre Zahl in dem Bereich, den wir Via Straminis nennen, die [SD # 436] Milchstraße“; und er beeilt sich zu erklären, dass „es sich dabei um Luzifers Sterne handelt, die bei seinem schrecklichen Schiffbruch mit ihm zusammen in den Abgrund gerissen wurden“. Was nach und jenseits der zehn Welten (unserer Vierheit) kommt (oder die Arupa-Welt), konnten die Syrer nicht sagen. „Alles, was sie wussten war, dass hier der weite und unbegreifliche Ozean des Unendlichen beginnt, die Wohnstatt der wahren Gottheit, ohne Grenzen und ohne Ende.“

Champollion weist denselben Glauben bei den Ägyptern nach, Hermes spricht vom Vater-Mutter und Sohn, deren Geist (kollektiv das Göttliche Fiat) das Universum formt, und sagt dann: „Es wurden auch sieben Vermittler (Medien) geformt, um die materiellen (oder manifestierten) Welten in ihren jeweiligen Kreisen einzuschließen, und die Wirkung dieser Vermittler wurde Schicksal genannt.“ Weiter zählt er sieben und zehn und zwölf Klassen auf, aber es würde zu lange dauern, sie hier im Einzelnen anzuführen.

Da das „Rigvidhana“ zusammen mit dem „Brahmanda-Purana“ und sämtlichen derartigen Werken von Dr. Weber und anderen zu modernen Kompilationen erklärt werden, „die wahrscheinlich erst der puranischen Zeit angehören“, ist es nutzlos, den Leser auf ihre mystischen Erklärungen zu verweisen, ob sie nun die magische Wirkungsweise der Mantren des „Rigveda“ beschreiben oder die zukünftigen Kalpas; man könnte ebenso gut einfach aus archaischen Büchern zitieren, welche den Orientalisten völlig unbekannt sind. Diese Werke erklären das, was die Gelehrten so in Verlegenheit versetzt, nämlich dass die Saptarishis, Brahmâs „aus der Seele geborene Söhne“, im Satapatha-Brahmana unter einer Reihe von Namen aufgeführt werden; im Mahabharata unter einer weiteren Reihe; und dass das Vayu-Purana anstelle von sieben sogar neun Rishis nennt, indem es der Liste noch die Namen des Bhrigu und Daksha hinzufügt. Dasselbe geschieht aber in allen exoterischen Schriften. Die Geheimlehre gibt eine lange Genealogie von Rishis, trennt sie aber in viele Klassen. Wie die Götter der Ägypter in sieben und selbst in zwölf Klassen eingeteilt wurden, geschieht das auch mit den indischen Rishis und ihren Hierarchien. Die ersten drei Gruppen sind die göttliche, die kosmische und die sublunare. Darauf folgen die solaren Götter unseres Systems, die planetarischen, die submundanen und die rein menschlichen – die Heroen und die Manushi.

Gegenwärtig jedoch haben wir es lediglich mit den präkosmischen, himmlischen Göttern, den Prajapatis oder den „sieben Baumeistern“ zu tun. Diese Gruppe findet sich unverkennbar in jeder Kosmogonie. Infolge des Verlusts der archaischen Dokumente Ägyptens müssen wir uns an die alten Hymnen und Grabinschriften wenden, um die von der Geheimlehre vorgebrachten Behauptungen teilweise und indirekt bestätigt zu finden. Denn nach Herrn Maspero sind „die zum Studium der Geschichte der religiösen Entwicklung Ägyptens vorliegenden Materialien und historischen Daten weder komplett noch häufig verständlich“. Auf jeden Fall zeigt einer dieser Hymnen, dass Osiris, wie auch Brahmâ-Prajapati, Adam Kadmon, Ormazd und so viele andere Logoi, das Haupt und die Synthese der [SD # 437] Gruppe von „Schöpfern“ und Baumeistern war. Bevor Osiris der „Eine“ und der höchste Gott Ägyptens wurde, wurde er in Abydos als das Haupt oder der Leiter der Himmlischen Schar der Baumeister verehrt, die der höheren der drei Ordnungen angehören. Der auf der Votivstele eines Grabmals in Abydos (3. Register) eingravierte Hymnus ruft Osiris wie folgt an: „Gegrüßt seist Du, oh Osiris, älterer Sohn von Seb; der Du von der Göttin Nut (dem Urwasser) hervorgebracht wurdest und als größter über den sechs Göttern stehst, der Du deines Vaters Ra großer Liebling bist! Vater der Väter, König der Dauer, Meister in der Ewigkeit . . . der Du, sobald sie aus dem Schoß Deiner Mutter hervorgingen, alle Kronen sammeltest und die Uräus (-Schlange oder Naja)147 auf Dein Haupt setztest; vielgestaltiger Gott, dessen Name unbekannt ist, und der Du viele Namen hast in den Städten und Provinzen. . .“ Aus dem Urwasser hervortretend, mit der Uräus gekrönt, dem Schlangen­emblem des kosmischen Feuers, und selbst der siebte über den sechs ursprünglichen Göttern, hervorgegangen aus Vater-Mutter, Nu und Nut (dem Himmel) – wer anders könnte Osiris sein als der Haupt-Prajapati, der Haupt-Sephiroth, der Haupt-Amschaspand-Ormazd! Letzterer solarer und kosmischer Gott hatte zu Beginn der religiösen Entwicklung dieselbe Stellung inne wie der Erzengel, „dessen Name geheim war“, so viel ist sicher. Dieser Erzengel war Michael, der Repräsentant des verborgenen jüdischen Gottes auf der Erde; kurz gesagt, es ist sein „Antlitz“, von dem gesagt wird, dass es den Juden vorangeschritten sei wie eine „Feuersäule“. Burnouf sagt: „Die sieben Amschaspands, die ganz sicher unsere Erzengel sind, bezeichnen auch die Personifikationen der göttlichen Tugenden.“ („Comment sur le Yaçna“, S. 174) Und diese Erzengel sind daher ebenso „sicher“ die Saptarishis der Hindus, obwohl es nahezu unmöglich erscheint, einem jeden davon sein heidnisches Vorbild und Gegenüber zuzuordnen, da sie alle „in den Städten und Provinzen so viele Namen“ haben, wie dies auch auf Osiris zutrifft. Einige der wichtigsten werden jedoch in ihrer Reihenfolge genannt.

Eines ist somit unabstreitbar bewiesen. Je tiefer man ihre Hierarchien studiert und ihre Wesensgleichheit feststellt, desto mehr Beweise erlangt man auch dafür, dass sämtliche vergangenen und gegenwärtigen persönlichen Götter, soweit sie uns seit den frühesten Tagen der Geschichte bekannt sind, dem dritten Stadium der kosmischen Manifestation angehören. In allen Religionen finden wir die verborgene Gottheit als die Grundlage; dann den Strahl daraus, der in die ursprüngliche kosmische Materie fällt (als erste Manifestation); dann das androgyne Ergebnis, die personifizierte, duale, männliche und weibliche abstrakte Kraft (als zweites Stadium); diese trennt sich schließlich im dritten in sieben Kräfte, von allen alten Religionen die schöpferischen Kräfte und von [SD # 438] den Christen die „Tugenden Gottes“ genannt. Die spätere Erklärung und die metaphysischen abstrakten Kennzeichnungen haben die römische und die griechische Kirche nie daran gehindert, diese „Tugenden“ unter den Personifikationen und unterschiedlichen Namen der sieben Erzengel zu verehren. Im Buch der „Drushim“ (S. 59, erste Abhandlung) im Talmud wird eine Unterscheidung zwischen diesen Gruppen gemacht, welche der korrekten kabbalistischen Erklärung entspricht. Sie lautet wie folgt:

„Es existieren drei Gruppen (oder Ordnungen) von Sephiroth. 1. Die als „göttliche Attribute“ (abstrakt) bezeichneten Sephiroth. 2. Die physischen oder siderischen Sephiroth (persönlichen) – die eine Gruppe besteht aus sieben, die andere aus zehn. 3. Die metaphysischen Sephiroth oder die Umschreibung Jehovahs, welche die ersten drei Sephiroth sind (Kether, Chochmah und Binah) und der Rest sind die (persönlichen) sieben Geister der Gegenwart“ (und der Planeten).

Dieselbe Einteilung muss auf die primäre, sekundäre und tertiäre Evolution der Götter einer jeden Theogonie angewendet werden, möchte man ihren Sinn esoterisch übersetzen. Wir dürfen die rein metaphysischen Personifikationen der abstrakten Attribute der Gottheit nicht mit ihrem Widerschein verwechseln – den siderischen Göttern. Dieser Widerschein ist jedoch in Wirklichkeit der objektive Ausdruck der Abstraktion: lebendige Wesenheiten und die nach diesem göttlichen Vorbild geformten Modelle. Ferner sind die drei metaphysischen Sephiroth oder „die Umschreibung Jehovahsnicht Jehovah; mit seinen weiteren Titeln Adonai, Elohim, Sabbaoth und den zahlreichen ihm verschwenderisch erteilten Namen ist Letzterer selbst die Umschreibung von Schaddai, י ַּך ַׁש, dem Allmächtigen. Der Name ist eine umständliche Ausdrucksweise, tatsächlich ein allzu üppiges Sprachbild der jüdischen Rhetorik und wurde von den Okkultisten schon immer beanstandet. Für die jüdischen Kabbalisten und selbst für die christlichen Alchemisten und Rosenkreuzer war Jehovah jedoch eine zweckdienliche Projektionsfläche, durch das Zusammenfalten ihrer vielen Flächen vereint und als Stellvertreter akzeptiert: Jeder Name eines individuellen Sephiroth war dabei so gut wie alle anderen für jene, die sich im Besitz des Geheimnisses befanden. Das Tetragrammaton, der Unaussprechliche und die siderische „Gesamtsumme“ wurden zu keinem anderen Zweck erfunden als die Profanen irrezuführen und Leben und Zeugung zu symbolisieren.148 Der wirklich geheime und unaussprechliche Name – „das Wort, das kein Wort ist“ – muss in den sieben Namen der ersten sieben Emanationen oder der „Söhne des Feuers“ gesucht werden, [SD # 439] in den geheimen Schriften aller großen Nationen und selbst im „Zohar“, der kabbalistischen Lehre der kleinsten von ihnen allen, nämlich der jüdischen. Dieses in allen Sprachen aus sieben Buchstaben zusammengesetzte Wort findet sich in den architektonischen Überresten aller großen Gebäude weltweit verkörpert; von den zyklopischen Überresten auf der Osterinsel (einem Teil eines Kontinentes, der eher vor 4.000.000149 als vor 20.000 Jahren vor unserer Zeit unter dem Meer begraben wurde) bis herab zu den ältesten ägyptischen Pyramiden.

Wir werden uns mit diesem Gegenstand eingehender zu beschäftigen haben und praktische Erläuterungen bringen müssen, um die im Text gemachten Behauptungen zu beweisen.

Für den Augenblick genügt es, mit einigen Beispielen die Wahrheit des am Beginn dieser Monografie Behaupteten zu belegen, nämlich dass keine Kosmogonie der ganzen Welt jemals der Einen Höchsten Ursache, dem universalen vergöttlichenden Prinzip, die unmittelbare Schöpfung unserer Erde oder des Menschen oder von irgendetwas mit diesen verbundenen zugeschrieben hat – mit einer einzigen Ausnahme: der christlichen. Diese Behauptung gilt ebenso für die hebräische und die chaldäische Kabbala wie für die Genesis, wäre Letztere jemals vollkommen verstanden, und – was noch wichtiger ist – korrekt übersetzt worden.150 Überall findet sich entweder ein Logos – ein „Licht, das [SD # 440] in der Finsternis scheinet“, fürwahr – oder der Erbauer der Welten steht esoterisch im Plural. Die römische Kirche, paradox wie immer, wendet den Beinamen des Schöpfers auf Jehovah allein an, übernimmt aber eine ganze Kyriel von Namen für die wirkenden Kräfte des Letzteren, Namen, die das Geheimnis verraten. Denn, wenn die genannten Kräfte nicht mit der sogenannten „Schöpfung“ zu tun hätten, warum nennt man sie dann im Plural Elohim (Alhim); „göttliche Arbeiter“ und Energien (᾽Ενεργεία), weißglühende himmlische Steine (lapides igniti coelorum); und insbesondere „Weltunterstützer“ (Κοσμοκράτορες), Direktoren oder Gebieter der Welt (Rectores mundi), „Räder“ der Welt (Rotae), Ophanim, Flammen und Mächte, „Söhne Gottes“ (B´ne Elohim), „wachsame Räte“ usw. usw.

Es wurde oft vorausgesetzt (und zwar wie üblich zu Unrecht), dass China, nahezu so alt wie Indien, keine Kosmogonie hätte. „Sie war Konfuzius unbekannt, und die Buddhisten erweiterten ihre Kosmogonie, ohne einen persönlichen Gott einzuführen“,151 lautet die Beschwerde. Das Yi-King, „die echte Essenz alten Denkens und das vereinte Werk der allerverehrtesten Weisen, unterlässt es, eine bestimmte Kosmogonie kundzugeben“. Nichts­destoweniger existiert eine solche, und zwar eine ganz bestimmte. Nur ließ Konfuzius kein zukünftiges Leben gelten,152 und die chinesischen Buddhisten wiesen die Idee eines einzigen Schöpfers zurück und nahmen stattdessen eine Ursache und ihre zahllosen Wirkungen an, und daher werden sie von jenen missverstanden, die an einen persönlichen Gott glauben. Das „Große Extreme“ als der Anfang „der Veränderungen“ (Transmigrationen) ist die kürzeste und vielleicht bedeutsamste aller Kosmogonien für jene, welche die Tugend um ihrer selbst willen lieben und versuchen, das Gute selbstlos zu tun, ohne beständig nach Belohnung und Nutzen auszuschauen – wie die Konfuzianer. Das „Große Extreme“ des Konfuzius erzeugt „zwei Gestalten“. Diese „zwei“ erzeugen ihrerseits die „vier Bilder“; diese wiederum „die acht Symbole“. Es wird beklagt, dass wir sie nach Gutdünken betrachten können, obwohl die Konfuzianer in ihnen „Himmel, Erde und den Menschen im Kleinen“ . . . sehen. Ohne Zweifel, und so ist es in Bezug auf viele Symbole, insbesondere auf die der jüngsten Religionen. Wer aber etwas von okkulten Zahlen versteht, erkennt in diesen „Gestalten“ das allerdings rohe Symbol der harmonisch fortschreitenden Evolution des Kosmos und seiner Wesen, der himmlischen wie der irdischen. Und niemand, der die numerische Evolution der ursprünglichen Kosmogonie des Pythagoras studiert hat (eines Zeitgenossen von Konfuzius) wird jemals verfehlen, in seiner aus der Einen und alleinigen Monade hervorgehenden Triade, Tetraktis und [SD # 441] Dekade dieselbe Idee zu erkennen. Konfuzius wird von seinem christlichen Biografen ausgelacht, weil er von einer „Weissagung schwatzt“, vor und nach dieser Stelle und durch folgendes Zitat repräsentiert: „Die acht Symbole bestimmen gutes und schlechtes Schicksal, und diese führen zu großen Taten. Es gibt keine nachahmbaren Bilder, die größer sind als Himmel und Erde. Es gibt keine größeren Veränderungen als die vier Jahreszeiten (gemeint sind Norden, Süden, Osten und Westen et seq.). Es gibt keine aufgehängten Bilder, die heller wären als Sonne und Mond. Im Vorbereiten der Dinge zum Gebrauch ist niemand größer als der Weise. Im Bestimmen von Glück und Unglück ist nichts größer als die Weissagungshalme und die Schildkröte.“153

Daher werden die „Weissagungshalme“ und die „Schildkröte“, die „symbolischen Linienreihen“ und der große Weise, der sie dabei beobachtet, wie sie eins und zwei werden, und zwei werden zu vier, und die vier zu acht, und die anderen Liniengruppen „drei und sechs“, geringschätzig verlacht, nur weil seine weisen Symbole missverstanden werden.

So werden der Verfasser und seine Kollegen ohne Zweifel auch die in unserem Text angeführten Stanzen verspotten, denn sie repräsentieren exakt dieselbe Idee. Die alte archaische Karte der Kosmogonie ist voll von Linien im konfuzianischen Stil, von konzentrischen Kreisen und Punkten. Und doch repräsentieren sie alle die abstraktesten und philosophischsten Vorstellungen von der Kosmogonie unseres Universums. Auf jeden Fall können sie die Anforderungen und wissenschaftlichen Zwecke unseres Zeitalters vielleicht besser beantworten als die kosmogonischen Aufsätze des Hl. Augustin und „Beda, des Ehrwürdigen“, obwohl diese mehr als ein Jahrtausend später veröffentlich wurden als die konfuzianischen.

Konfuzius, einer der größten Weisen der alten Welt, glaubte an alte Magie, und übte sie selbst aus, „wenn wir die Behauptungen des Kin-yu als erwiesen annehmen“ . . . . und „er rühmte sie im Yi-King bis in den Himmel“, sagt uns sein hochwürdiger Kritiker. Nichtsdestoweniger lehrten bereits zu seiner Zeit, d. h. 600 v. Chr., Konfuzius und seine Schule die Kugelform der Erde und sogar das heliozentrische System; hingegen wurden ungefähr dreimal 600 Jahre nach dem chinesischen Philosophen von Roms Päpsten „Häretiker“ wegen derselben Behauptungen bedroht und sogar verbrannt. Man lacht über ihn, weil er von der „heiligen Schildkröte“ spricht. Keine vorurteilsfreie Person könnte irgendeinen großen Unterschied sehen zwischen einer Schildkröte und einem Lamm als Kandidaten für Heiligkeit, da beide lediglich Symbole sind und nicht mehr. Der Ochse, der Adler154 und der Löwe und gelegentlich [SD # 442] die Taube sind die „heiligen Tiere“ der westlichen Bibel. Die ersten drei finden sich rund um die Evangelisten gruppiert. Das vierte (ein menschliches Antlitz) ist ein Seraph, d. h. eine feurige Schlange, wahrscheinlich der gnostische Agathodaimon.155 Wie bereits erklärt, beziehen sich die „heiligen Tiere“ und die Flammen oder „Funken“ innerhalb der „heiligen Vier“ auf die Vorbilder all dessen, was sich im Universum im Göttlichen Gedanken findet, in der Wurzel, die der vollkommene Würfel ist oder das Fundament des Kosmos, kollektiv und individuell. Sie haben alle eine okkulte Beziehung zu ursprünglichen kosmischen Formen und ihrer ersten Verdichtung, ihrem Wirken und ihrer Evolution.

In den frühesten exoterischen Kosmogonien der Hindus erschafft noch nicht einmal der Demiurg. Denn in einem der Puranas heißt es: „Der große Baumeister der Welt gibt den ersten Anstoß zur rotierenden Bewegung unseres Planetensystems, indem er alle Planeten und Körper der Reihe nach überschreitet.“ Diese Handlung ist es, welche „die Rotation eines jeden Globus um seine eigene Achse und aller um die Sonne bewirkt“. Im Anschluss an diese Handlung „übernehmen die Brahmandika, die solaren und lunaren Pitris (die Dhyan Chohans) bis ans Ende des Kalpas die Aufsicht über ihre jeweiligen Globen (Erden und Planeten)“. Die Rishis sind die Schöpfer; den meisten von ihnen wird die Urheberschaft für die Mantren oder Hymnen des Rigvedas zugeschrieben. Manchmal sind es sieben, manchmal zehn, wenn sie zu Prajapati werden, dem „Herrn der Wesen“. Dann werden sie wieder die sieben und die vierzehn Manus, als Repräsentanten der sieben und vierzehn Zyklen des Daseins (der „Tage Brahmâs“); und entsprechen so den sieben Äonen, wenn sie am Ende des ersten Stadiums der Evolution in die sieben stellaren Rishis, die Saptarishis, verwandelt werden; indessen erscheinen ihre menschlichen Doppelgänger als Heroen, Könige und Weise auf dieser Erde.

[SD # 443] Nachdem somit die Geheimlehre des Ostens den Grundton geliefert und angeschlagen hat – der unter seinem allegorischen Gewand ebenso wissenschaftlich wie philosophisch und poetisch ist, wie man sehen kann – folgte jede Nation ihrer eigenen Führung. Wir müssen zunächst einmal die Wurzelidee aus den exoterischen Religionen ausgraben, bevor wir uns den esoterischen Wahrheiten zuwenden, wenn wir vermeiden wollen, dass Letztere zurückgewiesen werden. Überdies können sämtliche Symbole jeder nationalen Religion esoterisch interpretiert werden, und der Beweis dafür, dass es bei seiner Transliteration in die entsprechenden Zahlen und geometrischen Formen richtig gelesen wurde, kann aus der außerordentlichen Übereinstimmung aller Glyphen und Symbole gewonnen werden, wie sehr sie sich auch voneinander unterscheiden mögen. Denn im Ursprung waren all diese Symbole identisch. Betrachten wir beispielsweise die Anfangssätze verschiedener Kosmogonien: In jedem Fall haben wir einen Kreis, ein Ei oder ein Haupt. Immer ist Finsternis mit diesem ersten Symbol verbunden und umgibt es, wie bereits an dem hinduistischen, dem ägyptischen, dem chaldäisch-hebräischen und selbst dem skandinavischen System gezeigt – daher die schwarzen Raben, schwarzen Tauben, schwarzen Wasser und selbst die schwarzen Flammen; die siebte Zunge Agnis, des Feuergottes, wird „Kali“ genannt, „die Schwarze“, weil sie eine schwarz flackernde Flamme war. Zwei schwarze Tauben flogen von Ägypten aus und, sich auf den Eichen von Dodona niederlassend, gaben den griechischen Göttern ihre Namen. Noah sendet nach der Sintflut einen schwarzen Raben aus, ein Symbol für das kosmische Pralaya, nach dessen Ende die eigentliche Schöpfung oder Evolution unserer Erde und Menschheit begann. Odins schwarze Raben flatterten um die Göttin Saga und „raunten ihr von der Vergangenheit und der Zukunft“. Was ist nun die wirkliche Bedeutung all dieser schwarzen Vögel? Sie besteht darin, dass sie alle mit der ursprünglichen Weisheit im Zusammenhang stehen, die aus der vorkosmischen Quelle von allem hervorströmt, symbolisiert durch das Haupt, den Kreis oder das Ei; und sie haben alle eine übereinstimmende Bedeutung und beziehen sich auf den ursprünglichen archetypischen Menschen (Adam Kadmon), den schöpferischen Ursprung aller Dinge, der zusammengesetzt ist aus der Schar der kosmischen Kräfte – der schöpferischen Dhyan Chohans, jenseits derer alles Dunkelheit ist.

Befragen wir die Weisheit der Kabbala – so verschleiert und verzerrt sie heute auch ist – damit sie uns in ihrer Zahlensprache die Bedeutung des Wortes „Rabe“ zumindest annähernd erklärt. Das ist sein Zahlenwert, wie er in „Source of Measures“ gegeben wird.

„Der Ausdruck Rabe wird nur einmal erwähnt und als eth-horebv בדעה־תא = 678 oder 113 × 6 genommen, während die Taube fünfmal erwähnt wird. Ihr Wert ist 71 und 71 × 5 = 355. Sechs gekreuzte Durchmesser, oder der Rabe, würden den Umfang eines Kreises von 355 in 12 Teile oder Felder unterteilen; und 355 für jede Einheit durch 6 unterteilt würde 213-0 entsprechen oder dem Haupt („Anbeginn“) des ersten Verses der Genesis. Dieses Ergebnis auf dieselbe Weise geteilt oder unterteilt durch 2, oder die 355 durch 12, würde 213-2 geben oder das Wort B’rash, שאר־ב, oder das erste Wort der Genenis mit seinem Präpositionalpräfix, und astronomisch dieselbe konkretisierte allgemeine Form bedeuten, [SD # 444] wie die hier beabsichtigte.“ Nun ist die geheime Lesart des ersten Verses der Genesis wie folgt: „Im Anbeginn (B’rash) oder Haupt entwickelten die Götter Himmel und Erde“ – und so ist es einfach, die esoterische Bedeutung des Rabens zu verstehen, sobald ermittelt wurde, dass die Flut (oder Sintflut Noahs) dieselbe Bedeutung hat. Was immer die vielen anderen Bedeutungen dieser emblematischen Allegorie sein mögen, ihre Hauptbedeutung ist die eines neuen Zyklus und einer neuen Runde (unserer vierten Runde).156 Der „Rabe“ oder eth-horebv ergibt denselben numerischen Wert wie das „Haupt“, und er kehrte nicht zur Arche zurück, während die Taube zurückkehrte und einen Ölzweig mitbrachte. Als Noah, der neue Mensch der neuen Rasse (dessen Urbild Vaivasvatamanu ist), Anstalten machte, die Arche, den Schoß (oder Argha) der irdischen Natur zu verlassen, ist er das Symbol des rein geistigen, geschlechtslosen und androgynen Menschen der ersten drei Rassen, die für immer von der Erde verschwanden. Numerisch sind in der Kabbala Jehovah, Adam und Noah ein und derselbe: Im besten Fall ist es also die Gottheit, die auf den Ararat (später auf den Sinai) herabsteigt, um durch den fortan natürlichen Prozess ihr Ebenbild im Menschen zu inkarnieren: den Schoß der Mutter, dessen Symbole in der Genesis die Arche sind, der Berg (Sinai) usw. Die jüdische Allegorie ist auf einmal viel astronomischer und rein physiologischer als anthropomorphisch.

Und das macht die Kluft zwischen den beiden Systemen aus (dem arischen und dem semitischen), obwohl beide auf derselben Grundlage aufgebaut sind. Wie von einem Interpreten der Kabbala gezeigt wird: „Die der Philosophie der Hebräer zugrunde liegende Idee war die, dass Gott alle Dinge in sich selbst enthalte und dass der Mensch sein Ebenbild sei; der Mensch einschließlich der Frau (als Androgyne)“; und dass „in den Begriffen Mann und Frau Geometrie und Zahlen (und auf die Astronomie anwendbare Maße) enthalten sind; und die scheinbare Unstimmigkeit dieses Modus durch die Darlegung des Zusammenhangs zwischen Mann und Frau beseitigt wurde, mithilfe eines besonderen Systems von Zahlen, Maßen und der Geometrie, durch die Zeitperioden der Schwangerschaft, welche das Bindeglied zwischen den verwendeten Ausdrücken und den gezeigten Tatsachen bildeten und den angewendeten Modus vervollkommneten“. Da die erste Ursache gänzlich unerkennbar ist, wird behauptet, dass „das Symbol ihrer ersten begreifbaren Offenbarung die Vorstellung eines Kreises mit seiner Durchmesserlinie war, welche zugleich die Idee der Geometrie, des Phallizismus und der Astronomie transportieren konnte“; und dass dieses Symbol schließlich nur noch in der „Bedeutung der menschlichen Zeugungsorgane“ verwendet wurde.157 Daher wird der gesamte Zyklus von Ereignissen [SD # 445] von Adam und den Patriarchen bis herunter zu Noah zu phallischen und astronomischen Zwecken angewendet, welche sich gegenseitig regulieren, wie z. B. die lunaren Perioden. Daher beginnt auch ihre Genesis mit dem Verlassen der Arche und dem Ende der Flut – mit der vierten Rasse. Bei den arischen Völkern ist das anders.

Die östliche Esoterik hat die eine unendliche Gottheit, die alle Dinge in sich enthält, niemals für solche Zwecke erniedrigt; und das zeigt sich in der Abwesenheit Brahmâs im „Rigveda“ und in der bescheidenen Stellung, die Rudra und Vishnu darin einnehmen, die Zeitalter später zu den mächtigen und großen Göttern, den „Unendlichen“ der exoterischen Glaubensbekenntnisse wurden. Aber selbst sie, „Schöpfer“, die sie alle drei sein mögen, sind nicht die unmittelbaren Schöpfer und „Vorväter der Menschen“. Die Letzteren nehmen nach dieser Darstellung eine noch niedrigere Stufe ein und werden Prajapatis, die Pitris (unsere Mondvorfahren) usw. usw. genannt, aber niemals der „eine unendliche Gott“. Die Esoterische Philosophie zeigt lediglich den physischen Menschen als nach dem Ebenbild der Gottheit erschaffen; Letztere sind jedoch lediglich „niedere Götter“. Nur allein das Höhere Selbst, das wirkliche Ego, ist göttlich und Gott.

 

 

§ XIII
Die sieben Schöpfungen

„Da war weder Tag noch Nacht, noch Himmel noch Erde, noch Finsternis noch Licht, noch irgendetwas anderes außer dem Einen allein, dem Verstand unbegreifbar, oder Jenes, das Brahman ist und Pums (Geist) und Pradhana (rohe Materie).“ (Veda: „Vishnu Purana Commentary“); oder buchstäblich: „Ein Pradhanika-Brahman-Geist: Jenes war.“ Der „Pradhanika-Brahman-Geist“ ist Mulaprakriti und Parabrahman.

Im Vishnu-Purana“ sagt Parashara zu Maitreya, seinem Schüler: „Ich habe dir, hervorragender Muni, somit sechs Schöpfungen erklärt. . . . die Schöpfung der Arvakshrotas-Wesen war die siebte und die des Menschen.“ Dann fährt er fort und spricht von zwei weiteren, sehr geheimnisvollen Schöpfungen, die von den Kommentatoren unterschiedlich erklärt werden.

Origenes kommentiert von seinem Widersacher Celsus verfasste und von den umsichtigen Kirchenvätern allesamt vernichtete Bücher; er antwortet dabei offenbar auf die Einwände seines Gegners und enthüllt zugleich sein System. Dieses war offensichtlich siebenfältig. Seine Theogonie jedoch, die Genesis der Sterne oder Planeten, des Tons und der Farbe wurden alle mit Spottschriften bedacht, und nicht mehr. Celsus, wie ihr seht, „spricht in seinem Bedürfnis, sein Wissen zur Schau zu stellen“, von einer Schöpfungsleiter mit sieben Toren und [SD # 446] einem achten an ihrer Spitze – das ewig verschlossen bleibt. Die Mysterien des persischen Mithras werden erklärt und „obendrein musikalische Begründungen hinzugefügt.“ . . . . Und zu diesen wiederum bemüht er sich „eine weitere Erklärung hinzuzufügen, die ebenso mit musikalischen Überlegungen zusammenhängt“,158 d. h. mit den sieben Tönen der Tonleiter, den sieben Geistern der Sterne usw. usw.

Valentinus lässt sich weitläufig über die Macht der großen Sieben aus, die berufen waren, dieses Universum hervorzubringen, nachdem Ar(r)hetos oder der Unaussprechliche, dessen Name aus sieben Buchstaben zusammengesetzt ist, die erste Siebenheit repräsentierte. Dieser Name (Ar(r)hetos) deutet auf die siebenfältige Natur des Einen hin (des Logos). „Die Göttin Rhea“, sagt Proklos im „Timaios“ (S. 121), „ist eine Monade, eine Duade und eine Heptade“, indem sie alle Titanen in sich einschließt, „sieben an der Zahl“.

Die sieben Schöpfungen finden sich in fast allen Puranas. Ihnen allen geht voran, was Wilson als „das ungetrennte Prinzip“ übersetzt, der absolute Geist, frei von jeglicher Beziehung zu Sinnesgegenständen. Diese Schöpfungen sind: (1) Mahattattva, die Universalseele, unendlicher Intellekt oder das Göttliche Gemüt; (2) Bhuta oder Bhutasarga, die elementale Schöpfung, die erste Differenzierung der universalen, undifferenzierten Substanz; (3) Indriya oder Aindriyaka, die organische Evolution. „Diese Drei waren die Prakriti-Schöpfungen, die Entwicklungen der undifferenzierten Natur, welche dem undifferenzierten Prinzip vorausgingen“; (4) Mukhya, die grundlegende Schöpfung der wahrnehmbaren Dinge, war die Schöpfung unbelebter Körper;159 (5) Tairyagyonya oder Tiryakshrotas war die der Tiere; (6) Urdhvashrotas oder die der Gottheiten (?);160 (7) Arvakshrotas war die des Menschen. (Siehe „Vishnu-Purana“)

Das ist die in den exoterischen Texten gegebene Reihenfolge. Nach der esoterischen Lehre gibt es sieben primäre und sieben sekundäre „Schöpfungen“; Erstere sind die sich aus der einen ursachlosen Kraft selbst evolvierenden Kräfte; Letztere zeigen das sich aus den bereits differenzierten göttlichen Elementen hervorgehende manifestierte Universum.

Esoterisch so gut wie exoterisch stehen sämtliche oben aufgezählten Schöpfungen für die (7) Evolutionsperioden, ob sie auf ein „Zeitalter“ oder einen „Tag“ Brahmâs folgen. Das ist die Lehre der okkulten Philosophie par excellence, die jedoch „in Bezug auf die primäre ‘Schöpfung’“ niemals den Begriff der „Schöpfung“ gebraucht, ja nicht einmal den der Evolution, sondern alle derartigen KräfteAspekte der Ursachlosen Kraft“ nennt. In der Bibel [SD # 447] werden die sieben Perioden zu sechs Schöpfungstagen und dem siebten, dem Ruhetag, zusammengeschrumpft, und die Abendländer hängen am Buchstaben. Wenn in der hinduistischen Philosophie der wirkende Schöpfer die Welt der Götter, die Keime aller undifferenzierten Elemente und die Ansätze der künftigen Sinne hervorgebracht hat (kurz gesagt die Welt der Noumena), verbleibt das Universum einen „Tag Brahmâs“ lang oder für einen Zeitraum von 4.320.000.000 Jahren unverändert. Das ist die auf die sechs Perioden aktiver Evolution folgende siebte, passive Periode oder der „Sabbat-Tag“ der östlichen Philosophie. Im Satapatha-Brahmana strahlt das „Brahman“ (Neutrum), die absolute Ursache aller Ursachen, die Götter aus. Nachdem es (durch seine ihm innewohnende Natur) die Götter ausgestrahlt hat, wird das Werk unterbrochen. Im ersten Buch Manus heißt es: „Am Ausgang einer jeden Nacht (Pralaya) erwacht Brahmâ, der geschlafen hatte, und bewirkt, dass sich der Geist durch die bloße Energie der Bewegung aus sich selbst heraus emaniert, der in seiner Essenz ist und doch nicht ist.“

Im Sefer Jezirah, dem kabbalistischen Buch der Schöpfung, hat der Verfasser offensichtlich die Worte Manus wiederholt. Dem Buch zur Folge existierte die Göttliche Substanz allein seit Ewigkeit, grenzenlos und absolut; und hat den Geist aus sich selbst heraus ausgesendet. „Eins ist der Geist des lebendigen Gottes, gepriesen sei sein Name, der lebt in Ewigkeit! Stimme, Geist und Wort, das ist der Heilige Geist.“ (Sefer Jezirah, Kap. 1, Mischna ix) Und das ist die kabbalistische, abstrakte Dreieinigkeit, die von den Kirchenvätern so ungezwungen anthropomorphisiert wurde. Aus dieser dreifachen Eins emanierte der gesamte Kosmos. Zuerst emanierte aus der Eins die Zahl Zwei oder die Luft, das schöpferische Element; dann ging die Zahl Drei, das Wasser, aus der Luft hervor; Ether oder Feuer vervollständigt die mystische Vier, den Arba-il (Ibid.). In der östlichen Lehre ist Feuer das erste Element – Ether, welcher das Ganze synthetisiert (da er sie alle enthält).

Im Vishnu-Purana“ werden alle sieben Perioden angegeben, und die fortschreitende Evolution der „Geistseele“ und der sieben Formen der Materie (oder der Prinzipien) wird gezeigt. Es ist unmöglich, sie in diesem Werk aufzuzählen. Der Leser wird gebeten, eines der Puranas genau durchzusehen.

„R. Yehudah begann, so steht geschrieben: ‘Die Elohim sagten: Es sei eine Ausdehnung inmitten der Wasser. . . . . Zu der Zeit als der Heilige . . . die Welt erschuf, erschuf Er (erschufen sie) 7 Himmel oben. Er erschuf 7 Erden unten, 7 Meere, 7 Tage, 7 Flüsse, 7 Wochen, 7 Jahre, 7 Zeiten und 7.000 Jahre, die die Welt gewesen war. . . . . das Siebte des ganzen Millenniums. So sind hier sieben Erden unten, sie sind alle bewohnt, ausgenommen jene, die oben sind, und jene . . . . unten. Und . . . . zwischen den Erden ist jeweils ein Himmel (Firmament) ausgebreitet. . . . . Und in jenen (diesen Erden) gibt es Geschöpfe, die alle unterschiedlich aussehen . . . . aber wenn ihr einwendet und sagt, dass alle Kinder der Welt von Adam abstammen, so [SD # 448] ist dem nicht so. . . . . Und die niederen Erden, woher kommen sie? Sie kommen von der Erdkette und von dem Himmel darunter.“ etc. etc.161

Irenäus bezeugt uns ebenfalls (und zwar sehr unfreiwillig), dass die Gnostiker dasselbe System lehrten, während sie die wahre esoterische Bedeutung sehr sorgfältig verschleierten. Dieser „Schleier“ ist jedoch identisch mit dem des Vishnu-Puranas und anderen. So schreibt Irenäus über die Markosianer: „Sie behaupten, dass zuallererst die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft nach dem Abbild der ursprünglichen oberen Tetrade hervorgebracht wurden, und dass sich ein genaues Ebenbild der Achtheit ergibt, wenn wir ihre Wirkungen hinzufügen, nämlich Wärme, Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit.“ („Adv. Haer.“, Bd. i Kap. xvii)

Nur sind dieses „Ebenbild“ und die Achtheit selbst Blenden, gerade so wie bei den sieben Schöpfungen des Vishnu-Puranas, denen noch zwei weitere hinzugefügt werden, von welchen die achte mit dem Namen Anugraha „zugleich die Eigenschaften der Güte und der Dunkelheit besitzt“, eher eine Sankhya-Idee als eine puranische. Denn Irenäus wiederholt (Bd. i, xxx 6), dass „sie (die Gnostiker) eine ähnliche achte Schöpfung hatten, die gut und böse, göttlich und menschlich war. Sie behaupten, dass der Mensch am achten Tag geformt wurde. Manchmal behaupten sie, dass er am sechsten Tag erschaffen wurde, und ein anderes Mal am achten; außer sie wären möglicherweise der Ansicht, dass sein irdischer Teil am sechsten Tag gebildet wurde und sein leiblicher Teil (?) am achten; diese beiden wurden von ihnen unterschieden.“

Allerdings wurden sie „unterschieden“, aber nicht so, wie Irenäus es darstellt. Die Gnostiker kannten eine obere und eine untere Siebenheit im Himmel, und eine dritte, irdische Siebenheit auf der materiellen Ebene. Iao, der geheime Gott und Herrscher des Mondes, wie auf Origenes Karte dargestellt, war das Oberhaupt dieser oberen „sieben Himmel162, und deshalb identisch mit dem Oberhaupt der lunaren Pitris; diese Bezeichnung gaben sie den lunaren Dhyan Chohans. „Sie versichern, dass diese sieben Himmel intelligent sind, und sprechen von ihnen als von Engeln“, schreibt derselbe Irenäus; und fügt hinzu, dass sie Iao aus diesem Grund Hebdomas nannten, während seine Mutter „Ogdoas“ hieß, weil sie, wie er erklärt, „die Zahl der ersterzeugten und ursprünglichen Achtheit des Pleromas bewahrt“ (ebenda, Bd. 1, v. 2).

Diese „ersterzeugte Achtheit“ war (a) in der Theogonie der zweite Logos, (der geoffenbarte), weil er aus dem siebenfältigen ersten Logos geboren wurde, daher ist er Achter auf dieser manifestierten Ebene; und (b) in der Sternenverehrung war er die Sonne, Marttanda – der achte Sohn Aditis, den sie verstößt, während sie ihre sieben Söhne bewahrt, die Planeten. Denn die Alten haben die Sonne niemals als einen Planeten angesehen, sondern als einen Zentral- und Fixstern. Dieser ist nun also die zweite Siebenheit, aus der Siebenstrahligen geboren: Agni, die Sonne [SD # 449] und was nicht noch alles, nicht aber die sieben Planeten, welche Suryas Brüder sind, nicht aber seine Söhne. Diese astralen Götter – der Sohn Sophia Achamoths und die Tochter Sophias (Weisheit), deren Region das Pleroma ist – waren Ildabaoths163 (von Ialda, „Kind“, und Baoth, „das Ei“) Söhne. Bei den Gnostikern war Ildabaoth das Oberhaupt der astralen Götter. Er erschafft folgende sechs Sternengeister aus sich selbst heraus: Jove (Johovah), Zebaoth, Adonai, Eloëus, Orëus, Astaphäus164und sie bilden die zweite oder geringere Siebenheit. Was die dritte anbelangt, so ist sie aus den sieben ursprünglichen Menschen zusammengesetzt, den Schatten der lunaren Götter, die aus der ersten Hebdomas projiziert worden waren. Wie wir sehen, weicht die gnostische Lehre hier lediglich geringfügig von der esoterischen ab, die Gnostiker verhüllten sie lediglich. Was die Beschuldigung von Irenäus anbelangt, dem die wahren Lehren der „Häretiker“ offenbar nicht bekannt waren, und zwar über die Erschaffung des Menschen am sechsten Tag und, was sich auf die Geheimnisse des inneren Menschen bezieht, über seine Erschaffung am achten Tag: Das wird dem Leser erst dann verständlich werden, wenn er Band II gelesen und die Anthropogenesis der esoterischen Lehre wohl verstanden haben wird.

Ildabaoth ist eine Kopie Manus, der sich brüstet: „Oh, Bester der zweimalgeborenen Menschen! Wisse, dass ich (Manu) er bin, der Schöpfer dieser ganzen Welt, den jener männliche Viraj . . . spontan aus sich selbst hervorbrachte.“ (I, 33) Zuerst erschafft er die zehn Herren des Daseins, die Prajapatis, die, wie uns Vers 36 sagt . . . „sieben weitere Manus hervorbringen“ („The Ordinances of Manu“). Ildabaoth brüstet sich desgleichen: „Ich bin der Vater und Gott, und über mir gibt es niemanden“, ruft er aus. Wofür ihn seine Mutter gelassen mit den Worten zum Schweigen bringt: „Lüge nicht, Ildabaoth, denn der Vater von allen, der erste Mensch (Anthropos) steht über dir und ebenso Anthropos, der Sohn des Anthropos.“ („Irenäus“, Bd. I, Kap. xxx, 6) Das ist ein guter Beweis dafür, dass man drei Logoi hatte (abgesehen von den sieben, die aus dem ersten geboren waren), von welchen einer der Sonnenlogos ist. Und wer wiederum war jener „Anthropos“ selbst, der so viel höher stand als Ildabaoth? Die gnostischen Aufzeichnungen allein können dieses Rätsel lösen. In der Pistis Sophia wird der viervokalige Name Ieov gewöhnlich von dem Beiwort „der Ursprüngliche oder der Erste Mensch“ begleitet. Das wiederum zeigt, dass die Gnosis lediglich einen Widerhall unserer archaischen Lehre darstellt. Die Parabrahman, Brahman und Manu (der erste denkende Mensch) entsprechenden Namen sind aus ein-, drei- und siebenvokaligen Tönen gebildet. Markus, dessen Philosophie der pythagoreischen sicherlich ähnlicher war als sonst irgendetwas, spricht von einer ihm zuteil gewordenen Offenbarung, in der jeder der sieben Himmel einen Vokal ertönen ließ, als sie die sieben Namen der sieben (engelhaften) Hierarchien aussprachen.

Wenn der Geist jedes kleinste Atom der sieben Prinzipien des Kosmos durchdrungen hat, dann beginnt nach der oben erwähnten Ruheperiode die zweite Schöpfung.

[SD # 450] „Die Schöpfer (Elohim) entwerfen in der zweiten ‘Stunde’ die Gestalt des Menschen“, sagt Rabbi Schimon („Das Nuctemeron der Hebräer“). „Es gibt zwölf Stunden am Tag“, sagt die Mischna, „und in diesen Stunden wird die Schöpfung vollbracht“. Die „zwölf Stunden des Tages“ sind wieder die verkleinerte Kopie, das schwache, jedoch getreue Echo der ursprünglichen Weisheit. Wie die 12.000 göttlichen Jahre der Götter, sind sie eine zyklische Maske. Jeder „Tag Brahmâs“ besteht aus 14 Manus, welche die hebräischen Kabbalisten zu 12 „Stunden“ entstellten, hierin den Chaldäern folgend.165 Das „Nuctemeron“ des Apollonios von Tyana ist dasselbe. „Das Zwölfeck liegt im vollkommenen Würfel verborgen“, sagen die Kabbalisten. Die mystische Bedeutung davon ist, dass die zwölf großen Umwandlungen des Geistes in die Materie (die 12.000 göttlichen Jahre) während der vier großen Zeitalter oder dem ersten Maha-Yuga stattfinden. Mit der metaphysischen und übermenschlichen Natur beginnend, endet es mit der physischen und der rein menschlichen Natur des Kosmos und des Menschen. Die östliche Philosophie vermag die Zahl der Jahre der Sterblichen anzugeben, welche für den Ablauf der spirituellen und physischen Evolution des Sichtbaren und des Unsichtbaren notwendig sind, sollte das der westlichen Wissenschaft nicht gelingen.

Die primäre Schöpfung wird die Schöpfung des Lichts (Geistes) genannt; und die sekundäre die der Dunkelheit (Materie).166 Beide finden sich in Gen 1,2-3, und auch am Beginn von Kap. 2. Die erste ist die Emanation der selbst-geborenen Götter (Elohim); die zweite die der physischen Natur.

Darum heißt es im „Zohar“: „Oh, Gefährten, Gefährten, bei seiner Emanation war der Mensch Mann und Frau zugleich; sowohl auf der Seite des Vaters als auf der Seite der Mutter. Und das ist der Sinn der Worte: Und die Elohim sprachen: ‘Es werde Licht, und es ward Licht!’ . . . Und dies ist der ‘zweifache Mensch’! “ Das Licht unserer Ebene ist in den höheren Sphären jedoch Finsternis.

„Mann und Frau auf der Seite des Vaters“ (Geistes) bezieht sich auf die primäre Schöpfung, und auf der Seite der Mutter (Materie) auf die sekundäre. Der zweifältige Mensch ist Adam Kadmon, das männliche und weibliche abstrakte Urbild und die differenzierten Elohim. Der Mensch geht aus den Dhyan Chohans hervor, und er ist ein „Gefallener Engel“, ein Gott in der Verbannung, wie gezeigt werden wird.

In Indien werden diese Schöpfungen wie folgt beschrieben:

(I) Die Mahat-Tattva Schöpfung, so genannt, weil sie die ursprüngliche Selbstevolution dessen beschreibt, was zu Mahat werden sollte, zum „bewussten und intelligenten göttlichen Gemüt“; esoterisch zum „Geist der Universalseele“. . . . „Würdigster der Asketen, durch ihre Kraft (die Kraft jener Ursache) kommt jede hervorgebrachte Ursache entsprechend ihrer eigenen Natur.“ (Vishnu-Purana“) „Da die Fähigkeiten aller Wesen [SD # 451] nur durch die Erkenntnis von Jenem (Brahman) verstanden werden, das über der Denkfähigkeit, jeglicher schöpferischen Tätigkeit und dergleichen liegt, sind solche Kräfte auf Brahman zu beziehen.“ Jenes geht somit der Manifestation voraus. „Das Erste war Mahat“, sagt das Linga-Purana; denn das Eine (Jenes) ist weder Erstes noch Letztes, sondern alles. Exoterisch ist diese Manifestation jedoch das Werk des „Höchsten“ (vielmehr die natürliche Wirkung der ewigen Ursache); oder wie der Kommentator sagt, es könnte damit gemeint sein, dass Brahmâ damals erschaffen (?) wurde, indem er mit Mahat identifiziert wurde, der aktiven Intelligenz oder dem ausübenden Willen des Allerhöchsten. Die Esoterische Philosophie bezeichnet es als „das wirkende Gesetz“.

Das richtige Verständnis dieses Lehrsatzes der Brahmanas und Puranas ist, wie wir glauben, der Zankapfel zwischen den drei vedantischen Sekten: den Advaitas, den Dvaitas und den Visishtadvaitas. Die erste schließt richtig, dass Parabrahman, welches als das absolute All in keinerlei Beziehung zur manifestierten Welt steht, da das Unendliche keinerlei Bezug zum Endlichen hat, weder wollen oder erschaffen kann, dass daher Brahmâ, Mahat, Iswara oder jeder andere Name, unter welchem die schöpferische Kraft bekannt ist, schöpferische Götter und alles Übrige, einfach trügerische Aspekte Parabrahmans in der Vorstellung der Nachsinnenden sind. Die anderen Sekten identifizieren die unpersönliche Ursache indessen mit dem Schöpfer oder Iswara.

Für die Vaishnavas ist Mahat (oder Maha-Buddhi) das Göttliche Gemüt in aktiver Tätigkeit, oder, wie Anaxagoras sich ausdrückt, „ein schaltender und waltender Verstand, der die Ursache aller Dinge war“ – Νοῦς ὅ διακοσμῶντε και πάντων ἄιτιος.

Mit einem Blick erkannte Wilson den suggestiven Zusammenhang zwischen Mahat und dem phönizischen Mot oder Mut, der bei den Ägyptern weiblich war – die Göttin Mout, die „Mutter“ – „die gleich Mahat“, wie er sagt, „das erste Erzeugnis der Vermischung (?) von Geist und Materie war und das erste Rudiment der Schöpfung“. „Ex connexione autem eius spiritus prodiit Mot . . . . . Aus dessen Samen alle lebenden Dinge erschaffen wurden“ – wiederholt Brücker (I, 240) – und gibt ihm eine noch materialistischere und anthropomorphischere Färbung.

Nichtsdestoweniger ist der esoterische Sinn der Lehre schon auf den ersten Blick in jedem exoterischen Satz jener alten Sanskrittexte zu erkennen, die von der ursprünglichen Schöpfung handeln. „Die höchste Seele, die alles durchdringende (Sarvaga) Substanz der Welt, war eingetreten (war hereingezogen worden) in Materie (Prakriti) und Geist (Purusha) und versetzte die wandelbaren und die unwandelbaren Prinzipien in Bewegung, da die Zeit der Schöpfung (das Manvantara) gekommen war.“167 . . .

[SD # 452] Die Geheimlehre lehrt, dass die Dhyan Chohans das kollektive Aggregat der göttlichen Intelligenz oder des ursprünglichen Gemüts sind, und dass die ersten Manus – die sieben „aus der Seele geborenen“ spirituellen Intelligenzen – mit den Ersteren identisch sind. Daher ist „Kwan-Shi-Yin“ – „der Goldene Drachen, in dem die Sieben sind“ der Stanze III – der ursprüngliche Logos oder Brahmâ, die erste manifestierte schöpferische Kraft. Und die dhyanischen Energien sind die Manus oder Manu-Svayambhuva gemeinsam. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen den „Manus“ und „Mahat“ ist übrigens leicht zu erkennen. Manu entstammt der Wurzel man, „denken“, und das Denken entspringt aus dem Gemüt. In der Kosmogonie ist es die Periode vor der Nebelbildung.

(II) „Die zweite Schöpfung“, „Bhuta“, war die der rudimentären Prinzipien (Tanmatras), daher heißt sie die elementare Schöpfung (Bhutasarga).168 Sie ist die Periode des ersten Atems der Differenzierung der präkosmischen Elemente oder Materie. Bhutadi bedeutet buchstäblich den „Ursprung der Elemente“ und kommt vor Bhuta-Sarga – der „Schöpfung“ oder Differenzierung jener Elemente im ursprünglichen „Akasha“ (dem Chaos oder der Leere).169 Im Vishnu-Purana“ heißt es von ihm, dass er zum dreifachen Aspekt Ahamkaras gehört und seinem dreifachen Aspekt entsprechend vor sich geht. Ahamkara wird mit Ichbezogenheit übersetzt, steht aber vielmehr für den nicht übersetzbaren Ausdruck der „Ich-bin-heit“, das, was zuerst aus „Mahat“ oder dem göttlichen Gemüt hervorgeht; es ist der erste schattenhafte Umriss der Selbstbezogenheit, denn der „reine“ Ahamkara wird „leidenschaftlich“ und schließlich „rudimentär“ [SD # 453] (ursprünglich). Er ist „der Ursprung des bewussten sowie allen unbewussten Daseins“, obwohl die esoterische Schule die Idee zurückweist, dass irgendetwas „unbewusst“ sein könnte – es sei denn auf dieser (unserer) Ebene der Täuschung und Unwissenheit. In diesem Stadium der zweiten Schöpfung erscheint die zweite Hierarchie der Manus, die Dhyan Chohans oder Devas, welche der Ursprung der Form (Rupa) sind: die Chitrasikhandina (die mit einem Strahlenkranz Verzierten) oder die Rikshas – jene Rishis, welche die belebenden Seelen der sieben Sterne (des Großen Bären) wurden.170 In astronomischer und kosmogonischer Sprache bezieht sich diese Schöpfung auf die Periode des Feuernebels, auf das erste Stadium des kosmischen Lebens nach dem Zustand des Chaos,171 wenn die Atome aus Laya hervorgehen.

(III) Die dritte Schöpfung (Indrya) war die modifizierte Form von Ahamkara, der Idee des „Ichs“ (von „Aham“, „Ich“), die organische Schöpfung oder die Schöpfung der Sinne (Aindriyaka) genannt. „Diese drei waren die Prakrita-Schöpfung, die (getrennten) Entwicklungen der ungetrennten Natur, welcher das ungetrennte Prinzip vorausging.“ Das Wort „vorausging“ sollte hier ersetzt werden und es somit besser heißen „begann durch“, nämlich Buddhi; denn Letzteres ist weder eine getrennte noch eine ungetrennte Größe, sondern hat Anteil an der Natur von beiden, im Menschen wie auch im Kosmos. Eine Einheit – eine menschliche Monade auf der Ebene der Illusion – wird Buddhi, einmal erlöst von den drei Formen Ahamkaras und von ihrem irdischen Manas befreit, tatsächlich zu einer stetigen Größe sowohl in Bezug auf Dauer als auch auf Ausdehnung, denn sie ist ewig und unsterblich. Weiter vorne wurde festgestellt, dass die dritte Schöpfung, „überreich an Güte, Urdhvashrotas genannt wird“; und eine oder zwei Seiten später wird die Urdhvashrotas-Schöpfung als „die sechste Schöpfung . . . die der Gottheiten“ (S. 75) erwähnt. Das zeigt klar, dass frühere so gut wie spätere Manvantaras absichtlich durcheinander gebracht wurden, um den [SD # 454] Profanen an der Entdeckung der Wahrheit zu hindern. Das wird von den Orientalisten als „Inkongruenz“ und „Widersprüche“ bezeichnet.172

Diese „Schöpfung“ der Unsterblichen, „Deva-Sarga“, ist die letzte der ersten Reihe und hat eine universale Bedeutung; sie bezieht sich nämlich auf die Evolution im Allgemeinen und nicht speziell auf unser Manvantara; Letzteres beginnt jedoch immer wieder mit dem Gleichen, und das zeigt, dass es sich auf verschiedene, getrennte Kalpas bezieht. Denn es heißt: „Am Schluss des vergangenen (Padma-) Kalpas erwachte der göttliche Brahmâ aus seinem nächtlichen Schlaf und sah das Universum leer.“ Dann wird gezeigt, wie Brahmâ im zweiten Stadium der Evolution die „sieben Schöpfungen“ erneut durchläuft, indem er die ersten drei auf der objektiven Ebene wiederholt.

(IV) Die Mukhya oder die Erste, da mit ihr die Reihe der vier Schöpfungen beginnt. Weder der Ausdruck „unbelebte“ Körper noch die unbeweglichen Dinge der Wilsonschen Übersetzung geben eine richtige Vorstellung der verwendeten Sanskritbegriffe. Die Esoterische Philosophie steht nicht allein mit ihrer Ablehnung der Vorstellung, irgendein Atom könnte anorganisch sein, denn auch der orthodoxe Hinduismus lehnt diese Vorstellung ab. Darüber hinaus sagt Wilson (in seinen gesammelten Werken, iii, S. 381) selbst: „Alle hinduistischen Systeme betrachten die Körper der Pflanzen als mit Leben ausgestattet. . . . “ Charachara oder die Synonyme Sthavara und Jangama werden daher nur ungenau wiedergegeben mit „belebte und unbelebte“, „fühlende Wesen“ und „unbewusste“ oder „bewusste und unbewusste Wesen“ usw. usw., „bewegliche und feststehende“ wäre besser, „da man davon ausging, dass Bäume im Besitz einer Seele seien“. Mukhya ist die „Schöpfung“ oder organische Evolution des Pflanzenreichs. In dieser sekundären Periode werden die drei Stufen der elementaren oder rudimentären Reiche dieser Welt evolviert, in umgekehrter Reihenfolge der drei prakritischen Schöpfungen in der primären Periode von Brahmâs Aktivität. Da gemäß der Worte des „Vishnu-Puranas“ in jener Periode „die erste Schöpfung Mahat (Intellekt) betraf, die zweite Tanmatras (rudimentäre Prinzipien) und die dritte die Schöpfung der Sinne (Aindriyaka) war“, stehen in dieser die elementalen Kräfte in folgender Reihenfolge: (1) Die entstehenden (intellektuellen und physischen) Kraftzentren; (2) die rudimentären Prinzipien – die Nervenkraft, sozusagen; und (3) die entstehende Wahrnehmung, der Mahat der niederen Reiche, welche insbesondere in der dritten Ordnung der Elementale entwickelt wurde; auf diese folgt das [SD # 455] objektive Mineralreich, in welchem die Wahrnehmung vollständig latent ist, um sich zuerst wieder in den Pflanzen zu entwickeln. Die Mukhya-„Schöpfung“ ist also der Mittelpunkt zwischen den drei niederen und den drei höheren Reichen, welche die sieben esoterischen Reiche des Kosmos und der Erde repräsentieren.

(V) Die Tiryakshrotas- (oder Tairyagyonya-) Schöpfung,173 die der „(heiligen) Tiere“, korrespondiert lediglich auf der Erde mit der Schöpfung der stummen Tiere. Unter „Tieren“ wird in der primären Schöpfung der Keim des erwachenden Bewusstseins oder der Wahrnehmung verstanden, welcher bei einigen sensitiven Pflanzen der Erde schwach und bei den protistischen Moneren174 stärker ausgeprägt beobachtet werden kann. Auf unserem Globus geht während der ersten Runde die Tier-„Schöpfung“ der des Menschen voraus, während die Säugetiere in unserer vierten Runde aus dem Menschen evolvieren – auf der physischen Ebene; in Runde I wurden die Tieratome in eine Kohäsion mit der menschlichen physischen Form gezogen; wohingegen in Runde IV das Gegenteil geschieht, entsprechend den während des Lebens entwickelten magnetischen Bedingungen. Und das ist Metempsychose (siehe „Mineral Monad“ in „Five Years of Theosophy“, S. 276). Dieses fünfte Stadium der Evolution, exoterisch „Schöpfung“ genannt, lässt sich in der primären Periode als die spirituelle und kosmische und in der sekundären als die materielle und irdische Entwicklung betrachten. Es ist Archebiosis oder Lebensursprung – „Ursprung“ natürlich insofern, als die Manifestation des Lebens alle sieben Ebenen betrifft. In dieser Evolutionsperiode differenziert sich die absolut ewige, universale Bewegung oder Schwingung, das, was in der esoterischen Sprache der „Große Atem“ genannt wird, in das ursprüngliche, erste manifestierte Atom. Dieses okkulte Axiom findet mit dem Fortschreiten der Wissenschaften der Chemie und Physik immer mehr und mehr seine Bestätigung in der wissenschaftlichen Welt. Die wissenschaftliche Hypothese, dass selbst die einfachsten Elemente der Materie ihrer Natur nach identisch sind und sich voneinander nur infolge der verschiedenartigen Verteilungen der Atome in dem Molekül oder Substanzkörnchen unterscheiden oder infolge der verschiedenen Arten ihrer atomaren Schwingungen, gewinnt jeden Tag an Boden.

Wie daher die Differenzierung des ursprünglichen Lebenskeims der Evolution der Dhyan Chohans der dritten Gruppe oder Hierarchie des Daseins in der ursprünglichen Schöpfung vorausgehen muss, ehe jene „Götter“ Rupa werden können (verkörpert in ihrer ersten etherischen Form), muss aus [SD # 456] demselben Grund die Tierschöpfung dem göttlichen Menschen auf der Erde vorausgehen. Und das ist der Grund, warum wir in den Puranas lesen, dass „die fünfte, die Tairyagyonya-Schöpfung, die der Tiere war“, und weiter –

(VI) Die Urdhvashrotas-Schöpfung oder die der Gottheiten (Vishnu-Purana“, Buch I, Kap. i). Diese (Gottheiten) sind jedoch lediglich Prototypen der ersten Rasse, die Väter ihrer „aus dem Gemüt geborenen“ Nachkommen mit weichen Knochen.175 Sie waren es, die anschließend die „Schweißgeborenen“ entwickelten – ein Ausdruck, der in Band II erklärt werden wird. Schließlich folgt die sechste „Schöpfung“, und die „Schöpfung“ wird im Allgemeinen beendet durch –

(VII) Die Evolution der „Arvakshrotas-Wesen, welche die siebte darstellte, die des Menschen“ (Vishnu-Purana“, Buch I).

Die erwähnte „achte Schöpfung“ ist gar keine Schöpfung; sie ist lediglich eine weitere Blende, denn sie bezieht sich auf einen rein geistigen Prozess: die Erkenntnis der ihrerseits eine Wirkung darstellenden „neunten“ Schöpfung, welche sich in der sekundären Schöpfung offenbart von dem, was in der primären (Prakrita) Schöpfung eine „Schöpfung“ war.176 Die Achte sodann, Anugraha genannt (die Pratyayasarga- oder intellektuelle Schöpfung der Sankhyas, erklärt in „Karika“, V. 46, S. 146), ist „die Schöpfung, von der wir eine Wahrnehmung besitzen“ – in ihrem esoterischen Aspekt, und „der wir intellektuelle Zustimmung erteilen (Anugraha), im Gegensatz zur organischen Schöpfung“. Sie ist die korrekte Auffassung unserer Beziehungen zu der gesamten Reihe von „Göttern“, und insbesondere jener, die wir mit den Kumaras unterhalten – der sogenannten „neunten Schöpfung“, die in Wirklichkeit ein Aspekt oder eine Reflexion der sechsten Schöpfung unseres Manvantaras (dem Vaivasvata) ist. „Es gibt eine neunte, die Kumara- Schöpfung, die zugleich primär und sekundär ist“, sagt das Vishnu-Purana“, der älteste dieser Texte.177 „Die Kumaras“, erläutert ein esoterischer Text, [SD # 457] „sind die Dhyanis, die unmittelbar aus dem höchsten Prinzip stammen und die in der Vaivasvata-Manu-Periode für die Weiterentwicklung der Menschheit erneut erscheinen werden“.178 Der Kommentator des Vishnu-Puranas bestätigt das, indem er anmerkt, dass „diese Weisen so lange leben wie Brahmâ; und sie werden von ihm nur im ersten Kalpa erschaffen, auch wenn ihre Erschaffung allgemein und im Widerspruch dazu dem (sekundären) Varaha- oder Padma-Kalpa zugeordnet wird“. So sind die Kumaras exoterisch „die Schöpfung Rudras oder Nilalohitas, einer Form Shivas, durch Brahmâ und gewisser anderer aus dem Gemüt geborener Söhne Brahmâs“. In der esoterischen Lehre jedoch sind sie die Vorfahren des wahren spirituellen Selbst im physischen Menschen – die höheren Prajapati, während die Pitris oder niederen Prajapati nicht mehr als die Väter des Modells oder Typus seiner physischen Form sind, „nach ihrem Bilde“ erschaffen. Vier (und gelegentlich fünf) werden in den exoterischen Texten offen erwähnt, während drei der Kumaras geheim sind179 (vgl., was über „Die gefallenen Engel“ in Band II gesagt wird).

Die vier exoterischen sind Sanat-Kumara, Sananda, Sanaka und Sanatana; und die esoterischen drei sind Sana, Kapila und Sanat-Sujata. Auf diese Klasse von Dhyan Chohans wird aufs Neue besonders aufmerksam gemacht, weil hierin das in Band I angedeutete Geheimnis der Erzeugung und Vererbung liegt (siehe die vier Ordnungen engelhafter Wesen, Kommentar zur Stanze VII). Band II erklärt ihre Stellung in der göttlichen Hierarchie. Prüfen wir unterdessen, was die exoterischen Texte über sie sagen.

Sie sagen wenig; und demjenigen, der zwischen den Zeilen zu lesen versäumt – gar nichts. „Wir müssen hier unsere Zuflucht zu anderen Puranas nehmen, um diesen Ausdruck aufzuklären“, bemerkt Wilson, der auch nicht einen einzigen Augenblick daran zweifelt, dass er sich hier in der Gegenwart der „Engel der Finsternis“, des mythischen „großen Feindes“ seiner Kirche, befindet. Daher sinnt er nach nichts weiter als aufzuklären, dass diese (Gottheiten) mit ihrer Weigerung, Nachkommenschaft zu zeugen180 (und damit mit ihrer Rebellion gegen Brahmâ), wie der Name [SD # 458] des ersten impliziert, immer Knaben bleiben werden, Kumaras: d. h. immer rein und unschuldig, und entsprechend heißt ihre Schöpfung auch „Kumara“-Schöpfung (Buch I, Kap. V, Vishnu-Purana“). Die Puranas mögen jedoch ein wenig mehr Licht vertragen. „Da er immer ist, wie er geboren wurde, wird er hier ein Jüngling genannt; und daher ist sein Name als Sanat-Kumara wohlbekannt („Linga-Purana, Vorspann, LXX, S. 174). Im Shiva-Purana werden die Kumaras immer als Yogins beschrieben. Das Kurma-Purana sagt, nachdem es sie aufgezählt hat: „Diese fünf, oh Brahmanen, waren Yogins, die vollständige Befreiung von Leidenschaften erlangten.“ Es sind ihrer fünf, weil zwei der Kumaras fielen.

Unter allen sieben großen Abteilungen der Dhyan Chohans oder Devas finden sich keine, mit der die Menschheit mehr zu tun hätte als mit den Kumaras. Unklug sind die christlichen Theologen, die sie zu gefallenen Engeln erniedrigten und sie jetzt „Satan“ und Dämonen nennen. Denn unter diesen Bewohnern des Himmels, die sich weigern zu erschaffen, muss dem Erzengel Michael – dem größten Schutzheiligen der westlichen und östlichen Kirchen, unter seinem doppelten Namen des Hl. Michael und seiner vermutlichen irdischen Kopie, dem Hl. Georg, der den Drachen besiegt – einer der hervorragendsten Plätze eingeräumt werden (siehe Band II, „Die heiligen Drachen und ihre Bezwinger“).

Die Kumaras, die „aus dem Gemüt geborenen Söhne“ Brahmâ-Rudras (oder Shivas), mystisch181 betrachtet [SD # 459] des brüllenden und schreckenerregenden Zerstörers der menschlichen Leidenschaften und der physischen Sinne, die der Entwicklung der höheren spirituellen Wahrnehmungskräfte und dem Wachstum des inneren, ewigen Menschen immer im Wege stehen, sind die Nachkommen Shivas, des Mahayogi, des großen Schutzherrn aller Yogis und Mystiker Indiens. Sie selbst also, welche die „jungfräulichen Asketen“ sind, weigern sich, das materielle Wesen Mensch zu erschaffen. Sie können gut und gerne direkt mit dem christlichen Erzengel Michael in Verbindung gebracht werden, mit dem „jungfräulichen Bekämpfer“ des Drachens Apophis, dem jede zu lose mit ihrem unsterblichen Geist verbundene Seele zum Opfer fällt, mit dem Engel also, der sich – den Kumaras gleich – weigerte, zu erschaffen, wie die Gnostiker zeigten (siehe Band II, „Die heiligen Drachen und ihre Bezwinger“) . . . Hat dieser Schutzengel der Juden nicht die Aufsicht über den Saturn (Shiva oder Rudra) und den Sabbat, den Tag des Saturns? Wurde er nicht dargestellt, als sei er von derselben Wesenheit wie sein Vater (Saturn) und der „Sohn der Zeit“ genannt, des Kronos oder Kala (Zeit), einer Form Brahmâs (Vishnu und Shiva)? Und ist nicht der „alte Zeitgott“ der Griechen mit seiner Sense und seinem Stundenglas identisch mit dem „Alten der Tage“ der Kabbalisten; wobei dieser „Alte“ eins ist mit dem indischen „Alten der Tage“, mit Brahmâ (in seiner dreieinigen Form), auch „Sanat“ genannt, der Alte? Jeder Kumara besitzt das Präfix Sanat und Sana; und Sanaischara ist Saturn, der Planet (Sani und Sarra), der König Saturn, dessen Sekretär in Ägypten Thot-Hermes der Erste war. Sie werden somit sowohl mit dem Planeten als auch mit dem Gott (Shiva) identifiziert, die ihrerseits als die Prototypen des Saturns nachgewiesen sind. Letzterer ist wieder derselbe wie Bel, Baal, Shiva und Jehovah Sabbaoth, Der Engel, dessen Angesicht Michael ist ( ל ֶא ַב י מ, „ der Gott gleich ist “). Er ist der Patron und Schutzengel der Juden, wie Daniel uns sagt (Vers 12); und bevor die Kumaras von jenen, die nicht einmal über ihren eigenen Namen etwas wussten, zu Dämonen und gefallenen Engeln herabgewürdigt wurden, hatten die griechischen Ophiten, die okkult veranlagten Vorgänger und Vorläufer der römisch-katholischen Kirche, nach ihrer Abspaltung und Trennung von der griechischen Urkirche Michael mit ihrem Ophiomorphos identifiziert, dem rebellischen und opponierenden Geist. Das bedeutet nichts weiter als den umgekehrten Aspekt (symbolisch genommen) von Ophis – der Göttlichen Weisheit oder des Christos. Im Talmud ist Mikael (Michael) der „Prinz des Wassers“ und das Haupt der sieben Geister, und zwar aus demselben Grund, warum sein Prototyp (neben vielen anderen) Sanat-Sujata – [SD # 460] das Haupt der Kumaras – Ambhamsi genannt wird, „Gewässer“, nach dem Kommentar zum Vishnu-Purana“. Warum? Weil die „Wasser“ ein anderer Name sind für die „Große Tiefe“, die ursprünglichen Wasser des Raumes oder das Chaos. Sie haben auch die Bedeutung von „Mutter“, Amba, also Aditi und Akasha, die Himmlische Jungfräuliche Mutter des sichtbaren Universums. Weiter heißen die „Wasser der Flut“ auch „der Große Drache“ oder Ophis, Ophio-Morphos.

In der den Stanzen des II. Bandes beigegebenen „Symbolik“ werden die Rudras in ihrem siebenfältigen Charakter von „Feuergeistern“ betrachtet werden. Dort werden wir das Kreuz (3 + 4) unter seinen ursprünglichen und späteren Formen betrachten und uns zum Zweck des Vergleichs der pythagoreischen Zahlen sowie der hebräischen Metrologie bedienen. Die ungeheure Bedeutung der Zahl sieben als der Wurzelzahl der Natur wird dadurch offensichtlich werden. Wir werden sie vom Standpunkt der Veden und der chaldäischen Schriften aus untersuchen, wie sie in Ägypten Jahrtausende v. Chr. verfügbar waren und wie sie in den gnostischen Aufzeichnungen behandelt wird; wir werden zeigen, wie ihre Bedeutung als Grundzahl in der Naturwissenschaft Anerkennung gefunden hat; und wir werden zu beweisen versuchen, dass die der Zahl sieben während des gesamten Altertums zugeschriebene Bedeutung nicht die Folge fantastischer Einbildung ungebildeter Priester war, sondern einer tiefgehenden Kenntnis des Naturgesetzes entsprang.

 

 

§ XIV
Die vier Elemente

Metaphysisch und esoterisch betrachtet gibt es in der Natur nur Ein Element, und an dessen Wurzel ist die Gottheit; die sogenannten sieben Elemente, von denen sich bereits fünf manifestiert haben und ihre Existenz behaupten, sind das Gewand, der Schleier dieser Gottheit; direkt aus dessen Essenz kommt der Mensch hervor, ob physisch, psychisch, mental oder spirituell betrachtet. Im späteren Altertum wurden gewöhnlich nur vier Elemente erwähnt, lediglich in der Philosophie wurden fünf Elemente zugestanden. Denn der Hauptteil des Ethers ist noch nicht vollständig manifestiert, und sein Noumenon ist noch „der Allmächtige Vater – Äther, die Synthese der Restlichen“. Aber was sind diese „Elemente“, deren zusammengesetzte Massen, wie Chemie und Physik jüngst entdeckten, zahllose Unterelemente enthalten, deren gesamter Anzahl die bislang vermuteten sechzig oder siebzig nicht mehr gerecht werden (siehe Anhänge, §§ XI und XII, Zitate aus Crookes Vorlesungen)? Auf jeden Fall wollen wir ihre Entwicklung vom historischen Anbeginn verfolgen.

Die vier Elemente wurden von Platon vollständig charakterisiert, indem er sagte, sie seien das, „was die zusammengesetzten Körper zusammensetzt und zersetzt“. [SD # 461] Somit war die Anbetung des Kosmos niemals, nicht einmal in ihren schlechtesten Aspekten, dieser Fetischismus, der die passive, äußere Form und Materie irgendeines Gegenstands anbetet oder sie verehrt, sondern sie trachtete immer nach dem darin enthaltenen Noumenon. Feuer, Luft, Wasser und Erde waren lediglich das sichtbare Gewand, die Symbole der beseelenden, unsichtbaren Seelen oder Geister – der kosmischen Götter, welche die Unwissenden anbeteten und denen von den Weiseren einfache, aber ehrfurchtsvolle Anerkennung entgegengebracht wurde. Ihrerseits wurden die phänomenalen Unterteilungen der noumenalen Elemente von sogenannten Elementalen beseelt, von den „Naturgeistern“ niederer Grade.

In der Theogonie des Mochus finden wir zuerst den Ether und dann die Luft; die beiden Prinzipien, aus denen Ulom, der fassbare (νοήτος) Gott (das sichtbare materielle Universum), geboren wird.182

In den orphischen Hymnen evolviert Eros-Phanes aus dem geistigen Ei, das die ätherischen Winde befruchtet, wobei der Wind der „Geist Gottes“ ist, von dem es heißt, dass er sich im Äther bewege, „über dem Chaos brütend“ – die Göttliche „Idee“. In der hinduistischen Katha-Upanishad steht Purusha, der Göttliche Geist, bereits vor der ursprünglichen Materie, aus ihrer Vereinigung entspringt die große Seele der Welt, „Maha = Atman, Brahman, der Geist des Lebens“;183 diese letzteren Bezeichnungen sind wiederum identisch mit der Universalseele oder Anima Mundi, dem Astrallicht der Theurgen und Kabbalisten, und dabei ihrer letzten und niedersten Abteilung.

Die στοιχεῖα (Elemente) Platons und Aristoteles’ waren somit die mit den vier großen Abteilungen unserer kosmischen Welt verknüpften unkörperlichen Prinzipien, und Creuzer definiert diese ursprünglichen Glaubensvorstellungen zu Recht . . . „als eine Art von Magie, ein psychisches Heidentum und eine Vergöttlichung von Kräften; eine Vergeistigung, welche die Gläubigen mit diesen Kräften in eine enge Gemeinschaft zu bringen vermochte“ (Band IX, S. 850). So eng tatsächlich, dass die Hierarchien dieser Potenzen oder Kräfte in eine siebenstufige Skala klassifiziert wurden, vom Wägbaren bis zum Unwägbaren. Sie sind siebenfältig – nicht als Kunstgriff, um ihr Verständnis zu erleichtern –, sondern in ihrer tatsächlichen kosmischen Abstufung, von ihrer chemischen (oder physikalischen) bis zu ihrer rein spirituellen Zusammensetzung. Götter – für die unwissenden Massen – unabhängige und höchste Götter; Dämonen für die Fanatiker, die bei aller Intellektualität, die sie oft haben, nicht imstande sind, den Geist des philosophischen Satzes E pluribus unum zu erfassen. Für den hermetischen Philosophen sind die Kräfte verhältnismäßig „blind“ oder „intelligent“, abhängig von dem jeweiligen Prinzip in ihnen, mit welchem er sich beschäftigt. Es dauerte lange Jahrtausende, bis sie sich schließlich in unserer Moderne zu den einfachen chemischen Elementen degradiert fanden.

Auf jeden Fall sollten gute Christen, insbesondere die Bibel-Protestanten, [SD # 462] den vier Elementen eine tiefere Ehrfurcht erweisen, wenn sie eine solche auch gegenüber Moses zeigen wollen. Denn die Bibel offenbart das den Elementen vom hebräischen Gesetzgeber zugemessene Ansehen und ihre mystische Bedeutung auf jeder Seite des Pentateuchs. Das Zelt, welches das Allerheiligste enthielt, war ein kosmisches Symbol, das in einer seiner Bedeutungen den Elementen, den vier Kardinalpunkten und dem Ether geweiht war. Josephus zeigt, dass es in Weiß ausgeführt war, in der Farbe des Ethers. Und das erklärt auch, warum in den ägyptischen und hebräischen Tempeln – dem Bericht Clemens von Alexandria zufolge – ein riesiger, von fünf Pfeilern getragener Vorhang das Sanctum sanctorum (in christlichen Kirchen heute durch den Altar repräsentiert), in das allein die Priester eintreten durften, von dem den Profanen zugänglichen Teil trennte. Mit seinen vier Farben symbolisierte dieser Vorhang die vier Hauptelemente und kennzeichnete das Wissen um das Göttliche, das zu erlangen den Menschen seine fünf Sinne mithilfe der vier Elemente befähigen können (siehe „Stromata“, I, V. § 6).

In Corys „Ancient Fragments“ bringt eines der „chaldäischen Orakel“ Ideen über die Elemente und den Ether in einer von zwei hervorragenden Wissenschaftlern unserer Tage verfassten Sprache zum Ausdruck, die der Sprache des Unsichtbaren Universums ähnelt.

Es erklärt, dass „alle Dinge vom Ether kamen und dass alle wieder zu ihm zurückkehren werden, dass die Bilder aller Dinge ihm unauslöschlich eingeprägt sind; und dass er ferner der Speicher der Keime sowie der Überbleibsel aller sichtbaren Formen und sogar aller Ideen ist. Es hat den Anschein, als ob dieser Fall auf seltsame Weise unsere Behauptung bestätigt, dass sich für jedwede in unseren Tagen gemachte Entdeckung erweisen wird, dass sie schon vor vielen tausend Jahren von unseren ‘einfältigen Vorfahren’ vorweggenommen wurde.“ – („Isis entschleiert“)

Woher kamen die vier Elemente und die Malachim der Hebräer? Durch einen theologischen Taschenspielertrick der Rabbiner und späteren Kirchenväter hat man sie mit Jehovah verschmelzen lassen, ihr Ursprung ist jedoch identisch mit dem der kosmischen Götter aller anderen Nationen. Ihre Symbole – ob ihr Geburtsort an den Ufern des Oxus zu suchen ist, im brennenden Sand Oberägyptens oder in den unheimlichen und eisigen Urwäldern, welche die Abhänge und Gipfel der heiligen, schneebedeckten Berge von Thessalien bedecken oder aber in den Pampas Amerikas – ihre Symbole sind, wir wiederholen es, wenn man sie bis zu ihrer Quelle zurückverfolgt, immer ein und dieselben. Einerlei ob ägyptisch oder pelasgisch, arisch oder semitisch, der Genius Loci, der Ortsgott, umfasste in seiner Einheit die gesamte Natur; die vier Elemente speziell jedoch keineswegs mehr als jegliche ihrer Schöpfungen wie z. B. Bäume, Flüsse, Berge oder Sterne. Der Genius Loci – ein sehr später, nachträglicher Einfall der letzten Unterrassen der fünften Wurzelrasse, als der ursprüngliche und erhabene Sinn nahezu verlorengegangen war – war mit seinen angesammelten Titeln immer der Stellvertreter aller seiner Kollegen. Er war der Gott des Feuers, durch den Donner symbolisiert, wie Jupiter oder Agni; er war der Gott des Wassers, durch den fluvialen Stier oder durch einen beliebigen heiligen Fluss oder eine solche Quelle symbolisiert, als Varuna, Neptun etc.; er war der Gott der Luft, sich im Orkan oder Unwetter als Vayu und Indra offenbarend, und der Gott oder Geist [SD # 463] der Erde, der in Erdbeben erschien, wie Pluto, Yama und so viele andere.

Das waren die kosmischen Götter, die immer alle in einen zusammengefasst wurden, wie man sie in jeder Kosmogonie oder Mythologie finden kann. So hatten die Griechen ihren dodonäischen Jupiter, der die vier Elemente und die vier Kardinalpunkte in sich mit einschloss und daher im alten Rom unter dem pantheistischen Titel Jupiter Mundus bekannt war und heute im modernen Rom zum Deus Mundus, zu dem einen Weltengott geworden ist, der alle anderen verschlang – einer willkürlichen Entscheidung seiner besonderen Diener zufolge gemäß der neuesten Theologie.

Als Götter von Feuer, Luft und Wasser waren sie himmlische Götter; als Götter der niederen Region waren sie höllische Götter, wobei letzteres Adjektiv lediglich auf die Erde zutraf. Sie waren unter ihrem jeweiligen Namen „Geister der Erde“, als Yama, Pluto, Osiris oder „Herr des niederen Reiches“ etc. etc., und ihr tellurischer Charakter beweist das hinreichend.184 Die Alten kannten keinen schlechteren Aufenthalt nach dem Tod als Kama-Loka, den Limbus dieser Erde. Wenn man argumentiert, dass der dodoäische Jupiter mit Aidoneus, dem König der unterirdischen Welt, identifiziert wurde, und mit Dis, oder mit dem römischen Pluto und dem Dionysos Chthonius, dem Unterirdischen, wo nach Creuzer (I, vi, Kap. 1) Orakel erteilt wurden, wird es den Okkultisten ein Vergnügen sein zu beweisen, dass sowohl Aidoneus als auch Dionysos die Basis von Adonai sind oder von „Jurbo-Adonai“, wie Jehovah im Codex Nazaräus genannt wird. „Du sollst nicht anbeten die Sonne, die genannt wird Adonai und auch Kadosh und El-El („Cod. Naz.“, I, S. 47; siehe auch Psalm, lxxxix, 18) und „Bacchus, der Herr“. Der Baal-Adonis der Sods oder die Mysterien der vorbabylonischen Juden wurden durch die Massora zu Adonai, zum später vokalisierten Jehovah. Daher haben die römischen Katholiken Recht. All diese Jupiter gehören derselben Familie an; aber Jehovah muss mit eingeschlossen werden, um sie zu vervollständigen. Jupiter-Aerios oder Pan, Jupiter-Amun und Jupiter-Bel-Moloch korrelieren alle und sind eins mit Jurbo-Adonai, weil sie alle eine einzige kosmische Natur sind. Es ist diese Natur und Kraft, welche das spezifisch irdische Symbol und das physische und materielle Gewebe des Letzteren erschafft, womit der Beweis erbracht ist, dass die Energie, die sich durch ihn manifestiert, extrinsisch ist.

Die ursprüngliche Religion war etwas Besseres als eine simple Vorbeschäftigung mit physischen Phänomenen, wie von Schelling behauptet; und Prinzipien von größerer Erhabenheit als sie uns modernen Sadduzäern bekannt sind, „lagen unter dem durchsichtigen Schleier solcher reinen Naturgottheiten wie Donner, [SD # 464] Wind und Regen verborgen“. Die Alten kannten und wussten die körperlichen und spirituellen Elemente in den Kräften der Natur zu unterscheiden.

Der vierfältige Jupiter wie der viergesichtige Brahmâ – der Gott der Luft, des Blitzes, der Erde und des Meeres – der Herr und Meister der vier Elemente kann als Repräsentant der großen kosmischen Götter aller Nationen gelten. Während er die Macht über das Feuer dem Hephaistos-Vulkan übertrug, die Macht über das Meer dem Poseidon-Neptun und die Macht über die Erde dem Pluto-Aidoneus, umfasste der luftartige Jupiter sie alle; denn von Anbeginn an hatte der Äther die Vormachtstellung über alle Elemente und war deren Synthese.

Die Überlieferung weist auf eine Grotte hin, eine riesige Höhle in den Wüsten Zentralasiens, in welche das Licht durch vier scheinbar natürliche Öffnungen oder Klüfte einströmt, die kreuzweise nach den vier Kardinalpunkten des Ortes ausgerichtet sind. Von Mittag bis eine Stunde vor Sonnenuntergang strömt das Licht ein, in vier verschiedenen Farben, wie behauptet wird – rot, blau, orange-gold und weiß – infolge irgendwelcher entweder natürlicher oder künstlich hergestellter Verhältnisse der Vegetation und des Bodens. Das Licht läuft im Zentrum rund um einen Pfeiler aus weißem Marmor zusammen, auf dem sich eine Kugel befindet, die unsere Erde darstellt. Die Höhle heißt die „Zarathustra-Grotte“.

Als die phänomenalen Manifestationen der vier Elemente von der vierten Rasse, den Atlantiern, in die Künste und Wissenschaften einbezogen wurden, nahmen sie einen wissenschaftlichen Charakter an. Letztere Manifestationen wurden von jenen, die an die kosmischen Götter glaubten, zu Recht der intelligenten Einwirkung eben dieser Götter zugeschrieben. Die Magie der alten Priester bestand in jenen Tagen in der Anrufung ihrer Götter in deren eigener Sprache. „Die Sprache der Menschen auf der Erde kann die Herren nicht erreichen. Jeder muss in der Sprache seines jeweiligen Elements angerufen werden.“ – ein bedeutungsschwangerer Satz. Ein Zitat aus „Das Buch der Regeln“ fügt zur weiteren Erklärung dieser Elementen-Sprache hinzu: „Sie besteht aus Tönen, nicht aus Worten; aus Tönen, Zahlen und Ziffern. Jener, der die drei zu verbinden weiß, wird die Reaktion der überwachenden Kraft hervorrufen (des Gott-Regenten des speziellen, benötigten Elements).“

Somit dient diese „Sprache“ der Beschwörung oder den Mantren, wie sie in Indien heißen, denn der Ton ist der kräftigste und wirksamste magische Agent und der erste der Schlüssel, der das Tor der Kommunikation zwischen Sterblichen und Unsterblichen öffnet. Wer an die Worte und Lehren des Hl. Paulus glaubt, hat kein Recht, sich aus den Letzteren nur jene Sätze heraus zu picken, welche ihm genehm sind, und die anderen zurückzuweisen; und der Hl. Paulus lehrt ganz unleugbar die Existenz kosmischer Götter und ihre Gegenwart in unserer Mitte. Das Heidentum predigte eine doppelte und gleichzeitige Evolution: eine „Schöpfung“ – „spiritualem ac mundanam“, wie die römische Kirche es bereits Zeitalter vor ihrem Erscheinen nannte. Die exoterische Ausdrucksweise hat sich in Bezug auf göttliche Hierarchien seit den unbeschwerten Tagen des Heidentums oder „Götzendienstes“ kaum verändert. Lediglich die Namen veränderten sich, [SD # 465] und zwar gleichzeitig mit Ansprüchen, die heute zu falschen Vorstellungen geworden sind. Denn wenn z. B. Platon dem höchsten Prinzip – „Vater-Äther“ oder Jupiter – die Worte in den Mund legt: „Die Götter der Götter, deren Erschaffer (opifex) ich bin, so wie ich der Vater aller ihrer Werke (operumque parens) bin“, so verstand er, wie wir vermuten, den Sinn dieses Satzes ebenso vollständig wie der Hl. Paulus, indem er sagte: „Denn wenn es anders solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf Erden (wie es ja viele Götter und viele Herren gibt)“, . . . . etc. (1 Kor 8,5).185 Beide kannten den Sinn und die Bedeutung dessen, was sie in solch vorsichtigen Worten vorbrachten.

Sir W. R. Grove, F. R. S., bemerkt im Rahmen einer Besprechung der Wechselwirkungen der Kräfte: „Wenn die Alten Zeugen eines Naturphänomens wurden, auf das die gewöhnlichen Analogien nicht anwendbar waren und das durch keine ihnen bekannte mechanische Einwirkung erklärt werden konnte, schrieben sie es einer Seele, einer spirituellen oder übernatürlichen Kraft zu. . . . Luft und Gase wurden zunächst für spirituell gehalten, später jedoch wurden sie mit einem eher materiellen Charakter bekleidet; und zur Bezeichnung der Seele und von Gasen wurden dieselben Worte verwendet, πνεῦμα, Geist etc. Das Wort Gas, von Geist, ein Gespenst oder eine Seele, gibt uns ein Beispiel für die allmähliche Umwandlung einer spirituellen in eine physische Vorstellung. . . . . .“ (S. 89) Der große Mann der Wissenschaft betrachtet das (in seiner Vorrede zur fünften Auflage von „Correlation of Physical Forces“) als die einzige Aufgabe der exakten Wissenschaft, die nicht berufen sei, sich mit den Ursachen zu befassen. „Ursache und Wirkung“, erklärt er, „sind daher in ihrer abstrakten Beziehung zu diesen Kräften lediglich zweckmäßige Worte. Die letztlich erzeugende Kraft all dieser Kräfte ist uns gänzlich unbekannt und wird es wahrscheinlich für immer bleiben; wir können lediglich die Regeln ihrer Wirkungen ermitteln; ihre Ursache müssen wir bescheiden einem allgegenwärtigen Einfluss zuschreiben und uns damit begnügen, ihre Wirkungen zu studieren und ihre gegenseitigen Beziehungen durch des Experiment zu erschließen (S. xiv).

Wenn dieser Grundsatz einmal akzeptiert und das System in den oben zitierten Worten mehr oder weniger eingeräumt wird, nämlich die Geistigkeit der „letztendlich erzeugenden Kraft“, erschiene es mehr als unlogisch sich zu weigern, diese den materiellen Elementen wie Feuer, Luft, Wasser oder Erde oder vielmehr ihren Zusammensetzungen [SD # 466] innewohnende Qualität anzuerkennen. Die Alten waren mit diesen Kräften, deren wahre Natur sie zum Nutzen (oder zum Schaden) der ungebildeten Masse unter verschiedenen Allegorien verbargen, so vertraut, dass sie den vielgestaltigen Gegenstand niemals aus den Augen verloren, während sie sie umkehrten. Sie ersannen einen dichten Schleier, den sie über den unter diesem Symbol verborgen liegenden Wahrheitskern warfen, aber sie strebten immer danach, das Symbol als Aufzeichnung für zukünftige Generationen aufzubewahren, ausreichend transparent, um den Weisen späterer Zeiten zu gestatten, die Wahrheit hinter der fabelartigen Form der Glyphe oder der Allegorie zu erkennen. Diese alten Weisen wurden des Aberglaubens und der Leichtgläubigkeit beschuldigt; und noch dazu ausgerechnet von eben jenen Nationen, welche bis zum heutigen Tag den anthropomorphischen „Jehovah“ der Juden als ihren einen, lebendigen und unendlichen Gott akzeptieren, obwohl sie doch in allen modernen Künsten und Wissenschaften gelehrt und in ihrer Generation gebildet und weise sind.

Was galt denn als dieser angebliche „Aberglaube“? Hesiod glaubte zum Beispiel, dass „die Winde die Söhne des Riesen Typhon waren“, die von Aiolos nach Belieben gebunden und entfesselt wurden, und die polytheistischen Griechen folgten Hesiod in dessen Überzeugung. Warum sollten sie das auch nicht tun? Hingen doch die monotheistischen Juden demselben Glauben an und versahen lediglich die Dramatis personae mit anderen Namen, und die Christen hängen bis zum heutigen Tag demselben Glauben an. Die hesiodischen Aiolos, Boreas etc. etc. wurden von dem „auserwählten Volk“ Israels Kedem, Tzaphon, Darom und Ruach-Hayum genannt. Was ist da der fundamentale Unterschied? Während die Hellenen gelehrt wurden, dass Aiolos die Winde band und losband, glaubten die Juden ebenso inbrünstig über ihren Gott, den Herrn: „Rauch stieg auf von seiner Nase, und Feuer fraß aus seinem Munde; . . . Und er fuhr auf einem Cherub und flog daher, und er erschien auf den Fittichen des Windes.“ (2 Sam 22,9 und 11) Die Formulierungen der beiden Nationen sind entweder beide Redensarten oder beide Aberglauben. Wir denken, dass sie keines von beidem sind, sondern dass sie lediglich einer starken Empfindung der Einheit mit der Natur und einer Wahrnehmungsfähigkeit für das hinter jeder natürlichen Erscheinung stehende Geheimnisvolle und Intelligente entspringen, welche die Modernen nicht mehr besitzen. Auch war es nicht „abergläubisch“ von den griechischen Heiden, auf das delphische Orakel zu hören, als dieses Orakel ihnen beim Herannahen von Xerxes Flotte den Rat gab, „den Winden zu opfern“, wenn dasselbe bei den Israeliten als göttliche Verehrung angesehen werden muss, die ebenso oft dem Wind und Feuer opferten, insbesondere dem letzteren Element. Behaupten die Israeliten nicht, ihr „Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (Deut 4,24), der generell als Feuer und „von Feuer umgeben“ erschien, und suchte nicht Elias ihn (den Herrn) in dem „großen, starken Wind und in dem Erdbeben“? Wiederholen das nicht die Christen nach ihnen? Opfern sie nicht obendrein bis zum heutigen Tag demselben „Gott des Windes und des Wassers“? Das tun sie; denn für Regen, trockenes Wetter, günstige Winde und die Beruhigung der Seestürme existieren bis zu dieser Stunde in den Gebetbüchern der drei christlichen Kirchen besondere Gebete; und hunderte verschiedener Sekten der protestantischen Religion [SD # 467] bringen ihrem Gott diese Gebete bei jedem drohenden Unheil dar. Die Tatsache, dass Jehovah sie auch nicht besser erhört als wahrscheinlich ehemals Jupiter Pluvius, ändert nichts an der Tatsache, dass diese Gebete an jene Kraft oder Kräfte gerichtet sind, welche die Elemente beherrschen sollen, und auch nicht daran, dass diese Kräfte im Heiden- und Christentum identisch sind; oder müssen wir etwa glauben, dass solche Gebete nur dann einen krassen Götzendienst und unsinnigen „Aberglauben“ darstellen, wenn sich ein Heide damit an sein Idol wendet, und dass sich nämlicher Aberglaube ganz plötzlich in rühmenswerte Frömmigkeit und Religion verwandelt, sobald der Name des himmlischen Adressaten geändert wird? Aber der Baum wird an seiner Frucht erkannt. Und da die Frucht des Baums des Christentums nicht besser ist als die des Baums des Heidentums, warum sollte dann Erstere mehr Ehrfurcht einflößen als Letztere?

Wenn uns daher von Chevalier Drach, einem jüdischen Konvertiten, und vom Marquis de Mirville, einem römisch-katholischen Fanatiker aus dem französischen Adel, gesagt wird, dass im Hebräischen der Blitz gleichbedeutend mit Wut sei und immer von einem bösen Geist beherrscht würde, und ferner dass Jupiter Fulgur oder Fulgurans von den Christen auch Elicius genannt und als die Seele des Blitzes als sein Dämon gebrandmarkt wird,186 so müssen wir entweder unter denselben Umständen dieselbe Erklärung und dieselben Definitionen auf den „Herrn, den Gott Israels“ anwenden, oder wir müssen auf unser Recht verzichten, die Götter und Glaubensvorstellungen anderer Nationen zu schmähen.

Die vorangegangenen Behauptungen sind, nachdem sie tatsächlich von zwei eifrigen und gelehrten römischen Katholiken stammen, um das Mindeste zu sagen, angesichts der Bibel und ihrer Propheten gefährlich. In der Tat, wenn Jupiter, der „Hauptdämon der heidnischen Griechen“, seine todbringenden Donnerkeile und Blitze gegen jene schleuderte, die seinen Zorn erregten, so tat der Herr, Gott Abrahams und Jakobs desgleichen, denn wir lesen in 2 Samuel: „Es donnerte Johovah vom Himmel her, und der Höchste ließ seine Stimme erschallen. Und er schoss Pfeile (Donnerkeile) und zerstreute sie (Sauls Heerscharen), er schleuderte seinen Blitz, und jagte sie dahin.“ (Kap. 23,14-15)

Den Athenern wird zum Vorwurf gemacht, dass sie Boreas opferten; und dieser „Dämon“ wird beschuldigt, 400 Schiffe der persischen Flotte an den Felsen des Berges Pilio zum Versinken gebracht und vernichtet zu haben und derartig wild geworden zu sein, „dass die gesamten Magier des Xerxes ihm durch Darbringung von Gegenopfern an die Thetis kaum entgegenwirken konnten“ (Herodot, „Polym.“, cxc). Glücklicherweise findet sich in den Berichten über die christlichen Kriege kein authentisches Beispiel, dass eine ähnliche Katastrophe gleichen Ausmaßes eine christliche Flotte betroffen hätte, infolge von „Gebeten“ eines Feindes – nämlich einer anderen christlichen Nation. Aber das ist nicht deren Schuld, denn eine jede betet Jehovah ebenso leidenschaftlich um die Vernichtung der anderen an wie die Athener zum Boreas beteten. Beide nahmen con amore Zuflucht zu einem hübschen kleinen Stückchen schwarzer Magie. Da eine solche Zurückhaltung an göttlicher Einmischung schwerlich einem Mangel an Gebeten um gegenseitige Vernichtung zuzuschreiben ist, [SD # 468] die an den gemeinsamen Allmächtigen Gott gesendet werden, wo sollen wir dann die Scheidelinie zwischen Heiden und Christen ziehen? Und wer kann daran zweifeln, dass nicht das ganze protestantische England jubeln und dem Herrn danken würde, wenn in einem zukünftigen Krieg 400 Schiffe der feindlichen Flotte infolge solcher heiliger Gebete vernichtet würden? Wir fragen also nochmals, welchen Unterschied es zwischen einem Jupiter, einem Boreas und einem Jehovah gibt? Nicht mehr als das: Das Verbrechen des nächsten Blutsverwandten – sagen wir des eigenen „Vaters“ – wird immer entschuldigt und oft verherrlicht, während das Verbrechen des Elter unseres Nachbarn immer freudig mit dem Henkertod bestraft wird. Das Verbrechen aber ist dasselbe.

Insoweit scheinen die „Segnungen des Christentums“ bezüglich der Moral der bekehrten Heiden keinen merklichen Fortschritt bewirkt zu haben.

Das Obige stellt keine Verteidigung der heidnischen Götter dar, noch ist es ein Angriff auf die christliche Gottheit, noch bedeutet es Glauben an den einen oder anderen. Die Schreiberin ist ganz unparteiisch und lehnt jedes Zeugnis zugunsten der beiden ab, da sie weder irgendeinen solchen „persönlichen“ und anthropomorphischen Gott anbetet noch an ihn glaubt und ihn auch nicht fürchtet. Die Parallelen wurden lediglich vorgebracht als eine weitere denkwürdige Vorführung des unlogischen und blinden Fanatismus der zivilisierten Theologen. Denn bisweilen existiert kein sehr großer Unterschied zwischen den beiden Glaubensrichtungen und überhaupt keiner in ihren jeweiligen Wirkungen auf die Moral oder spirituelle Natur. Das „Licht Christi“ scheint heute auf ebenso scheußliche Merkmale des tierischen Menschen wie das „Licht Luzifers“ in der alten Zeit.

„Diese unglücklichen Heiden betrachten in ihrem Aberglauben sogar die Elemente als etwas mit Verstand Begabtes! . . . . Sie glauben noch immer an ihren Götzen Vayu – den Gott oder vielmehr den Dämon des Windes und der Luft . . . sie bauen fest auf die Wirksamkeit ihrer Gebete und auf die Macht ihrer Brahmanen über die Winde und Stürme. . . . .“ (der Missionar Lavoissier von Cochin in „Journal des Colonies“). Als Antwort darauf können wir Lukas 8,24 zitieren: „Er (Jesus) aber stand auf, bedrohte den Wind und das Wogen des Wassers; und es hörte auf, und es ward eine Stille.“ Und hier ist ein weiteres Zitat aus einen Gebetbuch: . . . „Oh Jungfrau des Meeres, Heilige Mutter und Herrin der Gewässer, besänftige deine Wogen . . .“ etc. etc. (Gebet der Matrosen aus Neapel und aus der Provence – eine wörtliche Kopie des Gebets der phönizischen Seeleute an ihre jungfräuliche Göttin Astarte). Die sich aus den vorgebrachten Ähnlichkeiten und aus der Anprangerung des Missionars ergebende logische und unabweisbare Schlussfolgerung ist Folgende: Die Befehle der Brahmanen an ihre Elementargötter bleiben nicht „wirkungslos“, wodurch die Macht der Brahmanen der von Jesus gleichgesetzt wird. Obendrein erweist sich Astarte als keine Spur ärmer an Macht als die „Jungfrau des Meeres“ der christlichen Matrosen. Es reicht nicht aus, schnell einen Stock zu finden, wenn man einen Hund schlagen will; die Schuld des Hundes muss erwiesen werden. Boreas und Astarte mögen in der theologischen Fantasie Teufel sein, [SD # 469] aber, wie soeben bemerkt, der Baum muss nach seiner Frucht beurteilt werden. Und sobald nachgewiesen ist, dass die Christen ebenso unmoralisch und verkommen sind wie es die Heiden jemals waren, welchen Nutzen hat die Menschheit dann aus ihrem Austausch von Göttern und Idolen gezogen?

Was Gott und die christlichen Heiligen zu tun berechtigt sind, wird bei einfachen Sterblichen zum Verbrechen, wenn sie erfolgreich sind. Zauberei und Beschwörungen werden heute als Fabeln abgetan; doch wurden von den Institutiones Iustiniani bis herab zu den englischen und amerikanischen Gesetzen gegen die Hexerei – die zwar veraltet, aber dennoch bis zum heutigen Tag nicht aufgehoben sind – solche Beschwörungen, ja selbst der bloße Verdacht der Hexerei, als schwere Verbrechen bestraft. Warum eine Chimäre bestrafen? Und wir lesen noch von Kaiser Konstantin, dass er den Philosophen Sopatros zum Tode verurteilte, weil dieser die Winde entfesselte und dadurch verhinderte, dass mit Korn beladene Schiffe zur Beendigung einer Hungersnot rechtzeitig eintrafen. Pausanias wird wegen seiner Behauptung verlacht, dass er mit seinen eigenen Augen Menschen gesehen habe, die „durch einfache Gebete und Anrufungen“ ein starkes Hagelwetter zur Auflösung brachten. Das hindert aber unsere modernen christlichen Schriftsteller nicht, bei Gewittern und Gefahr Gebete anzuraten und an deren Wirksamkeit zu glauben. Hoppo und Stadlein – zwei Magier und Zauberer – wurden vor kaum einem Jahrhundert zum Tode verurteilt, weil sie die Feldfrüchte verhext und mittels magischer Künste eine Ernte von einem auf einen anderen Acker übertragen hatten, wenn wir dem bekannten Schriftsteller Sprenger Glauben schenken dürfen, der dafür Zeugnis ablegt: „Qui fruges excantassent segetem pellicentes incantando.“

Zum Schluss wollen wir den Leser daran erinnern, dass man ohne die geringste Spur eines Aberglaubens an die doppelte Natur eines jeden Objektes auf der Erde glauben kann – an eine spirituelle und eine materielle, an eine sichtbare und eine unsichtbare Natur, und dass die Wissenschaft dies praktisch dadurch beweist, dass sie ihre eigene Beweisführung ableugnet. Denn wenn Sir William Grove sagt, dass die Elektrizität, mit der wir hantieren, nur das Resultat gewöhnlicher Materie ist, die durch irgendetwas Unsichtbares, durch die „ultimative, erzeugende Energie“ einer jeden Kraft, von „einem allgegenwärtigen Einfluss“ berührt wird, dann ist es nur natürlich, dieselbe Überzeugung zu gewinnen wie die Alten, nämlich dass jedes Element seiner Natur nach dual ist. „Das etherische Feuer ist die Emanation des eigentlichen Kabiren. Das Luftige ist lediglich die Vereinigung (Wechselwirkung) des Ersteren mit dem irdischen Feuer, und seine Lenkung und Anwendung wird auf unserer irdischen Ebene einem Kabiren niederen Rangs überlassen“ – wahrscheinlich einem Elemental, wie ein Okkultist es nennen würde. Und genau das kann von jedem kosmischen Element behauptet werden.

Niemand wird leugnen, dass das menschliche Wesen von unterschiedlichen Kräften beherrscht wird: von magnetischen, sympathischen, antipathischen, nervösen, dynamischen, okkulten, mechanischen und mentalen – von allen Arten von Kräften; und weiter dass die physischen Kräfte ihrem Wesen nach alle biologisch sind; und in Anbetracht dessen, dass sie sich mit den sogenannten intellektuellen und moralischen Kräften vermischen und oftmals völlig in ihnen aufgehen ­– indem die ersten sozusagen die Träger, die Upadhi, der zweiten werden. Wer auch immer die Seele im Menschen zugesteht, würde niemals zögern [SD # 470] zu sagen, dass die Gegenwart dieser Kräfte und ihre Vermischung das eigentliche Wesen unseres Daseins darstellen; dass sie tatsächlich das Ego im Menschen bilden. Diese Potenzen haben ihre physiologischen, physischen, mechanischen und ebenso gut nervösen, ekstatischen, hellhörenden und hellsehenden Phänomene, welche heute selbst von der Wissenschaft als vollkommen natürlich angesehen und anerkannt werden. Warum sollte der Mensch die einzige Ausnahme in der Natur sein, und warum können nicht sogar diese Elemente ihre Träger, ihre „Vahana“, in dem haben, was wir die physischen Kräfte nennen? Und warum, vor allem, sollten solche Glaubensvorstellungen mitsamt den Religionen des Altertums als „Aberglauben“ bezeichnet werden?

 

 

§ XV
Über Kwan-Shi-Yin und Kwan-Yin

Ähnlich wie Avalokitesvara durchlief auch Kwan-Shi-Yin verschiedene Transformationen, aber es ist ein Irrtum zu behaupten, er sei eine moderne Erfindung der nördlichen Buddhisten, denn unter einer anderen Bezeichnung war er seit den frühesten Zeiten bekannt. Die Geheimlehre lehrt: „Er, der bei der Erneuerung als Erster erscheint, wird vor dem Wieder-Einziehen (Pralaya) als Letzter kommen.“ So sind die Logoi aller Nationen, vom vedischen Vishvakarman der Mysterien bis zum Heiland der gegenwärtigen zivilisierten Nationen, das „Wort“, das „im Anbeginn“ (oder beim Wiedererwachen der Energie spendenden Kräfte der Natur) bei dem Einen Absoluten war. Geboren aus Feuer und Wasser, bevor diese zu getrennten Elementen wurden, war Es der „Schöpfer“ (Bildner oder Gestalter) aller Dinge; „Ohne ihn wurde nichts Erschaffenes gemacht“; „in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“; das schließlich, wie es schon immer war, das Alpha und Omega der manifestierten Natur genannt werden kann. „Der große Drache der Weisheit ist aus Feuer und Wasser geboren, und alles wird mit ihm wieder in Feuer und Wasser aufgenommen werden.“ („Fa-Hwa-King“) Da es von diesem Bodhisattva heißt, dass er „jede ihm beliebige Form annimmt“, vom Anbeginn eines Manvantaras bis zu dessen Ende, so sind die beiden doch eins, auch wenn sein eigener Geburtstag (oder Gedenktag) nach dem Kin-Kwang-Ming-King („Leuchtendes Sutra des Goldenen Lichts“) am neunzehnten Tag im zweiten Monat gefeiert wird und der des „Maitreya Buddha“ im ersten Monat am ersten Tag. Er wird als Maitreya Buddha erscheinen, als Letzter der Avataras und Buddhas der siebten Rasse. Dieser Glaube und diese Erwartung sind im ganzen Osten allgemein verbreitet. Nur kann im Kali-Yuga, unserem gegenwärtigen, fürchterlich materialistischen Zeitalter der Finsternis, dem „Schwarzen Zeitalter“, der Menschheit niemals ein neuer Heiland erscheinen. Das Kali-Yuga ist [SD # 471] lediglich in den mystischen Schriften einiger französischer Pseudo-Okkultisten „l´Age d`Or“ (!) (siehe „La Mission des Juifs“).

Daher beruhte das Ritual in der exoterischen Verehrung dieser Gottheit auf Magie. Alle Mantras wurden besonderen, von den Priestern geheim gehaltenen Büchern entnommen, und jedem Einzelnen wird eine magische Wirkung zugeschrieben; rezitiert oder abgelesen, rufen die gesungenen Texte eine geheime Ursache hervor, welche unmittelbare Folgen hat. Kwan-Shi-Yin ist Avalokitesvara, und beide sind Formen des siebten universalen Prinzips; ihrem höchsten metaphysischen Charakter nach ist diese Gottheit indes die Gesamtheit aller Planetengeister oder Dhyan Chohans. Er ist der „Selbst-Manifestierte“; der „Sohn des Vaters“, kurz gesagt. Mit sieben Drachen gekrönt, erscheint über seiner Statue die Inschrift Pu-Tsi-K´iun-ling, „der universale Erlöser aller lebenden Wesen“.

Natürlich lautet der in dem archaischen Buch der Stanzen erwähnte Name ganz anders, aber Kwan-Yin ist eine vollkommen gleichwertige Bezeichnung. In einem Tempel von Potala, der heiligen Insel der Buddhisten Chinas, ist Kwan-Shi-Yin auf einem schwarzen Wasservogel (Kala-Hansa) schwimmend dargestellt, wie er das Lebenselixier über die Häupter der Sterblichen ausgießt, das sich dabei fließend in einen der bedeutendsten Dhyani-Buddhas verwandelt – in den Regenten eines Sterns, welcher der „Stern der Erlösung“ genannt wird. In seiner dritten Transformation ist Kwan-Yin der beseelende Geist oder Genius des Wassers. In China wird der Dalai-Lama für eine Inkarnation Kwan-Shi-Yins gehalten, der in seiner dritten Erscheinung auf der Erde ein Bodhisattva war, während der Penchen Lama eine Inkarnation des Amitabha-Buddha oder Gautamas ist.

Es mag en passant erwähnt werden, dass ein Schriftsteller in der Tat unter einer krankhaften Vorstellungskraft leiden muss, wenn er in allem Phallusdienste entdeckt, wie es die Autoren von „The Symbols of the Yin-king”, „China Review“ (McClatchie) und „Phallicism“ (H. Jennings) tun. Ersterer entdeckt „in der Darstellung zweier einleuchtender Symbole die alten phallischen Götter – Khan oder Yang, der das Membrum virile ist, und Khw-an oder Yin, die pudendum muliebre oder Yoni“ (siehePhallicism“, S. 273). Eine solche Darstellung erscheint umso seltsamer, als Kwan-Shi-Yin (Avalokitesvara) und Kwan-Yin die Götter der Keuschheit sind, abgesehen davon, dass sie jetzt als die Schutzgottheiten der buddhistischen Asketen dienen, der tibetischen Yogis; und ihrer esoterischen Bedeutung nach sind sie nicht einmal das, was die Darstellung von T. W. Rhys Davids „Buddhism“ (S. 202) impliziert: „Der Name Avalokitesvara . . . bedeutet ‘der Herr, der von oben herabblickt’.“ Kwan-Shi-Yin ist auch nicht der „in der Kirche gegenwärtige Geist der Buddhas“, sondern er bedeutet wortwörtlich „der Herr, der gesehen wird“, und in einem Sinn „das göttliche Selbst, das vom Selbst wahrgenommen wird“ (vom menschlichen) – d. h. der Atman oder das siebte Prinzip, das in das Universale eingetaucht ist und wahrgenommen wird oder Gegenstand der Wahrnehmung von Buddhi ist, dem sechsten Prinzip oder der Göttlichen Seele im Menschen. In einem noch höheren Sinn ist Avalokitesvara = Kwan-Shi-Yin, wenn er als das siebte Universale Prinzip bezeichnet wird, der Logos, [SD # 472] wahrgenommen von der Universalen Buddhi – oder der Seele als zusammengesetztes Aggregat der Dhyani-Buddhas. Und er ist nicht der „in der Kirche gegenwärtige Geist Buddhas“, sondern der allgegenwärtige, im Tempel des Kosmos oder der Natur manifestierte Universale Geist. Diese orientalistische Etymologie von Kwan und Yin steht auf gleicher Stufe mit der von „Yogini“, erklärt uns Hargrave Jennings, was „ein Sanskritwort ist, das in den Dialekten als Jogi oder Zogee (!) ausgesprochen wird, ein Äquivalent ist für Sena und exakt das Gleiche wie Duti oder Dutica (doo-ty-car) – d. h. eine heilige Prostituierte des Tempels, die als Yoni oder Shakti verehrt wird“ (S. 60). „Die Bücher über Moral“ in Indien „weisen eine getreue Ehefrau an, die Gesellschaft von Yoginis oder Frauen, die von den Anhängern höchst freizügiger Darstellungen als Shakti angebetet worden sind, zu meiden . . .“. Danach sollte uns nichts mehr überraschen. Und deshalb ist es nicht witzig, wenn wir eine weitere groteske Sinnwidrigkeit über „Budh“ zitiert finden, was einen Namen bedeuten soll, „der nicht nur die Sonne als den Ursprung der Erschaffung kennzeichnet, sondern auch das männliche Glied“ (The Round Towers of Ireland, zitiert von Hargrave Jennings in „Phallicism“, S. 246). Max Müller sagt in einer Abhandlung über „Falsche Analogien“: „Der gelehrteste Sinologe seiner Zeit, Abel-Rémusat“ behauptet, „dass die drei Silben I Hi Wei (im vierzehnten Kapitel des Tao-te King) Je-ho-vah bedeuten sollen“ („Introduction to the Science of Religion“, S. 332); und weiter, dass Pater Amyot „sich sicher ist, dass die drei Personen der Dreieinigkeit zu finden seien“ – im selben Werk. Und wenn Abel-Rémusat, warum nicht Hargrave Jennings? Jeder Gelehrte wird erkennen, wie absurd es ist, jemals in Budh, „dem Erleuchteten“ oder „dem Erwachten“, ein „phallisches Symbol“ zu sehen.

Kwan-Shi-Yin ist also „der Sohn, der mit seinem Vater identisch“ ist, mystisch, oder der Logos – das Wort. Er wird in Stanze III der „Flammende Drache der Weisheit“ genannt, denn alle Logoi sämtlicher alten religiösen Systeme stehen mit Schlangen in Zusammenhang und werden durch sie symbolisiert. Im alten Ägypten wurde der Gott Nahbkoon, „der die Doppel vereint“, als Schlange mit menschlichen Beinen dargestellt, mit oder ohne Arme. Er war das Astrallicht, das durch seine duale physiologische und spirituelle Kraft den göttlichen Menschen mit seiner rein göttlichen Monade wiedervereint, dem Prototyp „im Himmel“ oder in der Natur. Er war das Symbol der Wiederauferstehung der Natur, und bei den Ophiten das Symbol des Christus, und als eherne Schlange, die jeden heilte, der sie ansah, das Symbol Jehovahs. Diese Schlange war auch bei den Templern ein Symbol Christi (siehe den Templergrad in der Freimaurerei). Das Symbol des Chnoubis (auch Khoum) oder der Weltseele, sagt Champollion („Pantheon“, Text 3), „wird unter anderen auch in Form einer riesigen Schlange auf menschlichen Beinen dargestellt. Dieses Reptil, welches das Symbol des guten Genius und des wahrhaftigen Agathodaimons ist, ist manchmal bärtig.“ Dieses heilige Tier ist somit identisch mit der Schlange der Ophiten und findet sich auf einer großen Anzahl gravierter Steine, der sogenannten gnostischen oder basilidianischen Gemmen. Diese Schlange erscheint mit verschiedenen Häuptern (menschlichen und tierischen), aber immer [SD # 473] findet man ihre Gemmen mit den Namen χνουβις (Chnoubis) beschriftet. Dieses Symbol ist identisch mit einem anderen, welches laut Iamblichos und Champollion der „erste der himmlischen Götter“ genannt wurde; der Gott Hermes oder der Merkur der Griechen, welchem der Gott Hermes Trismegistos die Erfindung der Magie und die erste Einweihung der Menschen in diese zuschreibt; und Merkur ist Budh, die Weisheit, Erleuchtung oder „Wiedererweckung“ in die Göttliche Wissenschaft.

Um zum Schluss zu kommen: Kwan-Shi-Yin und Kwan-Yin sind die beiden Aspekte (männlich und weiblich) desselben Prinzips in Kosmos, Natur und Mensch, des Prinzips der Göttlichen Weisheit und der Intelligenz. Sie sind das „Christos-Sophia“ der mystischen Gnostiker – der Logos und seine Shakti. In ihrem Wunsch, einigen Geheimnissen Ausdruck zu verleihen, die von den Profanen niemals vollständig verstanden werden konnten, wählten die Alten die (für uns) oftmals lächerlich wirkenden Bilder Kwan-Yins, um den Menschen an seinen Ursprung und an seine innere Natur zu erinnern, da sie erkannt hatten, dass im menschlichen Gedächtnis ohne ein äußeres Symbol nichts aufbewahrt werden kann. Dem Unparteiischen müssen jedoch die in Krinolinen gekleideten Madonnen und die Christusse in weißen Glacéhandschuhen noch viel unsinniger erscheinen als Kwan-Shi-Yin und Kwan-Yin in ihren Drachengewändern. Das Subjektive kann kaum durch das Objektive ausgedrückt werden. Da die symbolische Formel versucht, das zu charakterisieren, was über der wissenschaftlichen Spekulation steht und genauso häufig unseren Intellekt weitaus übersteigt, muss sie deshalb notwendigerweise auf die eine oder andere Art über diesen Intellekt hinausgehen, andernfalls wird sie aus der menschlichen Erinnerung verschwinden.

Fußnoten

1 Was die Göttliche Offenbarung betrifft, stimmen wir überein. Aber nicht in Bezug auf die „menschliche Geschichte“. . . . Denn „Geschichte“ findet sich in den meisten ­Alle­gorien und „Mythen“ Indiens, und sie stehen für Ereignisse, reale, tatsächliche Ereignisse.

2 Wenn die „falschen Theologien“ verschwinden, dann werden wahre, vorgeschichtliche Wirklichkeiten gefunden werden, die insbesondere in der Mythologie der Arier – der alten Hindus und sogar in jener der vorhomerischen Hellenen enthalten sind.

3 So wird ein Japaner, der kein Wort Chinesisch versteht, wenn er einen Chinesen trifft, der die Sprache des Ersteren niemals gehört hat, sich mit ihm schriftlich austauschen, und sie werden einander vollkommen verstehen – weil ihre Schrift symbolisch ist.

4 Wie wir in „Isis“ (Band II, Seite 438-9) gesagt haben: „Bis zum gegenwärtigen Augenblick bleiben, trotz aller Kontroversen und Untersuchungen, Geschichte und Wissenschaft in Bezug auf den Ursprung der Juden so sehr im Dunkeln wie eh und je. Sie können genauso gut die vertriebenen Chandalas des alten Indiens sein, die von Vina-Svata, Veda-Vyasa und Manu erwähnten ‘Ziegelmaurer’ wie auch die Phönizier Herodots, die Hyksos des Josephus oder die Nachkommen der Pali-Schäfer oder eine Mischung von all diesen. Die Bibel nennt die Tyrier ein verwandtes Volk und beansprucht die Herrschaft über sie. . . . Doch was immer sie gewesen sein mögen, sie wurden nicht lange nach den Tagen des Moses zu einem Mischvolk, denn die Bibel zeigt sie uns nicht nur mit den Kanaanitern in freier Mischehe, sondern auch mit jeder anderen Nation oder Rasse, mit der sie in Berührung kamen.“

5 Diese Ansprüche werden aber einer nach dem anderen eingeräumt, da ein Wissen­schaftler nach dem anderen gezwungen ist, die von der Geheimlehre ausgegebenen Tat­sachen anzuerkennen – obwohl er selten, wenn überhaupt, erkennen wird, dass man seine eigenen Behauptungen vorweggenommen hat. So hegte Piazzi Smith in den glorreichen Tagen seiner Autorität über die Pyramide von Gizeh die Theorie, dass der Porphyrsarkophag in der Königskammer „die Maßeinheit für die beiden erleuchtetsten Nationen der Erde – England und Amerika – sei“, und dabei nichts Besseres war als ein „Kornsilo“. Dem wurde in der damals gerade veröffentlichten Isis Unveiled“ von uns heftig widersprochen. Da erhob sich die New Yorker Presse empört (vor allem die Zeitungen „Sun“ und World“) gegen unsere Vermutung, eine solche Berühmtheit unter den Gelehrten zu korrigieren oder Fehler bei ihm zu finden. Auf Seite 519, Band I, hatten wir gesagt, dass Herodot, das Thema dieser Pyramide behandelnd, „hätte hinzufügen können, dass sie äußerlich das schöpferische Prinzip der Natur symbolisierte und auch die Prinzipien der Geometrie, Mathematik, Astrologie und Astronomie illustrierte. Innerlich war sie ein majestätisches Heiligtum, in dessen düsterer Abgeschiedenheit die Mysterien vollzogen wurden und dessen Mauern oft Zeugen der Initiationsszenen von Mitgliedern der königlichen Familie gewesen waren. Der Porphyrsarkophag, den Professor Piazzi Smyth, königlicher Astronom von Schottland, zu einem Kornsilo degradiert, war das Taufbecken, aus dem der Neophyt „wiedergeboren“ emporstieg und zum Adepten wurde.“

Unsere Behauptung wurde damals verlacht. Wir wurden beschuldigt, unsere Ideen vom „Wahnsinnigen“ Shaws zu haben, einem englischen Schriftsteller, der behauptete, der Sarkophag sei für die Feier der Mysterien des Osiris benützt worden (obwohl wir niemals von diesem Schriftsteller gehört hatten!). Und jetzt, sechs oder sieben Jahre später, schreibt Staniland Wake auf Seite 93 seines Werkes über „The Origin and Significance of the Great Pyramid“ Folgendes:

„Die sogenannte Königskammer, von der ein enthusiastischer Pyramidenbesucher sagt: ‘Die geglätteten Mauern, die feinen Stoffe, die großartigen Proportionen und der erhabene Platz sprechen beredt von zukünftigen Herrlichkeiten.’ Diese Königskammer war, wenn nicht die Kammer der Vollkommenheiten von Cheops Grab, so wahrscheinlich doch der Ort, zu dem der Initiand zugelassen wurde, nachdem er den engen, aufwärts führenden Durchgang und die große Galerie mit ihrem niedrigen Abschluss hinter sich gebracht hatte, wodurch er allmählich für das letzte Stadium der heiligen mysterien vorbereitet wurde.“ Wäre Staniland Wake ein Theosoph gewesen, so hätte er hinzufügen können, dass der enge, aufwärts führende Durchgang, der zur Königskammer führte, tatsächlich ein „enges Tor“ hatte, dasselbe „schmale Tor“, das „zum Leben führt“ oder zu der neuen spirituellen Wiedergeburt, auf die Jesus in Matthäus 7,13 et seq. anspielt; und dass es dieses Tor im Tempel der Initiation ist, an welches der Schreiber, der die angeblich von einem Initiierten gesprochenen Worte aufzeichnete, gedacht hat.

6 Alles, was wir in Isis“ gesagt haben, ist jetzt in „The Key to the Hebrew-Egyptian Mystery in the Source of Measures“ durch derartige Auslegung der Bibel mithilfe der numerischen und geometrischen Schlüssel bestätigt worden.

7 In seinem Assyrian Antiquities“ sagt George Smith auf S. 224: „Im Palast des Sanherib zu Kuyunjik fand ich ein weiteres Fragment der merkwürdigen Geschichte Sargons. . . . veröffentlicht in meiner Übersetzung in „Transactions of the Society of Biblical Archaeology“, Band I, Teil I, Seite 46.“ Die Hauptstadt Sargons, des babylonischen Moses, „war die große Stadt von Agadi, von den Semiten Akkad genannt – in der Genesis als die Hauptstadt des Nimrod erwähnt“ (Gen 10,10). . . . „Akkad lag nahe der Stadt Sippar am Euphrat und nördlich von Babylon.“ (Siehe „Isis“, Band II, S. 442-3) Eine andere seltsame Übereinstimmung findet sich in der Tatsache, dass der oben erwähnte Name der benachbarten Stadt Sippar mit dem Namen von Moses’ Ehefrau übereinstimmt – Zippora (Exodus 2). Natürlich ist die Geschichte eine geschickte Einschiebung von Esra, dem das nicht unbekannt gewesen sein konnte. Diese merkwürdige Geschichte findet sich auf Bruchstücken von Tafeln aus Kuyunjik und lautet folgendermaßen:

1. Sargon, der mächtige König, der König von Akkad bin ich.

2. Meine Mutter war eine Prinzessin, meinen Vater kannte ich nicht; ein Bruder meines Vaters herrschte über das Land.

3. In der Stadt Azupiran, die am Ufer des Flusses Euphrat liegt.

4. Meine Mutter, die Prinzessin, empfing mich; in Nöten gebar sie mich.

5. Sie legte mich in einen Binsenkorb, mit Erdharz versiegelte sie meinen Ausgang.

6. Sie setzte mich aus im Fluss, der mich nicht ertränkte.

7. Der Fluss trug mich, zu Akki brachte er mich, dem Wasserträger.

8. Akki, der Wasserträger, zog mich aus tief empfundener Güte heraus etc. etc.

Und jetzt Exodus (2): „Und als sie (die Mutter Mose’) ihn nicht länger verbergen konnte, nahm sie für ihn ein Kästlein von Schilfrohr und verpichte es mit Erdharz und mit Pech und legte das Kind darein, und legte es in das Schilf am Ufer des Stromes.“

„Die Geschichte“, sagt G. Smith, „hat sich vermutlich um 1.600 v. Chr. ereignet, bedeutend früher als das für Moses angenommene Zeitalter. Da wir wissen, dass der Ruhm Sargons bis nach Ägypten reichte, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass dieser Bericht einen Zusammenhang mit den in Exodus ii erzählten Ereignissen hat, denn jede einmal ausgeführte Handlung hat die Neigung, sich zu wiederholen.“ Nachdem aber Professor Sayce jetzt den Mut hatte, die Zeiten der chaldäischen und assyrischen Könige um weitere zweitausend Jahre zurück zu verschieben, muss Sargon dem Moses um mindestens 2.000 Jahre vorausgegangen sein (siehe Professor Sayces Vorlesungen über diesen Gegenstand). Das Zugeständnis ist bedeutsam, aber den Zahlen fehlen eine oder zwei Nullen.

8 Zur Erinnerung daran, dass die Esoterische Religion von Moses mehrere Male vernichtet und durch die Anbetung Jehovahs ersetzt wurde, wie sie von David wieder eingeführt worden war – von Hesekiel, um nur einen zu nennen – siehe S. 436-42, Band II, in „Isis Unveiled“. Sicherlich gab es einige sehr gute Gründe dafür, warum die Sadduzäer, die fast alle Hohepriester Judäas stellten, sich an die Gesetze von Moses hielten und die angeblichen „Bücher des Moses“, den Pentateuch der Synagoge und den Talmud, verwarfen.

9 Noch einmal erinnere man sich an den im Raum gekreuzigten Hindu Wittoba; an die Bedeutung des „heiligen Zeichens“, der Swastika, an Platons gekreuzigten Menschen im Raum etc. etc.

10 „Source of Measures“.

11 Siehe ferner die Beschreibung der alten arischen Initiation: Vishvakarman, der die ihrer Strahlen beraubten Sonne, „Vikartana“, auf einer kreuzförmigen Latte kreuzigt.

12 Einige der Verfechter dieser Hypothese müssen ihren Verstand verloren haben, möchte man annehmen. Denn was soll man angesichts dieser aus dem toten Buchstaben der Bibel abgeleiteten Absurditäten denken, wenn diese immer noch verfochten werden, öffentlich und so heftig wie eh und je, und wenn man die Theologen behaupten hört, dass – obwohl „die Heilige Schrift es sorgfältig unterlässt (?), zur wissenschaftlichen Erkenntnis irgendwelche unmittelbaren Beiträge zu leisten –, sie niemals über irgendeine Aussage gestolpert sei, die nicht dem Licht der vorwärtsdrängenden Wissenschaft standhält“ ! ! ! – („Primeval Man Unveiled“, S. 14)

13 „Primeval Man Unveiled: Or, the Anthropology of the Bible“, Autor (unbekannt), von „The Stars and the Angels“, 1871, S. 195.

14 Insbesondere angesichts des Beweises, den die autorisierte Bibel in Genesis 4,16-7 selbst liefert, nach der Kain in das Land Nod geht und dort eine Frau heiratet.

15 Wenn er beispielsweise die „Erste Ursache“ – das Unerkennbare – eine „Kraft“ nennt, „welche sich durch Erscheinungen manifestiert“, und „eine unendliche, ewige Energie“ (?), macht das deutlich, dass er lediglich den physischen Aspekt des Mysteriums des Seins erfasst hat – lediglich die Energien der kosmischen Substanz. Den gleich-ewigen Aspekt der Einen Wirklichkeit – die kosmische Ideenbildung – lässt er gänzlich außer Betracht (und was ihr Noumenon anbelangt, so scheint es im Verstand des großen Denkers nicht zu existieren). Ohne Zweifel ist diese einseitige Art, das Problem zu lösen, hauptsächlich der verderblichen westlichen Gewohnheit zuzuschreiben, das Bewusstsein unterzuordnen oder es als ein „Nebenprodukt“ der Molekularbewegung anzusehen.

16 Die Bezeichnung Protyl verdanken wir dem bekannten Chemiker Crookes, der die Vor-Materie so benannte, wenn man die ursprünglichen und rein homogenen Substanzen so nennen darf, die von der Wissenschaft in der endgültigen Zusammensetzung des Atoms vermutet wird, wenn sie auch noch nicht tatsächlich gefunden wurde. Aber die beginnende Trennung der Urmaterie in Atome und Moleküle entsteht infolge der Entwicklung der sieben Protyle. Die letzte von ihnen wird von Crookes gesucht, nachdem er vor Kurzem die Möglichkeit ihrer Existenz auf unserer Ebene entdeckte.

17 Die kosmische Ideenbildung, die sich in einem Prinzip oder Upadhi (Basis) konzentriert, hat das Bewusstsein des individuellen Egos zur Folge. Ihre Manifestation variiert mit dem Grad des Upadhi. Beispielsweise quillt sie durch jenen als Manas bekannten Upadhi als Verstandesbewusstsein empor; dies erfolgt durch das feine, differenzierte Gewebe (den sechsten Zustand der Materie) der Buddhi, die als Grundlage auf der von Manas gesammelten Erfahrung ruht – als ein Strom spiritueller Intuition.

18 Denn so hat die Kirche den Brief an die Epheser 6,12 interpretiert: „Denn unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern.“ Ferner erwähnt der Hl. Paulus die spirituellen Bosheiten („wickedness“ in englischen Texten), die in der Luft verbreitet sind „Spiritualia nequitiae in coelestibus“. Die lateinischen Texte geben diesen „Bosheiten“, den unschuldigen „Elementalen“, unterschiedliche Namen. Aber die Kirche hat diesmal Recht, wenn auch Unrecht darin, sie alle Teufel zu nennen. Das Astrallicht oder der niedrige Ether ist voll von bewussten, halbbewussten und unbewussten Wesenheiten; nur hat die Kirche weniger Macht über sie als über unsichtbare Mikroben oder Moskitos.

19 Effatum XVI, „Oracles of Zoroaster“.

20 „Georgica“, Band II.

21 Die ideale Spitze des pythagoreischen Dreiecks, siehe Kapitel „Kreuz und Kreis“ und die „Frühesten Symbole des Kreuzes“ in Band II.

22 Siehe A. Coke Burnells Übersetzung, herausgegeben von Dr. Ed. W. Hopkins.

23 Ahamkara, als universales Selbstbewusstsein, hat ebenso wie Manas einen dreifachen Aspekt. Denn diese Vorstellung vom „Ich“ oder dem eigenen Ego ist entweder Sattva, „reine Ruhe“, oder erscheint als Rajas, „tätig“, oder bleibt Tamas, „stagnierend“, in Dunkelheit. Es gehört zu Himmel und Erde und nimmt die Eigenschaften beider an.

24 Siehe „Das Allerheiligste“.

25 Das Wort „Ewigkeit“, mit dem christliche Theologen den Ausdruck „für immer und ewig“ interpretieren, existiert in der hebräischen Sprache nicht, weder als Wort noch als Begriff. Oulam, sagt Le Clerc, bezeichnet lediglich einen Zeitraum, dessen Anfang oder Ende unbekannt ist. Es bedeutet nicht „unendliche Dauer“, und der Ausdruck für immer, im Alten Testament, bezeichnet lediglich eine „lange Zeit“. Ebenso wenig wird das Wort „Ewigkeit“ im christlichen Sinn in den Puranas gebraucht, denn im Vishnu-Purana“ wird klar festgestellt, dass mit Ewigkeit und Unsterblichkeit bloße „Existenz bis an das Ende des Kalpa“ gemeint ist (Buch II, Kap. viii).

26 Die orphische Theogonie ist ihrem Geiste nach rein orientalisch und indisch. Die aufeinanderfolgenden Veränderungen, die sie erfahren hat, haben sie jetzt weit von dem Geist der alten Kosmogonie entfernt, wie man schon durch einen Vergleich derselben mit Hesiods Theogonie sehen kann. Und doch bricht der wahrhaft arische, hinduistische Geist sowohl in Hesiods als auch in der orphischen Theogonie überall hervor (siehe das bemerkenswerte Werk Cosmogonies Aryennes“ von Jakob Darmesteter in seinen Essais Orientaux“). Somit entspricht die griechische Vorstellung vom Chaos jener der geheimen Weisheitsreligion. Bei Hesiod ist daher das Chaos unendlich, grenzenlos, endlos und seine Dauer ist anfanglos, es stellt eine Abstraktion und gleichzeitig eine sichtbare Gegenwart dar. Raum, erfüllt von Dunkelheit, welche ursprüngliche Materie in ihrem vorkosmischen Zustand ist. Denn in seinem etymologischen Sinn ist Chaos nach Aristoteles der Raum, und in unserer Philosophie ist der Raum die immer unsichtbare und unerkennbare Gottheit.

27 Den manifestierten Geist; absoluter, göttlicher Geist ist eins mit absoluter göttlicher Substanz. Parabrahman und Mulaprakriti sind eins in der Essenz. Daher sind auch kosmische Ideenbildung und kosmische Substanz in ihrem ursprünglichen Charakter eins.

28 „Sefer Jezirah“, Kap. 1, Mishna ix.

29 Ebenda. Abram wird von Arba abgeleitet.

30 „Zohar“, I, 2a.

31 „Sefer Jezirah“, Mischna ix, 10. Überall in der Apostelgeschichte nennt Paulus die unsichtbaren kosmischen Wesen die „Elemente“ (siehe griechische Texte). Aber heute sind die Elemente zu Atomen erniedrigt und auf sie beschränkt, von denen bisher nichts bekannt ist und die, wie der Ether selbst, lediglich „Kinder der Notwendigkeit“ sind, wie wir bereits in „Isis“ sagten. „Die armen ursprünglichen Elemente wurden schon lange verbannt, und unsere ehrgeizigen Physiker wetteifern darum, wer zu der eben flügge gewordenen Brut der sechzig oder mehr elementaren Substanzen die nächste hinzufügen wird.“ Unterdessen wütet in der modernen Chemie ein Kampf um die Begriffe. Es wird uns das Recht abgestritten, diese Substanzen „chemische Elemente“ zu nennen, denn sie seien keine „ursprünglichen Prinzipien selbstexistenter Essenzen, aus welchen das Universum gebildet wurde“, wie Platon sagt. Solche Vorstellungen in Verbindung mit dem Begriff Element reichten der „alten griechischen Philosophie“ vollkommen aus, die moderne Wissenschaft lehnt sie jedoch ab; denn – wie Prof. William Crookes sagt: „Das sind unglückliche Begriffe“, und die experimentelle Wissenschaft will mit „keiner Art von Essenzen etwas zu tun haben, außer mit jenen, die sie sehen, riechen oder schmecken kann. Die anderen überlässt sie den Metaphysikern. . . .“ Auch dafür müssen wir immerhin dankbar sein!

32 Als wir über diesen Gegenstand in Isis Unveiled“ schrieben, sagten wir: „Das Chaos der Alten, das zoroastrische heilige Feuer oder der Atash-Behram der Parsen; das Hermesfeuer, das Elmsfeuer der alten Germanen; Kybeles Blitz; Apollos brennende Fackel; die Flamme auf Pans Altar; das unauslöschliche Feuer im Akropolis-Tempel und in dem der Vesta; die Feuerflamme auf Plutos Helm; die glänzenden Funken auf den Mützen der Dioskuren, auf dem Gorgonenhaupt, dem Helm der Pallas und dem Merkur-Stab; der ägyptische Ptah-Ra; der griechische Zeus-Kataibates (der Herabsteigende) von Pausanias; die pfingstlichen Feuerzungen; Moses’ brennender Busch; die Feuersäule des Exodus und Abrams „brennende Lampe“; das ewige Feuer des „bodenlosen Abgrundes“; die Dämpfe des delphischen Orakels; das siderische Licht der Rosenkreuzer; das Akasha der indischen Adepten, Éliphas Lévis Astrallicht; die Nervenaura und das Fluidum der Magnetisten; Reichenbachs Od; Thurys Psychod und ektenische Kraft, Sergeant Cox’ psychische Kraft und der atmosphärische Magnetismus gewisser Naturforscher; der Galvanismus; und schließlich die Elektrizität – dies alles sind lediglich unterschiedliche Namen für viele verschiedene Manifestationen oder Wirkungen ein und derselben geheimnisvollen, alles durchdringenden Ursache, des griechischen Archaeus.“ Wir fügen jetzt hinzu – er ist alles dieses und noch viel mehr.

33 Platon, „Timaios“.

34 „Suidas“ v. Tyrrhenia.

35 Der Leser wird verstehen, dass unter „Jahren“ „Zeitalter“ verstanden werden, nicht bloße Perioden von je dreizehn lunaren Monaten.

36 Siehe die griechische Übersetzung von Philon Byblis.

37 Cory, „Ancient Fragments“.

38 Mithras wurde bei den Persern als der theos ek petras – Felsengott – betrachtet.

39 Bordj wird ein Feuerberg genannt – ein Vulkan; daher enthält er Feuer, Felsen, Erde und Wasser; die männlichen oder aktiven und die weiblichen oder passiven Elemente. Der Mythos ist bedeutsam.

40 „New Aspects of Life“ von Henry Pratt, M. D.

41 Damaskios nennt es in „Die Theogonien“ Dis, den „Lenker aller Dinge“. Cory, „Ancient Fragments“, S. 314.

42 Bei den Griechen waren die „Flussgötter“ allesamt Söhne des ursprünglichen Ozeans (des Chaos in seinem männlichen Aspekt), die einzelnen Vorfahren der hellenischen Rassen. Für sie war der Ozean der Vater der Götter; und in diesem Zusammenhang hatten sie also die Anschauung des Thales vorweggenommen, wie Aristoteles richtig bemerkt („Metaph.“, I, 3).

43 Der „Geist“ oder die verborgene Stimme der Mantras, die tätige Manifestation der verborgenen Kraft oder okkulter Macht.

44 Orthografie des „Archaic Dictionary“.

45 Wir meinen nicht die aktuelle und anerkannte Bibel, sondern die wirkliche, jüdische Schrift, die jetzt kabbalistisch erklärt wird.

46 Er ist aus dem einfachen Grund „unbeschreiblich“, weil er nichtexistierend ist. Er war noch niemals ein Name oder überhaupt irgendein Wort, sondern eine Idee, die nicht zum Ausdruck gebracht werden konnte. Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurde ein Stellvertreter für ihn erschaffen.

47 Moses’ kosmisches Tabernakel, das er in der Wüste errichtete, war quadratisch, um die vier Kardinalpunkte und die vier Elemente darzustellen, wie Josephus seinen Lesern erzählt („Antiq.“, I, Kap. viii, xxii). Die Idee stammte von den Pyramiden in Ägypten ab, und in Tyrus, wo die Pyramiden zu Pfeilern wurden, haben die Genien oder Engel ihre Wohnungen in den vier jeweiligen Punkten (siehe § xiv, „Die vier Elemente“).

48 Plutarch, „Isis und Osiris“, 1, vi.

49 „Spirit History of Man“, S. 88.

50 Movers „Phoinizer“, S. 268.

51 Cory, „Fragments“, S. 240.

52 Geradeso, wie Mulaprakriti nur Iswara bekannt ist oder dem Logos, wie er jetzt von T. Subba Row aus Madras genannt wird (siehe seine Bhagavadgita-Vorlesungen).

53 Iswara oder der Logos kann Parabrahman nicht sehen, sondern lediglich Mulaprakriti, sagt der Redner in den vier Vorlesungen über die Bhagavadgita (siehe Theosophist, Feb. 1887).

54 Die „sieben Engel des Angesichts“ bei den Christen.

55 Wir verwenden diesen Ausdruck, weil er verbreitet und durch den Gebrauch sanktioniert und dem Leser deshalb verständlicher ist.

56 Wie Le Clerc zeigt, bedeutete bei den alten Juden das Wort Oulom nur eine Zeit, deren Anfang und Ende nicht bekannt war. Das Wort „Ewigkeit“ existierte genau genommen in der hebräischen Sprache nicht in der Bedeutung, die beispielsweise die Vedantisten Parabrahman geben.

57 Im indischen Pantheon ist der zweigeschlechtliche Logos Brahmâ, der Schöpfer, dessen sieben „aus dem Gemüt geborenen“ Söhne die ursprünglichen Rishis sind – die „Bauleute“.

58 Rabbi Schimon sagt: „Ah, Gefährten, Gefährten, als eine Emanation war der Mensch zugleich Mann und Frau, sowohl auf der Seite des ‘Vaters’ als auf der Seite der ‘Mutter’. Und das ist der Sinn der Worte: ‘Und Elohim sprachen; Es werde Licht, und es ward Licht’; . . . und das ist der zweifältige Mensch.“ („Auszüge aus dem Sohar“, S. 72) Licht stand in der Genesis also für den androgynen Strahl oder den „Himmlischen Menschen“.

59 Die sieben Schwäne, von denen man glaubt, dass sie vom Himmel kommend auf dem See Mansarovara landen, sind in der Fantasie des Volks die sieben Rishis des großen Bären, und sie nehmen diese Form an, um den Ort zu besuchen, an dem die Veden geschrieben wurden.

60 Siehe Max Müllers „Our Figures“.

61 Ein Kabbalist wäre vielmehr geneigt, etwas anderes zu glauben; entsprechend der Ableitung des arabischen cifron vom indischen Synyan, Null, wurden das jüdische, kabbalistische Sephiroth (Sephrim) von dem Wort cipher entlehnt, nicht im Sinne von Leerheit, sondern umgekehrt – in dem Sinne der Schöpfung nach Zahlen und Stufen in ihrer Evolution. Und es gibt 10 oder Sephiroth.

62 Siehe Max Müllers „Our Figures“.

63 Siehe Kings „Gnostics and their Remains“, Tafel xiii.

64 „De vita Pythag“.

65 608 v. Chr.

66 Die Stadt wurde 332 v. Chr. erbaut.

67 „Metaph“, vii, F.

68 Und das nur darum, weil die eherne Schlange auf einen Pfahl gesetzt wurde! Sie hatte im Gegenteil eine Beziehung zu Mico, dem ägyptischen Ei, das vom heiligen Tau gestützt aufrecht steht, weil Ei und Schlange in der alten Verehrung und Symbologie Ägyptens nicht trennbar sind und weil sowohl die eherne als auch die „feurigen“ Schlangen Seraphim waren, die „brennenden feurigen“ Boten oder die Schlangengötter, die Nagas Indiens. Ohne das Ei war es ein rein phallisches Symbol, aber in Verbindung damit bezog es sich auf die kosmische Schöpfung.

69 „Erz war ein Metall, das die niedere Welt symbolisierte . . . . die des Schoßes, wo Leben gegeben werden sollte . . . Das Wort für Schlange war im Hebräischen Nachasch, dasselbe Wort bedeutet aber auch Erz.“ Es heißt in den „Numeri“ (xxi), dass sich die Juden über die Wüste beklagten, in der kein Wasser war“ (v. 5); worauf „der Herr feurige Schlangen sandte“ sie zu beißen, und dann, um Moses einen Gefallen zu tun, gab er ihm als Heilmittel die eherne Schlange auf einem Pfahl, damit sie sie anblickten; woraufhin „ein jeder, wenn er die eherne Schlange ansah . . . . lebte“ (?). Hierauf versammelte der „Herr“ das Volk am Brunnen von Beer, gab ihm Wasser (14-16), und das dankbare Israel sang das Lied „Springe empor, oh Brunnen“ (v. 17). Wenn der christliche Leser nach einem Studium der Symbologie zu einem Verständnis der innersten Bedeutung dieser drei Symbole gelangt – Wasser, Erz, die Schlange, und noch einiger anderer, in dem ihnen in der Heiligen Bibel verliehenen Sinn, so wird er kaum geneigt sein, den heiligen Namen seines Erlösers mit den Geschehnissen um die „eherne Schlange“ in Verbindung zu bringen. Die Seraphim סיפרש (die feurigen, beflügelten Schlangen) sind ohne Zweifel mit der Idee der „Schlange der Ewigkeit – Gott“ verbunden und können nicht davon getrennt werden, wie es in Kenealys „Apocalypse“ erklärt ist. Aber das Wort Cherubim bedeutete in einem Sinn auch Schlange, obwohl seine unmittelbare Bedeutung anders lautet, denn die Cherubim und die persischen geflügelten „Greife“ γρύφες – die Wächter des Goldenen Bergs – sind ein und dasselbe, und ihr zusammengesetzter Name zeigt ihren Charakter, denn er besteht aus רכ (kr), Kreis und בוא „aub“ oder ob, Schlange, und bedeutet daher eine „Schlange in einem Kreis“. Und das bestätigt den phallischen Charakter der ehernen Schlange und rechtfertigt, dass Hiskia sie in Stücke schlug (siehe 2 Könige 18,1, 4). Verbum satis sapienti.

70 Letztere Bezeichnungen sind alle identisch mit Anima Mundi oder der „Universalseele“, dem Astrallicht der Kabbalisten und Okkultisten oder dem „Ei der Dunkelheit“.

71 Weber, „Akad. Vorlesung“, S. 189.

72 Isis wird fast immer mit einem Lotus in der einen sowie einem Kreis und einem Kreuz (Crux Ansata) in der anderen Hand dargestellt. Das Ei war ihr geweiht.

73 Die Chinesen scheinen demnach Sir William Thomsons Theorie vorweggenommen zu haben, dass der erste Lebenskeim von einem vorbeiziehenden Kometen auf die Erde herabgefallen sei. Frage: Warum sollte das als wissenschaftlich erachtet werden und die chinesische Idee als eine abergläubische, verrückte Theorie?

74 Horus – der „Ältere“ oder Haroiri, ist ein alter Aspekt des Sonnengotts, ein Zeitgenosse von Re und Schu; Haroiri wird oft mit Horus (Horsusi) verwechselt, dem Sohn von Osiris und Isis. Sehr häufig stellten die Ägypter die aufsteigende Sonne in der Form des älteren Horus dar, der sich von einem aufgeblühten Lotus erhebt, dem Universum, und dann befindet sich über dem Sperberkopf dieses Gottes immer die Sonnenscheibe. Haroiri ist Chnum.

75 Amun oder Mon, der „Verborgene“, der höchste Geist.

76 Seine triadischen Göttinnen sind Sati und Anukis.

77 Ptah war ursprünglich der Gott des Todes, der Zerstörung, gleich Shiva. Er ist nur deshalb ein Sonnen-Gott, weil das Sonnenfeuer sowohl tötet als auch belebt. Er war der Nationalgott von Memphis, der strahlende und „schöngesichtige Gott“ (siehe Sakkara Bronzen, saïtische Epoche).

78 Das Brahmanda-Purana enthält das Geheimnis von Brahmâs Goldenem Ei vollständig; und wahrscheinlich ist es eben deshalb den Orientalisten nicht zugänglich, die behaupten, dass dieses Purana, ebenso wie das Skanda-Prana, „nicht länger als zusammenhängendes Ganzes beschaffbar ist“, sondern „aus einer Vielzahl von Khandas und Mahatmyas besteht, die angeblich daraus abgeleitet wurden“. Das „Brahmanda-Purana“ wird beschrieben als „jenes, das in 12.200 Versen die Herrlichkeit von Brahmâs Ei verkündete und in dem ein Bericht über die zukünftigen Kalpas enthalten ist, wie er von Brahmâ geoffenbart wurde.“ Ganz richtig, und vielleicht noch viel mehr.

79 In den buddhistischen esoterischen Überlieferungen findet sich ein merkwürdiges Informations­bruchstück. Die exoterische oder allegorische Biografie Gautama Buddhas lässt diesen großen Weisen an einer durch Schweinefleisch und Reis bewirkten Verdauungsstörung sterben, in der Tat ein sehr prosaisches Ende, das sehr wenig Feierliches an sich hat. Es erklärt sich als eine allegorische Bezugnahme darauf, dass Brahmâ im „Eber“ oder Varaha-Kalpa geboren wurde und dass er die Gestalt dieses Tieres annahm, um die Erde aus den „Wassern des Raums“ emporzuheben. Da nun die Brahmanen unmittelbar von Brahmâ abstammen und sozusagen mit ihm identifiziert werden, und da sie die Todfeinde des Buddhas und des Buddhismus sind, haben wir diese merkwürdige allegorische Andeutung und Gedankenverbindung. Der Brahmanismus (des Eber- oder Varaha-Kalpas) hat Buddhas Religion in Indien ermordet und von der Oberfläche vertilgt; daher heißt es von dem mit seiner Philosophie identifizierten Buddha, dass er an den Folgen des Genusses des Fleisches eines wilden Schweins verstorben sei. Die bloße Vorstellung, er sei an einer von Fleisch ausgelösten Verdauungsstörung gestorben, ist ein absurder Widerspruch und hat mehr als einen Orientalisten verwirrt, denn Buddha hatte strengsten Vegetarismus und die tiefste Achtung vor dem tierischen Leben eingeführt und verweigerte selbst den Verzehr von Eiern, da sie latentes, zukünftiges Leben in sich tragen. Die gegenwärtige Erklärung enthüllt die Allegorie jedoch und macht alles Übrige klar. Der Varaha jedoch ist kein einfacher Eber, sondern scheint ursprünglich irgendein vorsintflutliches Sumpftier bedeutet zu haben, „das es liebte, sich im Wasser zu ergötzen.“ (Vayu-Purana“)

80 Nach Oberst Wilford ereignete sich der Schluss des „Großen Krieges“ 1370 v. Chr, (siehe „A. R.“, Bd. 9, S. 116); nach Bentley 575 v. Chr. ! ! Wir können vielleicht darauf hoffen, dass noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts der mahabharatische Epos als mit den Kriegen des großen Napoleons übereinstimmend erklärt werden.

81 Im Vedanta und Nyaya wird „nimitta“ (wovon sich „Naimittika“ ableitet) als die eigentliche Ursache übersetzt, wenn es zu Upadana, der physischen oder materiellen Ursache, in Antithese gesetzt wird. Im Sankhya ist Pradhana eine Brahmâ untergeordnete Ursache, oder vielmehr ist Brahmâ selbst eine über Pradhana stehende Ursache. Daher ist „Zugehörige“ eine falsche Übersetzung und sollte, wie einige Gelehrte gezeigt haben, mit „idealer“ Ursache wiedergegeben werden; selbst reale Ursache wäre besser gewesen.

82 Der Haupt-Kumara oder jungfräuliche Gott (ein Dhyan Chohan), der sich weigert zu schaffen. Ein Prototyp des Hl. Michaels, der sich ebenfalls weigert, das zu tun.

83 Siehe die Schlusszeilen des Kapitels „Chaos, Theos, Kosmos“.

84 Dieser Ausblick würde schwerlich der christlichen Theologie entsprechen, die für ihre Anhänger eine ewige, immerwährende Hölle vorzieht.

85 Der Ausdruck „Elemente“ muss hier nicht nur im Sinn sichtbarer und körperlicher Elemente verstanden werden, sondern auch als das, was der Hl. Paulus Elemente nennt – als die spirituellen intelligenten Kräfte – Engel und Dämonen in ihren manvantarischen Formen.

86 Wenn die Orientalisten diese Beschreibung in ihrer esoterischen Bedeutung richtig verstehen, wird sich finden, dass diese kosmische Wechselbeziehung der Weltelemente die Wechselbeziehung der physikalischen Kräfte besser erklären könnte als die gegenwärtig bekannten. Auf jeden Fall werden Theosophen bemerken, dass Prakriti sieben Formen oder Prinzipien hat, „von Mahat bis zur Erde gezählt“. Die „Wasser“ bedeuten hier die mystische „Mutter“; den Mutterschoß der abstrakten Natur, in welchem das manifestierte Universum empfangen wird. Die sieben „Zonen“ beziehen sich auf die sieben Abteilungen dieses Universums oder auf die Noumena der Kräfte, welche es ins Dasein bringen. Das ist alles allegorisch.

87 Da hier der Maha, das große oder sogenannte endgültige Pralaya beschrieben wird, wird jedes Ding in sein ursprüngliches eines Element reabsorbiert. Die „Götter selbst, Brahmâ und die Übrigen“ sterben, wie es heißt, und verschwinden während dieser langen Nacht.

88 Die „Baumeister“ der Stanzen.

89 Siehe Jacolliots „Les fils de Dieu“; l‘Inde des Brahmes, S. 230.

90 Wenn das nicht prophetisch ist, was dann?

91 Das Matsya-Purana gibt Katapa an.

92 Max Müller übersetzt den Namen mit Morya, von der Moryadynastie, welcher Chandragupta angehörte (siehe Sanskrit-Literatur). Im „Matsya-Purana“, Kap. cclxxii, ist von der Dynastie der zehn Moryas (oder Mauryas) die Rede. In demselben Kapitel cclxxii heißt es, dass die Moryas eines Tages über Indien herrschen werden, nachdem sie in vielen tausend Jahren das Kshatriyageschlecht wiederhergestellt haben werden. Nur dieses Reich wird rein spirituell und „nicht von dieser Welt“ sein. Es wird das Königreich des nächsten Avataras sein. Colonel Tod glaubt, dass der Name Morya (oder Maurya) eine Entstellung des Namens des Rajputenstamms Mori darstellt, und der Kommentar zum Mahavansa meint, dass einige Fürsten ihren Namen Maurya von ihrer Stadt namens Mori angenommen haben, oder Morya-Nagara, wie er von Professor Max Müller angegeben wird, was nach der Urschrift des Mahavansa richtiger ist. Die „Sanskrit-Enzyklopädie Vachaspattya“ versetzt, wie unser Bruder Devan Badhadur R. Ragoonath Rao aus Madras mitteilt, Katapa (Kalapa) auf die Nordseite der Himalayas und somit nach Tibet. Das Gleiche wird in Kapitel xii (Skandha) des „Bhagavat“, Bd. III, S. 325, zum Ausdruck gebracht.

93 Das Vayu-Purana erklärt, dass Moru die Kshatriyas im neunzehnten folgenden Yuga wiederherstellen wird (siehe „Five Years of Theosophy“, S. 483, „The Moryas and Koothoomi“).

94 In der christlichen Religion sieht man auf jedem Verkündigungsmotiv den der Jungfrau Maria erscheinenden Erzengel Gabriel, und in seiner Hand hält er einen Strauß Wasserlilien. Dieser Strauß, der Feuer und Wasser versinnbildlicht oder die Idee der Schöpfung und der Zeugung, symbolisiert genau dieselbe Idee wie der Lotus in der Hand des Bodhisattvas, welcher Maha-Maya, der Mutter Gautamas ankündigt, dass sie Buddha, den Heiland der Welt, gebären wird. Deshalb also wurden auch Osiris und Horus von den Ägyptern beständig in Verbindung mit der Lotusblume dargestellt, da beide Sonnengötter oder Feuer waren (wie der Heilige Geist noch jetzt durch „feurige Zungen“ dargestellt wird) (Apostelgeschichte).

95 Siehe Sir William Jones „Dissertations Relating to Asia“.

96 Lakshmi ist Venus-Aphrodite, und wie Letztere ging sie mit einer Lotusblume in ihrer Hand aus dem Schaum des Ozeans hervor. Im Ramayana wird sie Padma genannt.

97 In der Esoterischen Philosophie ist der Demiurg oder Logos, als Schöpfer betrachtet, lediglich ein abstrakter Ausdruck, eine Idee, ähnlich dem Wort „Heer“. Wie Letzteres der alles umfassende Begriff für eine Gesamtheit von aktiven Kräften oder wirkenden Einheiten ist – Soldaten –, ist der Demiurg die qualitative Zusammensetzung einer Vielheit von Schöpfern oder Baumeistern. Burnouf, der große Orientalist, erfasste den Gedanken vollkommen richtig, indem er sagte, dass Brahmâ die Erde nicht erschafft, nicht mehr als das übrige Universum. „Nachdem er sich aus der Seele der Welt selbst evolviert hat, kondensiert er mit der gesamten Natur und emaniert sie aus sich selbst heraus, sobald er erst einmal von der ersten Ursache getrennt ist. Er steht nicht über ihr, sondern ist mit ihr vermengt. Brahmâ und das Universum bilden ein Wesen, von welchem jedes einzelne Teilchen vom Wesen her Brahmâ selbst ist, der aus sich selbst hervorging.“

98 In den indischen Puranas werden Vishnu, der erste, und Brahmâ, der zweite Logos oder der ideale und der praktische Schöpfer dementsprechend dargestellt, der eine als den Lotus offenbarend, der andere als aus ihm hervorgehend.

99 Jedoch nicht die „Anstrengungen“ der geübten psychischen Fähigkeiten eines Initiierten der östlichen Metaphysik und der Mysterien der schöpferischen Natur. Die Profanen vergangener Zeiten waren es, die das reine Ideal der kosmischen Schöpfung zu einem Emblem lediglich menschlicher Fortpflanzung und geschlechtlicher Funktionen erniedrigten: Es ist die Aufgabe der esoterischen Lehren sowie der zukünftigen Initiierten, die ursprüngliche Vorstellung zu rehabilitieren und aufs Neue zu adeln, welche durch ihre rohe und plumpe Anwendung auf exoterische Dogmen und Personifikationen seitens theologischer und kirchlicher Frömmler bedauernswert entweiht wurde. Die schweigende Verehrung der abstrakten oder noumenalen Natur, also der einzigen göttlichen Manifestation, ist die eine veredelnde Religion der Menschheit.

100 Sicherlich konnten die Worte des alten Initiierten der ursprünglichen Mysterien des Christentums „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid“ (1 Korinther 3,16) nicht in diesem Sinn auf die Menschen angewendet werden. Diese Auffassung konnte und war unabstreitbar in den Köpfen der hebräischen Kompilatoren des Alten Testaments. Und hier befindet sich der Abgrund, der zwischen der Symbolik des Neuen Testaments und dem jüdischen Kanon liegt. Diese Kluft wäre geblieben und immer weiter gewachsen, hätte nicht das Christentum eine Brücke über sie geschlagen, insbesondere und am grellsten die lateinische Kirche. Das moderne Papsttum hat die Kluft inzwischen mit seinem Dogma von den beiden unbefleckten Empfängnissen und durch den anthropomorphen und zugleich der Mutter ihres Gottes verliehenen abgöttischen Charakter vollkommen überbrückt.

101 Sie wurde ausschließlich in der hebräischen Bibel und bei deren unterwürfiger Plagiatorin, der christlichen Theologie, derartig auf die Spitze getrieben.

102 Dieselbe Idee wird in den Vorkommnissen in Ägypten exoterisch ausgeführt. Gott der Herr versucht den Pharao schwer und „straft ihn mit großen Plagen“, damit der König nicht der Strafe entgehe und so keinen Vorwand für einen weiteren Triumph seines „auserwählten Volkes“ liefere.

103 Selbst die sieben Töchter des midianischen Priesters, die kamen, um Wasser zu schöpfen, und denen Moses half, ihre Herde zu tränken, für welchen Dienst der Midianit Moses seine Tochter Zipporah (Sipparah = die schimmernde Woge) zur Frau gab (Exodus 2). All das hat dieselbe geheime Bedeutung.

104 Bei den Ägyptern bedeutete das die Auferstehung durch Wiedergeburt nach 3.000 Jahren der Reinigung, sei es in Devachan oder in den „Gefilden der Wonne“.

105 Solche „Froschgöttinnen“ sind in Boulak zu sehen, im Museum in Kairo. Für die Behauptung betreffs der Kirchenlampen und Inschriften muss der gelehrte ehemalige Direktor des Boulak-Museums, Gaston Maspero, verantwortlich gemacht werden (siehe seinen „Guide du Visiteur au Musée de Boulaq“, S. 146).

106 In der Bildhauerei von Alkamenes die Göttin Τρίμορφος.

107 Die alte Mythologie schließt die alte Astronomie ebenso gut in sich ein wie die Astrologie. Die Planeten waren die Zeiger, die auf dem Ziffernblatt unseres Sonnensystems die Stunden gewisser periodischer Ereignisse angaben. So war Merkur, der Bote, dazu bestimmt, den Takt der täglichen Sonnen- und Mondphänomene zu halten, und stand im Übrigen in Beziehung mit dem Gott und der Göttin des Lichts.

108 Die verzerrte und verkümmerte vedantische Vorstellung von Parabrahman, welches das gesamte Universum in sich selbst enthält, da es dieses grenzenlose Universum ist und nichts außerhalb von ihm selbst existiert.

109 Dasselbe findet sich bis zum heutigen Tag in Indien, der Stier Shivas und die Kuh, welche verschiedene Shakti repräsentieren, Göttinnen.

110 Daher die Verehrung des Mondes bei den Hebräern.

111Männlich und weiblich schuf er sie.“

112 Weil sie zu heilig war. In den Veden wird sie als Tat bezeichnet: Sie ist die „Ewige Ursache“ und kann daher nicht als eine „Erste Ursache“ bezeichnet werden, ein Ausdruck der impliziert, zu einem gewissen Zeitpunkt sei keinerlei Ursache vorhanden gewesen.

113 Die römischen Katholiken verdanken die Idee, den Monat Mai der Jungfrau zu weihen, dem heidnischen Plutarch, der zeigt, dass „der Mai der Maïa (Maiva) oder Vesta geweiht ist“ („Aulus-Gellius“, Wort Maïa) – unserer Mutter Erde, unserer personifizierten Amme und Ernährerin.

114 Thot-Lunus ist der „Budha-Soma“ Indiens oder „Merkur und der Mond“.

115 Während der in den mosaischen Büchern fehlenden Periode – von der Verbannung aus dem Paradies bis zur allegorischen Flut – verehrten die Juden zusammen mit den übrigen Semiten Dayanisi י ס י נ ז י ד, „den Beherrscher der Menschen“, den „Richter“, oder die Sonne. Obwohl der jüdische Kanon und das Christentum die Sonne in der Bibel zu „Gott dem Herrn“ und Jehovah machten, ist doch Letztere voll von indiskreten Spuren der androgynen Gottheit Jehovah, der Sonne, und Astoreth, der Mond in seinem weiblichen Aspekt, und ganz frei von dem ihm gegenwärtig verliehenen sinnbildlichen Element. Gott ist ein „verzehrendes Feuer“, er erscheint in und ist umgeben von Feuer. Es geschah nicht nur in seiner Vision, dass Hesekiel (viii, 16) sah wie die Juden sich „… bückten … hin vor der Sonne“. Der Baal der Israeliten (der Schemesch der Moabiten und der Moloch der Ammoniten) war mit dem „Sonnen-Jehovah“ identisch, und er ist bis heute der „König der Himmlischen Schar“, der Sonne, ebenso wie Astoreth die „Königin des Himmels“ war – oder der Mond. Die „Sonne der Gerechtigkeit“ ist erst jetzt zu einem metaphorischen Ausdruck geworden.

116 Um ihr Leben zu retten, flieht die Erde in der Allegorie vor dem sie verfolgenden Prithu. Sie nimmt die Gestalt einer Kuh an und läuft, vor Entsetzen zitternd, davon und verbirgt sich sogar in den Regionen Brahmâs. Daher ist es nicht unsere Erde. Das Kalb wiederum hat in jedem Purana einen anderen Namen. In einem ist es Manu Svayambhuva, in einem anderen Indra, in einem dritten der Himavat (Himalaya) selbst, wobei Meru der Melker war. Das ist eine tiefere Allegorie als allgemein angenommen.

117 Seine klare Vergegenwärtigung dieser Angelegenheit lautet, dass die Ägypter Jehovah (!) und seinen Fleisch gewordenen Erlöser (die gute Schlange) etc. etc. prophezeiten; und selbst Typhon mit dem bösen Drachen des Gartens Eden zu identifizieren, und derlei gilt dann als ernsthafte und seriöse Wissenschaft.

118 Hathor ist die infernale Isis, die Göttin insbesondere des Westens oder der Unterwelt.

119 Das ist von de Mirville, der die Ähnlichkeit stolz verkündet, und er müsste es wissen.

120 Erwähnt in G. Masseys Vortrag.

121 „The Natural Genesis“ von Gerald Massey, Band 1, S. 340.

122 Aus demselben Grund wird die Einteilung der sieben Prinzipien im Menschen genauso gerechnet, weil sie in der höheren und der niederen menschlichen Natur denselben Kreis beschreiben.

123 So ist die siebenfältige Einteilung die älteste und ging der vierfältigen Einteilung voran. Sie ist die Wurzel der archaischen Systematik.

124 Ein „Tag Brahmâs“ dauert 4.320.000.000 Jahre – multipliziere dies mit 365! Die Asuras hier (Nichtgötter, oder Dämonen) sind immer noch Suras, Götter, die in der Hierarchie höher stehen als solche sekundären Götter, die in den Veden noch nicht einmal erwähnt werden. Die Dauer des Krieges zeigt seine Bedeutung, und sie zeigt auch, dass sie lediglich die personifizierten kosmischen Mächte darstellen. Es ist offenbar zu sektiererischen Zwecken und aus odium theologicum geschehen, dass die von Vishnu angenommene täuschende Form Mayamoha in späteren Neuanordnungen der alten Texte Buddha und den Daityas zugeschrieben wurde, wie im Vishnu-Purana“, wenn es sich dabei nicht um ein Fantasiegebilde von Wilson selbst handelt. Wilson glaubte auch, in der Bhagavadgita eine Anspielung auf den Buddhismus gefunden zu haben, wobei er, wie K. T. Telang bewiesen hat, lediglich die Buddhisten und die älteren Charvaka-Materialisten miteinander verwechselte. Diese Version taucht in den anderen Puranas nirgendwo auf, sollte die von Professor Wilson aufgestellte Behauptung auch auf das Vishnu-Purana“ zutreffen; bei dessen Übersetzung, insbesondere der von Buch iii, Kap. xviii, hat der hochwürdige Orientalist willkürlich Buddha eingeführt und lässt ihn die Daityas den Buddhismus lehren, und das hat zu einem anderen „großen Krieg“ geführt, und zwar zwischen ihm und Oberst Vans Kennedy. Letzterer beschuldigte ihn öffentlich, vorsätzlich puranische Texte entstellt zu haben. „Ich behaupte“, schrieb der Oberst im Jahr 1840 in Bombay, „dass die Puranas nicht das enthalten, was nach der Behauptung Professor Wilsons in ihnen enthalten sein soll; . . . bis entsprechende Zitate vorgebracht werden, möge es mir erlaubt sein, meine früheren Schlussfolgerungen zu wiederholen, dass Professor Wilsons Behauptung, die jetzt vorhandenen Puranas seien zwischen dem achten und siebzehnten Jahrhundert (n. Chr.!) zusammengestellte Kompilationen, lediglich auf willkürlichen Annahmen und unbegründeten Thesen beruht, und dass seine diesbezügliche Beweisführung nichtig, trügerisch, widersprüchlich oder nicht wahrscheinlich ist.“ (SieheThe Vishnu-Purana“, übersetzt von Wilson, herausgegeben von Fitzedward Hall, Band V, Anhang)

125 Diese Aussage bezieht sich auf den dritten Krieg, da die irdischen Kontinente, Meere und Flüsse in Zusammenhang mit ihm erwähnt werden.

126 Buch I, Kap. xvii, die Geschichte Prahladas erzählend – des Sohnes Hiranyakashipus, des puranischen Satans, des großen Feindes Vishnus und des Königs der drei Welten – in dessen Herz Vishnu eintrat.

127 Diese Unkenntnis wird im Lobgesang der Yogins für Brahmâ, „den Erhalter der Erde“ (Buch I, Kap. iv des Vishnu Puranas“), wahrhaftig und schön zum Ausdruck gebracht, indem sie sagen: „Jene, die Hingabe nicht übten, begreifen die Natur der Welt nicht. Die Unwissenden, die nicht wahrnehmen, dass dieses Universum von der Natur der Weisheit ist und es lediglich als ein Objekt der Wahrnehmung ansehen, sind in dem Ozean der geistigen Unwissenheit verloren. Aber jene, welche die wahre Weisheit kennen und deren Denken rein ist, erblicken diese ganze Welt als eins mit der göttlichen Erkenntnis, als eins mit dir, oh Gott! Sei gnädig, oh universaler Geist!“

128 „Es begab sich aber des Tages, da die Söhne Gottes vor den Herrn traten, dass Satan kam mit seinen Brüdern und auch vor den Herrn trat.“ (Hiob 2, Abyss., äthiopischer Text)

129 Wilsons Meinung, dass das Vishnu-Purana“ ein Produkt unserer Ära und in seiner gegenwärtigen Form nicht älter sei als aus der Zeit zwischen dem 8. und 17. (!!) Jahrhundert, ist zu widersinnig, als dass sie Beachtung verdienen würde.

130 Siehe „Magazine“, April 1797.

131 Ητοι μεν πρώτιστα χάος γένετ᾽ ; γένετο wurde im Altertum die Bedeutung beigelegt von „wurde erzeugt“ und nicht einfach von „war“ (siehe Taylors „Introd. to the Parmenides of Plato“, S. 259-60).

132 Diese Verwechselung des „Begrenzten“ mit dem „Unbegrenzten“ überschüttet Kapila in seinen Disputen mit den brahmanischen Yogis mit Sarkasmus, die behaupten, in ihren mystischen Visionen das „Höchste Eine“ zu sehen.

133 Siehe T. Taylors Artikel in seinem „The Monthly Magazine“, zitiert in The Platonist“, Ausgabe Februar 1887, von T. M. Johnson, Mitglied der Theosophischen Gesellschaft, Osceola, Missouri.

134 Vach – die „melodische Kuh, die Nahrung und Wasser spendet“ und uns „Nahrung und leibliches Wohl“ gewährt, wie im „Rigveda“ beschrieben.

135 The Masonic Review“, Juni 1886.

136 In der Bhagavadgita Daiviprakriti genannt.

137 Objektiv – in der Welt der Maya, natürlich; doch ebenso real, wie wir es selbst sind.

138 „Genauer gesagt, sollte diese Daiviprakriti im Verlauf der kosmischen Manifestation anstatt die Mutter des Logos zu sein als seine Tochter bezeichnet werden.“ („Notes on the Bhagavadgita“, S. 305, Theosophist)

139 Die weisen Männer, welche die Methode fanden, das Unfassbare eine fassliche Form annehmen zu lassen – wie William Stanley Jevons in der Moderne –, konnten das nur dadurch bewerkstelligen, dass sie auf Zahlen und geometrische Formen zurückgriffen.

140 Das verbindet Vach und Sephira mit der Göttin Kwan-Yin, der „barmherzigen Mutter“, selbst im exoterischen Buddhismus mit der göttlichen Stimme der Seele und mit dem weiblichen Aspekt Kwan-Shai-Yins, des Logos, des Verbums der Schöpfung, und zugleich mit der Stimme, welche nach dem esoterischen Buddhismus hörbar zum Initiierten spricht. Bath Kol, die Filia Vocis, bei den Hebräern die Tochter der Göttlichen Stimme, die vom Gnadenthron hinter dem Tempelvorhang antwortet, ist – ein Resultat.

141 Wie Om ist Pranava ein mystisches Wort, das während der Meditation von den Yogis ausgesprochen wird; von den laut der exoterischen Kommentatoren Vyahritis genannten Worten oder „Om, Bhur, Bhuva, Swaha“ (Om, Erde, Firmament, Himmel) ist Pranava vielleicht das heiligste. Sie werden mit unterdrücktem Atem ausgesprochen. Siehe „Manu“, II, S. 76-81 und „Mitakshara commenting on the Yajnavalkya-Smriti“, i. 23. Die esoterische Erklärung geht jedoch noch ein gutes Stück tiefer.

142 Diese Trinität wird durch die „drei Schritte Vishnus“ dargestellt; was bedeutet: (nachdem Vishnu in der Exoterik als das Unendliche betrachtet wird) – Mulaprakriti und Purusha (der Logos und Prakriti) gingen aus Parabrahman hervor: die vier Formen (mit ihr selbst als Synthese) von Vach. Und in der Kabbala sind Ain Soph, Shekinah, Adam Kadmon und Sephira, die vier – oder drei verschiedenen Emanationen – doch eine.

143 „Chaldäisches Buch der Zahlen“. In der heutigen Kabbala ersetzt der Name Jehovah den Adam Kadmons.

144 Justin der Märtyrer sagt uns, dass er wegen seiner Unkenntnis dieser vier Wissenschaften von den Pythagoreern als Kandidat für die Zulassung an ihrer Schule zurückgewiesen worden sei.

145 31.415 oder π, die Synthese oder die im Logos vereinte Schar, oder der im römischen Katholizismus als „Engel des Angesichts“ bezeichnete Punkt, sowie im Hebräischen ל ֶא ַכ י ִם, „der (gleich wie oder derselbe) wie Gott ist “ – die manifestierte Repräsentation.

146 Sie erscheinen am Beginn eines jeden Zyklus, sowie auch an dem eines jeden siderischen Jahres (von 25.868 Jahren). Daher erhielten die Kabeira oder Kabirim ihren Namen in Chaldäa, und es bedeutet die Maße des Himmels, von Kob – Maß von, und Urim – die Himmel.

147 Dieses ägyptische Wort Naja erinnert sehr an den indischen Naga, den Schlangengott. Brahmâ, Shiva und Vishnu sind alle gekrönt mit Nagas und stehen mit ihnen in Verbindung – ein Zeichen für ihren zyklischen und kosmischen Charakter.

148 Der Übersetzer von Avicebrons „Qabbalah“ (Isaac Myer, LL.B., aus Philadelphia) sagt über diese „Gesamtsumme“: „Kethers Buchstabe ist י (Yod), Binahs ה (Heh), zusammen YaH, der weibliche Name; der dritte Buchstabe, der von Chochmah, ist ו (Vau), was zusammen ו ה י YHV ergibt von ה ו ה י YHVH, das Tetragrammaton, und tatsächlich das vollständige Symbol seiner Wirksamkeit. Das letzte ה (Heh) dieses Unaussprechlichen Namens wird immer angewendet auf die sechs niederen und auf die letzte, zusammen die sieben verbleibenden Sephiroth.“ . . . Somit ist das Tetragrammaton lediglich in seiner abstrakten Synthese heilig. Als eine die niederen sieben Sephiroth enthaltende Vierheit ist es phallisch.

149 Diese Behauptung wird natürlich für unsinnig und absurd gehalten und verlacht werden. Wenn man aber an den endgültigen Untergang von Atlantis vor 850.000 Jahren glaubt, wie es im „Esoterischen Buddhismus“ gelehrt wurde (das erste, allmähliche Versinken begann im Eozän), muss man auch die Behauptung über das sogenannte Lemurien annehmen, den Kontinent der dritten Wurzelrasse, der zunächst durch Verbrennung nahezu vollkommen zerstört wurde und dann untertauchte. Der Kommentar lehrt: „Da die erste Erde durch die neunundvierzig Feuer gereinigt war, konnte ihre Bevölkerung, aus Feuer und Wasser geboren, nicht sterben . . . etc.; die zweite Erde (mit ihrer Rasse) verschwand, wie Dunst in der Luft verschwindet . . . ; die dritte Erde hatte alles, was sich auf ihr befand, nach der Trennung erschöpft und versank in der unteren Tiefe (dem Ozean). Das geschah vor zweimal zweiundachtzig zyklischen Jahren.“ Nun entspricht ein zyklisches Jahr dem, was wir ein Siderisches Jahr nennen und beruht auf dem Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen oder jeweils 25.868 Jahre, und dies entspricht also insgesamt 4.242.352 Jahren. Weitere Einzelheiten wird man in Band II finden. Unterdessen: Diese Lehre ist verkörpert in den „Königen von Edom“.

150 Dieselbe Zurückhaltung findet sich im Talmud und in jedem nationalen Religions­system, einerlei ob es monotheistisch oder exoterisch polytheistisch ist. Aus dem herrlichen religiösen Gedicht des Kabbalisten Rabbi Salomon iben Gabirol „Kether Malchuth“ wählen wir einige Definitionen, die in den Kippûr-Gebeten gegeben sind. . . . „Du bist Eins, der Anbeginn aller Zahlen und die Grundlage aller Gefüge. Du bist Eins, und im Geheimnis Deiner Einheit sind selbst die weisesten der Menschen verloren, weil sie es nicht kennen. Du bist Eins, und Deine Einheit wird niemals vermindert, niemals erweitert, und kann nicht verändert werden. Du bist Eins, aber nicht als ein Element der Rechenkunst; denn Deine Einheit erlaubt keine Vervielfältigung, Wechsel oder Form. Du existierst, aber der Verstand und die Vision der Sterblichen kann Deine Existenz nicht erreichen, noch für Dich das Wo, das Wie und das Warum bestimmen. Du existierst, aber in Dir selbst allein, denn kein anderer könnte mit Dir existieren. Du existierst vor jeder Zeit und ohne Ort. Du existierst, und Deine Existenz ist so tiefgründig und verborgen, dass niemand eindringen und Dein Geheimnis entdecken kann. Du bist lebendig, doch in keiner Zeit, die bestimmt oder gewusst werden könnte. Du lebst, jedoch nicht durch einen Geist oder eine Seele, denn Du bist Du selbst, die Seele aller Seelen“ etc. etc. Da besteht ein Abstand zwischen dieser kabbalistischen Gottheit und dem biblischen Jehovah, dem boshaften und rachsüchtigen Gott Abrahams, Isaacs und Jacobs, welcher den Ersteren versuchte und mit dem Letzteren rang. Jeder Vedantist würde ein solches Parabrahman zurückweisen.

151 Rev. Joseph Edkins „On Cosmogony“ S. 320. Und sehr weise haben sie gehandelt.

152 Wenn er es zurückwies, so geschah das aufgrund dessen, was er als die Veränderungen bezeichnet – mit anderen Worten die Wiedergeburten – des Menschen und der beständigen Verwandlungen. Er sprach der Persönlichkeit des Menschen die Unsterblichkeit ab – so wie wir es auch tun – nicht jedoch dem Menschen selbst.

153 Er mag von den Protestanten verlacht werden, aber die römischen Katholiken haben kein Recht, über ihn zu spotten, ohne sich einer Gotteslästerung und eines Sakrilegs schuldig zu machen. Denn es sind mehr als 200 Jahre her, seit Konfuzius von den römischen Katholiken in China als Heiliger kanonisiert wurde, die dadurch aus den Reihen der unwissenden Konfuzianer viele Konvertiten gewannen.

154 In der Bibel gibt es durchaus nicht gerade wenige für heilig erachtete Tiere, wie z. B. den Ziegenbock, den Asasel oder Gott des Sieges. Wie Aben Ezra sagt: „Wenn du fähig bist, das Geheimnis des Asasel zu verstehen, wirst du das Geheimnis Seines (Gottes) Namens lernen, denn er hat ähnliche Gefährten in den Heiligen Schriften. Ich werde dir durch Anspielung einen Teil des Geheimnisses sagen; wenn du dreiunddreißig Jahre alt bist, wirst du mich verstehen.“ So verhält es sich mit dem Geheimnis der Schildkröte. In seiner Freude über die Poesie der biblischen Metaphern bringt ein frommer französischer Schriftsteller die „weißglühenden Steine“, die „heiligen Tiere“ usw. mit dem Namen Jehovahs in Verbindung, und aus der Bible de Vence“ (Bd. XIX. S. 318) zitierend sagt er: „In der Tat sind sie alle Elohim, wie ihr Gott; denn diese Engel nehmen durch eine heilige Usurpation den hochheiligen Namen Jehovahs an, immer wenn sie denselben repräsentieren.“ (Pneumatologie“, Bd. II, S. 294) Niemand hat jemals daran gezweifelt, dass der Name angenommen werden musste, sobald die Malachim (Sendboten) in der Gestalt des Unendlichen, Einen Unerkennbaren, herabstiegen, um mit den Menschen zu essen und zu trinken. Wenn aber die Elohim (und selbst noch niedrigere Wesen) verehrt wurden und noch verehrt werden, sobald sie den Gottesnamen annehmen, warum sollten dieselben Elohim dann Teufel genannt werden, sobald sie unter dem Namen anderer Götter erscheinen?

155 Die Auswahl ist merkwürdig und zeigt, wie paradox die ersten Christen in ihrer Wahl waren. Denn warum sollten sie diese Symbole des ägyptischen Heidentums gewählt haben, nachdem der Adler im Neuen Testament lediglich ein einziges Mal erwähnt wird, als Jesus ihn als einen Aasfresser bezeichnet (Mat 24,28) und er im Alten Testament als unrein bezeichnet wird; und der Löwe mit Satan zum Vergleich gebracht wird, da beide nach Menschen brüllen, um sie zu verschlingen; und die Ochsen aus dem Tempel ausgetrieben werden? Andererseits wird die Schlange, die als Vorbild für die Weisheit eingeführt wird und der gefolgt werden sollte, jetzt als das Symbol des Teufels betrachtet. Von der esoterischen Perle der Religion Christi, die zur christlichen Theologie erniedrigt wurde, kann man in der Tat sagen, dass sie für ihre Geburt und Entwicklung eine sonderbare und unpassende Hülle wählte.

156 Bryant hat Recht, wenn er sagt: „Als Noah nach einem Jahr und einem Tag der Arche entstieg (die Geburt eines neuen Zyklus), das sind 364+1=365 Tage, wurde er von Neptun zu seiner Geburt aus den Wassern der Flut beglückwünscht, indem dieser ihm ein glückliches neues Jahr wünschte – das behauptet das druidische Bardentum über Noah.“ Das „Jahr“ oder esoterisch der Zyklus war nach der Trennung der Geschlechter die neue, von der Frau geborene Menschenrasse, was die zweite Bedeutung der Allegorie ist. Ihre erste Bedeutung ist der Beginn der vierten Runde oder der neuen Schöpfung.

157 Unveröffentlichtes Manuskript. (Siehe jedoch „Source of Measures“)

158 Origenes´ Contra Celsum“, Band vi, Kap. xxii.

159 Der Text sagt: „Und die vierte Schöpfung ist hier die primäre, denn unbewegliche Dinge sind ausdrücklich als primär bekannt.“ (Siehe Fitzedward Halls Korrekturen)

160 Wie könnten „Gottheiten“ nach den Tieren erschaffen worden sein? Esoterisch bedeutet der Ausdruck „Tiere“ die Keime allen tierischen Lebens, einschließlich des Menschen. Der Mensch wird Opfertier genannt, und zwar ein Tier, das als einziges Wesen der animalischen Schöpfung den Göttern opfert. Außerdem werden unter „heiligen Tieren“ in den heiligen Texten oftmals die zwölf Tierkreiszeichen verstanden, wie bereits bemerkt.

161 „Qabbalah“, S. 415-16, von Isaac Myer, Philadelphia.

162 Obere lediglich in Bezug auf die Geister oder „Himmel“ der Erde.

163 Siehe „Isis entschleiert“, Bd. II. S. 183.

164 Siehe auch Kings Gnostics“. Andere Sekten betrachten Jehovah als Ildaboath selbst, King identifiziert ihn mit Saturn.

165 An anderer Stelle wird die Wesensgleichheit jedoch offenbar. Siehe oben das Zitat aus ibn Gabirol und seine 7 Himmel, 7 Erden usw.

166 Dieselbe darf nicht verwechselt werden mit der vorkosmischen Dunkelheit“, dem Göttlichen All.

167 Der Nous der Griechen, der (spirituelles oder göttliches) Gemüt ist, oder Mens, „Mahat“, wirkt auf die Materie in derselben Weise ein. Er „tritt ein“ in sie und versetzt sie in Bewegung:

„Spiritus intus alit, totamque infusa per artus
Mens agitat molem, et magno se corpore miscet.“

Auch in der phönizischen Kosmogonie „veranlasst der Geist durch die Vermischung mit seinen eigenen Prinzipien die Schöpfung; (Brücker, I, 240); die Orphische Triade enthält eine übereinstimmende Lehre, denn nach ihr sind Phanes (oder Eros), Chaos, welches die rohe, undifferenzierte kosmische Materie enthält, und Chronos (die Zeit) die drei zusammenwirkenden Prinzipien, welche von dem Unerkennbaren und verborgenen Punkt ausstrahlen und das Werk der„Schöpfung“ verursachen. Und sie sind im Hinduismus Purusha (Phanes), Pradhana (Chaos) und Kala (Chronos) oder die Zeit. Der gute Professor Wilson ist kein Freund dieser Idee, wie überhaupt keiner auch noch so liberaler christlicher Geistlicher. Er bemerkt, „wie jetzt erklärt, dass die Mischung (des höchsten Geistes oder der höchsten Seele) nicht mechanisch erfolgt; sie ist ein Einfluss oder eine Wirkung, die auf die zwischenstehenden Vermittler ausgeübt wird, welche die Wirkungen hervorbringen“. Den im Vishnu-Purana“ zu findenden Satz: „Wie ein Duft das Gemüt nur durch seine Nähe beeinflusst und nicht durch irgendeine unmittelbare Einwirkung auf das Gemüt selbst, beeinflusste das Höchste die Elemente der Schöpfung“, erklärt der hochwürdige und gelehrte Sanskritist mit folgenden Worten für richtig . . . : „Wie angenehme Düfte das Gemüt nicht durch tatsächliche Berührung entzücken, sondern durch den Eindruck, den sie auf den Geruchsinn ausüben, welcher ihn dem Gemüt mitteilt.“ Er fügt hinzu: „Der Eintritt des Höchsten in den Geist wie auch in die Materie ist weniger verständlich als die an anderer Stelle gegebene Auffassung davon, nämlich dass der Geist, der mit dem Höchsten identifiziert wird, in Prakriti oder Materie allein hinein gegossen wird“. Er zieht den Vers aus dem Padma-Purana vor: „Er, welcher der Mann (Geist) Prakritis genannt wird . . . derselbe göttliche Vishnu trat in Prakriti ein.“ Diese „Betrachtungsweise“ entspricht sicher mehr dem plastischen Charakter gewisser die Patriarchen betreffenden Verse in der Bibel wie Lot (Gen 29,34-38) und selbst Adam (4; 5,1) und andere von noch anthropomorphischerer Natur. Aber gerade diese führte die Menschheit zum Phallizismus, die christliche Religion ist davon vom ersten Kapitel der Genesis an bis zur Offenbarung durchtränkt.

168 Alle diese Sätze sind zitiert aus dem Vishnu-Purana“, Band I, Kap. II.

169 Vishnu ist sowohl Bhutesha, der „Herr der Elemente und aller Dinge“, als auch Vishvarupa, „universale Substanz oder Seele“.

170 Wegen der Art ihrer Stellung vergleiche man die von Trithemius (Agrippas Meister, 16. Jahrh.) verfasste Abhandlung „Betreffend die sieben sekundären oder Spirituellen Intelligenzen, die nach Gott das Universum in Bewegung versetzen“, die außerdem geheime Zyklen und verschiedene Prophezeiungen, gewisse Tatsachen und Glaubensvorstellungen über die Genien oder die Elohim, bekanntgeben, welche die siebenfältigen Stadien des Weltgeschehens beherrschen und leiten.

171 Von Anfang an sahen sich die Orientalisten in Bezug auf die Möglichkeit irgendeiner Ordnung in den puranischen Schöpfungen mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Wilson verwechselt sehr oft Brahman mit Brahmâ, wofür er von seinen Nachfolgern kritisiert wird. Fitzedward Hall zieht die Original Sanskrit-Texte dem von Wilson verwendeten Text für die Übersetzung des Vishnu-Purana“ vor. „Hätte sich Professor Wilson der günstigen Bedingungen erfreuen können, wie sie dem Schüler der indischen Philosophie heute zu Gebote stehen, so hätte er sich zweifellos anders ausgedrückt“, sagt der Herausgeber seines Werkes. Das erinnert einen an die von einem der Bewunderer Thomas Taylors jenen Gelehrten gegebene Antwort, die dessen Übersetzungen Platons kritisierten. Er sagte: „Taylor mag weniger Griechisch verstanden haben als seine Kritiker, aber Platon verstand er weitaus besser als sie.“ Unsere gegenwärtigen Orientalisten entstellen den mystischen Sinn der Sanskrittexte viel mehr als es Wilson jemals tat, obwohl der Letztere sich unbestreitbar sehr groben Fehlern schuldig machte.

172 „Die drei mit Intelligenz beginnenden Schöpfungen sind elementar, aber die sechs Schöpfungen, welche aus der mit dem Intellekt beginnenden Reihe hervorgehen, sind das Werk Brahmâs (Vayu-Purana). Hier bedeuten die „Schöpfungen“ überall Stadien der Evolution. Mahat, der „Intellekt“ oder das Gemüt (welches Manas entspricht, wobei Ersteres sich auf die kosmische und Letzteres sich auf die menschliche Ebene bezieht) steht hier ebenfalls niedriger als Buddhi oder die übergöttliche Intelligenz. Wenn wir daher im Linga-Purana lesen, dass „die erste Schöpfung Mahat hervorbrachte, da sich der Intellekt als Erstes manifestierte“, müssen wir diese (besondere) Schöpfung auf die erste Entwicklung unseres Systems oder sogar lediglich unsere Erde beziehen, da keine der vorausgehenden in den Puranas besprochen wird, sondern es lediglich hin und wieder Andeutungen darauf gibt.

173 Professor Wilson übersetzt das so, als stünden die Tiere in der Stufenleiter der „Schöpfung“ über den Gottheiten oder Engeln, obwohl die Wahrheit in Bezug auf die Götter im weiteren Verlauf sehr klar festgestellt wird. Diese „Schöpfung“, sagt der Text, ist sowohl primär (Prakrita) als auch sekundär (Vaikrita). Sie ist Letztere in Bezug auf den Ursprung der Götter aus Brahmâ (dem persönlichen, anthropomorphischen Schöpfer unseres materiellen Universums); insofern sie den Rudra betrifft, das unmittelbare Erzeugnis des ersten Prinzips, ist sie die Erstere (primäre). Die Bezeichnung Rudra ist nicht nur einer der Titel Shivas, sondern sie umfasst die Vermittler der Schöpfung, Engel und Menschen, wie im weiteren Verlauf gezeigt werden wird.

174 Weder Pflanze noch Tier, sondern ein Lebewesen zwischen den beiden.

175 „Erschaffene Wesen“ – erklärt das Vishnu-Purana“ – „stehen, wenn sie auch (in ihren individuellen Formen) in den Perioden der Auflösung zerstört werden, dennoch unter dem Einfluss der guten oder schlechten Handlungen früherer Existenzen und sind daher von deren Folgen nicht freigestellt. Und wenn Brahmâ die Welt von Neuem hervorbringt, sind sie die Nachkommenschaft seines Willens. . . .“ „Indem er sein Gemüt in sich selbst sammelt (Yoga-willig), erschafft Brahmâ die vier Ordnungen der Wesen, Götter genannt, Dämonen, Vorfahren und Menschen“ . . . „Vorfahren“ bedeutet hier die Prototypen und Entwickler der ersten Wurzelrasse der Menschen. Die Vorfahren sind die Pitris, und sie sind in sieben Klassen eingeteilt. In der exoterischen Mythologie wird über sie gesagt, dass sie aus Brahmâs Seite geboren wurden, wie Eva aus Adams Rippe.

176 „Diese Vorstellungen“, bemerkt Dr. Wilson, „die Geburt Rudras und der Heiligen, scheinen von den Saivas entlehnt und dem Vaishnava-System ungeschickt aufgepfropft worden zu sein.“ Mann hätte die esoterische Bedeutung zurate ziehen sollen, bevor man eine solche Hypothese aufzustellen wagte.

177 Parashara, der vedische Rishi, der das Vishnu-Purana“ von Pulastya empfing und es Maitreya lehrte, wird von den Orientalisten in verschiedenen Epochen verortet. Wie im Hindu Classical Dictionary“ richtig vermerkt ist: „Die Vermutungen über sein Zeitalter gehen weit auseinander, von 575 v. Chr. bis 1.391 v. Chr., ihnen ist nicht zu trauen.“ Ganz richtig, und doch sind sie nicht weniger vertrauenswürdig als irgendein anders Datum, das von den auf dem Gebiet willkürlicher Einbildung so berühmten Sanskritisten aufgestellt wird.

178 Sie mögen in der Tat eine „spezielle“ oder außerordentliche Schöpfung bezeichnen, da sie es sind, die dadurch, dass sie sich in den vernunftlosen, menschlichen Gehäusen der zwei ersten Wurzelrassen und eines großen Teils der dritten Wurzelrasse inkarnieren, sozusagen eine neue Rasse erschaffen, nämlich die der denkenden, selbstbewussten und göttlichen Menschen.

179 „Die vier Kumaras (sind) die aus der Seele geborenen Söhne Brahmâs. Einige unterscheiden sieben“ (H. Class. Dict.“). Alle diese sieben Vaidhatra, das Patronymikon der Kumaras, die „Söhne des Erschaffers“, werden in Iswara Krishnas „Sankhya Karika“ mit dem beigefügten Kommentar Gaudapadacharyas (Shankaracharyas Paraguru) erwähnt und beschrieben. Er erörtert die Natur der Kumaras, vermeidet es aber, alle sieben Kumaras beim Namen zu nennen und bezeichnet sie stattdessen als „die sieben Söhne Brahmâs“, was sie auch sind, da sie in Rudra von Brahmâ erschaffen wurden. Die Liste der Namen lautet wie folgt: Sanaka, Sanandana, Sanatana, Kapila, Ribhu, and Panchasikha. Aber auch das sind alles wieder nur Pseudonyme.

180 Einige Übersetzungen der Orientalisten sind derartig unzuverlässig, dass es in der französischen Übersetzung des Harivamsha heißt: „Die sieben Prajapati, Rudra, Skanda (sein Sohn) und Sanat-Kumara gingen daran, Wesen zu erschaffen.“ Währenddessen lautet das Original, wie Wilson zeigt: „Diese sieben . . . zeugten Nachkommenschaft. Und ebenso tat Rudra, aber Skanda und Sanat-Kumara hielten ihre Kraft zurück und enthielten sich der Schöpfung.“ Die „vier Ordnungen der Wesen“ werden manchmal als „Ambhamsi“ erwähnt, was Wilson mit „buchstäblich Gewässer“ übersetzt und für „einen mystischen Ausdruck“ hält. Es ist auch ohne Zweifel ein solcher, aber es ist ihm offenbar nicht gelungen, die wirkliche esoterische Bedeutung zu erfassen. „Gewässer“ und „Wasser“ stehen als Symbol für Akasha, den „ursprünglichen Ozean des Raums“, auf dem sich Narayana, der selbstgeborene Geist, bewegt, auf dem ruhend, was seine Nachkommenschaft ist (siehe Manu). „Wasser ist der Körper Naras, so hörten wir den Namen des Wassers erklärt. Weil Brahmâ auf dem Wasser ruht, wird er Narayana genannt“. (Linga-, Vayu- und Markandeya-Puranas) „. . . Als Reiner erschuf Purusha die Wasser rein. . . .“ Gleichzeitig ist Wasser das dritte Prinzip im materiellen Kosmos und das dritte im Bereich des Spirituellen: Geist des Feuers, Flamme, Akasha, Ether, Wasser, Luft und Erde sind die kosmischen, siderischen, psychischen, spirituellen und mystischen Prinzipien, überaus okkulte, auf jeder Ebene des Daseins. „Götter, Dämonen, Pitris und Menschen“ sind die vier Ordnungen von Wesen, auf die der Ausdruck Ambhamsi angewendet wird (in den Veden ist es ein Synonym für Götter), da sie alle das Erzeugnis der Wasser (im mystischen Sinn) des akasischen Ozeans und des dritten Prinzips der Natur sind. Pitris und Menschen auf der Erde sind die Transformationen (oder Wiedergeburten) von Göttern und Dämonen (Geistern) auf einer höheren Ebene. Wasser ist in einem anderen Sinn das weibliche Prinzip. Venus-Aphrodite ist die personifizierte See und die Mutter des Liebesgottes, die Erzeugerin aller Götter in demselben Maße wie die christliche Jungfrau Maria das Mare ist (die See), die Mutter des westlichen Gottes der Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Wenn der Schüler der Esoterischen Philosophie tief über den Gegenstand nachdenkt, wird er sicherlich die ganze Bedeutsamkeit des Ausdrucks Ambhamsi in allen seinen vielfachen Beziehungen zu der Jungfrau im Himmel, zur Virgo Coelestis der Alchemisten, und selbst zu den „Wassern der Gnade“ der modernen Baptisten herausfinden.

181 Shiva-Rudra ist der Zerstörer, so wie Vishnu der Erhalter ist; und beide regenerieren sowohl die spirituelle wie auch die physische Natur. Um als Pflanze leben zu können, muss der Same sterben. Damit der Mensch als bewusste Wesenheit in der Ewigkeit leben kann, müssen seine Leidenschaften und Sinne sterben, bevor sein Körper stirbt. „Zu leben bedeutet zu sterben, und zu sterben bedeutet zu leben“, wurde im Westen kaum verstanden. Shiva, der Zerstörer, ist der Schöpfer und der Heiland des spirituellen Menschen, da er der gute Gärtner der Natur ist. Er jätet die Pflanzen, die menschlichen und die kosmischen, und tötet die Leidenschaften des physischen Menschen, um die Wahrnehmungskräfte des spirituellen Menschen zum Leben zu erwecken.

182 Movers, „Die Phönizier“, S. 282.

183 Weber, „Akad. Vorles.“, Seiten 213, 214 usw.

184 Das biblische Gehinnom war ein Tal nahe Jerusalem, in welchem die monotheistischen Juden ihre Kinder dem Moloch opferten, wenn man den Worten des Propheten Jeremias Glauben schenken kann. Im Skandinavischen war Hel oder Hela eine kalte Region – wiederum Kama-Loka – und die ägyptische Amenti war ein Ort der Läuterung (siehe „Isis entschleiert“, Bd. II, S. 11).

185 Wir können von den Protestanten kaum dafür in die Pflicht genommen werden, dass wir den Vers aus den Korinthern auf die von uns gewählte Weise erklären; denn auch wenn die Übersetzung in der englischen Bibel zweideutig ausfallen mag, gilt das noch lange nicht für den ursprünglichen Text, und die römisch-katholische Kirche akzeptiert die Worte des Apostels in ihrem wahren Sinn. Als Beweis prüfe man die Kommentare zu den Episteln des Heiligen Paulus vom Hl. Johannes Chrysostomus, welcher „vom Apostel unmittelbar inspiriert“ war und „in seinem Diktat schrieb“, wie uns der Marquis de Mirville versichert, dessen Werke von Rom gebilligt werden. Und der Hl. Johannes Chrysostomus sagt zur Erläuterung dieses besonderen Verses: „Und wenn es auch jene gibt (tatsächlich), die man Götter nennt . . . . – denn es scheint wirklich mehrere Götter zu geben –, so hört doch daneben und trotz alledem das Gott-Prinzip und der höchste Gott nicht auf, dem Wesen nach eins und unteilbar zu bleiben.“ . . . So sprachen auch die alten Initiierten in dem Wissen, dass die Anbetung der niedrigeren Götter niemals das „Gott-Prinzip“ berührt (siehe de Mirville, „Des Esprits“, ii, 322).

186 „Des Esprits“, Cosmolatrie, S. 415.

Ausschnitt einer Manuskriptseite von The Secret Doctrine (Bd. II, S. 573);

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Ausschnitt einer Manuskriptseite von The Secret Doctrine (Bd. II, S. 57-8);

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