[SD # 301]
BAND I, TEIL II

 

DIE
ENTWICKLUNG DER SYMBOLIK

IN IHRER UNGEFÄHREN ReihenFOLGE


ERLÄUTERNDE KAPITEL

 

[SD # 302] [SD # 303]

 

 

 

 

 

§ I
SYMBOLISMUS UND IDEOGRAMME

„Ein Symbol ist für den, der Augen dafür hat, immer eine mehr oder weniger klare Offenbarung des Göttlichen.Durch sie alle schimmert etwas von einer göttlichen Idee. Nein, nicht einmal das erhabenste Zeichen, unter dem die Menschen sich jemals begegneten und umarmten, das Kreuz, hätte keinerlei Bedeutung mit Ausnahme einer zufälligen, äußerlichen.“ – Carlyle

Den größten Teil des Lebens der gegenwärtigen Schreiberin hat das Studium der verborgenen Bedeutung sämtlicher religiöser und profaner Legenden eingenommen, von welcher Nation auch immer, ob groß oder klein – und insbesondere der Traditionen des Ostens. Sie zählt zu jenen, die davon überzeugt sind, dass mythologische Geschichten und überlieferte Begebenheiten der Weisheit der Völker aller Zeiten noch niemals reine Erfindung gewesen seien, sondern dass jede dieser Erzählungen auf einem tatsächlichen historischen Hintergrund beruht. Wie angesehen auch immer diese Symbologen sein mögen, die Schreiberin stimmt mit jenen von ihnen nicht überein, die in jedem Mythos nichts anderes als einen weiteren Beweis für die abergläubische Gedankenhaltung der Alten finden und der Ansicht sind, sämtliche Mythologien seien aus Sonnenmythen entsprungen und darauf aufgebaut. Diese oberflächlichen Denker wurden auf bewundernswerte Weise von Gerald Massey, dem Dichter und Ägyptologen, in einem Vortrag über „Luniolatry: Ancient and Modern“ widerlegt. Da sie unsere eigenen Gefühle so gut wiedergibt, ist seine scharfe Kritik einer Wiederholung in diesem Teil dieses Werkes wert; dieselbe Kritik brachten wir bereits im Jahre 1875 offen zum Ausdruck, als „Isis Unveiled“ geschrieben wurde.

„Seit dreißig Jahren lehrt Prof. Max Müller in seinen Büchern und Vorträgen, in der Times und verschiedenen Zeitschriften, von der Bühne der Royal Institution, von der Kanzel der Westminster Abbey und von seinem Stuhl in Oxford aus, dass Mythologie eine Krankheit der Sprache sei, und dass die alte Symbolik das Ergebnis einer Art frühgeschichtlicher Verwirrung war.

‘Wir wissen’, sagt Renouf in seinen Hibbert-Vorlesungen und wiederholt damit Max Müller, ‘wir wissen, dass Mythologie eine Krankheit ist, die in einem gewissen Stadium der menschlichen Kultur auftritt’. So lautet die oberflächliche Erklärung der Nichtevolutionisten, und solche Erklärungen werden bis heute vom britischen Publikum akzeptiert, das andere [SD # 304] für sich denken lässt. Prof. Max Müller, Cox, Gubernatis und andere Vertreter der Idee eines Sonnenmythos stellten den ursprünglichen Erschaffer eines Mythos als eine Art germanisierten Hindu-Metaphysiker dar, der seinen eigenen Schatten auf einen Gedankennebel projiziert und geistreich über Rauch oder zumindest Wolken spricht; dabei wird der Himmel über ihm zum mit Bildern uralter Alpträume bekritzelten Dom des Traumlands! Sie stellen sich den frühen Menschen nach ihrem eigenen Bild vor und sind der Ansicht, dass er widernatürlich zur Selbst-Mystifizierung neige, oder wie Fontenelle sich ausdrückt: ‘Anfällig dafür, nicht existierende Dinge zu sehen.’ Sie stellten den primitiven oder archaischen Menschen fälschlicherweise so dar, als wäre er von Anfang an durch eine aktive, aber ungeschulte Imagination idiotischerweise dazu verleitet worden, an alle Arten von Trugbildern zu glauben, welche seinen eigenen täglichen Erfahrungen direkt und beständig widersprachen; ein Dummkopf inmitten der grausamen Wirklichkeiten, die ihm seine Erfahrungen einschliffen wie die scheuernden Eisberge ihre Spuren auf die unter Wasser liegenden Felsen hinterlassen. Es bleibt zu sagen – und es wird eines Tages anerkannt werden –, dass diese akzeptierten Lehrer den Anfängen der Mythologie und der Sprache nicht näher kamen als Burns Dichter Willie dem Pegasus. Meine Antwort lautet, es ist nur ein Traum der metaphysischen Theoretiker, dass Mythologie eine Krankheit der Sprache war oder von irgendetwas anderem als seinem eigenen Gehirn. Diese Sonnendeuter und falschen Wetter-Propheten verfehlten den Ursprung und die Bedeutung der Mythologie vollständig! Mythologie war eine ursprüngliche Art, den frühen Gedanken zu denken. Sie gründete sich auf Tatsachen der Natur und ist auch heute noch durch Phänomene nachweisbar. Es liegt nichts Wahnsinniges, nichts Irrationales in ihr, wenn sie im Licht der Evolution betrachtet und die sie zum Ausdruck bringende Symbolsprache vollständig verstanden wird. Der Wahnsinn besteht vielmehr darin, sie fälschlicherweise für menschliche Geschichte oder Göttliche Offenbarung zu halten.1 Mythologie ist die Fundgrube der ältesten Wissenschaft des Menschen, und das ist es, was uns wirklich interessiert – wenn sie wieder richtig interpretiert wird, ist sie dazu bestimmt, diesen falschen Theologien den Tod zu bringen, die sie unbewusst ins Leben gesetzt hat.2 Im modernen Sprachgebrauch wird eine Aussage manchmal im Verhältnis zu ihrer Unwahrheit als mythisch bezeichnet. Die alte Mythologie war jedoch kein System und keine Art von Fälschung in diesem Sinn. Ihre Fabeln waren Mittel, um Tatsachen mitzuteilen. Sie waren weder Fälschungen noch Erdichtungen. . . . Wenn zum Beispiel die Ägypter den Mond als eine Katze abbildeten, waren sie weder so unwissend zu glauben, dass der Mond eine Katze wäre; noch erkannte ihre ausschweifende Fantasie irgendeine Ähnlichkeit zwischen dem Mond und einer Katze; auch war ein Katzenmythos keine bloße Erweiterung einer verbalen Metapher oder hatten sie irgendeine Absicht, Geduldsspiele oder Rätsel zu erschaffen. . . . Sie hatten die einfache Tatsache beobachtet, dass die Katze im Dunkeln sieht und dass ihre Augen bei Nacht kugelrund werden und am stärksten leuchten. Der Mond war bei Nacht der Seher am Himmel, und die Katze sein Äquivalent auf der Erde; und so wurde die vertraute Katze als sein Repräsentant angenommen, ein natürliches Symbol, ein lebendiges Piktogramm der Mondkugel. . . . Und daraus folgte, dass die Sonne, die zur Nachtzeit in die Unterwelt blickte, ebenfalls die Katze genannt werden konnte, weil sie sozusagen auch in der Dunkelheit sah. [SD # 305] Katze heißt auf Ägyptisch Mau, was Seher bedeutet, von mau, sehen. Einer der Autoren über Mythologie bestätigt, dass die Ägypter ‘sich eine große Katze hinter der Sonne vorstellten, wobei die Pupille deren Katzenauge ist’. Aber diese Vorstellung ist ganz modern. Sie ist aus dem Müllerschen Warenlager. Der Mond als Katze war das Auge der Sonne, weil er das Sonnenlicht reflektierte und weil das Auge das Bild in seinem Spiegel zurückwirft. In Gestalt der Göttin Pasht wacht die Katze über die Sonne, indem sie mit ihrer Pfote den Kopf der Schlange der Finsternis niederhält und zerquetscht, die als ihr ewiger Feind bezeichnet wird. . . .

Das ist eine sehr genaue Darstellung des Mondmythos in seinem astronomischen Aspekt. Die Selenografie ist jedoch die am wenigsten esoterische der Unterabteilungen der lunaren Symbolik. Um die – wenn wir ein neues Wort prägen dürfen – Selenognosis vollständig zu beherrschen, muss man in mehr Dingen bewandert sein als in ihrer astronomischen Bedeutung. Der Mond (vide § IX, „Deus Lunus“) steht in enger Verwandtschaft mit der Erde, wie in Stanze VI des I. Bandes gezeigt wurde, und hat direkter mit all den Mysterien unseres Globus zu tun als selbst Venus-Luzifer, die okkulte Schwester und das Alter-Ego der Erde.

Die unermüdlichen Forschungsarbeiten westlicher, insbesondere deutscher Symbologen im letzten und gegenwärtigen Jahrhundert, haben alle Okkultisten und die vorurteilsfreiesten Menschen dahin gebracht einzusehen, dass ohne die Hilfe der Symbologie (mit ihren sieben Unterabteilungen, von denen die Modernen nichts wissen) keine heilige Schrift jemals richtig verstanden werden kann. Symbologie muss in jedem einzelnen ihrer Aspekte studiert werden, denn jede Nation hatte ihre eigenen, besonderen Ausdrucksweisen. Kurz gesagt, kein ägyptischer Papyrus, kein indisches Palmblatt, kein assyrischer Ziegel und keine hebräische Schriftrolle sollte buchstäblich gelesen und akzeptiert werden.

Das weiß heute jeder Gelehrte. Die vortrefflichen Vorlesungen von Gerald Massey allein reichen aus, jeden aufrichtigen Christen davon zu überzeugen, dass er in einen noch größeren Irrtum und Aberglauben verfällt als ihn das Gehirn eines wilden Südseeinsulaners jemals hervorgebracht hat, wenn er den toten Buchstaben der Bibel akzeptiert. Aber der Punkt, dem gegenüber selbst die meisten wahrheitsliebenden und wahrheitssuchenden Orientalisten blind zu bleiben scheinen – seien sie Experten für Arier oder Ägyptologen – ist die Tatsache, dass jedes auf Papyrus oder einen Tontopf aufgezeichnete Symbol einem vielflächigen Diamanten gleicht, dessen Facetten jede für sich nicht nur unterschiedliche Interpretationen in sich birgt, sondern sich auch auf verschiedene Wissenschaften bezieht. Ein Beispiel hierfür ist die soeben zitierte Interpretation des Mondes, der durch die Katze symbolisiert wird – ein Beispiel für siderisch-terrestrische Bilddarstellung, denn der Mond hat bei anderen Nationen noch viele weitere Bedeutungen.

Wie der verstorbene Kenneth Mackenzie, erfahrener Freimaurer und Theosoph, in seiner Royal Masonic Cyclopaedia gezeigt hat, besteht ein großer Unterschied zwischen Emblem und Symbol. Ersteres „umfasst eine größere Anzahl von Gedanken als ein Symbol, von dem man sagen kann, dass es nur eine einzelne, besondere Idee versinnbildlicht“. So bilden die Symbole (sagen wir lunare oder solare) verschiedener Länder, von denen ein jedes eine solche besondere Idee oder eine Reihe von Ideen veranschaulicht, zusammengenommen ein esoterisches Emblem. Letzteres ist „ein konkretes, sichtbares [SD # 306] Bild oder Zeichen, das ein Prinzip oder eine Reihe von Prinzipien darstellt – für jene erkennbar, die gewisse Instruktionen erhalten haben“ (Initiierte). Um es noch klarer zu machen: Ein Emblem ist gewöhnlich eine allegorisch betrachtete und erklärte Reihe von grafischen Bildern, und es entfaltet in panoramischen Motiven Schritt für Schritt eine Idee. So sind die Puranas geschriebene Embleme. Das Gleiche gilt für die mosaischen und christlichen Testamente oder die Bibel und allen anderen exoterischen Schriften. Wie uns dieselbe Autorität sagt:

„Alle esoterischen Gesellschaften verwendeten Embleme und Symbole, so wie die Pythagoreische Gesellschaft, die Eleusinische, die Hermetische Bruderschaft von Ägypten, die Rosenkreuzer und die Freimaurer. Viele dieser Embleme sind nicht dafür geeignet, den Augen der Allgemeinheit preisgegeben zu werden, und ein sehr geringfügiger Unterschied kann das Emblem oder Symbol in seiner Bedeutung stark verändern. Die magischen Sigillen, die auf gewissen Zahlenprinzipien gründen, weisen denselben Charakter auf; und wenn sie auch in den Augen der nicht Unterwiesenen ungeheuerlich oder lächerlich erscheinen, vermitteln sie denjenigen ein ganzes Lehrgebäude, die darin geschult wurden, sie zu erkennen.“

Die oben aufgezählten Gesellschaften sind alle verhältnismäßig jung, keine reicht weiter zurück als bis ins Mittelalter. Um so angebrachter wird es daher sein, dass die Schüler der ältesten archaischen Schule darauf bedacht sind, keine Geheimnisse preiszugeben, welche für die Menschheit von viel größerer Bedeutung sind (in dem Sinne, dass sie in den Händen Letzterer gefährlich sind) als sämtliche sogenannten „freimaurerischen Geheimnisse“, welche jetzt dem „Polichinelle“ anheim fielen, wie die Franzosen sagen! Aber diese Einschränkung kann lediglich die psychologische oder vielmehr psycho-physiologische und kosmische Bedeutung der Symbole und Embleme betreffen, und selbst das nur teilweise. Ein Adept muss sich weigern, die Bedingungen und Mittel weiterzugeben, die auf eine Korrelation von Elementen hinführen – ob psychisch oder physisch –, welche sowohl ein schädliches als auch ein nützliches Resultat hervorbringen können. Aber er ist immer bereit, dem ernsthaften Schüler das Geheimnis des alten Denkens mitzuteilen in Bezug auf die hinter der mythologischen Symbolik verborgene Geschichte, und ihn damit für einen Rückblick in die Vergangenheit mit einigen weiteren Landmarken auszustatten, insoweit sich daraus nützliche Informationen über den Ursprung des Menschen, die Evolution der Rassen und die Geognosis ergeben; und doch wird heutzutage die Klage nicht nur unter den Theosophen, sondern auch unter den wenigen an dem Thema interessierten Profanen laut: „Warum enthüllen die Adepten nicht das, was sie wissen?“ Hierauf könnte man antworten: „Warum sollten sie das tun, da im Vorhinein bekannt ist, dass kein Wissenschaftler die übermittelten Tatsachen akzeptieren wird, nicht einmal als Hypothese, geschweige denn als Theorie oder Axiom? Haben Sie auch nur das A B C der okkulten Philosophie, wie es im Theosophist, im „Esoteric Buddhism“ und anderen Werken und Zeitschriften enthalten ist, akzeptiert oder daran geglaubt? Wurde nicht selbst das Wenige, was gegeben wurde, lächerlich gemacht und verspottet und einerseits der „Tier-“ und „Affentheorie“ von Huxley/Haeckel und andererseits der Rippe Adams und dem Apfel gegenübergestell? Trotz dieser wenig beneidenswerten Aussichten wird im vorliegenden Werk eine Menge von Tatsachen gegeben. Und nun werden der Ursprung des Menschen, die Evolution des Globus und [SD # 307] der menschlichen und tierischen Rassen hier so vollständig behandelt, wie die Schreiberin sich dazu in der Lage sieht.

Die zur Bestätigung der alten Lehren vorgebrachten Beweise finden sich weit verstreut in den alten Schriften vergangener Zivilisationen. Die Puranas, die Zend-Avesta und die alten Klassiker sind voll von ihnen; aber niemand hat sich jemals die Mühe gemacht, diese Tatsachen zu sammeln und abzugleichen. Der Grund dafür ist, dass alle diese Ereignisse symbolisch aufgezeichnet wurden; und dass die besten Gelehrten, die schärfsten Denker unter unseren Arier-Experten und Ägyptologen, allzu oft von der einen oder anderen vorgefassten Meinung und noch häufiger von einseitigen Ansichten über die geheime Bedeutung in Verwirrung gebracht wurden. Und dennoch ist selbst eine Parabel ein gesprochenes Symbol: eine Erdichtung oder Fabel, wie manche denken; eine allegorische Darstellung von Lebenswirklichkeiten, Ereignissen und Tatsachen, wie wir sagen. Und da Parabeln für gewöhnlich eine Moral enthalten, welche eine effektive Wahrheit und Tatsache im menschlichen Leben darstellt, konnten jene, die mit den hieratischen Wissenschaften vertraut waren, aus gewissen in den alten Tempelarchiven aufgezeichneten Emblemen und Symbolen echte historische Ereignisse ableiten. Die religiöse und esoterische Geschichte einer jeden Nation wurde in Symbole eingebettet; niemals wurden viele Worte um sie gemacht. Alle Gedanken und Emotionen, all die Gelehrsamkeit und das Wissen der früheren Rassen, offenbart und erworben, fanden ihre bildliche Darstellung in Allegorie und Parabel. Warum? Weil das gesprochene Wort eine Kraft besitzt, welche den modernen „Weisen“ nicht bekannt ist, die sie nicht erwarten und anzweifeln. Weil Ton und Rhythmus mit den vier Elementen der Alten in enger Beziehung stehen; und weil diese oder jene Schwingung in der Luft mit Sicherheit korrespondierende Kräfte erwecken kann und eine Vereinigung mit ihnen gegebenenfalls gute oder schlechte Wirkungen hervorbringt. Keinem Schüler wurde jemals erlaubt, historische, religiöse oder tatsächliche Ereignisse jedweder Art in mancherlei unmissverständlichen Worten vorzutragen, um nicht die mit dem Ereignis in Verbindung stehenden Mächte erneut anzuziehen. Solche Ereignisse wurden nur während der Initiation geschildert, und jeder Schüler musste sie in entsprechenden, aus seinem eigenen Gemüt entnommenen Symbolen aufzeichnen, später prüfte sie sein Meister, bevor sie schließlich akzeptiert wurden. So entstand mit der Zeit das chinesische Alphabet, entsprechend der Festlegung der hieratischen Symbole im alten Ägypten davor. In der chinesischen Sprache, deren Schriftzeichen in jeder beliebigen Sprache3 gelesen werden können und die nur wenig jünger sind als das ägyptische Alphabet des Thot, besitzt jedes Wort sein korrespondierendes Symbol, welches das benötigte Wort in bildlicher Form darstellt. Die Sprache besitzt viele Tausende solcher Symbolbuchstaben oder Logogramme, von denen jedes ein ganzes Wort bedeutet; denn einzelne Buchstaben oder ein Alphabet existieren im Chinesischen ebenso wenig wie bis zu einer viel späteren Periode im Ägyptischen.

[SD # 308] Nun wird die Erklärung der Hauptsymbole und Embleme versucht, weil Band II, der die Anthropogenesis behandelt, ohne vorbereitende Bekanntschaft zumindest mit den metaphysischen Symbolen äußerst schwer zu verstehen sein würde.

Auch wäre es unangemessen, eine esoterische Erklärung der Symbole zu beginnen, ohne jenem die gebührende Ehre zu erweisen, der ihr in diesem Jahrhundert den größten Dienst erwiesen hat, indem er den Hauptschlüssel zu der alten hebräischen Symbologie entdeckte, welcher mit der Metrologie eng verwoben ist und einen der Schlüssel zur einstmals universalen Mysteriensprache darstellt. Unser Dank gebührt Ralston Skinner aus Cincinnati, dem Verfasser von „The Key to the Hebrew-Egyptian Mystery in the Source of Measures“. Von Natur aus Mystiker und Kabbalist, hat er viele Jahre in dieser Richtung gearbeitet, und seine Bemühungen wurden zweifellos von großem Erfolg gekrönt. Mit seinen eigenen Worten:

„Der Schreiber ist sich ganz sicher, dass es eine alte Sprache gab, die gegenwärtig und bis in unsere Zeit verloren zu sein scheint, deren Spuren aber reichlich vorhanden sind. . . . Der Verfasser entdeckte, dass dieses geometrische Verhältnis (das integrale Verhältnis zwischen Kreisdurchmesser und -umfang) der sehr alte und wahrscheinlich göttliche Ursprung der linearen Maße ist. . . . Es erscheint nahezu bewiesen, dass dasselbe System von Geometrie, Zahlen, Verhältnissen und Maßen auch auf dem nordamerikanischen Kontinent bekannt war und benützt wurde, sogar bevor es den abstammenden Semiten bekannt war. . . . .

Die Besonderheit dieser Sprache war, dass sie in einer anderen enthalten sein konnte, verborgen und nicht wahrnehmbar, ausgenommen mithilfe einer besonderen Unterweisung; Buchstaben und Silbenzeichen besaßen gleichzeitig die Kraft oder Bedeutung von Zahlen, von geometrischen Figuren, Bildern oder Ideogrammen und Symbolen. Ihr beabsichtigter Zweck konnte von in Erzählungen oder Teilen von Erzählungen enthaltenen Parabeln unterstützt werden; oder er wurde separat dargelegt, unabhängig und auf unterschiedliche Weise durch Bilder, in Steinwerken oder Lehmbauten.

Um eine Zweideutigkeit in Bezug auf den Ausdruck Sprache aufzuklären: Ursprünglich bedeutet das Wort den Ausdruck von Ideen durch die menschliche Sprache. In zweiter Linie aber kann es auch den Ausdruck von Ideen durch ein beliebiges anderes Mittel bedeuten. Diese alte Sprache ist auf solche Weise in den hebräischen Text gefasst, dass mit der Verwendung der geschriebenen Schriftzeichen – welche die der ersten Definition entsprechende Sprache ergeben – eine sich von den Inhalten der gelesenen Lautzeichen unterscheidende Reihe von Ideen absichtlich mitgeteilt werden kann. Hinter einem Schleier verborgen, legt diese Sekundärsprache ganze Reihen von Ideen dar, Kopien wahrnehmbarer und abbildbarer Dinge in der Imagination, und von Dingen, die als real bezeichnet werden können, ohne jedoch wahrnehmbar zu sein; zum Beispiel kann die Zahl 9 als eine Wirklichkeit betrachtet werden, obwohl sie keine wahrnehmbare Existenz hat, und so kann auch eine Umdrehung des Mondes, unabhängig von dem diese Umdrehung verursachenden Mond so betrachtet werden, dass sie eine reale Vorstellung hervorruft oder sie verursachen kann, obwohl ein solcher Umlauf nicht substanziell ist. Diese Ideensprache kann aus Symbolen bestehen, die auf willkürliche Begriffe und Zeichen mit einem sehr eng begrenzten Vorstellungsinhalt beschränkt und ziemlich bedeutungslos sind, oder sie kann eine Vorstellung der Natur in einigen ihrer Manifestationen von nahezu unermesslichem Wert in Bezug auf die menschliche Zivilisation sein. Ein Bild eines beliebigen natürlichen Gegenstandes kann die Vorstellung von in Einklang gebrachter [SD # 309] Substanz-Materie hervorrufen, welche den Speichen eines Rades gleich in verschiedene und selbst in entgegengesetzte Richtungen ausstrahlt und natürliche Wirkungen in Bereichen hervorrufen, welche der scheinbaren Richtung der Auffassung des ersten oder Anfangsbildes ganz fremd sind. Ein Begriff kann einen verwandten Begriff hervorrufen, aber wenn das zutrifft, dann müssen, auch scheinbar inkongruent, alle sich ergebenden Ideen aus dem ursprünglichen Bild hervorgehen und harmonisch miteinander verbunden oder verwandt sein. . . . So könnte aus einer bildlich dargestellten Idee – wenn sie radikal genug ist – die Vorstellung vom Kosmos selbst, sogar mit den Einzelheiten seiner Konstruktion, entstehen. Ein solcher Gebrauch der gewöhnlichen Sprache ist jetzt veraltet, aber dem Verfasser kam die Frage in den Sinn, ob sie oder etwas Ähnliches nicht zu einer längst vergangenen Zeit die Weltsprache war und allgemein verwendet wurde, jedoch in den Besitz einer auserwählten Klasse oder Kaste gelangte, als sie mehr und mehr in ihre geheimen Formen ausgebildet wurde. Damit meine ich, dass die Volkssprache oder Mundart bereits in ihren ersten Anfängen als Vehikel für diese besondere Art der Weitergabe von Ideen benützt zu werden begann. Hierfür existieren starke Beweise; und es scheint so, dass in der Geschichte der menschlichen Rasse aus Gründen, die wir zumindest gegenwärtig auf keine Weise zurückverfolgen können, ein Verfall oder Verlust einer ursprünglichen vollkommenen Sprache und einem vollkommenen Wissenssystem eingetreten ist – sollen wir sagen vollkommen, weil sie göttlichen Ursprungs war und vom Göttlichen eingeführt wurde?“

„Göttlicher Ursprung“ bedeutet hier nicht eine Offenbarung eines anthropomorphen Gottes auf einem Berg inmitten von Blitz und Donner; sondern – wie wir es verstehen – eine Sprache und ein Wissenschaftssystem, welche der ersten Menschheit von einer weiter vorangeschrittenen Menschheit übermittelt wurde – soviel höher, dass sie in den Augen dieser kindlichen Menschheit göttlich war. Kurz gesagt, von einer „Menschheit“ aus anderen Sphären; eine Idee, die nichts Übernatürliches enthält, deren Annahme oder Ablehnung jedoch vom Maß der Einbildung und Arroganz im Gemüt dessen abhängt, dem sie vorgelegt wird. Denn wenn die Professoren der modernen Wissenschaft nur eingestehen würden, dass sie zwar nichts über die Zukunft des körperlosen Menschen wissen – oder vielmehr nichts darüber annehmen wollen –, dass aber diese Zukunft voller Überraschungen und unerwarteter Enthüllungen für sie sein könnte, sobald ihre Egos von ihren groben Körpern befreit sein werden – dann hätte der materialistische Unglaube geringere Chancen als gegenwärtig. Wer von ihnen weiß oder kann uns sagen, was geschehen könnte, wenn der Lebenszyklus dieses Globus einst abgelaufen sein und unsere Mutter Erde selbst in ihren letzten Schlaf versinken wird? Wer ist kühn genug zu behaupten, dass die göttlichen Egos unserer Menschheit – zumindest die Auserwählten der in andere Sphären übergehenden Scharen – nicht ihrerseits die „göttlichen“ Unterweiser einer neuen, von ihnen auf einem neuen Globus erschaffenen Menschheit sein werden, von den entkörperten „Prinzipien“ unserer Erde ins Leben gerufen und in Aktivität versetzt? (Siehe Stanze VI, Band I, Teil I) All das mag in der Vergangenheit erlebt worden sein, und diese seltsamen Dokumente liegen in der „Mysteriensprache“ der prähistorischen Zeitalter vergraben, jener Sprache, die jetzt Symbolik genannt wird.

 

 

[SD # 310]
§
II
Die Mysteriensprache und ihre Schlüssel

Über den geringsten Zweifel erhaben beweisen somit kürzlich von großen Mathematikern und Kabbalisten gemachte Entdeckungen, dass alle Theologien, von der frühesten und ältesten bis hin zur jüngsten, nicht nur aus einer gemeinsamen Quelle abstrakter Glaubenslehren abstammen, sondern auch aus einer universalen, esoterischen oder „Mysterien“-Sprache. Diese Gelehrten besitzen den Schlüssel zur universalen Sprache der Vorzeit und haben das in die Halle der Mysterien führende hermetisch verschlossene Tor damit erfolgreich aufgeschlossen, wenn auch nur einmal. Das seit vorgeschichtlichen Zeiten als die heilige Weisheits-Wissenschaft bekannte große archaische System, welches in allen alten so gut als wie in allen neuen Religionen enthalten ist und dort gefunden werden kann, besaß seine universale Sprache und besitzt sie noch immer – wie der Freimaurer Ragon vermutet –, die Sprache der Hierophanten, die sozusagen sieben „Dialekte“ hat, von welchen sich jeder Einzelne auf eines der sieben Geheimnisse der Natur bezieht und dafür besonders geeignet ist. Jeder hatte seine eigene Symbolik. Die Natur konnte so entweder in ihrer Gänze gelesen oder von einem beliebigen ihrer besonderen Aspekte aus betrachtet werden.

Der Beweis dafür liegt bis zum heutigen Tag in der außerordentlichen Schwierigkeit, welchen die Orientalisten im Allgemeinen und die Erforscher der indischen Sprachen und die Ägyptologen im Besonderen bei der Interpretation der allegorischen Schriften der Arier und der hieratischen Aufzeichnungen des alten Ägyptens begegnen. Das ist so, weil sie niemals berücksichtigen, dass alle alten Aufzeichnungen in einer universalen und in der alten Zeit allen Nationen gleichermaßen bekannten Sprache geschrieben waren, die jedoch heute nur den Wenigen verständlich ist. Wie die arabischen Ziffern, welche die Menschen aller Nationen kennen, oder wie das englische Word and, das bei den Franzosen zum et und bei den Deutschen zum und wird und so weiter, das aber bei sämtlichen zivilisierten Nationen durch das einfache Zeichen & ausgedrückt werden kann – auf dieselbe Weise haben alle Worte der Mysteriensprache für alle Menschen ein und dieselbe Bedeutung, einerlei welcher Nationalität sie angehören mögen. Es gab verschiedene beachtenswerte Männer, die den Versuch unternahmen, eine solche universale und philosophische Sprache erneut zu errichten, darunter Delgarme, Wilkins, Leibniz; Demaimieux zeigte mit seiner Pasigrafie als Einziger auf, dass sie möglich ist. Das die „Griechische Kabbala“ genannte System von Valentinius, welches auf der Verbindung griechischer Buchstaben beruht, kann als Vorbild dienen.

Die vielseitigen Facetten der Mysteriensprache haben in der Exoterik der kirchlichen Rituale zur Annahme sehr unterschiedlicher Dogmen und Riten geführt. Noch einmal, diese waren der Ursprung der meisten Dogmen der christlichen Kirche, z. B. der sieben Sakramente, der Dreieinigkeit, der Wiederauferstehung; der sieben Todsünden und der sieben Tugenden. Die sieben Schlüssel zur Mysteriensprache jedoch befanden sich immer in [SD # 311] der Verwahrung der höchsten unter den initiierten Hierophanten des Altertums; durch den Verrat einiger frühzeitiger Kirchenväter – ehemaliger Tempelinitiierter – fiel der neuen Sekte der Nazarener lediglich der teilweise Gebrauch einiger dieser sieben in die Hände. Einige der frühen Päpste waren Initiierte. Die letzten Bruchstücke ihrer Wissenschaft sind heute jedoch in den Machtbereich der Jesuiten gefallen, die sie in ein System von Zauberei verwandelten.

Es wird behauptet, dass Indien (nicht in seinen gegenwärtigen Grenzen, sondern innerhalb seiner alten Grenzen) das einzige Land der Erde ist, unter dessen Söhnen sich noch Adepten befinden, welche die Kenntnis aller sieben Untersysteme und den Schlüssel zum gesamten System besitzen. Seit dem Fall von Memphis begann Ägypten, diese Schlüssel zu verlieren, einen nach dem anderen, und Chaldäa bewahrte in den Tagen des Berossos lediglich noch drei von ihnen auf. Was die Hebräer betrifft, so zeigen sie in allen ihren Schriften keine genaue Kenntnis der astronomischen, geometrischen und numerischen Systeme, die alle menschlichen und insbesondere die physiologischen Funktionen symbolisieren. Sie haben die höheren Schlüssel niemals besessen.

Gaston Maspero, der große französische Ägyptologe und Nachfolger von Auguste Mariette-Bey, schreibt: „So oft ich Menschen über die Religion Ägyptens sprechen höre, bin ich immer versucht zu fragen, von welcher der ägyptischen Religionen sie sprechen. Sprechen sie von der ägyptischen Religion der 4. Dynastie oder von der ägyptischen Religion der Ptolemäischen Periode? Von der Religion des Pöbels oder von der der Gelehrten? Von der in den Schulen von Heliopolis gelehrten oder von der in den Köpfen und Vorstellungen der Priesterklasse in Theben gepflegten? Denn zwischen dem ersten Grab von Memphis, welches die Kartusche eines Königs der dritten Dynastie trägt, und den letzten Steinen in Esna unter Philippus Caesar, dem Araber, liegt ein Zeitraum von mindestens fünftausend Jahren. Wenn wir die Invasion der Hirten, die äthiopischen und assyrischen Herrschaftsgebiete, die persische Eroberung, die griechische Kolonisierung und die tausend Umwälzungen seines politischen Lebens außer Acht lassen, hat Ägypten während dieser fünftausend Jahre zahlreiche Wandlungen des moralischen und intellektuellen Lebens durchgemacht. Kapitel 17 des „Totenbuches“, welches eine Darstellung des Weltensystems gemäß der Auffassung in Heliopolis zur Zeit der ersten Dynastien zu enthalten scheint, ist uns nur durch einige wenige aus der elften und zwölften Dynastie erhaltene Kopien bekannt. Jeder der darin enthaltenen Verse wurde schon damals auf drei oder vier verschiedene Arten interpretiert, die sich tatsächlich derartig voneinander unterschieden, dass nach der einen oder anderen Auslegung der Demiurg entweder zum Sonnenfeuer – Ra-Schu – oder zum Urwasser wurde. Fünfzehn Jahrhunderte später hatte die Zahl der Deutungen erheblich zugenommen. Die Zeit hatte in ihrem Verlauf die Vorstellungen vom Universum und die es beherrschenden Kräfte modifiziert. In den kaum achtzehn Jahrhunderten, welche das Christentum besteht, hat es die meisten seiner Dogmen ausgearbeitet, [SD # 312] entwickelt und umgewandelt; wie oft mag da nicht die ägyptische Priesterschaft ihre Dogmen während jener fünfzig Jahrhunderte verändert haben, die Theodosius von den königlichen Erbauern der Pyramiden trennen?“

Hier geht der hervorragende Ägyptologe unserer Ansicht nach zu weit. Die exoterischen Dogmen mögen oft verändert worden sein, die esoterischen niemals. Er berücksichtigt nicht die heilige Unveränderlichkeit der ausschließlich während der Initiationsmysterien geoffenbarten ursprünglichen Wahrheiten. Die ägyptischen Priester haben viel vergessen, sie veränderten nichts. Der Verlust eines großen Teiles der ursprünglichen Lehre war die Folge plötzlicher Todesfälle unter den großen Hierophanten, die verstarben, bevor sie Zeit hatten, ihren Nachfolgern alles zu offenbaren; hauptsächlich, weil es an würdigen Erben für das Wissen fehlte. Doch bewahrten sie die Hauptsätze der Geheimlehre in ihren Ritualen und Dogmen. So finden wir in dem von Maspero erwähnten siebzehnten Kapitel Folgendes: (1) Osiris sagt, er sei Tum (die schöpferische Kraft in der Natur, welche allen Wesen, Geistern und Menschen ihre Form gibt), selbst erzeugt und selbstexistent, hervorgegangen aus Nun, dem himmlischen Fluss, Vater-Mutter der Götter genannt, die ursprüngliche Gottheit, die Chaos oder Tiefe ist, von dem unsichtbaren Geist erfüllt. (2) Er fand Schu (Sonnenkraft) auf der Treppe in der Stadt der Acht (der zwei Würfel des Guten und Bösen) und vernichtete die Kinder des Aufruhrs, die bösen Prinzipien in Nun (Chaos). (3) Er ist das Feuer und das Wasser, d. h. Nun, der ursprüngliche Elter, und er erschuf die Götter aus seinen Gliedern – 14 Götter (zweimal sieben), sieben dunkle und sieben helle (bei den Christen die sieben Geister der Gegenwart und die sieben dunklen, bösen Geister). (4) Er ist das Gesetz der Existenz und des Seins (V. 10), der Bennu (oder Phönix, der Vogel der Auferstehung in der Ewigkeit), in welchem die Nacht dem Tag und der Tag der Nacht folgt – eine Anspielung auf die periodischen Zyklen der kosmischen Wiederauferstehung und der menschlichen Reinkarnation; was sonst könnte dies bedeuten? „Der Wanderer, der Millionen von Jahren durchschreitet, im Namen des Einen, und das Große Grüne (Urwasser und Chaos) ist der Name des anderen“ (V. 17), der eine zeugt Millionen von zusammenhängenden Jahren, der andere verschlingt sie, um sie wiederherzustellen. (5) Er spricht von den Sieben Leuchtenden, die ihrem Herrn folgen, der Gerechtigkeit gewährt (Osiris in Amenti).

All das war, wie jetzt gezeigt wurde, Quelle und Ursprung christlicher Dogmen. Was die Juden durch Moses und andere Initiierte aus Ägypten hatten, wurde in späteren Jahren ziemlich verwirrt und entstellt. Und was die Kirchen von beiden übernommen haben, ist noch schlechter interpretiert.

Doch hat sich ihr System auf einem speziellen Gebiet der Symbologie – nämlich dem Schlüssel zu den Mysterien der Astronomie in ihrem Zusammenhang mit denen der Zeugung und Empfängnis – jetzt als übereinstimmend erwiesen mit den Vorstellungen jener alter Religionen, deren Theologien das phallische Element entwickelten. Das jüdische System der auf religiöse Symbole angewendeten heiligen Maße entspricht jenen von Chaldäa, Griechenland und Ägypten, [SD # 313] insofern geometrische und numerische Kombinationen in Betracht gezogen werden, denn die Juden übernahmen es in den Jahrhunderten ihrer Sklavendienste und Gefangenschaft in diesen Nationen.4 Was charakterisierte dieses System? Es ist die tiefste Überzeugung des Verfassers von „The Source of Measures“, dass „die mosaischen Bücher beabsichtigen, mithilfe einer Art Kunstsprache ein geometrisches und numerisches System exakter Wissenschaft aufzustellen, das als eine Quelle der Maße dienen sollte“. Piazzi Smyth glaubt dasselbe. Dieses System und diese Maße werden von einigen Gelehrten für identisch gehalten mit jenen, die bei der Erbauung der Großen Pyramide benutzt wurden – aber das ist nur teilweise so. „Die Grundlage dieser Maße war das Parkersche Verhältnis“, sagt R. Skinner in „The Source of Measures“.

Nach seiner Angabe fand der Verfasser dieses ganz außergewöhnlichen Werkes das heraus, als er das integrale Zahlenverhältnis zwischen dem Durchmesser und dem Umfang des Kreises anwandte, welches von John Parker aus New York entdeckt worden war. Dieses Verhältnis beträgt 6.561 für den Durchmesser und 20.612 für den Umfang. Weiter fand er heraus, dass dieses geometrische Verhältnis der sehr alte (und wahrscheinlich) der göttliche Ursprung dessen ist, was durch exoterische Bearbeitung und praktische Anwendung zu den britischen Längenmaßen wurde. „Deren zugrundeliegende Einheit, nämlich das Zoll, war gleichermaßen die Grundlage der königlichen ägyptische Elle und des römischen Fußes. Er fand auch heraus, dass es eine modifizierte Form dieses Verhältnisses gab, nämlich 113 zu 355 (erklärt in seinem Werk); und dass – da dieses Verhältnis aufgrund seines Ursprungs auf das exakte Integral pi oder auf 6.561 zu 20.612 hindeutet – es auch als Grundlage für astronomische Berechnungen diente. Der Verfasser entdeckte, dass ein auf diese Verhältnisse gründendes und beim Bau der Großen Pyramide in Ägypten angewendetes System exakter geometrischer, numerischer und astronomischer Wissenschaft ein Teil der Fracht dieser Sprache war, welche im Wortschwall des hebräischen Textes der Bibel enthalten und darin verborgen ist. Der Zoll und das 2-Fuß-Lineal mit 24 Zoll, deren Anwendung sich durch die Elemente des Kreises (siehe die ersten Seiten von Band I) und der erwähnten Verhältnisse erklärt, wurden als Grundlage oder Fundament dieses natürlichen, ägyptischen sowie hebräischen wissenschaftlichen Systems erkannt, außerdem scheint es auch einigermaßen erwiesen zu sein, dass dieses System selbst als aus göttlichem Ursprung stammend und als göttlich geoffenbart betrachtet wurde. . . .“ [SD # 314] Aber schauen wir einmal, was die Gegner von Prof. Piazzi Smyths Vermessung der Pyramide vorzubringen haben.

Petrie scheint sie zurückzuweisen, und überhaupt mit Piazzi Smyths Berechnungen in ihrem Zusammenhang mit der Bibel kurzen Prozess gemacht zu haben. Desgleichen Proctor, während vieler vergangener Jahre der Meister der „Übereinstimmung“ in allen Fragen bezüglich alter Künste und Wissenschaften. Er spricht über die „Vielfalt der von der Pyramide unabhängigen Beziehungen, welche mit den Bemühungen der Pyramidenforscher auftauchten, die Pyramide mit dem Sonnensystem in Verbindung zu bringen . . . . diese Übereinstimmungen“, sagt er, „sind insgesamt seltsamer als jegliche Übereinstimmung zwischen der Pyramide und astronomischen Zahlen: Erstere sind so naheliegend und bemerkenswert wie real.“ (D. h., diese „Übereinstimmungen“, die übrig blieben, selbst wenn die Pyramide nicht existiert hätte) „Letztere, die lediglich imaginär (?) sind, wurden nur mithilfe eines Vorgangs geschaffen, welchen die Schuljungen ‘mogeln’ nennen, und jetzt machen neue Messungen die Wiederholung der Arbeit von Grund auf notwendig.“ (Petries Brief an The Academy, 17. Dez. 1881). Hierzu bemerkt Staniland Wake in seinem Werk über „The Origin and Significance of the Great Pyramid“ (London, 1882) zu Recht: „Sie müssen jedoch mehr gewesen sein als bloße Übereinstimmungen, wenn die Erbauer der Pyramide das astronomische Wissen hatten, das sich in ihrer perfekten Orientierung und ihren anderen eingeräumten astronomischen Merkmalen offenbart.“

Sie besaßen es; und auf diesem „Wissen“ fußte das Programm der Mysterien und die Initiationsreihe: Von dort stammt die Konstruktion der Pyramiden, die immerwährende Aufzeichnung und das unzerstörbare Symbol dieser Mysterien und Initiationen auf der Erde, so wie die Bahnen der Sterne im Himmel sind. Der Zyklus der Initiation war im Kleinen eine Reproduktion jener großen Serien kosmischer Veränderungen, welche die Astronomen als Tropisches oder Siderisches Jahr bezeichneten. Gerade so wie am Schluss des Zyklus des siderischen Jahres (25.868 Jahre) die Himmelskörper in dieselbe relative Stellung zueinander zurückkehren, welche sie zu Beginn einnahmen, hat der innere Mensch am Schluss des Initiationszyklus den ursprünglichen Zustand göttlicher Reinheit und Erkenntnis wiedererlangt, von welchem aus er zu seinem Zyklus irdischer Inkarnation aufgebrochen war.

Moses, ein in die ägyptische Mystagogie Initiierter, stützte die religiösen Mysterien der von ihm neu erschaffenen Nation auf dieselbe abstrakte, aus diesem siderischen Zyklus abgeleiteten Formel, welche er durch die Form und die Maße des Tabernakels symbolisierte, den er angeblich in der Wildnis errichtete. Auf diese Daten begründeten die späteren jüdischen Hohepriester die Allegorie von Salomons Tempel – ein Gebäude, das niemals wirklich existierte, nicht mehr als König Salomon selbst, der einfach und genauso einen Sonnenmythos darstellt wie der noch spätere Hiram Abif der Freimauer, wie Ragon trefflich zeigte. Wenn daher die Maße dieses allegorischen Tempels, des Symbols des [SD # 315] Initiationszyklus, mit jenen der Großen Pyramide übereinstimmen, ist das eine Folge der Tatsache, dass die Ersteren von den Letzteren aus dem Tabernakel des Moses abgeleitet waren.

Dass unser Verfasser zweifellos einen und sogar zwei der Schlüssel entdeckt hat, ist in dem eben erwähnten Werk vollständig erwiesen. Man braucht es nur zu lesen, um die Überzeugung in sich wachsen zu fühlen, dass die verborgene Bedeutung der Allegorien und Parabeln beider Testamente jetzt enthüllt ist. Dass er jedoch diese Entdeckung weit mehr seinem eigenen Genie verdankt als Parker und Piazzi Smyth, ist ebenso sicher, wenn nicht noch sicherer. Denn ob, wie soeben gesagt, die von den biblischen „Pyramidalisten“ als korrekt angenommenen Maße der Großen Pyramide über jeden Zweifel erhaben sind, ist nicht so sicher. Ein Beweis dafür findet sich in dem Werk „The Pyramids and Temples of Gizeh“ von F. Petrie; und außerdem in anderen Werken, die vor Kurzem geschrieben wurden, um den genannten Berechnungen entgegenzutreten, die als voreingenommen bezeichnet wurden. Wir schließen daraus, dass sich fast jede der Messungen Piazzi Smiths von den späteren und sorgfältiger angestellten Messungen Petries unterscheidet, der die Einleitung zu seinem Werk mit folgendem Satz schließt:

Was die Ergebnisse der ganzen Untersuchung anbelangt, werden vielleicht viele Theorien mit einem Amerikaner übereinstimmen, der ein glühender Anhänger der Pyramidentheorien war, als er nach Gizeh kam. Ich hatte dort für ein paar Tage das Vergnügen seiner Gesellschaft; und bei unserer letzten gemeinsamen Mahlzeit sagte er mir in einem betrübten Ton: ‘Wohlan, mein Herr! Ich fühle mich, als ob ich einer Beerdigung beigewohnt hätte. Auf alle Fälle sollen die alten Theorien anständig beerdigt werden, wenn wir uns auch in Acht nehmen sollten, dass wir in unserer Hast nicht einen der Verwundeten lebendig begraben.’“

Was die Berechnungen des verstorbenen J. A. Parker im Allgemeinen und seinen dritten Lehrsatz im Besonderen betrifft, haben wir einige hervorragende Mathematiker befragt, und im Wesentlichen antworteten sie Folgendes:

Parkers Beweisführung beruht vielmehr auf sentimentalen als auf mathematischen Überlegungen und ist logisch nicht beweiskräftig.

Lehrsatz III, nämlich, dass –

„der Kreis die natürliche Grundlage oder der Anfang einer jeden Fläche ist und dass in der mathematischen Wissenschaft das Quadrat anstelle dessen verwendet wird, ist künstlich und willkürlich –“

– ein Muster eines willkürlichen Lehrsatzes darstellt und für mathematische Beweisführungen nicht sicher verwendet werden kann. Dasselbe gilt, sogar noch stärker, für Lehrsatz VII, der besagt:

Weil der Kreis die ursprüngliche Form der Natur darstellt und somit die Grundlage der Fläche; und weil der Kreis nur nach dem Verhältnis seines halben Umfanges zum Radius durch das Quadrat gemessen wird und diesem gleich ist, sind deshalb Umfang und Radius, und nicht das Quadrat des Durchmessers, die einzigen natürlichen und rechtmäßigen Elemente der Fläche, durch welche alle regelmäßigen Formen sowohl dem Quadrat als auch dem Kreis gleichen.“

Lehrsatz IX ist ein bemerkenswertes Beispiel einer fehlerhaften ­Schluss­­folgerung, und es ist jener, auf dem Parkers Quadratur hauptsächlich beruht. Er behauptet Folgendes:

[SD # 316] „Der Kreis und das gleichseitige Dreieck sind einander in allen Elementen ihrer Konstruktion entgegengesetzt. Daher steht der Teilkreisdurchmesser eines Kreises, welcher dem Durchmesser eines Quadrats gleich ist, im entgegengesetzten quadratischen Verhältnis zu dem Durchmesser eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Flächeninhalt gleich eins ist.“ etc. etc.

Nehmen wir des Beweises halber an, man könnte sagen, ein Dreieck habe einen Radius in dem Sinn, wie wir vom Radius eines Kreises sprechen – denn was Parker den Radius des Dreiecks nennt, ist der Radius des einem Dreieck eingeschriebenen Kreises und daher überhaupt nicht der Radius des Dreiecks. Und nehmen wir für den Augenblick die anderen fantastischen und mathematischen in seinen Prämissen vereinten Lehrsätze als erwiesen an, wieso müssen wir dann schlussfolgern, dass – wenn das Dreieck und der Kreis in allen Elementen ihrer Konstruktion entgegengesetzt sind – der Durchmesser irgendeines gegebenen Kreises im entgegengesetzt quadratischen Verhältnis zum Durchmesser irgendeines gegebenen äquivalenten Dreiecks steht? Welcher notwendige Zusammenhang besteht zwischen den Prämissen und der Schlussfolgerung? Diese Argumentationsweise ist in der Geometrie unbekannt; und strenge Mathematiker würden sie in keinem Fall gelten lassen.

Ob das archaische esoterische System das britische Zoll hervorbrachte oder nicht, ist jedoch für den strikten und wahren Metaphysiker von geringer Bedeutung. Auch wird Ralston Skinners esoterische Auffassung der Bibel nicht nur deshalb unrichtig, weil die Abmessungen der Pyramide sich mit den Maßen von Salomons Tempel, der Arche Noah etc. nicht in Übereinstimmung befinden; oder weil Parkers Quadratur des Kreises von Mathematikern verworfen wird. Denn Skinners Auslegung beruht in erster Linie auf den kabbalistischen Methoden und dem rabbinischen Zahlenwert der hebräischen Buchstaben. Aber es ist äußerst wichtig zu ermitteln, ob die Maßangaben, die bei der Entwicklung und Erschaffung der symbolischen Religion der Arier, bei der Erbauung ihrer Tempel, bei den Zahlenangaben der Puranas und insbesondere in ihrer Chronologie, ihren astronomischen Symbolen, in der Dauer der Zyklen und anderen Berechnungen, dieselben sind, wie die in den biblischen Maßen und Glyphen verwendeten oder nicht. Denn das wird beweisen, dass die Juden – wenn sie ihre heilige Elle und sonstige Maße nicht von den Ägyptern übernommen haben (Moses war von deren Priestern initiiert) – diese Vorstellungen aus Indien erhalten haben müssen. Auf jeden Fall überlieferten sie diese den ersten Christen. Somit sind die Okkultisten und Kabbalisten die „wahren“ Erben der Erkenntnis oder Geheimen Weisheit, wie sie in der Bibel noch zu finden ist; sie allein verstehen heute ihren wirklichen Sinn, während profane Juden und Christen sich an ihre Schale und den toten Buchstaben klammern. Dass es das Maßsystem ist, welches zur Erfindung der Gottesnamen Elohim und Jehovah und zu ihrer Anpassung an den Phallizismus führte und dass Jehovah eine nicht sehr schmeichelhafte Kopie von Osiris ist, wird jetzt vom Verfasser von „The Source of Measures“ aufgezeigt. Aber sowohl Letzterer als auch Piazzi Smyth scheinen unter dem Eindruck zu arbeiten, dass (a) der Hauptteil des Systems den Israeliten gehöre, da [SD # 317] die hebräische Sprache die göttliche Sprache sei und dass (b) diese Universalsprache der direkten Offenbarung angehöre!

Die letztere Hypothese ist lediglich in dem Sinn richtig, den wir im letzten Abschnitt des vorhergehenden § aufgezeigt haben. Wir müssen aber noch über die Natur und den Charakter des göttlichen „Offenbarers“ übereinkommen. Was die Priorität anbelangt – sie wird für den Profanen natürlich (a) vom inneren und äußeren Beweismaterial der Offenbarung und (b) von den individuellen Vorurteilen eines jeden Gelehrten abhängen. Das kann jedoch weder den theistischen Kabbalisten noch den pantheistischen Okkultisten daran hindern, auf seine eigene Weise zu glauben; und keiner von beiden kann den anderen überzeugen. Die von der Geschichte überlieferten Daten sind für alle beide zu spärlich und unbefriedigend, um einem Skeptiker beweisen zu können, wer von ihnen im Recht ist.

Andererseits werden die von der Tradition überlieferten Beweise zu hartnäckig verworfen, als dass wir in unserem gegenwärtigen Zeitalter an eine Lösung der Frage glauben könnten. Unterdessen wird die materialistische Wissenschaft Kabbalisten und Okkultisten ohne Unterschied auslachen. Aber sobald besagte strittige Frage über die Priorität einmal beiseite gelassen wird, wird die Wissenschaft in ihren Zweigen der Philologie und der vergleichenden Religionswissenschaft sich schließlich vor die Aufgabe gestellt und gezwungen sehen, den gemeinsamen Anspruch gelten zu lassen.5 Anstatt jenen vermeint­lichen [SD # 318] „Mischmasch widersinniger Erdichtung und Aberglaubens“, wie die brahmanische Literatur gewöhnlich genannt wird, geringschätzend zu übergehen, werden sich die größten Gelehrten bemühen, die symbolische Universalsprache mit ihren numerischen und geometrischen Schlüsseln zu erlernen. Aber auch hierin werden sie schwerlich Erfolg haben, wenn sie dem Glauben anhängen, dass das jüdische kabbalistische System den Schlüssel zum gesamten Mysterium enthält; denn das ist nicht der Fall. Auch keine andere Schrift enthält ihn gegenwärtig in seiner Gänze, denn selbst die Veden sind nicht vollständig. Jede alte Religion stellt lediglich ein oder zwei Kapitel aus dem ganzen Band der archaischen ursprünglichen Mysterien dar – der östliche Okkultismus allein kann sich rühmen, im Besitz des ganzen Geheimnisses mit seinen sieben Schlüsseln zu sein. Vergleiche werden angestellt und so viel wie möglich in diesem Werk erklärt werden – das Übrige ist der persönlichen Intuition des Schülers überlassen. Denn mit der Aussage, dass der östliche Okkultismus das Geheimnis besitzt, ist nicht gemeint, dass die Schreiberin eine „vollständige“ oder auch nur annähernde Kenntnis für sich beanspruchen würde, das wäre absurd. Was ich weiß, das gebe ich weiter; was ich nicht erklären kann, muss der Schüler selbst herausfinden.

Wenngleich wir davon ausgehen, dass ganze künftige Jahrhunderte nicht ausreichen werden, den gesamten Kreis der universalen Mysterien­sprache zu bewältigen, so ist doch selbst das wenige bislang von einigen Gelehrten in der Bibel Entdeckte für den Beweis der Behauptung vollkommen ausreichend – mathematisch. Da das Judentum selbst zwei der sieben Schlüssel benützte und diese beiden Schlüssel jetzt neu entdeckt worden sind, ist es nicht länger ein Gegenstand individueller Spekulation und Hypothese, am allerwenigsten der „Übereinstimmung“, sondern des richtigen Verständnisses der biblischen Texte, so wie jeder mit der Arithmetik Vertraute eine Addition oder Summe versteht und auf ihre Richtigkeit überprüft.6 Noch ein paar Jahre, und dieses System wird den toten Buchstaben der Bibel genauso zerstören wie den aller anderen exoterischen Glaubensrichtungen, indem es die Dogmen in ihrer wirklichen, unverhüllten Bedeutung zeigt.

Und dann wird diese unleugbare Bedeutung, wie unvollständig auch immer, das Mysterium des Seins enthüllen und außerdem die modernen wissenschaftlichen Systeme der Anthropologie, Ethnologie und speziell der Chronologie gänzlich verändern. Das Element des Phallizismus, das sich in jedem Gottesnamen und jeder Erzählung des Alten (und in einem gewissen Grad auch des Neuen) Testaments findet, könnte mit der Zeit ebenfalls die modernen materialistischen Anschauungen in der Biologie und Physiologie erheblich verändern.

Ihrer modernen, abstoßenden Derbheit entkleidet, werden solche Sicht­weisen von Natur und Mensch kraft der Autorität der Himmelskörper und ihrer Mysterien [SD # 319] die Entwicklungen des menschlichen Denkvermögens enthüllen und zeigen, wie natürlich sich solche Gedankengänge ergaben. Die sogenannten phallischen Symbole wurden lediglich durch das materielle und animalische Element in ihnen anstößig. Sie entstanden zusammen mit den archaischen Rassen und waren deshalb nichts anderes als natürlich. Nach allem, was sie wussten, waren sie aus einem androgynen Vorfahren hervorgegangen und deshalb nach ihrer eigenen Überzeugung die ersten phänomenalen Manifestationen der getrennten Geschlechter und durch das sich daraus ergebende Mysterium selbst zu Schöpfern geworden. Wenn spätere Rassen, insbesondere das „auserwählte Volk“, sie entwürdigten, berührt das den Ursprung jener Symbole nicht. Der kleine semitische Stamm – einer der kleinsten Zweige aus der Vermischung der vierten und fünften Unterrasse (der mongolisch-turanischen und der sogenannten indo-europäischen nach dem Untergang des großen Kontinents) –, konnte seine Symbologie letztlich nur in jenem Geist annehmen, welcher ihm von den Nationen überliefert wurde, von denen er abstammte. Vielleicht war in den mosaischen Anfängen jene Symbologie noch nicht so grob wie sie später durch die Behandlung von Esra wurde, der den gesamten Pentateuch umgestaltete. Denn die Glyphe der Tochter des Pharaos (die Frau), des Nils (die Große Tiefe und das Wasser) und des kleinen Jungen, der darin in einem Binsenkorb schwimmend gefunden wird, wurde ursprünglich nicht für oder von Moses gestaltet. Sie findet sich in den babylonischen Fragmenten auf Ziegeln vorweggenommen, in der Geschichte des Königs Sargon7, der lange vor Moses lebte. Was ist nun die logische Schlussfolgerung? Ganz sicherlich, dass wir das Recht haben zu behaupten, dass Esra die uns über Moses berichtete Geschichte während seines Aufenthalts in Babylon kennenlernte [SD # 320] und dass er die über Sargon erzählte Allegorie auf den jüdischen Gesetzgeber übertrug. Kurz gesagt, dass der Exodus niemals von Moses geschrieben, sondern aus alten Materialien von Esra neu zusammengestellt wurde.

Und wenn das so ist, warum sollten von diesem Adepten nicht auch noch weitere Symbole und Glyphen mit noch viel derberen phallischen Elementen der späteren chaldäischen und sabäischen Phallusverehrung hinzugefügt worden sein? Man lehrt uns, dass der ursprüngliche Glaube der Israeliten ziemlich verschieden war von dem, der Jahrhunderte später von den Talmudisten und vor ihnen von David und Hesekiel entwickelt wurde.

All das reicht – trotz des jetzt in den beiden Testamenten gefundenen exoterischen Elementes – vollkommen aus, um die Bibel zu den esoterischen Werken zählen zu können und ihr geheimes System mit indischer, chaldäischer und ägyptischer Symbolik in Zusammenhang zu bringen. Der gesamte Kreis biblischer Glyphen und Zahlen, wie sie durch astronomische Beobachtungen angedeutet werden – Astronomie und Theologie stehen in enger Beziehung – findet sich sowohl in exoterischen wie auch in esoterischen Systemen Indiens. Diese Ziffern und ihre Symbole, die Zeichen des Tierkreises, die Planeten, ihre Aspekte und Knoten – der letztere Ausdruck ist jetzt sogar in unsere moderne Botanik übergegangen, um männliche und weibliche Pflanzen zu unterscheiden (die eingeschlechtlichen, polygamen, einhäusigen, zweihäusigen etc. etc.) – sind in der Astronomie als Sextile, Quartile und so weiter bekannt, wurden vor Zeitaltern und Äonen von den archaischen Völkern benutzt und haben in einem gewissen Sinn dieselbe Bedeutung wie die hebräischen Zahlen. Die frühesten Formen der elementaren Geometrie müssen sicherlich durch die Beobachtung der Himmelskörper und ihrer Anordnung angeregt worden sein. Daher sind die archaischsten Symbole der östlichen Esoterik der Kreis, der Punkt, das Dreieck, die Ebene, der Würfel, das Pentagramm und das Sechseck sowie ebene Flächen mit unterschiedlichen Seiten und Winkeln. Das zeigt, dass die Kenntnis und der Gebrauch der geometrischen Symbolik so alt ist wie die Welt.

Wenn wir davon ausgehen, wird es leicht verständlich, wie die Natur selbst auch ohne die Hilfe der göttlichen Lehrer die ursprüngliche Menschheit diese ersten Prinzipien einer numerischen und geometrischen Symbolsprache lehren konnte.8 Deshalb bemerken wir, dass in sämtlichen archaischen symbolischen Schriften Zahlen und Ziffern zum [SD # 321] Ausdruck und zur Aufzeichnung von Gedanken verwendet werden. Es handelt sich immer um dieselben, von gewissen Variationen abgesehen, welche sich aus den ersten Ziffern ergeben. So wurden die Evolution und die Wechselbeziehung der Mysterien des Kosmos, seines Wachstums und seiner Entwicklung – spirituell und physisch, abstrakt und konkret – zuerst mittels geometrischer Formveränderungen aufgezeichnet. Jede Kosmogonie begann mit einem Kreis, einem Punkt, einem Dreieck und einem Würfel, aufwärts bis zur Zahl 9, worauf sie mit einer ersten Linie und einem Kreis zusammengefügt wurde – die pythagoreische, mystische Dekade, die Summe von allem, die Mysterien des gesamten Kosmos umfassend und sie zum Ausdruck bringend; die im hinduistischen System hundertfach vollständiger aufgezeichnet sind für denjenigen, der dessen mystische Sprache verstehen kann. Die Zahlen 3 und 4 in ihrer Verschmelzung zu 7 sowie 5, 6, 9 und 10 sind die wahren Ecksteine okkulter Kosmogonien. Diese Zehnergruppe und ihre tausend Kombinationen finden sich in allen Teilen des Globus. Man erkennt sie sowohl in den Höhlen und Felsentempeln Hindustans und Zentralasiens als auch in den Pyramiden und Felsmalereien Ägyptens und Amerikas; in den Katakomben des Ozymandias, in den Grabhügeln des schneebedeckten kaukasischen Hochlands, in den Ruinen von Palenque, auf der Osterinsel, überall, wohin der Fuß des Vorzeitmenschen jemals gelangte. Die 3 und die 4, das Dreieck und der Würfel oder die männliche und weibliche universale Glyphe, welche den ersten Aspekt der evolvierenden Gottheit zeigt, ist dem Himmel im Kreuz des Südens für immer eingeprägt und ebenso im ägyptischen Crux Ansata. Das findet sich auch so ausgedrückt: „Der auseinandergefaltete Würfel zeigt ausgebreitet ein Kreuz in der ägyptischen Form des Tau oder in der christlichen Form. . . . Ein an Ersteres angefügter Kreis bildet das Henkelkreuz. . . Die Zahlen 3 und 4 auf dem Kreuz gezählt zeigen eine Form des (hebräischen) goldenen Leuchters (im Allerheiligsten), und die 3 + 4 = 7, und 6 + 1 = 7 Tage im Wochenkreis sowie 7 Lichter der Sonne. So stellte die Woche aus 7 Lichtern auch den Ursprung von Monat und Jahr dar, so gibt sie auch das Zeitmaß für die Geburt. . . . Die Kreuzform zeigt sich dann durch das Verhältnis von 113 : 355, das Symbol wird durch das Anbringen eines Menschen am Kreuz vervollständigt.9 Diese Art des Maßes wurde gemacht, um es mit der Idee vom Ursprung des menschlichen Lebens abzustimmen, und daher die phallische Form.10

Die Stanzen zeigen, dass das Kreuz und diese Zahlen in der archaischen Kosmogonie eine herausragende Rolle spielen. Unterdessen können wir aus dem vom selben Verfasser gesammelten Beweismaterial Nutzen ziehen, um die über die ganze Erde reichende Identität der Symbole und ihre esoterische Bedeutung aufzuzeigen, welche der Autor mit Recht die „ursprünglichen Spuren dieser Symbole“ nennt.

[SD # 322] „Bei der allgemeinen Untersuchung der Natur der Zahlenformen . . . . ist es eine äußerst interessante Aufgabe zu erforschen, wann und wo ihre Existenz und ihr Gebrauch zuerst bekannt wurden. War es Gegenstand einer Offenbarung in der uns als historisch bekannten Zeit – einem Zyklus, der außerordentlich modern erscheint, wenn man das Alter der menschlichen Rasse betrachtet? In der Tat scheint es so zu sein, dass der Zeitpunkt ihrer Erlangung durch den Menschen von den alten Ägyptern aus gerechnet weiter in der Vergangenheit zurückliegt als die alten Ägypter von uns.

Die Osterinseln im ‘mittleren Pazifik’ bieten den Umriss übriggebliebener Berg­spitzen eines versunkenen Kontinents, weil diese Spitzen mit zyklopischen Statuen reichlich übersät sind, den Überbleibseln der Zivilisation eines bevölkerungsreichen und kultivierten Volkes, welches notwendigerweise ein weitläufiges Gebiet bewohnt haben muss. Auf dem Rücken dieser Standbilder findet sich das ‘Henkelkreuz’ sowie eine den Umrissen der menschlichen Gestalt angepasste Form davon. Eine ausführliche Beschreibung mit einer Tafel, die das Land mit den dicht gesäten Statuen darstellt, sowie mit Kopien der Standbilder, findet sich im Londoner Builder in der Ausgabe vom Januar 1870.

Im ‘Naturalist’, in Salem in Massachusetts publiziert, findet sich in einer der ersten Ausgaben eine Beschreibung einer sehr alten und merkwürdigen in die Kammwände der Berge Südamerikas eingeritzte Figur, die erwiesenermaßen viel älter ist als die heute lebenden Rassen. Das Sonderbare an diesen Spuren ist, dass sie die Umrisse eines auf ein Kreuz ausgestreckt liegenden Menschen zeigen11 – durch eine Serie von Abbildungen, welche aus dem Umriss eines Menschen den eines Kreuzes entspringen lässt, dabei aber so ausgeführt, dass man das Kreuz für den Menschen oder den Menschen für das Kreuz ansehen kann; auf diese Weise ist eine symbolische Darstellung für eine Interdependenz der dargelegten Formen gegeben.

Es ist bekannt, dass die Tradition der Azteken einen sehr vollkommenen Bericht über die Sintflut überlieferte. . . . Baron Humboldt sagt, dass wir das Land Aztlán suchen müssen, das ursprüngliche Land der Azteken – hoch im Norden, mindestens über dem zweiundvierzigsten Breitengrad; dorthin reisend, gelangten sie schließlich in das Tal Mexikos. In diesem Tal wurden die Erdhügel des fernen Nordens zu den eleganten Steinpyramiden und anderen Gebäuden, deren Überreste jetzt gefunden werden. Die Entsprechungen zwischen den aztekischen Ruinen und den Ruinen der Ägypter sind wohlbekannt. . . . Nachdem er Hunderte von ihnen untersucht hat, ist Attwater überzeugt, dass die Azteken astronomische Kenntnisse besaßen. Von einer der vollkommensten dieser aztekischen Pyramidenbauten gibt Humboldt eine Beschreibung folgenden Inhalts:

„Die Form dieser Pyramide (von Papantla), die sieben Stockwerke hat, läuft spitzer zu als jedes andere bisher entdeckte Monument dieser Art. Ihre Höhe jedoch ist unbedeutend und beträgt lediglich 57 Fuß, ihre Basis ist an allen Seiten nur 25 Fuß lang. Doch ist sie aus einem Grund bemerkenswert: Sie ist vollständig aus behauenen Steinen von außerordentlicher Größe und sehr schöner Form aufgebaut. Drei Treppen führen zur Spitze empor, deren Stufen mit hieroglyphischen Skulpturen und kleinen, symmetrisch angeordneten Nischen geschmückt sind. Die Zahl dieser Nischen scheint auf die 318 einfachen und zusammengesetzten Zeichen der Tage ihres bürgerlichen Kalenders anzuspielen.“

„318 ist der gnostische Wert Christi“, bemerkt der Autor, „und die berühmte Zahl der unterwiesenen oder beschnittenen Diener Abrahams. Wenn man [SD # 323] in Betracht zieht, dass 318 ein abstrakter Wert ist, und universal, und ebenso ausdrucksvoll wie der Wert des Durchmessers im Verhältnis zum Kreisumfang der Einheit, wird seine Verwendung bei der Abfassung des bürgerlichen Kalenders klar.“

Identische Glyphen, Zahlen und esoterische Symbole finden sich in Ägypten, Peru, Mexiko, auf der Osterinsel, in Indien, Chaldäa und Zentralasien. Gekreuzigte Menschen und Symbole der Evolution der Rassen aus Göttern; und doch sehen wir, wie die Wissenschaft die Idee einer menschlichen Rasse zurückweist, die nicht nach unserem Ebenbild gemacht ist; die Theologie klammert sich an ihre 6.000 Schöpfungsjahre; die Anthropologie lehrt unsere Abstammung vom Affen; und der Klerus leitet sie von Adam ab, 4.004 Jahre v. Chr. ! !

Soll man aus Furcht davor, als abergläubischer Narr und sogar Lügner bezeichnet zu werden, sich davon abhalten lassen, Beweise zu liefern – die so gut sind wie alle anderen – nur weil der Tag noch nicht heraufgedämmert ist, an dem alle sieben Schlüssel an die Wissenschaft übergeben sein werden, oder vielmehr an die Gelehrten und Forscher auf dem Gebiet der Symbologie? Angesichts der niederschmetternden Entdeckungen der Geologie und Anthropologie in Bezug auf das Alter des Menschen sollen wir – nur um der üblichen Strafe zu entgehen, die jeden erwartet, der von den ausgetretenen Pfaden der Theologie oder des Materialismus abweicht – uns an die 6.000 Jahre und die „besondere Schöpfung“ halten oder in untertäniger Bewunderung unseren Stammbaum und unsere Abstammung vom Affen annehmen? Keinesfalls, solange bekannt ist, dass die geheimen Aufzeichnungen die genannten sieben Schlüssel zum Mysterium der Entstehung des Menschen enthalten. Fehlerhaft, materialistisch und voreingenommen wie die wissenschaftlichen Theorien sein mögen, sind sie doch der Wahrheit tausendmal näher als die Launen der Theologie. Die Letzteren befinden sich für jeden, mit Ausnahme der unnachgiebigen Frömmler und Fanatiker, in ihrem Todeskampf.12 Wir haben daher keine andere Wahl als entweder die Schlussfolgerungen der Wissenschaft blindlings anzunehmen oder uns von ihr loszureißen und ihrem Anblick furchtlos Widerstand zu leisten, indem wir feststellen, was die Geheimlehre uns lehrt – vollständig darauf vorbereitet, die Konsequenzen zu tragen.

Aber wir wollen sehen, ob nicht die Wissenschaft in ihren materialistischen Spekulationen und selbst die Theologie in ihrem Todesröcheln und in ihrem äußersten Versuch, die seit Adam vergangenen 6.000 Jahre mit Sir Charles Lyells „Geological Evidences of the Antiquity of Man“ in Einklang zu bringen, uns nicht unbewusst zu Hilfe kommen. Nach dem Eingeständnis einiger ihrer gelehrtesten Jünger erachtet es die Ethnologie bereits als unmöglich, die Verschiedenheiten in der menschlichen Rasse zu erklären, ohne die Hypothese der Schöpfung verschiedener Adams anzunehmen. Sie sprechen von „einem weißen Adam und einem schwarzen Adam, einem [SD # 324] roten und einem gelben Adam“.13 Wären sie Hindus, welche die Wiedergeburten von Vamadeva aus dem Linga-Purana aufzählen, könnten sie noch ein wenig mehr berichten. Denn die Aufzählung der wiederholten Geburten Shivas zeigt ihn in einem Kalpa mit weißer, in einem anderen mit schwarzer, in noch einem anderen mit roter Hautfarbe, woraufhin der Kumara dann zu den „vier Jünglingen mit gelber Hautfarbe“ wird. Dieses seltsame Zusammentreffen, wie Procter sagen würde, spricht nur für die wissenschaftliche Intuition, da Shiva-Kumara die menschlichen Rassen während der Entstehung des Menschen lediglich allegorisch darstellt. Aber das führte zu einem anderen intuitiven Phänomen – dieses Mal in den Reihen der Theologen. Der unbekannte Verfasser von „Primeval Man“ bemerkt in einer verzweifelten Anstrengung, die göttliche Offenbarung vor den unbarmherzigen und beredten Entdeckungen der Geologie und der Anthropologie zu beschützen: „Es wäre unglücklich, wenn die Verfechter der Bibel in die Lage gebracht würden, entweder die Inspiration der Heiligen Schrift aufzugeben oder die Schlussfolgerungen der Geologen zu bestreiten.“ Und – er findet einen Kompromiss. Ja, er widmet dem Beweis dieser Tatsache sogar einen ganzen, umfangreichen Band: „Adam war nicht der erste Mensch,14 der auf dieser Erde erschaffen wurde.“ . . . Die exhumierten Überreste eines präadamischen Menschen „erschüttern unser Vertrauen in die Schrift nicht, sondern liefern vielmehr einen weiteren Beweis für ihre Wahrheit.“ (S. 194) Wieso? Auf die denkbar einfachste Art; denn der Verfasser argumentiert, dass hinfort „wir“ (der Klerus) imstande seien, die Wissenschaftler ihre Studien verfolgen zu lassen, ohne dabei versuchen zu müssen, sie aus Furcht vor Ketzerei einzuschränken . . . (das muss in der Tat eine Erlösung für Männer wie Huxley, Tyndall und Sir Charles Lyell sein). . . . „Die biblische Erzählung beginnt nicht mit der Schöpfung, wie allgemein angenommen wird, sondern mit der Erschaffung von Adam und Eva, Millionen von Jahren nach der Erschaffung unseres Planeten. Seine frühere Geschichte ist, was die Heilige Schrift betrifft, noch ungeschrieben.“ . . . . . „Vor der Zeit Adams mag es nicht eine, sondern zwanzig verschiedene Rassen auf der Erde gegeben haben, genauso gut wie es in anderen Welten zwanzig verschiedene Menschenrassen geben kann.“ (S. 55) . . . Wer oder was waren nun diese Rassen, da der Verfasser noch immer behauptet, Adam sei der erste Mensch unserer Rasse? Sie waren die satanische Rasse und Rassen! „Satan (war) niemals im Himmel, Engel und Menschen (waren) eine Art.“ Es war die voradamische Rasse der „Engel, die sündigten“. Satan war „der erste Fürst dieser Welt“, so lesen wir. Nachdem er infolge seiner Rebellion gestorben war, blieb er als entkörperter Geist auf der Erde und versuchte Adam und Eva. „Die früheren Zeitalter der satanischen Rasse und genauer während Satans Lebenszeit (! ! !) mögen eine Periode [SD # 325] patriarchalischer Zivilisation und verhältnismäßiger Ruhe gewesen sein – eine Zeit der Tubal-Kains und Jubals, in der sowohl die Wissenschaften als auch die Künste versuchten, ihre Wurzeln in den verfluchten Boden zu schlagen. . . . . Welch ein Thema für ein Epos. . . . (wenn) unvermeidliche Ereignisse existieren, die stattgefunden haben müssen. Vor uns sehen wir . . . . den heiteren Liebhaber der Vorzeit, der seine errötende Braut am taufrischen Abend unter den dänischen Eichen umwirbt, die damals wuchsen, wo heute keine Eichen wachsen würden . . . . den grauen urzeitlichen Patriarchen . . . . die urzeitliche Nachkommenschaft unschuldig an seiner Seite umhertollend. . . . . Tausende solcher Bilder erstehen vor uns!“ . . . . (S. 206-207).

Der rückwärts gewandte Blick auf die satanische „errötende Braut“ in den Tagen von Satans Unschuld verliert durch ihren Gewinn an Originalität nicht an Poesie. Ganz im Gegenteil! Die moderne christliche Braut – die vor ihren heiteren, modernen Liebhabern heutzutage nicht mehr allzu häufig errötet – könnte aus dieser von der überschwänglichen Fantasie ihres ersten menschlichen Biografen geschaffenen Tochter Satans selbst eine moralische Lektion herleiten. Diese Bilder – und um sie nach ihrem wahren Wert zu schätzen, muss man sie in dem Werk untersuchen, welches sie beschreibt – werden alle mit einer Tendenz beschrieben, die Unfehlbarkeit der geoffenbarten Schrift mit Sir C. Lyells „Antiquity of Man“ und anderen schädlichen wissenschaftlichen Werken zu versöhnen. Aber das verhindert nicht, dass am Grund dieser Launen Wahrheit und Tatsachen auftauchen, die der Verfasser weder mit seinem eigenen, ja nicht einmal mit einem geborgten Namen zu unterzeichnen wagte. Denn seine präadamischen Rassen – nicht satanische, sondern lediglich atlantische und vor ihnen hermaphroditische – werden in der Bibel, wenn man sie esoterisch liest, ebenso erwähnt wie in der Geheimlehre. Die sieben Schlüssel öffnen die vergangenen und zukünftigen Mysterien der sieben großen Wurzelrassen und der sieben Kalpas. Obwohl die Entstehungsgeschichte des Menschen und selbst die esoterische Geologie sicherlich von der Wissenschaft ebenso abgelehnt werden wie die satanischen und präadamischen Rassen, sind wir doch sicher, dass die Gelehrten, wenn sie keinen anderen Ausweg aus ihren Schwierigkeiten haben und gezwungen sind, zwischen den beiden zu wählen, trotz der Heiligen Schrift die archaische Lehre wählen werden, sobald die Mysteriensprache einmal annähernd beherrscht werden wird.

 

 

 

 

§ III
URSUBSTANZ UND GÖTTLICHER GEDANKE

„Da es unvernünftig erscheinen würde zu behaupten, dass wir bereits alle existierenden Ursachen kennen, muss die Erlaubnis erteilt werden, von einer gänzlich neuen wirkenden Kraft auszugehen, wenn es notwendig ist.

Wenn wir annehmen – was bis jetzt genau genommen noch nicht zutrifft –, dass die Wellenhypothese alle Tatsachen erklärt, sind wir aufgefordert zu entscheiden, ob die Existenz von Etherwellen hiermit erwiesen ist. Wir können nicht ausdrücklich bestätigen, [SD # 326] dass für die Erklärung der Tatsachen keine andere Hypothese existiert. Newtons Korpuskularhypothese ist zugegebenermaßen an der Interferenz gescheitert; und bis zum heutigen Tag besteht kein Konkurrent. Doch ist es bei allen solchen Hypothesen äußerst wünschenswert, zusätzliche Bestätigungen zu erlangen, für den angenommenen Ether irgendeinen Beweis aus einem anderen Bereich zu finden. . . . . Einige Hypothesen bestehen aus Annahmen in Bezug auf die kleinsten Strukturen und Wirkungsweisen von Körpern. Der Natur der Sache nach können diese Annahmen niemals unmittelbar bewiesen werden. Ihr einziger Vorzug liegt darin, zur Darstellung der Phänomene geeignet zu sein. Sie sind repräsentative Fiktionen.“ („Logic“ von Dr. jur. Alexander Bain, Teil II, S. 133)

Ether, dieser hypothetische Proteus, eine der „repräsentativen Fiktionen“ der modernen Wissenschaft – der nichtsdestoweniger schon so lange akzeptiert wird – ist eines der niedrigeren „Prinzipien“ dessen, was wir als Ursubstanz bezeichnen (in Sanskrit Akasha), einer der Träume des Altertums, der jetzt wiederum zum Traum der modernen Wissenschaft geworden ist. Er ist die größte wie auch die kühnste der überlebenden Spekulationen der alten Philosophen. Für die Okkultisten sind jedoch sowohl Ether als auch die Ursubstanz Wirklichkeiten. Um es klar auszudrücken: Ether ist das Astrallicht, und die Ursubstanz ist Akasha, der Upadhi des Göttlichen Gedankens.

In moderner Sprache würde man Letzteren besser kosmische Ideation nennen – Geist; und Erstere kosmische Substanz, Materie. Diese beiden, das Alpha und das Omega des Seins, sind lediglich die beiden Facetten der einen, absoluten Existenz. Letztere wurde im Altertum niemals beim Namen genannt, ja nicht einmal erwähnt, ausgenommen allegorisch. In der ältesten arischen Rasse, der hinduistischen, bestand diese Verehrung in den gebildeten Klassen niemals in einer glühenden Anbetung in wundervoller und künstlerischer Form (wie bei den Griechen), die später zu Anthropomorphismus führte. Der griechische Philosoph verehrte die Form, und nur der indische Weise erkannte „die wahre Beziehung zwischen irdischer Schönheit und ewiger Wahrheit“, die Ungebildeten aller Nationen verstanden unterdessen keines von beiden, zu keiner Zeit.

Sie verstehen es auch heute noch nicht. Die Entwicklung der Gottesvorstellung schreitet mit der intellektuellen Entwicklung des Menschen zusammen voran. Das ist so wahr, dass das edelste Ideal, zu dem sich der religiöse Geist eines Zeitalters emporschwingen kann, dem philosophischen Denken einer nachfolgenden Epoche lediglich wie eine grobe Karikatur erscheinen wird! Die Philosophen selbst mussten in erkenntnisreiche Mysterien initiiert werden, bevor sie die Vorstellungen der Alten in Bezug auf diesen höchst metaphysischen Gegenstand richtig erfassen konnten. Andererseits – außerhalb einer solchen Initiation – gibt es für jeden Denker ein „bis hier her und nicht weiter“, denn das ist durch seine eigene intellektuellen Fähigkeiten ebenso klar und unverkennbar vorgezeichnet wie der Fortschritt einer jeden Nation oder Rasse in ihrem Zyklus vom karmischen Gesetz vorgezeichnet ist. Außerhalb der Initiation müssen den Idealen des zeitgenössischen religiösen Denkens immer die Flügel gestutzt werden und es somit unfähig bleiben, weiter aufzusteigen; denn Idealisten wie auch Realisten und selbst Freidenker sind nur das Ergebnis und das natürliche Produkt ihrer betreffenden Umgebungen und Zeitperioden. Die Ideale beider sind lediglich [SD # 327] notwendige Folgen ihrer Temperamente und das Ergebnis der Phase des intellektuellen Fortschritts, welchen eine Nation in ihrer Gesamtheit erreicht hat. Wie bereits angemerkt, haben aus diesem Grund selbst die Höhenflüge der modernen (westlichen) Metaphysik die Wahrheit weit verfehlt. Viele der gegenwärtigen agnostischen Spekulationen über die Existenz der „Ersten Ursache“ sind wenig mehr als verhüllter Materialismus – nur die Ausdrucksweise ist verschieden. Selbst ein so großer Denker wie Herbert Spencer spricht von dem „Unerkennbaren“ mitunter in Worten, welche den tödlichen Einfluss des materialistischen Denkens zeigen, der, wie der tödliche Scirocco, alle gegenwärtigen ontologischen Spekulationen austrocknete und verdorren lies.15

Von den frühen Zeiten der vierten Rasse an – als der Geist allein verehrt und das Mysterium manifest wurde, bis hin zu den letzten glorreichen Tagen der griechischen Kunst beim Heraufdämmern des Christentums – hatten die Hellenen allein es gewagt, dem Unbekannten Gott einen öffentlichen Altar zu errichten. Was immer der Hl. Paulus mit seinem tiefgründigen Geist im Sinn hatte, als er den Athenern erklärte, dass dieser „Unbekannte“, den sie in Unwissenheit anbeteten, der wahre Gott sei, den er verkündete – diese Gottheit war nicht „Jehovah“ (siehe „Das Allerheiligste“), noch war er „der Erschaffer der Welt und aller Dinge“. Denn nicht der „Gott Israels“, sondern der „Unbekannte“ der alten und modernen Pantheisten ist es, welcher „nicht in Tempeln wohnt, die mit Händen gemacht sind“ (Apostelgeschichte 17,23-25).

Der Göttliche Gedanke kann nicht definiert und seine Bedeutung nicht erklärt werden, ausgenommen durch die zahllosen Manifestationen kosmischer Substanz, in welchen er von jenen, die dazu fähig sind, geistig erspürt wird. Das zu sagen, nachdem man ihn als die unbekannte Gottheit definiert hat, abstrakt, unpersönlich, geschlechtslos, welche an die Wurzel einer jeden Kosmogonie und ihrer nachfolgenden Evolution gesetzt werden muss, bedeutet, überhaupt nichts zu sagen. Es gleicht dem Versuch, eine transzendentale Bedingungsgleichung aufzustellen, um die wahren Werte ihrer Glieder zu ermitteln, wobei zur Berechnung lediglich eine Anzahl unbekannter Größen gegeben ist. Ihr Platz findet sich auf den alten, ursprünglichen, symbolischen Schaubildern, auf denen sie, wie bereits im Text gezeigt, mit einer unbegrenzten Dunkelheit dargestellt ist, auf deren Grund der erste zentrale Punkt in Weiß erscheint – wodurch die Erscheinung der gleich-alten und gleich-ewigen Geist-Materie in der phänomenalen Welt vor ihrer ersten Differenzierung symbolisiert wird. Wenn „die Eins zur Zwei wird“, [SD # 328] dann kann das als Geist und Materie bezeichnet werden. Auf den „Geist“ lässt sich jede Offenbarung reflektierenden oder unmittelbaren Bewusstseins und von unbewusster Absichtlichkeit zurückführen (um einen modernen Ausdruck zu adoptieren, der in der westlichen sogenannten Philosophie gebraucht wird), was das Lebensprinzip und die Unterwerfung der Natur unter die majestätische Abfolge des unveränderlichen Gesetzes bezeugt. „Materie“ muss als Objektivität in ihrer reinsten Abstraktion betrachtet werden – die selbstexistierende Basis, deren siebenfältige manvantarische Differenzierung die objektive Wirklichkeit bildet, die den Erscheinungen einer jeden Phase bewusster Existenz zugrunde liegt. In der Periode des universalen Pralayas ist die kosmische Ideenbildung nicht existent. Und die verschiedenartig differenzierten Zustände der kosmischen Substanz werden wiederum in den ursprünglichen Zustand abstrakter, potenzieller Objektivität aufgelöst.

Der manvantarische Impuls beginnt mit der Wiedererweckung der kosmischen Ideenbildung (des „Universalgemüts“), gleichzeitig und parallel mit dem ersten Auftauchen der kosmischen Substanz – Letztere ist das manvantarische Vehikel der Ersteren – aus ihrem undifferenzierten pralayischen Zustand. Dann spiegelt sich die Absolute Weisheit in ihrer Ideenbildung; das wieder resultiert durch einen transzendentalen, über das menschliche Bewusstsein erhabenen und ihm unverständlichen Prozess in kosmischer Energie (Fohat). Die Tiefen träger Substanz durchdringend, treibt Fohat sie zur Tätigkeit an und leitet ihre ursprünglichen Differenzierungen auf allen sieben Ebenen kosmischen Bewusstseins. So gibt es sieben Protyle (wie sie jetzt genannt werden), das arische Altertum kannte sie als die sieben Prakritis oder Naturen. Für sich genommen dienen sie als die relativ homogene Grundlage, die sich im Verlauf der zunehmenden Heterogenität (in der Evolution des Universums) zu der wunderbaren Zusammengesetztheit differenziert, welche wiederum die Erscheinungen auf den Ebenen der Wahrnehmung darbieten. Der Ausdruck „relativ“ wurde absichtlich gewählt, weil schon die Existenz eines solchen Vorgangs, der auf die ursprünglichen Trennungen der undifferenzierten kosmischen Substanz in die siebenfältigen Grundlagen der Evolution hinausläuft, uns dazu zwingt, die Protyle16 jeder Ebene lediglich als Zwischenzustand zu betrachten, welchen die Substanz bei ihrem Durchgang vom Abstrakten zu voller Gegenständlichkeit annimmt.

Es heißt, dass die kosmische Ideenbildung während der pralayischen Perioden nicht existiert – aus dem einfachen Grund, weil niemand und nichts zugegen ist, um ihre Wirkungen wahrzunehmen. Es kann keine Manifestation von Bewusstsein, Halbbewusstsein oder selbst „unbewusste Absichtlichkeit“ existieren, es sei denn durch das materielle Vehikel. [SD # 329] Auf unserer Ebene also, wo sich das menschliche Bewusstsein in seinem normalen Zustand nicht über das emporschwingen kann, was als transzendentale Metaphysik bekannt ist, erfolgt ein Emporquellen des Geistes nur durch eine molekulare Anhäufung oder Struktur in einem Strom individueller oder unterbewusster Subjektivität. Und da eine von Wahrnehmung getrennt existierende Materie eine bloße Abstraktion darstellt, befinden sich diese beiden Aspekte des Absoluten – kosmische Substanz und kosmische Ideenbildung – in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Um Verwirrung und Missverständnisse zu vermeiden, sollte genau genommen das Wort „Materie“ nur auf das Aggregat von Objekten möglicher Wahrnehmung und „Substanz“ auf das Noumenon angewendet werden; denn insofern die Phänomene unserer Ebene Schöpfungen des wahrnehmenden Egos sind – die Veränderungen seiner eigenen Subjektivität –, können für die Kinder unserer Ebene sämtliche „Materiezustände, welche das Aggregat aller wahrgenommenen Gegenstände darstellen“, nur eine relative und rein phänomenale Existenz aufweisen. Die Zusammenwirkung von Subjekt und Objekt bewirkt den Sinnesgegenstand oder das Phänomen, wie die modernen Idealisten sagen würden. Das aber führt nicht notwendigerweise zu dem Schluss, dass es auf allen anderen Ebenen dasselbe ist. Das Zusammenwirken beider auf den Ebenen ihrer siebenfältigen Differenzierung hat ein siebenfältiges Aggregat von Phänomenen zur Folge, welche auf die gleiche Weise nicht an sich existent sind – wenngleich sie auch für jene Wesenheiten, von deren Erfahrung sie einen Teil bilden, konkrete Wirklichkeiten darstellen – gerade so wie die Felsen und Flüsse um uns herum vom Standpunkt des Physikers aus gesehen real sind, es sich dabei aber aus Sicht des Metaphysikers um unwirkliche Sinnestäuschungen handelt. Es wäre ein Irrtum, etwas Derartiges zu sagen oder auch nur zu denken. Vom Standpunkt des höchsten Metaphysikers aus ist das ganze Universum, einschließlich der Götter, eine Illusion; doch ist die Illusion von einem, der selbst eine Illusion darstellt, auf jeder Bewusstseinsebene anders; und wir haben kein Recht dazu, über die mögliche Natur der Wahrnehmungsfähigkeiten eines Egos auf der, sagen wir, sechsten Ebene zu dogmatisieren, genauso wenig wie wir unsere Wahrnehmungen mit jenen einer Ameise, die ihre eigene Art von Bewusstsein hat, gleichstellen oder sie zum Maßstab dafür machen dürfen. Der reine, vom Bewusstsein17 getrennte Gegenstand ist uns unbekannt, solange wir auf der Ebene unserer dreidimensionalen Welt leben, denn wir kennen lediglich die Gemütszustände, welche der Gegenstand in dem wahrnehmenden Ego hervorruft. Und solange der Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt andauert – nämlich solange wir uns unserer fünf Sinne erfreuen und nicht mehr; und nicht wissen, wie unser alles wahrnehmendes Ego (das Höhere Selbst) von der Sklaverei dieser Sinne befreit werden kann – so lange wird es für das persönliche Ego unmöglich sein, die Schranke zu durchbrechen, die es von einer [SD # 330] Erkenntnis der Dinge an sich (oder der Substanz) trennt. Dieses Ego muss – fortschreitend auf einem Bogen der emporsteigenden Subjektivität – die Erfahrungen einer jeden Ebene ausschöpfen. Aber bevor die Einheit nicht in das Alles eingetaucht ist, sei es auf dieser oder einer anderen Ebene, und bevor Subjekt und Objekt nicht gleichermaßen in der absoluten Negation des nirvanischen Zustands verschwunden sind (Negation wiederum nur von unserer Ebene aus) – ist der Gipfel der All-Wissenheit, der Kenntnis der Dinge an sich, noch nicht erreicht; und die Lösung des noch erhabeneren Rätsels ist noch nicht herangerückt, vor welchem sich selbst der höchste Dhyan Chohan in Schweigen und Unwissenheit beugen muss – des unaussprechlichen Mysteriums dessen, was die Vedantisten Parabrahman nennen.

So liegt der Fall, und so haben alle, die versuchten, dem unerkennbaren Prinzip einen Namen zu geben, es nur herabgewürdigt. Selbst von kosmischer Ideenbildung zu sprechen – ausgenommen in ihrem phänomenalen Aspekt – gleicht dem Versuch, das ursprüngliche Chaos in Flaschen abzufüllen oder der Ewigkeit ein Etikett aufzukleben.

Was ist nun diese „Ursprüngliche Substanz“, jenes mysteriöse Objekt, von dem in der Alchemie immer die Rede war und die in allen Zeitaltern Thema philosophischer Spekulationen war? Was kann sie letztendlich sein, selbst in ihrer phänomenalen Prädifferenzierung? Selbst das ist in der manifestierten Natur Alles und – für unsere Sinne nichts. Sie wird unter verschiedenen Namen in sämtlichen Kosmogonien erwähnt und in allen Philosophien besprochen und erweist sich bis zum heutigen Tag als der sich immer dem Zugriff entziehende Proteus in der Natur. Wir berühren sie, und doch fühlen wir sie nicht; wir schauen sie, ohne sie zu sehen; wir atmen sie und nehmen sie nicht wahr; wir hören und riechen sie und haben nicht die geringste Kenntnis von ihrer Gegenwart, denn sie ist in jedem Molekül dessen, was wir in unserer Illusion und Unwissenheit als Materie in allen ihren Zuständen betrachten oder als eine Empfindung vorstellen, einen Gedanken, eine Emotion. . . . Kurz gesagt, sie ist der „Upadhi“ oder das Vehikel eines jeden möglichen physischen, intellektuellen oder psychischen Phänomens. In den einleitenden Sätzen der Genesis sowie in der chaldäischen Kosmogonie; in den Puranas Indiens und im ägyptischen Totenbuch – überall eröffnet sie den Kreislauf der Manifestation. Sie wird „Chaos“ genannt und das Antlitz der Wasser, vom Geist ausgebrütet, der aus dem Unbekannten hervorgeht, unter welchem Namen auch immer (siehe „Chaos, Theos, Kosmos“).

Die Autoren der heiligen Schriften Indiens gehen auf den Ursprung der Evolution der Dinge tiefer ein als Thales oder Hiob, denn sie sagen: „Aus Intelligenz (in den Puranas Mahat genannt) in Verbindung mit Unwissenheit (Iswara, als eine persönliche Gottheit) begleitet von ihrer projizierenden Kraft, in der die Eigenschaft der Unwissenheit (Tamas, Gefühlslosigkeit) überwiegt, geht Ether hervor – aus Ether Luft; aus Luft Wärme; aus Wärme Wasser und aus Wasser Erde ‘mit allem, was auf ihr existiert’. Aus diesem, aus eben diesem Selbst, wurde der Ether hervorgebracht“, sagt der Veda (Taittiriya-Upanishad“, 2. 1).

Es leuchtet somit ein, dass es nicht dieser Ether ist – auf der vierten [SD # 331] Stufe aus einer Emanation von Intelligenz in „Verbindung mit Unwissenheit“ entsprungen – welcher das hohe Prinzip ist, die vergöttlichende Wesenheit, welche von den Griechen und Lateinern unter dem Namen „Pater Omnipotens Aether“ und in seinem kollektiven Aggregat als „Magnus Aether“ verehrt wurde. Die Alten kannten in Bezug auf die Kräfte des Ethers kollektiv eine siebenfältige Abstufung, unzählige Unterabteilungen und Unterscheidungsmerkmale. Für alle Zweige der Wissenschaft war er immer ein ärgerliches Rätsel, von seinen äußeren Randeffekten, mit welchen unsere Wissenschaft so vertraut ist, bis hinauf zu der „unwägbaren Substanz“, einst als der „Ether des Raumes“ eingeräumt, aber momentan wieder abgelehnt. Die Mythologen und Symbologen heutzutage werden – von dieser unbegreiflichen Verherrlichung auf der einen und der Herabsetzung auf der anderen Seite verwirrt – von ein und derselben vergöttlichten Wesenheit und in denselben religiösen Systemen oft zu den lächerlichsten Irrtümern getrieben. Die Kirche, an allen ihren frühen, fehlerhaften Interpretationen wie an einem Felsen festhaltend, hat aus dem Ether den Aufenthaltsort ihrer satanischen Legionen18 gemacht. Die gesamte Hierarchie der „gefallenen“ Engel findet sich darin; die Kosmokratoren, oder „Weltenträger“ (nach Bossuet), die Mundi Tenentes – oder „Weltenhalter“, wie Tertullian sie nennt; und die Mundi Domini, die „Beherrschungen der Welt“ oder vielmehr die Beherrscher, die Curbati oder „Gekrümmten“ etc., die so aus den Sternen und den Himmelskörpern auf ihren Bahnen Teufel machen!

Während der Äther der Alten das universale Feuer ist, kann der zwischen den sieben Zuständen des Ethers getroffene Unterschied (der selbst wieder eines der sieben kosmischen Prinzipien ist) aus den Anordnungen Zoroasters, respektive Psellos’, gesehen werden. Ersterer sagte: „Befrage ihn nur dann, wenn er ohne Form oder Gestalt ist“ – absque forma et figura –, das bedeutet ohne Flammen oder brennende Kohlen. „Wenn er eine Form hat, beachte ihn nicht“, lehrte Psellos, „aber wenn er formlos ist, gehorche ihm, denn dann ist er das heilige Feuer, und alles was er Dir enthüllen wird, wird wahr sein.“19 Das beweist, dass Ether – selbst ein Aspekt von Akasha – seinerseits verschiedene Aspekte oder „Prinzipien“ besitzt.

Alle alten Nationen vergötterten den Äther in seinem unwägbaren Aspekt und seiner Kraft. Vergil nennt Jupiter Pater Omnipotens Aether, den „großen Äther“20. Die Hindus reihten ihn ebenfalls unter ihren Gottheiten ein; und zwar unter dem Namen Akasha (der Synthese von Äther). Und der Urheber des homerischen [SD # 332] Systems der Philosophie, Anaxagoras von Klazomenai, glaubte fest daran, dass die spirituellen Prototypen aller Dinge sowie deren Elemente im grenzenlosen Ether zu finden wären, wo sie erschaffen wurden, woraus sie sich entwickelten und wohin sie zurückkehrten ­– eine okkulte Lehre.

Es wird somit klar, dass aus dem Ether in seinem höchsten synthetischen Aspekt die erste Idee einer persönlichen, erschaffenden Gottheit entsprang, sobald er anthropomorphisiert wurde. Bei den philosophischen Hindus sind die Elemente Tamas, d. h. „vom Intellekt nicht erleuchtet, den sie verdunkeln“.

Wir müssen nun die Frage nach der mystischen Bedeutung des „ursprünglichen Chaos“ und des Wurzelprinzips erschöpfend behandeln und zeigen, in welchem Zusammenhang sie in den alten Philosophien mit Akasha standen, das fälschlich mit Äther übersetzt wurde; und auch mit Maya (Illusion) – deren männlicher Aspekt Iswara ist. Wir werden ferner von dem intelligenten „Prinzip“ sprechen oder vielmehr von den unsichtbaren immateriellen Eigenschaften der sichtbaren und materiellen Elemente, welche aus dem „ursprünglichen Chaos entsprangen“.

Denn: „Was ist das ursprüngliche Chaos anderes als Äther?“ wird in „Isis entschleiert“ gefragt. Nicht der moderne Ether; nicht so wie er jetzt anerkannt wird, sondern wie er den alten Philosophen lange vor der Zeit von Moses bekannt war; sondern der Äther mit all seinen mysteriösen und okkulten Eigenschaften, welcher die Keime der universalen Schöpfung in sich enthielt. Der höhere Äther oder Akasha ist die Himmlische Jungfrau und Mutter jeder existierenden Form und jeden Wesens, aus deren Schoß nach der „Inkubation“ durch den Göttlichen Geist Materie und Leben, Kraft und Tätigkeit, ins Dasein gerufen werden. Äther ist die Aditi der Hindus, und er ist Akasha. Elektrizität, Magnetismus, Wärme, Licht und chemische Reaktionen werden selbst heute noch so wenig verstanden, dass neue Fakten stets den Bereich unserer Kenntnisse erweitern. Wer weiß, wo die Macht dieses proteusartigen Riesen – des Äthers – endet; oder woher er seinen mysteriösen Ursprung nimmt? Wer, sagen wir, kann den Geist leugnen, der in ihm wirkt und alle sichtbaren Formen aus ihm heraus entwickelt?

Es wird eine leichte Aufgabe sein zu zeigen, dass die kosmogonischen Legenden der ganzen Welt auf einem Wissen der Alten über diese Wissenschaften beruht, die sich in unseren Tagen zur Unterstützung der Evolutionslehre verbündet haben; und dass weitere Forschung den Nachweis liefern kann, dass diese Alten mit der Tatsache der Evolution viel besser vertraut waren als wir es heute sind, sowohl vom physischen als auch vom spirituellen Gesichtspunkt aus betrachtet. „Bei den alten Philosophen war die Evolution ein universales Theorem, eine Lehre, die das Ganze umfasste, und ein anerkanntes Prinzip, während unsere modernen Evolutionisten uns lediglich spekulative Theorien vorsetzen können mit besonderen, wenn nicht gänzlich negativen Lehrsätzen. Es ist eine leere Drohung der Vertreter unserer modernen Weisheit, die Debatte nur aus dem einen Grund zu beenden und zu behaupten, die Frage sei geklärt, weil die dunkle Ausdrucksweise des mosaischen Berichts viel später mit der bestimmten Auslegung der ‘exakten Wissenschaft’ im Widerspruch steht.“ („Isis Unveiled“)

[SD # 333] Wendet man sich nun den „Gesetzen Manus“ (oder Satzungen) zu, findet man den Prototyp all dieser Ideen. In ihrer ursprünglichen Form (für die westliche Welt) meistens verloren, durch spätere Einfügungen und Zugaben entstellt, bewahrten sie nichtsdestoweniger genug von ihrem alten Geist, um dessen Charakter zu zeigen. „Die Finsternis entfernend, wurde der selbstexistierende Herr“ manifest (Vishnu, Narayana etc.) und „in dem Wunsch, Wesen aus seiner Wesenheit hervorzubringen, schuf er im Anbeginn das Wasser allein. In dieses warf er die Saat. . . . . Daraus entstand ein goldenes Ei.“ (Verse 6, 7, 8, 9) Woher kommt dieser selbstexistierende Herr? Er wird Dieses genannt und „Dunkelheit, unwahrnehmbar, ohne bestimmte Eigenschaften, unentdeckbar, als ob gänzlich in Schlaf versunken“ (Vers 5). Nachdem er ein ganzes göttliches Jahr in diesem Ei gewohnt hat, spaltet er, „der in der Welt Brahmâ genannt wird“, das Ei in zwei Teile. Aus dem oberen bildet er den Himmel, aus dem unteren die Erde und aus der Mitte den sichtbaren Himmel und „den ewigen Platz der Wasser“ (12, 13).

Unmittelbar auf diese Verse folgend findet sich etwas für uns Wichtigeres, da es unsere esoterischen Lehren vollständig bestätigt. Von Vers 14 bis 36 wird die Evolution in der Reihenfolge dargestellt, wie sie in der Esoterischen Philosophie beschrieben wird. Das kann kaum bestritten werden. Selbst Medhatithi, Sohn Virasvamins und Verfasser des ­Kom­mentars, des „Manu-bhasya“, der gemäß westlichen Orientalisten 1.000 v. Chr. lebte, hilft uns mit seinen Bemerkungen bei der ­Auf­klärung der Wahrheit. Er zeigte sich selbst entweder abgeneigt, mehr zu veröffentlichen, weil er jene Wahrheit kannte, die den Profanen vorzuenthalten war, oder er war wirklich verwirrt. Doch legt das, was er veröffentlicht, das siebenfältige Prinzip im Menschen und in der Natur ausreichend klar dar.

Beginnen wir mit Kapitel I der „Satzungen“ oder „Gesetze“, nachdem sich der selbstexistierende Herr, der sich nicht manifestierende Logos der unbekannten „Dunkelheit“, in dem goldenen Ei manifestiert. Aus diesem „Ei“, aus –

(11) dem, welches die ungetrennte (undifferenzierte) Ursache ist, ewig, das ist und nicht ist, aus diesem ging jener Männliche hervor, der in der Welt Brahmâ genannt wird. . . . .

Hier – sowie in allen echten philosophischen Systemen – finden wir das „Ei“ oder den Kreis (oder die Null), grenzenlose Unendlichkeit, mit Es21 bezeichnet; und Brahmâ, die erste Einheit allein, als den männlichen Gott benannt, d. h. als das befruchtende Prinzip. Dieses ist , oder 10 (zehn), die Dekade. Auf der Ebene der Siebenheit oder in unserer Welt wird es Brahmâ genannt. Auf der der vereinten Dekade, im Bereich der Wirklichkeit, ist dieser männliche Brahmâ eine Illusion.

(14) „Aus dem Selbst (atmanah) schuf er das Gemüt, (1) das ist und nicht ist; [SD # 334] (2) und aus dem Gemüt den Ego-ismus (Selbst-Bewusstsein), den Herrscher; (3) den Herrn.“

(1) Das Gemüt ist Manas. Medhatithi, der Kommentator, bemerkt hier mit Recht, dass es umgekehrt sei und zeigt bereits eine Einfügung und Umstellung; denn es ist Manas, das aus Ahamkara oder (universalem) Selbstbewusstsein entspringt, so wie Manas im Mikrokosmos aus Mahat oder Maha-Buddhi (Buddhi im Menschen) entspringt. Denn Manas ist dual; und wie Colebrooke zeigt und übersetzt, „ist es durch seine Affinität ein Organ, indem es mit dem Übrigen verwandt ist und damit sowohl der Empfindung als auch der Handlung dient. „Das Übrige“ bedeutet hier, dass Manas, unser fünftes Prinzip (das fünfte, weil der Körper als das erste bezeichnet wurde, was die Umkehrung der wahren philosophischen Reihenfolge darstellt)22, sowohl mit Atman-Buddhi als auch mit den niederen vier Prinzipien verwandt ist. Daher unsere Lehre: dass nämlich Manas dem Atman-Buddhi nach Devachan folgt, dass das niedere (der Bodensatz oder Überrest) Manas mit dem Kama-Rupa im Limbus oder Kama-Loka verbleibt, dem Aufenthaltsort der „Hüllen“.

(2) Das ist die Bedeutung von Manas, das „ist und nicht ist“.

(3) Medhatithi übersetzt es als „derjenige, der sich des Ichs bewusst ist“ oder das Ego, und nicht als „den Herrscher“, wie es die Orientalisten tun. So übersetzen sie auch Vers 16: „Nachdem er die feinen Teile jener sechs (das große Selbst und die fünf Sinnesorgane“ aus unermesslichem Glanz erschaffen hatte, um in die Elemente des Selbst (Atmamatrasu) einzutreten, erschuf er alle Wesen.“

Wenn es nach Medhatithi an Stelle von „Atmamatrasu“ Matra-Chit hieße, würde es folgendermaßen lauten:

„Er, der die feinen Teile jener sechs aus unermesslichem Glanz mit den Elementen des Selbst durchdrungen hatte, erschuf alle Wesen.“

Letztere Lesart muss die richtige sein, weil er, das Selbst, das ist, was wir Atman nennen und so das siebte Prinzip bildet, die Synthese der „sechs“. Das ist auch die Ansicht des Herausgebers des Manava Dharmashastra, der intuitiv viel tiefer in den Geist der Philosophie eingedrungen zu sein scheint als der Übersetzer der „Satzungen Manus“, der verstorbene Dr. Burnell. Denn er schwankt kaum zwischen dem Text des Kulluka und den Kommentaren des Medhatithi. Indem er die Tanmatras oder die feinen Elemente und das Atmamatrasu des Kulluka verwirft, sagt er, die Prinzipien auf das kosmische Selbst anwendend: „Die sechs scheinen vielmehr Manas plus die fünf Prinzipien von Ether, Luft, Feuer, Wasser, Erde zu sein“; „nachdem er fünf Teile jener sechs mit dem spirituellen Element (dem siebten) vereinigt hatte, schuf er (so) alle existierenden Dinge.“ Atmamatra ist daher das spirituelle Atom im Gegensatz zu den elementaren, nicht reflektiven „Elementen seiner selbst“. Die Übersetzung von Vers 17 korrigiert er folgendermaßen. (17) „Da die feinen Elemente der körperlichen Formen dieses Einen von den sechs abhängen, nennen [SD # 335] die Weisen seine Form Çarira (Sarira)“ – und er fügt hinzu, dass diese „Elemente“ hier Teile (oder Prinzipien) bedeuten, welche Deutung durch Vers 19 gerechtfertigt wird, in welchem es heißt:

(19) „Dieses Nichtewige (Universum) erhebt sich also aus dem Ewigen mithilfe der feinen Elemente der Formen jener sieben höchst herrlichen Prinzipien“ (Purusha).

Dazu bemerkt der Herausgeber laut Medhatithi, dass „die fünf Elemente plus Denkvermögen (Manas) und Selbstbewusstsein (Ahamkara)23 gemeint sind“. „Die feinen Elemente“ (bedeuten) wie zuvor „fünf Teile der Form“ (oder Prinzipien). Vers 20 zeigt dies, wenn er von diesen fünf Elementen oder „fünf Teilen der Form“ (Rupa plus Manas und Selbstbewusstsein) sagt, dass sie die „sieben Purusha“ oder Prinzipien bilden, in den Puranas die „sieben Prakritis“ genannt.

Weiter werden diese „fünf Elemente“ oder „fünf Teile“ in Vers 27 bezeichnet als „diejenigen, die atomisch zerstörbare Anteile genannt werden“ – und sich daher „von den Atomen Nyayas unterscheiden“.

Dieser aus dem Welten- oder Goldenen Ei hervortretende schöpferische Brahmâ vereinigt die männlichen und weiblichen Prinzipien in sich. Er ist, kurz gesagt, dasselbe wie alle schöpferischen Protologoi. Von Brahmâ könnte man jedoch nicht wie von Dionysos sagen: “ πρωτόγονον διφυῆ τρίγονον Βακχεῖον Ανακτα Αγριον ἀρρητὸν κρύφιον δικέρωτα δίμορφν – ein lunarer Jehovah, wahrlich Bacchus mit dem nackt vor seinem Symbol, der Bundeslade, tanzenden David – weil zügellose Dionysien niemals in seinem Namen und ihm zu Ehren eingerichtet worden wären. Jede derartige öffentliche Verehrung war exoterisch, und die großen universalen Symbole wurden überall entstellt – so wie die Vallabhacharyas Bombays, die Verehrer des kindlichen Gottes, jetzt die Symbole des Krishna entstellen. Aber sind diese volkstümlichen Götter die wahre Gottheit? Sind sie der Gipfel und die Synthese der siebenfältigen Schöpfung einschließlich des Menschen? Niemals! Jeder und alle sind Sprossen der siebenfältigen Leiter Göttlichen Bewusstseins, die heidnischen wie die christlichen. Es heißt, dass sich Ain Soph durch die sieben Buchstaben von Jehovahs Namen manifestiert, welchem, nachdem er sich des Platzes des Unbekannten Grenzenlosen bemächtigt hatte, von seinen Verehrern seine sieben Engel der Gegenwart – seine sieben Prinzipien – gegeben wurden. Und dennoch werden diese in fast jeder Schule erwähnt. In der reinen Sankhya-Philosophie werden Mahat, Ahamkara und die fünf Tanmatras die sieben Prakritis (oder Naturen) genannt, und sie werden von Maha-Buddhi oder Mahat zur Erde abwärts gezählt (siehe „Sankhya Karika“ III und Kommentare).

Wie stark jedoch die ursprünglich elohistische Version Esras für die Zwecke der Rabbiner entstellt wurde, wie widerwärtig selbst die [SD # 336] esoterische Bedeutung in den hebräischen Schriftrollen teilweise auch sein mag, tatsächlich weitaus schlimmer als der äußere Schleier oder die Verhüllung24 – sobald man die jehovistischen Teile ausschließt, findet man die Mosaischen Bücher erfüllt von rein okkultem und unschätzbarem Wissen, insbesondere in den ersten sechs Kapiteln.

Mithilfe der Kabbala gelesen, findet man einen unvergleichlichen Tempel okkulter Wahrheiten, eine Quelle tief verborgener Schönheit unter einem Gebäude versteckt, dessen sichtbare Architektur, trotz ihrer offensichtlichen Symmetrie, der kalten Kritik der Vernunft nicht standhalten und ihr Alter nicht enthüllen kann, da sie allen Zeitaltern angehört. In den exoterischen Fabeln der Puranas und der Bibel findet sich mehr Weisheit als in allen exoterischen Fakten und Wissenschaften der Weltliteratur und mehr okkulte, echte Wissenschaft als in sämtlichen Akademien auffindbare exakte Kenntnisse. Klarer und stärker ausgedrückt, findet sich in einigen Teilen der exoterischen Puranas und des Pentateuch wohl so viel esoterische Weisheit wie Unsinn und vorsätzliche, kindische Fantasie, wenn sie nur nach dem toten Buchstaben der mörderischen Interpretationen der großen dogmatischen Religionen und insbesondere der Sekten gelesen werden.

Man lese die ersten Verse von Kapitel 1 der Genesis und denke darüber nach. Dort befiehlt „Gott“ einem weiteren, seinem Gebot Folge leistenden „Gott“ – selbst in der autorisierten, vorsichtigen, englisch-protestantischen Übersetzung von König Jakob I.

Im „Anfang“, die hebräische Sprache kennt kein Wort, um die Idee der Ewigkeit auszudrücken25, schuf „Gott“ Himmel und Erde; und Letztere war „wüst und leer“, während Ersterer in der Tat kein Himmel, sondern die „Tiefe“, Chaos, ist – Finsternis war über der Tiefe.26

„Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“ (Vers 2) oder der großen Tiefe des unendlichen Raumes; und dieser Geist ist Nara-Yana oder Vishnu.

[SD # 337] „Und Gott sprach: Es werde eine Ausdehnung inmitten der Wasser . . . “ (Vers 6), und „Gott“, der zweite, gehorchte und „Gott machte die Ausdehnung“ (Vers 7) – „Und Gott sprach: Es werde Licht.“ Und „es ward Licht“. Nun bedeutet das Letztere überhaupt nicht Licht, sondern in der Kabbala den androgynen „Adam Kadmon“ oder Sephira (spirituelles Licht), denn sie sind eins; oder – nach dem chaldäischen „Buch der Zahlen“ – die zweiten Engel; die ersten sind die Elohim, die das Aggregat des „formenden“ Gottes darstellen. Denn an wen sind diese Anordnungen gerichtet? Und wer erteilt die Befehle? Das ewige Gesetz gibt die Befehle, und Folge leisten ihnen die Elohim, die bekannte Quantität, welche in und mit x wirkt oder dem Koeffizienten der unbekannten Quantität, den Kräften der einen Kraft. All das ist Okkultismus und findet sich in den archaischen Stanzen. Es ist vollständig immateriell, ob wir diese „Kräfte“ als Dhyan Chohans bezeichnen oder mit dem Heiligen Johannes als Ophanim.

„Das eine Universale Licht, welches für den Menschen die Finsternis ist, existiert immer“, sagt das „Chaldäische Buch der Zahlen“. Aus ihm geht periodisch die Energie hervor, welche in der „Tiefe“ oder dem Chaos reflektiert wird, der Vorratskammer der zukünftigen Welten; und erst einmal erweckt, rüttelt diese Energie die verborgenen Kräfte auf und befruchtet sie; die verborgenen Kräfte sind die immer gegenwärtigen, ewigen Potenzialitäten in ihr. Dann erwachen die Brahmâs und Buddhas von Neuem – die gleich ewigen Kräfte – und ein neues Universum tritt ins Dasein. . . . .

Im „Sefer Jezirah“, dem kabbalistischen Schöpfungsbuch, hat der Verfasser offenbar die Worte Manus wiederholt. In ihm wird die göttliche Substanz dargestellt, wie sie allein seit Ewigkeit existiert, grenzenlos und absolut; und wie sie aus sich selbst den Geist27 aussandte. „Eins ist der Geist des lebendigen Gottes, gepriesen sei Sein Name, der da lebt für immer! Stimme, Geist und Wort, das ist der Heilige Geist.“28 Und das ist die kabbalistische abstrakte Dreieinigkeit, welche von den christlichen Kirchenvätern ganz ungezwungen anthropomorphisiert wurde. Aus dieser dreifachen Eins emanierte der gesamte Kosmos. Zuerst emanierte aus der Eins die Zahl Zwei oder Luft (der Vater), das schöpferische Element; und dann die Zahl Drei, das Wasser (die Mutter), hervorgegangen aus der Luft; Ether oder Feuer vervollständigt die mystische Vier, den Arba-il.29 „Als der Verborgene Sich selbst aus dem Verborgenen offenbaren wollte, machte er zuerst einen Punkt (den ursprünglichen Punkt oder den ersten Sephiroth, Luft oder den Heiligen Geist), brachte ihn in eine heilige Form (die zehn Sephiroth oder den Himmlischen Menschen) und deckte ein reiches und glänzendes Gewand darüber, welches die Welt ist.“30

[SD # 338] „Er macht den Wind zu Seinem Boten, das flammende Feuer zu Seinem Diener,“ sagt die Jezirah, die damit den kosmischen Charakter der später euhemerisierten Elemente31 zeigte und dass der Geist alle Atome im Kosmos durchdringt.

Diese „ursprüngliche Substanz“ wird von einigen Chaos genannt: Platon und die Pythagoreer nannten sie die Weltseele, nachdem sie vom Geist dessen, was über den ursprünglichen Wassern oder dem Chaos brütet, befruchtet worden war. Indem das brütende Prinzip sich in ihm reflektierte – sagen die Kabbalisten –, schuf es das Truggebilde eines sichtbaren, manifestierten Universums. Chaos, davor – Ether, danach die „Reflexion“, ist immer noch die Gottheit, die den Raum und alle Dinge durchdringt. Er ist der unsichtbare, unwägbare Geist der Dinge, und das unsichtbare, aber nur allzu gut fühlbare Fluidum, das aus den Fingern des gesunden Magnetiseurs ausstrahlt, denn es ist die Lebenselektrizität – das Leben selbst. Vom Marquis de Mirville spöttisch der „nebelhafte Allmächtige“ genannt, heißt der Ether bis zum heutigen Tag bei den Theurgisten und Okkultisten das „lebendige Feuer“; und es gibt keinen Hindu, der zur Morgendämmerung eine gewisse Art von Meditation übt, ohne seine Wirkungen zu kennen.32 Es ist der „Geist des [SD # 339] Lichts“ und Magnes. Wie von einem Gegner richtig formuliert, sind Magus und Magnes zwei aus demselben Stamm wachsende und dieselben Resultate austreibende Zweige. Und in dieser Bezeichnung eines „lebendigen Feuers“ können wir auch den Sinn des verwirrenden Satzes im Zendavesta entdecken: Es ist „ein Feuer, das die Kenntnis der Zukunft, die Wissenschaft und eine liebenswürdige Sprache verleiht“, d. h. in Sibyllen, Sensitiven und selbst in gewissen Rednern bewirkt es eine außerordentliche Beredsamkeit.

Von diesem „Feuer“ sprechen sowohl alle Hindu-Bücher als auch die kabbalistischen Werke. Der „Zohar“ erklärt es als das „weiße, verborgene Feuer in Resha Trivrah“ (dem Weißen Haupt), dessen Wille die feurige Flüssigkeit in 370 Strömen in jede Richtung des Universums fließen lässt. Es ist dasselbe wie die „sich in 370 Sprüngen bewegende Schlange“ der Siphrah Dzeniouta, die – sobald der „vollkommene Mensch“, der Metatron, errichtet worden ist, der Göttliche Mensch also im tierischen Menschen wohnt – zu drei Geistern wird, d. h. in unserer theosophischen Nomenklatur wird es zu Atman-Buddhi-Manas (siehe Teil II in Band II, § 3, „Die vielen Bedeutungen des Krieges im Himmel“).

Geist also oder kosmische Ideenbildung und kosmische Substanz – von deren Prinzipien eines der Ether ist – sind eins, und schließen die Elemente in dem Sinn in sich ein, wie der Hl. Paulus sie versteht. Diese Elemente sind die verschleierte Synthese und stehen für die Dhyan Chohans, Devas, Sephiroth, Amschaspands, Erzengel etc. etc. Der Ether der Wissenschaft – den Ilus des Berossos oder das Protyl der Chemie – bildet sozusagen das Rohmaterial (relativ), aus welchem die oben genannten „Baumeister“ den für sie ewig im Göttlichen Gedanken vorgezeichneten Plan ausführen und die Systeme des Kosmos ausarbeiten. Das sind „Mythen“, sagt man uns. „Nicht mehr als der Ether und die Atome“, antworten wir. Die beiden Letzteren sind für die Physik absolute Notwendigkeiten, und die „Baumeister“ sind eine ebenso absolute Notwendigkeit für die Metaphysik. Wir werden verhöhnt: „Ihr habt sie nie gesehen.“ Und wir fragen die Materialisten: „Habt ihr jemals den Ether oder eure Atome oder auch nur eure Kraft gesehen?“ Einer der größten westlichen Evolutionisten der Neuzeit, A. R. Wallace, ein Gehilfe Darwins, wenn er die natürliche Selektion allein als nicht ausreichend bezeichnet zur Erklärung der körperlichen Form des Menschen – räumt obendrein ein, dass die lenkende Wirkung „höherer Intelligenzen“ ein notwendiger Bestandteil der großen Gesetze sei, die das materielle Universum regieren“ („Contributions to Theory of Natural Selections“).

Diese „höheren Intelligenzen“ sind die Dhyan Chohans der Okkultisten.

In der Tat gibt es nur wenige Mythen in den Religionssystemen, welche diesen Namen verdienen und die sowohl eine historische als auch eine wissenschaftliche Begründung haben. „Mythen“, bemerkt Pococke zu Recht, „erweisen sich just als Fabeln, und zwar genau in dem Verhältnis, wie wir sie miss­verstehen; und als Wahrheiten in dem Verhältnis, in dem sie einst verstanden wurden.

Die eine vorherrschende und am stärksten ausgeprägte Idee – die sich [SD # 340] in Bezug auf kosmische Evolution und die erste „Schöpfung“ unseres Globus mit allen seinen organischen und anorganischen (ein wunderliches Wort aus dem Munde eines Okkultisten) Produkten in jeder alten Lehre finden lässt – ist die, dass der gesamte Kosmos aus dem Göttlichen Gedanken entsprungen ist. Dieser Gedanke befruchtet die Materie, die gleich-ewig ist mit der Einen Wirklichkeit. Und alles, was lebt und atmet, evolviert aus den Emanationen des Einen Unveränderlichen – Parabrahman = Mulaprakriti, die ewige Wurzel-Einheit. Das Erstere dieser beiden ist sozusagen der Aspekt des nach innen in solche Gebiete gewendeten Mittelpunkts, die dem menschlichen Intellekt ziemlich unzugänglich sind, und es ist absolute Abstraktion; während es in seinem Aspekt als Mulaprakriti – der ewigen Wurzel von allem – zumindest ein nebelhaftes Verständnis des Mysteriums des Seins vermittelt.

„Daher wurde in den inneren Tempeln gelehrt, dass dieses sichtbare Universum aus Geist und Materie lediglich das konkrete Bild der idealen Abstraktion darstellt. Es wurde nach dem Modell der ersten Göttlichen Idee gebildet. Seit ewig existierte unser Universum in einem latenten Zustand. Die Seele, die dieses rein geistige Universum belebt, ist die Zentralsonne, die höchste Gottheit selbst. Nicht der Eine bildete die konkrete Form der Idee, sondern der Erstgeborene; und als sie nach der geometrischen Form des Dodekaeders33 entworfen war, ‘freute sich’ der Erstgeborene darauf, ‘12.000 Jahre auf ihre Erschaffung zu verwenden’. Diese Zahl wird in der tyrrhenischen Kosmogonie34 zum Ausdruck gebracht, welche den Menschen als im sechsten Jahrtausend erschaffen betrachtet. Das stimmt mit der ägyptischen Theorie der 6.000 ‘Jahre’35 und mit der hebräischen Berechnung überein. Aber es stellt die exoterische Form der Berechnung dar. Die geheime Berechnung erklärt, dass es sich bei den ‘zwölf Tausend und 6.000 Jahren’ um Jahre Brahmâs handelt, und ein Tag Brahmâs 4.320.000.000 Jahre dauert. Sanchuniathon36 erklärt in seiner Kosmogonie, dass – als der Wind (Geist) sich in seine eigenen Prinzipien (Chaos) verliebte – eine innige Vereinigung stattfand. Diese Verbindung wurde Pothos genannt und brachte den Samen von allem hervor. Und das Chaos wusste nichts von seiner eigenen Erschaffung, denn es war ohne Sinne; aus seiner Umarmung mit dem Wind jedoch wurde Mot erzeugt, oder der Ilys (Schlammgrund).37 Daraus gingen die Schöpfungssporen und die Erschaffung des Universums hervor.

Zeus-Zen (Äther) sowie Chthonia (die chaotische Erde) und Metis (Wasser), seine Gemahlinnen; Osiris – jener Gott, der ebenfalls den Ether repräsentiert – und Isis-Latona, die erste Emanation der höchsten Gottheit, Amun, die ursprüngliche Quelle des Lichts; wiederum die Göttin Erde und Wasser; Mithras38, der felsengeborene Gott, das Symbol des männlichen Weltenfeuers oder das personifizierte Urlicht; und Mithra, die Feuergöttin – zugleich seine Mutter und seine Gemahlin: das reine Element des Feuers (das tätige oder männliche Prinzip), das als Licht und Wärme angesehen wird in Verbindung mit Erde und Wasser oder Materie (dem weiblichen oder passiven Element der kosmischen Zeugung); [SD # 341] Mithras ist der Sohn Bordjs, des persischen Weltenbergs39, aus dem er als glänzender Lichtstrahl hervorblitzte. Brahmâ, der Feuergott und seine fruchtbare Gemahlin; und der hinduistische Agni, die strahlende Gottheit, aus deren Körper tausend Ströme von Glanz und sieben Flammenzungen hervorgehen und dem zu Ehren gewisse Brahmanen bis zum heutigen Tag ein ewiges Feuer unterhalten; Shiva, personifiziert durch Meru, den Weltenberg der Hindus: diese fantastischen Feuergötter, die der Legende nach wie der jüdische Jehovah in einer Feuersäule vom Himmel herabstiegen; und ein Dutzend anderer archaischer, doppelgeschlechtlicher Gottheiten; sie alle verkünden laut ihre verborgene Bedeutung. Und was könnten diese dualen Mythen anderes bedeuten als das psycho-chemische Prinzip der ursprünglichen Schöpfung? Die erste Evolution in ihrer dreifachen Manifestation als Geist, Kraft und Materie; die göttliche Wechselbeziehung an ihrem Ausgangspunkt, versinnbildlicht durch die Hochzeit von Feuer und Wasser, den Produkten des elektrisierenden Geistes, die Vereinigung des männlichen aktiven Prinzips mit dem weiblichen passiven Element, die die Eltern ihres tellurischen Kindes werden, kosmischer Materie, der Prima Materia, deren Seele der Äther und deren Schatten das Astrallicht ist“ („Isis Unveiled“).

Die Fragmente der uns erhaltenen Systeme werden heute als törichte Fabeln zurückgewiesen. Die okkulte Wissenschaft – die selbst die große Flut überlebte, welche die vorsintflutlichen Riesen und mit ihnen sogar die Erinnerung an sie verschlang, von den in der Geheimlehre, der Bibel und anderen Schriften erhaltenen Berichten abgesehen – besitzt noch immer den Schlüssel zu allen Weltproblemen.

Wenden wir diesen Schlüssel also auf die spärlichen Fragmente längst vergessener Kosmogonien an; und versuchen wir, mithilfe ihrer verstreuten Teile die einst universale Kosmogonie der Geheimlehre wieder herzustellen. Der Schlüssel passt bei allen. Niemand kann ernsthaft die alten Philosophien studieren, ohne wahrzunehmen, dass die auffallende Ähnlichkeit der Vor­stellungen in all diesen Kosmogonien, welche in ihrer exoterischen Form sehr häufig und in ihrem verborgenen Geist unwandelbar zu Tage treten, nicht das Werk bloßen Zufalls ist, sondern sich aus einem übereinstimmenden Plan ergibt: und dass in der Jugendzeit der Menschheit lediglich eine Sprache, eine Erkenntnis und eine universale Religion existierte, als es noch keine Kirchen, keine Glaubensbekenntnisse oder Sekten gab, sondern jeder Mensch sein eigener Priester war. Und wenn gezeigt wird, dass sich das religiöse Denken des Menschen auf allen Teilen des Globus in übereinstimmender Sympathie bereits in jenen frühen Zeiten entwickelte, die sich unseren Blicken durch das üppige Wachstum der Tradition entziehen; dann wird es offensichtlich, dass dieses Denken, unabhängig vom Breitengrad, im kalten Norden oder im sengenden Süden, im Osten oder Westen, von denselben Offenbarungen inspiriert war und dass der Mensch unter dem schützenden Schatten ein und desselben Baums der Erkenntnis aufgezogen wurde.

 

 

[SD # 342]
§
IV
Chaos – Theos – Kosmos

Diese drei bilden den Inhalt des Raums; oder, wie ein gelehrter Kabbalist es definierte: „Raum, der alles enthaltende Nichtenthaltene, ist die ursprüngliche Verkörperung der einfachen Einheit. . . . grenzenlose Ausdehnung.“40 Aber er fragt wiederum: „Grenzenlose Ausdehnung wovon?“ – und gibt die richtige Antwort: „Von dem unbekannten Enthalter von Allem, der Unbekannten Ersten Ursache.“ Das ist eine höchst richtige Definition und Antwort, höchst esoterisch und wahr, von jedem Gesichtspunkt der okkulten Lehre aus betrachtet.

In ihrer Unwissenheit und bilderstürmerischen Neigung zur Zerstörung jeder philosophischen Idee des Altertums proklamierten die modernen Besserwisser den Raum als „eine abstrakte Idee“ und als eine Leere, tatsächlich ist er jedoch der Enthalter und der Körper des Universums mit seinen sieben Prinzipien. Er ist ein Körper von grenzenloser Ausdehnung, dessen Prinzipien, in okkulter Ausdrucksweise – jedes seinerseits eine Siebenheit – in unserer Erscheinungswelt lediglich das gröbste Gewebe ihrer Unterabteilungen manifestieren. „Niemand hat jemals die Elemente in ihrer Gänze gesehen“, vermittelt die Lehre. Wir müssen unsere Weisheit in den ursprünglichen Äußerungen der Urvölker und in ihren Synonymen finden. Selbst die spätesten dieser Urvölker, die Juden, zeigen in ihren kabbalistischen Lehren dieselbe Idee, d. h. die siebenköpfige Schlange des Raums, „die Große See“ genannt. „Im Anbeginn schufen die Elohim die Himmel und die Erde; die 6 (Sephiroth). . . . Sie erschufen sechs, und auf diesen beruhen alle Dinge. Und diese (sechs) hängen von den sieben Formen des Craniums ab, bis hinauf zum Erhabensten alles Erhabenen („Siphrah Dzeniouta“, I, § 16), siehe Teil ii, Band II „Ancient Divisions and the Mystic Numbers“.

Nun waren die Begriffe Wind, Luft und Geist seit jeher bei allen Nationen sinnverwandt. Pneuma (Geist) und Anemos (Wind) bei den Griechen, Spiritus und Ventus bei den Lateinern waren austauschbare Begriffe, selbst wenn sie von der ursprünglichen Vorstellung vom Lebensatem getrennt wurden. In den „Kräften“ der Wissenschaft sehen wir lediglich die materielle Auswirkung des spirituellen Einflusses vom einen oder anderen der vier ursprünglichen Elemente, welche uns von der vierten Rasse ebenso vererbt wurden wie wir den Ether (oder vielmehr seine grobe Unterabteilung) in seiner Gänze der sechsten Wurzelrasse vererben werden. Das wird in diesem und im folgenden Band erklärt.

Das „Chaos“ wurde bei den Alten als empfindungslos bezeichnet, weil es (Chaos und Raum waren synonym) sämtliche Elemente in ihrem rudimentären, undifferen­zierten Zustand repräsentierte und sie in sich enthielt. Sie machten Ether, das fünfte Element, zur Synthese der anderen vier; denn der Äther der griechischen Philosophen war nicht gleichbedeutend mit seinem Bodensatz (Ether) – von welchem sie tatsächlich mehr wussten [SD # 343] als die heutige Wissenschaft – der ganz richtig als ein Vermittler angenommen wird für viele der Kräfte, die sich auf der Erde offenbaren. Ihr Äther war der Akasha der Hindus; der von der Physik angenommene Ether ist lediglich einer seiner Unterabteilungen auf unserer Ebene – das Astrallicht der Kabbalisten mit all seinen sowohl üblen als auch nützlichen Wirkungen.

In Anbetracht dessen, dass die Essenz des Äthers oder des unsichtbaren Raums als vermeintlicher Schleier der Gottheit für göttlich erachtet wurde, betrachtete man ihn als das Medium zwischen diesem und dem nächsten Leben. Die Alten nahmen an, dass im Falle des Rückzugs der lenkenden, tätigen „Intelligenzen“ (der Götter) von irgendeinem Teil des Ethers in unserem Raum – einem der vier Bereiche, welchen sie vorstehen – diese besondere Region dem Besitz des Bösen überlassen war, der wegen der Abwesenheit des Guten in dieser Region so bezeichnet wurde.

„Die Anwesenheit des Geistes in dem gemeinsamen Mittler, dem Ether, wird vom Materialismus abgestritten, während die Theologie aus ihm einen persönlichen Gott macht. Der Kabbalist aber behauptet, dass beide im Unrecht sind und sagt, dass im Ether die Elemente lediglich die Materie repräsentieren – die blinden kosmischen Kräfte der Natur; Geist hingegen repräsentiert die sie leitende Intelligenz. Die arischen, hermetischen, orphischen und pythagoreischen kosmogonischen Lehren sowie die von Sanchuniathon und Berossos beruhen allesamt auf einer unwiderlegbaren Formel, nämlich dass Äther und Chaos, oder in der platonischen Ausdrucksweise Geist und Materie, die beiden ursprünglichen und ewigen Prinzipien des Universums seien, gänzlich unabhängig von allem anderen. Ersterer war das alles belebende intellektuelle Prinzip; Chaos hingegen ein formloses, flüssiges Prinzip, ohne ‘Form oder Sinn’, und aus der Vereinigung dieser beiden trat das Universum ins Dasein, oder vielmehr die universale Welt, die erste androgyne Gottheit – die chaotische Materie wurde ihr Körper und Ether ihre Seele. In der Ausdrucksweise eines Fragments von Hermeias lautet es: ‘Das Chaos, aus dieser Vereinigung mit dem Geist den Sinn erlangend, leuchtete in Wonne, und so ward Protogonos hervorgebracht, das (erstgeborene) Licht.’41 Das ist die auf den metaphysischen Vorstellungen der Alten beruhende universale Dreieinigkeit, welche auf der Grundlage der Analogie den Menschen, welcher eine Verbindung von Intellekt und Materie ist, zum Mikrokosmos des Makrokosmos oder des großen Universums machten.“ („Isis entschleiert“)

„Die Natur verabscheut das Vakuum“, sagten die Peripatetiker. Obwohl sie auf ihre eigene Weise Materialisten waren, verstanden sie vielleicht doch, warum Demokrit mit seinem Lehrer Leukippos unterrichtete, dass die ersten Prinzipien aller im Universum enthaltenen Dinge Atome und ein Vakuum waren. Letzteres bedeutet lediglich eine latente Gottheit oder Kraft; sie war vor ihrer ersten Offenbarung, in welcher sie zum Willen wurde – der diesen Atomen den ersten Impuls übermittelte –, das große Nichts, Ain Soph oder Nichtding; und daher in jedem Sinn eine Leere – oder Chaos.

Jenes Chaos wurde indes nach Platon und den Pythagoreern zur „Seele der Welt“. Nach der indischen Lehre durchdringt die Gottheit in der Gestalt des Äthers (Akasha) alle Dinge; daher wurde sie [SD # 344] von den Theurgisten das „lebendige Feuer“, der „Geist des Lichts“ und manchmal Magnes genannt. Nach Platon bildete die höchste Gottheit selbst das Universum in der geometrischen Gestalt des Dodekaeders; und ihr „Erstgeborener“ wurde vom Chaos und dem ursprünglichen Licht (der Zentralsonne) zur Geburt gebracht. Dieser „Erstgeborene“ war indes lediglich das Aggregat der Schar der „Baumeister“, der ersten konstruktiven Kräfte, welche in alten Kosmogonien die Alten genannt werden (aus der Tiefe oder dem Chaos geboren) und der „erste Punkt“. Er ist das sogenannte Tetragrammaton an der Spitze der sieben unteren Sephiroth. Das war der Glaube der Chaldäer. Philo, der Jude, äußert sich ziemlich gedankenlos über die ersten Unterweiser seiner Vorfahren, indem er schreibt: „Diese Chaldäer waren der Ansicht, dass der Kosmos unter den Dingen, die existieren (?), ein einzelner Punkt ist, der entweder Gott (Theos) selbst ist oder in dem Gott ist, die Seele aller Dinge umfassend.“ (Siehe seine Wanderung Abrahams“, § 32)

Chaos-Theos-Kosmos sind lediglich die drei Aspekte ihrer Synthese – des Raums. Man kann niemals hoffen, das Geheimnis dieser Tetraktis aufzulösen, wenn man sich an den toten Buchstaben selbst der alten Philosophien hält, wie sie heute noch vorhanden sind. Aber selbst in diesen werden Chaos-Theos-Kosmos = Raum in alle Ewigkeit als der eine unbekannte Raum identifiziert, über welchen das letzte Wort vielleicht niemals vor unserer siebten Runde bekannt sein wird. Trotzdem sind die Allegorien und metaphysischen Symbole über den ursprünglichen und vollkommenen Würfel bemerkenswert, selbst in den exoterischen Puranas.

Auch dort ist Brahmâ Theos, der sich aus dem Chaos oder der großen „Tiefe“ entwickelt, aus den Wassern, über welchen der Geist = Raum in der ersten Stunde des Wiedererwachens schweigend schwebt, personifiziert durch Ayana – den Geist, welcher sich über der Ebene des künftigen, grenzenlosen Kosmos bewegt. Er ist auch der auf Anantashesha, der großen Schlange der Ewigkeit schlafende Vishnu, aus welchem die westliche Theologie, des einzigen die Geheimnisse der Bibel öffnenden Schlüssels unkundig, nämlich der Kabbala – den Teufel gemacht hat. Er ist auch das erste Dreieck oder die pythagoreische Triade, der „Gott mit den drei Aspekten“, bevor er durch seine vollkommene Quadratur des unendlichen Kreises zum „viergesichtigen Brahmâ“ wird.

„Aus ihm, der ist und doch nicht ist, aus dem Nichtsein, der Ewigen Ursache, wird das Sein – Purusha geboren“, sagt Manu, der Gesetzgeber.

In „Isis entschleiert“ wird gesagt:

„In der ägyptischen Mythologie wird Kneph, der ewig ungeoffenbarte Gott, durch ein Emblem der Schlange der Ewigkeit dargestellt, die eine Wasserurne umschlingt, wobei ihr Kopf über den Wassern schwebt, welche sie mit ihrem Atem bebrütet. In diesem Fall ist die Schlange der Agathodaimon, der gute Geist: In ihrem entgegengesetzten Aspekt ist sie der Kakodaimon – der böse Geist. In den skandinavischen Eddas fällt der Honigtau, die Frucht der Götter und der schöpferischen, fleißigen Yggdrasil (Bienen), während der Nachtstunden, wenn die Atmosphäre mit Feuchtigkeit geschwängert ist; und in den nördlichen Mythologien versinnbildlicht er als das passive Schöpfungsprinzip die [SD # 345] Erschaffung des Universums aus dem Wasser; dieser Tau ist das Astrallicht in einer seiner Kombinationen und besitzt sowohl schöpferische als auch zerstörerische Eigenschaften. In der chaldäischen Legende des Berossos unterrichtet Oannes oder Dagon, der Fischmann, das Volk und zeigt, dass die kindliche Welt aus dem Wasser erschaffen wurde und dass alle Dinge aus dieser Prima Materia entspringen. Moses lehrt, dass eine lebendige Seele lediglich von Erde und Wasser ins Dasein gebracht werden kann: Und wir lesen in den Schriften, dass die Kräuter nicht wachsen konnten, ehe es nicht der Ewige regnen ließ auf Erden. Im mexikanischen Popol Vuh wird der Mensch aus Schlamm oder Lehm (terre glaise) geschaffen, der unter dem Wasser entnommen wurde. Brahmâ erschafft auf seinem Lotus sitzend den großen Muni (oder den ersten Menschen), jedoch erst nachdem er Geister ins Dasein gerufen hat, die sich somit einer früheren Existenz erfreuen als die Sterblichen, und er erschafft ihn aus Wasser, Luft und Erde. Die Alchemisten behaupten, dass auf ihre erste Substanz zurückgeführte ursprüngliche oder voradamische Erde in ihrem zweiten Umwandlungszustand wie klares Wasser sei, während der erste der eigentliche Alkahest ist. Es heißt, dass diese ursprüngliche Substanz in sich die Essenz von allem enthält, was den Menschen aufbauen wird; sie enthält nicht nur alle Elemente seines körperlichen Wesens, sondern auch den ‘Lebensatem’ in einem latenten Zustand, bereit, erweckt zu werden. Dieser rührt vom ‘Brüten’ des ‘Geistes Gottes’ über den Wassern her – dem Chaos: Tatsächlich ist diese Substanz das Chaos selbst. Paracelsus behauptete, aus ihr seine ‘Homunkuli’ machen zu können; und aus diesem Grund behauptete Thales, der große Naturphilosoph, dass das Wasser das Prinzip aller Dinge in der Natur sei.42 . . . Hiob sagt in Kapitel 26,5: ‘Unter den Wassern und ihren Bewohnern werden tote Dinge geformt.’ Im ursprünglichen Text steht an Stelle der ‘Toten’ tote Raphaim (Riesen oder mächtige Urmenschen), von denen die ‘Evolution’ eines Tages unsere gegenwärtige Rasse herleiten mag.“

„Im Ursprungszustand der Schöpfung“, sagt Poliers Mythologie des Indous“, „ruhte das noch anfängliche Universum, im Wasser versunken, im Schoß Vishnus. Aus diesem Chaos und dieser Dunkelheit entsprungen, schwamm (bewegte sich) Brahmâ, der Erbauer der Welt, auf einem Lotosblatt balancierend über den Wassern, außerstande, irgendetwas anderes als Wasser und Dunkelheit wahrzunehmen“. Bestürzt, diesen traurigen Zustand der Dinge wahrnehmend, führt Brahmâ folgendes Selbstgespräch: „Wer bin ich? Woher kam ich?“ Dann hört er eine Stimme.43 „Richte Dein Denken auf Bhagavat.“ Sich aus seinem schwimmenden Zustand erhebend, nimmt Brahmâ in kontemplativer Haltung auf dem Lotus Platz und beginnt, über das Ewige zu reflektieren, welches, erfreut über diesen Beweis seiner Frömmigkeit, die ursprüngliche Finsternis zerstreut und seine Verständnisfähigkeit aktiviert. „Danach tritt Brahmâ als Licht aus dem Universalen Ei (dem unendlichen Chaos) hervor, denn seine Fähigkeit zu verstehen ist jetzt aktiv, und er setzt sich selbst in Tätigkeit: Mit dem Geist Gottes in sich selbst bewegt er sich auf den ewigen Wassern; und in seiner Eigenschaft als Beweger der Wasser ist er Vishnu oder Narayana.“ Das ist [SD # 346] natürlich exoterisch, aber die Grundidee stimmt so genau wie möglich mit der ägyptischen Kosmogonie überein, welche in ihren Anfangssätzen Athtor44 oder Mutter Nacht (die Darstellung der unbegrenzbaren Finsternis) als das Ursprüngliche Element nennt, welches den durch Wasser belebten, unendlichen Abgrund sowie den universalen Geist des Ewigen überdeckt, der allein im Chaos wohnt. Auf ähnliche Weise beginnt in den jüdischen Schriften die Geschichte der Schöpfung mit dem Geist Gottes und seiner schöpferischen Emanation – einer weiteren Gottheit.45

Der „Zohar“ lehrt, dass die ursprünglichen Elemente – die Trinität aus Feuer, Luft und Wasser –, die vier Himmelsrichtungen sowie alle Kräfte der Natur zusammen genommen die Stimme des Willens Memrab bilden oder das „Wort“, den Logos des absolut stillen Alls. „Der unteilbare Punkt, grenzenlos und unerkennbar“, breitet sich durch den unendlichen Raum aus und bildet so einen Schleier (die Mulaprakriti des Parabrahman), welcher diesen absoluten Punkt verhüllt (siehe weiter unten).

In den Kosmogonien aller Nationen sind es die im Demiurgen (in der Bibel die „Elohim“) synthetisierten „Architekten“, welche den Kosmos aus dem Chaos formen und die der kollektive Theos sind, „männlich-weiblich“, Geist und Materie. „Mit einer Reihe (yom) von Gründungen (hasoth) riefen die Elohim Erde und Himmel ins Dasein“ (Gen 2,4). In der Bibel sind es zunächst Elohim, dann Jahwe-Elohim und schließlich Jehovah – nach der Trennung der Geschlechter im vierten Kapitel der Genesis. Es ist bemerkenswert, dass nirgends, ausgenommen in den späteren oder vielmehr in den letzten Kosmogonien unserer fünften Rasse, der unaussprechliche und unbeschreibliche Name46 – das Symbol der unbekannten Gottheit, das nur in den Mysterien verwendet wurde – in Zusammenhang mit der „Schöpfung“ des Universums benutzt wird. Die „Beweger“, die „Läufer“, die Theoi (von θέειν „laufen“) vollbringen das Werk der Bildung, die „Boten“ des manvantarischen Gesetzes, die jetzt im Christentum zu den „Boten“ (Malachim) geworden sind; und das scheint auch für den Hinduismus oder den frühzeitigen Brahmanismus zu gelten. Denn im „Rigveda“ ist nicht Brahmâ der Schöpfer, sondern es sind die Prajapatis, die „Herren des Seins“, welche die Rishis sind; der Begriff Rishi ist (nach Professor Mahadeo Kunte) verbunden mit den Worten bewegen und anführen, in ihrem irdischen Charakter auf sie angewendet, wenn sie als Patriarchen ihre Scharen zu den sieben Flüssen hinführen.

Im Singular kam das Wort „Gott“, das sämtliche Götter – oder Theos von Theoi – umfasst, übrigens aus einer sonderbaren Quelle zu den „höherstehenden“, zivilisierten Nationen, die ebenso vollständig und überragend phallisch ist wie der [SD # 347] ernsthafte, offen ausgesprochene Lingam Indiens. Der Versuch, das Wort Gott vom angelsächsischen Synonym „gut“ abzuleiten, wurde als Idee verworfen, denn in keiner anderen Sprache, in der der Ausdruck mehr oder weniger variiert, von den persischen Khoda bis zum lateinischen Deus, hat sich ein Beispiel dafür gefunden, dass Gottes Name von dem Attribut der Güte abgeleitet sein könnte. Zu den lateinischen Rassen kam der Begriff vom arischen Dyaus (der Tag); zu den slawischen vom griechischen Bacchus (Bagh-bog); und zu den germanischen Rassen unmittelbar aus dem hebräischen Yodh oder Jod. Das Letztere, י , ist der Zahlbuchstabe 10, männlich und weiblich, und Yod ist der phallische Haken: daher das altsächsische Godh, das germanische Gott und das englische God. Dieser symbolische Ausdruck kann als Darstellung des Schöpfers der physischen „Menschheit“ auf der irdischen Ebene angesehen werden; aber mit der Bildung oder der „Erschaffung“ des Geistes, der Götter oder des Kosmos hat er ganz bestimmt nichts zu tun!

Chaos-Theos-Kosmos, die dreifache Gottheit, ist alles in allem. Daher wird es als männlich und weiblich, gut und böse, positiv und negativ bezeichnet: mit der ganzen Reihe gegensätzlicher Eigenschaften. Wenn es latent ist (in Pralaya), so ist es unbegreiflich und wird zur Unerkennbaren Gottheit. Es kann nur in seinen aktiven Wirkungen erkannt werden; somit als Materie-Kraft und lebendiger Geist, als die Wechselbeziehungen und die Folge oder der Ausdruck auf der sichtbaren Ebene der letzten und für alle Ewigkeit unbekannten Einheit.

Diese dreifache Einheit bringt ihrerseits die vier ursprünglichen „Elemente“47 hervor, welche in unserer sichtbaren, irdischen Natur als die sieben (bis jetzt die fünf) Elemente bekannt sind, von welchen jedes einzelne in neunundvierzig (oder sieben mal sieben) Unterelemente teilbar ist; mit ungefähr siebzig dieser Elemente ist die Chemie vertraut. Jedes kosmische Element, wie Feuer, Luft, Wasser und Erde, teilt die Eigenschaften und Makel seiner Urkräfte und ist seiner Natur entsprechend Gut und Böse, Kraft (oder Geist) und Materie etc. etc.; und jedes ist daher gleichzeitig Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Wirkung und Gegenwirkung (siehe § xiv, „Die vier Elemente“). Unter dem niemals aufhörenden Impuls des Einen Elements (des Unerkennbaren), das in der Welt der Erscheinungen durch den Äther oder „die unsterblichen Götter, welche allem Geburt und Leben geben“ repräsentiert wird, formen sie immer und fortwährend die Materie.

In „den philosophischen Schriften Salomon ben Jehuda ibn Gabirols (übersetzt in Isaac Myers „Qabbalah“, eben veröffentlicht) heißt es über die Struktur des Universums: „R. Jehuda begann, so steht es geschrieben: ‘Elohim sagten: Es werde eine Feste zwischen den Wassern.’ Komm und siehe, zu der Zeit, dass der Heilige. . . . die Welt erschuf, [SD # 348] schuf Er 7 Himmel oben, 7 Erden unten, 7 Meere, 7 Tage, 7 Flüsse, 7 Wochen, 7 Jahre, 7 Zeiten, und 7.000 Jahre, die die Welt gewesen ist. Der Heilige ist das Siebte von allem.“ etc. (S. 415)

Das zeigt auch eine seltsame Übereinstimmung mit der Kosmogonie der Puranas (z. B. Vishnu-Purana“, 1. Buch). Es bestätigt alle unsere Lehren in Bezug auf die Zahl Sieben, wie sie im „Esoterischen Buddhismus“ kurz angedeutet sind.

Die Hindus besitzen zum Ausdruck dieser Idee eine endlose Reihe von Allegorien. Im ursprünglichen Chaos, bevor es sich zu den sieben Ozeanen (Sapta Samudra) entwickelt hatte, sind sowohl Amrita (Unsterblichkeit) als auch Visha (Gift, Tod, Übel) latent vorhanden; die sieben Ozeane stellen emblematisch die sieben Gunas (oder bedingten Qualitäten) dar, welche aus den Trigunas (Sattva, Rajas und Tamas, siehe Puranas) zusammengesetzt sind. Diese Allegorie findet sich auch im „Buttern des Ozeans“ der Götter. Amrita steht über allen Gunas, denn es ist per se unbedingt; sobald es jedoch in die phänomenale Schöpfung fällt, wird es vermischt mit Übel, Chaos, den latenten Theos in sich tragend, bevor der Kosmos evolviert wurde. Daher finden wir Vishnu – hier das ewige Gesetz repräsentierend –, wie er periodisch den Kosmos zur Tätigkeit aufruft oder „aus dem ursprünglichen Ozean (dem grenzenlosen Chaos) das Amrita der Ewigkeit herstellt“, welches ausschließlich den Göttern und Devas vorbehalten ist; und zu diesem Zweck muss er sich der Nagas und Asuras – oder im esoterischen Hinduismus der Dämonen – bedienen. Die ganze Allegorie ist hoch philosophisch, und wir finden sie in jedem philosophischen System wieder. So finden wir sie bei Platon, der die von Pythagoras aus Indien mitgebrachten Ideen voll erfasste, sie zusammenstellte und in einer Form veröffentlichte, die verständlicher war als die der ursprünglichen, geheimnisvollen Zahlen des griechischen Weisen. So ist bei Platon der Kosmos „der Sohn“, dessen Vater und Mutter der Göttliche Gedanke und die Materie sind.48

„Die Ägypter“, sagt Dunlap,49 „unterscheiden zwischen einem älteren und einem jüngeren Horus; Ersterer ist der Bruder von Osiris, Letzterer der Sohn von Osiris und Isis.“ Der Erste ist die im demiurgischen Gemüt verweilende Idee der Welt, „vor der Erschaffung der Welt in Dunkelheit geboren“. Der zweite Horus ist die aus dem Logos hervorgehende „Idee“, welche mit Materie bekleidet wird und tatsächlich in Existenz tritt.50

Die Chaldäischen Orakel sprechen von „dem ewigen, grenzenlosen, jungen und alten Weltengott mit einer gewundenen Form“.51

Diese „gewundene Form“ ist ein Bild für die schwingende Bewegung des Astrallichts, mit welchem die alten Priester vollkommen vertraut waren, wenn die Bezeichnung auch erst von den Martinisten festgelegt wurde.

Die moderne Wissenschaft zeigt verachtungsvoll mit dem Finger auf den Aberglauben der Kosmolatrie. Die Wissenschaft sollte jedoch, bevor sie darüber lacht, nach dem Rat eines französischen [SD # 349] Gelehrten „ihr eigenes System kosmo-pneumatologischer Erziehung gänzlich umgestalten“. Satis eloquentiae, sapientiae parum! Die Kosmolatrie kann, dem Pantheismus gleich, in ihrem letzten Ausdruck mit denselben Worten beschrieben werden wie Vishnu . . . . „Er ist lediglich die ideale Ursache der Potenzen, die in dem Schöpfungswerk erschaffen werden sollen. Und aus ihm gehen die zu schaffenden Potenzen hervor, nachdem sie zur realen Ursache geworden sind. Neben dieser einen idealen Ursache existiert keine andere, auf welche die Welt bezogen werden könnte. . . . . Kraft dieser Ursache tritt jedes erschaffene Ding entsprechend seiner eigenen Natur ins Dasein (original Sanskrit-Texte, Teil iv, Seiten 32-33).

 

 

§ V
Über die verborgene Gottheit,
ihre Symbole und Glyphen

Der Logos oder die schöpferische Gottheit, das „fleischgewordene Wort“ einer jeden Religion soll jetzt bis zu seiner letzten Quelle und Wesenheit zurückverfolgt werden. In Indien ist er ein Proteus mit 1.008 göttlichen Namen und Aspekten in allen seinen persönlichen Verwandlungen, von Brahmâ-Purusha über die sieben göttlichen Rishis und zehn halb-göttlichen Prajapatis (ebenfalls Rishis) bis hinab zu den göttlich-menschlichen Avataren. Dasselbe verwirrende Problem des „Einen in den Vielen“ und der Vielheit im Einen findet sich in anderen Pantheons, im ägyptischen, im griechischen und im chaldäisch-jüdischen, wobei Letzteres die Verwirrung noch vollkommener machte, indem es seine Götter euhemeristisch in Gestalt von Patriarchen darstellte. Und diese Patriarchen werden jetzt von jenen akzeptiert und als lebende und historische Wesen dargestellt, die Romulus als einen Mythos ablehnen. Verbum satis sapienti.

Im „Zohar“ ist Ain Soph ebenfalls das Eine, die unendliche Einheit. Das war den sehr wenigen gelehrten Kirchenvätern bekannt, die sich darüber bewusst waren, dass Jehovah keinen „höchsten“ Gott darstellte, sondern eine Kraft dritten Ranges. Sich bitter über die Gnostiker beklagend, sagte Irenäus: „. . . unsere Häretiker behaupten . . . Propator sei lediglich dem Eingeborenen Sohn52 (der unter anderem Brahmâ ist) bekannt, das heißt der Vernunft.“ (Nous) Irenäus erwähnte aber nie, dass die Juden in ihren echten geheimen Büchern dasselbe taten. Valentinus, „der profundeste Doktor der Gnosis“, behauptete, „es gebe einen vollkommenen Aion, der vor Bythos oder Buthon existierte (der erste Vater der unergründlichen Natur, welche den zweiten Logos darstellt), und er wurde Propator genannt“. Dieser Aion ist es, der als ein Strahl aus Ain Soph entspringt (das nicht erschafft), und dieser Aion ist es, der erschafft, oder durch den vielmehr alles erschaffen wird oder evolviert. [SD # 350] Denn wie die Basilidianer lehrten, „gab es einen höchsten Gott, Abraxax, von welchem das Gemüt (im Sanskrit Mahat, im Griechischen Nous) erschaffen wurde.“ „Aus dem Gemüt ging hervor das Wort, Logos; und aus dem Wort die Vorsehung (vielmehr das Göttliche Licht), daraus sodann Tugend und Weisheit in Fürstentümern, Kräften, Engeln etc. etc.“ Von diesen (Engeln) wurden die 365 Äonen erschaffen. „Unter die niedrigsten, fürwahr, und jenen, die diese Welt erschaffen hatten, setzt er (Basilides) den Gott der Juden an die letzte Stelle von allen und bestreitet, dass dieser Gott sei (und das zu Recht), hingegen beteuert er, dass der Gott der Juden einer der Engel sei.“ (Ibid.) Hier nun finden wir dasselbe System wie in den Puranas, in welchen das Unbegreifliche einen Samen ausstreut, der zum Goldenen Ei wird, aus dem Brahmâ hervorgeht. Brahmâ erzeugt Mahat etc. etc. Die wahre Esoterische Philosophie spricht jedoch weder von „Schöpfung“ noch von „Entwicklung“ im Sinn der exoterischen Religionen. Alle diese personifizierten Kräfte stellen nicht Entwicklungen des einen aus dem anderen dar, sondern die vielfältigen Aspekte der einen und einzigen Offenbarung des Absoluten Alls. Das im Gnostischen herrschende System regiert auch in den sephirothischen Aspekten des Ain Soph, und da diese Aspekte in Zeit und Raum existieren, wird bei der Reihenfolge ihrer aufeinanderfolgenden Erscheinungen eine gewisse Ordnung eingehalten. Es ist daher unmöglich, die großen Veränderungen unbeachtet zu lassen, welche Generationen christlicher Mystiker dem „Zohar“ zufügten. Denn selbst in der Metaphysik des Talmuds konnte das „niedere Gesicht“ (oder das „Kleinere Antlitz“), der Mikroprosopus, niemals auf eine Ebene gestellt werden mit demselben abstrakten Ideal des höheren oder „Größeren Antlitz“, des Makroprosopus. Letzterer ist in der chaldäischen Kabbala eine reine Abstraktion; das Wort oder der Logos, oder Dabar (im Hebräischen), dessen Wort, obwohl es tatsächlich zu einer Mehrzahl oder „Worten“ wird – D(a)B(a)Rim, wenn es sich selbst reflektiert oder in den Aspekt einer Schar (von Engeln oder Sephiroth, „Zahlen“) fällt, doch kollektiv Eins ist und auf der idealen Ebene eine Null – 0, ein „Nicht-Ding“. Es ist ohne Form oder Dasein, „ohne jegliche Ähnlichkeit mit etwas anderem“ (Franck, „Die Kabbala“, S. 126). Und selbst Philo nennt den Schöpfer den Logos, der Gott am nächsten steht, „den Zweiten Gott“ und „den zweiten Gott, der seine (des höchsten Gottes) Weisheit ist“ (Philo, „Quaest. et Solut“). Gottheit ist nicht Gott. Sie ist Nichts und Dunkelheit. Sie ist namenlos und wird daher Ain Soph genannt, wobei „das Wort Ayin Nichts bedeutet“. Siehe Franck, „Die Kabbala“, S. 153. Siehe auch Abschnitt xii, „Die Theogonie der schöpferischen Götter“. Der „Höchste Gott“ (der unmanifestierte Logos) ist sein Sohn.

Die meisten der uns von den Kirchenvätern verstümmelt überlieferten gnostischen Systeme sind kein bisschen besser als die entstellten Hülsen der ursprünglichen Spekulationen. Auch waren sie für das Publikum oder den Leser niemals offen zugänglich; d. h. wäre ihre verborgene Bedeutung oder Esoterik enthüllt worden, hätte es sich nicht mehr um eine esoterische Lehre gehandelt, und das durfte niemals geschehen. Lediglich Markus (das Haupt der Markosianer, zweites Jahrhundert), der lehrte, [SD # 351] dass die Gottheit unter dem Symbol von vier Silben betrachtet werden müsse, veröffentlichte mehr esoterische Wahrheiten als alle anderen Gnostiker. Aber selbst er wurde niemals richtig verstanden. Denn lediglich an der Oberfläche und dem toten Buchstaben seiner Offenbarung nach scheint es, dass Gott eine Vierheit ist, und zwar „der Unaussprechliche, das Schweigen, der Vater und die Wahrheit“ ­–, was tatsächlich ziemlich fehlerhaft ist und lediglich ein neues esoterisches Rätsel aufgibt. Diese Lehre von Markus war auch die der ersten Kabbalisten und entspricht unserer. Denn er macht aus der Gottheit die Zahl 30, in 4 Silben, was esoterisch übersetzt eine Dreiheit oder ein Dreieck und eine Vierheit oder ein Quadrat bedeutet, das ergibt zusammen sieben, was auf der niederen Ebene die sieben göttlichen oder geheimen Buchstaben ausmacht, aus welchen der Name Gottes zusammengesetzt ist. Das erfordert eine Erläuterung. In seiner „Offenbarung“ spricht Markus von göttlichen Geheimnissen, die mithilfe von Buchstaben und Zahlen ausgedrückt werden. Er erzählt, wie sich aus der Region, die weder gesehen noch benannt werden kann, die „höchste Tetrade in einer weiblichen Form zu mir (ihm) herabsenkte, weil die Welt unfähig gewesen war, ihr Erscheinen in einer männlichen Form zu ertragen“ und ihm „die Erschaffung des Universums enthüllte, die zuvor weder den Göttern noch den Menschen mitgeteilt worden war“.

Bereits der erste Satz ist doppeldeutig. Warum sollte eine weibliche Figur von der Welt leichter ertragen oder angehört werden als eine männliche Figur? Oberflächlich betrachtet erscheint das unsinnig. Aber für jemanden, der mit der Mysteriensprache vertraut ist, ist es doch ganz einfach und klar. Die Esoterische Philosophie oder die geheime Weisheit wurde mit einer weiblichen Form symbolisiert, während die männliche Figur für das enthüllte Geheimnis stand. Daher die Formulierung, dass die Welt, die nicht dafür vorbereitet war, das enthüllte Geheimnis zu empfangen, es nicht ertragen konnte, und die Offenbarung des Markus musste allegorisch gegeben werden. So schreibt er:

„Als das Unbegreifliche, das Daseins- und Geschlechtlose (der kabbalistische Ain Soph) anfangs in den Wehen lag (d. h. als die Stunde schlug, in welcher Es sich selbst manifestierte) und wünschte, dass Sein Unaussprechlicher (der erste Logos oder Äon oder Aion) geboren und sein Unsichtbarer mit Form bekleidet werde, öffnete sich sein Mund und sprach das Wort von seinem Wort. Dieses Wort (Logos) manifestierte sich selbst in Form des Unsichtbaren. Das Aussprechen des (unaussprechlichen) Namens (durch das Wort) geschah nun auf folgende Weise. Er (der Höchste Logos) sprach das erste Wort seines Namens, welches eine Silbe mit vier Buchstaben ist. Dann wurde die zweite Silbe hinzugefügt, ebenfalls mit vier Buchstaben. Dann die dritte, aus zehn Buchstaben zusammengesetzt, und darauf wurde die vierte ausgesprochen, die zwölf Buchstaben enthält. Der ganze Name besteht somit aus dreißig Buchstaben und aus vier Silben. Jeder Buchstabe hat seine eigene Betonung und Schreibweise, aber keiner versteht oder schaut die Form des ganzen Namens – nein; noch nicht einmal die Macht des Buchstabens, der Ihm selbst am nächsten ist (dem Daseinslosen und dem Unbegreiflichen).53 Miteinander vereinigt stellen die Klänge dieser Silben das kollektive Daseinslose dar, das [SD # 352] ungezeugte Äon, und diese sind die beständig das Angesicht des Vaters schauenden Engel54 (der Logos, der „zweite Gott“, der nach Philo Gott, dem „Unbegreiflichen“, am nächsten ist).

Das ist so klar, wie es die alte esoterische Geheimhaltung nur machen konnte. Es ist zwar weniger verhüllt, aber dennoch ebenso kabbalistisch wie der „Zohar“, in dem die mystischen Namen oder Attribute ebenfalls viersilbige, zwölf-, zweiundvierzig- und sogar zweiundsiebzigsilbige Worte sind! Die Vierheit zeigt Markus die Wahrheit in Gestalt eines nackten Weibes und beschriftet jedes Glied dieser Figur mit Buchstaben. Sie nennt ihr Haupt Ω, ihren Hals Ψ, Schultern und Hände Γ und Χ etc. etc. In dieser Sephirah ist leicht wiederzuerkennen: die Krone (Kether) oder das Haupt trägt die Zahl eins; das Gehirn oder Chochmah 2; das Herz oder die Intelligenz (Binah) 3; und die übrigen sieben Sephiroth repräsentieren die Glieder des Körpers. Der sephirothische Baum ist das Universum, und das wird im Westen von Adam Kadmon repräsentiert und in Indien von Brahmâ.

Überall werden die 10 Sephiroth in einer Einteilung in die höhere Dreiheit oder die spirituelle Triade und die niedere Siebenheit dargestellt. Die wahre esoterische Bedeutung der heiligen Zahl Sieben wird im „Zohar“ zwar geschickt verhüllt, aber durch die doppelte Schreibweise des Wortes „im Anbeginn“, oder Be-resheeth, und Be-raishath, dennoch verraten, denn das Letztere bedeutet „höhere oder obere Weisheit“. Wie von MacGregor Mathers in seiner „The Kabbalah Unveiled“ (­S. 46-7) und in der „Qabbalah“ von I. Myer (S. 232-3) gezeigt wird – und diese Kabbalisten werden beide von den besten alten Autoritäten unterstützt – haben diese Worte eine doppelte und geheime Bedeutung. B´raisheeth barah elohim bedeutet, dass die sechs, über welchen der siebte Sephiroth steht, der niederen materiellen Klasse angehören, oder, wie der Verfasser sagt: „Sieben . . . . bezieht sich auf die niedere Schöpfung und Drei auf den spirituellen Menschen, den Himmlischen Prototypen oder den ersten Adam.“

Wenn Theosophen und Okkultisten sagen, dass Gott kein Wesen ist, weil Es nichts ist, Nicht-Ding, so sind sie gegenüber der Gottheit ehrfurchtsvoller, religiöser und ehrerbietiger als jene, die Gott mit Er benennen, und so aus Ihm einen riesigen Mann machen.

Wer die Kabbala studiert, wird bald dieselbe Idee im letzten Gedanken ihrer Verfasser finden, der früheren und großen hebräischen Initiierten, die diese geheime Weisheit in Babylonien von den chaldäischen Hierophanten empfingen, während Moses sie in Ägypten erhielt. Nach seinen Übersetzungen ins Lateinische und andere Sprachen kann der „Zohar“ kaum beurteilt werden, da seine gesamten Vorstellungen natürlich verflacht und an die Ansichten und die Politik seiner christlichen Bearbeiter angepasst wurden; denn in Wahrheit entsprechen seine Ideen denjenigen aller anderen religiösen Systeme. Die verschiedenen Kosmogonien zeigen, dass die archaische Universalseele von allen Nationen als das „Gemüt“ des demiurgischen Schöpfers betrachtet wurde; und dass es bei den Gnostikern [SD # 353] die „Mutter“, Sophia (oder die weibliche Weisheit) genannt wurde, bei den Juden Sephirah und bei den Hindus Sarasvati oder Vach, und auch der Heilige Geist ist ein weibliches Prinzip.

Somit war der aus ihm geborene Kyrios oder Logos der Griechen „Gott, Verstand“ (Nous). „Nun bedeutet Koros (Kyrios) die reine und unvermischte Natur von Intellekt-Weisheit“, sagt Platon im „Kratylos“; und Kyrios ist Merkur, die Göttliche Weisheit, und „Merkur ist Sol“ (die Sonne) („Arnobius“ vi, xii), von welcher Thot-Hermes diese Göttliche Weisheit empfing. Währenddessen stehen nun die Logoi aller Länder und Religionen (in ihren geschlechtsspezifischen Aspekten) mit der weiblichen Seele der Welt oder der „Großen Tiefe“ in Wechselbeziehungen; die Gottheit, welcher diese Zwei in Einem ihr Dasein verdanken, ist für immer verhüllt und wird die „Verborgene“ genannt, und sie steht mit der Schöpfung55 nur indirekt in Verbindung, da sie lediglich durch die aus der ewigen Wesenheit ausstrahlende zweifache Kraft wirken kann. Selbst Äskulap, der „Heiland aller“ genannt, ist nach den alten klassischen Schriftstellern wesensgleich mit dem Ptah, dem schöpferischen Intellekt (oder der Göttlichen Weisheit) der Ägypter, und mit Apollo, Baal, Adonis und Herkules (siehe Dunlaps „Sod, The Mysteries of Adoni“, S. 93 ff.); und Ptah ist in einem seiner Aspekte die „Anima Mundi“, Platons Universalseele, der „Göttliche Geist“ der Ägypter, der „Heilige Geist“ der ersten Christen und Gnostiker, das Akasha der Hindus und in seinem niederen Aspekt sogar das Astrallicht. Denn Ptah war ursprünglich der „Totengott“, in dessen Schoß sie aufgenommen wurden, daher der Limbus der griechischen Christen oder das Astrallicht. Erst viel später wurde Ptah unter die Sonnengötter eingeordnet, und sein Name bedeutet „der, der eröffnet“, und so wird er dargestellt, wie er als Erster das Antlitz der toten Mumie entschleiert, um die Seele zum Leben in seinem Innern aufzurufen (siehe Masperos „Guide du Visiteur au Musée de Boulaq“). Kneph, der ewig Ungeoffenbarte, wird mit dem Symbol der Schlange der Ewigkeit dargestellt, welche eine Wasserurne umschlingt, wobei ihr Haupt über den „Wassern“ schwebt, welches sie mit ihrem Atem ausbrütet – eine andere Form ein und derselben Vorstellung von der „Finsternis“, deren Strahl sich auf den Wassern bewegt etc. Als die „Logos-Seele“ heißt diese Permutation Ptah; als der Logos-Schöpfer wird er Imhot-pou, sein Sohn, der „Gott mit dem schönen Gesicht“. In ihren ursprünglichen Charakteren waren diese beiden die erste kosmische Duade, Nut, „Raum oder Himmel“, und Nun, die „ursprünglichen Wasser“, die androgyne Einheit, über welche Knephs verborgener Atem strich. Und jedem von ihnen waren heilige Wassertiere oder -pflanzen zugeordnet, der Ibis, der Schwan, die Gans, das Krokodil und der Lotus.

Kehren wir zu der Gottheit der Kabbala zurück, so ist diese verborgene Einheit ףזםויא = τό πάν = ἄπειρος das Endlose, Grenzenlose, Nichtexistierende דיא, [SD # 354] solange sich das Absolute in Oulom56 befand, der schranken- und grenzenlosen Zeit. Als solches kann Ain Soph weder Schöpfer noch Gestalter des Universums sein, noch Aur (das Licht). Daher ist auch Ain Soph die Finsternis. Das unveränderlich Unendliche und das absolut Schrankenlose kann weder wollen, denken, noch handeln. Um das zu tun, muss es endlich werden, und dies erreicht es durch seinen Strahl, der in das Weltenei – den unendlichen Raum – eindringt und aus ihm als endlicher Gott emaniert. Dies alles ist dem in dem Einen verborgenen Strahl überlassen. Wenn der Zeitpunkt kommt, entfaltet der absolute Wille dem Gesetz entsprechend naturgemäß die Kraft in sich, dessen innere und letzte Wesenheit er ist. Die Hebräer nahmen nicht das Ei als Symbol, sondern ersetzten es mit den „doppelten Himmeln“, denn der Satz „Gott schuf die Himmel und die Erde“ würde richtig lauten: „In und aus seiner eigenen Wesenheit als Mutterschoß (dem Weltenei) schuf Gott die zwei Himmel.“ Die Christen jedoch haben die Taube als Symbol ihres Heiligen Geistes gewählt.

Wer immer sich mit דה, dem Merkabah und mit Lagasch (geheime Sprache oder Anrufung) vertraut macht, wird das Geheimnis der Geheimnisse lernen.“ Lagasch ist nahezu gleichbedeutend mit Vach, der verborgenen Kraft der Mantras.

Sobald die aktive Periode angebrochen ist, tritt Sephirah aus dem Inneren der ewigen Wesenheit Ain Sophs hervor, die tätige Kraft, die als der ursprüngliche Punkt und die Krone, Kether, bezeichnet wird. Nur durch sie kann die „un-begrenzte Weisheit“ dem abstrakten Gedanken eine konkrete Form geben. Zwei Seiten des oberen Dreiecks, durch das die unaussprechliche Wesenheit und das Universum – ihr manifestierter Körper – symbolisiert werden, die rechte Seite und die Grundlinie bestehen aus durchgezogenen Linien; die dritte, die linke Seite, ist punktiert. Durch Letztere erhebt sich Sephirah. Sich in allen Richtungen ausbreitend, umfasst sie schließlich das gesamte Dreieck. In dieser Emanation wird die dreifache Dreiheit geformt. Aus dem von der höheren Uni-Triade, dem „Haupt“, herabfallenden unsichtbaren Tau (so bleiben lediglich 7 Sephiroth) erschafft Sephirah die ursprünglichen Wasser, d. h. das Chaos nimmt Gestalt an. Es ist der erste Schritt in Richtung zur Verfestigung des Geistes, der durch verschiedene Modifikationen die Erde hervorbringen wird. „Erde und Wasser sind erforderlich, um eine lebendige Seele zu erschaffen“, sagt Moses. Es erfordert das Bild eines Wasservogels, um sie mit dem Wasser zu verbinden, dem weiblichen Element der Fortpflanzung mit dem Ei und dem Vogel, der es befruchtet.

Wenn sich Sephirah aus dem Innern der verborgenen Gottheit als aktive Kraft erhebt, ist sie weiblich; wenn sie das Amt eines Schöpfers übernimmt, wird sie männlich, daher ist sie androgyn. Sie ist „Vater und [SD # 355] Mutter Aditi“ der indischen Kosmogonie und der Geheimlehre. Wären die ältesten hebräischen Rollen erhalten geblieben, hätten die modernen Verehrer Johovahs festgestellt, wie zahlreich und ungebührlich die Symbole des schöpferischen Gottes waren. Der Frosch im Mond, sinnbildlich wegen seines Fortpflanzungscharakters, war das Häufigste. Sämtliche jetzt in der Bibel als „unrein“ bezeichneten Vögel und Tiere waren in den Tagen des Altertums Symbole dieser Gottheit. Weil sie so heilig waren, wurde ihnen die Maske der Unreinheit vorgebunden, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Die eherne Schlange war in keiner Weise poetischer als die Gans oder der Schwan, wenn Symbole à la lettre aufgefasst werden sollen.

Mit den Worten des Zohars: „Der unteilbare Punkt, der grenzenlos ist und wegen seiner Reinheit und seines Glanzes nicht begriffen werden kann, dehnte sich von außen aus und bildete einen Glanz, der ihm als Schleier diente.“ Aber auch Letzterer „konnte infolge seines unermesslichen Lichts nicht gesehen werden. Auch er dehnte sich von außen aus, und diese Ausdehnung war sein Gewand. So entstand durch beständiges Emporheben (Bewegung) schließlich die Welt.“ („Zohar“, I, 20a) Die vom unendlichen Licht ausgesandte spirituelle Substanz ist die erste Sephirah oder Shekinah: Sephirah enthält exoterisch alle anderen neun Sephiroth in sich. Esoterisch enthält sie nur zwei, Chochmah oder Weisheit, „eine männliche, aktive Kraft, deren göttlicher Name Jah (ה י) ist“, und Binah, eine weibliche, passive Potenz. Diese wird durch den göttlichen Namen Jehovah (ה ו ה י) repräsentiert; diese beiden Kräfte formen zusammen mit Sephirah als dritter die jüdische Dreieinigkeit oder die Krone, Kether. Diese beiden Sephiroth mit den Namen Abba, Vater, und Amona, Mutter, sind die Duade oder der zweigeschlechtliche Logos, aus welchem die anderen sieben Sephiroth hervorgingen (siehe „Zohar“). So entspricht die erste jüdische Triade (Sephirah, Chochmah und Binah) der indischen Trimurti.57 Trotz aller Verhüllung, selbst im „Zohar“, und einer noch größeren im exoterischen Pantheon Indiens wiederholt sich jede Einzelheit in Verbindung mit dem einen auch im anderen. Die Prajapati sind die Sephiroth. Mit Brahmâ zusammen zehn an der Zahl, vermindern sie sich auf sieben, sobald die Trimurti oder die kabbalistische Triade von den Übrigen getrennt wird. Die sieben Bauleute (Schöpfer) werden zu den sieben Prajapati oder zu den sieben Rishis in derselben Reihenfolge, wie die Sephiroth zu den Schöpfern und anschließend zu den Patriarchen etc. werden. In beiden geheimen Systemen ist die eine universale Wesenheit unerfassbar und in ihrer Absolutheit inaktiv und kann mit dem Aufbau des Universums nur mittelbar in Zusammenhang gebracht werden. In beiden repräsentieren das ursprüngliche Männlich-Weibliche oder androgyne Prinzip und seine zehn und sieben Emanationen (Brahmâ-Viraj und Aditi-Vach auf der einen Seite und die Elohim-Jehovah oder Adam-Adami (Adam Kadmon) und Sephirah Eva auf der [SD # 356] anderen) mit ihren Prajapati und Sephiroth in ihrer Gänze vor allem den archetypischen Menschen, den Proto-Logos; zu kosmischen Kräften und astronomischen oder siderischen Körpern werden sie lediglich in ihren sekundären Aspekten. Wenn Aditi die Mutter der Götter ist, Devamatri, dann ist Eva die Mutter alles Lebendigen; sie sind in ihrem weiblichen Aspekt die Shakti oder Zeugungskraft des „Himmlischen Menschen“, und sie sind alle zusammengesetzte Schöpfer. Das „Gupta Vidya“-Sutra sagt: „Im Anbeginn wurde ein Strahl von Paramarthika (der einen und einzigen wahren Existenz) emittiert, in Vyavaharika (gewöhnliche Existenz) manifestiert, welche als ein Vahana für den Abstieg in die Universale Mutter diente und sie dazu veranlasste, sich auszudehnen (anzuschwellen, brih).“ Und im „Zohar“ heißt es: „Die unendliche Einheit, formlos und unvergleichlich, benützte die Form des Himmlischen Menschen, sobald sie erschaffen war. Das Unbekannte Licht58 (Finsternis) benützte für seinen Abstieg ה א ו צ מ ך א (die himmlische Form) als Wagen ה ב ב ד מ und wünschte, nach dieser Form genannt zu werden, was der heilige Name Jehovah ist.“

Wie der „Zohar“ sagt: „Im Anbeginn war der Wille des Königs, vor jeder anderen Existenz. . . . Er (der Wille) entwarf die Formen aller bislang verborgenen Dinge, welche aber jetzt sichtbar wurden. Und als ein versiegeltes Geheimnis entsprang aus dem Haupt Ain Sophs ein nebelartiger Funke aus Materie, ohne Gestalt oder Form. . . . Das Leben wird von unten angezogen, und von oben erneuert sich die Quelle selbst, die See ist immer voll und breitet ihre Wasser überall aus.“ So wird die Gottheit mit einem uferlosen Meer verglichen, dessen Wasser „die Quelle des Lebens“ ist („Zohar“, iii, 290). „Der siebte Palast, die Quelle des Lebens, ist von oben der erste in der Reihe.“ (ii, 261). Daher kam dem sehr kabbalistischen Salomon der kabbalistische Lehrsatz in den Sinn, der in den Sprüchen 9,1, sagt: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut; sie hat ihre sieben Säulen ausgehauen.“

Woher nun all diese Übereinstimmungen der Ideen, wenn keine ursprüng­liche universale Offenbarung existierte? Verglichen mit dem, was noch alles im Rahmen dieses Werkes enthüllt werden wird, gleichen die wenigen bis jetzt vorgebrachten Punkte lediglich ein paar Halmen in einem Strohhaufen. Wenden wir uns der verschwommensten aller Kosmogonien zu – der chinesischen –, so finden wir selbst dort dieselbe Idee. Tsi-tsai (der Selbst-Existierende) ist die unbekannte Finsternis, die Wurzel des Wu-liang-sheu (grenzenlosen Zeitalters). Amitabha und Tien (der Himmel) folgen später. Das „Große Extreme“ des Konfuzius vermittelt dieselbe Idee, unbeschadet seines „Strohs“. Letzteres ist für die Missionare eine Quelle großer Erheiterung. Sie lachen über jede „heidnische“ Religion und verachten und hassen ihre [SD # 357] christlichen Mitbrüder anderer Konfessionen, und nehmen doch alle zusammen ihre Genesis wörtlich. Wenden wir uns zur chaldäischen, so finden wir in ihr Anu, die verborgene Gottheit, das Eine, dessen Name übrigens auf sanskritischen Ursprung hinweist. Anu, das im Sanskrit „Atom“, Aniyamsam Aniyasam (das Kleinste des Kleinen) bedeutet, ist in der Vedanta-Philosophie eine Bezeichnung Parabrahmans; Parabrahman wird dort als kleiner beschrieben als das kleinste Atom und größer als das größte Himmelsgewölbe oder das größte Universum: „Anagraniyam und Mahatorvavat“. Das gibt George Smith als die ersten Verse der akkadischen Genesis an, wie sie in den Keilschrifttexten auf den „Lateras Coctiles“ zu finden ist. Dort finden wir ebenfalls Anu, die passive Gottheit oder Ain Soph, Bel, den Schöpfer, den sich auf der Fläche der Wasser bewegenden Geist Gottes (Sephirah), daher selbst Wasser, und Hea, die Universalseele oder die Weisheit der drei zusammengenommen.

Die ersten acht Verse lauten folgendermaßen:

1. Als oben die Himmel noch nicht erhoben waren;

2. Und unten auf der Erde noch keine Pflanze gewachsen war.

3. Die Tiefe hatte ihre Schranken nicht durchbrochen.

4. Als ihre Mutter brachte das Chaos (oder Wasser) Tiamat (die See) sie alle im Ganzen hervor. (Das ist die kosmische Aditi und Sephirah.)

5. Jene Wasser wurden im Anbeginn eingesetzt, jedoch –

6. Noch kein Baum war gewachsen, noch keine Blume hatte sich entfaltet.

7. Als die Götter noch nicht erschienen waren, noch keiner von ihnen.

8. Noch war keine Pflanze gewachsen, und Ordnung existierte nicht.

Das war die chaotische oder vorgenetische Periode – der doppelte Schwan und der dunkle Schwan, der weiß wird, sobald das Licht erschaffen ist.59

Das für das majestätische Ideal des Universalprinzips ausgesuchte Symbol mag vielleicht als schlechte Wahl erscheinen für die Wiedergabe seines heiligen Charakters. Eine Gans oder selbst ein Schwan mag zweifellos unpassend erscheinen, die Erhabenheit des Geistes zu repräsentieren. Nichtsdestoweniger muss es irgendeine tiefe, okkulte Bedeutung gehabt haben, denn er spielt nicht nur in allen Kosmogonien und Weltreligionen eine Rolle, sondern er war auch von den mittelalterlichen Christen, den Kreuzfahrern, auserkoren, als der Träger des Heiligen Geistes zu gelten, von welchem man annahm, dass er das Heer nach Palästina geleitete, um das Grab des Heilands den Händen der Sarazenen zu entreißen. Wenn wir Prof. Drapers Behauptung in seinem „History of the Intellectual Development of Europe“ Glauben schenken wollen, schritt den Kreuzfahrern unter Peter dem Einsiedler an der Spitze des Heeres der Heilige Geist voran und zwar in der Gestalt eines von einer Ziege begleiteten weißen Gänserichs. Seb, der ägyptische Gott der Zeit, trägt eine Gans auf dem Kopf. Jupiter nimmt die Gestalt eines Schwans an und ebenso Brahmâ, denn die Wurzel von alledem ist jenes Geheimnis der Geheimnisse – das Weltenei (siehe nachfolgender §). [SD # 358] Man sollte den Hintergrund eines Symbols kennen, bevor man es herabsetzt. Das zweifache Element von Luft und Wasser ist das des Ibis, des Schwans, der Gans und des Pelikans, der Krokodile und Frösche, der Lotosblumen und Wasserlilien etc.; und das Resultat ist die Wahl der unschicklichsten Symbole seitens sowohl der modernen als auch der alten Mystiker. Pan, der große Gott der Natur, spielte für gewöhnlich in Verbindung mit Wasservögeln, insbesondere Gänsen, eine Rolle und gleich ihm auch andere Götter. Wenn mit der späteren, stufenweisen Entartung der Religion die Götter, denen Gänse geheiligt waren, zu priapischen Gottheiten wurden, leuchtet es deshalb nicht ein, dass die Wasservögel Pan und anderen phallischen Gottheiten geweiht waren, wie einige Spötter selbst schon im Altertum es gerne gehabt hätten (siehe „Petronii Satyrica“, cxxxvi); sondern es wird vielmehr klar, dass die abstrakte und göttliche Kraft der fruchtbaren Natur in grober Weise anthropomorphisiert worden war. Auch weist Ledas Schwan nicht auf „priapische Handlungen und ihr Vergnügen daran“ hin, wie es Hargrave Jennings keusch ausdrückt; denn der Mythos ist lediglich eine weitere Wiedergabe derselben philosophischen Idee der Kosmogonie. Schwäne werden oft in der Gesellschaft Apollos gefunden, da sie die Embleme von Wasser und Feuer (und auch von Sonnenlicht) vor der Trennung der Elemente sind.

Unsere modernen Symbologen könnten von einigen Bemerkungen einer wohlbekannten Schriftstellerin profitieren, Lydia Maria Child: „Seit unvordenklichen Zeiten wurde in Hindustan ein Emblem als der Typus der Schöpfung oder des Ursprungs des Lebens verehrt. . . . Shiva oder der Mahadeva ist nicht nur der Vervielfältiger menschlicher Formen, sondern auch das befruchtende Prinzip, die das Universum durchdringende Zeugungskraft. Das mütterliche Emblem ist ebenfalls ein religiöser Typus. Diese Ehrfurcht für die Hervorbringung des Lebens führte die sexuellen Embleme in die Verehrung des Osiris ein. Ist es sonderbar, dass sie das große Geheimnis der menschlichen Geburt mit Ehrfurcht betrachteten? Waren sie also unrein, indem sie es so sahen? Oder sind wir unrein, weil wir es nicht so betrachten? Kein reines und aufmerksames Gemüt könnte doch zu dieser Ansicht kommen. . . . Seit jene alten Einsiedler in den feierlichen Tiefen ihrer ersten Heiligtümer zuerst von Gott und der Seele sprachen, sind wir einen weiten Weg gegangen, und die Pfade waren unrein. Lächeln wir nicht über ihre Art, die Spur der unendlichen und unbegreiflichen Ursache durch alle Geheimnisse der Natur zu verfolgen, damit wir nicht dadurch den Schatten unserer eigenen Grobheit auf ihre altehrwürdige Einfachheit werfen.“ („Progress of Religious Ideas“, Band 1, S. 17 f.)

 

 

[SD # 359]
§
VI
das Weltenei

Woher kommt dieses universale Symbol? Das Ei wurde von allen Völkern der Erde als heiliges Zeichen für die Kosmogonie einverleibt und sowohl wegen seiner Form als auch wegen seines inneren Geheimnisses verehrt. Von den ersten intellektuellen Vorstellungen des Menschen an war es dafür bekannt, dass es den Ursprung und das Geheimnis des Seins am erfolgreichsten repräsentiert. Die stufenweise Entwicklung des unwahrnehmbaren Keims innerhalb der geschlossenen Schale; das innere Wirken, welches ohne das augenscheinliche Zutun irgendeiner äußerlichen Kraft aus einem verborgenen Nichts ein aktives Etwas hervorbrachte und dazu nichts anderes benötigte als Wärme; welches sogleich, sich allmählich zu einem konkreten Lebewesen entwickelte, seine Schale zerbrach und den äußeren Sinnen als ein selbsterzeugtes und selbsterschaffenes Wesen erschien – all das muss von Anfang an ein beständiges Wunder gewesen sein.

Die Geheimlehre gibt als Grund dieser Verehrung die Symbolik der vorgeschichtlichen Rassen an. Zu Anfang hatte die „Erste Ursache“ keinen Namen. Später wurde sie in der Fantasie der Denker als ein immer unsichtbarer, geheimnisvoller Vogel abgebildet, welcher ein Ei in das Chaos ablegte, das dann zum Universum wurde. Daher wurde Brahman Kalahansa genannt, der „Schwan in (Raum und) Zeit“. Er wurde zum „Schwan der Ewigkeit“, welcher am Beginn eines jeden Maha-Manvantaras ein „Goldenes Ei“ legt. Es versinnbildlicht den großen Kreis oder O, selbst wieder ein Symbol des Universums und seiner kugelförmigen Körper.

Der zweite Grund dafür, dass das Ei als die symbolische Darstellung des Universums und unserer Erde gewählt wurde, war seine Form. Er war Kreis und Kugel; und die eiförmige Gestalt unseres Globus muss vom Anbeginn der Symbologie an bekannt gewesen sein, da sie so allgemein übernommen wurde. Die erste Manifestation des Kosmos in der Form eines Eies war der am weitesten verbreitete Glaube des Altertums. Wie Bryant zeigt (iii, 165), nahmen die Griechen das Symbol an, die Syrer, die Perser und die Ägypter. In Kap. liv über das ägyptische Ritual heißt es über Seb, den Gott der Zeit und der Erde, dass er ein Ei gelegt oder das Universum „ein Ei empfangen habe zur Stunde des großen Einen der dualen Kraft“ („Sec.“, V, 2, 3 etc.).

Gleich Brahmâ wird Ra als im Weltenei heranreifend dargestellt. Die Verstorbenen befinden sich „glänzend im Ei des Landes der Mysterien“ (xxii,1). Denn es ist „das Ei, dem unter den Göttern das Leben gegeben ist“ (xlii, 13). „Es ist das Ei der großen Glucke, das Ei Sebs, der aus ihm wie ein Habicht hervorgeht.“ (lxiv, 1, 2, 3; lxxvii, 1)

Bei den Griechen wird das orphische Ei von Aristophanes beschrieben und war Bestandteil der Dionysischen und anderer Mysterien, in deren Verlauf [SD # 360] das Weltenei geweiht und seine Bedeutung erklärt wurde. Porphyrios zeigt, dass es die Welt repräsentiert: ’ Eρμήνενει δέ τὸ ὠὸν κόσμον. Faber und Bryant versuchten nachzuweisen, dass das Ei die Arche Noah verkörperte, bei der es sich jedoch um eine wilde Vorstellung handelt, insofern sie nicht rein allegorisch und symbolisch aufgefasst wird. Das Ei kann die Arche Noah lediglich als Synonym für den Mond versinnbildlicht haben, den Argha, der den universalen Samen des Lebens trägt; es hatte aber ganz bestimmt nichts mit der biblischen Arche zu tun. Jedenfalls war der Glaube allgemein verbreitet, dass das Universum im Anfang in Gestalt eines Eies existierte. Und Wilson erzählt: „Alle (indischen) Puranas geben ähnliche Berichte über die erste Ansammlung der Elemente in der Form eines Eies ab, versehen mit dem üblichen Beiwort Haima oder Hiranya, ‘golden’, wie es im Manu genannt wird.“ Wie von dem großen indischen Gelehrten, dem verstorbenen Swami Dayanand Sarasvati, in seiner nicht veröffentlichten Polemik mit Professor Max Müller bewiesen wurde, bedeutet Hiranya jedenfalls eher „prächtig“ oder „strahlend“ als „golden“. So heißt es im Vishnu-Purana“: „Der Intellekt (Mahat) . . . formte mit den (unmanifestierten) groben Elementen ein Ei . . . und der Herr des Universums wohnte selbst darinnen in der Eigenschaft Brahmâs. In diesem Ei, oh Brahmane, befanden sich die Kontinente, die Meere und die Berge, die Planeten und die Einteilungen des Universums, die Götter, die Dämonen und die Menschheit.“ (Buch i, Kap. 2) Sowohl in Griechenland als auch in Indien wohnte das erste erkennbar männliche Wesen, das in sich die Natur beider Geschlechter vereinigte, in dem Ei und ging aus ihm hervor. Dieser „Erstgeborene der Welt“ war für einige Griechen Dionysos; jener Gott, der aus dem Weltenei entsprang, und von dem die Sterblichen und die Unsterblichen abstammen. Der Gott Ra wird im Ritual („Totenbuch“, xvii, 50) dargestellt, wie er in seinem Ei (der Sonne) erstrahlt und aufbricht, sobald der Gott Schu (die Energie der Sonne) erwacht und ihm den Anstoß gibt. „Er ist in dem Sonnenei, dem Ei, dem unter den Göttern das Leben gegeben ist.“ (Ibid., xlii, 13) Der Sonnengott ruft aus: „Ich bin die schöpferische Seele des himmlischen Abgrunds, keiner sieht mein Nest, keiner kann mein Ei zerbrechen, ich bin der Herr!“ (Ibid., lxxxv, 9)

Angesichts dieser Kreisform, der “ | ”, die aus dem “ ” oder dem Ei hervorgeht, oder im Androgynen das Männliche aus dem Weiblichen, mutet die Behauptung eines Gelehrten sonderbar an, dass die alten Arier das Dezimalsystem nicht gekannt haben sollen, da die ältesten indischen Manuskripte keine Spur davon aufwiesen. Als die heilige Zahl des Universums war die 10 geheim und esoterisch, sowohl in Kombination als auch als Ziffer oder Null, der Kreis. Obendrein sagt Professor Max Müller, dass „die beiden Worte cipher und zero, die ein und dasselbe bedeuten, ein hinreichender Beweis dafür sind, dass unsere Zahlen von den Arabern entliehen sind.60 Cipher ist das arabische „cifron“ und bedeutet [SD # 361] leer, eine Übersetzung des Sanskritwortes für Nichts, „Synyan“, sagt der Professor.61

Die Araber hatten ihre Zahlzeichen aus Hindustan und beanspruchten die Entdeckung niemals für sich.62 Was die Pythagoreer anbelangt, so brauchen wir uns nur an die alten Manuskripte der von Boethius im 6. Jahrhundert verfassten Abhandlung „Geometrie“ zu wenden, um unter den pythagoreischen Zahlen63 die 1 und die Null als erste und letzte Ziffer zu finden. Und den Pythogoreer Moderatos64 zitierend sagt Porphyrios, dass die Zahlzeichen des Pythagoras „hieroglyphische Symbole waren, mit deren Hilfe er Vorstellungen bezüglich der Natur der Dinge“ oder den Ursprung des Universums „erklärte“.

Wenn nun einerseits die ältesten indischen Manuskripte noch keine Spur eines Dezimalsystems aufweisen und Max Müller ganz klar feststellt, dass er soweit lediglich neun Buchstaben in ihnen gefunden hat (die Anfangsbuchstaben der Sanskritziffern); verfügen wir andererseits über ebenso alte Aufzeichnungen, welche den fehlenden Beweis liefern. Wir sprechen von den Skulpturen und den heiligen Bildern in den ältesten Tempeln des fernen Ostens. Pythagoras Wissen stammte aus Indien. Und diese Behauptung bestätigt Professor Max Müller zumindest insofern, als dass er einräumt, dass die Neo-Pythagoreer unter den Griechen und Römern die Ersten waren, die die Verwendung der Null lehrten; dass „sie in Alexandria, oder in Syrien, mit den indischen Ziffern bekannt wurden und sie dem pythagoreischen Abakus anpassten“ (unseren Ziffern). Dieses vorsichtige Zugeständnis schließt in sich ein, dass Pythagoras selbst lediglich mit neun Ziffern bekannt war. So könnten wir begründeterweise antworten, dass wir zwar keinen sicheren (exoterischen) Beweis dafür besitzen, dass der genau am Ende der archaischen Zeit65 lebende Pythagoras das Dezimalsystem kannte, jedoch mit hinreichender Gewissheit aufzeigen können, dass alle von Boethius angegebenen Ziffern den Pythogoreern bekannt waren, selbst vor der Erbauung Alexandrias.66 Diese Gewissheit finden wir bei Aristoteles, der sagt: „Einige Philosophen behaupten, dass Ideen und Zahlen von gleichartiger Natur seien und sich insgesamt auf Zehn belaufen.“67 Das reicht aus, glauben wir, um zu zeigen, dass das Dezimalsystem bei ihnen mindestens schon vier Jahrhunderte vor Christus bekannt gewesen sein muss, denn Aristoteles scheint die Frage nicht als eine Innovation der „Neo-Pythagoreer“ zu behandeln.

[SD # 362] Aber wir wissen mehr als das: Wir wissen, dass der Menschheit das Dezimalsystem bereits in den ältesten archaischen Zeiten bekannt gewesen sein muss, da der gesamte astronomische und geometrische Teil der geheimen Priestersprache auf der Zahl 10 aufgebaut war oder auf der Kombination des männlichen und weiblichen Prinzips, und weil die sogenannte „Cheopspyramide“ auf den Maßzahlen dieses Dezimalsystems aufgebaut ist oder vielmehr auf dessen Ziffern in ihren Kombinationen mit der Null. Darüber ist jedoch genug in Isis entschleiert gesagt worden, und es ist unnötig, zu demselben Gegenstand zurückzukehren und es zu wiederholen.

Die Symbolik der Mond- und Sonnengottheiten ist so unentwirrbar vermischt, dass es nahezu unmöglich erscheint, solche Glyphen wie das Ei, den Lotus und die „heiligen“ Tiere voneinander zu trennen. Der Ibis z. B. wurde in Ägypten zutiefst verehrt. Er war der Isis geweiht, die oftmals mit dem Haupt dieses Vogels abgebildet wird, und ebenso Merkur oder Thot, von dem es heißt, er habe seine Form auf der Flucht vor Typhon angenommen – der Ibis wurde in Ägypten zutiefst verehrt. Es gab zwei Ibis-Arten in Ägypten, wie uns Herodot überlieferte („Lib“, IIc 75 ff), eine weitgehend schwarze, die andere schwarz und weiß. Von der Ersteren glaubte man, dass sie die geflügelten Schlangen bekämpfe und vertilge, die jedes Frühjahr aus Arabien kommend das Land überfielen. Die andere war dem Mond geweiht, weil die vordere Seite dieses Planeten weiß und glänzend sei, die von der Erde abgewandte Seite jedoch dunkel und schwarz. Obendrein tötet der Ibis Landschlangen und bringt wahre Verheerung über Krokodileier und schützt damit Ägypten davor, dass der Nil von diesen schrecklichen Echsen heimgesucht wird. Man glaubt, dass der Vogel das bei Mondschein vollbringe und auf diese Weise von Isis unterstützt werde, deren siderisches Symbol der Mond ist. Aber die diesem Volksmythos zugrunde liegende genauere esoterische Wahrheit ist, dass Hermes, wie Abenephius zeigt („De cultu Egypt“), in der Form dieses Vogels über die Ägypter wachte und sie die okkulten Künste und Wissenschaften lehrte. Das bedeutet ganz einfach, dass der ibis religiosa mit vielen anderen Vögeln zusammen „magische“ Eigenschaften hatte und hat, insbesondere mit dem Albatros und dem mythischen weißen Schwan, dem Schwan der Ewigkeit oder der Zeit, dem Kalahansa.

Wäre es tatsächlich anders, warum hätten dann sämtliche alten Völker, die auch nicht närrischer waren als wir es sind, eine solch abergläubische Furcht vor der Tötung gewisser Vögel haben sollen? Wer in Ägypten einen Ibis tötete oder den Goldsperber – das Symbol von Sonne und Osiris – konnte dem Tod kaum entrinnen. Die Vogelverehrung war in einigen Nationen so groß, dass Zoroaster in seinen Vorschriften ihre Schlachtung als verruchtes Verbrechen verbot. In unserem Zeitalter lachen wir über jede Art von Prophezeiung. Doch warum sollten so viele Generationen an eine Weissagung durch Vögel geglaubt haben und selbst an Tierorakel, die laut Suidas von Orpheus mitgeteilt worden sein sollen, welcher lehrte, wie unter gewissen Bedingungen das aus dem Dotter und dem Eiklar [SD # 363] zu entnehmen sei, was der daraus geborene Vogel in der kurzen Zeit seines Lebens rund um sich herum beobachtet haben würde? Diese okkulte Kunst, die vor 3.000 Jahren die größte Gelehrsamkeit und die abwegigsten mathematischen Berechnungen erforderte, ist jetzt der tiefsten Erniedrigung anheim gefallen. Und heutzutage sind es nurmehr alte Köchinnen und Wahrsagerinnen, welche den nach einem Ehemann strebenden Dienstmädchen aus dem in ein Glas gegossenen Eiklar die Zukunft lesen.

Trotzdem haben selbst die Christen bis zum heutigen Tag ihre heiligen Vögel, z. B. die Taube, das Symbol des Heiligen Geistes. Auch haben sie die heiligen Tiere nicht vernachlässigt. Und die evangelische Zoolatrie mit dem Stier, dem Adler, dem Löwen und dem Engel (in Wirklichkeit dem Cherub oder Seraph, der feuerbeflügelten Schlange) ist ebenso heidnisch wie die der Ägypter oder Chaldäer. Diese vier Tiere sind in Wirklichkeit die Symbole der vier Elemente und der vier niederen Prinzipien des Menschen. Nichtsdestoweniger entsprechen sie körperlich und materiell den vier Konstellationen, welche sozusagen das Gefolge und das Geleit des Sonnengottes bilden, und die zur Zeit der Wintersonnenwende die vier Kardinalpunkte des Tierkreises einnehmen. Diese vier „Tiere“ sind in vielen römisch-katholischen Neuen Testamenten zu sehen, wo die Porträts der Evangelisten gezeigt werden. Sie sind die Tiere in Hesekiels Merkabah.

Ragon bemerkt tatsächlich: „Die alten Hierophanten verknüpften die Dogmen und Symbole ihrer Religionsphilosophien so geschickt, dass diese Symbole nur durch die Verbindung und Kenntnis sämtlicher Schlüssel vollständig interpretiert werden konnten.“ Sie können nur annäherungsweise interpretiert werden, selbst wenn man drei dieser sieben Systeme entdeckt: das anthropologische, das psychische und das astronomische. Die beiden Hauptauslegungen, die höchste und die niedrigste, die spirituelle und die physiologische, wurden in größter Geheimhaltung aufbewahrt, bis Letztere schließlich in die Hände der Profanen fiel. Soweit in Bezug auf die vor-historischen Hierophanten, bei denen das, was jetzt rein (oder unrein) phallisch geworden ist, eine ebenso tiefgründige und geheimnisvolle Wissenschaft war wie es heutzutage die Biologie und die Physiologie sind. Das war ausschließlich ihr Eigentum, die Frucht ihrer Studien und Entdeckungen. Die beiden anderen Auslegungen handelten von den schöpferischen Göttern (Theogonie) und vom schöpferischen Menschen, d. h. von den idealen und den praktischen Mysterien. Diese Auslegungen waren so geschickt verhüllt und verknüpft, dass zwar einigen die Entschlüsselung der einen Bedeutung gelang, sie sich dann aber vergeblich bemühten, die Bedeutung der anderen zu verstehen, und so wurden niemals so große Teile enträtselt, dass gefährliche Indiskretionen begangen werden konnten. Die höchsten, die erste und die vierte – die Theogonie im Verhältnis zur Anthropogonie – zu ergründen, war nahezu unmöglich. Die Beweise dafür finden wir in der jüdischen „Heiligen Schrift“.

Da die Schlange Eier legt, wurde sie zum Symbol der Weisheit und ein Emblem der Logoi oder Selbstgeborenen. Im Tempel von Philae in Oberägypten wurde aus mit verschiedenem Räucherwerk [SD # 364] durchwirkten Ton ein künstliches Ei hergestellt. Dieses wurde in einem speziellen Vorgang ausgebrütet und brachte eine Cerastes (die Hornviper) hervor. Dasselbe geschah in den indischen Tempeln im Altertum mit der Kobra. Der schöpferische Gott entschlüpft dem Ei, welches in Gestalt einer geflügelten Schlange aus dem Mund Knephs hervorgeht, denn die Schlange ist das Symbol der allumfassenden Weisheit. Bei den Hebräern wurde diese Schlange durch die „fliegenden und feurigen Schlangen“ des Moses in der Wildnis dargestellt. Bei den alexandrinischen Mystikern wird sie zum Ophio-Christos, dem Logos der Gnostiker. Die Protestanten versuchen zu zeigen, dass die Allergorie von der ehernen Schlange und den „feurigen Schlangen“ eine direkte Beziehung zum Geheimnis Christi und der Kreuzigung68 hat, wobei sie tatsächlich viel enger mit dem Geheimnis der Zeugung verbunden ist, wenn sie vom Ei mit dem Keim in der Mitte oder dem Kreis mit seinem Mittelpunkt losgelöst ist. Die eherne Schlange besaß keine vergleichbare heilige Bedeutung, auch wurde sie tatsächlich nicht mehr glorifiziert als die „feurigen Schlangen, denn deren Biss war lediglich ein natürliches Heilmittel. Die symbolische Bedeutung des Wortes „ehern“ ist die des weiblichen Prinzips und die von feurig oder „golden“ die des männlichen.69

Im Totenbuch wird, wie soeben gezeigt, das Ei häufig erwähnt. Re, der Mächtige, bleibt während des Kampfs zwischen den „Kindern des Aufruhrs“ und Schu (der Energie der Sonne und des Drachens der Finsternis) (Kap. xvii) in seinem Ei. Der Verstorbene erstrahlt in seinem [SD # 365] Ei, wenn er das Land des Mysteriums durchquert (xxii i). Er ist das Ei Sebs („Liv.“, 1-3). . . . Das Ei war das Symbol des Lebens in Unsterblichkeit und Ewigkeit; und auch die Glyphe der fruchtbaren Matrix; während das mit dem Ei verbundene Tau lediglich das Symbol des Lebens und der Geburt durch Erzeugung war. Das Weltenei war in Chnum, die „Wasser des Raums“, versetzt oder in das weibliche abstrakte Prinzip (mit dem „Fall“ der Menschheit in die Zeugung und den Phallizismus wurde Chnum zu Amun, dem schöpferischen Gott); und wenn Ptah, der „feurige Gott“, das Weltenei in seiner Hand trägt, wird die Symbolik in ihrer Bedeutung ganz irdisch und konkret. In Verbindung mit dem Sperber, dem Symbol von Osiris-Sonne, ist das Symbol doppelt und bezieht sich auf beide Leben – das sterbliche und das unsterbliche. Die Abbildung eines Papyrus in Kirchers „Oedipus Aegyptiacus“ (Bd. iii., S. 124) zeigt ein über der Mumie schwebendes Ei. Das ist das Symbol der Hoffnung und das Versprechen einer zweiten Geburt für den osirifizierten Toten; seine Seele wird, nach entsprechender Reinigung in Amenti, in diesem Ei der Unsterblichkeit heranreifen, um daraus zu einem neuen Leben auf der Erde wiedergeboren zu werden. Denn dieses Ei ist in der esoterischen Lehre Devachan, der Aufenthaltsort der Glückseligkeit; der geflügelte Skarabäus ist ein weiteres Symbol dafür. Die „geflügelte Kugel“ ist nur eine andere Form des Eies und hat dieselbe Bedeutung wie der Skarabäus, der Khopiru (von der Wurzel khopru „werden“, „wiedergeboren“ werden), was sich sowohl auf die Wiedergeburt des Menschen als auch auf seine spirituelle Erneuerung bezieht.

In der Theogonie des Mochus finden wir zuerst den Äther und dann die Luft, aus welcher Ulom, die verständliche ( νοήτος) Gottheit (das sichtbare Universum der Materie), aus dem Weltenei geboren wird (Movers, „Die Phönizer“, S. 282).

In den Orphischen Hymnen evolviert Eros-Phanes aus dem von den ätherischen Winden befruchteten göttlichen Ei, wobei Wind „der Geist der unbekannten Dunkelheit“ ist – „der Geist Gottes“ (wie K. O. Müller auf S. 236 erklärt); die göttliche „Idee“ sagt Platon, „von der es heißt, sie bewege den Äther“.

In der indischen Kathopanishad steht Purusha, der göttliche Geist, vor der ursprünglichen Materie, „aus deren Vereinigung die große Seele der Welt entspringt“, Maha-Atman, Brahmâ, der Geist des Lebens70 etc. etc.71 In den heiligen Büchern der Brahmanen verstreut existieren neben dieser noch viele weitere reizende Allegorien über diesen Gegenstand. An einer Stelle ist es der weibliche Schöpfer, der zuerst ein Keim, dann ein Tropfen himmlischen Taus, eine Perle und schließlich ein Ei ist. In solchen Fällen – deren es zu viele gibt, um sie einzeln aufzuzählen – bringt das Ei die vier Elemente innerhalb des fünften hervor, des Ethers, und ist mit sieben Hüllen bedeckt, welche später zu den sieben oberen und den sieben unteren Welten werden. Das Ei bricht entzwei, die Schale wird zum Himmel, das Innere zur Erde, und das Eiklar bildet die [SD # 366] irdischen Wasser. Dann ist es wieder Vishnu, der aus dem Inneren des Eies auftaucht, einen Lotus in seiner Hand haltend. Vinata, eine Tochter Dakshas und Kashyapas Frau („des aus der Zeit entsprungenen Selbstgeborenen“, einem der sieben „Schöpfer“ unserer Welt), brachte ein Ei hervor, aus dem der Garuda, der Träger Vishnus, geboren wurde. Letztere Allegorie hat lediglich eine Beziehung zu unserer Erde, denn Garuda bezeichnet den großen Zyklus.

Das Ei war Isis geweiht; und daher aßen die Priester Ägyptens niemals Eier.72

Diodoros Siculus stellt fest, dass Osiris ebenso wie Brahmâ aus einem Ei geboren wurde. Aus Ledas Ei wurden Apollo und Latona geboren und ebenso Castor und Pollux – die leuchtenden Zwillinge. Und obwohl die Buddhisten ihrem Gründer nicht den gleichen Ursprung zuschreiben, verzehren sie doch ebensowenig Eier wie die alten Ägypter oder die modernen Brahmanen, um nicht den darin verborgenen Keim des Lebens zu zerstören und damit eine Sünde zu begehen. Die Chinesen glauben, dass ihr erster Mensch aus einem Ei geboren wurde, welches Tien, ein Gott, vom Himmel auf die Erde in die Wasser herabfallen ließ.73 Dieses Symbol betrachten auch einige als eine Darstellung der Idee des Ursprungs des Lebens, was eine wissenschaftliche Wahrheit ist, obwohl das menschliche Ovum für das bloße Auge unsichtbar ist. Daher sehen wir die Verehrung, die ihm seit dem entferntesten Altertum bezeugt wurde, von den Griechen, Phöniziern, Römern, den Japanern und den Siamesen, den nord- und südamerikanischen Stämmen, und selbst den unzivilisierten Völkern der entferntesten Inseln.

Bei den Ägyptern war Amun (Mon) der verborgene Gott. Alle ihre Götter waren dual: die wissenschaftliche Wirklichkeit für das Heiligtum, ihr Doppel, die sagenhafte und mythische Wesenheit, für die Massen. Zum Beispiel war, wie in „Chaos, Theos, Kosmos“ beschrieben, der ältere Horus die im demiurgischen Gedanken verbleibende, „vor der Erschaffung der Welt in Dunkelheit geborene“ Idee der Welt; der zweite Horus74 stand für dieselbe Idee, wie er aus dem Logos hervorgeht, mit Materie bekleidet wird und tatsächlich in Existenz tritt (vergleiche Movers „Phönizier“, S. 268). Dasselbe trifft auf Chnum und Amun zu.75 Beide werden mit Widderköpfen dargestellt und oft miteinander verwechselt, obwohl ihre Funktionen unterschiedlich sind. Chnum ist der „Modellierer des Menschen“ und bildet aus dem Weltenei auf einer Töpferscheibe Menschen und Dinge. [SD # 367] Amun-Re, der Erzeuger, ist der sekundäre Aspekt der verborgenen Gottheit. Chnum wurde in Elephanta und Philae angebetet,76 Amun in Theben. Es ist jedoch Emepht, das Eine, das höchste planetarische Prinzip, welches das Ei aus seinem Mund bläst und das daher Brahmâ ist. Der Schatten der Gottheit, kosmisch und universal, dessen, was das Ei bebrütet und es mit seinem belebenden Geist durchdringt bis der darin enthaltende Keim reif ist, war der geheime Gott, dessen Name unaussprechlich war. Er ist jedoch Ptah, „Er, der eröffnet“, der Eröffner des Lebens und des Todes,77 der aus dem Weltenei hervorgeht, um sein duales Werk zu beginnen („Buch der Zahlen“).

Den Griechen zufolge wurde die Phantomform des auf den etherischen Wogen der empyreischen Sphäre schwimmenden Chemis (das altägyptische Chemmis) von Horus-Apollo ins Dasein gerufen, dem Sonnengott, der sie aus dem Weltenei hervorgehen ließ.78

In der skandinavischen Kosmogonie, die laut Professor Max Müller „viel älter ist als die Veden“, findet sich in der Völuspa-Dichtung (dem Gesang der Prophetin) das Weltenei in dem Phantom-Keim des Universums wieder, welcher in der Darstellung im Ginnungagap liegt – dem Gefäß der Illusion (Maya), dem schrankenlosen und leeren Abgrund. In diese Matrix der Welt, welche eine Region der Nacht und Trostlosigkeit war, Niflheim (den Nebelraum, den Nebelhaften, wie er jetzt genannt wird, in das Astrallicht), fiel ein Strahl kalten Lichts, der dieses Gefäß bis zum Überlaufen füllte und darinnen gefror. Dann schickte das Unsichtbare einen brennenden Wind, welcher die gefrorenen Wasser auftaute und den Nebel klärte. Diese Wasser (das Chaos), die Ströme von Elivagar genannt, destillierten sich in belebenden Tropfen. Sie fielen nieder und schufen die Erde und den Riesen Ymir, der nur „den Anschein des Menschen hatte“ (des Himmlischen Menschen), und die Kuh Audhumbla (die „Mutter“ oder das Astrallicht, kosmische Seele), aus deren Euter vier Ströme von Milch hervorflossen (die vier Himmelsrichtungen: die vier Quellen der vier Flüsse von Eden etc. etc.). Diese „vier“ werden durch den Würfel in allen seinen verschiedenen und mystischen Bedeutungen symbolisiert.

Die Christen – insbesondere die griechischen und lateinischen Kirchen – haben das Symbol vollständig adoptiert und sehen darin eine Erinnerung an das ewige Leben, an [SD # 368] die Erlösung und die Wiederauferstehung. Das zeigt und bestätigt der altehrwürdige Brauch, sich gegenseitig „Ostereier“ zu schenken. Seit dem Anguinum, dem „Ei“ der „heidnischen“ Druiden, dessen Name allein Rom in Furcht erzittern ließ, bis zum roten Osterei der slawischen Bauern ist ein Zyklus vergangen. Und doch finden wir sowohl im zivilisierten Europa als auch bei den ärmlichen Ureinwohnern Zentralamerikas denselben archaischen ursprünglichen Gedanken; wenn wir ihn nur suchen wollen und nicht im Hochmut unserer eingebildeten geistigen und körperlichen Überlegenheit die ursprüngliche Idee des Symbols entstellen.

 

 

§ VII
Die Tage und Nächte Brahmâs

Das ist der Name, der den Manvantara (Manu-antara oder zwischen den Manus) und Pralaya (Auflösung) genannten Perioden gegeben wird; Ersterer bezieht sich auf die aktiven Perioden des Universums, der andere auf seine Zeiten verhältnismäßiger und vollständiger Ruhe – je nachdem, ob sie am Ende eines „Tages“ oder eines „Zeitalters“ (eines Lebens) Brahmâs stattfinden. Diese regelmäßig aufeinander folgenden Perioden heißen auch kleine oder große Kalpas sowie das kleine und das Maha-Kalpa; genau genommen ist das Maha-Kalpa allerdings niemals ein „Tag“, sondern ein ganzes Leben oder ein Zeitalter Brahmâs, denn es heißt im Brahmâ Vaivarta: „Die Chronologen berechnen ein Kalpa aus dem Leben Brahmâs; Samvarta und die anderen kleineren Kalpas sind zahlreich.“ Die nüchterne Wahrheit ist, dass ihre Zahl unendlich ist, denn sie hatten niemals einen Anfang, d. h. es gab niemals ein erstes Kalpa, noch wird es jemals in der Ewigkeit ein letztes geben.

Ein Parardha – so wie dieses Zeitmaß für gewöhnlich verstanden wird – oder die Hälfte von Brahmâs Existenz ist (im gegenwärtigen Maha-Kalpa) bereits verflossen; der letzte war der Padma-Kalpa oder der des Goldenen Lotus; gegenwärtig befinden wir uns im Varaha79-Kalpa („Eber“-Inkarnation oder -Avatara).

[SD # 369] Eine Sache hat der Schüler beim Studium der hinduistischen Religion nach den Puranas besonders zu beachten. Er darf die dort zu findenden Behauptungen niemals wörtlich nehmen oder lediglich in einer einzigen Deutung verstehen. Das gilt insbesondere für die über die Manvantaras oder Kalpas zu findenden Aussagen, welche in ihren unterschiedlichen Beziehungen verstanden werden müssen. So beziehen sich beispielsweise diese Zeitalter mit denselben Begriffen sowohl auf die großen als auch die kleinen Perioden, auf Maha-Kalpas und auf kleinere Zyklen. Der Matsya- oder Fisch-Avatara ging dem Varaha- oder Eber-Avatara voraus; die Allegorien müssen sich daher sowohl auf das Padma-Manvantara wie auf das gegenwärtige beziehen und auf die kleineren Zyklen, die seit dem Wiedererscheinen unserer Weltenkette und der Erde abgelaufen sind. Und da der Matsya-Avatara Vishnus und Vaivasvatas Flut mit Recht durch ein in der gegenwärtigen Runde auf unserer Erde geschehenes Ereignis verbunden werden, ist es offensichtlich, dass eine Referenz zu einer entfernten geologischen Periode besteht, während es sich eigentlich auf vorkosmische Ereignisse (im Sinn unseres Kosmos´ oder Sonnensystems) bezieht. Nicht einmal die Esoterische Philosophie kann behaupten, anders als durch Analogieschlüsse von dem zu wissen, was vor dem Wiedererscheinen unseres Sonnensystems und vor dem letzten Maha-Pralaya geschah. Aber Folgendes lehrt sie ausdrücklich: Die erste geologische Störung der Erdachse endete damit, dass der gesamte zweite Kontinent – von dessen nachfolgenden „Erden“ oder Kontinenten Atlantis den vierten darstellte – mitsamt seinen ursprünglichen Rassen auf den Meeresgrund hinabgeschwemmt wurde; eine darauffolgende weitere Störung wurde dadurch verursacht, dass die Erdachse ebenso plötzlich wieder in ihren ursprünglichen Neigungswinkel zurückkehrte wie sie ihn zuvor verändert hatte; so wurde die Erde tatsächlich erneut aus den Wassern gehoben, und – wie oben, so unten; und vice versa. In jenen Tagen wandelten „Götter“ auf der Erde, Götter, und nicht Menschen, wie wir sie jetzt kennen, sagt die Überlieferung. Wie in Band II gezeigt werden wird, bezieht sich die Berechnung der Zeiträume im exoterischen Hinduismus sowohl auf die großen kosmischen als auch auf die kleinen irdischen Ereignisse und Umwälzungen, und das Gleiche kann in Bezug auf Namen nachgewiesen werden. Zum Beispiel der Name Yudishthira – der erste König der Sakas, der das Kali-Yuga eröffnet, welches 432.000 Jahre dauern muss – „ein wirklicher König, der 3.102 Jahre v. Chr. lebte“ – bezieht sich auch auf die große Sintflut zur Zeit des ersten Sinkens von Atlantis. Er ist der „auf dem Berg der hundert Gipfel am Ende der [SD # 370] Welt geborene Yudishthira80, über das niemand hinausgehen kann“, und „unmittelbar nach der Flut“ (siehe „Royal Asiat. Soc.“, Bd. 9, S. 364). Eine Flut im Jahre 3.102 v. Chr. ist uns nicht bekannt – es kann sich auch nicht um die Noahs handeln, denn diese geschah nach der jüdisch-christlichen Chronologie 2.349 Jahre v. Chr.

Das bezieht sich auf eine esoterische Einteilung der Zeit und auf ein Mysterium, das anderwärts erklärt wird und daher vorläufig beiseite gelassen werden kann. Es muss ausreichen an dieser Stelle anzumerken, dass sämtliche Anstrengungen der Einbildungskraft der Wilfords, Bentleys und anderer vermeintlicher Ödipusse der esoterischen Hinduchronologie bitter versagt haben. Bis heute ist keine einzige Berechnung irgendeines der vier Zeitalter oder der Manvantaras von unseren sehr gelehrten Orientalisten enträtselt worden, die darum den Gordischen Knoten mit der Erklärung auseinander hieben, das Ganze sei „eine Erdichtung eines brahmanischen Gehirns“. Sei es so, und mögen die großen Gelehrten in Frieden ruhen. Die „Erdichtung“ wird in den einleitenden Abschnitten, die der Anthropogenesis in Band II vorangehen, mit esoterischen Zugaben gegeben.

Sehen wir uns jedoch einmal die drei Arten von Pralayas und den volkstümlichen Glauben über sie an, der ausnahmsweise einmal mit der Esoterik übereinstimmt.

Vierzehn Manvantaras, über die eine gleiche Anzahl von Manus regieren, gehen dem Pralaya voran, an dessen Schluss die „zugehörige“ oder Brahmâs Auflösung stattfindet. Über dieses Pralaya heißt es zusammengefasst im Vishnu-Purana“, dass „am Ende von eintausend jeweils einen Tag Brahmâs ausmachenden Zeiträumen mit je vier Zeitaltern die Erde nahezu erschöpft ist. Der ewige Avyaya (Vishnu) nimmt dann die Eigenschaft Rudras an, (des Zerstörers, Shiva) und vereinigt alle seine Geschöpfe wieder in sich. Er tritt in die sieben Strahlen der Sonne ein und saugt alle Gewässer des Globus auf; er lässt die Feuchtigkeit verdunsten und so die ganze Erde vertrocknen. Ozeane und Flüsse, Wildwasser und kleine Ströme, sie verdunsten alle. Derartig mit Feuchtigkeit im Überfluss genährt, schwellen die sieben Sonnenstrahlen zu sieben Sonnen an und setzen die Welt schließlich in Flammen. Hari, der Zerstörer aller Dinge, der ‘Kalagni ist, die Flamme der Zeit’, verzehrt schließlich die Erde. Dann atmet der zum Janardana werdende Rudra Wolken und Regen.“

Es gibt viele Arten von Pralayas, in alten Hindu-Büchern werden jedoch drei hauptsächliche besonders erwähnt. Das Erste davon, wie Wilson zeigt, heißt Naimittika81, das „Gelegentliche“ oder „Zugehörige“, und es wird von den Phasen zwischen „Brahmâs Tagen“ verursacht; es ist die Zerstörung der Geschöpfe, von allem, was lebt und Form hat, aber nicht der Substanz, welche nach dieser „Nacht“ bis zur nächsten Morgendämmerung im Status Quo verbleibt. [SD # 371] Das Nächste heißt Prakritika und findet am Ende des Zeitalters oder Brahmâs Lebens statt, wenn alles, was existiert, wieder in das ursprüngliche Element aufgelöst wird, um am Ende dieser längeren Nacht neu gestaltet zu werden. Das dritte, Atyantika, bezieht sich nicht auf Welten oder das Universum, sondern nur auf die Individualität einzelner Menschen; somit ist es das individuelle Pralaya oder Nirvana, und sobald man es erreicht hat, ist bis nach dem Maha-Pralaya keine weitere Existenz oder Wiedergeburt möglich. Die letztere Nacht dauert 311.040.000.000.000 Jahre an; diese Zeitdauer kann im Fall eines glücklichen Jivanmukta nahezu verdoppelt werden, der Nirvana in einer frühen Periode eines Manvantaras erreicht, und das ist lang genug, um als ewig, wenn nicht als endlos angesehen zu werden. Das „Bhagavata“ (XII, iv, 35) spricht von einer vierten Art von Pralaya, dem Nitya oder der beständigen Auflösung, und erklärt es als die Veränderung, die in jedem Ding in diesem Universum, vom Globus bis zum Atom, unmerklich und unaufhörlich ständig vor sich geht. Es ist Wachstum und Verfall (Leben und Tod).

Wenn das Maha-Pralaya anbricht, suchen die von der Feuersbrunst aufgescheuchten Bewohner Svar-Lokas (der oberen Sphäre) Zuflucht „bei den Pitris, ihren Vorfahren, den Manus, den sieben Rishis, den verschiedenen Ordnungen der himmlischen Geister und den Göttern in Mahar-Loka“. Wenn Mahar-Loka ebenfalls erreicht wird, wandern sämtliche oben aufgezählten Wesen wiederum aus Mahar-Loka aus und begeben sich nach Jana-Loka, in „ihren feinen Formen, dazu bestimmt, mit Fähigkeiten ausgestattet wiederverkörpert zu werden, welche ihren früheren entsprechen, wenn die Welt am Beginn des nachfolgenden Kalpa wieder erneuert wird.“ (Vayu-Purana“)

„ . . . Diese Wolken, von mächtiger Größe und von Donner durchdrungen, erfüllen den gesamten Raum (Nabhastala)“, heißt es im Vishnu-Purana“ (Buch VI, Kap. iii). „Ströme von Wasser herabregnend, löschen diese Wolken die schrecklichen Feuer, und dann regnen sie ununterbrochen hundert (göttliche) Jahre lang und überfluten die ganze Welt (das Sonnensystem). In Massen herabströmend, in Tropfen so groß wie Würfel, überziehen diese Regen die Erde, erfüllen die Mittelregion (Bhuvar-Loka) und überschwemmen den Himmel. Die Welt ist jetzt in Dunkelheit gehüllt, und alle Dinge, die belebten wie die unbelebten, sind zugrunde gegangen. Die Wolken ergießen weiter ihre Wasser“ . . . „und die Nacht Brahmâs herrscht erhaben über dem Schauplatz der Verwüstung . . . . .“

Das ist, was wir in der esoterischen Lehre ein „solares Pralaya“ nennen . . . Wenn die Wasser die Region der sieben Rishis erreicht haben, und die Welt (unser Sonnensystem) ein einziger Ozean ist, halten sie schließlich inne. Der Atem Vishnus wird zu einem starken Wind, der weitere hundert (göttliche) Jahre weht, bis sich alle Wolken aufgelöst haben. Der Wind ist dann wieder eingezogen und „Jenes, aus welchem alle Dinge gemacht sind, der Herr, durch den alle Dinge existieren, Er, der da ist unbegreiflich, ohne Anbeginn, der Anfang des Universums, ruht inmitten der Tiefe schlafend auf der Sesha (der Schlange der Unendlichkeit). Der Adikrit [SD # 372] (Schöpfer?) Hari schläft auf dem Ozean des Raumes in der Form Brahmâs – von Sanaka82 und den Siddhas (Heiligen) des Jana-Lokas verherrlicht und von den heiligen Einwohnern Brahmâ-Lokas betrachtet, die in mystischen Schlummer versunken nach endgültiger Erlösung streben, die himmlische Personifikation seiner eigenen Illusionen. . . .“ Das ist Pratisanchara (die Auflösung?), die Beiläufige genannt, da Hari ihre zugehörige (ideale) Ursache ist. . . . .83 Wenn der Universalgeist erwacht, lebt die Welt auf; wenn er seine Augen schließt, sinken alle Dinge auf das Bett des mystischen Schlummers. Geradeso wie 1.000 große Zeitalter einen Tag Brahmâs ausmachen (im Original ist es Padma-Yoni, dasselbe wie Abja-Yoni – der „Lotusgeborene“, nicht Brahmâ), besteht seine Nacht aus einer gleich langen Periode. „Am Ende einer Nacht erwachend, erschafft der Ungeborene . . . das Universum erneut. . . .“ (Vishnu-Purana“)

Das ist das „gelegentliche“ Pralaya; was ist nun aber die elementare Auflösung? Parashara beschreibt sie Maitreya wie folgt: „Wenn durch Mangel und Feuer alle Welten und Patalas (Höllen) verdorrt sind . . .,84 hat der Prozess der elementaren Auflösung begonnen. Dann verschlingen zuerst die Wasser die Eigenschaft der Erde (welche die Grundlage des Geruchs ist), und die Erde geht, dieser Eigenschaft beraubt, der Zerstörung entgegen – und wird eins mit dem Wasser . . . . wenn das Universum so von den Wogen des wässrigen Elements durchdrungen ist, wird sein elementarer Geschmack von den feurigen Elementen verschlossen . . . wodurch die Wasser selbst zerstört . . . und eins werden mit dem Feuer; und das Universum ist daher gänzlich von der (etherischen) Flamme erfüllt, die allmählich die ganze Welt überzieht. Während der Raum eine Flamme ist, . . . reißt das Element des Windes die rudimentäre Eigenschaft oder Form an sich, welche die Ursache des Lichts ist, und, indem sie zurückgezogen (pralina) wird, wird alles von luftartiger Natur. Da die Grundlage der Form zerstört und Vibhavasu (Feuer?) seiner Grundlage beraubt ist, löscht die Luft das Feuer und verbreitet sich im Raum, der des Lichts beraubt ist, sobald sich das Feuer in der Luft auflöst. Dann dehnt sich die Luft, vom Ton begleitet, welcher die Quelle des Ethers ist, überall in die zehn Regionen aus . . . . bis der Ether die Kohäsion (Sparsa – Berührung?) erfasst, ihre grundlegende Eigenschaft, durch deren Verlust die Luft zerstört wird, und Kha bleibt unverändert; ohne Form, Geschmack, Gefühl (Sparsa) und Geruch existiert er, verkörpert (murttimat) und unermesslich groß, und durchdringt den gesamten Raum. Akasha, dessen charakteristische Eigenschaft und Grundlage der Ton (das „Wort“) ist, bewohnt die gesamte Leere des Raumes. Dann verschlingt der Ursprung (das Noumenon?) der Elemente (Bhutadi) den Ton (den kollektiven Demiurgen); und die Scharen der Dhyan Chohans und alle vorhandenen [SD # 373] Elemente85 sind sogleich in ihrem Ursprung vereint. Das ursprüngliche Element, Bewusstsein, mit Tamasa (spirituelle Dunkelheit) verbunden, wird von Mahat selbst (dem Universalgemüt) aufgelöst, dessen charakteristische Eigenschaft Buddhi ist. Die Erde und Mahat sind die inneren und äußeren Grenzen des Universums.“ So wie (im Anbeginn) „die sieben Formen der Prakriti (Natur) von Mahat bis zur Erde aufgezählt wurden, genauso treten diese sieben, eines in das andere, der Reihe nach wieder ein.“86

„Brahmâs Ei (Sarva-Mandala) wird in den es umgebenden Wassern mit seinen sieben Bereichen (Dvipas), sieben Ozeanen, sieben Regionen und deren Bergen aufgelöst; die Umhüllung des Wassers wird vom Feuer verzehrt; das (Stratum des) Feuers wird absorbiert durch (jenes der) Luft; Luft vermischt sich mit Ether (Akasha); der Bhutadi (Ursprung oder vielmehr Ursache des ursprünglichen Elements) verschlingt den Ether und wird (selbst) von Mahat zerstört (dem Großen, dem Universalgemüt), was wiederum, zusammen mit allen anderen, von Prakriti erfasst wird und verschwindet. Die Prakriti ist essenziell dieselbe, ob getrennt oder ungetrennt; lediglich das, was getrennt ist, wird schließlich absorbiert und verliert sich im Ungetrennten. Auch Pums (Geist), der eins ist, rein, unvergänglich, ewig und alles durchdringend, ist ein Teil jenes Höchsten Geistes, der alle Dinge ist. Dieser Geist (Sarvesa), der etwas anderes als der (verkörperte) Geist ist, besitzt keinerlei Attribute wie Namen, Arten (Naman und jati oder Rupa, daher eher Körper als Arten) oder dergleichen – verbleibt als die einzige Existenz (SattA). . . Prakriti und Purusha lösen sich beide schließlich in den Höchsten Geist auf. . . .“ (aus „Vishnu-Purana“, Wilsons Irrtümer sind hier korrigiert und die ursprünglichen Begriffe in Klammern gesetzt).

Dieses ist das letzte Pralaya87 – der Tod des Kosmos – nach welchem sein Geist in Nirvana ruht oder in Jenem, für das weder Tag noch Nacht existieren. Alle anderen Pralayas treten periodisch auf und folgen in regelmäßiger Aufeinanderfolge den Manvantaras, wie bei jedem menschlichen Geschöpf die Nacht dem Tag folgt, bei jedem Tier und jeder Pflanze. Der Zyklus der Schöpfung der Leben des Kosmos ist durchschritten, die Energie des manifestierten „Wortes“ hatte [SD # 374] ihr Wachstum, ihren Höhepunkt und ihre Abnahme gleich allen vorübergehenden Dingen, wie lang auch immer ihre Dauer sein mag. Die schöpferische Kraft ist als Noumenon an sich ewig; als phänomenale Manifestation in ihren Aspekten hat sie einen Anfang und muss daher auch ein Ende haben. In diesen Intervallen hat sie ihre Phasen der Aktivität und ihre Phasen der Ruhe. Und das sind die „Tage und Nächte Brahmâs“. Aber Brahman, das Noumenon, ruht niemals, da es sich nie verändert, sondern immer ist, obwohl man von ihm nicht sagen kann, dass es irgendwo sei. . . . .

Die jüdischen Kabbalisten empfanden für die ewige, unendliche Gottheit die Notwendigkeit dieser Unwandelbarkeit und wendeten daher denselben Gedanken auf den anthropomorphen Gott an. Die Idee ist poetisch und in ihrer Anwendung sehr angemessen. Im „Zohar“ lesen wir Folgendes:

Als Moses auf dem Berg Sinai in Gegenwart der Gottheit Wache hielt, die seinem Anblick durch eine Wolke verborgen war, fühlte er sich von großer Furcht ergriffen und fragte plötzlich: ‘Herr, wo bist du . . . . schläfst du, oh Herr? . . .’ Und der Geist antwortete ihm: ‘Ich schlafe niemals: Würde ich vor meiner Zeit nur einen einzigen Augenblick lang in Schlaf fallen, zerfiele die gesamte Schöpfung augenblicklich in Auflösung.’“

Vor meiner Zeit“ ist sehr vielsagend. Es zeigt, dass der Gott des Moses lediglich ein zeitweiser Stellvertreter ist, ebenso wie der männliche Brahmâ ein Stellvertreter und ein Aspekt von Jenem ist, das unveränderlich ist und daher keinen Anteil an den „Tagen“ oder „Nächten“ haben kann, noch mit irgendetwas anderem, das mit Umwandlung oder Auflösung verbunden ist.

Während die östlichen Okkultisten sieben verschiedene Arten der Interpretation besitzen, haben die Juden lediglich vier – nämlich die wirklich mystische, die allegorische, die moralische und die buchstäbliche oder Paschut. Letztere ist der Schlüssel der exoterischen Kirchen und der Besprechung nicht wert. Mit dem ersten oder mystischen Schlüssel gelesen, finden sich hier einige Sätze, welche die Identität der Grundlagen des Aufbaus einer jeden heiligen Schrift zeigen. Sie finden sich in Isaac Myers ausgezeichnetem Buch über die kabbalistischen Werke, die er gut studiert zu haben scheint. Ich zitiere wörtlich. „B’raisheeth barah elohim ath hash ama yem v’ath haa’retzd. h. ‘Im Anfang schuf(en) Gott (die Götter) die Himmel und die Erde’; (was bedeutet:) die sechs Sephiroth des Aufbaus,88 über welche B’raisheeth wacht, gehören alle nach unten. Es erschuf sechs, (und) auf diesen fußen alle Dinge. Und diese hängen von den sieben Formen des Craniums ab bis hinauf zum Erhabensten aller Erhabenen. Und die zweite ‘Erde’ wird nicht mitgezählt, daher wurde gesagt: ‘Und aus ihr (dieser Erde), welche dem Fluch ausgesetzt war, kam sie hervor.’ . . . . ‘Sie (die Erde) war ohne Form und wüst, und die Finsternis schwebte über dem Angesicht der Tiefe, und der Geist der Elohim . . . . atmete (me’ racha ’phath), – d. h. schwebte, brütete über, bewegte. . . . . Dreizehn beruhen auf dreizehn [SD # 375] (Formen) der würdigsten Erhabenheit. Sechstausend Jahre sind mit den (auf sie beziehen sich die) ersten sechs Worten verbunden. Das siebente (Tausend, das Millennium) über ihr (der verfluchten Erde) ist das, was aus sich selbst heraus stark ist. Und sie wurde innerhalb von zwölf Stunden (eines . . . . Tages) gänzlich verwüstet, wie es geschrieben steht. . . . . In der dreizehnten wird Es (die Gottheit) alles wieder herstellen . . . . und alles wird erneuert werden wie zuvor; und jene sechs werden alle andauern . . . . etc.“ („Qabbalah,“ S. 233, aus „Siphrah Dzeniouta“, Kap. i, § 16, S. 9)

Die „Sephiroth des Aufbaus“ sind die sechs Dhyan Chohans, Manus oder Prajapatis, vom siebten „B’raisheeth (die erste Emanation oder der Logos) zusammengefasst, daher werden sie die Erbauer des niederen oder physischen Universums genannt“, alle gehören nach unten. Diese sechs , deren Essenz vom Siebten stammt – sind der Upadhi, die Grundlage oder der Grundstein, auf dem das objektive Universum aufgebaut ist, das Noumenoi aller Dinge. Daher sind sie gleichzeitig die Naturkräfte, die sieben Engel der Gegenwart, das sechste und das siebte Prinzip im Menschen; die spirituell-seelisch-körperlichen Sphären der siebenfältigen Kette, die Wurzelrassen usw. usw. Sie alle „hängen von den sieben Formen des Craniums ab“, bis hinauf zum Höchsten. Die „zweite Erde“ „wird nicht mitgezählt“, weil sie keine Erde ist, sondern das Chaos oder der Abgrund des Raums, in welchem das paradigmatische oder Modell-Universum in der Ideenbildung der Oberseele ruhte, welche es bebrütete. Der Ausdruck „Fluch“ ist hier sehr irreführend, denn er bedeutet lediglich Schicksal oder Bestimmung, oder jenes Verhängnis, welches sie in den objektiven Zustand stellte. Das zeigt sich in der Beschreibung dieser unter dem „Fluch“ stehenden „Erde“ als „ohne Form und wüst“, in deren unergründlichen Tiefen der „Atem“ der Elohim (der kollektiven Logoi) die erste Göttliche Ideenbildung der zukünftigen Dinge hervorbrachte oder abbildete. Dieser Vorgang wiederholt sich nach jedem Pralaya vor dem Beginn der neuen Manvantaras oder der Periode fühlenden, individuellen Daseins. „Dreizehn beruhen auf dreizehn Formen“, bezieht sich auf die dreizehn Zeiträume, verkörpert durch die dreizehn Manus mit Svayambhuva, dem vierzehnten (13 anstatt 14 stellt eine weitere Verschleierung dar): jene vierzehn Manus, die innerhalb der Frist eines Maha-Yuga regieren, eines „Tages“ Brahmâs. Diese (dreizehn-vierzehn) des objektiven Universums beruhen auf den dreizehn (vierzehn) paradigmatischen, idealen Formen. Die Bedeutung der „sechstausend Jahre“, welche „mit den ersten sechs Worten verbunden sind“, muss wiederum in der indischen Weisheit gesucht werden. Sie beziehen sich auf die ursprünglichen sechs (sieben) „Könige von Edom“, welche die Welten (oder Sphären) unserer Kette während der ersten Runde darstellen und auch auf die ursprünglichen Menschen dieser Runde. Sie sind die siebenfältige voradamische (oder vor der dritten, getrennten Rasse) erste Wurzelrasse. Da sie Schatten waren und ohne Sinne (sie hatten die Frucht vom Baum der Erkenntnis noch nicht gegessen), konnten sie die [SD # 376] Parguphim nicht sehen, oder „Angesicht konnte Angesicht nicht sehen“ (die ursprünglichen Menschen waren unbewusst“). „Daher starben die ursprünglichen (sieben) Könige“, d. h. sie wurden zerstört (vide „Siphrah Dzeniouta“). Wer sind nun diese Könige? Sie sind die „sieben Rishis, gewisse (sekundäre) Gottheiten, Sakra (Indra), Manu und die Söhne des Königs, die in einer Periode geschaffen werden und vergehen“, wie das Vishnu-Purana“ uns sagt (Buch I, Kap iii). Denn das siebte („Tausend“) (nicht das Tausendjährige Reich der exoterischen Christenheit, sondern das der Anthropogenesis) repräsentiert sowohl die „siebte Schöpfungsperiode“, die des körperlichen Menschen (Vishnu-Purana“), als auch das siebte Prinzip, makrokosmisch und mikrokosmisch, und ebenso das Pralaya nach der siebten Periode, die „Nacht“, welche dieselbe Dauer hat wie der „Tag“ Brahmâs. „Sie wurde innerhalb von zwölf Stunden gänzlich verwüstet, wie es geschrieben steht.“ Und in der dreizehnten (zweimal sechs und die Synthese) wird alles wiederhergestellt sein, „und die sechs werden fortdauern“.

So bemerkt der Verfasser der „Qabbalah“ ganz wahrheitsgemäß, dass „lange vor seiner (ibn Gabirols) Zeit, . . . viele Jahrhunderte vor der christlichen Ära, in Zentralasien eine ‘Weisheitsreligion’ existierte, die sich in der Folgezeit bruchstückhaft bei den Gelehrten der archaischen Ägypter, der alten Chinesen, Hindus etc. fanden . . .“ und . . . . . „Die Qabbalah kam höchstwahrscheinlich aus arischen Quellen über Zentralasien, Persien, Indien und Mesopotamien, denn aus Ur und von Haran kam Abraham und viele andere nach Palästina.“ (S. 221) Der Verfasser von „The Gnostics and Their Remains“, C. W. King, pflegte dieselbe feste Überzeugung.

Vamadeva Modelyar (Modely) beschreibt den Anbruch der „Nacht“ höchst poetisch. Obwohl schon in „Isis entschleiert“ mitgeteilt, ist sie doch eine Wieder­holung wert.

„Seltsame Geräusche werden vernommen, von überall ausgehend. . . . Das sind die Vorboten von Brahmâs Nacht; die Dämmerung erhebt sich am Horizont, und die Sonne vergeht hinter dem dreizehnten Grad des Makara (des Tierkreiszeichens) und wird das Zeichen des Minas (das Tierkreiszeichen Pisces oder die Fische) nicht mehr erreichen. Die Gurus der Pagoden, deren Aufgabe es ist, das Rasichakra (den Tierkreis) zu überwachen, können ihren Zirkel und ihre Instrumente jetzt zerbrechen, denn von nun an sind sie nutzlos.

Allmählich verblasst das Licht, die Wärme nimmt ab, es gibt immer mehr unbewohnte Orte auf der Erde. Die Luft wird dünner und dünner. Die Wasserquellen vertrocknen. Die großen Flüsse sehen ihre Wellen erschöpft. Der Ozean zeigt seinen sandigen Grund, und die Pflanzen sterben. Menschen und Tiere verlieren täglich an Größe. Leben und Bewegung verlieren ihre Kraft. Die Planeten können kaum mehr im Raum gravitieren; sie erlöschen einer nach dem anderen wie Lampen, die aufzufüllen die Hand des Chokras (Dieners) versäumte. Surya (die Sonne) flackert und erlöscht. Die Materie verfällt der Auflösung (dem Pralaya) und Brahmâ vereint sich wieder mit Dayus, dem ungeoffenbarten Gott, und da seine Aufgabe [SD # 377] erfüllt ist, fällt er in den Schlaf. Ein weiterer Tag ist vollbracht. Die Nacht bricht herein und dauert bis zur zukünftigen Morgendämmerung.

Und nun fügt er die Keime von allem, was existiert, wieder in das Goldene Ei seines Gedankens ein, wie uns der göttliche Manu sagt. Während Seiner friedlichen Ruhe stellen die mit den Prinzipien der Aktivität begabten belebten Wesen ihre Funktionen ein, und alles Fühlen (Manas) wird untätig. Wenn alle in die Höchste Seele absorbiert sind, schläft diese Seele aller Wesen in vollkommener Ruhe bis zu dem Tag, an dem sie wieder ihre Form annimmt und aufs Neue aus ihrer ursprünglichen Dunkelheit erwacht.“89

Wie das „Satya-Yuga“ in der Reihe der vier Zeitalter oder Yugas immer an der ersten Stelle steht, befindet sich das Kali-Yuga immer an der letzten. Das Kali-Yuga herrscht jetzt uneingeschränkt in Indien, und es scheint mit demselben Zeitalter im Westen zusammenzufallen. Auf jeden Fall ist es merkwürdig zu sehen, wie prophetisch der Verfasser des Vishnu-Puranas in fast allen Dingen war, als er Maitreya einige der dunklen Einflüsse und Sünden dieses Kali-Yugas vorhersagte. Denn als er sagte, dass die „Barbaren“ die Herren der Ufer des Indus von Chandrabhaga und Kaschmira sein werden, fügte er hinzu:

„Es wird zeitgenössische Monarchen geben, die über die Erde herrschen – Könige von grobem Geist, Jähzorn und immer der Falschheit und Bosheit ergeben. Sie werden Frauen, Kinder und Kühe töten. Sie werden das Eigentum ihrer Untertanen an sich reißen und den Frauen anderer nachstellen; sie werden über unbegrenzte Macht verfügen, ihre Lebensdauer wird kurz sein, ihre Begierden unersättlich. . . . Menschen verschiedener Länder, die sich mit ihnen vermischen, werden ihrem Beispiel folgen; und die Barbaren werden unter dem Schutz der Fürsten (in Indien) mächtig sein, während ehrlichere Stämme vernachlässigt werden und das Volk zugrunde gehen wird (oder wie der Kommentator sagt: ‘Die Mlechchhas werden in der Mitte stehen und die Arier am Ende.’)90 Wohlstand und Frömmigkeit werden abnehmen, bis die Welt gänzlich verkommen ist. Besitz allein wird den Rang verleihen; Reichtum wird die einzige Quelle der Ergebenheit sein; Leidenschaft das einzige Band der Vereinigung zwischen den Geschlechtern; Falschheit das einzige Mittel zum Erfolg im Rechtsstreit. Und die Frauen werden lediglich noch der Gegenstand sinnlicher Befriedigung sein. . . . . . Äußerlichkeiten werden die einzige Unterscheidung der verschiedenen Lebensordnungen darstellen; . . . . . ein reicher Mann als rein angesehen werden; der Lebensunterhalt allgemein mit Unredlichkeit (Anyaya) verdient werden; Schwäche die Ursache von Abhängigkeit sein, Drohung und Anmaßung die Gelehrsamkeit ersetzen; Freizügigkeit für Ergebenheit gehalten; gegenseitiges Einverständnis wird Ehe sein; schöne Kleider Würde. Wer der Stärkste ist, wird herrschen. Das Volk, unfähig, die schweren Lasten Khara Bhara (die Steuerlast) zu ertragen, wird seine Zuflucht in den Tälern suchen. . . . So wird im Kali-Zeitalter der Verfall beständig fortschreiten, bis [SD # 378] das Geschlecht der Menschen sich seiner Vernichtung (Pralaya) nähert. . . . Wenn sich das Ende des Kali-Zeitalters nähert, wird ein Teil des aus seiner eigenen spirituellen Natur (Kalki Avatara) existierenden göttlichen Wesens . . . auf die Erde herabsteigen . . . mit den acht übermenschlichen Fähigkeiten begabt. . . . Er wird die Recht­schaffenheit auf Erden wiederherstellen und die Gemüter der am Ende des Kali-Yugas Lebenden werden erweckt und deshalb so durchsichtig sein wie Kristall. Die so veränderten Menschen . . . werden die Samen menschlicher Wesen sein und eine Rasse hervorbringen, welche den Gesetzen des Krita-Zeitalters oder des Zeitalters der Reinheit folgen wird. So heißt es: ‘Wenn sich die Sonne und der Mond und Tishya, das Haus des Mondes, und der Planet Jupiter in einem Hause befinden, wird das Krita- (oder Satya-) Zeitalter wiederkehren’.

. . . . Zwei Personen, Devapi aus dem Geschlecht der Kuru und Maru (Moru) aus der Ikshvaku-Familie, leben während der gesamten vier Zeitalter, in Kalapa wohnend.91 Zu Beginn des Krita-Zeitalters werden sie hierher zurückkehren . . . Maru (Moru)92, der Sohn Schighras, lebt noch durch die Kraft des Yoga . . . . und wird der Wiederhersteller des Kshatriyageschlechts der Sonnendynastie sein.“93 (Vayu-Purana“, Bd. III, S. 187)

Einerlei ob letztere Prophezeiung richtig ist oder nicht, die Segnungen des Kali-Yugas sind gut beschrieben und passen wunderbar selbst auf das, was im Europa und anderen zivilisierten und christlichen Ländern auf der Höhe des 19. und dem Anbruch des 20. Jahrhunderts unserer großen Ära der Erleuchtung zu sehen und hören ist.

 

 

[SD # 379]
§
VIII
Der Lotus als universales Symbol

Es gibt keine alten Symbole ohne einen damit verbundenen tiefen und philosophischen Sinn; ihre Wichtigkeit und Bedeutsamkeit nimmt mit ihrem Alter zu. Ein solches ist der Lotus. Er ist die der Natur und ihren Göttern geweihte Blume und symbolisiert das abstrakte und das konkrete Universum, indem er als das Emblem für die produktiven Kräfte sowohl der spirituellen als auch der physischen Natur steht. Er wurde seit dem entferntesten Altertum von den arischen Hindus, den Ägyptern und nach ihnen den Buddhisten gleichermaßen als heilig erachtet. Er wurde in China und Japan verehrt und von den griechischen und lateinischen Kirchen als christliches Emblem angenommen, die aus ihm einen Sendboten machten, sowie die heutigen Christen, die ihn durch die Wasserlilie ersetzen.94 Er hatte und hat noch seine mystische Bedeutung, die bei allen Nationen der Welt übereinstimmt. Wir verweisen den Leser auf Sir William Jones.95 Bei den Hindus ist der Lotus das Emblem der produktiven Kraft der Natur durch die Wirkung von Feuer und Wasser (Geist und Materie). „Oh, du Ewiger! Ich sehe Brahmâ, den Schöpfer, in dir über dem Lotus thronend!“, lautet ein Vers der Bhagavadgita. Und Sir W. Jones zeigt, wie bereits in den Stanzen angemerkt, dass die Lotus-Samen schon bevor sie keimen vollkommen ausgebildete Blätter enthalten, die Miniaturformen dessen, zu dem sie eines Tages als vollendete Pflanzen werden. In Indien ist der Lotus das Symbol der fruchtbaren Erde und, was wichtiger ist, des Berges Meru. Jeder der vier Engel oder Genien der vier Viertel des Himmels (die Maharajas, siehe die Stanzen) steht auf einem Lotus. Der Lotus ist das zweifache Sinnbild des göttlichen und menschlichen Hermaphroditen, da er sozusagen zweigeschlechtlich ist.

Brahmâ wurde bei den Hindus aus dem Geist des Feuers (oder der Wärme) evolviert, der alles, was aus dem Wasser oder der ursprünglichen Erde geboren wird (aus seinem idealen Prototypen) zu konkreter Form anregt, befruchtet und entwickelt. Die aus Vishnus Nabel herauswachsende Lotusblume – des auf seiner Schlange der Unendlichkeit und den Wassern des Raumes ruhenden Gottes – ist das anschaulichste jemals erschaffene Symbol: Es steht für das sich aus der zentralen Sonne entwickelnde Universum, aus dem Punkt, dem immer verborgenen Keim. Lakshmi, welche den [SD # 380] weiblichen Aspekt Vishnus96 repräsentiert und die auch Padma, der Lotus, genannt wird, wird ebenfalls als auf einer Lotusblume schwimmend dargestellt, während der „Schöpfung“ und des „Butterns des Ozeans“ des Raumes, aus dem „Milchmeer“ hervorgehend wie Venus aus dem Schaume.

„ . . . Dann, auf einem Lotus sitzend
Erhebt der Schönheit Göttin, der unvergleichlichen Sri
Sich aus den Wellen . . .”

lautet der Gesang eines englischen Orientalisten und Dichters (Sir Monier Williams).

Die diesem Symbol zugrunde liegende Vorstellung ist wunderschön und weist überdies in allen religiösen Systemen auf eine übereinstimmende Herkunft hin. Einerlei ob in der Form des Lotus oder der Wasserlilie, es bedeutet ein und dieselbe philosophische Idee, nämlich die Emanation des Objektiven aus dem Subjektiven, die Göttliche Ideenbildung, wie sie aus dem Abstrakten zum Konkreten oder zur sichtbaren Form übergeht. Denn sobald die Dunkelheit – oder vielmehr das, was die „Dunkelheit“ für die Unwissenheit ist – in ihren eigenen Bereich ewigen Lichtes verschwunden ist und lediglich ihre göttliche, offenbarte Ideenbildung hinter sich zurückgelassen hat, haben die kreativen Logoi ihr Verständnis eröffnet, und sie erkennen in der idealen Welt (die bis dahin im Göttlichen Gedanken verborgen lag) die archetypischen Formen von allem und machen sich daran, die vergänglichen und transzendenten Formen nach diesen Mustern nachzubilden oder zu erbauen und zu gestalten.

Auf dieser Stufe der Aktivität ist der Demiurg97 noch nicht der Architekt. In der Dämmerung der Aktivität geboren, hat er zunächst den Plan zu erfüllen und muss die idealen Formen verwirklichen, welche im Schoß der ewigen Ideenbildung vergraben liegen, geradeso wie die zukünftigen Lotusblätter, die unbefleckten Blütenblätter, im Samen dieser Pflanze verborgen liegen. . . . .

Im die „Transformation in den Lotus“ genannten Kapitel lxxxi des Rituals („Totenbuch“) ruft Gott in Gestalt eines aus der Blüte auf­tauchenden Hauptes: „Ich bin der reine Lotus, der aus dem Strahlenden hervortritt. . . . . Ich überbringe die Botschaften des Horus. Ich bin der reine Lotus, der aus den Gefilden der Sonne kommt. . . . .“

Die Lotus-Idee kann sogar im elohistischen ersten Kapitel der Genesis zurückverfolgt werden, wie in Isis behauptet wird.

[SD # 381] In dieser Idee müssen wir den Ursprung und die Erklärung des Verses in der jüdischen Kosmogonie suchen, der lautet: „Und Gott sprach: Lasse die Erde hervorgehen . . . . fruchtbare Bäume, dass ein jeglicher nach seiner Art Früchte und seinen eigenen Samen in sich selbst trage.“ In allen ursprünglichen Religionen ist der schöpferische Gott der „Sohn des Vaters“, d. h. sein sichtbar gemachter Gedanke; und vor der christlichen Ära, von der Trimurti der Hindu bis hinab zu den drei kabbalistischen Häuptern der Schriften, wie sie von den Juden erklärt werden, war die dreieinige Gottheit aller Nationen vollständig bestimmt und mit ihren Allegorien belegt.

Das ist die kosmische und ideale Bedeutung dieses großen Symbols bei den östlichen Völkern. Aber im Rahmen seiner Anwendung auf die praktische, exoterische Anbetung, die auch ihre esoterische Symbologie hatte, wurde der Lotus mit der Zeit Träger und Behälter einer eher irdischen Vorstellung. Keine dogmatische Religion ist jemals dem in ihr enthaltenen sexuellen Element entkommen; und bis zum heutigen Tag beschmutzt dasselbe die moralische Schönheit der Grundidee. Das Folgende stammt aus demselben kabbalistischen Manuskript, das wir bereits zitiert haben:

„Auf dieselbe Bedeutung wies der in den Wassern des Nils wachsende Lotus hin. Die Art seines Wachstums macht ihn besonders geeignet dafür, als ein Symbol der Zeugungsaktivitäten zu dienen. Die Blüte des Lotus, welche als Ergebnis ihres Heranreifens den Samen für die Fortpflanzung trägt, steht mithilfe des langen, durch das Fruchtwasser, d. h. durch den Fluss Nil, führenden seilartigen Stengel, der Nabelschnur, mittels eines einer Plazenta ähnelnden Anhangs mit Mutter Erde oder mit dem Schoß der Isis in Verbindung. Nichts kann klarer sein als dieses Symbol. Und um es in seiner beabsichtigten Bedeutung vollkommen zu machen, ist mitunter ein auf der Blüte sitzendes oder aus ihr hervorkommendes Kind dargestellt.98 So werden Osiris und Isis, die Kinder des Kronos oder der endlosen Zeit, in diesem Bild in der Entwicklung ihrer Naturkräfte unter dem Namen Horus zu den Eltern des Menschen. . . (siehe § IX, „The Moon, Deus Lunus, Phoebe”).

Wir können nicht genug betonen, dass diese Zeugungsfunktion als Basis einer Symbolsprache und einer wissenschaftlichen Kunstsprache gewählt wurde. Ein Nachsinnen über diese Idee führt sofort dazu, die schöpferische Ursache zu betrachten. In den Werken der Natur lässt sich beobachten, dass sie einen wundervollen, lebendigen Mechanismus erschaffen hat, der von einer ihm hinzugefügten, lebendigen Seele gesteuert wird; die Entwicklung des Lebens und die Geschichte dieser Seele in Bezug auf ihr Woher, ihre Gegenwart und ihr Wohin übersteigen alle Anstrengungen des menschlichen Intellekts.99 Das Neugeborene ist ein immer wiederkehrendes Wunder, ein Beweis dafür, dass [SD # 382] in der Werkstatt der Gebärmutter eine intelligente, schöpferische Kraft die Zusammenfügung einer lebendigen Seele mit einer physischen Maschine bewirkt hat. Das erstaunlich Wunderbare dieser Tatsache verbindet eine heilige Weihe mit allem, was mit den Zeugungsorganen in Verbindung steht, als mit der Wohnung und dem Ort einer offensichtlich schöpferischen Intervention der Gottheit.“

Das ist eine korrekte Wiedergabe der zugrunde liegenden Ideen der alten Zeit, der rein pantheistischen, unpersönlichen und ehrfurchtsvollen Vorstellungen der archaischen Philosophen der prähistorischen Zeitalter. Sie ist es jedoch nicht, wenn man sie auf die sündige Menschheit anwendet, auf die groben, dem Persönlichen anhaftenden Ideen. Daher würde kein pantheistischer Philosoph die dem Obigen folgenden und den Anthropomorphismus der jüdischen Symbologie darstellenden Bemerkungen anders einstufen, als dass sie die Heiligkeit der wahren Religion gefährden und lediglich für unser materialistisches Zeitalter passen, welches das unmittelbare Ergebnis und Resultat dieses anthropomorphischen Charakters ist. Denn das ist der Grundton für den gesamten Geist und die Essenz des Alten Testaments, wie das Manuskript bei der Behandlung der Symbolik der biblischen Kunstsprache erklärt:

„Daher ist der Ort des Schoßes als der allerheiligste Platz anzusehen, als das Sanctum Sanctorum und der wahrhaftige Tempel des Lebendigen Gottes.100 Vom Mann wurde der Besitz der Frau immer als ein wesentlicher Teil seiner selbst betrachtet, um zwei zu einem zu machen und eifersüchtig als heilig behütet. Selbst der Teil des gewöhnlichen Hauses oder Heims, welcher der Wohnstätte der Frau geweiht war, wurde penetralia genannt, das Geheime oder Geheiligte, und folglich wurde die Metapher vom Allerheiligsten bei heiligen Bauwerken aus der Idee der Heiligkeit der Zeugungsorgane geschöpft. Diese Darstellung wird durch die Metapher auf die Spitze getrieben101, dass dieser Teil des Hauses in der Heiligen Schrift als „zwischen den Schenkeln des Hauses liegend“ beschrieben wird, und manchmal ist diese Idee durch die große, zwischen seitlich davon stehenden Strebepfeilern gesetzte Toröffnung der Kirchen konstruktiv ausgeführt.“

Bei den alten, ursprünglichen Ariern existierte niemals ein derartiger „auf die Spitze getriebener“ Gedanke. Das ist durch die Tatsache erwiesen, dass in der vedischen Epoche ihre Frauen nicht von den Männern abgesondert in der Penetralia oder „Zenanas“ untergebracht wurden. Ihre Abgeschlossenheit begann, als die Mohammedaner – nach dem christlichen Kirchentum die nächsten Erben der hebräischen Symbolik – das Land erobert hatten und den Hindus allmählich ihre Sitten und Bräuche aufzwangen. Die vor- und nach-vedische Frau war ebenso frei wie der Mann, und der religiösen Symbolik [SD # 383] der frühzeitlichen Arier wurden niemals unreine irdische Gedanken beigemengt.Die Idee und Anwendung ist rein semitisch. Das wird vom Verfasser der genannten außerordentlich gelehrten und kabbalistischen Offenbarung bestätigt, indem er am Schluss der oben zitierten Abschnitte hinzufügt:

Wenn mit diesen Organen als Symbolen der schöpferischen kosmischen Kräfte die Idee des Ursprungs der Maße sowie der Zeitperioden verbunden werden kann, dann sollte in der Tat bei der Konstruktion der Tempel als Wohnungen der Gottheit oder Jehovahs der zum Allerheiligsten oder zum heiligsten Platz bestimmte Teil seinen Namen von der anerkannten Heiligkeit der Zeugungsorgane herleiten, die sowohl als Symbole der Maße als auch der schöpferischen Ursache angesehen wurden. Bei den alten Weisen existierte kein Name, keine Vorstellung und kein Symbol einer Ersten Ursache.“ . . . .

Ganz gewiss nicht. Lieber ihm niemals einen Gedanken widmen und es für immer namenlos lassen, wie es die alten Pantheisten taten, als die Heiligkeit dieses Ideals der Ideale durch die Erniedrigung seiner Symbole in solch anthropomorphische Formen zu zerstören! Hier erkennt man erneut die ungeheure Kluft zwischen dem arischen und dem semitischen religiösen Denken: die beiden entgegengesetzten Pole – Aufrichtigkeit und Verheimlichung. Bei den Brahmanen, welche die natürlichen Fortpflanzungs­funktionen der Menschheit noch niemals mit der Eigenschaft der „Erbsünde“ ausstatteten, ist es eine religiöse Pflicht, einen Sohn zu haben. Ein Brahmane der alten Zeit zog sich, nachdem er seine Sendung als menschlicher Schöpfer erfüllt hatte, in den Dschungel zurück und verbrachte den Rest seiner Tage in religiöser Andacht. Er hatte seine Pflicht gegenüber der Natur als sterblicher Mensch und als ihr Mitarbeiter erfüllt und widmete von nun an alle seine Gedanken dem spirituellen und unsterblichen Teil in ihm, indem er das Irdische als bloße Täuschung, als einen dahinschwindenden Traum betrachtete – was er in der Tat ist. Bei dem Semiten verhielt sich das anders. Er erfand eine Versuchung des Fleisches in einem Garten Eden; zeigte, dass sein Gott (esoterisch der Versucher und der Beherrscher der Natur) eine Handlung für immer verfluchte, die dem logischen Programm dieser Natur innewohnte.102 All das exoterisch, wie in der Verhüllung und dem toten Buchstaben der Genesis und des Übrigen; esoterisch betrachtete er gleichzeitig die angebliche Sünde und den Fall als derartig heiligen Akt, dass er das Organ, den Verursacher der Erbsünde, zum geeignetsten und heiligsten Symbol für die Darstellung dieses Gottes erwählte, von dem doch gezeigt wurde, dass er seinen beginnenden Gebrauch als Ungehorsam und ewige Sünde brandmarkte!

Wer kann jemals die von Widersprüchen erfüllten Tiefen semitischen Denkens ergründen? Und dieses paradoxe Element minus seiner innersten Bedeutung ist jetzt gänzlich in die christliche Theologie und das christliche Dogma übergegangen!

Ob die esoterische Bedeutung des hebrä­ischen (Alten) Testaments den ersten Kirchenvätern allgemein bekannt war oder lediglich einigen wenigen, während die Übrigen in Bezug auf das Geheimnis unwissend blieben, darüber hat [SD # 384] die Nachwelt zu entscheiden. Eines ist auf jeden Fall gewiss. Da die Esoterik des Neuen Testaments mit der Esoterik der hebräischen mosaischen Bücher vollkommen übereinstimmt; und da gleichzeitig eine Anzahl rein ägyptischer Symbole und heidnischer Dogmen im Allgemeinen – zum Beispiel die Dreieinigkeit – von den synoptischen Evangelien und vom Hl. Johannes kopiert und eingebunden wurden, leuchtet es ein, dass den Verfassern des Neuen Testaments die Identität dieser Symbole bekannt war, wer immer sie gewesen sein mögen. Sie müssen auch vom Vorrang der ägyptischen Esoterik Kenntnis gehabt haben, da sie sich verschiedene solcher Symbole aneigneten, welche rein ägyptische Begriffe und Glaubenslehren darstellen – ihrer äußeren und inneren Bedeutung nach –, die im jüdischen Kanon nicht zu finden sind. Eines davon ist das Symbol der Wasserlilie in den Händen des Erzengels in den frühzeitlichen Darstellungen seiner Erscheinung vor der Jungfrau Maria; und diese symbolischen Bilder haben sich bis zum heutigen Tag in der Ikonografie der griechischen und römischen Kirche erhalten. Somit liefern Wasser, Feuer, das Kreuz sowie die Taube, das Lamm und andere heilige Tiere in all ihren Kombinationen esoterisch eine übereinstimmende Bedeutung und müssen als eine Verbesserung gegenüber dem reinen und einfachen Judentum angenommen worden sein.

Denn der Lotus und das Wasser gehören zu den ältesten Symbolen und sind in ihrem Ursprung rein arisch, obwohl sie während der Abzweigung der fünften Rasse zum Allgemeingut wurden. Wir wollen ein Beispiel geben. Buchstaben, und genauso gut Zahlen, waren allesamt mystisch, sowohl in ihren Verbindungen als auch einzeln genommen. Der heiligste von allen ist der Buchstabe M. Er ist zugleich weiblich und männlich oder androgyn und dafür vorgesehen, das Wasser, die große Tiefe, in seinem Ursprung zu symbolisieren. Er ist in allen Sprachen, den östlichen und den westlichen, ein mystischer Buchstabe und steht als Glyphe für die Wogen, solcherart: . In der arischen sowie in der semitischen Esoterik stand dieser Buchstabe immer für die Gewässer, z. B. bedeutet Makara – das zehnte Zeichen des Tierkreises – im Sanskrit Krokodil oder vielmehr ein Ungeheuer der Fluten, das immer mit Wasser assoziiert wurde. Der Buchstabe MA entspricht dem und korrespondiert mit der Zahl 5 – welche sich zusammensetzt aus einer Zweiheit, dem Symbol der beiden getrennten Geschlechter, und aus der Dreiheit, dem Symbol des dritten Lebens, dem Nachkommen der Zweiheit. Das wiederum wird häufig durch ein Pentagon symbolisiert, welches ein heiliges Zeichen ist, ein göttliches Monogramm. Maitreya ist der geheime Name des fünften Buddhas und der Kalki Avatara der Brahmanen – der letzte Messias, der am Höhepunkt des großen Zyklus erscheinen wird. Es ist auch der Anfangsbuchstabe der griechischen Metis oder der Göttlichen Weisheit; von Mimra, dem „Wort“ oder Logos; und von Mithras (dem Mihr), der Monade, dem Mysterium. Sie alle werden in und aus der großen Tiefe geboren. Sie sind die Söhne der Maya – der Mutter; in Ägypten Mut, in Griechenland Minerva (Göttliche Weisheit), Maria, oder Miriam, ­Myrrha usw., der Mutter des christlichen Logos, und der Maya, der Mutter Buddhas. Madhava und Madhavi sind die Titel des wichtigsten Gottes und der wichtigsten Göttin des Hindu-Pantheons. Schließlich ist Mandala [SD # 385] im Sanskrit „ein Kreis“ oder eine Scheibe (die zehn Abteilungen des Rigvedas). Generell beginnen die heiligsten Namen in Indien mit diesem Buchstaben – von Mahat, dem ersten geoffenbarten Intellekt, und Mandara, dem großen Berg, welchen die Götter beim Rühren des Ozeans benutzten, bis zur Mandakin, dem himmlischen Ganga (dem Ganges), dem Manu usw. usw.

Wird man das einen Zufall nennen? Dann ist es in der Tat ein seltsamer, wenn wir selbst bei Moses – der im Wasser des Nils gefunden wurde – denselben symbolischen Konsonant in seinem Namen finden. Und die Tochter des Pharao „nannte ihn beim Namen Moses . . . weil,“ sagte sie, „Ich zog ihn aus dem Wasser.“ (Exodus 2,10)103 Außerdem ist der diesen Buchstaben M betreffende hebräische heilige Name Gottes Meborah, der „Heilige“ oder der „Gesegnete“, und das Wasser der Flut heißt M’bul. Eine Erinnerung an die „drei Marien“ bei der Kreuzigung und ihren Zusammenhang mit Mare, dem Meer oder Wasser, mag dieses Beispiel abschließen. Das ist der Grund, warum im Juden- und Christentum der Messias immer im Zusammenhang steht mit dem Wasser, mit der Taufe und auch mit den Fischen (dem im Sanskrit Mina heißenden Tierkreiszeichen) und selbst mit dem Matsya- (Fisch)-Avatara, und mit dem Lotus – dem Symbol des Schoßes oder mit der Wasserlilie, welche dieselbe Bedeutung hat.

In den Relikten des alten Ägyptens finden sich um so häufiger Lotusblüten und Wasser in Verbindung mit den Sonnengöttern, je größer das Alter der ausgegrabenen Weihegegenstände mit ihren Symbolen und Emblemen ist. Der Gott Chnum – die Kraft der Feuchtigkeit – Wasser, über das Thales lehrte, dass es der Ursprung aller Dinge ist, sitzt auf einem Thron, der von einem Lotus umschlossen ist (saïtische Epoche, Serapeum). Der Gott Bes steht auf einem Lotus, bereit, seine Nachkommenschaft zu verschlingen (Ibid., Abydos). Thot, der Gott des Mysteriums und der Weisheit, der heilige Schreiber von Amenti, der die Sonnenscheibe als Kopfschmuck trägt, sitzt mit einem Stierhaupt (der heilige Widder von Mendes ist eine Form von Thot) und einem menschlichen Körper auf einem voll aufgeblühten Lotus (IV. Dynastie). Schließlich ruht die Göttin Hiquet in der Gestalt eines Frosches auf dem Lotus und zeigt so ihre Verbindung mit dem Wasser. Und aus der unpoetischen Gestalt dieses Symbols des Frosches, zweifellos das älteste Symbol ihrer ägyptischen Gottheiten, versuchten die Ägyptologen vergeblich, das Geheimnis und die Funktionen der Göttin zu enthüllen. Die Annahme dieses Symbols in der Kirche durch die ersten Christen zeigt, dass sie es besser kannten als unsere modernen Orientalisten. Die „Frosch- oder Krötengöttin“ war eine der bedeutendsten kosmischen Gottheiten in Verbindung mit der Schöpfung aufgrund ihrer amphibischen Natur und hauptsächlich wegen ihrer scheinbaren Wiederauferstehung nach langen Zeiten einsamen Lebens, während der sie in alten Mauern, in Felsen und dergleichen verehrt wurde. Zusammen mit Chnum hatte sie nicht nur Anteil an der Gestaltung der Welt, sondern sie wurde auch mit dem [SD # 386] Dogma der Auferstehung in Zusammenhang gebracht.104 Es muss eine sehr tiefe und heilige Bedeutung mit diesem Symbol verknüpft gewesen sein, da es die ersten ägyptischen Christen in ihre Kirchen aufnahmen, obwohl sie damit Gefahr liefen, einer widerwärtigen Form der Tierverehrung beschuldigt zu werden. Ein in eine Lotusblüte eingeschlossener Frosch oder eine Kröte, oder lediglich die Lotusblüte selbst, wurde für die Kirchenlampen als Form gewählt, auf welchen die folgenden Worte eingraviert waren: „Ich bin die Auferstehung – “ ᾽Εγώ εἰμι ἀνάστασις”.105 Diese Froschgöttinnen finden sich auch bei sämtlichen Mumien.

 

 

§ IX
Der Mond, Deus Lunus, Phoebe

Dieses archaische Symbol ist das poetischste und philosophischste aller Symbole. Die alten Griechen stellten es in den Vordergrund, und die modernen Poeten haben es bis zur Abgedroschenheit abgetragen. Die Königin der Nacht, welche in der Majestät ihres einzigartigen Lichts über den Himmel gleitet, alles in Dunkelheit wirft, selbst Hesperos, und ihren Silbermantel über die gesamte Sternenwelt ausbreitet, war schon immer ein Lieblingsthema aller Dichter der Christenheit, von Milton und Shakespeare herab bis zum letzten Dichterling. Aber die strahlende Lampe der Nacht mit ihrem Gefolge unzähliger Sterne regte nur die Fantasie der Profanen an. Bis vor Kurzem hatten Religion und Wissenschaft mit dem schönen Mythos nichts zu tun. Doch der kalte, keusche Mond, in den Worten Shelleys –

. . . . „Der Du all’ verschönst, was dein Lächeln trifft,
Wandernder Schrein der sanften, eis’gen Flamm’,
Immer gewandelt, doch immer derselb’,
Der nicht wärmt, jedoch erleuchtet.” . . . .

steht in engerer Beziehung zur Erde als alle anderen Gestirne. Die Sonne ist der Lebensspender für das ganze Planetensystem. Der Mond ist der Lebensspender für unseren Globus, und die frühen Rassen verstanden und wussten das, selbst in ihrer Kindheit. Er ist die Königin, und er ist der König. Er war König Soma, bevor er in Phoebe und die keusche Diana umgewandelt wurde. Vor allem war er durch die mosaischen und kabbalistischen Juden die Gottheit der Christen, wenn diese Tatsache der zivilisierten Welt auch lange unbekannt geblieben sein mag. Tatsächlich war er das immer, seitdem [SD # 387] der letzte initiierte Kirchenvater die Geheimnisse der heidnischen Tempel mit ins Grab genommen hatte. Für solche „Väter“ – wie Origenes oder Clemens von Alexandria – war der Mond Jehovahs lebendiges Symbol, der Lebens- und der Todesspender, der Daseinsspender – in unserer Welt. Denn wenn Artemis Luna am Himmel und bei den Griechen Diana auf der Erde war, die über die Geburt der Kinder und das Leben wachte, so war sie bei den Ägyptern Hekat (Hekate) in der Hölle, die Göttin des Todes, die Beherrscherin der Magie und der Zaubereien. Mehr als das: Als der personifizierte Mond, dessen Erscheinungen dreifältig sind, ist Diana-Hekate-Luna die Drei in Einem. Denn sie ist die Diva triformis, tergemina triceps – drei Häupter auf einem Hals106, wie Brahmâ-Vishnu-Shiva. Daher ist sie die Urform unserer Dreieinigkeit, die nicht immer ausschließlich männlich gewesen ist. Die Zahl sieben, die in der Bibel eine so hervorragende Rolle spielt und im siebten Tag (Sabbat) so geheiligt wird, kam aus dem Altertum zu den Juden und hatte ihren Ursprung in der vierfältigen Zahl 7, die in den 28 Tagen des Mondmonats enthalten ist, wobei jeder siebenfältige Teil davon durch ein Viertel des Mondes dargestellt wird.

Es ist in diesem Werk die Mühe wert, aus der Vogelschau einen Blick auf den Ursprung und die Entwicklung des Mondmythos und der Mondverehrung auf unserer Seite des Globus im historischen Altertum zu werfen. Ihren früheren Ursprung kann die exakte Wissenschaft nicht zurückverfolgen, die sämtliche Überlieferungen zurückweist; für die Theologie jedoch, welche unter der Führung der schlauen Päpste jedes Bruchstück der Literatur brandmarkte, das nicht die Imprimatur der römischen Kirche trug, ist ihre archaische Geschichte ein Buch mit sieben Siegeln. Ob die ägyptische oder die arisch-indische Religionsphilosophie die ältere ist – die Geheimlehre hält die Letztere für älter – tut in diesem Fall nicht viel zur Sache, da die Mond- und Sonnen-„Verehrung“ die ältesten Verehrungen der Welt darstellen. Beide haben überlebt und treten bis zum heutigen Tag auf der ganzen Welt auf, bei einigen offen, bei anderen – d. h. in der christlichen Symbologie – verborgen. Die Katze, ein lunares Symbol, war der Isis geweiht, die in einem Sinn der Mond selbst war, so wie Osiris die Sonne war. Die Katze findet sich oft am Kopf des Sistrums in der Hand der Göttin. Dieses Tier wurde in der Stadt Bubastis tief verehrt, die nach dem Tod jeder heiligen Katze in tiefe Trauer verfiel, weil in dieser Stadt der Mysterien Isis als der Mond besonders verehrt wurde. Die astronomische Symbolik im Zusammenhang damit wurde bereits in Teil I, „Symbolik“, gegeben, und niemand hat sie besser beschrieben als Gerald Massey in seinen „Lectures“ und in „The Natural Genesis“. Das Auge der Katze, heißt es, scheint den zu- und abnehmenden Mondphasen zu folgen, und ihre Augäpfel leuchten wie zwei Sterne in der Dunkelheit der Nacht. Daher stammt die mythologische Allegorie, die Diana sich in der Gestalt einer Katze im Mond verbergen lässt, als sie in der Gesellschaft anderer Gottheiten der Verfolgung durch Typhon [SD # 388] zu entkommen versuchte (siehe Ovids „Metamorphosen“). Der Mond war in Ägypten beides, das „Auge des Horus“ und das „Auge des Osiris“, der Sonne.

Dasselbe gilt für den Kynokephalen. Der hundsköpfige Affe war eine Glyphe, die symbolhaft abwechselnd Sonne und Mond darstellte, obwohl Kynokephalos eher ein hermetisches als ein religiöses Symbol ist. Denn er ist die Hieroglyphe Merkurs, des Planeten, und des Merkurs der alchemistischen Philosophen, die sagen: „Merkur muss sich immer in der Nähe von Isis befinden, als ihr Diener, denn ohne Merkur können weder Isis noch Osiris irgendetwas in dem Grossen Werk vollbringen.“ Sobald Kynokephalos zusammen mit dem Caduceus abgebildet wird, mit dem Halbmond, oder mit dem Lotus, ist er die Glyphe des „philosophischen“ Merkurs; ist er jedoch mit einem Schilfrohr oder einer Pergamentrolle zu sehen, steht er für Hermes, den Sekretär und Ratgeber der Isis, wie Hanuman, der dasselbe Amt für Rama ausfüllte.

Obwohl die regulären Sonnenverehrer, die Parsen, nicht zahlreich sind, ist nicht nur der Hauptteil der indischen Mythologie und Geschichte auf diesen beiden Kulten aufgebaut und mit ihnen verwoben, sondern auch die christliche Religion selbst. Von ihrem Ursprung an bis zum heutigen Tag hat dieser Kult die Theologien der römisch-katholischen und der protestantischen Kirchen gefärbt. Die Unterschiede zwischen den arisch-indischen und den arisch-europäischen Glaubensbekenntnissen sind in der Tat unbedeutend, wenn lediglich die grundlegenden Ideen der beiden in Betracht gezogen werden. Die Hindus nennen sich selbst mit Stolz vor allem Suryas und Chandravamshas (Nachkommen der solaren und lunaren Dynastien). Die Christen betrachten dies vorgeblich als Götzendienst, und doch hängen sie selbst einer Religion an, die gänzlich auf der Sonnen- und Mondverehrung beruht. Es ist nutzlos und eitel von den Protestanten, sich wegen ihres „Marienkults“ über die römischen Katholiken zu ereifern, der auf dem alten Kult der Mondgöttinnen beruht, solange sie selbst Jehovah verehren, der in der Hauptsache ein lunarer Gott ist, und wenn beide Kirchen in ihren Theologien den „Sonnen“-Christus und die lunare Dreieinigkeit angenommen haben.

Sehr wenig ist über die chaldäische Mondverehrung des babylonischen Gottes Sin bekannt, der von den Griechen „Deus Lunus“ genannt wurde. Dieses Wenige ist geeignet, den profanen Schüler in die Irre zu führen, dem es nicht gelingt, die esoterische Bedeutung der Symbole zu erfassen. Wie es den alten profanen Philosophen und Schriftstellern landläufig bekannt war (denn die Initiierten unter ihnen waren zum Stillschweigen verpflichtet), verehrten die Chaldäer den Mond unter seinen (und ihren) verschiedenen Namen, ebenso wie die Juden, die nach ihnen kamen.

In dem bereits erwähnten unveröffentlichten Manuskript über die Kunst­sprache, welches einen Schlüssel zur Bildung der alten (symbolischen) Sprache enthält, wird eine logische Begründung für die Existenzberechtigung dieser doppelten Verehrung vorgebracht. Es wurde von einem ausgesprochen gut unterrichteten und scharfsinnigen Gelehrten und Mystiker verfasst, der sie in der umfassenden Form einer Hypothese wiedergibt. Letztere wird jedoch in der Geschichte der religiösen [SD # 389] Entwicklung des menschlichen Denkens für jeden, der jemals auch nur einen schwachen Einblick in das Geheimnis der alten Symbologie erhalten hat, zwangsläufig zu einer erwiesenen Tatsache. Er sagt also:

„Eine der ersten Beschäftigungen der Menschen, die zu den tatsächlich notwendigen gehörte, dürfte die Wahrnehmung von Zeitperioden betreffen107, die dem gewölbten Himmelsbogen eingeschrieben sind, der sich über den ebenen Grund des Horizonts oder die Ebene des ruhenden Wassers erhebt. Diese beträfen Tag und Nacht, die Mondphasen, dessen siderische und synodische Umläufe sowie die Periode des Sonnenjahrs mit den wiederkehrenden Jahreszeiten, sowie die Anwendung solcher Perioden auf das natürliche Maß von Tag und Nacht oder dem in den lichten und den dunklen Anteil geteilten Tag. Es würde ebenso entdeckt werden, dass es im Zeitraum eines Sonnenjahres einen längsten und einen kürzesten Sonnentag gibt, sowie zwei Sonnentage mit gleich langen Tag- und Nachtzeiten; und im Jahreslauf könnten deren Punkte mit der größten Genauigkeit in den Sterngruppen des Himmels oder in den Konstellationen registriert werden, welche einer rückläufigen Bewegung unterworfen sind, was mit der Zeit eine Korrektur durch einen Einschub erforderlich machen würde, was auch bei der Beschreibung der Flut der Fall war, wo 150 Tage zur Korrektur eines 600 Jahre umfassenden Zeitraums eingefügt wurden, über dessen Landmarken immer mehr Konfusion herrschte. . . . Das könnte natürlich geschehen . . . . bei allen Rassen und zu allen Zeiten; und man muss davon ausgehen, dass solche Kenntnisse der menschlichen Rasse angeboren waren, vor der von uns als historische Periode bezeichneten Zeit. . . .“

Auf dieser Grundlage sucht der Verfasser nach einer natürlichen physischen Funktion, welche sich in der gesamten menschlichen Rasse manifestiert und mit den periodischen Manifestationen in Zusammenhang steht, so dass „sich die Verbindung zwischen den beiden Arten von Phänomenen . . . im volkstümlichen Gebrauch fixierte“. Er findet das in (a) den Erscheinungen der weiblichen Physiologie, die sich jeden Mondmonat mit 28 Tagen oder alle 4 Wochen mit je 7 Tagen wiederholen, sodass in 364 Tagen 13 Wiederholungen dieser Periode stattfinden, die dem solaren Wochenjahr von 52 Wochen mit je 7 Tagen entsprechen. (b) Die erste Bewegung des Fötus findet in einem Zeitraum von 126 Tagen oder 18 Wochen mit je 7 Tagen statt. (c) Der Zeitraum bis zur sogenannten „Lebensfähigkeit“ beträgt 210 Tage oder 30 Wochen mit je 7 Tagen. (d) Der Zeitraum bis zur Entbindung wird in 280 Tagen vollendet oder in 40 Wochen mit je 7 Tagen oder in 10 Mondmonaten mit je 28 Tagen oder in 9 Kalendermonaten mit je 31 Tagen, wobei das Maß für die Übergangsperiode von der Finsternis des Mutterschoßes zum Licht und zur Herrlichkeit des bewussten Daseins, dieses immerwährenden, unergründlichen Geheimnisses und Wunders, vom königlichen Bogen des Himmels abgenommen wurde . . . Die Wirkungsweisen der die Geburtsfunktion betreffenden beobachteten Zeitperioden würden daher auf natürliche Weise zur Grundlage astronomischer Berechnungen werden . . . Wir können annähernd bestätigen, . . . dass die Berechnungen bei allen Nationen auf diese Weise angestellt wurden, entweder unabhängig, intermediär oder indirekt durch Unterricht. Die Hebräer verfuhren auf diese Weise, denn bis heute berechnen sie den Kalender mithilfe der 354 oder 355 Tage des Mondjahrs, und wir besitzen ein besonderes Zeugnis dafür, dass das auch die Vorgehensweise der alten Ägypter war, was wie folgt zu beweisen ist:

[SD # 390] Die der Religionsphilosophie der Hebräer zugrundeliegende Idee war, dass Gott alle Dinge in sich enthalte108 und dass der Mensch sein Abbild sei, der Mensch einschließlich der Frau . . . Die Position, welche bei den Hebräern Mann und Frau einnahmen, hatten bei den Ägyptern Stier und Kuh inne, Osiris und Isis geweiht,109 die dementsprechend durch einen Mann mit einem Stierkopf und durch eine Frau mit einem Kuhhaupt dargestellt und als Symbole verehrt wurden. Bekanntlich war Osiris die Sonne und der Fluss Nil und das tropische Jahr von 365 Tagen, wobei diese Zahl dem Wert des Wortes Neilos entspricht und dem Stier, da er auch das Prinzip des Feuers und der Leben spendenden Kraft war, wohingegen Isis für den Mond stand, das Flussbett des Nils oder Mutter Erde wegen der Leben spendenden Kräfte, für die Wasser eine notwendige Voraussetzung war. Dann das Mondjahr von 354–364 Tagen, der Zeitmesser der Schwangerschaftsperiode, und die Kuh, die durch oder mit der Sichel des Neumonds gekennzeichnet war. . . .

Die Ägypter verwendeten die Kuh anstelle der Frauen der Hebräer; damit wurde nicht irgendein radikaler Bedeutungsunterschied beabsichtigt, sondern vielmehr eine Übereinstimmung der Lehre und lediglich der Ersatz eines Symbols von gemeinsamer Bedeutung, namentlich wurden die Dauer der Tragzeit der Kuh und der Schwangerschaft der Frau mit 280 Tagen oder zehn Mondmonaten zu je 4 Wochen für gleich lang angenommen. Und in dieser Zeitdauer bestand der wesentliche Wert dieses Tiersymbols, dessen Zeichen die zunehmende Mondsichel war110 . . . Diese Schwangerschafts- und Naturperioden sind auf der ganzen Welt Gegenstand der Symbolik. Sie wurden somit von den Hindus verwendet und finden sich höchst eindeutig dargelegt bei den alten Amerikanern auf den Richardson- und Gest-Tafeln im Palenque-Kreuz; und sie stellen offenbar auch die Grundlage für die Entwicklung der Kalenderformen der Maya von Yukatan, der Inder, der Assyrer und der alten Babylonier so gut wie der Ägypter und der alten Hebräer. Die natürlichen Symbole . . . wären entweder der Phallus oder der Phallus und die Yoni, . . . oder das Männliche und das Weibliche. In der Tat sind die im 27. Vers des ersten Kapitels der Genesis durch den verallgemeinernden Ausdruck mit männlich und weiblich übersetzten Worte . . . sacr` und n´cabrah oder wortwörtlich Phallus und Yoni111, während die Darstellung der phallischen Embleme kaum auf die genitalen Glieder des menschlichen Körpers verweisen könnten, wenn ihre Funktionen und die von ihnen hervorgebrachten Samenbläschen betrachtet würden; dann ergäbe sich ein Anhaltspunkt für eine Weise, Mondzeiten zu ermitteln und über die Mondzeiten dann Sonnenzeiten.“ . . .

Das ist der physiologische oder anthropologische Schlüssel zum Mond­symbol. Der das Geheimnis der Theogonie oder Evolution der manvantarischen Götter eröffnende Schlüssel ist komplizierter und enthält nichts Phallisches in sich. Alles dort ist mystisch und göttlich. Abgesehen davon, dass die Juden Jehovah unmittelbar mit dem Mond als einem Zeugungsgott in Verbindung brachten, zogen sie es vor, die höheren Hierarchien zu ignorieren und einige von ihnen (Tierkreiskonstellationen und planetarische Götter) zu ihren Patriarchen zu machen und so die [SD # 391] rein theosophische Idee zu euhemerisieren und auf das Niveau der sündigen Menschheit herabzuziehen (siehe Abschnitt „Das Allerheiligste“ in der „Symbolik“ des II. Bandes). Das Manuskript, aus dem das Obige herausgezogen wurde, erklärt sehr deutlich, welcher Hierarchie von Göttern Jehovah angehört und wer dieser jüdische Gott war; es zeigt in klarer Sprache das auf, worauf die Verfasserin immer bestanden hat – nämlich dass der Gott, mit dem sich die Christen belastet haben, nichts Besseres war als das lunare Symbol der Vermehrungs- und Zeugungsfähigkeit in der Natur. Sie ignorierten selbst den hebräischen Geheimgott der Kabbalisten aus den frühesten kabbalistischen und mystischen Konzepten, Ain Soph, eine so großartige Vorstellung wie die über Parabrahman. Aber die Kabbala Rosenroths kann niemals die wahren ursprünglichen Lehren Schimon ben Jochais wiedergeben, die so metaphysisch und philosophisch waren, wie sie nur sein konnten. Und wie viele Schüler der Kabbala gibt es, die mehr darüber wussten als ihre entstellten lateinischen Übersetzungen enthielten? Werfen wir einen Blick auf die Idee, welche die alten Juden dahin führte, für das ewig Unerkennbare einen Ersatz anzunehmen und die Christen dahingehend in die Irre zu führen, dass sie diesen Ersatz für die Wirklichkeit hielten.

Wenn diesen Organen (Phallus und Yoni) als Symbolen schöpferischer kosmischer Kräfte die Vorstellung von . . . . Zeitperioden zugeordnet werden kann, dann sollte in der Tat bei der Konstruktion der Tempel als Wohnungen der Gottheit oder Jehovahs der zum Allerheiligsten oder zum hochheiligsten Platz bestimmte Teil seinen Ehrentitel von der anerkannten Heiligkeit der Zeugungsorgane herleiten, die als Symbole sowohl für die Maße als auch für die schöpferische Ursache betrachtet wurden.“

Bei den alten Weisen existierte kein Name und keine Vorstellung und kein Symbol einer Ersten Ursache.112 Bei den Hebräern war die indirekte Vorstellung davon in einem negierenden Verständnis formuliert, nämlich Ain Soph oder Der-ohne-Grenzen. Aber das Symbol seiner ersten erfassbaren Manifestation war die Vorstellung eines Kreises mit seiner Durchmesserlinie . . . . (siehe Vorwort zu Band I, Teil I), um gleichzeitig eine geometrische, eine phallische und eine astronomische Vorstellung zu vermitteln . . . . denn die Eins hat ihren Ursprung in der Null oder dem Kreis, ohne den sie nicht sein könnte. Und aus der Eins oder ursprünglichen Eins entspringen die neun Ziffern und geometrisch alle Flächen. So ist in der Kabbala dieser Kreis mit seiner Durchmesserlinie das Bild der zehn Sephiroth oder Emanationen, welche Adam Kadmon oder den archetypischen Menschen zusammensetzen, den schöpferischen Ursprung aller Dinge. . . . . Diese Vorstellung, den Kreis und seinen Durchmesser miteinander zu verbinden, d. h. die für die Fortpflanzungsorgane stehende Zahl zehn und den allerheiligsten Ort, wurde mit der Königskammer oder dem Allerheiligsten der Großen Pyramide konstruktiv ausgeführt, im Tabernakel des Moses und im Allerheiligsten in Salomons Tempel. . . . . Es ist das Bild eines doppelten Schoßes, denn im Hebräischen ist der Buchstabe ה gleichzeitig die Zahl 5 und das Symbol des Schoßes, und zweimal 5 ist 10 oder die phallische Zahl.“

Dieser „doppelte Schoß“ zeigt auch die Dualität der Vorstellung, die von [SD # 392] der höchsten spirituellen bis zur tiefsten oder irdischen Ebene herabgeführt und von den Juden auf Letztere beschränkt wurde. Aus diesem Grund erlangte bei ihnen die Zahl 7 den herausragendsten Platz in ihrer exoterischen Religion, einem Kult äußerlicher Formen und leerer Rituale; wie zum Beispiel ihr Sabbat, der siebte Tag, der ihrer Gottheit, dem Mond, als Symbol des generativen Jehovah geweiht war. Bei anderen Nationen stand die Zahl sieben jedoch typischerweise für die theogonische Evolution, für Zyklen, kosmische Ebenen und für die sieben Kräfte und okkulten Mächte des Kosmos als einem schrankenlosen Ganzen, dessen erstes, oberes Dreieck für den endlichen Verstand des Menschen unerreichbar war – während also andere Nationen sich in ihrer gewaltsamen Begrenztheit des Kosmos in Zeit und Raum lediglich mit seiner siebenfältigen manifestierten Ebene beschäftigten, zentrierten die Juden diese Zahl einzig und allein auf den Mond und gründeten darauf alle ihre heiligen Berechnungen. Deshalb die Anmerkung des aufmerksamen Verfassers des eben angeführten Manuskripts in Bezug auf die Metrologie der Juden: „Wird 20.612 mit 4/3 multipliziert, ergibt das Produkt eine Basis zur Bestimmung der exakten Zeitdauer der mittleren Mondumlaufzeit, und wenn dieses Produkt erneut mit 4/3 multipliziert wird, stellt dieses weitere Produkt eine Basis zur exakten Bestimmung des mittleren solaren Jahres zur Verfügung, . . . diese Form . . . leistet sehr große Dienste bei der Bestimmung astronomischer Zeitperioden.“ Diese doppelte (männliche und weibliche) Zahl wird auch durch einige wohlbekannte Götterbilder symbolisiert, z. B. „Ardhana-Iswara, die Isis der Hindus, Eridanus oder Ardan oder den hebräischen Jordan oder den Ursprung des Abstiegs. Sie steht auf einem auf dem Wasser schwimmenden Lotusblatt. Aber die Bedeutung ist, dass es androgyn oder hermaphroditisch ist, dass Phallus und Yoni vereint sind, die Zahl 10, der hebräische Buchstabe Jod י, die Eingrenzung Jehovahs. Sie, oder vielmehr sie-er, markiert auf demselben 360 Grad umfassenden Kreis die Minuten.“

In seinem besten Aspekt ist „Jehovah“ Binah, „die obere vermittelnde Mutter, das große Meer oder der Heilige Geist“, und daher vielmehr ein Synonym für Maria, die Mutter Jesu, als für seinen Vater. Diese „Mutter, die das lateinische Mare ist“, das Meer, ist hier also auch Venus, die Stella del Mare oder der „Meeresstern“.

Die Vorfahren der geheimnisvollen Akkadier – die Chandra- oder Indovansas, die Mondkönige, deren Überlieferung sie lange vor unserer Zeit über Prayaga (Allahabad) regieren lässt – waren aus Indien gekommen und hatten die Verehrung ihrer Vorväter für das Soma und seinen Sohn Budha mitgebracht, welche später auch von den Chaldäern verehrt wurden. Eine solche Anbetung, weit entfernt von volkstümlicher Sternen- und Sonnenverehrung, stellt jedoch in keinem Sinn einen Götzendienst dar. Auf jeden Fall nicht mehr als die moderne römisch-katholische Symbolik, welche die Jungfrau Maria – die Magna Mater der Syrer und Griechen – mit dem Mond in Verbindung bringt.

Auf diese Verehrung sind die frömmsten der römischen Katholiken sehr stolz [SD # 393] und bekennen sich laut zu ihr. In einem Mémoire an die französische Akademie sagt der Marquis de Mirville:

„Es ist nur natürlich, als eine unbewusste Weissagung, dass Amun-Re der Gemahl seiner Mutter sein sollte, da die Magna Mater der Christen genau die Gattin des Sohnes ist, den sie empfängt. . . . Wir (Christen) können jetzt verstehen, warum Neith ihre Strahlen auf die Sonne wirft und doch der Mond bleibt, da die Jungfrau, welche die Himmelskönigin ist, wie es auch Neith war, sich selbst in ihren Glanz hüllt und ihrerseits die Christus-Sonne bekleidet.“ „Tu vestis solem et te sol vestit“ . . . wie die römischen Katholiken in ihrem Gottesdienst singen, und er fügt hinzu:

„Wir (Christen) verstehen auch, warum die berühmte Inschrift zu SaÏs lauten sollte, dass ‘noch niemals jemand meinen Schleier (peplum) gelüftet hat’, wenn wir in Betracht ziehen, dass dieser Satz, wörtlich übersetzt, die Zusammenfassung dessen ist, was in der Kirche am Tag der unbefleckten Empfängnis gesungen wird.“ („Archaeology of the Virgin Mother“, S. 117)

Sicherlich könnte nichts aufrichtiger sein als das! Es rechtfertigt vollständig, was Gerald Massey in seiner Vorlesung über „Luniolatry: Ancient and Modern“ sagte:

„Dem Mann im Mond (Osiris-Sut, Jehovah-Satan, Christus-Judas und andere lunare Zwillinge) wird oft schlechtes Benehmen unterstellt. . . . In Bezug auf die lunaren Phänomene stellte sich der Mond geschlechtlich als zweifältig und in Bezug auf den Charakter als dreifältig dar – als Mutter, Kind und erwachsener Mann. Auf diese Weise wurde das Kind des Monds der Gatte seiner eigenen Mutter! Das ließ sich überhaupt nicht vermeiden, wenn irgendeine Art von Fortpflanzung eine Rolle spielen sollte. Er wurde dazu gezwungen, sein eigener Vater zu sein! Diese Verwandtschaftsbeziehungen wurden von der späteren Soziologie zurückgewiesen und der ursprüngliche Mann im Mond zum Tabu erklärt. Und dennoch wurde genau das in seiner letzten, unverständlichsten Phase zur Hauptlehre des gröbsten Aberglaubens, den die Welt je gesehen hat, denn diese Mondphänomene und ihre menschlich dargestellten Wechselbeziehungen, bis hin zur Blutschande, sind exakt die Grundlage der christlichen Dreiheit in der Einheit. Durch die Unkenntnis der Symbolik wurde die einfache Darstellung der Frühzeit zum tiefsten religiösen Geheimnis der modernen Mondverehrung. Ohne sich des Beweises auch nur im Mindesten zu schämen, porträtiert die römische Kirche die in die Sonne gehüllte Jungfrau Maria mit dem sichelförmigen Mond zu ihren Füßen, das Mondkind in ihren Armen haltend – als Kind und Gatten des mütterlichen Mondes! Mutter, Kind und erwachsener Mann sind fundamental.

Auf diese Art kann bewiesen werden, dass unsere Christologie eine mumifizierte Mythologie und märchenhafte Sage ist, die uns sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament als göttliche Offenbarung, als von der Stimme Gottes selbst verkündet angedreht wurde.“

Im „Zohar“ ist eine reizende Allegorie zu finden, die den wahren Charakter Jehovahs oder YHVH in der ursprünglichen Vorstellung der hebräischen Kabbalisten besser als alles andere enthüllt. Sie findet sich heute in der Philosophie der von Isaac Myer übersetzten Kabbala von ibn Gabirol. Unser Verfasser sagt: „In der von R. ‘Hiz’qee-yah geschriebenen Einleitung, die sehr alt ist und einen Teil unserer Brody-Ausgabe des „Zohar“ bildet (I, 5b ff.), findet sich ein Bericht über eine von Rabbi Eleazar, Sohn des Rabbi Schimon ben Jochai, zusammen mit Rabbi Abba unternommene Reise. Sie trafen einen Mann, der eine schwere Last trug und fragten ihn nach seinem Namen; er aber weigerte sich, ihn zu nennen und fuhr fort, ihnen die Thora [SD # 394] (das Gesetz) zu erklären. Sie fragten: ‘Wer veranlasste dich, solcherart zu wandeln und eine so schwere Last zu tragen?’ Er antwortete: ‘Der Buchstabe י, (Yod, das 10 entspricht und Kether symbolisiert und die Essenz und der Keim des Heiligen Namens ist הוהי YHVH).’ . . . . Sie sagten zu ihm. ‘Wenn du uns den Namen deines Vaters nennen willst, so werden wir den Staub deiner Füße küssen.’ Er erwiderte: ‘Was meinen Vater anbelangt, so hatte er seine Wohnung in der Großen See und war ein Fisch darin (wie Vishnu und Dagon oder Oannes), ‘welcher (zuerst) die Große See zerstörte . . . . . und er war groß und mächtig und „der Alte der Tage“, bis dass er alle anderen Fische in der (Großen) See verschlang.‘ . . . Rabbi Eleazar hörte zu und sprach zu ihm: ‘Du bist der Sohn der Heiligen Flamme, du bist der Sohn von Rab Ham-’nun-ah Sabah [der Alte: Fisch ist im Aramäischen oder Chaldäischen nun (noon)], du bist der Sohn des Lichts der Thora.“ (Dharma) usw. Dann erklärt der Verfasser, dass Binah, die weibliche Sephira, von den Kabbalisten die Große See genannt wird. Daher ist Binah, deren göttliche Namen Jehovah, Yah und Elohim lauten, ganz einfach die chaldäische Tiamat, die weibliche Kraft, die Thalatta des Berossos, welche dem Chaos vorsteht; später wurde sie von der christlichen Theologie zur Schlange und zum Teufel erklärt. Er-Sie (Yah-hovah) ist das Überirdische (He und Eva). Dieses Yah-hovah nun, oder Jehovah, ist identisch mit unserem Chaos – Vater, Mutter, Sohn – auf der materiellen Ebene und in der rein physischen Welt. Gleichzeitig Demon und Deus; Sonne und Mond, Gutes und Böses, Gott und Dämon.

Lunarer Magnetismus erzeugt Leben, erhält und zerstört es, sowohl psychisch als auch physisch. Und wenn er astronomisch einer der sieben Planeten der Alten Welt ist, so ist er in der Theogonie einer ihrer Regenten, bei den Christen jetzt ebenso wie bei den Heiden, indem die Ersteren unter dem Namen eines ihrer Erzengel auf ihn Bezug nehmen und die Letzteren unter dem eines ihrer Götter.

Daher ist die Bedeutung des „Märchens“ leicht zu verstehen, das Chwolson aus einer alten chaldäischen Handschrift ins Arabische übertrug, worin Qu-tamy vom Idol des Mondes unterrichtet wird (siehe Buch III). Seldenus verrät uns das Geheimnis, ebenso wie Maimonides („More Nevochim“, Buch III, Kap. xxx). Die Verehrer der Teraphim (der jüdischen Orakel) „erschufen Bildnisse und behaupteten, dass dadurch, dass das Licht der Hauptsterne (Planeten) dieselben durch und durch durchdringe, die engelhaften Tugenden (oder die Herrscher der Sterne und Planeten) mit ihnen verkehrten und sie viele höchst nützliche Dinge und Künste lehrten.“ Und Seldenus erklärt, dass die Teraphim nach der Stellung gewisser Planeten geschaffen und entworfen wurden, welche die Griechen στοιχεῖα nannten, sowie nach Himmelsgestalten, ἀλεξητῆροι oder Schutzgötter genannt. Jene, welche die στοιχεῖα absteckten, wurden στοιχειωματιχοὶ genannt oder die Wahrsager der στοιχεῖα („De Diis Syriis, Teraph“, II, Synt. S. 31) vide infra die Teraphim.

Derartige Sätze im „Nabatäischen Landbau“ [SD # 395] entsetzten jedoch die Wissenschaftler und veranlassten sie zu erklären, das Werk sei „entweder eine Apokryphe oder ein Märchen und der Beachtung eines Akademikers nicht würdig“. Wie gezeigt wurde, rissen gleichzeitig eifrige römische Katholiken und auch Protestanten diese Überlieferung in Stücke, bildlich gesprochen; die Ersteren, weil „sie die Anbetung von Dämonen beschreibe“, die Letzteren weil sie „gottlos“ sei. Wieder einmal haben alle Unrecht. Diese Überlieferung ist kein Märchen; und was die frommen Kirchenleute angeht, lässt sich diesselbe Anbetung in den Schriften nachweisen, wie sehr sie auch durch die Übersetzung entstellt sein mag. Sonnen- und Mondverehrung sowie die Verehrung der Sterne und Elemente lässt sich in der christlichen Theologie nachweisen und spielt darin ihre Rolle; das wird von den Papisten verteidigt, und die entschiedene Verleugnung durch die Protestanten kann deshalb lediglich auf eigenes Risiko und Rechnung erfolgen. Zwei Beispiele mögen gegeben werden.

Ammianus Marcellinus lehrt, dass die alten Weissagungen immer mit der Unterstützung der Geister der Elemente, „Spiritus elementorum, und im Griechischen πνεύματα τῶν στοιχείων“, vollbracht wurden (1, I, 21).

Nun findet sich aber, dass die Planeten, die Elemente und der Tierkreis nicht nur in Heliopolis mittels der als „Geheimnisse der Elemente“, elementorum arcana, bezeichneten zwölf Steine dargestellt wurden, sondern auch in Salomons Tempel, und nach Hinweisen unterschiedlicher Schriftsteller auch in verschiedenen alten italienischen Kirchen, selbst in Notre Dame de Paris, wo sie bis zum heutigen Tag zu sehen sind.

Kein Symbol – die Sonne eingeschlossen – war in seinen vielfältigen Bedeutungen komplizierter als das des Mondes. Das Geschlecht war natürlich dual. Bei einigen war es männlich, z. B. der hinduistische „König Soma“ und der chaldäische Sin; bei anderen Nationen war es weiblich, die schönen Göttinnen Diana-Luna, Ilithyia, Lucina. Auf Tauris wurden Artemis, einer Form der Mondgöttin, menschliche Schlachtopfer dargebracht; die Kreter nannten sie Diktynna und die Meder und Perser Anaïtis, wie eine Inschrift bei Koloé zeigt: ᾽Αρτέμιδι ᾽Ανάειτι. Aber wir haben es jetzt hauptsächlich mit der keuschesten und reinsten der jungfräulichen Göttinnen zu tun, mit Luna-Artemis, welcher Pamphos als Erster den Beinamen Καλλίστη gab und über die Hippolytos schrieb: Καλλίστα πολὺ παρθενῶν (siehe „Pausanias“, viii, 35, 8). Diese Artemis Lochia, die der Empfängnis und Geburt vorstehende Göttin („Iliad“, „Pausanias“ etc. etc.), ist in ihren Funktionen und als die dreifache Hekate, die orphische Gottheit, die Vorläuferin des Gottes der Rabbiner und der vorchristlichen Kabbalisten, und sie ist sein lunarer Typus. Die Göttin Τρίμορφος war das personifizierte Symbol der verschiedenen aufeinanderfolgenden Erscheinungen, welche in ihren drei Phasen durch den Mond repräsentiert wurden; und diese Auslegung war bereits den Stoikern zu eigen („Cornut.“, De Nat. D. 34, 1), während die Orphiker den Beinamen (Τρίμορφος) mit den drei Naturreichen erklärten, über die sie herrschte. Eifersüchtig, blutdürstig, rachsüchtig und anspruchsvoll ist Hekate-Luna ein würdiges Gegenbild zum „eifersüchtigen Gott“ der hebräischen Propheten.

[SD # 396] Das ganze Rätsel der Sonnen- und Mondverehrung, wie es jetzt in den Kirchen nachgewiesen wird, beruht in der Tat auf diesem weltalten Geheimnis der Monderscheinungen. Die für die moderne Wissenschaft verborgen liegenden, sich aber für die Erkenntnis der östlichen Adepten in voller Tätigkeit befindenden und untereinander in Wechselbeziehungen stehenden Kräfte der „Königin der Nacht“ erklären wohl die tausendundein Bilder, in welchen der Mond bei den Alten dargestellt wurde. Das zeigt auch, wie viel gelehrter die Alten in Bezug auf die Mondmysterien waren als heute unsere modernen Astronomen. Das ganze Pantheon der lunaren Götter und Göttinnen, Nephtys oder Neith, Proserpina, Melitta, Kybele, Isis, Astarte, Venus und Hekate auf der einen Seite, und Apolle, Dionysos, Adonis, Bacchus, Osiris, Atys, Tammuz etc. auf der anderen, zeigen allesamt dem Anschein ihrer Namen und Titel nach – „Söhne“ und „Gatten“ ihrer „Mütter“ – ihre Wesensgleichheit mit der christlichen Dreieinigkeit. In allen religiösen Systemen wurden die Funktionen der Götter als Vater, Sohn und Gatte in eine einzige verschmolzen, und die Göttinnen wurden als „Weib, Mutter und Schwester“ des männlichen Gottes identifiziert; die Ersteren fassten die menschlichen Attribute zusammen zur „Sonne, dem Lebensspender“, die Letzteren versenkten alle anderen Titel in die große, als Maïa, Maya, Maria etc. bekannte Synthese, welche einen Gattungsnamen darstellt. Durch eine aufgezwungene Ableitung erhielt Maïa bei den Griechen die Bedeutung von „Mutter“, von der Wurzel ma (Amme), und gab ihren Namen sogar dem Monat Mai, der allen diesen Göttinnen geweiht war, bevor das nur noch für Maria galt.113 Ihre ursprüngliche Bedeutung jedoch war Maya, Durga, von den Orientalisten als die „Unnahbare“ übersetzt, während die wirkliche Bedeutung die „Unerreichbare“ ist, im Sinn von Täuschung und Unwirklichkeit; als die Quelle und Ursache der Zauberwerke, die Personifizierung der Illusion.

In religiösen Bräuchen diente der Mond einem doppelten Zweck. Als weibliche Göttin personifiziert diente er exoterischen Zwecken. Als männlicher Gott in Allegorie und Symbol personifiziert wurde unser Satellit in der okkulten Philosophie als geschlechtslose Kraft betrachtet, die eingehend studiert werden musste, da man sich vor ihr zu fürchten hatte. Bei den initiierten Ariern, Chaldäern, Griechen und Römern repräsentierten sie die okkulten Kräfte des Monds: Soma, Sin, Artemis Soteira (der hermaphroditische Apollo, dessen Attribut die Leier ist, und die bärtige Diana mit Pfeil und Bogen), Deus Lunus und insbesondere Osiris-Lunus und Thot-Lunus114. Aber einerlei ob männlich oder weiblich, ob Thot oder Minerva, Soma oder Astoreth, ist der Mond das verborgene Geheimnis der Geheimnisse und mehr ein Symbol des Bösen als des Guten. Seine sieben Phasen (nach der ursprünglichen esoterischen Einteilung) werden in drei astronomische Erscheinungen und vier [SD # 397] rein psychische Phasen eingeteilt. Dass der Mond nicht immer verehrt wurde, zeigt sich in den Mysterien, in welchen der Tod des Mondgottes (die drei Phasen des allmählichen Abnehmens und schließlich Verschwindens) so allegorisiert wurden, dass der Mond den Genius des Bösen repräsentierte, der zeitweilig über den licht- und Leben spendenden Gott (die Sonne) triumphiert. Und die gesamte Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit der alten Hierophanten der Magie war notwendig, um diesen Triumph in eine Niederlage zu verwandeln.

In der dritten Rasse unserer Runde, bei den Hermaphroditen, wurde in der ältesten aller Anbetungen der männliche Mond heilig, als nach dem sogenannten „Fall“ die Geschlechter getrennt worden waren. „Deus Lunus“ wurde dafür dann androgyn, abwechselnd männlich und weiblich; um den Atlantiern der vierten Wurzelrasse schließlich als duale Kraft für die Zauberei zu dienen. In der fünften Wurzelrasse (unserer eigenen) teilte die Mond- und Sonnenverehrung die Nationen in zwei getrennte, feindliche Lager. Sie führte zu Ereignissen, welche Äonen später im mahabharatischen Krieg beschrieben wurden, der für die Europäer der märchenhafte und für die Hindus und Okkultisten der historische Kampf zwischen den Suryavansas und Indovansas ist. Ihren Ursprung in dem doppelten Aspekt des Mondes als Verehrung des weiblichen und des männlichen Prinzips nehmend, mündete diese Verehrung in ausgeprägte Sonnen- und Mondkulte. Bei den semitischen Rassen galt die Sonne sehr lange als weiblich und der Mond als männlich – letztere Auffassung übernahmen sie aus atlantischen Überlieferungen. Vor dem Beginn der Schemesch-Verehrung hieß der Mond „Herr der Sonne“, Bel-Schemesch115. Die Unkenntnis der anfänglichen Gründe für eine solche Unterscheidung sowie der okkulten Prinzipien führte die Nationen zu einem anthropomorphischen Götzendienst. Aber die Religion aller alten Völker hat ursprünglich auf den okkulten Offenbarungen einer rein abstrakten Kraft oder eines solchen Prinzips beruht, das jetzt „Gott“ genannt wird. Die Einrichtung einer solchen Verehrung allein zeigt in ihren Einzelheiten und Gebräuchen, dass die mit der Entwicklung solcher subjektiven und objektiven Natursysteme beschäftigten Philosophen über tiefgehende Kenntnisse verfügten und mit vielen Tatsachen [SD # 398] wissenschaftlicher Natur vertraut waren. Denn abgesehen davon, dass sie rein okkult waren, beruhten die Gebräuche der Mondverehrung, wie soeben gezeigt worden ist, auf einer Kenntnis der Physiologie (einer ganz modernen Wissenschaft bei uns), der Psychologie, der heiligen Mathematik, Geometrie und Metrologie und ihrer korrekten Anwendung auf Symbole und Figuren, welche lediglich Glyphen darstellen, die beobachtete natürliche und wissenschaftliche Fakten aufzeichnen; kurz gesagt, auf einer höchst eingehenden und tiefen Kenntnis der Natur. Der lunare Magnetismus erzeugt Leben, bewahrt und zerstört es. Soma verkörpert die dreifache Kraft der Trimurti, obwohl es bis zum heutigen Tag für die Profanen unerkennbar bleibt. Die Allegorie, nach der Soma, der Mond, in einem anderen Manvantara von den Göttern durch das Rühren des Lebensozeans (des Raums) hervorgebracht wurde (d. h. an dem prägenetischen Tag unseres Planetensystems), und die weitere Allegorie mit der Angabe, dass die „Rishis die Erde molken, deren Kalb Soma war, der Mond“, haben eine tiefe, weltbeschreibende Bedeutung, denn weder ist es unsere Erde, die gemolken wurde, noch war der uns bekannte Mond das Kalb116. Hätten unsere weisen Wissenschaftler ebenso viel von den Geheimnissen der Natur gewusst wie die alten Arier, hätten sie sich sicherlich niemals eingebildet, dass der Mond aus der Erde herausgeschleudert worden sei. Noch einmal müssen wir uns die ältesten Permutationen in der Theogonie – den zu seinem eigenen Vater gewordenen Sohn und die Mutter, die vom Sohn gezeugt wird – ins Gedächtnis rufen und in Betracht ziehen, wenn wir die symbolische Sprache der Alten verstehen wollen. Andernfalls wird die Mythologie bei den Orientalisten immer nur als „die Krankheit, die in einem gewissen Stadium der menschlichen Kultur auftritt“ herumgeistern, wie Renouf in einem Vortrag von Hibbert würdevoll anmerkt.

Die Alten lehrten sozusagen die Selbst-Erzeugung der Götter: Die eine göttliche Essenz, nicht geoffenbart, erzeugt beständig ein ihrer Natur nach androgynes Zweit-Selbst, das manifestiert ist, und das gebiert auf unbefleckte Weise alles Makrokosmische und Mikrokosmische in diesem Universum. Das wurde einige Seiten weiter vorne mithilfe des Kreises und seines Durchmessers oder der heiligen 10 gezeigt.

Aber trotz des außerordentlichen Verlangens unserer Orientalisten, in der Natur ein homogenes Element zu entdecken, wollen sie es nicht sehen; in ihren Untersuchungen durch derartige Unwissenheit beengt, werden die Arianisten und Ägyptologen in ihren Spekulationen beständig von der Wahrheit abgelenkt. So ist de Rougé nicht dazu imstande, in dem von ihm übersetzten Text den Sinn dessen zu verstehen, was Amun-Re zu König Amenophis (der für Memnon gehalten wird) sagt: „Du bist mein Sohn, ich habe dich gezeugt.“ Und nachdem er [SD # 399] dieselbe Idee in vielen Texten und verschiedenen Formen wiederfindet, ist dieser sehr christliche Orientalist schließlich gezwungen auszurufen: „Damit diese Idee vom Verstand eines Hierogrammatikers angenommen werden konnte, muss es in ihrer Religion eine mehr oder weniger bestimmte Lehre gegeben haben, die eine göttliche und unbefleckte Inkarnation in einer menschlichen Form als eine mögliche Tatsache darstellte, die sich wirklich einmal ereignen könnte.“ Exakt. Wozu aber sollte man die Erklärung einer unmöglichen Prophezeiung aufbürden, wenn das ganze Geheimnis sich dadurch erklärt, dass die spätere Religion die frühere kopierte?

Diese Lehre war universal, und sie wurde auch nicht von irgendeinem Hierogrammatiker ausgedacht; denn die indischen Avataras beweisen das Gegenteil. Nachdem de Rougé soweit gekommen war, „sich klarer zu vergegenwärtigen“,117 was der „Göttliche Vater und Sohn“ bei den Ägyptern gewesen sei, versäumt er noch immer zu erklären und zu erkennen, welcher Art die Funktionen waren, die dem weiblichen Prinzip in dieser ursprünglichen Zeugung zugeschrieben wurden. Er findet sie nicht in der Göttin Neith von Saïs. Und doch zitiert er die Ansprache des Komturs an den Kambyses, als er diesen König in den saïtischen Tempel einführte: „Ich machte kund Seiner Majestät die Würde von Saïs, der Wohnstatt von Neith, der großen (weiblichen) Hervorbringerin, der Schöpferin der Sonne, die da ist die Erstgeborene und die nicht gezeugt wurde, sondern nur hervorgebracht“ und somit die Frucht einer unbefleckten Mutter.

Um wieviel großartiger, philosophischer und poetischer ist der tatsächliche Unterschied – für jeden, der imstande ist, ihn zu verstehen und zu würdigen – zwischen der unbefleckten Jungfrau der alten Heiden und jener der modernen päpstlichen Auffassung. Die ewig junge Mutter Natur – der Gegentypus ihrer Prototypen, der Sonne und des Mondes – erzeugt bei den Ersteren ihren „aus der Seele geborenen“ Sohn, das Universum, und bringt es hervor. Sonne und Mond befruchten als männlich-weibliche Gottheiten die Erde, die mikrokosmische Mutter, und Letztere empfängt und gebiert wiederum ihrerseits. Bei den Christen wird der „Erstgeborene“ (primogenitus) in der Tat erzeugt, d. h. gezeugt, „genitum, non factum“, und tatsächlich empfangen und geboren: „Virgo pariet“, erklärt die lateinische Kirche. So zieht sie das edle geistige Ideal der Jungfrau Maria auf die Erde herab, und indem sie sie „von der Erde, von Staub“ macht, erniedrigt sie das Ideal zur niedersten der anthropomorphischen Göttinnen des Gesindels.

Wahrhaftig, Neith, Isis, Diana etc. etc. waren jede „eine demiurgische Göttin, gleichzeitig sichtbar und unsichtbar, die ihren Platz im Himmel hatte und die Erzeugung der Arten unterstützte“ – mit einem Wort der Mond. Seine okkulten Aspekte und Kräfte sind zahllos. Und in einem dieser Aspekte wird der Mond bei [SD # 400] den Ägyptern zu Hathor, einem anderen Aspekt von Isis118, und diese beiden Göttinnen werden Horus säugend dargestellt. Siehe die Hathor in der ägyptischen Halle im Britischen Museum, wie sie vom Pharao Thutmosis verehrt wird, welcher zwischen ihr und dem Herrn der Himmel steht. Der Monolith stammt aus Karnac; und dieselbe Göttin hat an ihrem Thron folgende Aufschrift angebracht: „Die Göttliche Mutter und Herrin oder die Königin des Himmels“, auch der „Morgenstern“ und das „Licht des Meeres“ (Stella Matutina und Lux Maris). Alle Mondgöttinnen besaßen zwei Aspekte – einer war göttlich, der andere höllisch. Alle waren die jungfräulichen Mütter eines auf unbefleckte Weise geborenen Sohns – der Sonne. Raoul-Rochette zeigt die Mondgöttin der Athener – Pallas oder Kybele, Minerva oder wieder Diana – ihren kleinen Jungen auf ihrem Schoße haltend, bei ihren Festlichkeiten angerufen als Μονογενς
θεοῦ, „die eine Mutter Gottes“, auf einem Löwen sitzend und von zwölf Persönlichkeiten umgeben; in ihnen erkennt der Okkultist die zwölf großen Götter und der fromme christliche Orientalist die Apostel oder vielmehr die griechisch-heidnische Prophezeiung ihrer selbst.

Sie haben beide Recht, denn die unbefleckte Göttin der lateinischen Kirche ist eine getreue Kopie der älteren heidnischen Göttinnen; die Anzahl (zwölf) der Apostel entspricht jener der zwölf Stämme, und die Letzteren sind eine Personifizierung der zwölf großen Götter und der zwölf Zeichen des Zodiaks. Fast jede Einzelheit des christlichen Dogmas ist von den Heiden entlehnt. Semele, die Frau Jupiters und die Mutter von Bacchus, der Sonne, wird laut Nonnus nach ihrem Tod ebenfalls „emporgetragen“ oder in den Himmel erhoben, wo sie zwischen Mars und Venus herrscht, unter dem Namen der Königin der Welt oder des Universums, πανβασιλεία; „vor deren Namen“, wie bei den Namen Hathors, Hekates und anderer Höllengöttinnen, „alle Dämonen erzittern“.119

Σεμελῆν τρέμουσι δαίμονες.“ Diese griechische Inschrift auf einem kleinen Tempel, auf einem Stein reproduziert, der von jemandem gefunden wurde und den Montfaucon kopierte, wie uns de Mirville sagt (113 ff., „Archéologie de la Vièrge-Mère“), teilt uns die verblüffende Tatsache mit, dass die Magna Mater der Alten Welt ein unverschämtes, vom Teufel verübtes Plagiat der unbefleckten jungfräulichen Mutter seiner Kirche war. Ob so oder vice versa, ist nicht von Bedeutung. Von Interesse zu bemerken ist lediglich die vollkommene Übereinstimmung zwischen der archaischen Kopie und dem modernen Original.

Hätten wir ausreichend Raum, würden wir auf die unbegreifliche Kaltblütigkeit und Gleichgültigkeit hinweisen, die gewisse Anhänger der römisch-katholischen Kirche zur Schau stellten, als man ihnen die Enthüllungen der Vergangenheit vor Augen hielt. Auf die Bemerkung Maurys, dass „die Jungfrau von allen Heiligtümern der Ceres und [SD # 401] der Venus Besitz ergriff, und dass die heidnischen Riten, die zu Ehren dieser Göttinnen verkündet und praktiziert wurden, im großen Maßstab auf die Mutter Christi übertragen wurden“, antwortet der Anwalt Roms:

„Dass das eine Tatsache ist, und dass es genau so ist, wie es sein soll und ganz natürlich. Da das Dogma, die Liturgie und die Riten, die von der römisch-apostolischen Kirche im Jahre 1862 verkündet wurden, sich auf Monumenten eingraviert und auf Papyri und Zylinder aus der Zeit kurz nach der Sintflut aufgezeichnet finden, scheint es unmöglich, die Existenz eines ersten vorgeschichtlichen (römischen) Katholizismus zu leugnen, von welchem unser eigener lediglich die getreue Fortsetzung darstellt. . . . Während jedoch Ersterer der Gipfelpunkt, das summum dämonischer Unverschämtheiten und Goëtischer Nekromantie war . . . . ist Letzterer göttlich. Wenn in unserer (christlichen) Offenbarung (l’ Apocalypse) Maria, mit der Sonne bekleidet und mit dem Mond unter ihren Füßen, nichts weiter mit der demütigen Magd von Nazareth (sic) gemein hat, so kommt das daher, dass sie jetzt zur größten theologischen und kosmologischen Kraft in unserem Universum geworden ist.“ („Archaeol. de la Vièrge-Mère“, S. 119 und 116, und von Marquis de Mirville)

Wahrhaftig so, da Pindars „Hymnen an Minerva“ (XXXI), . . . „die zur rechten Hand ihres Vaters Jupiter sitzt und mächtiger ist als alle übrigen (Engel oder) Götter“ genauso für die Jungfrau gelten. Es ist der Hl. Bernhard, der nach dem Zitat von Cornelius a Lapide die Jungfrau Maria auf folgende Art angerufen haben soll:

„Der Sonnen-Christus lebt in dir und du lebst in ihm.“ (Predigt auf die Heilige Jungfrau) . . . .

Derselbe schlichte heilige Mann gesteht ferner zu, dass die Jungfrau der Mond ist. Als Lucina der Kirche, also bei der Geburt eines Kindes, werden die Verse Virgils auf sie angewendet: „Casta fave Lucina, tuus jam regnat Apollo“ – „Wie der Mond ist die Jungfrau die Königin des Himmels“, fügt der unschuldige Heilige hinzu. („Apok“, Kap. xii, Komm. von Cornelius a Lapide).

Das beantwortet die Frage. Nach Schriftstellern wie de Mirville erscheint die christliche Religion umso göttlicher und erweist sich umso klarer als die einzige wahrhaftig inspirierte, insbesondere in ihrer römisch-katholischen Form, je größer die Ähnlichkeit zwischen den heidnischen Vorstellungen und den christlichen Dogmen ist. Die ungläubigen Wissenschaftler und Akademiker, die meinen, in der römischen Kirche das genaue Gegenteil göttlicher Inspiration zu erkennen und die nicht an den satanischen Trick eines Plagiats durch Vorwegnahme glauben wollen, werden streng ins Gebet genommen. Aber da „glauben sie an nichts und lehnen selbst den ‘Nabathäischen Landbau’ als Romantik und als einen Haufen abergläubischen Unsinns ab“, klagt der Memoirenschreiber. „Ihrer verdrehten Ansicht nach sind Qu-tamys ‘Mondidol’ und die Statue der Madonna ein und dasselbe!“ Ein edler Marquis schrieb vor zwanzig Jahren sechs umfangreiche Bände oder, wie er sie nennt, „Mémoires an die Französische Akademie“, einzig und allein zu dem Zweck zu beweisen, dass der römische Katholizismus ein inspirierter und geoffenbarter Glaube ist. Zum Beweis dafür bringt er zahllose Tatsachen vor, die alle darauf abzielen zu zeigen, dass die gesamte Welt seit den Tagen [SD # 402] der Sintflut ohne Unterbrechung mithilfe des Teufels die Riten, Zeremonien und Dogmen der zukünftigen Heiligen Kirche, die erst Zeitalter später geboren werden sollte, systematisch plagiiert habe. Was dieser getreue Sohn Roms wohl gesagt hätte, wenn er seinen Religionsgenossen – Herrn Renouf, den ausgezeichneten Ägyptologen des Britischen Museums – in einer seiner gelehrten Vorlesungen hätte erklären hören, dass „weder die Hebräer noch die Griechen irgendeine ihrer Ideen aus Ägypten hatten?“120

Aber vielleicht ist es genau das, was Herr Renouf sagen wollte, nämlich dass die Ägypter, die Griechen und die Arier ihre Ideen aus der römischen Kirche entlehnten? Und wenn es so wäre, warum im Namen der Logik weisen die Papisten dann die weiteren Informationen zurück, welche ihnen die Okkultisten über die Mondverehrung geben könnten, wenn doch alles dazu tendiert zu beweisen, dass ihre Verehrung (der römisch-katholischen Kirche) so alt ist wie die Welt – des Sabäertums und der Astrolatrie?

Die frühzeitige christliche und spätere römisch-katholische Sternen­verehrung und die symbolische Verehrung von Sonne und Mond –, die mit jener der Gnostiker identisch ist, jedoch weniger philosophisch und unreiner als die „Sonnenverehrung“ der Zoroastrier – resultiert natürlich aus ihrer Abstammung und ihrem Ursprung. Die Übernahme solcher Symbole wie des Wassers, des Feuers, der Sonne, des Mondes und der Sterne und vielerlei anderer Dinge durch die römische Kirche stellt lediglich eine Fortsetzung der alten Verehrung der heidnischen Nationen durch die ersten Christen dar. So erhielt Odin seine Weisheit, seine Kraft und sein Wissen dadurch, dass er Mimir zu Füßen saß, des dreimalweisen Jötunn, der sein Leben an der Quelle der ursprünglichen Weisheit zubrachte und deren kristallklare Wasser sein Wissen jeden Tag mehrten. Mimir „gewann die höchste Erkenntnis aus der Quelle, weil die Welt aus dem Wasser geboren wurde. Daher war die ursprüngliche Weisheit in diesem geheimnisvollen Element zu finden.“ („Asgard and the Gods“, S. 86) Das Auge, das Odin opfern musste, um diese Erkenntnis zu erlangen, mag „die Sonne sein, die alle Dinge erleuchtet und durchdringt. Sein anderes Auge ist der Mond, dessen Widerschein aus der Tiefe blickt und der zum Schluss, wenn er untergeht, in den Ozean versinkt.“ (Ibid.) Aber darüber hinaus ist es noch etwas mehr als das. Von Loki, dem Feuergott, heißt es, er habe den Lichtbringer, dessen Widerschein er darin fand, sowohl im Wasser als auch im Mond verborgen; und diese Überzeugung, dass das Feuer im Wasser Zuflucht fände, beschränkte sich nicht nur auf die alten Skandinavier. Er wurde von allen Nationen geteilt und schließlich von den ersten Christen übernommen, die den Heiligen Geist in der Gestalt des Feuers symbolisierten, „gespaltene Zungen wie Feuer“ – der Atem von Vater-Sonne. Dieses „Feuer“ steigt auch hinab in das Wasser oder in die See: Mare, Maria. Die Taube war bei verschiedenen Nationen das Symbol der Seele, sie war der Venus geheiligt, der aus dem [SD # 403] Meeresschaum geborenen Göttin, und wurde später das Symbol der christlichen Anima Mundi oder des Heiligen Geistes.

Eines der okkultesten Kapitel des „Totenbuchs“ ist Kap. lxxx, und es trägt den Titel: „Die Verwandlung in den Gott, der Licht auf den Pfad der Finsternis wirft“, worin das „weibliche Licht des Schattens“ Thot bei seinem Rückzug in den Mond dient. Es heißt, dass sich Thot-Hermes darin verbirgt, weil er die Geheime Weisheit repräsentiert. Wenn er sich in die entgegengesetzte Hemisphäre zurückziehen soll, ist er der geoffenbarte Logos seiner hellen Seite, die verborgene Gottheit oder die „dunkle Weisheit“. Von seiner Macht sprechend, nennt sich der Mond selbst wiederholt: „das Licht, das in der Finsternis scheint,“ das „weibliche Licht“. So wurde er das akzeptierte Symbol aller jungfräulich-mütterlichen Göttinnen. Wie die verruchten „bösen“ Geister in längst vergangenen Zeiten gegen den Mond ankämpften, sollen sie noch heute kämpfen, ohne jedoch imstande zu sein, sich gegen die tatsächliche Königin des Himmels, Maria, den Mond, durchzusetzen. Daher stand der Mond auch in allen heidnischen Theogonien in enger Verbindung mit dem Drachen, seinem ewigen Feind; die Jungfrau oder Madonna steht auf dem in dieser Form symbolisierten mythischen Satan, der unter ihren Füßen liegt, zermalmt und kraftlos. Das wurde im alten Griechenland auch durch die beiden Schlangen symbolisiert, da das Haupt und der Schwanz des Drachen bis zum heutigen Tag in der östlichen Astronomie den aufsteigenden und absteigenden Knoten des Mondes repräsentierten. Herkules tötet die Schlangen am Tag seiner Geburt, und das Gleiche tut das Kind in den Armen seiner jungfräulichen Mutter. Wie Gerald Massey treffend in diesem Zusammenhang bemerkt: „All diese Symbole bildeten von Anfang an ihre eigenen Tatsachen ab und stellten nicht andere Fakten aus ganz anderen Ordnungen vor. Die Ikonografie (und auch die Dogmen) haben sich in Rom aus einer entfernten vorchristlichen Periode erhalten. Es gab weder Fälschung noch Interpolationen von Typen; nichts als einen Fortbestand der Symbolik mit einer Verdrehung ihrer Bedeutung.

 

 

§ X
Baum-, Schlangen- und KrokodilVerehrung

„Dem Gegenstand des Entsetzens oder der Anbetung, der Schlange, begegnen die Menschen mit unversöhnlichem Hass, oder sie werfen sich vor ihrem Genius zu Boden. Die Lüge erwählt sie, die Klugheit beansprucht sie, der Neid trägt sie in seinem Herzen und die Beredsamkeit auf ihrem Stabe. In der Hölle bewaffnet sie die Geißel der Furien, im Himmel macht die Ewigkeit sie zu ihrem Symbol.”
– de Chateaubriand

Die Ophiten behaupteten, zwischen Gott und Menschen existierten unterschiedliche Arten von Genien und dass deren relative Überlegenheit vom Maß des jedem Einzelnen gewährten [SD # 404] Lichts entschieden werde. Und sie beteuerten, dass man die Schlange beständig anrufen und ihr danken müsse für den außerordentlichen Dienst, den sie der Menschheit erwiesen habe, denn sie hätte Adam gelehrt, sein Wesen würde unermesslich erhöht durch die Erkenntnis und Weisheit, die er mit dem Genuss der Frucht des Baums der Erkenntnis von Gut und Böse erlangen könne. Das wurde exoterisch als Grund angegeben.

Man kann leicht sehen, wo die ursprüngliche Idee dieses doppelten, janusartigen guten und des bösen Charakters der Schlange herstammt. Dieses Symbol gehört zu den ältesten, weil die Reptilien den Vögeln vorausgingen und die Vögel den Säugetieren. Daher der Glaube oder vielmehr der Aberglaube der wilden Völker, die meinen, dass die Seelen ihrer Vorfahren in dieser Form leben und die verbreitete Verbindung der Schlange mit dem Baum. Die Legenden über die unterschiedlichen Dinge, die sie darstellt, sind zahllos; da aber die meisten von ihnen allegorisch sind, sind sie jetzt in die Reihe der auf Unwissenheit und finsterem Aberglauben beruhenden Fabeln übergegangen. Wenn beispielsweise Philostratos erzählt, dass die Eingeborenen Indiens und Arabiens Herz und Leber von Schlangen verspeisten, um die Sprachen aller Tiere zu erlernen, weil man der Schlange diese Fähigkeit zuschrieb, hatte er sicherlich niemals im Sinn, dass seine Worte buchstäblich verstanden würden (siehe „Vita Apollinii“, 1, xiv). Wie man im Verlauf unserer weiteren Ausführungen mehr als einmal finden wird, wurden die „Weisen“, die initiierten Adepten der alten Zeiten, als „Schlangen“ und „Drachen“ benannt. Es war ihre Weisheit und ihre Gelehrsamkeit, die von ihren Anhängern verschlungen oder assimiliert wurden, daher die Allegorie. Wenn vom skandinavischen Sigurd in einer Fabel erzählt wird, dass er das Herz des von ihm erschlagenen Drachens Fafnir geröstet habe und dadurch der weiseste der Menschen geworden sei, so hat das dieselbe Bedeutung. Sigurd war in den Runen und magischen Zaubern unterrichtet; er empfing das „Wort“ von einem Initiierten mit jenem Namen, oder von einem Zauberer, woraufhin Letzterer verstarb, wie es viele tun, nachdem sie „das Wort weitergegeben haben“. Epiphanius gibt ein Geheimnis der Gnostiker preis, als er versucht, ihre Ketzereien zu enthüllen: Die gnostischen Ophiten, sagt er, hatten einen Grund, die Schlange zu verehren, „nämlich weil sie die ersten Menschen die Mysterien lehrte“ („Adv. Haeres.“, 37). Wahrhaftig so; aber sie dachten nicht an Adam und Eva im Garten, als sie dieses Dogma lehrten, sondern lediglich an das oben Festgestellte. Die Nagas der hinduistischen und tibetanischen Adepten waren menschliche Nagas (Schlangen), keine Reptilien. Obendrein war die Schlange zu allen Zeiten das Sinnbild der aufeinanderfolgenden und periodischen Erneuerung, der Unsterblichkeit und der Zeit.

Die in „The Natural Genesis“ gegebenen zahlreichen und außerordentlich interessanten Deutungen, Interpretationen und Tatsachen über die Schlangen­verehrung sind sehr geistreich und wissenschaftlich korrekt. Aber sie sind sehr weit davon entfernt, der Gesamtheit der darin enthaltenen Bedeutungen gerecht zu werden. Sie enthüllen lediglich die astronomischen und physiologischen Mysterien, einschließlich einiger kosmischer Phänomene. Auf der niedrigsten Ebene der Materialität war die Schlange zweifellos [SD # 405] das „große Geheimnis in den Mysterien“ und wurde sehr wahrscheinlich wegen „ihrer Häutung und Selbsterneuerung als Sinnbild der weiblichen Geschlechtsreife betrachtet“. So verhielt es sich jedoch lediglich in Bezug auf die das irdische, tierische Leben betreffenden Geheimnisse, denn als das Symbol der „Neubekleidung und Wiedergeburt in den (universalen) Mysterien“ war ihre „letzte Phase121 – oder sollen wir besser sagen die Phasen ihres Anbeginns und ihres Gipfelpunktes – nicht von dieser Ebene. Sie entstanden in dem reinen Bereich idealen Lichts, und nachdem sie die Runde des gesamten Zyklus der Anpassungen und Symbolik vollendet hatten, kehrten die „Mysterien“ dorthin zurück, woher sie gekommen waren – in die Essenz immaterieller Ursächlichkeit. Sie gehörten der höchsten Gnosis an. Ihren Namen und Ruhm hätten sie sicherlich niemals einzig und allein deshalb erlangen können, weil sie in physiologische und insbesondere weibliche Funktionen eingedrungen waren!

Als Symbol hatte die Schlange ebenso viele Aspekte und okkulte Bedeutungen wie der Baum selbst, der „Baum des Lebens“, mit dem sie emblematisch und nahezu unauflöslich verbunden war. Einerlei, ob als metaphysisches oder als physisches Symbol betrachtet, wurden Baum und Schlange, zusammen oder jedes für sich alleine, im Altertum niemals so erniedrigt wie heute in unserem gegenwärtigen Zeitalter der Zerstörung der Idole, nicht um der Wahrheit willen, sondern um die eher gröbere Materie zu verherrlichen. Die Enthüllungen und Erklärungen in „Rivers of Life“ hätten die Verehrer von Baum und Schlange in den Tagen archaischer chaldäischer und ägyptischer Weisheit zutiefst erstaunt; und selbst die frühen Shivaisten wären entsetzt vor den Theorien und Anregungen des Verfassers des genannten Werkes (J. G. R. Forlong) zurückgeschreckt. „Payne Knights und Inmans Vorstellung, das Kreuz oder Tau sei lediglich ein Abbild der männlichen Organe in einer triadischen Form, ist von Grund auf falsch“, schreibt G. Massey, der beweist, was er sagt. Das aber ist eine Feststellung, die ebenso gut auf nahezu alle modernen Erklärungen alter Symbole angewendet werden könnte. „The Natural Genesis“, ein monumentales Forschungs- und Gedankenwerk, das Vollständigste, was jemals über diesen Gegenstand veröffentlicht worden ist, umfasst große Gebiete und erklärt viel mehr als alle Symbologen, die bisher darüber schrieben, und geht doch nicht über das „psycho-theistische“ Stadium alten Denkens hinaus. Payne Knight und Inman lagen jedoch nicht vollkommen falsch; ausgenommen darin, dass es ihnen überhaupt nicht gelang zu erkennen, dass ihre Interpretationen des „Baumes des Lebens“ als Kreuz und Phallus lediglich im niedersten und im spätesten Zustand der evolutionären Entwicklung zur Idee des Lebensspenders passten und sich ihm annäherten. Es war die letzte und gröbste körperliche Umwandlung der Natur im Tier, Insekt, Vogel und selbst in der Pflanze; denn der zweieinige kreative Magnetismus in der Form der Anziehung der Gegensätze oder der geschlechtlichen Polarisation wirkt sich bei der Erschaffung eines Reptils oder Vogels genauso aus wie bei der des Menschen. Überdies können die modernen Symbologen und Orientalisten – vom Ersten bis zum Letzten – [SD # 406] in ihrer Unkenntnis der wirklichen, durch den Okkultismus enthüllten Geheimnisse notwendigerweise lediglich dieses letzte Stadium sehen. Würde man ihnen sagen, dass die gegenwärtig der gesamten Daseinswelt dieser Erde zueigene Art der Fortpflanzung nur eine vorübergehende Phase darstellt, ein physisches Mittel, um die Bedingungen für die Phänomene des Lebens zur Verfügung zu stellen und sie selbst hervorzubringen, und dass sie sich mit dieser Wurzelrasse ändern und mit der nächsten verschwinden werden – so würden sie über einen derartig abergläubischen und unwissenschaftlichen Gedanken lachen. Die gelehrtesten Okkultisten behaupten aber genau das, weil sie es wissen. Die Gesamtheit aller lebenden Wesen, all jener, die ihre Spezies fortpflanzen, ist der lebendige Zeuge für die verschiedenen Arten der Fortpflanzung in der Evolution der tierischen und menschlichen Arten und Rassen; und ein Naturforscher sollte den Sinn dieser Wahrheit intuitiv erspüren, auch wenn er noch nicht dazu imstande ist, sie zu beweisen. Wie könnte er das auch mit den gegenwärtigen Denkgewohnheiten! Die Marksteine der archaischen Geschichte der Vergangenheit sind selten und rar, und die von den Wissenschaftlern aufgefundenen werden irrtümlich für Wegweiser unserer kleinen Ära gehalten. Selbst die sogenannte „universale“ (?) Geschichte umfasst lediglich ein winziges Feld des nahezu grenzenlosen Raums unerforschter Gebiete unserer letzten Wurzelrasse, der fünften. Daher wird jeder neue Wegweiser, jede neue Glyphe der altersgrauen Vorzeit, die entdeckt wird, dem alten Bestand des Wissens zugeordnet, um nach denselben Regeln vorgefasster Vorstellungen erklärt zu werden und ohne irgendwelche Rücksichtnahme auf den besonderen Gedankenzyklus, dem diese besondere Glyphe angehören mag. Wie kann die Wahrheit jemals ans Licht kommen, wenn diese Methode niemals geändert wird!

So waren Baum und Schlange im Anbeginn ihrer gemeinschaftlichen Existenz als Glyphen für das unsterbliche Dasein wahrhaft göttliche, bildliche Darstellungen. Der Baum war umgekehrt, seine Wurzeln entsprangen im Himmel und wuchsen aus der Wurzellosen Wurzel des Allseins. Sein Stamm wuchs und entwickelte sich und durchmaß dabei die Ebenen des Pleroma, und er trieb seine üppigen Zweige quer aus, zunächst auf der Ebene der noch kaum differenzierten Materie, und dann hinunter, bis sie die irdische Ebene berührten. Von Ashvattha, dem Baum des Lebens und Daseins, dessen Zerstörung allein zur Unsterblichkeit führt, heißt es deshalb in der Bhagavadgita, seine Wurzeln würden aufwärts und seine Zweige abwärts wachsen (Kap. xv) Die Wurzeln repräsentieren das Höchste Wesen oder die Erste Ursache, den Logos; man muss aber über jene Wurzeln noch hinausgehen, um sich mit Krishna zu vereinigen, der, wie Arjuna sagt (xi), „größer ist als Brahman und die Erste Ursache . . . das Unzerstörbare, das, was ist, das, was nicht ist, und das, was jenseits dieser beiden steht.“ Seine Zweige sind Hiranyagarbha (Brahmâ oder Brahman in seinen höchsten Manifestationen, sagen Sridhara und Madhusudana), die höchsten Dhyan Chohans oder Devas. Die Veden sind seine Blätter. Nur derjenige, der über die Wurzeln hinausgeht, wird niemals zurückkehren, d. h. er wird während dieses „Zeitalters“ Brahmâs nicht mehr reinkarnieren.

Als seine reinen Äste den irdischen Schlamm des Gartens von Eden unserer adamischen Rasse berührt hatten, wurde dieser Baum folglich durch die Berührung beschmutzt und verlor seine ursprüngliche Reinheit; und die Schlange der [SD # 407] Ewigkeit – der himmelsgeborene Logos – wurde endgültig erniedrigt. In den alten Zeiten – den göttlichen Dynastien auf der Erde – wurde das jetzt gefürchtete Reptil als der erste aus dem Abgrund des göttlichen Geheimnisses hervorscheinende Lichtstrahl angesehen. Man ließ es unterschiedliche Formen annehmen und passte zahlreiche natürliche Symbole daran an, während es die Äonen der Zeit durchmaß: als es aus der unendlichen Zeit selbst – Kala – in Raum und Zeit fiel, die sich aus der menschlichen Spekulation entwickelt hatten. Diese Formen waren kosmisch und astronomisch, theistisch und pantheistisch, abstrakt und konkret. Sie wurden der Reihe nach zum Polaren Drachen und zum Kreuz des Südens, zum Alpha Draconis der Pyramide und zum hinduistisch-buddhistischen Drachen, der die Sonne immer bedroht, sie jedoch während ihrer Verfinsterungen niemals verschlingt. Bis dahin blieb der Baum stets grün, denn er war mit den Wassern des Lebens benetzt; der große Drache blieb immer göttlich, solange er in den Bezirken des Sternengefildes gehalten wurde. Aber der Baum wuchs, und seine unteren Zweige berührten schließlich die höllischen Regionen – unsere Erde. Dann nagte die große Schlange Nidhöggr – welche die Leichname der Übeltäter in der „Halle des Elends“ (dem menschlichen Leben) verschlingt, sobald sie in „Hwergelmir“, dem brausenden Kessel (der menschlichen Leidenschaften) eingetaucht sind – am Weltenbaum. Die Würmer der Materialität bedeckten die einstmals gesunden und mächtigen Wurzeln und klettern jetzt höher und höher am Stamm empor; indessen umspannt die Midgard-Schlange, am Grund der Meere zusammengerollt, die Erde und macht sie durch ihren giftigen Atem kraftlos, sodass sie sich nicht mehr selbst verteidigen kann.

Die Drachen und Schlangen des Altertums sind allesamt siebenköpfig – „ein Haupt für jede Rasse, und jedes Haupt mit sieben Haaren darauf“, wie die Allegorie es ausdrückt. Wahrlich, von Ananta, der Schlange der Ewigkeit, die Vishnu durch das Manvantara trägt, von dem ursprünglichen Ur-Sesha, dessen sieben Köpfe in der puranischen Fantasie zu „eintausend Köpfen“ werden, bis hinab zur siebenköpfigen akkadischen Schlange. Diese versinnbildlicht die sieben Prinzipien in der gesamten Natur und im Menschen; das höchste oder mittlere Haupt ist das siebte. Philo spricht in seiner „Schöpfung der Welt „nicht vom mosaischen, jüdischen Sabbat, wenn er sagt, dass die Welt „nach der vollkommenen Natur der Zahl 6“ vollendet wurde. Denn „wenn diese Vernunft (Nous), die in Übereinstimmung mit der Zahl 7 heilig ist, in die Seele (vielmehr in den lebendigen Körper) eingetreten ist, ist die Zahl 6 damit eingesperrt und mit ihr alle sterblichen Dinge, welche diese Zahl ausmachen“. Und wiederum: „Die Zahl 7 ist der Festtag der ganzen Erde, der Geburtstag der Welt. Ich weiß nicht, ob irgendjemand imstande ist, die Zahl 7 in angemessenen Worten zu zelebrieren.“ . . . („Par.“, Seiten 30 und 419) Der Autor von „The Natural Genesis“ meint, dass „die Siebenzahl der im Großen Bären zu sehenden Sterne (die Septarshis) und der siebenköpfige Drache einen sichtbaren Ursprung für die symbolische Sieben der oben erwähnten Zeit lieferten. Die Göttin der sieben Sterne“, fügt er hinzu,

[SD # 408] „war als Kep die Mutter der Zeit; daher Kepti und Sebti für die beiden Zeiten und die Zahl sieben. So ist dies der Name des Sterns der Sieben. Sevekh (Kronos), der Sohn der Göttin, hat den Namen der Sieben oder des Siebten. Ebenso Sefekh Abu, der das Haus auf der Höhe erbaut, so wie die Weisheit (Sophia) das ihre auf sieben Pfeilern erbaute. . . Es gab sieben ursprüngliche Kronotypen, und so beruht der Anbeginn der Zeit im Himmel aufgrund der stellaren Kundgeber auf der Zahl und dem Namen der Sieben. Die sich jährlich drehenden sieben Sterne hielten gewissermaßen den Zeigefinger der rechten Hand ausgestreckt und beschrieben so am oberen und unteren Himmel einen Kreis.122 Die Zahl sieben legt naturgemäß eine Maßeinheit auf der Basis sieben nahe, was zu einem Siebener führen würde, wie man es nennen könnte, und zur Bezeichnung und Ausarbeitung des Kreises in sieben entsprechende Teile, welche den sieben großen Konstellationen zugeordnet wurden; und auf diese Weise wurde die himmlische Heptanomis Ägyptens am Himmel geformt. Als die himmlische Heptanomis aufgelöst und in vier Viertel geteilt wurde, multiplizierte man sie mit vier, und die achtundzwanzig Zeichen nahmen die Stelle der ursprünglichen sieben Konstellationen ein, und der lunare Zodiak von achtundzwanzig Tagen ist das aufgezeichnete Ergebnis davon.123 . . . In der chinesischen Anordnung sind die vier Siebenheiten vier Genien übergeben, die den vier Himmelsrichtungen vorstehen. . . .“ (Im chinesischen Buddhismus und der Esoterik werden die Genien durch vier Drachen dargestellt – die „Maharajas“ der Stanzen.) „Die sieben nördlichen Konstellationen ergeben den Schwarzen Krieger; die sieben östlichen (der Chinesische Herbst) bilden den Weißen Tiger; die sieben südlichen sind der Zinnoberrote Vogel, und die sieben westlichen (die Frühlingshaften) sind der Azurblaue Drache. Jeder dieser vier Geister steht seiner Heptanomis einer Mondwoche lang vor. Die Abstammung der ersten Heptanomis (Typhon mit den sieben Sternen) nahm jetzt einen lunaren Charakter an; . . . in dieser Phase finden wir, dass die Göttin Sefekh, deren Name die Zahl 7 bedeutet, das weibliche Wort ist, oder Logos an Stelle der Mutter der Zeit, welche das frühere Wort war, als Göttin der sieben Sterne“ („Typology of Time“, Band II, Seite 313, „Nat. Gen.“).

Der Verfasser zeigt, dass die Göttin des Großen Bären und die Mutter der Zeit in Ägypten seit den ältesten Zeiten das „lebendige Wort“ war, und dass „Sevekh-Kronos, dessen Typus Krokodil-Drache war, die vorplanetarische Form des Saturns, ihr Sohn und Gatte genannt wurde. Er war ihr Wort-Logos.“ (Seite 344, Band II)

Das Obige ist ganz klar, aber es war nicht die Kenntnis der Astronomie allein, welche die Alten zum Vorgang des Einteilens des Siebeners hinführte. Die ursprüngliche Ursache geht viel tiefer und wird an geeigneter Stelle erklärt werden.

Die obigen Ausführungen stellen keine Abschweifungen dar, sie werden vorgebracht, um Folgendes zu zeigen: (a) den Grund dafür, warum ein vollständig Initiierter „Drache“, „Schlange“ oder „Naga“ genannt wurde, und (b) dass unsere siebenfältige Einteilung von den Priestern der früheren Dynastien in Ägypten aus demselben Grund und auf derselben Grundlage benutzt wurde wie von uns. Das erfordert jedoch eine weitere Erklärung. Wie bereits festgestellt – was bei G. Massey als die vier Genien der vier Himmelsrichtungen und bei den Chinesen als Schwarzer Krieger und Weißer Tiger, [SD # 409] Zinnoberroter Vogel und Azurblauer Drache bezeichnet wird, heißt in den geheimen Büchern die „vier verborgenen Drachen der Weisheit“ und die „Himmlischen Nagas“. Nun wurde, wie gezeigt, der siebenköpfige oder siebenfältige Drachen-Logos sozusagen im Lauf der Zeit in vier heptanomische Teile oder 28 Abteilungen aufgespalten. Jede lunare Woche hat im lunaren Monat einen bestimmten okkulten Charakter; jeder der achtundzwanzig Tage hat seine besondere Eigenschaft; wie jede der zwölf Konstellationen, einerlei ob getrennt oder in Verbindung mit anderen Zeichen, einen okkulten Einfluss hat, entweder zum Guten oder zum Bösen. Das repräsentiert die Summe des Wissens, welches die Menschen auf dieser Erde erlangen können. Aber nur Wenige sind es, die das erreichen, und noch weniger sind die weisen Menschen, die bis zur Wurzel der Erkenntnis gelangen, welche durch den großen Wurzeldrachen symbolisiert wird, den spirituellen Logos dieser sichtbaren Zeichen. Aber jene, die dahin gelangen, erhalten den Namen der „Drachen“, und sie sind die „Arhats der vier Wahrheiten der 28 Fähigkeiten“ oder Attribute, und wurden schon immer so genannt.

Um echte Chaldäer oder Magier zu werden, so behaupteten die alexandrinischen Neuplatoniker, müsse man die Wissenschaft oder Erkenntnis der Perioden der sieben Rektoren der Welt beherrschen, in welchen sich alle Weisheit befindet. In Proklos’ Kommentaren zum „Timaios“, I, wird Iamblichos eine andere Lesart zugeschrieben, die jedoch den Sinn nicht ändert. Er sagt, dass „die Assyrer nicht nur die Aufzeichnungen von sieben und zwanzig Myriaden von Jahren aufbewahrten, wie Hipparchos von ihnen behauptet, sondern ebenso die gesamten Apokatastasen und Perioden der sieben Weltherrscher“. Die Legenden aller Nationen und Völker, sowohl der zivilisierten als auch der wilden, weisen auf den einst universalen Glauben an die große Weisheit und Schlauheit der Schlangen hin. Sie sind „Schmeichler“. Sie hypnotisieren den Vogel mit ihrem Auge, und selbst der Mensch kann sich ihrem faszinierenden Einfluss oftmals kaum entziehen; daher ist das Symbol höchst passend.

Das Krokodil ist der ägyptische Drache. Er war das doppelte Symbol von Himmel und Erde, von Sonne und Mond, und war infolge seiner amphibischen Natur Osiris und Isis geweiht. Nach Eusebius stellten die Ägypter die Sonne als Steuermann eines Schiffs dar, und dieses Schiff wurde von einem Krokodil fortgetragen, „um damit die Bewegung der Sonne in der Feuchte (im Raum) darzustellen“ („Prepar. Evang.“, 1, 3, K. 11). Das Krokodil war ferner das Symbol Ägyptens selbst, des unteren, welches das sumpfigere der beiden Länder ist. Die Alchemisten vertreten eine andere Interpretation. Sie sagen, dass das in einem Boot über den Ether des Raumes fahrende Symbol der Sonne die Bedeutung habe, dass die hermetische Materie das Prinzip oder die Basis von Gold sei oder wiederum der philosophischen Sonne; das Wasser, in welchem das Krokodil schwimmt, stellt eben dieses Wasser dar oder diese Materie in verflüssigter Form. Das Schiff selbst schließlich stellt das Fahrzeug der Natur dar, in dem die Sonne oder das sulfurische, feurige Prinzip als Steuermann wirkt: weil es die Sonne ist, [SD # 410] die durch ihre Einwirkung auf die Feuchtigkeit oder das Quecksilber das Werk leitet. Obiges ist nur für Alchemisten.

Die Schlange wurde erst während des Mittelalters zum Typus und Symbol des Übels oder des Teufels. Die ersten Christen – wie auch die ophitischen Gnostiker – hatten ihren dualen Logos: die gute und die böse Schlange, den Agathodaimon und den Kakodaimon. Das zeigt sich in den Schriften von Markus, Valentinus und vieler anderer, und insbesondere in der „Pistis Sophia“ – gewiss ein Dokument aus den frühesten Jahrhunderten des Christentums. Auf dem im Jahr 1852 nahe der Porta Pia entdeckten Marmorsarkophag eines Grabes findet sich die Darstellung einer Szene der Anbetung der Magier, „oder andernfalls“, bemerkt der verstorbene C. W. King in „The Gnostics“, „der Prototyp dieser Szene, die ‘Geburt der Neuen Sonne’“. Der Mosaikboden zeigte eine merkwürdige Zeichnung, die entweder (a) Isis darstellen mochte, wie sie den kleinen Harpokrates stillt, oder (b) die das Jesuskind nährende Madonna. In den die größeren umgebenden kleineren Sarkophagen wurden elf wie Schriftrollen aufgerollte Bleiplatten gefunden, von denen drei entziffert wurden. Deren Inhalt sollte als endgültiger Beweis einer viel erörterten Frage angesehen werden, denn sie zeigen, dass entweder die ersten Christen bis zum 6. Jahrhundert bona fide Heiden waren, oder dass das dogmatische Christentum insgesamt entlehnt war und alles in die christliche Kirche überging – Sonne, Baum, Schlange, Krokodil und alles Übrige.

„Auf der Ersten sieht man Anubia . . . eine Rolle vor sich haltend; zu seinen Füßen finden sich zwei weibliche Büsten; unter dem Ganzen umschlingen zwei Schlangen . . . einen Leichnam, der wie eine Mumie eingewickelt ist. Auf der zweiten Rolle . . . ist Anubis, der ein Kreuz vor sich hält, das „Zeichen des Lebens“. Unter seinen Füßen liegt ein in die zahlreichen Windungen einer riesigen Schlange eingerollter Leichnam, des Agathodaimons, der Wächterin der Verstorbenen. . . . . Auf der dritten Rolle . . . trägt Anubis auf seinem Arm . . . . . den Umriss . . eines vollständigen lateinischen Kreuzes . . . Zu Füßen des Gottes findet sich ein Rhomboid, das ägyptische ‘Weltenei’, auf welches eine in einen Kreis geschlungene Schlange zukriecht . . . . unter den Büsten befindet sich der Buchstabe ω, in einer Zeile siebenfach wiederholt, an einen der ‘Namen’ erinnernd . . . Sehr bemerkenswert ist auch die Zeile anscheinend palmyrischer Schriftzeichen auf den Beinen des ersten Anubis. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Talismane nicht aus dem Isis-, sondern aus dem neueren ophitischen Glauben hervorgegangen sind, kann in Bezug auf die Gestalt der Schlange gesagt werden, dass sie gut und gerne jene „wahre und vollkommene Schlange“ bedeuten kann, welche die Seelen aller auf sie Vertrauenden aus dem Ägypten des Körpers und durch das Rote Meer des Todes in das Land der Verheißung führt, indem sie dieselben auf ihrem Weg vor den Schlangen der Wüste schützt, d. h. vor den Beherrschern der Sterne“ (Kings „Gnostics“, S. 367-8).

Und diese „wahre und vollkommene Schlange“ ist der siebenbuchstabige Gott, der jetzt für Jehovah gehalten wird, und für Jesus, der eins ist mit ihm. In der „Pistis Sophia“, einem Werk, das älter ist als die Offenbarung des heiligen Johannes und offenbar derselben Schule angehört, wird der Initiationskandidat von Christos zu diesem siebenvokaligen Gott geschickt. „Die (Schlange der) Sieben Donner sprach(en) [SD # 411] diese sieben Vokale“, aber „Versiegelt jene Dinge, welche die Sieben Donner sprachen und schreibt sie nicht auf“, sagt die Offenbarung. „Forschet ihr nach diesen Geheimnissen?“, fragt Jesus in der Pistis Sophia. „Kein Geheimnis ist herrlicher als sie (die sieben Vokale): denn sie werden eure Seelen in das Licht der Lichter bringen“ – d. h. in die wahre Weisheit. „Nichts ist deshalb vorzüglicher als die Geheimnisse nach welchen ihr forschet, ausgenommen nur das Geheimnis der sieben Vokale und ihrer Vierzig und Neun Kräfte und deren Zahlen.“

In Indien war es das Geheimnis der Sieben Feuer und ihrer neunundvierzig Feuer oder Aspekte oder „deren Teile“, genau dasselbe.

Diese sieben Vokale werden durch das Symbol der Swastika auf den Kronen der sieben Häupter der Schlange der Ewigkeit dargestellt, in Indien, bei den esoterischen Buddhisten, in Ägypten, in Chaldäa etc. etc., und bei den Initiierten aller anderen Länder. Dabei handelt es sich um die in den hermetischen Schriften geschilderten sieben Zonen des nach dem Tode erfolgenden Aufsteigens, wobei der „Sterbliche“ auf jeder von ihnen eine seiner „Seelen“ (oder Prinzipien) zurücklässt, bis er schließlich, auf der über all diesen Zonen liegenden Ebene angekommen, als die große formlose Schlange der absoluten Weisheit – oder Gottheit selbst – verbleibt. Die siebenköpfige Schlange hat in den arkanen Lehren mehr als eine Bedeutung. Sie ist der siebenköpfige Draco, dessen Häupter jeweils ein Stern des Kleinen Bären sind. Sie war jedoch auch, und zwar vorwiegend, die Schlange der Dunkelheit (d. h. unerfassbar und unbegreiflich), deren sieben Häupter die sieben Logoi waren, die Reflexionen des Einen und erstgeoffenbarten Lichtes – des universalen Logos.

 

 

§ XI
Demon est Deus Inversus

Dieser symbolische Satz in seinen vielfältigen Formen ist sicherlich höchst gefährlich und bilderstürmerisch, angesichts aller späteren dualistischen Religionen, oder vielmehr Theologien, insbesondere im Licht des Christentums. Doch ist es weder gerecht noch korrekt zu behaupten, das Christentum habe Satan ersonnen und hervorgebracht. Satan existierte schon immer – als „Widersacher“, als entgegengesetzte Kraft, die für das Gleichgewicht und die Harmonie der Dinge in der Natur notwendig ist – so wie der Schatten das strahlende Licht heller macht, die Nacht den Tag umso befreiender wirken und die Kälte uns die Annehmlichkeiten der Wärme umso mehr würdigen lässt. Homogenität ist eins und unteilbar. Wenn aber das homogene Eine und Absolute keine bloße Redensart ist, und wenn die Heterogenität mit ihrem doppelten Aspekt ihr Sprössling ist – ihr gegabelter Schatten oder Wiederschein –, dann muss selbst diese göttliche Homogenität in sich zugleich die Essenz von [SD # 412] Gut und Böse enthalten. Wenn „Gott“ absolut, unendlich und die universale Wurzel von allem und jedem in der Natur und ihrem Weltall ist, woher kommt dann das oder der Böse, wenn nicht aus demselben „goldenen Schoß“ des Absoluten? So sehen wir uns dazu gezwungen, entweder die Emanation des Guten und Bösen, des Agatho- und des Kakodaimon, als Sprösslinge ein und desselben Stamms vom Baum des Seins zu betrachten, oder uns mit der Absurdität zu bescheiden, an zwei ewige Absolute zu glauben!

Da wir den Ursprung der Idee bis zum ersten Anbeginn menschlichen Denkens zurückzuverfolgen haben, ist es nur billig, unterdessen selbst dem sprichwörtlichen Teufel sein Recht zukommen zu lassen. Das Altertum wusste nichts von einem getrennten, durch und durch und absolut schlechten „Gott des Bösen“. Die heidnische Denkweise stellt Gut und Böse als Zwillingsbrüder dar, von ein und derselben Mutter geboren – der Natur; sobald dieser Gedanke nicht mehr archaisch war, wurde auch die Weisheit zur Philosophie. Am Anfang waren die Symbole von Gut und Böse bloße Abstraktionen, Licht und Dunkelheit; später wurden ihre Urbilder aus den allernatürlichsten und immer wiederkehrenden periodischen Himmelserscheinungen gewählt – nämlich Tag und Nacht oder Sonne und Mond. Dann stellte man sie durch die Scharen der solaren und lunaren Gottheiten dar, und dem Drachen der Finsternis wurde der Drache des Lichts entgegengestellt (siehe Stanzen V und VII, Band I). Satans Schar ist ein Sohn Gottes, nicht weniger als die Schar der Benei Ha’Elohim, der Kinder Gottes, welche kamen, „um vor Johovah zu treten“, ihren Vater (siehe Hiob 2). „Die Söhne Gottes“ werden erst dann zu den „gefallenen Engeln“, nachdem sie wahrnehmen, dass die Töchter der Menschen schön waren (Genesis 6). In der indischen Philosophie gehören die Suras zu den ältesten und leuchtendsten Göttern, und sind erst dann zu den Asuras geworden, als sie von der brahmanischen Fantasie entthront wurden. Satan nahm niemals eine anthropomorphische, individualisierte Gestalt an, bevor die Schöpfung des „einen lebendigen persönlichen Gottes“ durch den Menschen vollbracht worden war; und dann auch lediglich als Folge absoluter Notwendigkeit. Eine Projektionsfläche wurde benötigt; ein Sündenbock, um die Grausamkeit, die Missgriffe und die nur allzu offenbare Ungerechtigkeit zu erklären, die jener verübte, für den unbedingte Vollkommenheit, Barmherzigkeit und Güte beansprucht wurden. Dies war die erste karmische Wirkung der Abschaffung eines philosophischen und logischen Pantheismus, um zur Stütze des trägen Menschen „einen gütigen Vater im Himmel“ aufzurichten, dessen tägliche und stündliche Handlungen als Natura Naturans, als der „anmutigen, aber steinkalten Mutter“, diese Annahme Lügen strafen. Dies führte zu den ursprünglichen Zwillingen Osiris-Typhon, Ormazd-Ahriman, und schließlich Kain-Abel sowie jeder und aller Gegensätze.

„Gott“ der Schöpfer, im Anfang mit der Natur gleichgesetzt, wurde schließlich zum Urheber derselben gemacht. Pascal erledigt das Problem sehr schlau, indem er sagt: „Die Natur hat Vollkommenheiten, um zu zeigen, dass sie ein Bildnis Gottes ist; und sie hat Mängel, um zu zeigen, dass sie lediglich sein Abbild ist.“

Je weiter man in die Dunkelheit der vorhistorischen [SD # 413] Zeitalter zurückgeht, desto philosophischer erscheint die prototypische Gestalt des späteren Satans. Der erste „Widersacher“ in individueller, menschlicher Form, dem man in der alten puranischen Literatur begegnet, ist einer ihrer größten Rishis und Yogis – Narada, mit dem Beinamen der „Streitmacher“.

Und Narada ist ein Brahmâputra, ein Sohn des männlichen Brahmâs. Doch später mehr von ihm. Wer der große „Täuscher“ wirklich ist, kann man erfahren, wenn man mit offenen Augen und vorurteilsfreiem Denken in allen alten Kosmogonien und Schriften nach ihm forscht.

Er ist der anthropomorphisierte Demiurg, der Schöpfer des Himmels und der Erde, wenn er von den kollektiven Scharen seiner Mitschöpfer getrennt wird, die er sozusagen repräsentiert und zusammenfasst. Heute ist er der theologische Gott. „Der Wunsch ist der Vater des Gedankens.“ Einst ein philosophisches Symbol, das der verdrehten menschlichen Fantasie überlassen wurde; später zu einem feindseligen, trügerischen, schlauen und eifersüchtigen Gott ausgestaltet.

Drachen und andere gefallene Engel sind an weiteren Stellen dieses Werkes beschrieben, darum werden ein paar Worte über den viel verleumdeten Satan genügen. Der Schüler tut gut daran sich zu erinnern, dass der Teufel bis zum heutigen Tag bei keinem Volk ein schlechteres Wesen ist als der entgegengesetzte Aspekt in der doppelten Natur des sogenannten Schöpfers, mit Ausnahme der christlichen Nationen. Dies ist nur natürlich. Man kann Gott nicht als Synthese des ganzen Weltalls, als allgegenwärtig, allwissend und unendlich aufstellen, und ihn dann vom Bösen trennen. Da viel mehr Böses in der Welt ist als Gutes, folgt daraus logisch begründet, dass entweder Gott das Böse in sich einschließen muss oder aber die unmittelbare Ursache desselben ist, oder im anderen Fall seine Ansprüche an die Absolutheit abzutreten hat. Die Alten verstanden dies so gut, dass ihre Philosophen, denen jetzt die Kabbalisten nachfolgen, das Böse zur Auskleidung Gottes oder des Guten erklärten: Demon est Deus Inversus ist ein sehr altes Sprichwort. In der Tat ist das Böse lediglich eine entgegenwirkende, blinde Kraft der Natur; es ist Reaktion, Opposition und Kontrast – böse für die einen, gut für die anderen. Es gibt kein malum in se; bloß den Schatten des Lichts, ohne welchen das Licht keine Existenz haben könnte, nicht einmal in unserer Wahrnehmung. Würde das Böse verschwinden, würde zugleich das Gute mit ihm von der Erde verschwinden. Bevor er zur Materie wurde, war der „alte Drache“ reiner Geist, er war passiv, bevor er aktiv wurde. In der syrisch-chaldäischen Magie sind Ophis und Ophiomorphos im Tierkreiszeichen des androgynen Jungfrau-Skorpion vereinigt. Vor ihrem Fall auf die Erde war die Schlange Ophis-Christos, und nach ihrem Fall wurde sie zu Ophiomorphos-Chrestos. Überall behandeln die Spekulationen der Kabbalisten das Böse als eine dem Guten entgegengesetzte Kraft, welche für das Gute aber gleichzeitig essenziell ist, da es ihm Lebenskraft und die Existenz schenkt, die es auf keine andere Weise haben könnte. Ohne den Tod wäre Leben nicht möglich (im mayavischen Sinn); keine Wiedererzeugung und Wiederherstellung ohne Zerstörung. Die Pflanzen würden in ewigem Sonnenlicht zu Grunde gehen, und ebenso der Mensch, der zum Roboter würde, ohne die Ausübung seines freien Willens und ohne sein Streben nach diesem Sonnenlicht, [SD # 414] das für ihn sein Wesen und seinen Wert verlöre, wenn er nichts anderes als das Licht hätte. Das Gute ist lediglich in dem uns ewig Verborgenen unendlich und ewig, und das ist der Grund, warum wir es für ewig halten. Auf den geoffenbarten Ebenen hält das eine dem anderen die Waage. Nur wenige Theisten und Anhänger eines persönlichen Gottes machen aus Satan nicht den Schatten Gottes; oder, beide miteinander verwechselnd, glauben nur wenige nicht, das Recht zu besitzen, ihren Abgott anbeten und seine Hilfe und seinen Schutz für die Verübung ihrer bösen und grausamen Taten erbitten zu dürfen und um Straflosigkeit anzurufen. „Führe uns nicht in Versuchung“, diese Worte werden täglich von Millionen christlicher Herzen an „unseren Vater im Himmel“ gerichtet, und nicht an den Teufel. Damit wiederholen sie genau die ihrem Heiland in den Mund gelegten Worte, und dabei widmen sie nicht einen Gedanken der Tatsache, dass ihrer Absicht kurzweg von Jakobus, dem „Bruder des Herrn“, widersprochen wird, der sagt: „Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht; denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, und selbst versucht er niemand.“ (Jakobus 1,13) Warum nun behaupten, dass der Teufel uns versucht, wenn die Kirche uns aufgrund der Autorität Christi lehrt, dass Gott es ist, der dieses tut? Schlagt irgendein frommes Buch auf, in dem das Wort „Versuchung“ seinem theologischen Sinne nach erklärt wird, und ihr findet sofort zwei Definitionen: (1) jene Anfechtungen und Leiden, durch die Gott seine Anhänger prüft; (2) jene Mittel und Verlockungen, derer sich der Teufel bedient, um die Menschheit zu verführen und zu verlocken (Jakobus 1,2 und 12 und Matthäus 6,13). Wörtlich genommen widersprechen sich die Lehren von Christus und Jakobus, und welches Dogma kann die beiden in Übereinstimmung bringen, wenn die okkulte Auffassung verworfen wird?

Jener Philosoph wird weise sein, der zwischen den alternativen Verlockungen zu unterscheiden imstande sein wird, der fähig sein wird zu entscheiden, wo Gott verschwindet, um dem Teufel Platz zu machen! Wenn wir daher lesen, dass „der Teufel ein Lügner ist und der Vater der Lüge“, d. h. die inkarnierte Lüge, und man uns im selben Atemzug sagt, dass Satan – der Teufel – ein Sohn Gottes und der herrlichste seiner Erzengel war, so ziehen wir es vor, den Pantheismus und die heidnische Philosophie zu befragen, anstatt zu glauben, dass Vater und Sohn eine riesenhafte, personifizierte und ewige Lüge seien.

Sobald wir den Schlüssel zur Genesis in unseren Händen halten, enthüllt uns die wissenschaftliche und symbolische Kabbala das Geheimnis. Die große Schlange im Garten Eden und „Gott der Herr“ sind ein und dasselbe, und genauso sind Jehovah und Kain eins ­– jener Kain, der in der Theologie als „Mörder“ und Lügner vor Gott bezeichnet wird! Jehovah versucht den König von Israel das Volk zu zählen, und an einer anderen Stelle versucht ihn Satan, das Gleiche zu tun. Jehovah verwandelt sich in die feurigen Schlangen, um jene zu beißen, die ihm missfallen; und Jehovah beseelt die eherne Schlange, welche diese heilt.

Diese kurzen und scheinbar widersprüchlichen Stellen im Alten Testament (widersprüchlich deshalb, weil die beiden Kräfte getrennt werden, anstatt sie als die beiden Seiten ein und desselben Dings zu betrachten) sind der [SD # 415] durch Exoterik und Theologie bis zur Unkenntlichkeit entstellte Wiederhall der universalen und philosophischen Dogmen der Natur, wofür die ursprünglichen Weisen ein so gutes Verständnis hatten. Dieselbe Grundlegung finden wir in verschiedenen Personifikationen in den Puranas, nur viel ausführlicher und philosophisch bedeutsamer.

So wird Pulastya, ein „Sohn Gottes“, einer aus der ersten Nachkommenschaft, zum Vorfahren der Dämonen gemacht, der Rakshasas, Versucher und Verschlinger der Menschen. Pisacha, ein weiblicher Dämon, ist eine Tochter Dakshas, ebenfalls ein „Sohn Gottes“, und ein Gott und die Mutter aller Pisachas (Padma-Purana). Die in den Puranas sogenannten Dämonen sind ganz außerordentliche Teufel, wenn man vom Standpunkt europäischer und orthodoxer Anschauungen über diese Kreaturen urteilt, da sie allesamt – Danavas, Daityas, Pisachas und Rakshasas – als außerordentlich fromm dargestellt werden, welche die Vorschriften der Veden befolgen; einige von ihnen galten gar als große Yogis. Aber sie bekämpfen den Klerus und den Ritualismus, die Opfer und die Formen – genau so wie es die voll entwickelten Yogis Indiens bis zum heutigen Tage tun – und werden deshalb nicht weniger geachtet, obwohl es ihnen gestattet ist, weder Kaste noch Ritual zu beachten; daher werden alle diese puranischen Riesen und Titanen Teufel genannt. Die Missionare, immer darauf aus zu zeigen, dass die indischen Traditionen nichts Besseres sind als eine Reflexion der jüdischen Bibel, haben aus der angeblichen Identität des Pulastya mit Kain und aus der der Rakshasas mit den Kainiten, den „Verfluchten“, der Ursache von Noahs Sintflut, einen ganzen Roman gesponnen (siehe das Werk Abbè Gorresios, der Pulastyas Namen „etymologisch“ auf die Bedeutung „der Verworfene“ zurückführt und somit von Kain, wenn man will). Pulastya wohnt in Kedara, sagt er, was einen „aufgegrabenen Platz“, eine Mine bedeutet, und Kain wird in der Tradition und in der Bibel als der erste Metallbearbeiter und Minenarbeiter dargestellt!

Während es sehr wahrscheinlich ist, dass die Gibborim (die Riesen) der Bibel die Rakshasas der Inder sind, ist es noch sicherer, dass beide den Atlantiern und den untergegangenen Rassen angehören. Wie auch immer, kein Satan könnte im Verleumden seines Feindes ausdauernder und in seinem Hasse boshafter sein als es die christlichen Theologen ihm gegenüber sind, indem sie ihn als den Vater alles Bösen verfluchen. Man vergleiche ihre Beschimpfungen und ihre Meinungen über den Teufel mit den philosophischen Ansichten der puranischen Weisen und ihrem christusgleichen Sanftmut. Als Parasharas Vater von einem Rakshasa verschlungen worden war, bereitete Ersterer sich darauf vor, die gesamte Rasse der Rakshasas (mithilfe der Magie) zu vernichten; nachdem sein Großvater Vasishtha dem erzürnten Weisen nach seinem eigenen Eingeständnis bewiesen hatte, dass es zwar Böses und Karma, jedoch keine „bösen Geister“ gäbe, sprach er die folgenden bedeutsamen Worte: „Besänftige deinen Zorn“, sagt er. „Die Rakshasas sind nicht tadelnswert; deines Vaters Tod war das Werk Karmas. Zorn ist die Leidenschaft der Narren; ein weiser Mann wird nicht zornig. Von wem, kann gefragt werden, wird einer getötet? Jeder Mann erntet die Folgen seiner eigenen Taten. Zorn, mein Sohn, bedeutet die Zerstörung [SD # 416] all dessen, was der Mensch erlangt . . . und verhindert die Erlangung der Befreiung. Die Weisen scheuen die Wut. Sei nicht, mein Kind, ihrem Einfluss unterworfen. Vernichte nicht diese harmlosen Geister der Finsternis; lasse dein Opfer enden. Barmherzigkeit ist die Macht des Gerechten.“ (Vishnu-Purana“, Buch i, Kap. i) Somit ist jedes solches mit der Bitte um Hilfe an Gott gerichtete „Opfer“ oder Gebet nichts Besseres als ein Akt schwarzer Magie. Der Gegenstand von Parasharas Gebet war die Vernichtung der Geister der Finsternis als seine persönliche Rache. Er wird ein Heide genannt, und die Christen haben ihn als solchen in die ewige Hölle verdammt. Aber in welcher Hinsicht ist das Gebet der Herrscher und Generäle, die vor jeder Schlacht für die Vernichtung ihrer Feinde beten, irgendwie besser? Ein solches Gebet ist in jedem Fall schwarze Magie der übelsten Sorte, wie ein dämonischer „Mr. Hyde“ hinter einem scheinheiligen „Dr. Jekyll“ verborgen.

In der menschlichen Natur bedeutet das Böse lediglich die Polarität von Stoff und Geist, einen „Kampf ums Dasein“ zwischen den beiden in Raum und Zeit geoffenbarten Prinzipien, dessen Prinzipien per se eins sind, insofern als sie im Absoluten wurzeln. Im Kosmos muss das Gleichgewicht erhalten bleiben. Die Wirkungsweisen der beiden Gegensätze erzeugen Harmonie, wie bei den zentripetalen und zentrifugalen Kräften, die nicht ohne einander sein können – wechselseitig voneinander abhängig – „damit beide leben können“. Wird eine der beiden ausgesetzt, führt die Tätigkeit der anderen zur unmittelbaren Selbstzerstörung.

Nachdem die Satan genannte Personifikation in ihrem dreifachen Aspekt ausführlich analysiert worden ist – nach dem Alten Testament, der christlichen Theologie und der alten heidnischen Gedankenhaltung – werden jene, die mehr über den Gegenstand erfahren wollen, auf Band II von „Isis entschleiert,“ Kap. 10 und auf Teil II im zweiten Band des vorliegenden Werkes verwiesen. Dass der Gegenstand hier berührt und neue Erklärungen versucht werden, geschieht aus sehr gutem Grund. Bevor wir uns der Entwicklung des körperlichen und göttlichen Menschen zuwenden können, müssen wir zunächst die Idee der zyklischen Entwicklung beherrschen, uns mit den Philosophien und Glaubensweisen der vier unserer gegenwärtigen vorausgegangenen Rassen vertraut machen und lernen, welche Vorstellungen jene Titanen und Riesen hegten – Riesen fürwahr, sowohl an Verstand wie auch körperlich. Das gesamte Altertum war von jener Philosophie durchdrungen, welche die Involution des Geistes in die Materie, den fortschreitenden, abwärts gerichteten zyklischen Abstieg oder die tätige, selbstbewusste Evolution lehrte. Die alexandrinischen Gnostiker veröffentlichten eine ausreichende Menge der Geheimnisse der Initiation, und ihre Aufzeichnungen sind erfüllt vom „Herabgleiten der Äonen“ in ihrer doppelten Eigenschaft als engelhafte Wesen und Zeiträume: die einen die natürliche Entwicklung der anderen. Anderseits sind die orientalischen Überlieferungen auf beiden Seiten des „schwarzen Wassers“, der die beiden Osten trennenden Meere, gleichermaßen erfüllt von Allegorien über den Niedergang des Pleromas, der Götter und Devas. Jede Einzelne von ihnen versinnbildlichte und erklärte den Fall als das [SD # 417] Verlangen zu lernen und Wissen zu erlangen – zu wissen. Dies ist der natürliche Ablauf intellektueller Entwicklung; das Geistige wird in das Stoffliche und Körperliche verwandelt. Dasselbe Gesetz des Abstiegs in die Stofflichkeit und des Wiederaufstiegs in die Geistigkeit behauptete sich während der christlichen Ära, und der Umschwung hat in unserer eigenen, besonderen Unterrasse gerade eben erst begonnen.

Vor ungefähr zehn Jahrtausenden wurde im „Pymander“ eine auf dreifache Weise interpretierbare Allegorie aufgestellt, welche die Aufzeichnung astronomischer, anthropologischer und selbst alchemistischer Tatsachen beabsichtigte, namentlich die Allegorie von den sieben Rektoren, die die sieben Feuerkreise durchbrechen; sie wurde zu einer einzigen materiellen und anthropomorphischen Erklärung erniedrigt – zur Rebellion und dem Fall der Engel. Die vieldeutige, zutiefst philosophische Erzählung in seiner poetischen Form einer „Ehe zwischen Himmel und Erde“, über die Liebe der Natur für die göttliche Form und über den von seiner eigenen, im Spiegel der Natur reflektierten Schönheit hingerissenen „Himmlischen Menschen“, d. h. von dem zum Stoff hingezogenen Geist, stellt sich durch die theologische Behandlung heute wie folgt dar: „Die sieben Rektoren gehorchen Jehovah nicht, Selbstbewunderung erzeugt satanischen Stolz, worauf ihr Fall folgte, da Jehovah nicht gestattete, dass irgendjemandem Verehrung erwiesen wird, außer ihm selbst. Kurz gesagt, die schönen Planetenengel, die herrlichen zyklischen Äonen der Alten, wurden in ihrer orthodoxesten Form zu Samael zusammengefasst, dem Fürsten der Dämonen im Talmud, „der großen Schlange mit zwölf Schwingen, die in ihrem Fall das Sonnensystem oder die Titanen mit sich herabzieht“. Aber Schemal, das Alter Ego und der sabäische Typus Samaels bedeutete in seinem philosophischen und esoterischen Aspekt das „Jahr“ in seinem astrologisch bösen Bezug, in der Natur seine zwölf Monate oder Schwingen des unvermeidlichen Bösen. In der esoterischen Theogonie (siehe Chwolson, „Nabathean Agriculture“, Band II, S. 217) repräsen­tierten sowohl Schemal als auch Samael eine besondere Gottheit. Bei den Kabbalisten sind sie der „Geist der Erde“, der persönliche Gott, der dieselbe beherrscht, und daher de facto wesensgleich mit Jehovah. Denn die Talmudisten gestehen selbst zu, dass Samael der Gottesname einer der sieben Elohim ist. Die Kabbalisten zeigen zudem, dass die beiden, Schemal und Samael, eine symbolische Form des Saturn oder Kronos sind; die zwölf Schwingen stehen für die zwölf Monate, und das Symbol bedeutet in seiner Gesamtheit einen Rassenzyklus. Jehovah und Saturn sind auch glyphisch identisch.

Dies wiederum führt zu einer sehr merkwürdigen Schlussfolgerung aus einem römisch-katholischen Dogma. Viele berühmte, der römischen Kirche zugehörige Schriftsteller räumen ein, dass ein Unterschied besteht und gemacht werden sollte zwischen den Uranischen Titanen, den vorsintflutlichen Riesen (auch Titanen), und jenen nachsintflutlichen Riesen, in welchen sie (die römischen Katholiken) beharrlich die Nachkommen des mythischen Ham sehen wollen. Klarer ausgedrückt muss eine Unterscheidung gemacht werden zwischen den kosmischen, ursprünglichen entgegenwirkenden Kräften – die vom zyklischen Gesetz gelenkt waren –, den atlantischen menschlichen Riesen und den nachsintflutlichen großen Adepten, einerlei ob [SD # 418] der rechten oder der linken Hand. Gleichzeitig zeigen sie, dass Michael, „der Generalissimus der streitbaren himmlischen Schar, der Leibwächter Jehovahs“, wie es scheint (siehe de Mirville) selbst auch ein Titan ist, dessen Bezeichnung lediglich mit dem Adjektiv des „göttlichen“ versehen wurde. Da sie sich gegen Kronos (Saturn) aufgelehnt hatten, werden somit jene überall als „göttliche Titanen“ bezeichneten „Uraniden“ auch als Feinde Samaels dargestellt (ebenfalls einer der Elohim und gleichbedeutend mit Jehovah in seiner Gesamtheit); sie sind identisch mit Michael und seiner Schar. Kurz gesagt, die rôles sind vertauscht, alle Mitstreiter in Unordnung gebracht, und kein Schüler ist imstande klar zu unterscheiden, wer nun was sein könnte. Die esoterische Erklärung kann jedoch einige Ordnung in diese Verwirrung bringen, die infolge der unvorsichtigen Versuche der allzu getreuen Eiferer entstand, in jedem heidnischen Gott einen Teufel zu sehen; in dieser Verwirrung wird Jehovah zum Saturn und zu Michael mit seiner Schar, zu Satan und zu den rebellischen Engeln. Der wahre Sinn ist viel philosophischer, und die Legende vom ersten „Fall“ (der Engel) nimmt eine wissenschaftliche Färbung an, wenn sie richtig verstanden wird.

Kronos steht für die endlose (daher unbewegliche) Dauer, anfanglos, endlos, jenseits der geteilten Zeit und jenseits des Raumes. Von jenen „Engeln“, Genien, oder Devas, die geboren wurden, um in Zeit und Raum zu wirken, d. h. die sieben Kreise übergeistiger Ebenen zu durchbrechen und in die phänomenalen oder begrenzten überirdischen Regionen einzutreten, heißt es allegorisch, dass sie sich gegen Kronos auflehnten und den (damals) einen lebendigen und höchsten Gott bekämpften. Wenn Kronos seinerseits so dargestellt wird, dass er seinen Vater Uranus verstümmelt, so ist die Bedeutung der Verstümmelung sehr einfach. Die absolute Zeit wird zur endlichen und bedingten gemacht; dem Ganzen wird ein Teil geraubt und somit gezeigt, dass Saturn, der Vater der Götter, von einer ewigen Dauer in eine begrenzte Zeitperiode transformiert wurde. Kronos mäht mit seiner Sense selbst die längsten und (für uns) scheinbar endlosen Zyklen nieder, die nichtsdestoweniger in der Ewigkeit begrenzt sind, und vernichtet mit eben dieser Sense die mächtigsten Rebellen. Ja, nicht einer wird der Sense der Zeit entrinnen! Preise Gott oder die Götter oder verhöhne einen oder beide, und diese Sense wird nicht den millionsten Teil einer Sekunde in ihrem Auf- und Abschwung erzittern.

Die Titanen aus Hesiods Theogonie waren griechische Abbilder der indischen Suras und Asuras. Kürzlich hat man in einem alten, die griechische Mythe betreffenden Fragment entdeckt, dass diese hesiodischen Titanen, die Uraniden, die einst lediglich mit sechs beziffert wurden, sieben an der Zahl waren; der Siebte hieß Phoreg. Somit ist ihre Identität mit den sieben Rektoren vollständig bewiesen. Der Ursprung des „Krieges im Himmel“ und der Fall ist unserer Ansicht nach unvermeidlich auf Indien zurückzuführen, und vielleicht auf eine weit frühere Zeit als auf die der puranischen Berichte darüber. Denn der Tara Maya ist älter, und in fast allen Kosmogonien lassen sich drei Berichte finden, ein jeder über einen anderen Krieg.

[SD # 419] Der Erste ereignete sich in der Nacht der Zeit zwischen den Göttern und (A)-suras und dauerte den Zeitraum eines „göttlichen Jahres“.124 Bei dieser Gelegenheit wurden die Götter von den Daityas unter der Führung Hradas besiegt. Mithilfe einer List Vishnus, an den sich die besiegten Götter um Hilfe gewendet hatten, schlugen die Letzteren später jedoch die Asuras. Im Vishnu-Purana“ findet sich keine Pause zwischen den beiden Kämpfen. Nach der esoterischen Lehre jedoch ereignet sich vor der Bildung des Sonnensystems ein Krieg; ein weiterer bei der „Schöpfung“ des Menschen auf der Erde; und ein dritter „Krieg“ wird erwähnt, der am Ende der vierten Rasse zwischen den Adepten derselben und denen der fünften Rasse stattgefunden haben soll; d. h. zwischen den Initiierten der „Heiligen Insel“ und den atlantischen Schwarzmagiern. Wir fassen den ersten Streit ins Auge, wie er von Parashara überliefert wird, und versuchen, die beiden Berichte zu trennen, die absichtlich miteinander vermengt wurden. Es heißt darin, dass die Daityas und Asuras die Pflichten ihrer verschiedenen Kasten (Varnas) übernommen hatten und die in der heiligen Schrift vorgeschriebenen Pfade verfolgten, auch religiöse Buße übten – eine sonderbare Beschäftigung für Dämonen, wenn sie, wie behauptet wird, mit unseren Teufeln identisch sind – und es daher den Göttern unmöglich war, sie zu vernichten. Die von den Göttern an Vishnu gerichteten Gebete erscheinen merkwürdig, da diese Vorstellungen aufweisen, die einer anthropomorphischen Gottheit zugeordnet werden. Nachdem sie nach ihrer Niederlage „an die nördliche Küste des Milchmeeres (des atlantischen Ozeans) geflohen waren“,125 richteten die geschlagenen Götter viele demütige Bitten „an das Erste [SD # 420] der Wesen, an den göttlichen Vishnu“, und zwar unter anderen Folgende: „Gepriesen seiest Du, der du eins bist mit den Heiligen, dessen vollkommene Natur immer gesegnet ist. . . . Gepriesen seiest Du, der Du eins bist mit der Schlangenrasse, doppelzüngig, ungestüm, grausam, unersättlich im Genuss und überreich an Besitztümern. . . . Gepriesen seiest Du, . . . . oh Herr, der Du weder Farbe noch Ausdehnung hast, noch Größe (ghana), noch irgendwelche Dir zuschreibbaren Eigenschaften, und dessen Essenz (Rupa), das reinste des Reinen, nur von den heiligen Paramarshis (den größten Weisen oder Rishis) wahrgenommen werden kann. Wir beugen uns vor Dir in der Natur des unerschaffenen, unvergänglichen (Avyaya) Brahman, der Du in unseren Körpern bist und in allen anderen Körpern und in allen lebenden Geschöpfen und neben dem nichts existiert. Wir preisen jenen Vasudeva, den Herrn von allem, der ohne Makel ist, der Same aller Dinge, von der Auflösung ausgenommen, ungeboren, ewig; der seiner Wesenheit nach Paramapadatmavat (jenseits der Bedingungen des Geistes) ist und seiner Essenz und Substanz (Rupa) nach die Gesamtheit von diesem (Weltall).“ (Vishnu-Purana“, III, Kap. xvii)

Das Obige wird als eine Darstellung für die große Angriffsfläche zitiert, die die Puranas jedem europäischen Frömmler für gegnerische und falsche Kritik bieten, der eine fremde Religion lediglich aufgrund äußerer Anzeichen beurteilt. Wer auch immer gewohnt ist, das von ihm Gelesene einer gedankenvollen Prüfung zu unterziehen, wird auf den ersten Blick erkennen, wie widersinnig es ist, das als „Unerkennbares“ angenommene, das formlose und attributlose Absolute, wie die Vedantisten Brahman definieren, anzurufen als „eins mit der Schlangenrasse, doppelzüngig, grausam und unersättlich“ und auf diese Weise das Abstrakte mit dem Konkreten zu verbinden und damit dem, das von allen Beschränkungen frei und unbedingt ist, Eigenschaften zuzuordnen. Selbst Dr. Wilson hätte es besser wissen müssen, hat er doch so viele Jahre lang von Brahmanen und Pandits umgeben in Indien gelebt – und doch ließ sogar dieser Gelehrte sich keine Gelegenheit entgehen, die indischen Schriften in dieser Hinsicht zu kritisieren. So ruft er aus:126

„Die Puranas lehren ständig unvereinbare Doktrinen! Laut dieser Stelle ist das höchste Wesen nicht nur die untätige Ursache der Schöpfung, sondern erfüllt gleichzeitig die Aufgabe einer aktiven Vorsehung. Der Kommentator zitiert zur Unterstützung dieser Auffassung eine Stelle aus dem Veda: ‘Die Universalseele tritt in die Menschen ein und bestimmt ihr Verhalten.’ Wie auch immer, Widersprüche kommen in den Veden genauso häufig vor wie in den Puranas. . . . .“

Seltener jedenfalls – und das ist die nüchtere Wahrheit – als in der mosaischen Bibel. Aber in den Herzen unserer Orientalisten gibt es große Vorurteile, insbesondere in denen „ehrwürdiger“ Gelehrter. Die Universalseele ist nicht die untätige Ursache der Schöpfung oder (Para-) Brahman, sondern einfach das, was wir das sechste Prinzip des intellektuellen Kosmos auf der geoffenbarten Daseinsebene nennen. Sie ist Mahat, oder Mahabuddhi, die große Seele, die Trägerin des Geistes, die erste ursprüngliche Widerspiegelung der formlosen Ursache und dessen, was selbst jenseits des Geistes ist. [SD # 421] Soviel zu Professor Wilsons unangebrachtem Hieb gegen die Puranas. Was die offenbar widerspruchsvolle Anrufung Vishnus von Seiten der geschlagenen Götter betrifft, findet sich die Erklärung eben dort im Text des Vishnu-Puranas, wenn die Orientalisten sie nur beachten wollten.127 Es gibt einen Vishnu als Brahmâ und einen Vishnu in seinen beiden Aspekten, lehrt uns die Philosophie. Es gibt nur ein Brahman, „essenziell Prakriti und Geist“ etc.

Daher ist es nicht Vishnu – „die untätige Ursache der Schöpfung“ –, welcher die Aufgabe einer aktiven Vorsehung erfüllt, sondern die Universalseele, das, was É. Lévi das Astrallicht in seinem materiellen Aspekt nennt. In ihren dualen Aspekten von Geist und Materie ist diese „Seele“ der wahre anthropomorphische Gott der Theisten; denn dieser Gott ist eine Personifikation dieses universalen schöpferischen Agenten, wegen seines geoffenbarten Zustandes und seiner Differenziation in diese mayavische Welt ist er sowohl rein als auch unrein – Gott und Teufel fürwahr. Aber Dr. Wilson verfehlte zu sehen, weshalb Vishnu in diesem Charakter große Ähnlichkeit mit dem Herrgott von Israel hat, „insbesondere in seiner Strategie der Täuschung, Versuchung und List“.

Im Vishnu-Purana“ wird dies so klar gemacht, wie es nur geht. Denn es heißt dort: „Am Ende ihrer Gebete (stotra) erblickten die Götter die höchste Gottheit Hari (Vishnu) mit der Muschel, dem Diskus und der Keule bewaffnet, auf dem Garuda reitend.Nun ist „Garuda“ der manvantarische Zyklus, wie an der entsprechenden Stelle gezeigt werden wird. Vishnu ist daher die Gottheit in Raum und Zeit; speziell der Gott der Vaishnavas (solche Götter heißen in der Esoterischen Philosophie Stammes- oder Rassen-Götter); d. h. einer der vielen Dhyanis oder Götter oder Elohim, von denen gewöhnlich aus irgendeinem besonderen Grund eine Nation oder ein Stamm einen bestimmten auserwählt und auf diese Weise allmählich zu einem „Gott über allen Göttern“ (2 Chr 2,5) wurde, zum „höchsten Gott“, wie Jehovah, Osiris, Bel oder jeder beliebige der sieben Regenten.

„Den Baum erkennt man an seiner Frucht“ – die Natur eines Gottes an seinen Handlungen. Wir müssen Letztere entweder nach dem toten Buchstaben der Erzählungen beurteilen oder sie allegorisch verstehen. Wenn wir die beiden vergleichen – Vishnu als den Verteidiger und Besten der Götter; und Jehovah, den Verteidiger und Besten des „auserwählten“ Volks, was unzweifelhaft ironisch gemeint ist, da es ja die Juden selbst waren, die diesen „eifersüchtigen“ Gott auserwählten –, so werden wir finden, dass beide sich der Täuschung und List bedienen. Sie tun dies nach dem Grundsatz, dass „der Zweck die Mittel heiligt“, um über ihre [SD # 422] entsprechenden Gegner und Feinde – die Dämonen – die Oberhand zu gewinnen. Während (nach den Kabbalisten) Jehovah also im Garten Eden die Gestalt der versuchenden Schlange annimmt; Satan aussendet mit dem besonderen Auftrag, Hiob zu versuchen; den Pharao drangsaliert und ermüdet mit Sara, der Frau Abrahams und sein Herz gegen Moses „verhärtet“, damit ihm nicht die Gelegenheit dazu genommen wird, sein Opfer „mit großen Plagen“ zu schlagen (Genesis 12, Exodus) – nimmt Vishnu laut seinem Purana seine Zuflucht in einen Kniff, der eines jeden anständigen Gottes nicht minder unwürdig ist.

„Habe Mitleid mit uns, oh Herr, und schütze uns, die wir zu dir gekommen sind, um Hilfe gegen die Daityas (Dämonen)!“, beten die geschlagenen Götter. „Sie haben sich der drei Welten bemächtigt und die Opfer angeeignet, die unser Anteil sind, Sorge tragend, die Vorschriften des Veda nicht zu verletzen. Obwohl wir, ebenso gut wie sie, Teile von dir sind.128 . . . . da sie sich an die in der Heiligen Schrift vorgeschriebenen Pfade halten . . . . ist es uns nicht möglich, sie zu vernichten. Oh du, dessen Weisheit unermesslich ist (Ameyatman), unterrichte uns in irgendeinem Mittel, das uns in den Stand versetzt, die Feinde der Götter zu vertilgen!“

Als der mächtige Vishnu ihre Bitte hörte, entsendete er eine illusive Form (Mayamoha, den „Blender durch Illusion“) aus seinem Körper, gab sie den Göttern und sprach also: „Dieser Mayamoha wird die Daityas vollständig entzücken, so dass sie, vom Pfad der Veden abgelenkt, getötet werden können. . . . So geht nun hin und fürchtet euch nicht. Lasst euch diese trügerische Erscheinung voranschreiten. Sie soll euch an diesem Tag von großem Dienst sein, oh Götter!“

Hierauf ging diese große Täuschung Mayamoha hin zur Erde, erblickte die mit asketischen Büßungen beschäftigten Daityas, näherte sich ihnen in der Gestalt eines Digambara (eines nackten Bettelmönchs) mit geschorenem Haupt . . . und sprach mit sanfter Stimme also zu ihnen: „Oh, ihr Herren vom Stamme der Daityas, warum führet ihr diese Bußübungen aus?“ usw. usw. (Buch II, xviii)

Schließlich wurden die Daityas durch die arglistige Rede des Mayamoha verführt, wie Eva durch den Rat der Schlange verführt wurde. Sie wurden Abtrünnige der Veden. Dr. Muir übersetzt die Stelle wie folgt:

„Der große Betrüger, Illusionen errichtend, verführte zunächst andere Daityas mithilfe vielerlei Arten von Ketzerei. Nach sehr kurzer Zeit fielen diese Asuras (Daityas), von dem Betrüger (der Vishnu war) getäuscht, von dem ganzen, auf den Anordnungen des dreifachen Veda gegründeten Systems ab. Einige schmähten die Veden; andere das Opferzeremoniell; und andere die Brahmanen. Dies (riefen sie aus) ist eine Lehre, die einer Prüfung nicht Stand hält; das Schlachten (der Tiere beim Opfer) ist religiösem Verdienst nicht förderlich. Zu behaupten, Butter darzubringen und im Feuer zu verbrennen werde irgendwie zukünftigen Lohn bringen, ist kindisch. . . . Wenn ein beim Opfer geschlachtetes Tier tatsächlich in den Himmel erhoben wird, warum schlachtet der Opfernde dann nicht seinen eigenen Vater? . . . . Ihr großen Asuras, unfehlbare Aussprüche fallen nicht vom Himmel; ich und andere intelligente Personen wie ihr nehmen lediglich Behauptungen an, welche auf Vernunftschlüssen begründet sind! So wurden die Daityas auf mannigfache Art von dem großen Betrüger (der Urteilskraft) ins Wanken gebracht. . . . Als [SD # 423] sie den Pfad des Irrtums betreten hatten, sammelten die Götter all ihre Kräfte und zogen in die Schlacht. Hierauf folgte eine Schlacht der Götter mit den Asuras; und die Letzteren, die den rechten Pfad verlassen hatten, wurden von den Ersteren besiegt. In früherer Zeit schützte sie die Rüstung der Rechtschaffenheit, mit der sie angetan waren; aber nachdem die zerstört war, gingen auch sie selbst zu Grunde.“ („Journal of the Royal Asiat. Society“, Vol. xix, 302)

Was auch immer man über die Inder denken mag, nicht einmal ihre Feinde können sie für Narren halten. Ein Volk, dessen heilige Männer und Weise der Welt die größten und erhabensten jemals dem menschlichen Denken entsprungenen Philosophien hinterlassen haben, muss den Unterschied zwischen Recht und Unrecht gekannt haben. Selbst ein Unzivilisierter kann Weiß von Schwarz, Gut von Böse und Betrug von Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit unterscheiden. Wer auch immer dieses Ereignis in der Biografie ihres Gottes erzählt hat, muss eingesehen haben, dass in diesem Fall Gott der Erzbetrüger war, und dass die Daityas, welche „die Vorschriften der Veden niemals übertraten“, sich auf der hellen Seite der Geschehnisse befanden und die wahren „Götter“ waren. Daher muss eine geheime, verborgene Bedeutung dieser Allegorie existieren, und das ist auch der Fall. Betrug und List wurden noch in keiner Gesellschaftsschicht irgendeiner Nation als göttliche Tugenden angesehen – ausgenommen vielleicht in der Klasse der klerikalen Theologen und im modernen Jesuitentum.

Das Vishnu-Purana“129 ging, wie alle anderen Werke dieser Art, in einer späteren Periode in die Hände der Tempel-Brahmanen über, und die alten Manuskripte wurden von Sektierern zweifellos noch einmal manipuliert. Es gab aber eine Zeit, in der die Puranas esoterische Werke waren, und das sind sie auch jetzt noch für die Initiierten, die sie mit dem Schlüssel lesen können, der sich in ihrem Besitz befindet.

Ob die brahmanischen Initiierten die volle Bedeutung dieser Allegorien jemals veröffentlichen werden, ist eine Frage, mit deren Beantwortung die Schreiberin sich nicht zu befassen hat. Zweck des Vorliegenden ist es zu zeigen, dass bei aller Verehrung der schöpferischen Kräfte in ihren vielfältigen Formen kein Philosoph die Allegorie als den wahren Geist auffassen konnte, noch dass das jemals geschehen sei, vielleicht mit Ausnahme einiger den gegenwärtigen „überlegenen und zivilisierten“ christlichen Rassen angehörenden Philosophen. Jehovah ist Vishnu in ethischer Hinsicht nicht im Geringsten überlegen, wie gezeigt wurde. Das ist der Grund, warum die Okkultisten und selbst einige Kabbalisten die Ursache niemals mit der Wirkung verwechseln und den Geist der Erde für Parabrahman oder Ain Soph halten werden, einerlei ob sie diese schöpferischen Kräfte als lebendige und bewusste Wesenheiten betrachten oder nicht – und es ist nicht einzusehen, warum sie nicht so verstanden werden sollten. Auf jeden Fall kennen sie die wahre Natur dessen, was die Griechen Vater-Äther, Jupiter-Titan usw. nannten, genau. Sie wissen, dass die Seele des Astrallichts göttlich ist und [SD # 424] sein Körper (die Lichtwellen auf den niederen Ebenen) teuflisch. Dieses Licht wird im „Zohar“ durch das „magische Haupt“ symbolisiert, durch das doppelte Gesicht auf der doppelten Pyramide; die schwarze Pyramide erhebt sich vor einem reinen, weißen Grund mit einem weißen Haupt und Gesicht in ihrem schwarzen Dreieck; die weiße Pyramide ist umgekehrt – der Widerschein der Ersteren auf den dunklen Wassern, welcher die dunkle Spiegelung des weißen Gesichts zeigt. . . . .

Das ist das „Astrallicht“, oder Demon Est Deus Inversus.

 

 

§ XII
Die Theogonie der schöpferischen Götter

Um die einer beliebigen alten Kosmologie zugrundeliegende Vorstellung vollständig verstehen zu können, ist das Studium und die vergleichende Analyse sämtlicher großen Religionen des Altertums notwendig; denn die Wurzelidee kann ausschließlich auf diese Weise verdeutlicht werden. Könnte sich die exakte Wissenschaft so hoch aufschwingen, die Tätigkeit der Natur bis zu ihren letzten und ursprünglichen Quellen zurückzuverfolgen, würde sie diese Idee als die Hierarchie der Kräfte bezeichnen. Es gab nur eine einzige ursprüngliche, transzendentale und philosophische Vorstellung. Aber als die Systeme in den fortschreitenden Zeitaltern mehr und mehr die Eigenarten der Völker widerzuspiegeln begannen und Letztere sich in verschiedene Gruppen getrennt niederließen, die sich alle in ihren eigenen nationalen oder stammesspezifischen Linien entwickelten, wurde die Grundidee allmählich von der menschlichen Fantasie überwuchert und dadurch verschleiert. Während in einigen Ländern den Kräften oder vielmehr den intelligenten Mächten der Natur göttliche Ehren zuteil wurden, auf die sie schwerlich Anspruch erheben konnten, erscheint in anderen – wie jetzt in Europa und den anderen zivilisierten Ländern – der bloße Gedanke, dass solche Kräfte mit Intelligenz begabt sein könnten, widersinnig und wird für unwissenschaftlich erklärt. Man fühlt sich daher erleichtert zu lesen, was in der Einleitung zu „Asgard and the Gods: The Tales and Traditions of Our Northern Ancestors“, herausgegeben von W. S. W. Anson, zu finden ist. Der Autor sagt auf Seite 3: „In Zentralasien und an den Ufern des Indus, im Land der Pyramiden und auf der griechischen und italienischen Halbinsel, und gerade auch im Norden, wohin die Kelten, Teutonen und Slawen wanderten, haben die religiösen Vorstellungen der Völker unterschiedliche Formen angenommen; und dennoch ist ihr gemeinsamer Ursprung noch erkennbar. Wir weisen auf diesen Zusammenhang zwischen den Erzählungen über die Götter hin, auf die in ihnen enthaltenen tiefsinnigen Gedanken und auf ihre Wichtigkeit, damit der Leser einsehen möge, dass sich vor ihm nicht eine magische Welt ausschweifender Einbildungskraft eröffnet, sondern dass . . . das Leben und die Natur selbst die Grundlage für das Dasein und Wirken dieser Gottheiten bildeten.“ Und obwohl kein Okkultist und kein Schüler der östlichen Esoterik mit der seltsamen Idee übereinstimmen könnte, [SD # 425] dass „die religiösen Vorstellungen der berühmtesten Nationen des Altertums mit dem Beginn der Zivilisation der germanischen Rassen im Zusammenhang stehen“, so werden sie doch sehr erfreut sein, Wahrheiten formuliert zu finden wie die Folgende: „Diese Feenmärchen sind nicht bloß sinnlose Geschichten, die für müßige Unterhaltung geschrieben sind; sie verkörpern vielmehr die tiefsinnige Religion unserer Vorväter . . .“

Ganz genau so. Nicht bloß ihre Religion, sondern desgleichen ihre Geschichte. Denn Mythos bedeutet im Griechischen μῦθος, mündliche Tradition, von Mund zu Mund von einer Generation an die nächste weitergegeben; und selbst in der modernen Etymologie steht das Wort für eine fabelartige Darlegung, die irgendeine bedeutende Wahrheit befördert; eine Erzählung über eine außerordentliche Persönlichkeit, deren Lebensbild infolge der Verehrung durch aufeinanderfolgende Geschlechter von reicher, volkstümlicher Fantasie überwuchert ist, welche aber dennoch nicht vollständig in das Reich der Fabel gehört. Gleich unseren Vorfahren, den ursprünglichen Ariern, glauben auch wir fest an die Persönlichkeit und Intelligenz nicht nur einer der die Phänomene hervorbringenden Naturkräfte.

Mit voranschreitender Zeit wurde die archaische Lehre immer trüber; die Völker verloren das höchste und Eine Prinzip aller Dinge mehr oder weniger aus den Augen und begannen, die abstrakten Attribute der „ursachenlosen Ursache“ auf die verursachten Wirkungen zu übertragen, die ihrerseits ursächlich wurden als die schöpferischen Kräfte des Weltalls; die großen Nationen handelten so aus Furcht, die Idee zu entweihen; die kleineren entweder, weil sie sie nicht zu erfassen vermochten oder weil es ihnen an philosophischer Vorstellungskraft mangelte, die für den Erhalt ihrer unbefleckten Reinheit notwendig ist. Mit Ausnahme der jetzt zu Europäern und Christen gewordenen späteren Arier weisen sämtliche Völker in ihren Kosmogonien diese Verehrung auf. Wie Thomas Taylor130 zeigt, der intuitivste aller Übersetzer der griechischen Fragmente, hat sich keine Nation jemals das Eine Prinzip als den unmittelbaren Schöpfer des sichtbaren Weltalls vorgestellt, denn kein geistig Normaler würde davon ausgehen, dass der Planer und Architekt des von ihm bewunderten Gebäudes es mit seinen eigenen Händen selbst erbaut hat. Nach Damaskios’ ( Περὶ ᾽αρχῶν ) Zeugnis bezeichneten sie das Eine Prinzip als die „Unbekannte Dunkelheit“. Die Babylonier übergingen es mit Stillschweigen: „An jenen Gott“, sagt Porphyrios in „Περὶ ἀποχῆς ἐμψυχῶν“, „der über allen Dingen ist, sollte man sich weder in äußerer Rede wenden noch in jener, die innerlich ist. . . . .“ Hesiod beginnt seine Theogonie mit den Worten: „Von allen Dingen wurde das Chaos als Erstes hervorgebracht“,131 und gestattet so den Schluss, dass über seine Ursache oder seinen Hervorbringer mit ehrfurchtsvollem Stillschweigen hinweggegangen werden muss. Homer erhebt sich in seinen Gedichten nicht höher als bis zur Nacht, welche er von Zeus verehren lässt. Nach allen alten Theologen und nach den Lehren von Pythagoras oder Platon ist Zeus oder der [SD # 426] unmittelbare Erbauer des Weltalls nicht der höchste Gott; nicht mehr, als Sir Christopher Wren in seinem körperlichen, menschlichen Aspekt das sich in ihm befindende Gemüt ist, welches die großen Kunstwerke erschuf. Homer schweigt deshalb nicht nur in Bezug auf das erste Prinzip, sondern ebenso auch in Bezug auf die dem ersten unmittelbar nachfolgenden beiden Prinzipien, Orpheus’ und Hesiods Äther und Chaos sowie Pythagoras’ und Platons Begrenztes und die Unendlichkeit.132 . . . . Proklos sagt über das höchste Prinzip, es sei . . . . „die Einheit der Einheiten und jenseits der ersten Adyta . . . . . unaussprechlicher als alles Schweigen und okkulter als jede Essenz . . . . . verborgen inmitten der fassbaren Götter.“ (Ibid.)

Thomas Taylor schrieb im Jahr 1797, dass „die Juden nicht weiter gekommen zu sein scheinen . . . . als bis zum unmittelbaren Baumeister des Weltalls“, da „Moses eine Finsternis über dem Antlitz der Tiefe einführt, ohne auch nur anzudeuten, dass es für ihre Existenz irgendeinen Grund geben musste“.133 Es ließe sich noch mehr hinzufügen. Die Juden haben in ihrer Bibel (ein rein esoterisches, symbolisches Werk) die metaphorische Gottheit niemals so tief erniedrigt wie die Christen, indem sie Jehovah als ihren einzigen lebendigen, aber persönlichen Gott annahmen.

Dieses Erste, oder vielmehr Eine Prinzip wurde der „Himmelskreis“ genannt und durch das Hierogramm eines Punktes innerhalb eines Kreises oder eines gleichseitigen Dreiecks symbolisiert, wobei der Punkt den Logos bedeutete. So wird im „Rigveda“, in welchem Brahmâ nicht einmal erwähnt ist, die Kosmogonie mit Hiranyagarbha, dem „Goldenen Ei“, und mit Prajapati (später Brahmâ) eingeleitet, aus denen sämtliche „Schöpfer“-Hierarchien anschließend hervorgehen. Die Monade oder der Punkt ist der Ursprung und die Einheit, aus welcher das gesamte Zahlensystem hervorgeht. Dieser Punkt ist die Erste Ursache, aber Jenes, aus welchem sie hervorgeht, oder vielmehr dessen Ausdruck sie ist, der Logos, wird stillschweigend übergangen. Das universale Symbol wiederum, der Punkt im Kreis, war noch nicht der Architekt, sondern die Ursache dieses Architekten, und Letzterer stand exakt in demselben Verhältnis zu ihm wie der Punkt selbst zum Kreisumfang steht, der nach Hermes Trismegistos nicht definiert werden kann. Porphyrios zeigt, dass Pythagoras’ Monade und Duade wesensgleich sind mit Platons Unendlichem und Endlichem im Philebos, oder was Platon ἄπειρον und πέρας nennt. Lediglich Letzteres (die Mutter) ist substanziell, Ersteres ist „die Ursache aller Einheit und das Maß aller Dinge“, (Vit. Pythag“, S. 47); die Duade (Mulaprakriti, der Schleier) wird somit als die Mutter des Logos und gleichzeitig als seine Tochterd. h. das Objekt seiner Wahrnehmung – dargestellt, die erschaffene [SD # 427] Erschafferin und die sekundäre Ursache davon. Bei Pythagoras kehrt die Monade in Schweigen und Dunkelheit zurück, sobald sie die Triade evolviert hat, von der die übrigen 7 der 10 (zehn) Zahlen ausgehen, welche die Grundlage des geoffenbarten Weltalls darstellen.

In der nordischen Kosmogonie findet sich dasselbe. „Im Anbeginn war ein großer Abgrund (Chaos), und es gab weder Tag noch Nacht; der Abgrund war Ginnungagap, die gähnende Kluft, ohne Anfang und ohne Ende. All-Vater, der Unerschaffene, der Unsichtbare, wohnte in der Tiefe des ‘Abgrunds’ (Raum) und wollte, und was gewollt war, trat ins Dasein.“ (Siehe „Asgard and the Gods“) Wie in der indischen Kosmogonie ist die Entwicklung des Weltalls in zwei Akte geteilt, die in Indien die Prakriti- und die Padma-Schöpfung heißen. Bevor die aus der „Wohnung des Glanzes“ hervorströmenden warmen Strahlen die großen Wasser des Raumes zum Leben erwecken, treten die Elemente der ersten Schöpfung hervor, und aus ihnen wird der Riese Ymir (auch Örgelmir) geschaffen – die aus dem Chaos differenzierte, ursprüngliche Materie (wörtlich siedender Lehm). Dann folgt die Kuh Audhumbla, die Ernährerin,134 die Buri (den Erzeuger) hervorbringt, der von Bestla, der Tochter der „Eisriesen“ (Söhne Ymirs), drei Söhne hatte, Odin, Willi und We oder „Geist“, „Wille“ und „Heiligkeit“ (vergleiche die Genesis der ursprünglichen Rassen in diesem Werk). Dies geschah, während noch überall im Raum die Finsternis herrschte, als die Asen, die schöpferischen Kräfte (Dhyan Chohans) noch nicht entwickelt waren und Yggdrasil, der Baum des Universums, der Zeit und des Lebens, noch nicht gewachsen war und Walhalla oder die Halle der Helden noch nicht existierte. Die skandinavischen Schöpfungslegenden über unsere Erde und Welt beginnen mit der Zeit und dem menschlichen Leben. Alles, was diesem vorangeht, ist für sie „Finsternis“, in welcher der All-Vater verweilt, die Ursache von allem. Wie der Herausgeber von „Asgard and the Gods“ bemerkt, enthalten diese Legenden zwar die Idee des All-Vaters, der ursprünglichen Ursache von allem, doch „wird er in dieser Dichtung kaum erwähnt“. Das geschah seiner Ansicht nach nicht deshalb, weil sich die Idee vor der Verkündigung des Evangeliums „nicht zu klaren Vorstellungen des Ewigen erheben konnte“, sondern wegen ihres tief esoterischen Charakters. Daher beginnen alle schöpferischen Götter oder persönlichen Gottheiten mit dem zweiten Stadium der kosmischen Entwicklung. Zeus wird in und aus Kronos geboren – der Zeit. So ist Brahmâ die Hervorbringung und Emanation von Kala, „Ewigkeit und Zeit“, da Kala einer von Vishnus Namen ist. Daher finden wir Odin als Vater der Götter und der Asen, entsprechend Brahmâ, welcher der Vater der Götter und der Asuras ist, daher auch der androgyne Charakter aller wichtigen schöpferischen Götter, von der zweiten Monade der Griechen herab bis zum Sephiroth Adam Kadmon, dem Brahmâ oder Prajapati-Vach der Veden, und Platons Androgynem, was lediglich eine weitere Version des indischen Symbols ist.

[SD # 428] Die beste metaphysische Definition der ursprünglichen Theogonie im Geist der Vedantisten ist in den „Notes on the Bhagavat Gita“ von T. Subba Row zu finden (siehe „The Theosophist“, Ausgabe Februar 1887). Der Vortragende sagt seinen Zuhörern über Parabrahman, das Unbekannte und Unerkennbare:

„ . . . . . Es ist nicht Ego, es ist nicht Nichtego, noch ist es Bewusstsein . . . . . es ist nicht einmal Atman“ . . . . . „aber, obwohl es selbst nicht Gegenstand der Erkenntnis ist, ist es doch dazu imstande, jegliche Art von Objekt und von Existenz, die selbst zum Gegenstand der Erkenntnis wird, zu tragen und hervorzurufen. Es ist die Eine Essenz, aus der ein Energiezentrum ins Dasein tritt . . . . .“, das er Logos nennt.

Dieser Logos ist das Shabda Brahman der Hindus, dem er nicht einmal den Namen Iswara (der „Herr“ Gott) zuordnen will, damit das Wort in den Vorstellungen der Menschen nicht Verwirrung stiftet. Er ist aber der Avalokitesvara der Buddhisten, das Verbum der Christen in seiner wirklichen, esoterischen Bedeutung, nicht in seiner theologischen Entstellung.

„Er ist“, sagt er, „der Gñatha oder das Ego im Kosmos, und jedes andere Ego . . . . . . ist bloß seine Reflexion und Offenbarung. . . . . . Während des Pralayas existiert er in einem latenten Zustand im Schoß Parabrahmans. . . .“ (Während des Manvantaras) „besitzt er sein eigenes Bewusstsein und seine eigene Individualität . . . . .“ (Er ist ein Energiezentrum, aber) . . . . . „es existieren nahezu unzählige derartige Energiezentren in Parabrahmans Schoß . . . . .“ „Man darf nicht glauben, der Logos sei der Schöpfer oder er sei lediglich ein einziges Energiezentrum . . . . . . ihre Zahl ist nahezu unendlich.“ „Dieses Ego“, fügt er hinzu, ,,ist das erste, das im Kosmos erscheint, und ist das Ende aller Entwicklung. Es ist das abstrakte Ego“ . . . . . „dies ist die erste Offenbarung (oder Aspekt) Parabrahmans.“ „Sobald er als ein bewusstes Wesen ins Dasein tritt . . . . . . erscheint ihm Parabrahman von seinem objektiven Standpunkt aus als Mulaprakriti.“ „Man möge dies wohl beachten“, bemerkt der Vortragende, „denn hierin liegt die Wurzel der Schwierigkeit, die von verschiedenen Schriftstellern über Vedantaphilosophie in Bezug auf Purusha und Prakriti empfunden wurde. Diese Mulaprakriti ist für ihn (den Logos) so materiell, wie sämtliche materiellen Gegenstände es für uns sind. Diese Mulaprakriti ist nicht mehr Parabrahman als das Bündel von Attributen eines Pfeilers der Pfeiler selbst ist; Parabrahman ist eine unbedingte und absolute Realität, und Mulaprakriti ist eine Art darüber geworfener Schleier. Parabrahman selbst kann nicht gesehen werden, wie es ist. Der Logos sieht es mit einem Schleier bedeckt, und dieser Schleier ist die gewaltige Ausdehnung der kosmischen Materie. . . .“ „Nachdem Parabrahman einerseits als das Ego und andererseits als Mulaprakriti erschienen ist, wirkt es durch den Logos als die eine Energie.“

Und der Vortragende erklärt mithilfe eines schönen Gleichnisses, was er unter diesem Wirken von Etwas, was Nichts ist, obwohl es das All ist, versteht. Er vergleicht den Logos mit der Sonne, die Licht und Wärme ausstrahlt, deren Energie jedoch, Licht und Wärme, in irgendeinem unbekannten Zustand im Raum existiert und dort lediglich als sichtbares Licht und Wärme verbreitet wird, während die Sonne nur der Vermittler davon ist. Dies ist die erste dreifältige Hypostase. Die vierfältige wird abgeschlossen durch das vom Logos ausgegossene Energie spendende Licht.

Die hebräischen Kabbalisten erklären das in einer Weise, die esoterisch mit den Erläuterungen [SD # 429] der Vedantisten übereinstimmt. Ain Soph, so lehren sie, könne nicht erfasst, nicht lokalisiert und auch nicht benannt werden, obwohl er die unverursachte Ursache von allem ist. Daher ist sein Name – Ain Soph – ein negativer Ausdruck, „der Unerforschbare, der Unerkennbare, und der Unbenennbare“. Daher machten sie aus ihm einen grenzenlosen Kreis, eine Sphäre, von welcher der menschliche Intellekt selbst mit äußerster Anstrengung lediglich das Gewölbe wahrnehmen konnte. Mit den Worten eines Mannes, der im kabbalistischen System vieles enträtselt hat, in Bezug auf eine seiner Bedeutungen gelang ihm dies sogar höchst gründlich, und zwar der numerischen und geometrischen Esoterik: „Schließt eure Augen und versucht, in eurem Denken im Bewusstsein eurer eigenen Wahrnehmung in allen Richtungen nach außen zu gehen, bis an die äußersten Grenzen. Ihr werdet finden, dass sich gleich lange Wahrnehmungslinien oder -strahlen gleichmäßig in alle Richtungen erstrecken, bis die äußerste Anstrengung der Wahrnehmung im Gewölbe einer Sphäre ihre Grenze finden wird. Die Begrenzung dieser Kugel wird notwendigerweise ein großer Kreis sein, und die direkten Gedankenstrahlen in jede und alle Richtungen müssen geradlinige Radien dieses Kreises sein. Menschlich gesprochen muss dies nun die weiteste, allumfassendste Idee des geoffenbarten Ain Soph sein, die sich von selbst als eine geometrische Figur formuliert, nämlich als ein Kreis mit seinen Elementen des gekrümmten Umfangs und geradlinigen Durchmessers, der sich in Radien teilt. Daher ist eine geometrische Figur das erste erkennbare Mittel für eine Verbindung zwischen dem Ain Soph und der Intelligenz des Menschen.“135

Dieser große Kreis (den die östliche Esoterik auf den Punkt innerhalb des grenzenlosen Kreises reduziert) ist der Avalokitesvara, der Logos oder das Verbum, von dem T. Subba Row spricht. Dieser Kreis oder geoffenbarte Gott ist uns aber genauso unbekannt wie das Eine, es sei denn durch sein geoffenbartes Weltall, obwohl leichter für unsere höchste Auffassung oder viel möglicher erscheinend. Dieser während des Pralayas im Schoß Parabrahmans schlafende Logos, vergleichbar unserem „während Sushupti, also des Schlafs, (in uns) latent liegenden Ego“; welcher also Parabrahman nicht anders zu erkennen vermag denn als Mulaprakriti – Letztere ein kosmischer Schleier, welcher „die gewaltige Ausdehnung kosmischer Materie“ ist – und somit bei der kosmischen Schöpfung lediglich ein Organ, durch welches die Energie und Weisheit Parabrahmans strahlt, dem Logos ebenso unbekannt wie uns selbst. Da uns ferner der Logos genauso unbekannt ist wie Parabrahman in Wirklichkeit dem Logos, haben sowohl die östliche Esoterik als auch die Kabbala die abstrakte Synthese in konkrete Bilder aufgelöst, um den Logos in den Bereich unseres Vorstellungsvermögens zu bringen; nämlich in die Widerspiegelungen oder vielfachen Aspekte dieses Logos oder Avalokitesvara, Brahmâ, Ormazd, Osiris, Adam Kadmon – mit welchem dieser Namen auch immer man sie bezeichnen will –, deren Aspekte oder manvantarische Emanationen die Dhyan Chohans, die Elohim, die Devas, die Amschaspands etc. etc. sind. Laut T. Subba Row erklären die Metaphysiker die Wurzel und den Keim der Letzteren zur ersten Manifestation Parabrahmans, „die höchste Dreiheit, die [SD # 430] zu verstehen wir in der Lage sind“, nämlich Mulaprakriti (der Schleier), der Logos sowie die bewusste Energie des Letzteren oder seine Kraft und sein Licht136; oder „Materie, Kraft und das Ego, oder die eine Wurzel des Selbst, von welcher jede andere Art von Selbst lediglich eine Offenbarung oder ein Widerschein ist“. Nur in diesem Licht (des Bewusstseins) intellektueller und körperlicher Wahrnehmung vermag der praktische Okkultismus dies mithilfe geometrischer Figuren sichtbar zu machen, welche bei genauem Studium nicht nur eine wissenschaftliche Erklärung des wirklichen, objektiven Daseins137 der „Sieben Söhne der göttlichen Sophia“ liefern werden, welche das Licht des Logos sind, sondern auch mithilfe anderer noch unentdeckter Schlüssel zeigen werden, dass diese „Sieben Söhne“ und ihre zahllosen Emanationen, die personifizierten Energiezentren, in Bezug auf die Menschheit eine unbedingte Notwendigkeit sind. Schaffe sie aus der Welt, und das Geheimnis des Seins und der Menschheit wird niemals enträtselt werden, ja man wird seiner Lösung nicht einmal nahe kommen.

Durch dieses Licht wurde alles erschaffen. Diese Wurzel des intellektuellen Selbst ist zugleich die Wurzel des körperlichen Selbst, denn dieses Licht ist in unserer geoffenbarten Welt die Permutation Mulaprakritis, welche in den Veden Aditi genannt wird. In seinem dritten Aspekt wird es zu Vach,138 der Tochter und Mutter des Logos, so wie Isis die Tochter und Mutter des Osiris ist, der Horus ist; und Mut die Tochter, Gattin und Mutter Amuns in der ägyptischen Mondglyphe. In der Kabbala ist Sephira gleichbedeutend mit Shekinah, und in einer anderen Zusammensetzung ist sie die Gattin, Tochter und Mutter des „Himmlischen Menschen“, Adam Kadmons. Sie ist sogar identisch mit ihm, ebenso wie Vach identisch ist mit Brahmâ und der weibliche Logos genannt wird. Im „Rigveda“ ist Vach „die mystische Sprache“, mit deren Hilfe dem Menschen okkultes Wissen und Weisheit vermittelt werden, und folglich heißt es, Vach „sei in die Rishis eingetreten“. Sie ist „von den Göttern erschaffen“; sie ist die göttliche Vach, die „Königin der Götter“, und sie ist – wie Sephira mit den Sephiroth – bei ihrem Schöpfungswerk mit den Prajapati verbunden. Obendrein wird sie die „Mutter der Veden“ genannt, „da Brahmâ die Veden mit ihrer Macht (als mystische Rede) offenbarte und er auch das Universum aufgrund ihrer Kraft hervorbrachte“ – d. h. durch Rede und Worte (dargestellt mit dem „Wort“) und Zahlen.139

Wenn Vach aber auch als Dakshas Tochter erwähnt wird – „des Gottes, der in allen Kalpas lebt“ –, so beweist das ihren mayavischen Charakter: [SD # 431] Während des Pralayas verschwindet sie, absorbiert in den Einen, alles verschlingenden Strahl.

Bei allen diesen Nachahmungen der weiblichen Naturkraft oder der Natur – der noumenalen und der phänomenalen – existieren jedoch zwei ausgeprägte Aspekte in der universalen Esoterik, in der östlichen wie in der westlichen. Der eine ist ihr rein metaphysischer Aspekt, wie er von dem gelehrten Redner in seinen „Notes on the Bhagavadgita“ beschrieben wird; der andere ist irdisch und körperlich und vom Standpunkt der praktischen menschlichen Vorstellung und des Okkultismus aus gleichzeitig göttlich. Sie alle sind Symbole und Personifikationen des Chaos, der „großen Tiefe“ oder der Ursprünglichen Wasser des Raums, des undurchdringlichen Schleiers zwischen dem Unerkennbaren und dem Logos der Schöpfung. „Indem er sich mithilfe seines Gemüts mit Vach verbindet, schuf Brahmâ (der Logos) die Ursprünglichen Wasser“. In der Kathaka-Upanishad ist das noch klarer ausgesprochen: „Prajapati war dieses Universum. Vach war nach ihm die Wichtigste. Er verband sich mit ihr . . . sie brachte diese Geschöpfe hervor und trat wieder in Prajapati ein.“140

Und hier können wir beiläufig auf einen der vielen ungerechten Verunglimpfungen hinweisen, wie sie von den frommen und guten Missionaren in Indien gegen die Landesreligion erhoben wurden. Diese Allegorie – aus der „Satapatha-Brahmana“ – dass Brahmâ als Vater der Menschen das Schöpfungswerk durch einen inzestuösen Umgang mit seiner eigenen Tochter Vach vollbrachte, auch Sandhya (Zwielicht) und Satarupa (die hundertfach Geformte) genannt, wird den Brahmanen unaufhörlich zur Verurteilung ihrer „verabscheuungswürdigen, falschen Religion“ ins Gesicht geschleudert. Abgesehen von der Tatsache, dass zweckdienlicherweise von den Europäern vergessen wird, dass der Patriarch Lot sich desselben Verbrechens in menschlicher Form als schuldig erwies, während Brahmâ oder vielmehr Prajapati den Inzest in Gestalt eines Hirsches mit seiner Tochter ausführte, welche die Gestalt einer Hirschkuh (Rohit) angenommen hatte, zeigt die esoterische Lesart des dritten Kapitels der Genesis (Kap. iii) dasselbe. Ferner hat die indische Allegorie ganz bestimmt eine kosmische und nicht eine physiologische Bedeutung, nachdem Vach eine Permutation von Aditi und Mulaprakriti (Chaos) ist, und Brahmâ eine Permutation von Narayana, des in die Natur eintretenden und sie befruchtenden Geistes Gottes; daher ist in dieser Idee überhaupt nichts Phallisches enthalten.

Wie bereits festgestellt, ist Aditi-Vach der weibliche Logos, oder das „Wort“, Verbum; und die Sephira der Kabbala ist dasselbe. Diese weiblichen Logoi sind in ihrem noumenalen Aspekt alle Korrelationen von Licht, Ton und Ether, und zeigen, wie gut unterrichtet die Alten sowohl in Bezug auf [SD # 432] die Wissenschaft der Physik (wie sie jetzt den Modernen bekannt ist) waren als auch in Bezug auf die Geburt dieser Wissenschaft in den spirituellen und astralen Sphären.

„Unsere alten Schriftsteller sagten, Vach sei von viererlei Art . . . . Para, Pasyanti, Madhyama, Vaikhari (eine Aussage, die im „Rigveda“ und in den Upanishaden zu finden ist) . . . . Vaikhari Vach ist, was wir aussprechen.“ Sie ist Ton, Sprache, das wiederum, was für einen unserer physischen Sinne erkennbar und gegenständlich wird und den Gesetzen unserer Wahrnehmung unterstellt werden kann. Daher: „Jede Art von Vaikhari Vach existiert in ihrer Madhyama-, . . . . Pasyanti- und schließlich in ihrer Para-Form. . . . . Dieser Pranava141 wird Vach genannt, weil diese vier Prinzipien des großen Kosmos diesen vier Formen der Vach entsprechen. . . . . Der ganze Kosmos in seiner objektiven Form ist Vaikhari Vach; das Licht des Logos ist die Madhyama-Form; der Logos selbst die Pasyanti-Form; unterdessen ist Parabrahman der Para-Aspekt (jenseits des Noumenon aller Noumena) dieser Vach.“ („Notes on the Bhagavadgita“)

Somit sind Vach, Shekinah und die „Sphärenmusik“ des Pythagoras ein und dasselbe, wenn wir unsere Beispiele den drei (scheinbar) einander unähnlichsten Religionsphilosophien der Welt entnehmen – der hinduistischen, der griechischen und der chaldäisch-hebräischen. Diese Nachahmungen und Allegorien können unter vier (Haupt-) und drei (Neben-) oder im Ganzen unter sieben Aspekten betrachtet werden, wie in der Esoterik. Die Para-Form ist das ewig subjektive und latente Licht sowie der Ton, welche im Schoß des Unerkennbaren ewig existieren; wenn sie in die Ideenbildung des Logos oder in dessen latentes Licht transferiert wird, heißt sie Pashyanti, und wenn sie zum Ausdruck dieses Lichts wird, ist sie Madhyama.

Nun gibt die Kabbala die Definition wie folgt: „Es gibt drei Arten von Licht, und diese (die vierte), welche die anderen durchdringt; (1) das klare und das durchdringende, das objektive Licht, (2) das reflektierte Licht und (3) das abstrakte Licht. Die zehn Sephiroth, die drei und die sieben, heißen in der Kabbala die 10 Worte, d-brim (Dabarim), die Zahlen und Emanationen des himmlischen Lichts, das beides ist – Adam Kadmon und Sephira oder (Brahmâ) Prajapati-Vach. Licht, Ton und Zahl sind die drei Schöpfungsfaktoren in der Kabbala. Parabrahman kann nicht erkannt werden, außer durch den leuchtenden Punkt (den Logos), der Parabrahman nicht kennt, sondern nur Mulaprakriti. Ebenso kannte Adam Kadmon nur Shekinah, obwohl er Ain Sophs Vehikel war. Und als Adam Kadmon ist er nach der esoterischen Interpretation die Zusammenfassung der Zahl Zehn, der Sephiroth (selbst eine Trinität oder die drei Attribute der [SD # 433] unerkennbaren Gottheit in Einem).142 „Als der Himmlische Mensch (oder Logos) zuerst die Form der Krone143 (Kether) annahm und sich mit Sephira identifizierte, bewirkte er, dass sieben strahlende Lichter aus ihr (der Krone) hervorgingen“, die in ihrer Gesamtheit zehn ergaben; genauso ließ Brahmâ-Prajapati, nachdem er von Vach getrennt wurde und dennoch mit ihr vereint blieb, aus dieser Krone die sieben Rishis hervorgehen, die sieben Manus oder Prajapatis. In der Exoterik wird man immer 10 und 7 finden, entweder Sephiroth oder Prajapati; in der esoterischen Darstellung aber immer 3 und 7, was ebenfalls 10 ergibt. Nur wenn sie in der manifestierten Sphäre in 3 und 7 geteilt sind, bilden sie das androgyne und das , oder die geoffenbarte und differenzierte Zahl X.

Das wird dem Schüler helfen zu verstehen, warum Pythagoras die Gottheit (den Logos) als den Mittelpunkt der Einheit und die „Quelle der Harmonie“ verehrte. Wir sagen, dass diese Gottheit der Logos war und nicht die in Einsamkeit und Stille verweilende Monade, weil Pythagoras lehrte, dass die Einheit nicht teilbar und deshalb keine Zahl ist. Und das ist auch der Grund, warum man von dem um Aufnahme in seine Schule ersuchenden Kandidaten verlangte, dass er als Vorstufe bereits die Wissenschaften der Arithmetik, Astronomie, Geometrie und Musik studiert hatte, die als die vier Abteilungen der Mathematik betrachtet wurden.144 Das erklärt wieder, warum die Pythagoreer behaupteten, dass die Lehre von den Zahlen – die wichtigste in der Esoterik – dem Menschen von den himmlischen Gottheiten enthüllt worden sei; dass die Welt von Ton und Harmonie aus dem Chaos hervorgerufen und nach den Grundsätzen der musikalischen Proportion aufgebaut worden sei; und ferner, dass die Bewegungen der die Geschicke der Sterblichen lenkenden sieben Planeten harmonisch erfolgen – „entsprechend der musikalischen Intervalle, welche verschiedene Klänge von so vollkommenem Zusammenklang ergeben, dass sie die süßeste Melodie hervorbringen, die für uns nur wegen der Erhabenheit des Klangs unhörbar ist, den zu vernehmen unsere Ohren nicht fähig sind“ („Censorinus“).

In der pythagoreischen Theogonie waren die Hierarchien der himmlischen Schar und der Götter beziffert und durch Zahlen ausgedrückt. Pythagoras hatte die Geheimwissenschaft in Indien studiert. Daher finden wir seine Schüler sagen: „Die Monade (das geoffenbarte Eine) ist die Grundlage aller Dinge. Aus der Monade und der unbestimmten Duade (dem Chaos) entsprangen die [SD # 434] Zahlen; aus den Zahlen die Punkte; aus den Punkten die Linien; aus den Linien die Flächen; aus den Flächen die Körper; aus diesen die festen Körper, die aus vier Elementen bestehen: Feuer, Wasser, Luft, Erde; aus den umgewandelten und vollständig veränderten Elementen (sich mit ihnen in Wechselbeziehung befindend) besteht die Welt.“ (Diogenes Laertios in der Vit. Pythag“.)

Und das mag, wenn es auch noch nicht das ganze Geheimnis enthüllt, auf jeden Fall den Zipfel des Schleiers jener wunderbaren Allegorien heben, der über Vach geworfen wurde, die geheimnisvollste aller brahmanischen Göttinnen, welche „die melodische Kuh genannt wird, von der Nahrung und Wasser gemolken werden kann“ (die Erde mit all ihren mystischen Kräften), und wiederum sie, „die uns Nahrung und Unterhalt gibt“ (die physische Erde). Isis ist ebenfalls die mystische Natur und auch die Erde; und ihre Kuhhörner identifizieren sie mit Vach. Nachdem Letztere in ihrer höchsten Form als Para erkannt wurde, wird sie am niederen oder materiellen Ende der Schöpfung – Vaikhari. Daher ist sie die mystische, wenn auch physische Natur mit allen ihren magischen Seiten und Eigenschaften.

Als Göttin der Sprache und des Tons und als eine Permutation der Aditi, ist sie in einem Sinn das Chaos. Auf jeden Fall ist sie die „Mutter der Götter“, und die wirkliche, geoffenbarte Theogonie muss von Brahmâ (Iswara oder dem Logos) und Vach sowie von Adam Kadmon und Sephira ausgehen. Darüber hinaus ist alles Dunkelheit und abstrakte Spekulation. Mit den Dhyan Chohans oder den Göttern befinden sich die Seher, die Propheten und die Adepten im Allgemeinen auf festem Grund. Einerlei ob Aditi oder die göttliche Sophia der griechischen Gnostiker, ist sie die Mutter der Sieben Söhne: der „Engel des Angesichts“, der „Tiefe“ oder des „Großen Grünen“ aus dem „Totenbuch“. Das Buch Dzyan (der durch Meditation erlangten Erkenntnis) sagt:

„Die große Mutter lag mit , der und dem , der zweiten und dem 145 in ihrem Schoß, bereit sie hervorzubringen, die mutigen Söhne der (oder der 4.320.000, dem Zyklus), deren zwei Vorläufer der und der • (Punkt) sind.“

Zu Beginn eines jeden 4.320.000 Jahre dauernden Zyklus steigen die sieben (oder wie einige Nationen sagten, die acht) großen Götter herab, um die neue Ordnung der Dinge zu begründen und den neuen Zyklus anzustoßen. Dieser achte Gott war der vereinigende Kreis oder Logos, im exoterischen Dogma von seiner Schar getrennt und unterschieden, gerade so, wie die drei göttlichen Hypostasen der alten Griechen jetzt in den Kirchen für drei verschiedene personae gehalten werden. Wie der Kommentar sagt: „Die Mächtigen erfüllen ihre großen Werke und hinterlassen ewige Denkmale zum Gedenken an ihren Besuch, jedesmal wenn sie in unseren mayavischen Schleier (unsere Atmosphäre) eindringen“, sagt ein [SD # 435] Kommentar.146 So wird uns gelehrt, dass die großen Pyramiden unter ihrer direkten Aufsicht erbaut wurden „als Dhruva (der damalige Polarstern) seine untere Kulmination durchlief und die Krittikas (die Plejaden) über sein Haupt blickten (sich auf demselben Meridian befanden, aber darüber standen), um das Werk der Riesen zu überwachen“. Da die ersten Pyramiden am Anfang eines siderischen Jahres unter Dhruva (Alpha Polaris) erbaut wurden, muss das vor über 31.000 Jahren (31.105) geschehen sein. Bunsen hatte Recht, als er für Ägypten ein Alter von über 21.000 Jahren einräumte, aber dieses Zugeständnis umfasst in dieser Frage kaum die volle Wahrheit und den gesamten Sachverhalt. „Die von den ägyptischen Priestern und anderen über die Zeitrechnung in Ägypten erzählten Geschichten stellen in den Augen derer, die den Fesseln der Bibel entronnen sind, schon immer weniger Lügen dar“, schreibt der Verfasser von „The Natural Genesis“. „Kürzlich wurden in Sakkara Inschriften gefunden, welche zwei Sothis-Zyklen erwähnen . . . die damals, jetzt vor etwa 6.000 Jahren, aufgezeichnet wurden. Als Herodot in Ägypten war, hatten die Ägypter somit – wie jetzt bekannt ist – mindestens fünf verschiedene Sothis-Zyklen zu je 1.461 Jahren aufgezeichnet. Die Priester informierten den griechischen Fragesteller, dass die Zeit bei ihnen schon derartig lange so berechnet wurde, dass die Sonne bereits zweimal dort aufgegangen sei, wo sie damals unterging, und zweimal untergegangen, wo sie damals aufging. Das . . . kann als Tatsache in der Natur ausschließlich mit dem Ablauf zweier Präzessionszyklen oder mit einem Zeitraum von 51.736 Jahren erklärt werden.“ (Band II, S. 318. Siehe aber auch in unserem Band II, „Chronologie der Brahmanen“.)

Mar Isaak (siehe Kirchers „Oedipus Aegyptiacus“, Bd. ii, S. 425) zeigt, dass die alten Syrer ihre Welt der „Herrscher“ und „aktiven Götter“ ebenso definierten wie die Chaldäer. Die unterste Welt war die Sublunare – unsere eigene – von „Engeln“ der ersten oder niedrigsten Stufe bewacht; als nächste folgte dem Rang nach Merkur, beherrscht von den „Erzengeln“; dann kam Venus, deren Götter die Fürstentümer waren; die vierte war die der Sonne, die Domäne und die Region der höchsten und mächtigsten Götter unseres Systems, der Sonnengötter aller Nationen; die fünfte war Mars, von den „Tugenden“ beherrscht; die sechste – die von Bel oder Jupiter – wurde von den Herrschern regiert; die siebte – die Welt des Saturn – von den Thronen. Diese sind die Welten der Form. Darüber kommen die vier höheren, was wieder sieben ergibt, nachdem die drei höchsten „nicht angesprochen werden können und unaussprechlich“ sind. Die achte, aus 1.122 Sternen zusammengesetzt, ist die Domäne der Cherubim; die neunte, die aufgrund ihrer Entfernung den wandernden und zahllosen Sternen angehört, hat die Seraphim; in Bezug auf die zehnte sagt Kircher, indem er Mar Isaak zitiert, dass sie zusammengesetzt ist „aus unsichtbaren Sternen, die, wie sie sagten, für Wolken gehalten werden könnten – so groß ist ihre Zahl in dem Bereich, den wir Via Straminis nennen, die [SD # 436] Milchstraße“; und er beeilt sich zu erklären, dass „es sich dabei um Luzifers Sterne handelt, die bei seinem schrecklichen Schiffbruch mit ihm zusammen in den Abgrund gerissen wurden“. Was nach und jenseits der zehn Welten (unserer Vierheit) kommt (oder die Arupa-Welt), konnten die Syrer nicht sagen. „Alles, was sie wussten war, dass hier der weite und unbegreifliche Ozean des Unendlichen beginnt, die Wohnstatt der wahren Gottheit, ohne Grenzen und ohne Ende.“

Champollion weist denselben Glauben bei den Ägyptern nach, Hermes spricht vom Vater-Mutter und Sohn, deren Geist (kollektiv das Göttliche Fiat) das Universum formt, und sagt dann: „Es wurden auch sieben Vermittler (Medien) geformt, um die materiellen (oder manifestierten) Welten in ihren jeweiligen Kreisen einzuschließen, und die Wirkung dieser Vermittler wurde Schicksal genannt.“ Weiter zählt er sieben und zehn und zwölf Klassen auf, aber es würde zu lange dauern, sie hier im Einzelnen anzuführen.

Da das „Rigvidhana“ zusammen mit dem „Brahmanda-Purana“ und sämtlichen derartigen Werken von Dr. Weber und anderen zu modernen Kompilationen erklärt werden, „die wahrscheinlich erst der puranischen Zeit angehören“, ist es nutzlos, den Leser auf ihre mystischen Erklärungen zu verweisen, ob sie nun die magische Wirkungsweise der Mantren des „Rigveda“ beschreiben oder die zukünftigen Kalpas; man könnte ebenso gut einfach aus archaischen Büchern zitieren, welche den Orientalisten völlig unbekannt sind. Diese Werke erklären das, was die Gelehrten so in Verlegenheit versetzt, nämlich dass die Saptarishis, Brahmâs „aus der Seele geborene Söhne“, im Satapatha-Brahmana unter einer Reihe von Namen aufgeführt werden; im Mahabharata unter einer weiteren Reihe; und dass das Vayu-Purana anstelle von sieben sogar neun Rishis nennt, indem es der Liste noch die Namen des Bhrigu und Daksha hinzufügt. Dasselbe geschieht aber in allen exoterischen Schriften. Die Geheimlehre gibt eine lange Genealogie von Rishis, trennt sie aber in viele Klassen. Wie die Götter der Ägypter in sieben und selbst in zwölf Klassen eingeteilt wurden, geschieht das auch mit den indischen Rishis und ihren Hierarchien. Die ersten drei Gruppen sind die göttliche, die kosmische und die sublunare. Darauf folgen die solaren Götter unseres Systems, die planetarischen, die submundanen und die rein menschlichen – die Heroen und die Manushi.

Gegenwärtig jedoch haben wir es lediglich mit den präkosmischen, himmlischen Göttern, den Prajapatis oder den „sieben Baumeistern“ zu tun. Diese Gruppe findet sich unverkennbar in jeder Kosmogonie. Infolge des Verlusts der archaischen Dokumente Ägyptens müssen wir uns an die alten Hymnen und Grabinschriften wenden, um die von der Geheimlehre vorgebrachten Behauptungen teilweise und indirekt bestätigt zu finden. Denn nach Herrn Maspero sind „die zum Studium der Geschichte der religiösen Entwicklung Ägyptens vorliegenden Materialien und historischen Daten weder komplett noch häufig verständlich“. Auf jeden Fall zeigt einer dieser Hymnen, dass Osiris, wie auch Brahmâ-Prajapati, Adam Kadmon, Ormazd und so viele andere Logoi, das Haupt und die Synthese der [SD # 437] Gruppe von „Schöpfern“ und Baumeistern war. Bevor Osiris der „Eine“ und der höchste Gott Ägyptens wurde, wurde er in Abydos als das Haupt oder der Leiter der Himmlischen Schar der Baumeister verehrt, die der höheren der drei Ordnungen angehören. Der auf der Votivstele eines Grabmals in Abydos (3. Register) eingravierte Hymnus ruft Osiris wie folgt an: „Gegrüßt seist Du, oh Osiris, älterer Sohn von Seb; der Du von der Göttin Nut (dem Urwasser) hervorgebracht wurdest und als größter über den sechs Göttern stehst, der Du deines Vaters Ra großer Liebling bist! Vater der Väter, König der Dauer, Meister in der Ewigkeit . . . der Du, sobald sie aus dem Schoß Deiner Mutter hervorgingen, alle Kronen sammeltest und die Uräus (-Schlange oder Naja)147 auf Dein Haupt setztest; vielgestaltiger Gott, dessen Name unbekannt ist, und der Du viele Namen hast in den Städten und Provinzen. . .“ Aus dem Urwasser hervortretend, mit der Uräus gekrönt, dem Schlangen­emblem des kosmischen Feuers, und selbst der siebte über den sechs ursprünglichen Göttern, hervorgegangen aus Vater-Mutter, Nu und Nut (dem Himmel) – wer anders könnte Osiris sein als der Haupt-Prajapati, der Haupt-Sephiroth, der Haupt-Amschaspand-Ormazd! Letzterer solarer und kosmischer Gott hatte zu Beginn der religiösen Entwicklung dieselbe Stellung inne wie der Erzengel, „dessen Name geheim war“, so viel ist sicher. Dieser Erzengel war Michael, der Repräsentant des verborgenen jüdischen Gottes auf der Erde; kurz gesagt, es ist sein „Antlitz“, von dem gesagt wird, dass es den Juden vorangeschritten sei wie eine „Feuersäule“. Burnouf sagt: „Die sieben Amschaspands, die ganz sicher unsere Erzengel sind, bezeichnen auch die Personifikationen der göttlichen Tugenden.“ („Comment sur le Yaçna“, S. 174) Und diese Erzengel sind daher ebenso „sicher“ die Saptarishis der Hindus, obwohl es nahezu unmöglich erscheint, einem jeden davon sein heidnisches Vorbild und Gegenüber zuzuordnen, da sie alle „in den Städten und Provinzen so viele Namen“ haben, wie dies auch auf Osiris zutrifft. Einige der wichtigsten werden jedoch in ihrer Reihenfolge genannt.

Eines ist somit unabstreitbar bewiesen. Je tiefer man ihre Hierarchien studiert und ihre Wesensgleichheit feststellt, desto mehr Beweise erlangt man auch dafür, dass sämtliche vergangenen und gegenwärtigen persönlichen Götter, soweit sie uns seit den frühesten Tagen der Geschichte bekannt sind, dem dritten Stadium der kosmischen Manifestation angehören. In allen Religionen finden wir die verborgene Gottheit als die Grundlage; dann den Strahl daraus, der in die ursprüngliche kosmische Materie fällt (als erste Manifestation); dann das androgyne Ergebnis, die personifizierte, duale, männliche und weibliche abstrakte Kraft (als zweites Stadium); diese trennt sich schließlich im dritten in sieben Kräfte, von allen alten Religionen die schöpferischen Kräfte und von [SD # 438] den Christen die „Tugenden Gottes“ genannt. Die spätere Erklärung und die metaphysischen abstrakten Kennzeichnungen haben die römische und die griechische Kirche nie daran gehindert, diese „Tugenden“ unter den Personifikationen und unterschiedlichen Namen der sieben Erzengel zu verehren. Im Buch der „Drushim“ (S. 59, erste Abhandlung) im Talmud wird eine Unterscheidung zwischen diesen Gruppen gemacht, welche der korrekten kabbalistischen Erklärung entspricht. Sie lautet wie folgt:

„Es existieren drei Gruppen (oder Ordnungen) von Sephiroth. 1. Die als „göttliche Attribute“ (abstrakt) bezeichneten Sephiroth. 2. Die physischen oder siderischen Sephiroth (persönlichen) – die eine Gruppe besteht aus sieben, die andere aus zehn. 3. Die metaphysischen Sephiroth oder die Umschreibung Jehovahs, welche die ersten drei Sephiroth sind (Kether, Chochmah und Binah) und der Rest sind die (persönlichen) sieben Geister der Gegenwart“ (und der Planeten).

Dieselbe Einteilung muss auf die primäre, sekundäre und tertiäre Evolution der Götter einer jeden Theogonie angewendet werden, möchte man ihren Sinn esoterisch übersetzen. Wir dürfen die rein metaphysischen Personifikationen der abstrakten Attribute der Gottheit nicht mit ihrem Widerschein verwechseln – den siderischen Göttern. Dieser Widerschein ist jedoch in Wirklichkeit der objektive Ausdruck der Abstraktion: lebendige Wesenheiten und die nach diesem göttlichen Vorbild geformten Modelle. Ferner sind die drei metaphysischen Sephiroth oder „die Umschreibung Jehovahsnicht Jehovah; mit seinen weiteren Titeln Adonai, Elohim, Sabbaoth und den zahlreichen ihm verschwenderisch erteilten Namen ist Letzterer selbst die Umschreibung von Schaddai, י ַּך ַׁש, dem Allmächtigen. Der Name ist eine umständliche Ausdrucksweise, tatsächlich ein allzu üppiges Sprachbild der jüdischen Rhetorik und wurde von den Okkultisten schon immer beanstandet. Für die jüdischen Kabbalisten und selbst für die christlichen Alchemisten und Rosenkreuzer war Jehovah jedoch eine zweckdienliche Projektionsfläche, durch das Zusammenfalten ihrer vielen Flächen vereint und als Stellvertreter akzeptiert: Jeder Name eines individuellen Sephiroth war dabei so gut wie alle anderen für jene, die sich im Besitz des Geheimnisses befanden. Das Tetragrammaton, der Unaussprechliche und die siderische „Gesamtsumme“ wurden zu keinem anderen Zweck erfunden als die Profanen irrezuführen und Leben und Zeugung zu symbolisieren.148 Der wirklich geheime und unaussprechliche Name – „das Wort, das kein Wort ist“ – muss in den sieben Namen der ersten sieben Emanationen oder der „Söhne des Feuers“ gesucht werden, [SD # 439] in den geheimen Schriften aller großen Nationen und selbst im „Zohar“, der kabbalistischen Lehre der kleinsten von ihnen allen, nämlich der jüdischen. Dieses in allen Sprachen aus sieben Buchstaben zusammengesetzte Wort findet sich in den architektonischen Überresten aller großen Gebäude weltweit verkörpert; von den zyklopischen Überresten auf der Osterinsel (einem Teil eines Kontinentes, der eher vor 4.000.000149 als vor 20.000 Jahren vor unserer Zeit unter dem Meer begraben wurde) bis herab zu den ältesten ägyptischen Pyramiden.

Wir werden uns mit diesem Gegenstand eingehender zu beschäftigen haben und praktische Erläuterungen bringen müssen, um die im Text gemachten Behauptungen zu beweisen.

Für den Augenblick genügt es, mit einigen Beispielen die Wahrheit des am Beginn dieser Monografie Behaupteten zu belegen, nämlich dass keine Kosmogonie der ganzen Welt jemals der Einen Höchsten Ursache, dem universalen vergöttlichenden Prinzip, die unmittelbare Schöpfung unserer Erde oder des Menschen oder von irgendetwas mit diesen verbundenen zugeschrieben hat – mit einer einzigen Ausnahme: der christlichen. Diese Behauptung gilt ebenso für die hebräische und die chaldäische Kabbala wie für die Genesis, wäre Letztere jemals vollkommen verstanden, und – was noch wichtiger ist – korrekt übersetzt worden.150 Überall findet sich entweder ein Logos – ein „Licht, das [SD # 440] in der Finsternis scheinet“, fürwahr – oder der Erbauer der Welten steht esoterisch im Plural. Die römische Kirche, paradox wie immer, wendet den Beinamen des Schöpfers auf Jehovah allein an, übernimmt aber eine ganze Kyriel von Namen für die wirkenden Kräfte des Letzteren, Namen, die das Geheimnis verraten. Denn, wenn die genannten Kräfte nicht mit der sogenannten „Schöpfung“ zu tun hätten, warum nennt man sie dann im Plural Elohim (Alhim); „göttliche Arbeiter“ und Energien (᾽Ενεργεία), weißglühende himmlische Steine (lapides igniti coelorum); und insbesondere „Weltunterstützer“ (Κοσμοκράτορες), Direktoren oder Gebieter der Welt (Rectores mundi), „Räder“ der Welt (Rotae), Ophanim, Flammen und Mächte, „Söhne Gottes“ (B´ne Elohim), „wachsame Räte“ usw. usw.

Es wurde oft vorausgesetzt (und zwar wie üblich zu Unrecht), dass China, nahezu so alt wie Indien, keine Kosmogonie hätte. „Sie war Konfuzius unbekannt, und die Buddhisten erweiterten ihre Kosmogonie, ohne einen persönlichen Gott einzuführen“,151 lautet die Beschwerde. Das Yi-King, „die echte Essenz alten Denkens und das vereinte Werk der allerverehrtesten Weisen, unterlässt es, eine bestimmte Kosmogonie kundzugeben“. Nichts­destoweniger existiert eine solche, und zwar eine ganz bestimmte. Nur ließ Konfuzius kein zukünftiges Leben gelten,152 und die chinesischen Buddhisten wiesen die Idee eines einzigen Schöpfers zurück und nahmen stattdessen eine Ursache und ihre zahllosen Wirkungen an, und daher werden sie von jenen missverstanden, die an einen persönlichen Gott glauben. Das „Große Extreme“ als der Anfang „der Veränderungen“ (Transmigrationen) ist die kürzeste und vielleicht bedeutsamste aller Kosmogonien für jene, welche die Tugend um ihrer selbst willen lieben und versuchen, das Gute selbstlos zu tun, ohne beständig nach Belohnung und Nutzen auszuschauen – wie die Konfuzianer. Das „Große Extreme“ des Konfuzius erzeugt „zwei Gestalten“. Diese „zwei“ erzeugen ihrerseits die „vier Bilder“; diese wiederum „die acht Symbole“. Es wird beklagt, dass wir sie nach Gutdünken betrachten können, obwohl die Konfuzianer in ihnen „Himmel, Erde und den Menschen im Kleinen“ . . . sehen. Ohne Zweifel, und so ist es in Bezug auf viele Symbole, insbesondere auf die der jüngsten Religionen. Wer aber etwas von okkulten Zahlen versteht, erkennt in diesen „Gestalten“ das allerdings rohe Symbol der harmonisch fortschreitenden Evolution des Kosmos und seiner Wesen, der himmlischen wie der irdischen. Und niemand, der die numerische Evolution der ursprünglichen Kosmogonie des Pythagoras studiert hat (eines Zeitgenossen von Konfuzius) wird jemals verfehlen, in seiner aus der Einen und alleinigen Monade hervorgehenden Triade, Tetraktis und [SD # 441] Dekade dieselbe Idee zu erkennen. Konfuzius wird von seinem christlichen Biografen ausgelacht, weil er von einer „Weissagung schwatzt“, vor und nach dieser Stelle und durch folgendes Zitat repräsentiert: „Die acht Symbole bestimmen gutes und schlechtes Schicksal, und diese führen zu großen Taten. Es gibt keine nachahmbaren Bilder, die größer sind als Himmel und Erde. Es gibt keine größeren Veränderungen als die vier Jahreszeiten (gemeint sind Norden, Süden, Osten und Westen et seq.). Es gibt keine aufgehängten Bilder, die heller wären als Sonne und Mond. Im Vorbereiten der Dinge zum Gebrauch ist niemand größer als der Weise. Im Bestimmen von Glück und Unglück ist nichts größer als die Weissagungshalme und die Schildkröte.“153

Daher werden die „Weissagungshalme“ und die „Schildkröte“, die „symbolischen Linienreihen“ und der große Weise, der sie dabei beobachtet, wie sie eins und zwei werden, und zwei werden zu vier, und die vier zu acht, und die anderen Liniengruppen „drei und sechs“, geringschätzig verlacht, nur weil seine weisen Symbole missverstanden werden.

So werden der Verfasser und seine Kollegen ohne Zweifel auch die in unserem Text angeführten Stanzen verspotten, denn sie repräsentieren exakt dieselbe Idee. Die alte archaische Karte der Kosmogonie ist voll von Linien im konfuzianischen Stil, von konzentrischen Kreisen und Punkten. Und doch repräsentieren sie alle die abstraktesten und philosophischsten Vorstellungen von der Kosmogonie unseres Universums. Auf jeden Fall können sie die Anforderungen und wissenschaftlichen Zwecke unseres Zeitalters vielleicht besser beantworten als die kosmogonischen Aufsätze des Hl. Augustin und „Beda, des Ehrwürdigen“, obwohl diese mehr als ein Jahrtausend später veröffentlich wurden als die konfuzianischen.

Konfuzius, einer der größten Weisen der alten Welt, glaubte an alte Magie, und übte sie selbst aus, „wenn wir die Behauptungen des Kin-yu als erwiesen annehmen“ . . . . und „er rühmte sie im Yi-King bis in den Himmel“, sagt uns sein hochwürdiger Kritiker. Nichtsdestoweniger lehrten bereits zu seiner Zeit, d. h. 600 v. Chr., Konfuzius und seine Schule die Kugelform der Erde und sogar das heliozentrische System; hingegen wurden ungefähr dreimal 600 Jahre nach dem chinesischen Philosophen von Roms Päpsten „Häretiker“ wegen derselben Behauptungen bedroht und sogar verbrannt. Man lacht über ihn, weil er von der „heiligen Schildkröte“ spricht. Keine vorurteilsfreie Person könnte irgendeinen großen Unterschied sehen zwischen einer Schildkröte und einem Lamm als Kandidaten für Heiligkeit, da beide lediglich Symbole sind und nicht mehr. Der Ochse, der Adler154 und der Löwe und gelegentlich [SD # 442] die Taube sind die „heiligen Tiere“ der westlichen Bibel. Die ersten drei finden sich rund um die Evangelisten gruppiert. Das vierte (ein menschliches Antlitz) ist ein Seraph, d. h. eine feurige Schlange, wahrscheinlich der gnostische Agathodaimon.155 Wie bereits erklärt, beziehen sich die „heiligen Tiere“ und die Flammen oder „Funken“ innerhalb der „heiligen Vier“ auf die Vorbilder all dessen, was sich im Universum im Göttlichen Gedanken findet, in der Wurzel, die der vollkommene Würfel ist oder das Fundament des Kosmos, kollektiv und individuell. Sie haben alle eine okkulte Beziehung zu ursprünglichen kosmischen Formen und ihrer ersten Verdichtung, ihrem Wirken und ihrer Evolution.

In den frühesten exoterischen Kosmogonien der Hindus erschafft noch nicht einmal der Demiurg. Denn in einem der Puranas heißt es: „Der große Baumeister der Welt gibt den ersten Anstoß zur rotierenden Bewegung unseres Planetensystems, indem er alle Planeten und Körper der Reihe nach überschreitet.“ Diese Handlung ist es, welche „die Rotation eines jeden Globus um seine eigene Achse und aller um die Sonne bewirkt“. Im Anschluss an diese Handlung „übernehmen die Brahmandika, die solaren und lunaren Pitris (die Dhyan Chohans) bis ans Ende des Kalpas die Aufsicht über ihre jeweiligen Globen (Erden und Planeten)“. Die Rishis sind die Schöpfer; den meisten von ihnen wird die Urheberschaft für die Mantren oder Hymnen des Rigvedas zugeschrieben. Manchmal sind es sieben, manchmal zehn, wenn sie zu Prajapati werden, dem „Herrn der Wesen“. Dann werden sie wieder die sieben und die vierzehn Manus, als Repräsentanten der sieben und vierzehn Zyklen des Daseins (der „Tage Brahmâs“); und entsprechen so den sieben Äonen, wenn sie am Ende des ersten Stadiums der Evolution in die sieben stellaren Rishis, die Saptarishis, verwandelt werden; indessen erscheinen ihre menschlichen Doppelgänger als Heroen, Könige und Weise auf dieser Erde.

[SD # 443] Nachdem somit die Geheimlehre des Ostens den Grundton geliefert und angeschlagen hat – der unter seinem allegorischen Gewand ebenso wissenschaftlich wie philosophisch und poetisch ist, wie man sehen kann – folgte jede Nation ihrer eigenen Führung. Wir müssen zunächst einmal die Wurzelidee aus den exoterischen Religionen ausgraben, bevor wir uns den esoterischen Wahrheiten zuwenden, wenn wir vermeiden wollen, dass Letztere zurückgewiesen werden. Überdies können sämtliche Symbole jeder nationalen Religion esoterisch interpretiert werden, und der Beweis dafür, dass es bei seiner Transliteration in die entsprechenden Zahlen und geometrischen Formen richtig gelesen wurde, kann aus der außerordentlichen Übereinstimmung aller Glyphen und Symbole gewonnen werden, wie sehr sie sich auch voneinander unterscheiden mögen. Denn im Ursprung waren all diese Symbole identisch. Betrachten wir beispielsweise die Anfangssätze verschiedener Kosmogonien: In jedem Fall haben wir einen Kreis, ein Ei oder ein Haupt. Immer ist Finsternis mit diesem ersten Symbol verbunden und umgibt es, wie bereits an dem hinduistischen, dem ägyptischen, dem chaldäisch-hebräischen und selbst dem skandinavischen System gezeigt – daher die schwarzen Raben, schwarzen Tauben, schwarzen Wasser und selbst die schwarzen Flammen; die siebte Zunge Agnis, des Feuergottes, wird „Kali“ genannt, „die Schwarze“, weil sie eine schwarz flackernde Flamme war. Zwei schwarze Tauben flogen von Ägypten aus und, sich auf den Eichen von Dodona niederlassend, gaben den griechischen Göttern ihre Namen. Noah sendet nach der Sintflut einen schwarzen Raben aus, ein Symbol für das kosmische Pralaya, nach dessen Ende die eigentliche Schöpfung oder Evolution unserer Erde und Menschheit begann. Odins schwarze Raben flatterten um die Göttin Saga und „raunten ihr von der Vergangenheit und der Zukunft“. Was ist nun die wirkliche Bedeutung all dieser schwarzen Vögel? Sie besteht darin, dass sie alle mit der ursprünglichen Weisheit im Zusammenhang stehen, die aus der vorkosmischen Quelle von allem hervorströmt, symbolisiert durch das Haupt, den Kreis oder das Ei; und sie haben alle eine übereinstimmende Bedeutung und beziehen sich auf den ursprünglichen archetypischen Menschen (Adam Kadmon), den schöpferischen Ursprung aller Dinge, der zusammengesetzt ist aus der Schar der kosmischen Kräfte – der schöpferischen Dhyan Chohans, jenseits derer alles Dunkelheit ist.

Befragen wir die Weisheit der Kabbala – so verschleiert und verzerrt sie heute auch ist – damit sie uns in ihrer Zahlensprache die Bedeutung des Wortes „Rabe“ zumindest annähernd erklärt. Das ist sein Zahlenwert, wie er in „Source of Measures“ gegeben wird.

„Der Ausdruck Rabe wird nur einmal erwähnt und als eth-horebv בדעה־תא = 678 oder 113 × 6 genommen, während die Taube fünfmal erwähnt wird. Ihr Wert ist 71 und 71 × 5 = 355. Sechs gekreuzte Durchmesser, oder der Rabe, würden den Umfang eines Kreises von 355 in 12 Teile oder Felder unterteilen; und 355 für jede Einheit durch 6 unterteilt würde 213-0 entsprechen oder dem Haupt („Anbeginn“) des ersten Verses der Genesis. Dieses Ergebnis auf dieselbe Weise geteilt oder unterteilt durch 2, oder die 355 durch 12, würde 213-2 geben oder das Wort B’rash, שאר־ב, oder das erste Wort der Genenis mit seinem Präpositionalpräfix, und astronomisch dieselbe konkretisierte allgemeine Form bedeuten, [SD # 444] wie die hier beabsichtigte.“ Nun ist die geheime Lesart des ersten Verses der Genesis wie folgt: „Im Anbeginn (B’rash) oder Haupt entwickelten die Götter Himmel und Erde“ – und so ist es einfach, die esoterische Bedeutung des Rabens zu verstehen, sobald ermittelt wurde, dass die Flut (oder Sintflut Noahs) dieselbe Bedeutung hat. Was immer die vielen anderen Bedeutungen dieser emblematischen Allegorie sein mögen, ihre Hauptbedeutung ist die eines neuen Zyklus und einer neuen Runde (unserer vierten Runde).156 Der „Rabe“ oder eth-horebv ergibt denselben numerischen Wert wie das „Haupt“, und er kehrte nicht zur Arche zurück, während die Taube zurückkehrte und einen Ölzweig mitbrachte. Als Noah, der neue Mensch der neuen Rasse (dessen Urbild Vaivasvatamanu ist), Anstalten machte, die Arche, den Schoß (oder Argha) der irdischen Natur zu verlassen, ist er das Symbol des rein geistigen, geschlechtslosen und androgynen Menschen der ersten drei Rassen, die für immer von der Erde verschwanden. Numerisch sind in der Kabbala Jehovah, Adam und Noah ein und derselbe: Im besten Fall ist es also die Gottheit, die auf den Ararat (später auf den Sinai) herabsteigt, um durch den fortan natürlichen Prozess ihr Ebenbild im Menschen zu inkarnieren: den Schoß der Mutter, dessen Symbole in der Genesis die Arche sind, der Berg (Sinai) usw. Die jüdische Allegorie ist auf einmal viel astronomischer und rein physiologischer als anthropomorphisch.

Und das macht die Kluft zwischen den beiden Systemen aus (dem arischen und dem semitischen), obwohl beide auf derselben Grundlage aufgebaut sind. Wie von einem Interpreten der Kabbala gezeigt wird: „Die der Philosophie der Hebräer zugrunde liegende Idee war die, dass Gott alle Dinge in sich selbst enthalte und dass der Mensch sein Ebenbild sei; der Mensch einschließlich der Frau (als Androgyne)“; und dass „in den Begriffen Mann und Frau Geometrie und Zahlen (und auf die Astronomie anwendbare Maße) enthalten sind; und die scheinbare Unstimmigkeit dieses Modus durch die Darlegung des Zusammenhangs zwischen Mann und Frau beseitigt wurde, mithilfe eines besonderen Systems von Zahlen, Maßen und der Geometrie, durch die Zeitperioden der Schwangerschaft, welche das Bindeglied zwischen den verwendeten Ausdrücken und den gezeigten Tatsachen bildeten und den angewendeten Modus vervollkommneten“. Da die erste Ursache gänzlich unerkennbar ist, wird behauptet, dass „das Symbol ihrer ersten begreifbaren Offenbarung die Vorstellung eines Kreises mit seiner Durchmesserlinie war, welche zugleich die Idee der Geometrie, des Phallizismus und der Astronomie transportieren konnte“; und dass dieses Symbol schließlich nur noch in der „Bedeutung der menschlichen Zeugungsorgane“ verwendet wurde.157 Daher wird der gesamte Zyklus von Ereignissen [SD # 445] von Adam und den Patriarchen bis herunter zu Noah zu phallischen und astronomischen Zwecken angewendet, welche sich gegenseitig regulieren, wie z. B. die lunaren Perioden. Daher beginnt auch ihre Genesis mit dem Verlassen der Arche und dem Ende der Flut – mit der vierten Rasse. Bei den arischen Völkern ist das anders.

Die östliche Esoterik hat die eine unendliche Gottheit, die alle Dinge in sich enthält, niemals für solche Zwecke erniedrigt; und das zeigt sich in der Abwesenheit Brahmâs im „Rigveda“ und in der bescheidenen Stellung, die Rudra und Vishnu darin einnehmen, die Zeitalter später zu den mächtigen und großen Göttern, den „Unendlichen“ der exoterischen Glaubensbekenntnisse wurden. Aber selbst sie, „Schöpfer“, die sie alle drei sein mögen, sind nicht die unmittelbaren Schöpfer und „Vorväter der Menschen“. Die Letzteren nehmen nach dieser Darstellung eine noch niedrigere Stufe ein und werden Prajapatis, die Pitris (unsere Mondvorfahren) usw. usw. genannt, aber niemals der „eine unendliche Gott“. Die Esoterische Philosophie zeigt lediglich den physischen Menschen als nach dem Ebenbild der Gottheit erschaffen; Letztere sind jedoch lediglich „niedere Götter“. Nur allein das Höhere Selbst, das wirkliche Ego, ist göttlich und Gott.

 

 

§ XIII
Die sieben Schöpfungen

„Da war weder Tag noch Nacht, noch Himmel noch Erde, noch Finsternis noch Licht, noch irgendetwas anderes außer dem Einen allein, dem Verstand unbegreifbar, oder Jenes, das Brahman ist und Pums (Geist) und Pradhana (rohe Materie).“ (Veda: „Vishnu Purana Commentary“); oder buchstäblich: „Ein Pradhanika-Brahman-Geist: Jenes war.“ Der „Pradhanika-Brahman-Geist“ ist Mulaprakriti und Parabrahman.

Im Vishnu-Purana“ sagt Parashara zu Maitreya, seinem Schüler: „Ich habe dir, hervorragender Muni, somit sechs Schöpfungen erklärt. . . . die Schöpfung der Arvakshrotas-Wesen war die siebte und die des Menschen.“ Dann fährt er fort und spricht von zwei weiteren, sehr geheimnisvollen Schöpfungen, die von den Kommentatoren unterschiedlich erklärt werden.

Origenes kommentiert von seinem Widersacher Celsus verfasste und von den umsichtigen Kirchenvätern allesamt vernichtete Bücher; er antwortet dabei offenbar auf die Einwände seines Gegners und enthüllt zugleich sein System. Dieses war offensichtlich siebenfältig. Seine Theogonie jedoch, die Genesis der Sterne oder Planeten, des Tons und der Farbe wurden alle mit Spottschriften bedacht, und nicht mehr. Celsus, wie ihr seht, „spricht in seinem Bedürfnis, sein Wissen zur Schau zu stellen“, von einer Schöpfungsleiter mit sieben Toren und [SD # 446] einem achten an ihrer Spitze – das ewig verschlossen bleibt. Die Mysterien des persischen Mithras werden erklärt und „obendrein musikalische Begründungen hinzugefügt.“ . . . . Und zu diesen wiederum bemüht er sich „eine weitere Erklärung hinzuzufügen, die ebenso mit musikalischen Überlegungen zusammenhängt“,158 d. h. mit den sieben Tönen der Tonleiter, den sieben Geistern der Sterne usw. usw.

Valentinus lässt sich weitläufig über die Macht der großen Sieben aus, die berufen waren, dieses Universum hervorzubringen, nachdem Ar(r)hetos oder der Unaussprechliche, dessen Name aus sieben Buchstaben zusammengesetzt ist, die erste Siebenheit repräsentierte. Dieser Name (Ar(r)hetos) deutet auf die siebenfältige Natur des Einen hin (des Logos). „Die Göttin Rhea“, sagt Proklos im „Timaios“ (S. 121), „ist eine Monade, eine Duade und eine Heptade“, indem sie alle Titanen in sich einschließt, „sieben an der Zahl“.

Die sieben Schöpfungen finden sich in fast allen Puranas. Ihnen allen geht voran, was Wilson als „das ungetrennte Prinzip“ übersetzt, der absolute Geist, frei von jeglicher Beziehung zu Sinnesgegenständen. Diese Schöpfungen sind: (1) Mahattattva, die Universalseele, unendlicher Intellekt oder das Göttliche Gemüt; (2) Bhuta oder Bhutasarga, die elementale Schöpfung, die erste Differenzierung der universalen, undifferenzierten Substanz; (3) Indriya oder Aindriyaka, die organische Evolution. „Diese Drei waren die Prakriti-Schöpfungen, die Entwicklungen der undifferenzierten Natur, welche dem undifferenzierten Prinzip vorausgingen“; (4) Mukhya, die grundlegende Schöpfung der wahrnehmbaren Dinge, war die Schöpfung unbelebter Körper;159 (5) Tairyagyonya oder Tiryakshrotas war die der Tiere; (6) Urdhvashrotas oder die der Gottheiten (?);160 (7) Arvakshrotas war die des Menschen. (Siehe „Vishnu-Purana“)

Das ist die in den exoterischen Texten gegebene Reihenfolge. Nach der esoterischen Lehre gibt es sieben primäre und sieben sekundäre „Schöpfungen“; Erstere sind die sich aus der einen ursachlosen Kraft selbst evolvierenden Kräfte; Letztere zeigen das sich aus den bereits differenzierten göttlichen Elementen hervorgehende manifestierte Universum.

Esoterisch so gut wie exoterisch stehen sämtliche oben aufgezählten Schöpfungen für die (7) Evolutionsperioden, ob sie auf ein „Zeitalter“ oder einen „Tag“ Brahmâs folgen. Das ist die Lehre der okkulten Philosophie par excellence, die jedoch „in Bezug auf die primäre ‘Schöpfung’“ niemals den Begriff der „Schöpfung“ gebraucht, ja nicht einmal den der Evolution, sondern alle derartigen KräfteAspekte der Ursachlosen Kraft“ nennt. In der Bibel [SD # 447] werden die sieben Perioden zu sechs Schöpfungstagen und dem siebten, dem Ruhetag, zusammengeschrumpft, und die Abendländer hängen am Buchstaben. Wenn in der hinduistischen Philosophie der wirkende Schöpfer die Welt der Götter, die Keime aller undifferenzierten Elemente und die Ansätze der künftigen Sinne hervorgebracht hat (kurz gesagt die Welt der Noumena), verbleibt das Universum einen „Tag Brahmâs“ lang oder für einen Zeitraum von 4.320.000.000 Jahren unverändert. Das ist die auf die sechs Perioden aktiver Evolution folgende siebte, passive Periode oder der „Sabbat-Tag“ der östlichen Philosophie. Im Satapatha-Brahmana strahlt das „Brahman“ (Neutrum), die absolute Ursache aller Ursachen, die Götter aus. Nachdem es (durch seine ihm innewohnende Natur) die Götter ausgestrahlt hat, wird das Werk unterbrochen. Im ersten Buch Manus heißt es: „Am Ausgang einer jeden Nacht (Pralaya) erwacht Brahmâ, der geschlafen hatte, und bewirkt, dass sich der Geist durch die bloße Energie der Bewegung aus sich selbst heraus emaniert, der in seiner Essenz ist und doch nicht ist.“

Im Sefer Jezirah, dem kabbalistischen Buch der Schöpfung, hat der Verfasser offensichtlich die Worte Manus wiederholt. Dem Buch zur Folge existierte die Göttliche Substanz allein seit Ewigkeit, grenzenlos und absolut; und hat den Geist aus sich selbst heraus ausgesendet. „Eins ist der Geist des lebendigen Gottes, gepriesen sei sein Name, der lebt in Ewigkeit! Stimme, Geist und Wort, das ist der Heilige Geist.“ (Sefer Jezirah, Kap. 1, Mischna ix) Und das ist die kabbalistische, abstrakte Dreieinigkeit, die von den Kirchenvätern so ungezwungen anthropomorphisiert wurde. Aus dieser dreifachen Eins emanierte der gesamte Kosmos. Zuerst emanierte aus der Eins die Zahl Zwei oder die Luft, das schöpferische Element; dann ging die Zahl Drei, das Wasser, aus der Luft hervor; Ether oder Feuer vervollständigt die mystische Vier, den Arba-il (Ibid.). In der östlichen Lehre ist Feuer das erste Element – Ether, welcher das Ganze synthetisiert (da er sie alle enthält).

Im Vishnu-Purana“ werden alle sieben Perioden angegeben, und die fortschreitende Evolution der „Geistseele“ und der sieben Formen der Materie (oder der Prinzipien) wird gezeigt. Es ist unmöglich, sie in diesem Werk aufzuzählen. Der Leser wird gebeten, eines der Puranas genau durchzusehen.

„R. Yehudah begann, so steht geschrieben: ‘Die Elohim sagten: Es sei eine Ausdehnung inmitten der Wasser. . . . . Zu der Zeit als der Heilige . . . die Welt erschuf, erschuf Er (erschufen sie) 7 Himmel oben. Er erschuf 7 Erden unten, 7 Meere, 7 Tage, 7 Flüsse, 7 Wochen, 7 Jahre, 7 Zeiten und 7.000 Jahre, die die Welt gewesen war. . . . . das Siebte des ganzen Millenniums. So sind hier sieben Erden unten, sie sind alle bewohnt, ausgenommen jene, die oben sind, und jene . . . . unten. Und . . . . zwischen den Erden ist jeweils ein Himmel (Firmament) ausgebreitet. . . . . Und in jenen (diesen Erden) gibt es Geschöpfe, die alle unterschiedlich aussehen . . . . aber wenn ihr einwendet und sagt, dass alle Kinder der Welt von Adam abstammen, so [SD # 448] ist dem nicht so. . . . . Und die niederen Erden, woher kommen sie? Sie kommen von der Erdkette und von dem Himmel darunter.“ etc. etc.161

Irenäus bezeugt uns ebenfalls (und zwar sehr unfreiwillig), dass die Gnostiker dasselbe System lehrten, während sie die wahre esoterische Bedeutung sehr sorgfältig verschleierten. Dieser „Schleier“ ist jedoch identisch mit dem des Vishnu-Puranas und anderen. So schreibt Irenäus über die Markosianer: „Sie behaupten, dass zuallererst die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft nach dem Abbild der ursprünglichen oberen Tetrade hervorgebracht wurden, und dass sich ein genaues Ebenbild der Achtheit ergibt, wenn wir ihre Wirkungen hinzufügen, nämlich Wärme, Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit.“ („Adv. Haer.“, Bd. i Kap. xvii)

Nur sind dieses „Ebenbild“ und die Achtheit selbst Blenden, gerade so wie bei den sieben Schöpfungen des Vishnu-Puranas, denen noch zwei weitere hinzugefügt werden, von welchen die achte mit dem Namen Anugraha „zugleich die Eigenschaften der Güte und der Dunkelheit besitzt“, eher eine Sankhya-Idee als eine puranische. Denn Irenäus wiederholt (Bd. i, xxx 6), dass „sie (die Gnostiker) eine ähnliche achte Schöpfung hatten, die gut und böse, göttlich und menschlich war. Sie behaupten, dass der Mensch am achten Tag geformt wurde. Manchmal behaupten sie, dass er am sechsten Tag erschaffen wurde, und ein anderes Mal am achten; außer sie wären möglicherweise der Ansicht, dass sein irdischer Teil am sechsten Tag gebildet wurde und sein leiblicher Teil (?) am achten; diese beiden wurden von ihnen unterschieden.“

Allerdings wurden sie „unterschieden“, aber nicht so, wie Irenäus es darstellt. Die Gnostiker kannten eine obere und eine untere Siebenheit im Himmel, und eine dritte, irdische Siebenheit auf der materiellen Ebene. Iao, der geheime Gott und Herrscher des Mondes, wie auf Origenes Karte dargestellt, war das Oberhaupt dieser oberen „sieben Himmel162, und deshalb identisch mit dem Oberhaupt der lunaren Pitris; diese Bezeichnung gaben sie den lunaren Dhyan Chohans. „Sie versichern, dass diese sieben Himmel intelligent sind, und sprechen von ihnen als von Engeln“, schreibt derselbe Irenäus; und fügt hinzu, dass sie Iao aus diesem Grund Hebdomas nannten, während seine Mutter „Ogdoas“ hieß, weil sie, wie er erklärt, „die Zahl der ersterzeugten und ursprünglichen Achtheit des Pleromas bewahrt“ (ebenda, Bd. 1, v. 2).

Diese „ersterzeugte Achtheit“ war (a) in der Theogonie der zweite Logos, (der geoffenbarte), weil er aus dem siebenfältigen ersten Logos geboren wurde, daher ist er Achter auf dieser manifestierten Ebene; und (b) in der Sternenverehrung war er die Sonne, Marttanda – der achte Sohn Aditis, den sie verstößt, während sie ihre sieben Söhne bewahrt, die Planeten. Denn die Alten haben die Sonne niemals als einen Planeten angesehen, sondern als einen Zentral- und Fixstern. Dieser ist nun also die zweite Siebenheit, aus der Siebenstrahligen geboren: Agni, die Sonne [SD # 449] und was nicht noch alles, nicht aber die sieben Planeten, welche Suryas Brüder sind, nicht aber seine Söhne. Diese astralen Götter – der Sohn Sophia Achamoths und die Tochter Sophias (Weisheit), deren Region das Pleroma ist – waren Ildabaoths163 (von Ialda, „Kind“, und Baoth, „das Ei“) Söhne. Bei den Gnostikern war Ildabaoth das Oberhaupt der astralen Götter. Er erschafft folgende sechs Sternengeister aus sich selbst heraus: Jove (Johovah), Zebaoth, Adonai, Eloëus, Orëus, Astaphäus164und sie bilden die zweite oder geringere Siebenheit. Was die dritte anbelangt, so ist sie aus den sieben ursprünglichen Menschen zusammengesetzt, den Schatten der lunaren Götter, die aus der ersten Hebdomas projiziert worden waren. Wie wir sehen, weicht die gnostische Lehre hier lediglich geringfügig von der esoterischen ab, die Gnostiker verhüllten sie lediglich. Was die Beschuldigung von Irenäus anbelangt, dem die wahren Lehren der „Häretiker“ offenbar nicht bekannt waren, und zwar über die Erschaffung des Menschen am sechsten Tag und, was sich auf die Geheimnisse des inneren Menschen bezieht, über seine Erschaffung am achten Tag: Das wird dem Leser erst dann verständlich werden, wenn er Band II gelesen und die Anthropogenesis der esoterischen Lehre wohl verstanden haben wird.

Ildabaoth ist eine Kopie Manus, der sich brüstet: „Oh, Bester der zweimalgeborenen Menschen! Wisse, dass ich (Manu) er bin, der Schöpfer dieser ganzen Welt, den jener männliche Viraj . . . spontan aus sich selbst hervorbrachte.“ (I, 33) Zuerst erschafft er die zehn Herren des Daseins, die Prajapatis, die, wie uns Vers 36 sagt . . . „sieben weitere Manus hervorbringen“ („The Ordinances of Manu“). Ildabaoth brüstet sich desgleichen: „Ich bin der Vater und Gott, und über mir gibt es niemanden“, ruft er aus. Wofür ihn seine Mutter gelassen mit den Worten zum Schweigen bringt: „Lüge nicht, Ildabaoth, denn der Vater von allen, der erste Mensch (Anthropos) steht über dir und ebenso Anthropos, der Sohn des Anthropos.“ („Irenäus“, Bd. I, Kap. xxx, 6) Das ist ein guter Beweis dafür, dass man drei Logoi hatte (abgesehen von den sieben, die aus dem ersten geboren waren), von welchen einer der Sonnenlogos ist. Und wer wiederum war jener „Anthropos“ selbst, der so viel höher stand als Ildabaoth? Die gnostischen Aufzeichnungen allein können dieses Rätsel lösen. In der Pistis Sophia wird der viervokalige Name Ieov gewöhnlich von dem Beiwort „der Ursprüngliche oder der Erste Mensch“ begleitet. Das wiederum zeigt, dass die Gnosis lediglich einen Widerhall unserer archaischen Lehre darstellt. Die Parabrahman, Brahman und Manu (der erste denkende Mensch) entsprechenden Namen sind aus ein-, drei- und siebenvokaligen Tönen gebildet. Markus, dessen Philosophie der pythagoreischen sicherlich ähnlicher war als sonst irgendetwas, spricht von einer ihm zuteil gewordenen Offenbarung, in der jeder der sieben Himmel einen Vokal ertönen ließ, als sie die sieben Namen der sieben (engelhaften) Hierarchien aussprachen.

Wenn der Geist jedes kleinste Atom der sieben Prinzipien des Kosmos durchdrungen hat, dann beginnt nach der oben erwähnten Ruheperiode die zweite Schöpfung.

[SD # 450] „Die Schöpfer (Elohim) entwerfen in der zweiten ‘Stunde’ die Gestalt des Menschen“, sagt Rabbi Schimon („Das Nuctemeron der Hebräer“). „Es gibt zwölf Stunden am Tag“, sagt die Mischna, „und in diesen Stunden wird die Schöpfung vollbracht“. Die „zwölf Stunden des Tages“ sind wieder die verkleinerte Kopie, das schwache, jedoch getreue Echo der ursprünglichen Weisheit. Wie die 12.000 göttlichen Jahre der Götter, sind sie eine zyklische Maske. Jeder „Tag Brahmâs“ besteht aus 14 Manus, welche die hebräischen Kabbalisten zu 12 „Stunden“ entstellten, hierin den Chaldäern folgend.165 Das „Nuctemeron“ des Apollonios von Tyana ist dasselbe. „Das Zwölfeck liegt im vollkommenen Würfel verborgen“, sagen die Kabbalisten. Die mystische Bedeutung davon ist, dass die zwölf großen Umwandlungen des Geistes in die Materie (die 12.000 göttlichen Jahre) während der vier großen Zeitalter oder dem ersten Maha-Yuga stattfinden. Mit der metaphysischen und übermenschlichen Natur beginnend, endet es mit der physischen und der rein menschlichen Natur des Kosmos und des Menschen. Die östliche Philosophie vermag die Zahl der Jahre der Sterblichen anzugeben, welche für den Ablauf der spirituellen und physischen Evolution des Sichtbaren und des Unsichtbaren notwendig sind, sollte das der westlichen Wissenschaft nicht gelingen.

Die primäre Schöpfung wird die Schöpfung des Lichts (Geistes) genannt; und die sekundäre die der Dunkelheit (Materie).166 Beide finden sich in Gen 1,2-3, und auch am Beginn von Kap. 2. Die erste ist die Emanation der selbst-geborenen Götter (Elohim); die zweite die der physischen Natur.

Darum heißt es im „Zohar“: „Oh, Gefährten, Gefährten, bei seiner Emanation war der Mensch Mann und Frau zugleich; sowohl auf der Seite des Vaters als auf der Seite der Mutter. Und das ist der Sinn der Worte: Und die Elohim sprachen: ‘Es werde Licht, und es ward Licht!’ . . . Und dies ist der ‘zweifache Mensch’! “ Das Licht unserer Ebene ist in den höheren Sphären jedoch Finsternis.

„Mann und Frau auf der Seite des Vaters“ (Geistes) bezieht sich auf die primäre Schöpfung, und auf der Seite der Mutter (Materie) auf die sekundäre. Der zweifältige Mensch ist Adam Kadmon, das männliche und weibliche abstrakte Urbild und die differenzierten Elohim. Der Mensch geht aus den Dhyan Chohans hervor, und er ist ein „Gefallener Engel“, ein Gott in der Verbannung, wie gezeigt werden wird.

In Indien werden diese Schöpfungen wie folgt beschrieben:

(I) Die Mahat-Tattva Schöpfung, so genannt, weil sie die ursprüngliche Selbstevolution dessen beschreibt, was zu Mahat werden sollte, zum „bewussten und intelligenten göttlichen Gemüt“; esoterisch zum „Geist der Universalseele“. . . . „Würdigster der Asketen, durch ihre Kraft (die Kraft jener Ursache) kommt jede hervorgebrachte Ursache entsprechend ihrer eigenen Natur.“ (Vishnu-Purana“) „Da die Fähigkeiten aller Wesen [SD # 451] nur durch die Erkenntnis von Jenem (Brahman) verstanden werden, das über der Denkfähigkeit, jeglicher schöpferischen Tätigkeit und dergleichen liegt, sind solche Kräfte auf Brahman zu beziehen.“ Jenes geht somit der Manifestation voraus. „Das Erste war Mahat“, sagt das Linga-Purana; denn das Eine (Jenes) ist weder Erstes noch Letztes, sondern alles. Exoterisch ist diese Manifestation jedoch das Werk des „Höchsten“ (vielmehr die natürliche Wirkung der ewigen Ursache); oder wie der Kommentator sagt, es könnte damit gemeint sein, dass Brahmâ damals erschaffen (?) wurde, indem er mit Mahat identifiziert wurde, der aktiven Intelligenz oder dem ausübenden Willen des Allerhöchsten. Die Esoterische Philosophie bezeichnet es als „das wirkende Gesetz“.

Das richtige Verständnis dieses Lehrsatzes der Brahmanas und Puranas ist, wie wir glauben, der Zankapfel zwischen den drei vedantischen Sekten: den Advaitas, den Dvaitas und den Visishtadvaitas. Die erste schließt richtig, dass Parabrahman, welches als das absolute All in keinerlei Beziehung zur manifestierten Welt steht, da das Unendliche keinerlei Bezug zum Endlichen hat, weder wollen oder erschaffen kann, dass daher Brahmâ, Mahat, Iswara oder jeder andere Name, unter welchem die schöpferische Kraft bekannt ist, schöpferische Götter und alles Übrige, einfach trügerische Aspekte Parabrahmans in der Vorstellung der Nachsinnenden sind. Die anderen Sekten identifizieren die unpersönliche Ursache indessen mit dem Schöpfer oder Iswara.

Für die Vaishnavas ist Mahat (oder Maha-Buddhi) das Göttliche Gemüt in aktiver Tätigkeit, oder, wie Anaxagoras sich ausdrückt, „ein schaltender und waltender Verstand, der die Ursache aller Dinge war“ – Νοῦς ὅ διακοσμῶντε και πάντων ἄιτιος.

Mit einem Blick erkannte Wilson den suggestiven Zusammenhang zwischen Mahat und dem phönizischen Mot oder Mut, der bei den Ägyptern weiblich war – die Göttin Mout, die „Mutter“ – „die gleich Mahat“, wie er sagt, „das erste Erzeugnis der Vermischung (?) von Geist und Materie war und das erste Rudiment der Schöpfung“. „Ex connexione autem eius spiritus prodiit Mot . . . . . Aus dessen Samen alle lebenden Dinge erschaffen wurden“ – wiederholt Brücker (I, 240) – und gibt ihm eine noch materialistischere und anthropomorphischere Färbung.

Nichtsdestoweniger ist der esoterische Sinn der Lehre schon auf den ersten Blick in jedem exoterischen Satz jener alten Sanskrittexte zu erkennen, die von der ursprünglichen Schöpfung handeln. „Die höchste Seele, die alles durchdringende (Sarvaga) Substanz der Welt, war eingetreten (war hereingezogen worden) in Materie (Prakriti) und Geist (Purusha) und versetzte die wandelbaren und die unwandelbaren Prinzipien in Bewegung, da die Zeit der Schöpfung (das Manvantara) gekommen war.“167 . . .

[SD # 452] Die Geheimlehre lehrt, dass die Dhyan Chohans das kollektive Aggregat der göttlichen Intelligenz oder des ursprünglichen Gemüts sind, und dass die ersten Manus – die sieben „aus der Seele geborenen“ spirituellen Intelligenzen – mit den Ersteren identisch sind. Daher ist „Kwan-Shi-Yin“ – „der Goldene Drachen, in dem die Sieben sind“ der Stanze III – der ursprüngliche Logos oder Brahmâ, die erste manifestierte schöpferische Kraft. Und die dhyanischen Energien sind die Manus oder Manu-Svayambhuva gemeinsam. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen den „Manus“ und „Mahat“ ist übrigens leicht zu erkennen. Manu entstammt der Wurzel man, „denken“, und das Denken entspringt aus dem Gemüt. In der Kosmogonie ist es die Periode vor der Nebelbildung.

(II) „Die zweite Schöpfung“, „Bhuta“, war die der rudimentären Prinzipien (Tanmatras), daher heißt sie die elementare Schöpfung (Bhutasarga).168 Sie ist die Periode des ersten Atems der Differenzierung der präkosmischen Elemente oder Materie. Bhutadi bedeutet buchstäblich den „Ursprung der Elemente“ und kommt vor Bhuta-Sarga – der „Schöpfung“ oder Differenzierung jener Elemente im ursprünglichen „Akasha“ (dem Chaos oder der Leere).169 Im Vishnu-Purana“ heißt es von ihm, dass er zum dreifachen Aspekt Ahamkaras gehört und seinem dreifachen Aspekt entsprechend vor sich geht. Ahamkara wird mit Ichbezogenheit übersetzt, steht aber vielmehr für den nicht übersetzbaren Ausdruck der „Ich-bin-heit“, das, was zuerst aus „Mahat“ oder dem göttlichen Gemüt hervorgeht; es ist der erste schattenhafte Umriss der Selbstbezogenheit, denn der „reine“ Ahamkara wird „leidenschaftlich“ und schließlich „rudimentär“ [SD # 453] (ursprünglich). Er ist „der Ursprung des bewussten sowie allen unbewussten Daseins“, obwohl die esoterische Schule die Idee zurückweist, dass irgendetwas „unbewusst“ sein könnte – es sei denn auf dieser (unserer) Ebene der Täuschung und Unwissenheit. In diesem Stadium der zweiten Schöpfung erscheint die zweite Hierarchie der Manus, die Dhyan Chohans oder Devas, welche der Ursprung der Form (Rupa) sind: die Chitrasikhandina (die mit einem Strahlenkranz Verzierten) oder die Rikshas – jene Rishis, welche die belebenden Seelen der sieben Sterne (des Großen Bären) wurden.170 In astronomischer und kosmogonischer Sprache bezieht sich diese Schöpfung auf die Periode des Feuernebels, auf das erste Stadium des kosmischen Lebens nach dem Zustand des Chaos,171 wenn die Atome aus Laya hervorgehen.

(III) Die dritte Schöpfung (Indrya) war die modifizierte Form von Ahamkara, der Idee des „Ichs“ (von „Aham“, „Ich“), die organische Schöpfung oder die Schöpfung der Sinne (Aindriyaka) genannt. „Diese drei waren die Prakrita-Schöpfung, die (getrennten) Entwicklungen der ungetrennten Natur, welcher das ungetrennte Prinzip vorausging.“ Das Wort „vorausging“ sollte hier ersetzt werden und es somit besser heißen „begann durch“, nämlich Buddhi; denn Letzteres ist weder eine getrennte noch eine ungetrennte Größe, sondern hat Anteil an der Natur von beiden, im Menschen wie auch im Kosmos. Eine Einheit – eine menschliche Monade auf der Ebene der Illusion – wird Buddhi, einmal erlöst von den drei Formen Ahamkaras und von ihrem irdischen Manas befreit, tatsächlich zu einer stetigen Größe sowohl in Bezug auf Dauer als auch auf Ausdehnung, denn sie ist ewig und unsterblich. Weiter vorne wurde festgestellt, dass die dritte Schöpfung, „überreich an Güte, Urdhvashrotas genannt wird“; und eine oder zwei Seiten später wird die Urdhvashrotas-Schöpfung als „die sechste Schöpfung . . . die der Gottheiten“ (S. 75) erwähnt. Das zeigt klar, dass frühere so gut wie spätere Manvantaras absichtlich durcheinander gebracht wurden, um den [SD # 454] Profanen an der Entdeckung der Wahrheit zu hindern. Das wird von den Orientalisten als „Inkongruenz“ und „Widersprüche“ bezeichnet.172

Diese „Schöpfung“ der Unsterblichen, „Deva-Sarga“, ist die letzte der ersten Reihe und hat eine universale Bedeutung; sie bezieht sich nämlich auf die Evolution im Allgemeinen und nicht speziell auf unser Manvantara; Letzteres beginnt jedoch immer wieder mit dem Gleichen, und das zeigt, dass es sich auf verschiedene, getrennte Kalpas bezieht. Denn es heißt: „Am Schluss des vergangenen (Padma-) Kalpas erwachte der göttliche Brahmâ aus seinem nächtlichen Schlaf und sah das Universum leer.“ Dann wird gezeigt, wie Brahmâ im zweiten Stadium der Evolution die „sieben Schöpfungen“ erneut durchläuft, indem er die ersten drei auf der objektiven Ebene wiederholt.

(IV) Die Mukhya oder die Erste, da mit ihr die Reihe der vier Schöpfungen beginnt. Weder der Ausdruck „unbelebte“ Körper noch die unbeweglichen Dinge der Wilsonschen Übersetzung geben eine richtige Vorstellung der verwendeten Sanskritbegriffe. Die Esoterische Philosophie steht nicht allein mit ihrer Ablehnung der Vorstellung, irgendein Atom könnte anorganisch sein, denn auch der orthodoxe Hinduismus lehnt diese Vorstellung ab. Darüber hinaus sagt Wilson (in seinen gesammelten Werken, iii, S. 381) selbst: „Alle hinduistischen Systeme betrachten die Körper der Pflanzen als mit Leben ausgestattet. . . . “ Charachara oder die Synonyme Sthavara und Jangama werden daher nur ungenau wiedergegeben mit „belebte und unbelebte“, „fühlende Wesen“ und „unbewusste“ oder „bewusste und unbewusste Wesen“ usw. usw., „bewegliche und feststehende“ wäre besser, „da man davon ausging, dass Bäume im Besitz einer Seele seien“. Mukhya ist die „Schöpfung“ oder organische Evolution des Pflanzenreichs. In dieser sekundären Periode werden die drei Stufen der elementaren oder rudimentären Reiche dieser Welt evolviert, in umgekehrter Reihenfolge der drei prakritischen Schöpfungen in der primären Periode von Brahmâs Aktivität. Da gemäß der Worte des „Vishnu-Puranas“ in jener Periode „die erste Schöpfung Mahat (Intellekt) betraf, die zweite Tanmatras (rudimentäre Prinzipien) und die dritte die Schöpfung der Sinne (Aindriyaka) war“, stehen in dieser die elementalen Kräfte in folgender Reihenfolge: (1) Die entstehenden (intellektuellen und physischen) Kraftzentren; (2) die rudimentären Prinzipien – die Nervenkraft, sozusagen; und (3) die entstehende Wahrnehmung, der Mahat der niederen Reiche, welche insbesondere in der dritten Ordnung der Elementale entwickelt wurde; auf diese folgt das [SD # 455] objektive Mineralreich, in welchem die Wahrnehmung vollständig latent ist, um sich zuerst wieder in den Pflanzen zu entwickeln. Die Mukhya-„Schöpfung“ ist also der Mittelpunkt zwischen den drei niederen und den drei höheren Reichen, welche die sieben esoterischen Reiche des Kosmos und der Erde repräsentieren.

(V) Die Tiryakshrotas- (oder Tairyagyonya-) Schöpfung,173 die der „(heiligen) Tiere“, korrespondiert lediglich auf der Erde mit der Schöpfung der stummen Tiere. Unter „Tieren“ wird in der primären Schöpfung der Keim des erwachenden Bewusstseins oder der Wahrnehmung verstanden, welcher bei einigen sensitiven Pflanzen der Erde schwach und bei den protistischen Moneren174 stärker ausgeprägt beobachtet werden kann. Auf unserem Globus geht während der ersten Runde die Tier-„Schöpfung“ der des Menschen voraus, während die Säugetiere in unserer vierten Runde aus dem Menschen evolvieren – auf der physischen Ebene; in Runde I wurden die Tieratome in eine Kohäsion mit der menschlichen physischen Form gezogen; wohingegen in Runde IV das Gegenteil geschieht, entsprechend den während des Lebens entwickelten magnetischen Bedingungen. Und das ist Metempsychose (siehe „Mineral Monad“ in „Five Years of Theosophy“, S. 276). Dieses fünfte Stadium der Evolution, exoterisch „Schöpfung“ genannt, lässt sich in der primären Periode als die spirituelle und kosmische und in der sekundären als die materielle und irdische Entwicklung betrachten. Es ist Archebiosis oder Lebensursprung – „Ursprung“ natürlich insofern, als die Manifestation des Lebens alle sieben Ebenen betrifft. In dieser Evolutionsperiode differenziert sich die absolut ewige, universale Bewegung oder Schwingung, das, was in der esoterischen Sprache der „Große Atem“ genannt wird, in das ursprüngliche, erste manifestierte Atom. Dieses okkulte Axiom findet mit dem Fortschreiten der Wissenschaften der Chemie und Physik immer mehr und mehr seine Bestätigung in der wissenschaftlichen Welt. Die wissenschaftliche Hypothese, dass selbst die einfachsten Elemente der Materie ihrer Natur nach identisch sind und sich voneinander nur infolge der verschiedenartigen Verteilungen der Atome in dem Molekül oder Substanzkörnchen unterscheiden oder infolge der verschiedenen Arten ihrer atomaren Schwingungen, gewinnt jeden Tag an Boden.

Wie daher die Differenzierung des ursprünglichen Lebenskeims der Evolution der Dhyan Chohans der dritten Gruppe oder Hierarchie des Daseins in der ursprünglichen Schöpfung vorausgehen muss, ehe jene „Götter“ Rupa werden können (verkörpert in ihrer ersten etherischen Form), muss aus [SD # 456] demselben Grund die Tierschöpfung dem göttlichen Menschen auf der Erde vorausgehen. Und das ist der Grund, warum wir in den Puranas lesen, dass „die fünfte, die Tairyagyonya-Schöpfung, die der Tiere war“, und weiter –

(VI) Die Urdhvashrotas-Schöpfung oder die der Gottheiten (Vishnu-Purana“, Buch I, Kap. i). Diese (Gottheiten) sind jedoch lediglich Prototypen der ersten Rasse, die Väter ihrer „aus dem Gemüt geborenen“ Nachkommen mit weichen Knochen.175 Sie waren es, die anschließend die „Schweißgeborenen“ entwickelten – ein Ausdruck, der in Band II erklärt werden wird. Schließlich folgt die sechste „Schöpfung“, und die „Schöpfung“ wird im Allgemeinen beendet durch –

(VII) Die Evolution der „Arvakshrotas-Wesen, welche die siebte darstellte, die des Menschen“ (Vishnu-Purana“, Buch I).

Die erwähnte „achte Schöpfung“ ist gar keine Schöpfung; sie ist lediglich eine weitere Blende, denn sie bezieht sich auf einen rein geistigen Prozess: die Erkenntnis der ihrerseits eine Wirkung darstellenden „neunten“ Schöpfung, welche sich in der sekundären Schöpfung offenbart von dem, was in der primären (Prakrita) Schöpfung eine „Schöpfung“ war.176 Die Achte sodann, Anugraha genannt (die Pratyayasarga- oder intellektuelle Schöpfung der Sankhyas, erklärt in „Karika“, V. 46, S. 146), ist „die Schöpfung, von der wir eine Wahrnehmung besitzen“ – in ihrem esoterischen Aspekt, und „der wir intellektuelle Zustimmung erteilen (Anugraha), im Gegensatz zur organischen Schöpfung“. Sie ist die korrekte Auffassung unserer Beziehungen zu der gesamten Reihe von „Göttern“, und insbesondere jener, die wir mit den Kumaras unterhalten – der sogenannten „neunten Schöpfung“, die in Wirklichkeit ein Aspekt oder eine Reflexion der sechsten Schöpfung unseres Manvantaras (dem Vaivasvata) ist. „Es gibt eine neunte, die Kumara- Schöpfung, die zugleich primär und sekundär ist“, sagt das Vishnu-Purana“, der älteste dieser Texte.177 „Die Kumaras“, erläutert ein esoterischer Text, [SD # 457] „sind die Dhyanis, die unmittelbar aus dem höchsten Prinzip stammen und die in der Vaivasvata-Manu-Periode für die Weiterentwicklung der Menschheit erneut erscheinen werden“.178 Der Kommentator des Vishnu-Puranas bestätigt das, indem er anmerkt, dass „diese Weisen so lange leben wie Brahmâ; und sie werden von ihm nur im ersten Kalpa erschaffen, auch wenn ihre Erschaffung allgemein und im Widerspruch dazu dem (sekundären) Varaha- oder Padma-Kalpa zugeordnet wird“. So sind die Kumaras exoterisch „die Schöpfung Rudras oder Nilalohitas, einer Form Shivas, durch Brahmâ und gewisser anderer aus dem Gemüt geborener Söhne Brahmâs“. In der esoterischen Lehre jedoch sind sie die Vorfahren des wahren spirituellen Selbst im physischen Menschen – die höheren Prajapati, während die Pitris oder niederen Prajapati nicht mehr als die Väter des Modells oder Typus seiner physischen Form sind, „nach ihrem Bilde“ erschaffen. Vier (und gelegentlich fünf) werden in den exoterischen Texten offen erwähnt, während drei der Kumaras geheim sind179 (vgl., was über „Die gefallenen Engel“ in Band II gesagt wird).

Die vier exoterischen sind Sanat-Kumara, Sananda, Sanaka und Sanatana; und die esoterischen drei sind Sana, Kapila und Sanat-Sujata. Auf diese Klasse von Dhyan Chohans wird aufs Neue besonders aufmerksam gemacht, weil hierin das in Band I angedeutete Geheimnis der Erzeugung und Vererbung liegt (siehe die vier Ordnungen engelhafter Wesen, Kommentar zur Stanze VII). Band II erklärt ihre Stellung in der göttlichen Hierarchie. Prüfen wir unterdessen, was die exoterischen Texte über sie sagen.

Sie sagen wenig; und demjenigen, der zwischen den Zeilen zu lesen versäumt – gar nichts. „Wir müssen hier unsere Zuflucht zu anderen Puranas nehmen, um diesen Ausdruck aufzuklären“, bemerkt Wilson, der auch nicht einen einzigen Augenblick daran zweifelt, dass er sich hier in der Gegenwart der „Engel der Finsternis“, des mythischen „großen Feindes“ seiner Kirche, befindet. Daher sinnt er nach nichts weiter als aufzuklären, dass diese (Gottheiten) mit ihrer Weigerung, Nachkommenschaft zu zeugen180 (und damit mit ihrer Rebellion gegen Brahmâ), wie der Name [SD # 458] des ersten impliziert, immer Knaben bleiben werden, Kumaras: d. h. immer rein und unschuldig, und entsprechend heißt ihre Schöpfung auch „Kumara“-Schöpfung (Buch I, Kap. V, Vishnu-Purana“). Die Puranas mögen jedoch ein wenig mehr Licht vertragen. „Da er immer ist, wie er geboren wurde, wird er hier ein Jüngling genannt; und daher ist sein Name als Sanat-Kumara wohlbekannt („Linga-Purana, Vorspann, LXX, S. 174). Im Shiva-Purana werden die Kumaras immer als Yogins beschrieben. Das Kurma-Purana sagt, nachdem es sie aufgezählt hat: „Diese fünf, oh Brahmanen, waren Yogins, die vollständige Befreiung von Leidenschaften erlangten.“ Es sind ihrer fünf, weil zwei der Kumaras fielen.

Unter allen sieben großen Abteilungen der Dhyan Chohans oder Devas finden sich keine, mit der die Menschheit mehr zu tun hätte als mit den Kumaras. Unklug sind die christlichen Theologen, die sie zu gefallenen Engeln erniedrigten und sie jetzt „Satan“ und Dämonen nennen. Denn unter diesen Bewohnern des Himmels, die sich weigern zu erschaffen, muss dem Erzengel Michael – dem größten Schutzheiligen der westlichen und östlichen Kirchen, unter seinem doppelten Namen des Hl. Michael und seiner vermutlichen irdischen Kopie, dem Hl. Georg, der den Drachen besiegt – einer der hervorragendsten Plätze eingeräumt werden (siehe Band II, „Die heiligen Drachen und ihre Bezwinger“).

Die Kumaras, die „aus dem Gemüt geborenen Söhne“ Brahmâ-Rudras (oder Shivas), mystisch181 betrachtet [SD # 459] des brüllenden und schreckenerregenden Zerstörers der menschlichen Leidenschaften und der physischen Sinne, die der Entwicklung der höheren spirituellen Wahrnehmungskräfte und dem Wachstum des inneren, ewigen Menschen immer im Wege stehen, sind die Nachkommen Shivas, des Mahayogi, des großen Schutzherrn aller Yogis und Mystiker Indiens. Sie selbst also, welche die „jungfräulichen Asketen“ sind, weigern sich, das materielle Wesen Mensch zu erschaffen. Sie können gut und gerne direkt mit dem christlichen Erzengel Michael in Verbindung gebracht werden, mit dem „jungfräulichen Bekämpfer“ des Drachens Apophis, dem jede zu lose mit ihrem unsterblichen Geist verbundene Seele zum Opfer fällt, mit dem Engel also, der sich – den Kumaras gleich – weigerte, zu erschaffen, wie die Gnostiker zeigten (siehe Band II, „Die heiligen Drachen und ihre Bezwinger“) . . . Hat dieser Schutzengel der Juden nicht die Aufsicht über den Saturn (Shiva oder Rudra) und den Sabbat, den Tag des Saturns? Wurde er nicht dargestellt, als sei er von derselben Wesenheit wie sein Vater (Saturn) und der „Sohn der Zeit“ genannt, des Kronos oder Kala (Zeit), einer Form Brahmâs (Vishnu und Shiva)? Und ist nicht der „alte Zeitgott“ der Griechen mit seiner Sense und seinem Stundenglas identisch mit dem „Alten der Tage“ der Kabbalisten; wobei dieser „Alte“ eins ist mit dem indischen „Alten der Tage“, mit Brahmâ (in seiner dreieinigen Form), auch „Sanat“ genannt, der Alte? Jeder Kumara besitzt das Präfix Sanat und Sana; und Sanaischara ist Saturn, der Planet (Sani und Sarra), der König Saturn, dessen Sekretär in Ägypten Thot-Hermes der Erste war. Sie werden somit sowohl mit dem Planeten als auch mit dem Gott (Shiva) identifiziert, die ihrerseits als die Prototypen des Saturns nachgewiesen sind. Letzterer ist wieder derselbe wie Bel, Baal, Shiva und Jehovah Sabbaoth, Der Engel, dessen Angesicht Michael ist ( ל ֶא ַב י מ, „ der Gott gleich ist “). Er ist der Patron und Schutzengel der Juden, wie Daniel uns sagt (Vers 12); und bevor die Kumaras von jenen, die nicht einmal über ihren eigenen Namen etwas wussten, zu Dämonen und gefallenen Engeln herabgewürdigt wurden, hatten die griechischen Ophiten, die okkult veranlagten Vorgänger und Vorläufer der römisch-katholischen Kirche, nach ihrer Abspaltung und Trennung von der griechischen Urkirche Michael mit ihrem Ophiomorphos identifiziert, dem rebellischen und opponierenden Geist. Das bedeutet nichts weiter als den umgekehrten Aspekt (symbolisch genommen) von Ophis – der Göttlichen Weisheit oder des Christos. Im Talmud ist Mikael (Michael) der „Prinz des Wassers“ und das Haupt der sieben Geister, und zwar aus demselben Grund, warum sein Prototyp (neben vielen anderen) Sanat-Sujata – [SD # 460] das Haupt der Kumaras – Ambhamsi genannt wird, „Gewässer“, nach dem Kommentar zum Vishnu-Purana“. Warum? Weil die „Wasser“ ein anderer Name sind für die „Große Tiefe“, die ursprünglichen Wasser des Raumes oder das Chaos. Sie haben auch die Bedeutung von „Mutter“, Amba, also Aditi und Akasha, die Himmlische Jungfräuliche Mutter des sichtbaren Universums. Weiter heißen die „Wasser der Flut“ auch „der Große Drache“ oder Ophis, Ophio-Morphos.

In der den Stanzen des II. Bandes beigegebenen „Symbolik“ werden die Rudras in ihrem siebenfältigen Charakter von „Feuergeistern“ betrachtet werden. Dort werden wir das Kreuz (3 + 4) unter seinen ursprünglichen und späteren Formen betrachten und uns zum Zweck des Vergleichs der pythagoreischen Zahlen sowie der hebräischen Metrologie bedienen. Die ungeheure Bedeutung der Zahl sieben als der Wurzelzahl der Natur wird dadurch offensichtlich werden. Wir werden sie vom Standpunkt der Veden und der chaldäischen Schriften aus untersuchen, wie sie in Ägypten Jahrtausende v. Chr. verfügbar waren und wie sie in den gnostischen Aufzeichnungen behandelt wird; wir werden zeigen, wie ihre Bedeutung als Grundzahl in der Naturwissenschaft Anerkennung gefunden hat; und wir werden zu beweisen versuchen, dass die der Zahl sieben während des gesamten Altertums zugeschriebene Bedeutung nicht die Folge fantastischer Einbildung ungebildeter Priester war, sondern einer tiefgehenden Kenntnis des Naturgesetzes entsprang.

 

 

§ XIV
Die vier Elemente

Metaphysisch und esoterisch betrachtet gibt es in der Natur nur Ein Element, und an dessen Wurzel ist die Gottheit; die sogenannten sieben Elemente, von denen sich bereits fünf manifestiert haben und ihre Existenz behaupten, sind das Gewand, der Schleier dieser Gottheit; direkt aus dessen Essenz kommt der Mensch hervor, ob physisch, psychisch, mental oder spirituell betrachtet. Im späteren Altertum wurden gewöhnlich nur vier Elemente erwähnt, lediglich in der Philosophie wurden fünf Elemente zugestanden. Denn der Hauptteil des Ethers ist noch nicht vollständig manifestiert, und sein Noumenon ist noch „der Allmächtige Vater – Äther, die Synthese der Restlichen“. Aber was sind diese „Elemente“, deren zusammengesetzte Massen, wie Chemie und Physik jüngst entdeckten, zahllose Unterelemente enthalten, deren gesamter Anzahl die bislang vermuteten sechzig oder siebzig nicht mehr gerecht werden (siehe Anhänge, §§ XI und XII, Zitate aus Crookes Vorlesungen)? Auf jeden Fall wollen wir ihre Entwicklung vom historischen Anbeginn verfolgen.

Die vier Elemente wurden von Platon vollständig charakterisiert, indem er sagte, sie seien das, „was die zusammengesetzten Körper zusammensetzt und zersetzt“. [SD # 461] Somit war die Anbetung des Kosmos niemals, nicht einmal in ihren schlechtesten Aspekten, dieser Fetischismus, der die passive, äußere Form und Materie irgendeines Gegenstands anbetet oder sie verehrt, sondern sie trachtete immer nach dem darin enthaltenen Noumenon. Feuer, Luft, Wasser und Erde waren lediglich das sichtbare Gewand, die Symbole der beseelenden, unsichtbaren Seelen oder Geister – der kosmischen Götter, welche die Unwissenden anbeteten und denen von den Weiseren einfache, aber ehrfurchtsvolle Anerkennung entgegengebracht wurde. Ihrerseits wurden die phänomenalen Unterteilungen der noumenalen Elemente von sogenannten Elementalen beseelt, von den „Naturgeistern“ niederer Grade.

In der Theogonie des Mochus finden wir zuerst den Ether und dann die Luft; die beiden Prinzipien, aus denen Ulom, der fassbare (νοήτος) Gott (das sichtbare materielle Universum), geboren wird.182

In den orphischen Hymnen evolviert Eros-Phanes aus dem geistigen Ei, das die ätherischen Winde befruchtet, wobei der Wind der „Geist Gottes“ ist, von dem es heißt, dass er sich im Äther bewege, „über dem Chaos brütend“ – die Göttliche „Idee“. In der hinduistischen Katha-Upanishad steht Purusha, der Göttliche Geist, bereits vor der ursprünglichen Materie, aus ihrer Vereinigung entspringt die große Seele der Welt, „Maha = Atman, Brahman, der Geist des Lebens“;183 diese letzteren Bezeichnungen sind wiederum identisch mit der Universalseele oder Anima Mundi, dem Astrallicht der Theurgen und Kabbalisten, und dabei ihrer letzten und niedersten Abteilung.

Die στοιχεῖα (Elemente) Platons und Aristoteles’ waren somit die mit den vier großen Abteilungen unserer kosmischen Welt verknüpften unkörperlichen Prinzipien, und Creuzer definiert diese ursprünglichen Glaubensvorstellungen zu Recht . . . „als eine Art von Magie, ein psychisches Heidentum und eine Vergöttlichung von Kräften; eine Vergeistigung, welche die Gläubigen mit diesen Kräften in eine enge Gemeinschaft zu bringen vermochte“ (Band IX, S. 850). So eng tatsächlich, dass die Hierarchien dieser Potenzen oder Kräfte in eine siebenstufige Skala klassifiziert wurden, vom Wägbaren bis zum Unwägbaren. Sie sind siebenfältig – nicht als Kunstgriff, um ihr Verständnis zu erleichtern –, sondern in ihrer tatsächlichen kosmischen Abstufung, von ihrer chemischen (oder physikalischen) bis zu ihrer rein spirituellen Zusammensetzung. Götter – für die unwissenden Massen – unabhängige und höchste Götter; Dämonen für die Fanatiker, die bei aller Intellektualität, die sie oft haben, nicht imstande sind, den Geist des philosophischen Satzes E pluribus unum zu erfassen. Für den hermetischen Philosophen sind die Kräfte verhältnismäßig „blind“ oder „intelligent“, abhängig von dem jeweiligen Prinzip in ihnen, mit welchem er sich beschäftigt. Es dauerte lange Jahrtausende, bis sie sich schließlich in unserer Moderne zu den einfachen chemischen Elementen degradiert fanden.

Auf jeden Fall sollten gute Christen, insbesondere die Bibel-Protestanten, [SD # 462] den vier Elementen eine tiefere Ehrfurcht erweisen, wenn sie eine solche auch gegenüber Moses zeigen wollen. Denn die Bibel offenbart das den Elementen vom hebräischen Gesetzgeber zugemessene Ansehen und ihre mystische Bedeutung auf jeder Seite des Pentateuchs. Das Zelt, welches das Allerheiligste enthielt, war ein kosmisches Symbol, das in einer seiner Bedeutungen den Elementen, den vier Kardinalpunkten und dem Ether geweiht war. Josephus zeigt, dass es in Weiß ausgeführt war, in der Farbe des Ethers. Und das erklärt auch, warum in den ägyptischen und hebräischen Tempeln – dem Bericht Clemens von Alexandria zufolge – ein riesiger, von fünf Pfeilern getragener Vorhang das Sanctum sanctorum (in christlichen Kirchen heute durch den Altar repräsentiert), in das allein die Priester eintreten durften, von dem den Profanen zugänglichen Teil trennte. Mit seinen vier Farben symbolisierte dieser Vorhang die vier Hauptelemente und kennzeichnete das Wissen um das Göttliche, das zu erlangen den Menschen seine fünf Sinne mithilfe der vier Elemente befähigen können (siehe „Stromata“, I, V. § 6).

In Corys „Ancient Fragments“ bringt eines der „chaldäischen Orakel“ Ideen über die Elemente und den Ether in einer von zwei hervorragenden Wissenschaftlern unserer Tage verfassten Sprache zum Ausdruck, die der Sprache des Unsichtbaren Universums ähnelt.

Es erklärt, dass „alle Dinge vom Ether kamen und dass alle wieder zu ihm zurückkehren werden, dass die Bilder aller Dinge ihm unauslöschlich eingeprägt sind; und dass er ferner der Speicher der Keime sowie der Überbleibsel aller sichtbaren Formen und sogar aller Ideen ist. Es hat den Anschein, als ob dieser Fall auf seltsame Weise unsere Behauptung bestätigt, dass sich für jedwede in unseren Tagen gemachte Entdeckung erweisen wird, dass sie schon vor vielen tausend Jahren von unseren ‘einfältigen Vorfahren’ vorweggenommen wurde.“ – („Isis entschleiert“)

Woher kamen die vier Elemente und die Malachim der Hebräer? Durch einen theologischen Taschenspielertrick der Rabbiner und späteren Kirchenväter hat man sie mit Jehovah verschmelzen lassen, ihr Ursprung ist jedoch identisch mit dem der kosmischen Götter aller anderen Nationen. Ihre Symbole – ob ihr Geburtsort an den Ufern des Oxus zu suchen ist, im brennenden Sand Oberägyptens oder in den unheimlichen und eisigen Urwäldern, welche die Abhänge und Gipfel der heiligen, schneebedeckten Berge von Thessalien bedecken oder aber in den Pampas Amerikas – ihre Symbole sind, wir wiederholen es, wenn man sie bis zu ihrer Quelle zurückverfolgt, immer ein und dieselben. Einerlei ob ägyptisch oder pelasgisch, arisch oder semitisch, der Genius Loci, der Ortsgott, umfasste in seiner Einheit die gesamte Natur; die vier Elemente speziell jedoch keineswegs mehr als jegliche ihrer Schöpfungen wie z. B. Bäume, Flüsse, Berge oder Sterne. Der Genius Loci – ein sehr später, nachträglicher Einfall der letzten Unterrassen der fünften Wurzelrasse, als der ursprüngliche und erhabene Sinn nahezu verlorengegangen war – war mit seinen angesammelten Titeln immer der Stellvertreter aller seiner Kollegen. Er war der Gott des Feuers, durch den Donner symbolisiert, wie Jupiter oder Agni; er war der Gott des Wassers, durch den fluvialen Stier oder durch einen beliebigen heiligen Fluss oder eine solche Quelle symbolisiert, als Varuna, Neptun etc.; er war der Gott der Luft, sich im Orkan oder Unwetter als Vayu und Indra offenbarend, und der Gott oder Geist [SD # 463] der Erde, der in Erdbeben erschien, wie Pluto, Yama und so viele andere.

Das waren die kosmischen Götter, die immer alle in einen zusammengefasst wurden, wie man sie in jeder Kosmogonie oder Mythologie finden kann. So hatten die Griechen ihren dodonäischen Jupiter, der die vier Elemente und die vier Kardinalpunkte in sich mit einschloss und daher im alten Rom unter dem pantheistischen Titel Jupiter Mundus bekannt war und heute im modernen Rom zum Deus Mundus, zu dem einen Weltengott geworden ist, der alle anderen verschlang – einer willkürlichen Entscheidung seiner besonderen Diener zufolge gemäß der neuesten Theologie.

Als Götter von Feuer, Luft und Wasser waren sie himmlische Götter; als Götter der niederen Region waren sie höllische Götter, wobei letzteres Adjektiv lediglich auf die Erde zutraf. Sie waren unter ihrem jeweiligen Namen „Geister der Erde“, als Yama, Pluto, Osiris oder „Herr des niederen Reiches“ etc. etc., und ihr tellurischer Charakter beweist das hinreichend.184 Die Alten kannten keinen schlechteren Aufenthalt nach dem Tod als Kama-Loka, den Limbus dieser Erde. Wenn man argumentiert, dass der dodoäische Jupiter mit Aidoneus, dem König der unterirdischen Welt, identifiziert wurde, und mit Dis, oder mit dem römischen Pluto und dem Dionysos Chthonius, dem Unterirdischen, wo nach Creuzer (I, vi, Kap. 1) Orakel erteilt wurden, wird es den Okkultisten ein Vergnügen sein zu beweisen, dass sowohl Aidoneus als auch Dionysos die Basis von Adonai sind oder von „Jurbo-Adonai“, wie Jehovah im Codex Nazaräus genannt wird. „Du sollst nicht anbeten die Sonne, die genannt wird Adonai und auch Kadosh und El-El („Cod. Naz.“, I, S. 47; siehe auch Psalm, lxxxix, 18) und „Bacchus, der Herr“. Der Baal-Adonis der Sods oder die Mysterien der vorbabylonischen Juden wurden durch die Massora zu Adonai, zum später vokalisierten Jehovah. Daher haben die römischen Katholiken Recht. All diese Jupiter gehören derselben Familie an; aber Jehovah muss mit eingeschlossen werden, um sie zu vervollständigen. Jupiter-Aerios oder Pan, Jupiter-Amun und Jupiter-Bel-Moloch korrelieren alle und sind eins mit Jurbo-Adonai, weil sie alle eine einzige kosmische Natur sind. Es ist diese Natur und Kraft, welche das spezifisch irdische Symbol und das physische und materielle Gewebe des Letzteren erschafft, womit der Beweis erbracht ist, dass die Energie, die sich durch ihn manifestiert, extrinsisch ist.

Die ursprüngliche Religion war etwas Besseres als eine simple Vorbeschäftigung mit physischen Phänomenen, wie von Schelling behauptet; und Prinzipien von größerer Erhabenheit als sie uns modernen Sadduzäern bekannt sind, „lagen unter dem durchsichtigen Schleier solcher reinen Naturgottheiten wie Donner, [SD # 464] Wind und Regen verborgen“. Die Alten kannten und wussten die körperlichen und spirituellen Elemente in den Kräften der Natur zu unterscheiden.

Der vierfältige Jupiter wie der viergesichtige Brahmâ – der Gott der Luft, des Blitzes, der Erde und des Meeres – der Herr und Meister der vier Elemente kann als Repräsentant der großen kosmischen Götter aller Nationen gelten. Während er die Macht über das Feuer dem Hephaistos-Vulkan übertrug, die Macht über das Meer dem Poseidon-Neptun und die Macht über die Erde dem Pluto-Aidoneus, umfasste der luftartige Jupiter sie alle; denn von Anbeginn an hatte der Äther die Vormachtstellung über alle Elemente und war deren Synthese.

Die Überlieferung weist auf eine Grotte hin, eine riesige Höhle in den Wüsten Zentralasiens, in welche das Licht durch vier scheinbar natürliche Öffnungen oder Klüfte einströmt, die kreuzweise nach den vier Kardinalpunkten des Ortes ausgerichtet sind. Von Mittag bis eine Stunde vor Sonnenuntergang strömt das Licht ein, in vier verschiedenen Farben, wie behauptet wird – rot, blau, orange-gold und weiß – infolge irgendwelcher entweder natürlicher oder künstlich hergestellter Verhältnisse der Vegetation und des Bodens. Das Licht läuft im Zentrum rund um einen Pfeiler aus weißem Marmor zusammen, auf dem sich eine Kugel befindet, die unsere Erde darstellt. Die Höhle heißt die „Zarathustra-Grotte“.

Als die phänomenalen Manifestationen der vier Elemente von der vierten Rasse, den Atlantiern, in die Künste und Wissenschaften einbezogen wurden, nahmen sie einen wissenschaftlichen Charakter an. Letztere Manifestationen wurden von jenen, die an die kosmischen Götter glaubten, zu Recht der intelligenten Einwirkung eben dieser Götter zugeschrieben. Die Magie der alten Priester bestand in jenen Tagen in der Anrufung ihrer Götter in deren eigener Sprache. „Die Sprache der Menschen auf der Erde kann die Herren nicht erreichen. Jeder muss in der Sprache seines jeweiligen Elements angerufen werden.“ – ein bedeutungsschwangerer Satz. Ein Zitat aus „Das Buch der Regeln“ fügt zur weiteren Erklärung dieser Elementen-Sprache hinzu: „Sie besteht aus Tönen, nicht aus Worten; aus Tönen, Zahlen und Ziffern. Jener, der die drei zu verbinden weiß, wird die Reaktion der überwachenden Kraft hervorrufen (des Gott-Regenten des speziellen, benötigten Elements).“

Somit dient diese „Sprache“ der Beschwörung oder den Mantren, wie sie in Indien heißen, denn der Ton ist der kräftigste und wirksamste magische Agent und der erste der Schlüssel, der das Tor der Kommunikation zwischen Sterblichen und Unsterblichen öffnet. Wer an die Worte und Lehren des Hl. Paulus glaubt, hat kein Recht, sich aus den Letzteren nur jene Sätze heraus zu picken, welche ihm genehm sind, und die anderen zurückzuweisen; und der Hl. Paulus lehrt ganz unleugbar die Existenz kosmischer Götter und ihre Gegenwart in unserer Mitte. Das Heidentum predigte eine doppelte und gleichzeitige Evolution: eine „Schöpfung“ – „spiritualem ac mundanam“, wie die römische Kirche es bereits Zeitalter vor ihrem Erscheinen nannte. Die exoterische Ausdrucksweise hat sich in Bezug auf göttliche Hierarchien seit den unbeschwerten Tagen des Heidentums oder „Götzendienstes“ kaum verändert. Lediglich die Namen veränderten sich, [SD # 465] und zwar gleichzeitig mit Ansprüchen, die heute zu falschen Vorstellungen geworden sind. Denn wenn z. B. Platon dem höchsten Prinzip – „Vater-Äther“ oder Jupiter – die Worte in den Mund legt: „Die Götter der Götter, deren Erschaffer (opifex) ich bin, so wie ich der Vater aller ihrer Werke (operumque parens) bin“, so verstand er, wie wir vermuten, den Sinn dieses Satzes ebenso vollständig wie der Hl. Paulus, indem er sagte: „Denn wenn es anders solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf Erden (wie es ja viele Götter und viele Herren gibt)“, . . . . etc. (1 Kor 8,5).185 Beide kannten den Sinn und die Bedeutung dessen, was sie in solch vorsichtigen Worten vorbrachten.

Sir W. R. Grove, F. R. S., bemerkt im Rahmen einer Besprechung der Wechselwirkungen der Kräfte: „Wenn die Alten Zeugen eines Naturphänomens wurden, auf das die gewöhnlichen Analogien nicht anwendbar waren und das durch keine ihnen bekannte mechanische Einwirkung erklärt werden konnte, schrieben sie es einer Seele, einer spirituellen oder übernatürlichen Kraft zu. . . . Luft und Gase wurden zunächst für spirituell gehalten, später jedoch wurden sie mit einem eher materiellen Charakter bekleidet; und zur Bezeichnung der Seele und von Gasen wurden dieselben Worte verwendet, πνεῦμα, Geist etc. Das Wort Gas, von Geist, ein Gespenst oder eine Seele, gibt uns ein Beispiel für die allmähliche Umwandlung einer spirituellen in eine physische Vorstellung. . . . . .“ (S. 89) Der große Mann der Wissenschaft betrachtet das (in seiner Vorrede zur fünften Auflage von „Correlation of Physical Forces“) als die einzige Aufgabe der exakten Wissenschaft, die nicht berufen sei, sich mit den Ursachen zu befassen. „Ursache und Wirkung“, erklärt er, „sind daher in ihrer abstrakten Beziehung zu diesen Kräften lediglich zweckmäßige Worte. Die letztlich erzeugende Kraft all dieser Kräfte ist uns gänzlich unbekannt und wird es wahrscheinlich für immer bleiben; wir können lediglich die Regeln ihrer Wirkungen ermitteln; ihre Ursache müssen wir bescheiden einem allgegenwärtigen Einfluss zuschreiben und uns damit begnügen, ihre Wirkungen zu studieren und ihre gegenseitigen Beziehungen durch des Experiment zu erschließen (S. xiv).

Wenn dieser Grundsatz einmal akzeptiert und das System in den oben zitierten Worten mehr oder weniger eingeräumt wird, nämlich die Geistigkeit der „letztendlich erzeugenden Kraft“, erschiene es mehr als unlogisch sich zu weigern, diese den materiellen Elementen wie Feuer, Luft, Wasser oder Erde oder vielmehr ihren Zusammensetzungen [SD # 466] innewohnende Qualität anzuerkennen. Die Alten waren mit diesen Kräften, deren wahre Natur sie zum Nutzen (oder zum Schaden) der ungebildeten Masse unter verschiedenen Allegorien verbargen, so vertraut, dass sie den vielgestaltigen Gegenstand niemals aus den Augen verloren, während sie sie umkehrten. Sie ersannen einen dichten Schleier, den sie über den unter diesem Symbol verborgen liegenden Wahrheitskern warfen, aber sie strebten immer danach, das Symbol als Aufzeichnung für zukünftige Generationen aufzubewahren, ausreichend transparent, um den Weisen späterer Zeiten zu gestatten, die Wahrheit hinter der fabelartigen Form der Glyphe oder der Allegorie zu erkennen. Diese alten Weisen wurden des Aberglaubens und der Leichtgläubigkeit beschuldigt; und noch dazu ausgerechnet von eben jenen Nationen, welche bis zum heutigen Tag den anthropomorphischen „Jehovah“ der Juden als ihren einen, lebendigen und unendlichen Gott akzeptieren, obwohl sie doch in allen modernen Künsten und Wissenschaften gelehrt und in ihrer Generation gebildet und weise sind.

Was galt denn als dieser angebliche „Aberglaube“? Hesiod glaubte zum Beispiel, dass „die Winde die Söhne des Riesen Typhon waren“, die von Aiolos nach Belieben gebunden und entfesselt wurden, und die polytheistischen Griechen folgten Hesiod in dessen Überzeugung. Warum sollten sie das auch nicht tun? Hingen doch die monotheistischen Juden demselben Glauben an und versahen lediglich die Dramatis personae mit anderen Namen, und die Christen hängen bis zum heutigen Tag demselben Glauben an. Die hesiodischen Aiolos, Boreas etc. etc. wurden von dem „auserwählten Volk“ Israels Kedem, Tzaphon, Darom und Ruach-Hayum genannt. Was ist da der fundamentale Unterschied? Während die Hellenen gelehrt wurden, dass Aiolos die Winde band und losband, glaubten die Juden ebenso inbrünstig über ihren Gott, den Herrn: „Rauch stieg auf von seiner Nase, und Feuer fraß aus seinem Munde; . . . Und er fuhr auf einem Cherub und flog daher, und er erschien auf den Fittichen des Windes.“ (2 Sam 22,9 und 11) Die Formulierungen der beiden Nationen sind entweder beide Redensarten oder beide Aberglauben. Wir denken, dass sie keines von beidem sind, sondern dass sie lediglich einer starken Empfindung der Einheit mit der Natur und einer Wahrnehmungsfähigkeit für das hinter jeder natürlichen Erscheinung stehende Geheimnisvolle und Intelligente entspringen, welche die Modernen nicht mehr besitzen. Auch war es nicht „abergläubisch“ von den griechischen Heiden, auf das delphische Orakel zu hören, als dieses Orakel ihnen beim Herannahen von Xerxes Flotte den Rat gab, „den Winden zu opfern“, wenn dasselbe bei den Israeliten als göttliche Verehrung angesehen werden muss, die ebenso oft dem Wind und Feuer opferten, insbesondere dem letzteren Element. Behaupten die Israeliten nicht, ihr „Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (Deut 4,24), der generell als Feuer und „von Feuer umgeben“ erschien, und suchte nicht Elias ihn (den Herrn) in dem „großen, starken Wind und in dem Erdbeben“? Wiederholen das nicht die Christen nach ihnen? Opfern sie nicht obendrein bis zum heutigen Tag demselben „Gott des Windes und des Wassers“? Das tun sie; denn für Regen, trockenes Wetter, günstige Winde und die Beruhigung der Seestürme existieren bis zu dieser Stunde in den Gebetbüchern der drei christlichen Kirchen besondere Gebete; und hunderte verschiedener Sekten der protestantischen Religion [SD # 467] bringen ihrem Gott diese Gebete bei jedem drohenden Unheil dar. Die Tatsache, dass Jehovah sie auch nicht besser erhört als wahrscheinlich ehemals Jupiter Pluvius, ändert nichts an der Tatsache, dass diese Gebete an jene Kraft oder Kräfte gerichtet sind, welche die Elemente beherrschen sollen, und auch nicht daran, dass diese Kräfte im Heiden- und Christentum identisch sind; oder müssen wir etwa glauben, dass solche Gebete nur dann einen krassen Götzendienst und unsinnigen „Aberglauben“ darstellen, wenn sich ein Heide damit an sein Idol wendet, und dass sich nämlicher Aberglaube ganz plötzlich in rühmenswerte Frömmigkeit und Religion verwandelt, sobald der Name des himmlischen Adressaten geändert wird? Aber der Baum wird an seiner Frucht erkannt. Und da die Frucht des Baums des Christentums nicht besser ist als die des Baums des Heidentums, warum sollte dann Erstere mehr Ehrfurcht einflößen als Letztere?

Wenn uns daher von Chevalier Drach, einem jüdischen Konvertiten, und vom Marquis de Mirville, einem römisch-katholischen Fanatiker aus dem französischen Adel, gesagt wird, dass im Hebräischen der Blitz gleichbedeutend mit Wut sei und immer von einem bösen Geist beherrscht würde, und ferner dass Jupiter Fulgur oder Fulgurans von den Christen auch Elicius genannt und als die Seele des Blitzes als sein Dämon gebrandmarkt wird,186 so müssen wir entweder unter denselben Umständen dieselbe Erklärung und dieselben Definitionen auf den „Herrn, den Gott Israels“ anwenden, oder wir müssen auf unser Recht verzichten, die Götter und Glaubensvorstellungen anderer Nationen zu schmähen.

Die vorangegangenen Behauptungen sind, nachdem sie tatsächlich von zwei eifrigen und gelehrten römischen Katholiken stammen, um das Mindeste zu sagen, angesichts der Bibel und ihrer Propheten gefährlich. In der Tat, wenn Jupiter, der „Hauptdämon der heidnischen Griechen“, seine todbringenden Donnerkeile und Blitze gegen jene schleuderte, die seinen Zorn erregten, so tat der Herr, Gott Abrahams und Jakobs desgleichen, denn wir lesen in 2 Samuel: „Es donnerte Johovah vom Himmel her, und der Höchste ließ seine Stimme erschallen. Und er schoss Pfeile (Donnerkeile) und zerstreute sie (Sauls Heerscharen), er schleuderte seinen Blitz, und jagte sie dahin.“ (Kap. 23,14-15)

Den Athenern wird zum Vorwurf gemacht, dass sie Boreas opferten; und dieser „Dämon“ wird beschuldigt, 400 Schiffe der persischen Flotte an den Felsen des Berges Pilio zum Versinken gebracht und vernichtet zu haben und derartig wild geworden zu sein, „dass die gesamten Magier des Xerxes ihm durch Darbringung von Gegenopfern an die Thetis kaum entgegenwirken konnten“ (Herodot, „Polym.“, cxc). Glücklicherweise findet sich in den Berichten über die christlichen Kriege kein authentisches Beispiel, dass eine ähnliche Katastrophe gleichen Ausmaßes eine christliche Flotte betroffen hätte, infolge von „Gebeten“ eines Feindes – nämlich einer anderen christlichen Nation. Aber das ist nicht deren Schuld, denn eine jede betet Jehovah ebenso leidenschaftlich um die Vernichtung der anderen an wie die Athener zum Boreas beteten. Beide nahmen con amore Zuflucht zu einem hübschen kleinen Stückchen schwarzer Magie. Da eine solche Zurückhaltung an göttlicher Einmischung schwerlich einem Mangel an Gebeten um gegenseitige Vernichtung zuzuschreiben ist, [SD # 468] die an den gemeinsamen Allmächtigen Gott gesendet werden, wo sollen wir dann die Scheidelinie zwischen Heiden und Christen ziehen? Und wer kann daran zweifeln, dass nicht das ganze protestantische England jubeln und dem Herrn danken würde, wenn in einem zukünftigen Krieg 400 Schiffe der feindlichen Flotte infolge solcher heiliger Gebete vernichtet würden? Wir fragen also nochmals, welchen Unterschied es zwischen einem Jupiter, einem Boreas und einem Jehovah gibt? Nicht mehr als das: Das Verbrechen des nächsten Blutsverwandten – sagen wir des eigenen „Vaters“ – wird immer entschuldigt und oft verherrlicht, während das Verbrechen des Elter unseres Nachbarn immer freudig mit dem Henkertod bestraft wird. Das Verbrechen aber ist dasselbe.

Insoweit scheinen die „Segnungen des Christentums“ bezüglich der Moral der bekehrten Heiden keinen merklichen Fortschritt bewirkt zu haben.

Das Obige stellt keine Verteidigung der heidnischen Götter dar, noch ist es ein Angriff auf die christliche Gottheit, noch bedeutet es Glauben an den einen oder anderen. Die Schreiberin ist ganz unparteiisch und lehnt jedes Zeugnis zugunsten der beiden ab, da sie weder irgendeinen solchen „persönlichen“ und anthropomorphischen Gott anbetet noch an ihn glaubt und ihn auch nicht fürchtet. Die Parallelen wurden lediglich vorgebracht als eine weitere denkwürdige Vorführung des unlogischen und blinden Fanatismus der zivilisierten Theologen. Denn bisweilen existiert kein sehr großer Unterschied zwischen den beiden Glaubensrichtungen und überhaupt keiner in ihren jeweiligen Wirkungen auf die Moral oder spirituelle Natur. Das „Licht Christi“ scheint heute auf ebenso scheußliche Merkmale des tierischen Menschen wie das „Licht Luzifers“ in der alten Zeit.

„Diese unglücklichen Heiden betrachten in ihrem Aberglauben sogar die Elemente als etwas mit Verstand Begabtes! . . . . Sie glauben noch immer an ihren Götzen Vayu – den Gott oder vielmehr den Dämon des Windes und der Luft . . . sie bauen fest auf die Wirksamkeit ihrer Gebete und auf die Macht ihrer Brahmanen über die Winde und Stürme. . . . .“ (der Missionar Lavoissier von Cochin in „Journal des Colonies“). Als Antwort darauf können wir Lukas 8,24 zitieren: „Er (Jesus) aber stand auf, bedrohte den Wind und das Wogen des Wassers; und es hörte auf, und es ward eine Stille.“ Und hier ist ein weiteres Zitat aus einen Gebetbuch: . . . „Oh Jungfrau des Meeres, Heilige Mutter und Herrin der Gewässer, besänftige deine Wogen . . .“ etc. etc. (Gebet der Matrosen aus Neapel und aus der Provence – eine wörtliche Kopie des Gebets der phönizischen Seeleute an ihre jungfräuliche Göttin Astarte). Die sich aus den vorgebrachten Ähnlichkeiten und aus der Anprangerung des Missionars ergebende logische und unabweisbare Schlussfolgerung ist Folgende: Die Befehle der Brahmanen an ihre Elementargötter bleiben nicht „wirkungslos“, wodurch die Macht der Brahmanen der von Jesus gleichgesetzt wird. Obendrein erweist sich Astarte als keine Spur ärmer an Macht als die „Jungfrau des Meeres“ der christlichen Matrosen. Es reicht nicht aus, schnell einen Stock zu finden, wenn man einen Hund schlagen will; die Schuld des Hundes muss erwiesen werden. Boreas und Astarte mögen in der theologischen Fantasie Teufel sein, [SD # 469] aber, wie soeben bemerkt, der Baum muss nach seiner Frucht beurteilt werden. Und sobald nachgewiesen ist, dass die Christen ebenso unmoralisch und verkommen sind wie es die Heiden jemals waren, welchen Nutzen hat die Menschheit dann aus ihrem Austausch von Göttern und Idolen gezogen?

Was Gott und die christlichen Heiligen zu tun berechtigt sind, wird bei einfachen Sterblichen zum Verbrechen, wenn sie erfolgreich sind. Zauberei und Beschwörungen werden heute als Fabeln abgetan; doch wurden von den Institutiones Iustiniani bis herab zu den englischen und amerikanischen Gesetzen gegen die Hexerei – die zwar veraltet, aber dennoch bis zum heutigen Tag nicht aufgehoben sind – solche Beschwörungen, ja selbst der bloße Verdacht der Hexerei, als schwere Verbrechen bestraft. Warum eine Chimäre bestrafen? Und wir lesen noch von Kaiser Konstantin, dass er den Philosophen Sopatros zum Tode verurteilte, weil dieser die Winde entfesselte und dadurch verhinderte, dass mit Korn beladene Schiffe zur Beendigung einer Hungersnot rechtzeitig eintrafen. Pausanias wird wegen seiner Behauptung verlacht, dass er mit seinen eigenen Augen Menschen gesehen habe, die „durch einfache Gebete und Anrufungen“ ein starkes Hagelwetter zur Auflösung brachten. Das hindert aber unsere modernen christlichen Schriftsteller nicht, bei Gewittern und Gefahr Gebete anzuraten und an deren Wirksamkeit zu glauben. Hoppo und Stadlein – zwei Magier und Zauberer – wurden vor kaum einem Jahrhundert zum Tode verurteilt, weil sie die Feldfrüchte verhext und mittels magischer Künste eine Ernte von einem auf einen anderen Acker übertragen hatten, wenn wir dem bekannten Schriftsteller Sprenger Glauben schenken dürfen, der dafür Zeugnis ablegt: „Qui fruges excantassent segetem pellicentes incantando.“

Zum Schluss wollen wir den Leser daran erinnern, dass man ohne die geringste Spur eines Aberglaubens an die doppelte Natur eines jeden Objektes auf der Erde glauben kann – an eine spirituelle und eine materielle, an eine sichtbare und eine unsichtbare Natur, und dass die Wissenschaft dies praktisch dadurch beweist, dass sie ihre eigene Beweisführung ableugnet. Denn wenn Sir William Grove sagt, dass die Elektrizität, mit der wir hantieren, nur das Resultat gewöhnlicher Materie ist, die durch irgendetwas Unsichtbares, durch die „ultimative, erzeugende Energie“ einer jeden Kraft, von „einem allgegenwärtigen Einfluss“ berührt wird, dann ist es nur natürlich, dieselbe Überzeugung zu gewinnen wie die Alten, nämlich dass jedes Element seiner Natur nach dual ist. „Das etherische Feuer ist die Emanation des eigentlichen Kabiren. Das Luftige ist lediglich die Vereinigung (Wechselwirkung) des Ersteren mit dem irdischen Feuer, und seine Lenkung und Anwendung wird auf unserer irdischen Ebene einem Kabiren niederen Rangs überlassen“ – wahrscheinlich einem Elemental, wie ein Okkultist es nennen würde. Und genau das kann von jedem kosmischen Element behauptet werden.

Niemand wird leugnen, dass das menschliche Wesen von unterschiedlichen Kräften beherrscht wird: von magnetischen, sympathischen, antipathischen, nervösen, dynamischen, okkulten, mechanischen und mentalen – von allen Arten von Kräften; und weiter dass die physischen Kräfte ihrem Wesen nach alle biologisch sind; und in Anbetracht dessen, dass sie sich mit den sogenannten intellektuellen und moralischen Kräften vermischen und oftmals völlig in ihnen aufgehen ­– indem die ersten sozusagen die Träger, die Upadhi, der zweiten werden. Wer auch immer die Seele im Menschen zugesteht, würde niemals zögern [SD # 470] zu sagen, dass die Gegenwart dieser Kräfte und ihre Vermischung das eigentliche Wesen unseres Daseins darstellen; dass sie tatsächlich das Ego im Menschen bilden. Diese Potenzen haben ihre physiologischen, physischen, mechanischen und ebenso gut nervösen, ekstatischen, hellhörenden und hellsehenden Phänomene, welche heute selbst von der Wissenschaft als vollkommen natürlich angesehen und anerkannt werden. Warum sollte der Mensch die einzige Ausnahme in der Natur sein, und warum können nicht sogar diese Elemente ihre Träger, ihre „Vahana“, in dem haben, was wir die physischen Kräfte nennen? Und warum, vor allem, sollten solche Glaubensvorstellungen mitsamt den Religionen des Altertums als „Aberglauben“ bezeichnet werden?

 

 

§ XV
Über Kwan-Shi-Yin und Kwan-Yin

Ähnlich wie Avalokitesvara durchlief auch Kwan-Shi-Yin verschiedene Transformationen, aber es ist ein Irrtum zu behaupten, er sei eine moderne Erfindung der nördlichen Buddhisten, denn unter einer anderen Bezeichnung war er seit den frühesten Zeiten bekannt. Die Geheimlehre lehrt: „Er, der bei der Erneuerung als Erster erscheint, wird vor dem Wieder-Einziehen (Pralaya) als Letzter kommen.“ So sind die Logoi aller Nationen, vom vedischen Vishvakarman der Mysterien bis zum Heiland der gegenwärtigen zivilisierten Nationen, das „Wort“, das „im Anbeginn“ (oder beim Wiedererwachen der Energie spendenden Kräfte der Natur) bei dem Einen Absoluten war. Geboren aus Feuer und Wasser, bevor diese zu getrennten Elementen wurden, war Es der „Schöpfer“ (Bildner oder Gestalter) aller Dinge; „Ohne ihn wurde nichts Erschaffenes gemacht“; „in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“; das schließlich, wie es schon immer war, das Alpha und Omega der manifestierten Natur genannt werden kann. „Der große Drache der Weisheit ist aus Feuer und Wasser geboren, und alles wird mit ihm wieder in Feuer und Wasser aufgenommen werden.“ („Fa-Hwa-King“) Da es von diesem Bodhisattva heißt, dass er „jede ihm beliebige Form annimmt“, vom Anbeginn eines Manvantaras bis zu dessen Ende, so sind die beiden doch eins, auch wenn sein eigener Geburtstag (oder Gedenktag) nach dem Kin-Kwang-Ming-King („Leuchtendes Sutra des Goldenen Lichts“) am neunzehnten Tag im zweiten Monat gefeiert wird und der des „Maitreya Buddha“ im ersten Monat am ersten Tag. Er wird als Maitreya Buddha erscheinen, als Letzter der Avataras und Buddhas der siebten Rasse. Dieser Glaube und diese Erwartung sind im ganzen Osten allgemein verbreitet. Nur kann im Kali-Yuga, unserem gegenwärtigen, fürchterlich materialistischen Zeitalter der Finsternis, dem „Schwarzen Zeitalter“, der Menschheit niemals ein neuer Heiland erscheinen. Das Kali-Yuga ist [SD # 471] lediglich in den mystischen Schriften einiger französischer Pseudo-Okkultisten „l´Age d`Or“ (!) (siehe „La Mission des Juifs“).

Daher beruhte das Ritual in der exoterischen Verehrung dieser Gottheit auf Magie. Alle Mantras wurden besonderen, von den Priestern geheim gehaltenen Büchern entnommen, und jedem Einzelnen wird eine magische Wirkung zugeschrieben; rezitiert oder abgelesen, rufen die gesungenen Texte eine geheime Ursache hervor, welche unmittelbare Folgen hat. Kwan-Shi-Yin ist Avalokitesvara, und beide sind Formen des siebten universalen Prinzips; ihrem höchsten metaphysischen Charakter nach ist diese Gottheit indes die Gesamtheit aller Planetengeister oder Dhyan Chohans. Er ist der „Selbst-Manifestierte“; der „Sohn des Vaters“, kurz gesagt. Mit sieben Drachen gekrönt, erscheint über seiner Statue die Inschrift Pu-Tsi-K´iun-ling, „der universale Erlöser aller lebenden Wesen“.

Natürlich lautet der in dem archaischen Buch der Stanzen erwähnte Name ganz anders, aber Kwan-Yin ist eine vollkommen gleichwertige Bezeichnung. In einem Tempel von Potala, der heiligen Insel der Buddhisten Chinas, ist Kwan-Shi-Yin auf einem schwarzen Wasservogel (Kala-Hansa) schwimmend dargestellt, wie er das Lebenselixier über die Häupter der Sterblichen ausgießt, das sich dabei fließend in einen der bedeutendsten Dhyani-Buddhas verwandelt – in den Regenten eines Sterns, welcher der „Stern der Erlösung“ genannt wird. In seiner dritten Transformation ist Kwan-Yin der beseelende Geist oder Genius des Wassers. In China wird der Dalai-Lama für eine Inkarnation Kwan-Shi-Yins gehalten, der in seiner dritten Erscheinung auf der Erde ein Bodhisattva war, während der Penchen Lama eine Inkarnation des Amitabha-Buddha oder Gautamas ist.

Es mag en passant erwähnt werden, dass ein Schriftsteller in der Tat unter einer krankhaften Vorstellungskraft leiden muss, wenn er in allem Phallusdienste entdeckt, wie es die Autoren von „The Symbols of the Yin-king”, „China Review“ (McClatchie) und „Phallicism“ (H. Jennings) tun. Ersterer entdeckt „in der Darstellung zweier einleuchtender Symbole die alten phallischen Götter – Khan oder Yang, der das Membrum virile ist, und Khw-an oder Yin, die pudendum muliebre oder Yoni“ (siehePhallicism“, S. 273). Eine solche Darstellung erscheint umso seltsamer, als Kwan-Shi-Yin (Avalokitesvara) und Kwan-Yin die Götter der Keuschheit sind, abgesehen davon, dass sie jetzt als die Schutzgottheiten der buddhistischen Asketen dienen, der tibetischen Yogis; und ihrer esoterischen Bedeutung nach sind sie nicht einmal das, was die Darstellung von T. W. Rhys Davids „Buddhism“ (S. 202) impliziert: „Der Name Avalokitesvara . . . bedeutet ‘der Herr, der von oben herabblickt’.“ Kwan-Shi-Yin ist auch nicht der „in der Kirche gegenwärtige Geist der Buddhas“, sondern er bedeutet wortwörtlich „der Herr, der gesehen wird“, und in einem Sinn „das göttliche Selbst, das vom Selbst wahrgenommen wird“ (vom menschlichen) – d. h. der Atman oder das siebte Prinzip, das in das Universale eingetaucht ist und wahrgenommen wird oder Gegenstand der Wahrnehmung von Buddhi ist, dem sechsten Prinzip oder der Göttlichen Seele im Menschen. In einem noch höheren Sinn ist Avalokitesvara = Kwan-Shi-Yin, wenn er als das siebte Universale Prinzip bezeichnet wird, der Logos, [SD # 472] wahrgenommen von der Universalen Buddhi – oder der Seele als zusammengesetztes Aggregat der Dhyani-Buddhas. Und er ist nicht der „in der Kirche gegenwärtige Geist Buddhas“, sondern der allgegenwärtige, im Tempel des Kosmos oder der Natur manifestierte Universale Geist. Diese orientalistische Etymologie von Kwan und Yin steht auf gleicher Stufe mit der von „Yogini“, erklärt uns Hargrave Jennings, was „ein Sanskritwort ist, das in den Dialekten als Jogi oder Zogee (!) ausgesprochen wird, ein Äquivalent ist für Sena und exakt das Gleiche wie Duti oder Dutica (doo-ty-car) – d. h. eine heilige Prostituierte des Tempels, die als Yoni oder Shakti verehrt wird“ (S. 60). „Die Bücher über Moral“ in Indien „weisen eine getreue Ehefrau an, die Gesellschaft von Yoginis oder Frauen, die von den Anhängern höchst freizügiger Darstellungen als Shakti angebetet worden sind, zu meiden . . .“. Danach sollte uns nichts mehr überraschen. Und deshalb ist es nicht witzig, wenn wir eine weitere groteske Sinnwidrigkeit über „Budh“ zitiert finden, was einen Namen bedeuten soll, „der nicht nur die Sonne als den Ursprung der Erschaffung kennzeichnet, sondern auch das männliche Glied“ (The Round Towers of Ireland, zitiert von Hargrave Jennings in „Phallicism“, S. 246). Max Müller sagt in einer Abhandlung über „Falsche Analogien“: „Der gelehrteste Sinologe seiner Zeit, Abel-Rémusat“ behauptet, „dass die drei Silben I Hi Wei (im vierzehnten Kapitel des Tao-te King) Je-ho-vah bedeuten sollen“ („Introduction to the Science of Religion“, S. 332); und weiter, dass Pater Amyot „sich sicher ist, dass die drei Personen der Dreieinigkeit zu finden seien“ – im selben Werk. Und wenn Abel-Rémusat, warum nicht Hargrave Jennings? Jeder Gelehrte wird erkennen, wie absurd es ist, jemals in Budh, „dem Erleuchteten“ oder „dem Erwachten“, ein „phallisches Symbol“ zu sehen.

Kwan-Shi-Yin ist also „der Sohn, der mit seinem Vater identisch“ ist, mystisch, oder der Logos – das Wort. Er wird in Stanze III der „Flammende Drache der Weisheit“ genannt, denn alle Logoi sämtlicher alten religiösen Systeme stehen mit Schlangen in Zusammenhang und werden durch sie symbolisiert. Im alten Ägypten wurde der Gott Nahbkoon, „der die Doppel vereint“, als Schlange mit menschlichen Beinen dargestellt, mit oder ohne Arme. Er war das Astrallicht, das durch seine duale physiologische und spirituelle Kraft den göttlichen Menschen mit seiner rein göttlichen Monade wiedervereint, dem Prototyp „im Himmel“ oder in der Natur. Er war das Symbol der Wiederauferstehung der Natur, und bei den Ophiten das Symbol des Christus, und als eherne Schlange, die jeden heilte, der sie ansah, das Symbol Jehovahs. Diese Schlange war auch bei den Templern ein Symbol Christi (siehe den Templergrad in der Freimaurerei). Das Symbol des Chnoubis (auch Khoum) oder der Weltseele, sagt Champollion („Pantheon“, Text 3), „wird unter anderen auch in Form einer riesigen Schlange auf menschlichen Beinen dargestellt. Dieses Reptil, welches das Symbol des guten Genius und des wahrhaftigen Agathodaimons ist, ist manchmal bärtig.“ Dieses heilige Tier ist somit identisch mit der Schlange der Ophiten und findet sich auf einer großen Anzahl gravierter Steine, der sogenannten gnostischen oder basilidianischen Gemmen. Diese Schlange erscheint mit verschiedenen Häuptern (menschlichen und tierischen), aber immer [SD # 473] findet man ihre Gemmen mit den Namen χνουβις (Chnoubis) beschriftet. Dieses Symbol ist identisch mit einem anderen, welches laut Iamblichos und Champollion der „erste der himmlischen Götter“ genannt wurde; der Gott Hermes oder der Merkur der Griechen, welchem der Gott Hermes Trismegistos die Erfindung der Magie und die erste Einweihung der Menschen in diese zuschreibt; und Merkur ist Budh, die Weisheit, Erleuchtung oder „Wiedererweckung“ in die Göttliche Wissenschaft.

Um zum Schluss zu kommen: Kwan-Shi-Yin und Kwan-Yin sind die beiden Aspekte (männlich und weiblich) desselben Prinzips in Kosmos, Natur und Mensch, des Prinzips der Göttlichen Weisheit und der Intelligenz. Sie sind das „Christos-Sophia“ der mystischen Gnostiker – der Logos und seine Shakti. In ihrem Wunsch, einigen Geheimnissen Ausdruck zu verleihen, die von den Profanen niemals vollständig verstanden werden konnten, wählten die Alten die (für uns) oftmals lächerlich wirkenden Bilder Kwan-Yins, um den Menschen an seinen Ursprung und an seine innere Natur zu erinnern, da sie erkannt hatten, dass im menschlichen Gedächtnis ohne ein äußeres Symbol nichts aufbewahrt werden kann. Dem Unparteiischen müssen jedoch die in Krinolinen gekleideten Madonnen und die Christusse in weißen Glacéhandschuhen noch viel unsinniger erscheinen als Kwan-Shi-Yin und Kwan-Yin in ihren Drachengewändern. Das Subjektive kann kaum durch das Objektive ausgedrückt werden. Da die symbolische Formel versucht, das zu charakterisieren, was über der wissenschaftlichen Spekulation steht und genauso häufig unseren Intellekt weitaus übersteigt, muss sie deshalb notwendigerweise auf die eine oder andere Art über diesen Intellekt hinausgehen, andernfalls wird sie aus der menschlichen Erinnerung verschwinden.

Fußnoten

1 Was die Göttliche Offenbarung betrifft, stimmen wir überein. Aber nicht in Bezug auf die „menschliche Geschichte“. . . . Denn „Geschichte“ findet sich in den meisten ­Alle­gorien und „Mythen“ Indiens, und sie stehen für Ereignisse, reale, tatsächliche Ereignisse.

2 Wenn die „falschen Theologien“ verschwinden, dann werden wahre, vorgeschichtliche Wirklichkeiten gefunden werden, die insbesondere in der Mythologie der Arier – der alten Hindus und sogar in jener der vorhomerischen Hellenen enthalten sind.

3 So wird ein Japaner, der kein Wort Chinesisch versteht, wenn er einen Chinesen trifft, der die Sprache des Ersteren niemals gehört hat, sich mit ihm schriftlich austauschen, und sie werden einander vollkommen verstehen – weil ihre Schrift symbolisch ist.

4 Wie wir in „Isis“ (Band II, Seite 438-9) gesagt haben: „Bis zum gegenwärtigen Augenblick bleiben, trotz aller Kontroversen und Untersuchungen, Geschichte und Wissenschaft in Bezug auf den Ursprung der Juden so sehr im Dunkeln wie eh und je. Sie können genauso gut die vertriebenen Chandalas des alten Indiens sein, die von Vina-Svata, Veda-Vyasa und Manu erwähnten ‘Ziegelmaurer’ wie auch die Phönizier Herodots, die Hyksos des Josephus oder die Nachkommen der Pali-Schäfer oder eine Mischung von all diesen. Die Bibel nennt die Tyrier ein verwandtes Volk und beansprucht die Herrschaft über sie. . . . Doch was immer sie gewesen sein mögen, sie wurden nicht lange nach den Tagen des Moses zu einem Mischvolk, denn die Bibel zeigt sie uns nicht nur mit den Kanaanitern in freier Mischehe, sondern auch mit jeder anderen Nation oder Rasse, mit der sie in Berührung kamen.“

5 Diese Ansprüche werden aber einer nach dem anderen eingeräumt, da ein Wissen­schaftler nach dem anderen gezwungen ist, die von der Geheimlehre ausgegebenen Tat­sachen anzuerkennen – obwohl er selten, wenn überhaupt, erkennen wird, dass man seine eigenen Behauptungen vorweggenommen hat. So hegte Piazzi Smith in den glorreichen Tagen seiner Autorität über die Pyramide von Gizeh die Theorie, dass der Porphyrsarkophag in der Königskammer „die Maßeinheit für die beiden erleuchtetsten Nationen der Erde – England und Amerika – sei“, und dabei nichts Besseres war als ein „Kornsilo“. Dem wurde in der damals gerade veröffentlichten Isis Unveiled“ von uns heftig widersprochen. Da erhob sich die New Yorker Presse empört (vor allem die Zeitungen „Sun“ und World“) gegen unsere Vermutung, eine solche Berühmtheit unter den Gelehrten zu korrigieren oder Fehler bei ihm zu finden. Auf Seite 519, Band I, hatten wir gesagt, dass Herodot, das Thema dieser Pyramide behandelnd, „hätte hinzufügen können, dass sie äußerlich das schöpferische Prinzip der Natur symbolisierte und auch die Prinzipien der Geometrie, Mathematik, Astrologie und Astronomie illustrierte. Innerlich war sie ein majestätisches Heiligtum, in dessen düsterer Abgeschiedenheit die Mysterien vollzogen wurden und dessen Mauern oft Zeugen der Initiationsszenen von Mitgliedern der königlichen Familie gewesen waren. Der Porphyrsarkophag, den Professor Piazzi Smyth, königlicher Astronom von Schottland, zu einem Kornsilo degradiert, war das Taufbecken, aus dem der Neophyt „wiedergeboren“ emporstieg und zum Adepten wurde.“

Unsere Behauptung wurde damals verlacht. Wir wurden beschuldigt, unsere Ideen vom „Wahnsinnigen“ Shaws zu haben, einem englischen Schriftsteller, der behauptete, der Sarkophag sei für die Feier der Mysterien des Osiris benützt worden (obwohl wir niemals von diesem Schriftsteller gehört hatten!). Und jetzt, sechs oder sieben Jahre später, schreibt Staniland Wake auf Seite 93 seines Werkes über „The Origin and Significance of the Great Pyramid“ Folgendes:

„Die sogenannte Königskammer, von der ein enthusiastischer Pyramidenbesucher sagt: ‘Die geglätteten Mauern, die feinen Stoffe, die großartigen Proportionen und der erhabene Platz sprechen beredt von zukünftigen Herrlichkeiten.’ Diese Königskammer war, wenn nicht die Kammer der Vollkommenheiten von Cheops Grab, so wahrscheinlich doch der Ort, zu dem der Initiand zugelassen wurde, nachdem er den engen, aufwärts führenden Durchgang und die große Galerie mit ihrem niedrigen Abschluss hinter sich gebracht hatte, wodurch er allmählich für das letzte Stadium der heiligen mysterien vorbereitet wurde.“ Wäre Staniland Wake ein Theosoph gewesen, so hätte er hinzufügen können, dass der enge, aufwärts führende Durchgang, der zur Königskammer führte, tatsächlich ein „enges Tor“ hatte, dasselbe „schmale Tor“, das „zum Leben führt“ oder zu der neuen spirituellen Wiedergeburt, auf die Jesus in Matthäus 7,13 et seq. anspielt; und dass es dieses Tor im Tempel der Initiation ist, an welches der Schreiber, der die angeblich von einem Initiierten gesprochenen Worte aufzeichnete, gedacht hat.

6 Alles, was wir in Isis“ gesagt haben, ist jetzt in „The Key to the Hebrew-Egyptian Mystery in the Source of Measures“ durch derartige Auslegung der Bibel mithilfe der numerischen und geometrischen Schlüssel bestätigt worden.

7 In seinem Assyrian Antiquities“ sagt George Smith auf S. 224: „Im Palast des Sanherib zu Kuyunjik fand ich ein weiteres Fragment der merkwürdigen Geschichte Sargons. . . . veröffentlicht in meiner Übersetzung in „Transactions of the Society of Biblical Archaeology“, Band I, Teil I, Seite 46.“ Die Hauptstadt Sargons, des babylonischen Moses, „war die große Stadt von Agadi, von den Semiten Akkad genannt – in der Genesis als die Hauptstadt des Nimrod erwähnt“ (Gen 10,10). . . . „Akkad lag nahe der Stadt Sippar am Euphrat und nördlich von Babylon.“ (Siehe „Isis“, Band II, S. 442-3) Eine andere seltsame Übereinstimmung findet sich in der Tatsache, dass der oben erwähnte Name der benachbarten Stadt Sippar mit dem Namen von Moses’ Ehefrau übereinstimmt – Zippora (Exodus 2). Natürlich ist die Geschichte eine geschickte Einschiebung von Esra, dem das nicht unbekannt gewesen sein konnte. Diese merkwürdige Geschichte findet sich auf Bruchstücken von Tafeln aus Kuyunjik und lautet folgendermaßen:

1. Sargon, der mächtige König, der König von Akkad bin ich.

2. Meine Mutter war eine Prinzessin, meinen Vater kannte ich nicht; ein Bruder meines Vaters herrschte über das Land.

3. In der Stadt Azupiran, die am Ufer des Flusses Euphrat liegt.

4. Meine Mutter, die Prinzessin, empfing mich; in Nöten gebar sie mich.

5. Sie legte mich in einen Binsenkorb, mit Erdharz versiegelte sie meinen Ausgang.

6. Sie setzte mich aus im Fluss, der mich nicht ertränkte.

7. Der Fluss trug mich, zu Akki brachte er mich, dem Wasserträger.

8. Akki, der Wasserträger, zog mich aus tief empfundener Güte heraus etc. etc.

Und jetzt Exodus (2): „Und als sie (die Mutter Mose’) ihn nicht länger verbergen konnte, nahm sie für ihn ein Kästlein von Schilfrohr und verpichte es mit Erdharz und mit Pech und legte das Kind darein, und legte es in das Schilf am Ufer des Stromes.“

„Die Geschichte“, sagt G. Smith, „hat sich vermutlich um 1.600 v. Chr. ereignet, bedeutend früher als das für Moses angenommene Zeitalter. Da wir wissen, dass der Ruhm Sargons bis nach Ägypten reichte, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass dieser Bericht einen Zusammenhang mit den in Exodus ii erzählten Ereignissen hat, denn jede einmal ausgeführte Handlung hat die Neigung, sich zu wiederholen.“ Nachdem aber Professor Sayce jetzt den Mut hatte, die Zeiten der chaldäischen und assyrischen Könige um weitere zweitausend Jahre zurück zu verschieben, muss Sargon dem Moses um mindestens 2.000 Jahre vorausgegangen sein (siehe Professor Sayces Vorlesungen über diesen Gegenstand). Das Zugeständnis ist bedeutsam, aber den Zahlen fehlen eine oder zwei Nullen.

8 Zur Erinnerung daran, dass die Esoterische Religion von Moses mehrere Male vernichtet und durch die Anbetung Jehovahs ersetzt wurde, wie sie von David wieder eingeführt worden war – von Hesekiel, um nur einen zu nennen – siehe S. 436-42, Band II, in „Isis Unveiled“. Sicherlich gab es einige sehr gute Gründe dafür, warum die Sadduzäer, die fast alle Hohepriester Judäas stellten, sich an die Gesetze von Moses hielten und die angeblichen „Bücher des Moses“, den Pentateuch der Synagoge und den Talmud, verwarfen.

9 Noch einmal erinnere man sich an den im Raum gekreuzigten Hindu Wittoba; an die Bedeutung des „heiligen Zeichens“, der Swastika, an Platons gekreuzigten Menschen im Raum etc. etc.

10 „Source of Measures“.

11 Siehe ferner die Beschreibung der alten arischen Initiation: Vishvakarman, der die ihrer Strahlen beraubten Sonne, „Vikartana“, auf einer kreuzförmigen Latte kreuzigt.

12 Einige der Verfechter dieser Hypothese müssen ihren Verstand verloren haben, möchte man annehmen. Denn was soll man angesichts dieser aus dem toten Buchstaben der Bibel abgeleiteten Absurditäten denken, wenn diese immer noch verfochten werden, öffentlich und so heftig wie eh und je, und wenn man die Theologen behaupten hört, dass – obwohl „die Heilige Schrift es sorgfältig unterlässt (?), zur wissenschaftlichen Erkenntnis irgendwelche unmittelbaren Beiträge zu leisten –, sie niemals über irgendeine Aussage gestolpert sei, die nicht dem Licht der vorwärtsdrängenden Wissenschaft standhält“ ! ! ! – („Primeval Man Unveiled“, S. 14)

13 „Primeval Man Unveiled: Or, the Anthropology of the Bible“, Autor (unbekannt), von „The Stars and the Angels“, 1871, S. 195.

14 Insbesondere angesichts des Beweises, den die autorisierte Bibel in Genesis 4,16-7 selbst liefert, nach der Kain in das Land Nod geht und dort eine Frau heiratet.

15 Wenn er beispielsweise die „Erste Ursache“ – das Unerkennbare – eine „Kraft“ nennt, „welche sich durch Erscheinungen manifestiert“, und „eine unendliche, ewige Energie“ (?), macht das deutlich, dass er lediglich den physischen Aspekt des Mysteriums des Seins erfasst hat – lediglich die Energien der kosmischen Substanz. Den gleich-ewigen Aspekt der Einen Wirklichkeit – die kosmische Ideenbildung – lässt er gänzlich außer Betracht (und was ihr Noumenon anbelangt, so scheint es im Verstand des großen Denkers nicht zu existieren). Ohne Zweifel ist diese einseitige Art, das Problem zu lösen, hauptsächlich der verderblichen westlichen Gewohnheit zuzuschreiben, das Bewusstsein unterzuordnen oder es als ein „Nebenprodukt“ der Molekularbewegung anzusehen.

16 Die Bezeichnung Protyl verdanken wir dem bekannten Chemiker Crookes, der die Vor-Materie so benannte, wenn man die ursprünglichen und rein homogenen Substanzen so nennen darf, die von der Wissenschaft in der endgültigen Zusammensetzung des Atoms vermutet wird, wenn sie auch noch nicht tatsächlich gefunden wurde. Aber die beginnende Trennung der Urmaterie in Atome und Moleküle entsteht infolge der Entwicklung der sieben Protyle. Die letzte von ihnen wird von Crookes gesucht, nachdem er vor Kurzem die Möglichkeit ihrer Existenz auf unserer Ebene entdeckte.

17 Die kosmische Ideenbildung, die sich in einem Prinzip oder Upadhi (Basis) konzentriert, hat das Bewusstsein des individuellen Egos zur Folge. Ihre Manifestation variiert mit dem Grad des Upadhi. Beispielsweise quillt sie durch jenen als Manas bekannten Upadhi als Verstandesbewusstsein empor; dies erfolgt durch das feine, differenzierte Gewebe (den sechsten Zustand der Materie) der Buddhi, die als Grundlage auf der von Manas gesammelten Erfahrung ruht – als ein Strom spiritueller Intuition.

18 Denn so hat die Kirche den Brief an die Epheser 6,12 interpretiert: „Denn unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern.“ Ferner erwähnt der Hl. Paulus die spirituellen Bosheiten („wickedness“ in englischen Texten), die in der Luft verbreitet sind „Spiritualia nequitiae in coelestibus“. Die lateinischen Texte geben diesen „Bosheiten“, den unschuldigen „Elementalen“, unterschiedliche Namen. Aber die Kirche hat diesmal Recht, wenn auch Unrecht darin, sie alle Teufel zu nennen. Das Astrallicht oder der niedrige Ether ist voll von bewussten, halbbewussten und unbewussten Wesenheiten; nur hat die Kirche weniger Macht über sie als über unsichtbare Mikroben oder Moskitos.

19 Effatum XVI, „Oracles of Zoroaster“.

20 „Georgica“, Band II.

21 Die ideale Spitze des pythagoreischen Dreiecks, siehe Kapitel „Kreuz und Kreis“ und die „Frühesten Symbole des Kreuzes“ in Band II.

22 Siehe A. Coke Burnells Übersetzung, herausgegeben von Dr. Ed. W. Hopkins.

23 Ahamkara, als universales Selbstbewusstsein, hat ebenso wie Manas einen dreifachen Aspekt. Denn diese Vorstellung vom „Ich“ oder dem eigenen Ego ist entweder Sattva, „reine Ruhe“, oder erscheint als Rajas, „tätig“, oder bleibt Tamas, „stagnierend“, in Dunkelheit. Es gehört zu Himmel und Erde und nimmt die Eigenschaften beider an.

24 Siehe „Das Allerheiligste“.

25 Das Wort „Ewigkeit“, mit dem christliche Theologen den Ausdruck „für immer und ewig“ interpretieren, existiert in der hebräischen Sprache nicht, weder als Wort noch als Begriff. Oulam, sagt Le Clerc, bezeichnet lediglich einen Zeitraum, dessen Anfang oder Ende unbekannt ist. Es bedeutet nicht „unendliche Dauer“, und der Ausdruck für immer, im Alten Testament, bezeichnet lediglich eine „lange Zeit“. Ebenso wenig wird das Wort „Ewigkeit“ im christlichen Sinn in den Puranas gebraucht, denn im Vishnu-Purana“ wird klar festgestellt, dass mit Ewigkeit und Unsterblichkeit bloße „Existenz bis an das Ende des Kalpa“ gemeint ist (Buch II, Kap. viii).

26 Die orphische Theogonie ist ihrem Geiste nach rein orientalisch und indisch. Die aufeinanderfolgenden Veränderungen, die sie erfahren hat, haben sie jetzt weit von dem Geist der alten Kosmogonie entfernt, wie man schon durch einen Vergleich derselben mit Hesiods Theogonie sehen kann. Und doch bricht der wahrhaft arische, hinduistische Geist sowohl in Hesiods als auch in der orphischen Theogonie überall hervor (siehe das bemerkenswerte Werk Cosmogonies Aryennes“ von Jakob Darmesteter in seinen Essais Orientaux“). Somit entspricht die griechische Vorstellung vom Chaos jener der geheimen Weisheitsreligion. Bei Hesiod ist daher das Chaos unendlich, grenzenlos, endlos und seine Dauer ist anfanglos, es stellt eine Abstraktion und gleichzeitig eine sichtbare Gegenwart dar. Raum, erfüllt von Dunkelheit, welche ursprüngliche Materie in ihrem vorkosmischen Zustand ist. Denn in seinem etymologischen Sinn ist Chaos nach Aristoteles der Raum, und in unserer Philosophie ist der Raum die immer unsichtbare und unerkennbare Gottheit.

27 Den manifestierten Geist; absoluter, göttlicher Geist ist eins mit absoluter göttlicher Substanz. Parabrahman und Mulaprakriti sind eins in der Essenz. Daher sind auch kosmische Ideenbildung und kosmische Substanz in ihrem ursprünglichen Charakter eins.

28 „Sefer Jezirah“, Kap. 1, Mishna ix.

29 Ebenda. Abram wird von Arba abgeleitet.

30 „Zohar“, I, 2a.

31 „Sefer Jezirah“, Mischna ix, 10. Überall in der Apostelgeschichte nennt Paulus die unsichtbaren kosmischen Wesen die „Elemente“ (siehe griechische Texte). Aber heute sind die Elemente zu Atomen erniedrigt und auf sie beschränkt, von denen bisher nichts bekannt ist und die, wie der Ether selbst, lediglich „Kinder der Notwendigkeit“ sind, wie wir bereits in „Isis“ sagten. „Die armen ursprünglichen Elemente wurden schon lange verbannt, und unsere ehrgeizigen Physiker wetteifern darum, wer zu der eben flügge gewordenen Brut der sechzig oder mehr elementaren Substanzen die nächste hinzufügen wird.“ Unterdessen wütet in der modernen Chemie ein Kampf um die Begriffe. Es wird uns das Recht abgestritten, diese Substanzen „chemische Elemente“ zu nennen, denn sie seien keine „ursprünglichen Prinzipien selbstexistenter Essenzen, aus welchen das Universum gebildet wurde“, wie Platon sagt. Solche Vorstellungen in Verbindung mit dem Begriff Element reichten der „alten griechischen Philosophie“ vollkommen aus, die moderne Wissenschaft lehnt sie jedoch ab; denn – wie Prof. William Crookes sagt: „Das sind unglückliche Begriffe“, und die experimentelle Wissenschaft will mit „keiner Art von Essenzen etwas zu tun haben, außer mit jenen, die sie sehen, riechen oder schmecken kann. Die anderen überlässt sie den Metaphysikern. . . .“ Auch dafür müssen wir immerhin dankbar sein!

32 Als wir über diesen Gegenstand in Isis Unveiled“ schrieben, sagten wir: „Das Chaos der Alten, das zoroastrische heilige Feuer oder der Atash-Behram der Parsen; das Hermesfeuer, das Elmsfeuer der alten Germanen; Kybeles Blitz; Apollos brennende Fackel; die Flamme auf Pans Altar; das unauslöschliche Feuer im Akropolis-Tempel und in dem der Vesta; die Feuerflamme auf Plutos Helm; die glänzenden Funken auf den Mützen der Dioskuren, auf dem Gorgonenhaupt, dem Helm der Pallas und dem Merkur-Stab; der ägyptische Ptah-Ra; der griechische Zeus-Kataibates (der Herabsteigende) von Pausanias; die pfingstlichen Feuerzungen; Moses’ brennender Busch; die Feuersäule des Exodus und Abrams „brennende Lampe“; das ewige Feuer des „bodenlosen Abgrundes“; die Dämpfe des delphischen Orakels; das siderische Licht der Rosenkreuzer; das Akasha der indischen Adepten, Éliphas Lévis Astrallicht; die Nervenaura und das Fluidum der Magnetisten; Reichenbachs Od; Thurys Psychod und ektenische Kraft, Sergeant Cox’ psychische Kraft und der atmosphärische Magnetismus gewisser Naturforscher; der Galvanismus; und schließlich die Elektrizität – dies alles sind lediglich unterschiedliche Namen für viele verschiedene Manifestationen oder Wirkungen ein und derselben geheimnisvollen, alles durchdringenden Ursache, des griechischen Archaeus.“ Wir fügen jetzt hinzu – er ist alles dieses und noch viel mehr.

33 Platon, „Timaios“.

34 „Suidas“ v. Tyrrhenia.

35 Der Leser wird verstehen, dass unter „Jahren“ „Zeitalter“ verstanden werden, nicht bloße Perioden von je dreizehn lunaren Monaten.

36 Siehe die griechische Übersetzung von Philon Byblis.

37 Cory, „Ancient Fragments“.

38 Mithras wurde bei den Persern als der theos ek petras – Felsengott – betrachtet.

39 Bordj wird ein Feuerberg genannt – ein Vulkan; daher enthält er Feuer, Felsen, Erde und Wasser; die männlichen oder aktiven und die weiblichen oder passiven Elemente. Der Mythos ist bedeutsam.

40 „New Aspects of Life“ von Henry Pratt, M. D.

41 Damaskios nennt es in „Die Theogonien“ Dis, den „Lenker aller Dinge“. Cory, „Ancient Fragments“, S. 314.

42 Bei den Griechen waren die „Flussgötter“ allesamt Söhne des ursprünglichen Ozeans (des Chaos in seinem männlichen Aspekt), die einzelnen Vorfahren der hellenischen Rassen. Für sie war der Ozean der Vater der Götter; und in diesem Zusammenhang hatten sie also die Anschauung des Thales vorweggenommen, wie Aristoteles richtig bemerkt („Metaph.“, I, 3).

43 Der „Geist“ oder die verborgene Stimme der Mantras, die tätige Manifestation der verborgenen Kraft oder okkulter Macht.

44 Orthografie des „Archaic Dictionary“.

45 Wir meinen nicht die aktuelle und anerkannte Bibel, sondern die wirkliche, jüdische Schrift, die jetzt kabbalistisch erklärt wird.

46 Er ist aus dem einfachen Grund „unbeschreiblich“, weil er nichtexistierend ist. Er war noch niemals ein Name oder überhaupt irgendein Wort, sondern eine Idee, die nicht zum Ausdruck gebracht werden konnte. Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurde ein Stellvertreter für ihn erschaffen.

47 Moses’ kosmisches Tabernakel, das er in der Wüste errichtete, war quadratisch, um die vier Kardinalpunkte und die vier Elemente darzustellen, wie Josephus seinen Lesern erzählt („Antiq.“, I, Kap. viii, xxii). Die Idee stammte von den Pyramiden in Ägypten ab, und in Tyrus, wo die Pyramiden zu Pfeilern wurden, haben die Genien oder Engel ihre Wohnungen in den vier jeweiligen Punkten (siehe § xiv, „Die vier Elemente“).

48 Plutarch, „Isis und Osiris“, 1, vi.

49 „Spirit History of Man“, S. 88.

50 Movers „Phoinizer“, S. 268.

51 Cory, „Fragments“, S. 240.

52 Geradeso, wie Mulaprakriti nur Iswara bekannt ist oder dem Logos, wie er jetzt von T. Subba Row aus Madras genannt wird (siehe seine Bhagavadgita-Vorlesungen).

53 Iswara oder der Logos kann Parabrahman nicht sehen, sondern lediglich Mulaprakriti, sagt der Redner in den vier Vorlesungen über die Bhagavadgita (siehe Theosophist, Feb. 1887).

54 Die „sieben Engel des Angesichts“ bei den Christen.

55 Wir verwenden diesen Ausdruck, weil er verbreitet und durch den Gebrauch sanktioniert und dem Leser deshalb verständlicher ist.

56 Wie Le Clerc zeigt, bedeutete bei den alten Juden das Wort Oulom nur eine Zeit, deren Anfang und Ende nicht bekannt war. Das Wort „Ewigkeit“ existierte genau genommen in der hebräischen Sprache nicht in der Bedeutung, die beispielsweise die Vedantisten Parabrahman geben.

57 Im indischen Pantheon ist der zweigeschlechtliche Logos Brahmâ, der Schöpfer, dessen sieben „aus dem Gemüt geborenen“ Söhne die ursprünglichen Rishis sind – die „Bauleute“.

58 Rabbi Schimon sagt: „Ah, Gefährten, Gefährten, als eine Emanation war der Mensch zugleich Mann und Frau, sowohl auf der Seite des ‘Vaters’ als auf der Seite der ‘Mutter’. Und das ist der Sinn der Worte: ‘Und Elohim sprachen; Es werde Licht, und es ward Licht’; . . . und das ist der zweifältige Mensch.“ („Auszüge aus dem Sohar“, S. 72) Licht stand in der Genesis also für den androgynen Strahl oder den „Himmlischen Menschen“.

59 Die sieben Schwäne, von denen man glaubt, dass sie vom Himmel kommend auf dem See Mansarovara landen, sind in der Fantasie des Volks die sieben Rishis des großen Bären, und sie nehmen diese Form an, um den Ort zu besuchen, an dem die Veden geschrieben wurden.

60 Siehe Max Müllers „Our Figures“.

61 Ein Kabbalist wäre vielmehr geneigt, etwas anderes zu glauben; entsprechend der Ableitung des arabischen cifron vom indischen Synyan, Null, wurden das jüdische, kabbalistische Sephiroth (Sephrim) von dem Wort cipher entlehnt, nicht im Sinne von Leerheit, sondern umgekehrt – in dem Sinne der Schöpfung nach Zahlen und Stufen in ihrer Evolution. Und es gibt 10 oder Sephiroth.

62 Siehe Max Müllers „Our Figures“.

63 Siehe Kings „Gnostics and their Remains“, Tafel xiii.

64 „De vita Pythag“.

65 608 v. Chr.

66 Die Stadt wurde 332 v. Chr. erbaut.

67 „Metaph“, vii, F.

68 Und das nur darum, weil die eherne Schlange auf einen Pfahl gesetzt wurde! Sie hatte im Gegenteil eine Beziehung zu Mico, dem ägyptischen Ei, das vom heiligen Tau gestützt aufrecht steht, weil Ei und Schlange in der alten Verehrung und Symbologie Ägyptens nicht trennbar sind und weil sowohl die eherne als auch die „feurigen“ Schlangen Seraphim waren, die „brennenden feurigen“ Boten oder die Schlangengötter, die Nagas Indiens. Ohne das Ei war es ein rein phallisches Symbol, aber in Verbindung damit bezog es sich auf die kosmische Schöpfung.

69 „Erz war ein Metall, das die niedere Welt symbolisierte . . . . die des Schoßes, wo Leben gegeben werden sollte . . . Das Wort für Schlange war im Hebräischen Nachasch, dasselbe Wort bedeutet aber auch Erz.“ Es heißt in den „Numeri“ (xxi), dass sich die Juden über die Wüste beklagten, in der kein Wasser war“ (v. 5); worauf „der Herr feurige Schlangen sandte“ sie zu beißen, und dann, um Moses einen Gefallen zu tun, gab er ihm als Heilmittel die eherne Schlange auf einem Pfahl, damit sie sie anblickten; woraufhin „ein jeder, wenn er die eherne Schlange ansah . . . . lebte“ (?). Hierauf versammelte der „Herr“ das Volk am Brunnen von Beer, gab ihm Wasser (14-16), und das dankbare Israel sang das Lied „Springe empor, oh Brunnen“ (v. 17). Wenn der christliche Leser nach einem Studium der Symbologie zu einem Verständnis der innersten Bedeutung dieser drei Symbole gelangt – Wasser, Erz, die Schlange, und noch einiger anderer, in dem ihnen in der Heiligen Bibel verliehenen Sinn, so wird er kaum geneigt sein, den heiligen Namen seines Erlösers mit den Geschehnissen um die „eherne Schlange“ in Verbindung zu bringen. Die Seraphim סיפרש (die feurigen, beflügelten Schlangen) sind ohne Zweifel mit der Idee der „Schlange der Ewigkeit – Gott“ verbunden und können nicht davon getrennt werden, wie es in Kenealys „Apocalypse“ erklärt ist. Aber das Wort Cherubim bedeutete in einem Sinn auch Schlange, obwohl seine unmittelbare Bedeutung anders lautet, denn die Cherubim und die persischen geflügelten „Greife“ γρύφες – die Wächter des Goldenen Bergs – sind ein und dasselbe, und ihr zusammengesetzter Name zeigt ihren Charakter, denn er besteht aus רכ (kr), Kreis und בוא „aub“ oder ob, Schlange, und bedeutet daher eine „Schlange in einem Kreis“. Und das bestätigt den phallischen Charakter der ehernen Schlange und rechtfertigt, dass Hiskia sie in Stücke schlug (siehe 2 Könige 18,1, 4). Verbum satis sapienti.

70 Letztere Bezeichnungen sind alle identisch mit Anima Mundi oder der „Universalseele“, dem Astrallicht der Kabbalisten und Okkultisten oder dem „Ei der Dunkelheit“.

71 Weber, „Akad. Vorlesung“, S. 189.

72 Isis wird fast immer mit einem Lotus in der einen sowie einem Kreis und einem Kreuz (Crux Ansata) in der anderen Hand dargestellt. Das Ei war ihr geweiht.

73 Die Chinesen scheinen demnach Sir William Thomsons Theorie vorweggenommen zu haben, dass der erste Lebenskeim von einem vorbeiziehenden Kometen auf die Erde herabgefallen sei. Frage: Warum sollte das als wissenschaftlich erachtet werden und die chinesische Idee als eine abergläubische, verrückte Theorie?

74 Horus – der „Ältere“ oder Haroiri, ist ein alter Aspekt des Sonnengotts, ein Zeitgenosse von Re und Schu; Haroiri wird oft mit Horus (Horsusi) verwechselt, dem Sohn von Osiris und Isis. Sehr häufig stellten die Ägypter die aufsteigende Sonne in der Form des älteren Horus dar, der sich von einem aufgeblühten Lotus erhebt, dem Universum, und dann befindet sich über dem Sperberkopf dieses Gottes immer die Sonnenscheibe. Haroiri ist Chnum.

75 Amun oder Mon, der „Verborgene“, der höchste Geist.

76 Seine triadischen Göttinnen sind Sati und Anukis.

77 Ptah war ursprünglich der Gott des Todes, der Zerstörung, gleich Shiva. Er ist nur deshalb ein Sonnen-Gott, weil das Sonnenfeuer sowohl tötet als auch belebt. Er war der Nationalgott von Memphis, der strahlende und „schöngesichtige Gott“ (siehe Sakkara Bronzen, saïtische Epoche).

78 Das Brahmanda-Purana enthält das Geheimnis von Brahmâs Goldenem Ei vollständig; und wahrscheinlich ist es eben deshalb den Orientalisten nicht zugänglich, die behaupten, dass dieses Purana, ebenso wie das Skanda-Prana, „nicht länger als zusammenhängendes Ganzes beschaffbar ist“, sondern „aus einer Vielzahl von Khandas und Mahatmyas besteht, die angeblich daraus abgeleitet wurden“. Das „Brahmanda-Purana“ wird beschrieben als „jenes, das in 12.200 Versen die Herrlichkeit von Brahmâs Ei verkündete und in dem ein Bericht über die zukünftigen Kalpas enthalten ist, wie er von Brahmâ geoffenbart wurde.“ Ganz richtig, und vielleicht noch viel mehr.

79 In den buddhistischen esoterischen Überlieferungen findet sich ein merkwürdiges Informations­bruchstück. Die exoterische oder allegorische Biografie Gautama Buddhas lässt diesen großen Weisen an einer durch Schweinefleisch und Reis bewirkten Verdauungsstörung sterben, in der Tat ein sehr prosaisches Ende, das sehr wenig Feierliches an sich hat. Es erklärt sich als eine allegorische Bezugnahme darauf, dass Brahmâ im „Eber“ oder Varaha-Kalpa geboren wurde und dass er die Gestalt dieses Tieres annahm, um die Erde aus den „Wassern des Raums“ emporzuheben. Da nun die Brahmanen unmittelbar von Brahmâ abstammen und sozusagen mit ihm identifiziert werden, und da sie die Todfeinde des Buddhas und des Buddhismus sind, haben wir diese merkwürdige allegorische Andeutung und Gedankenverbindung. Der Brahmanismus (des Eber- oder Varaha-Kalpas) hat Buddhas Religion in Indien ermordet und von der Oberfläche vertilgt; daher heißt es von dem mit seiner Philosophie identifizierten Buddha, dass er an den Folgen des Genusses des Fleisches eines wilden Schweins verstorben sei. Die bloße Vorstellung, er sei an einer von Fleisch ausgelösten Verdauungsstörung gestorben, ist ein absurder Widerspruch und hat mehr als einen Orientalisten verwirrt, denn Buddha hatte strengsten Vegetarismus und die tiefste Achtung vor dem tierischen Leben eingeführt und verweigerte selbst den Verzehr von Eiern, da sie latentes, zukünftiges Leben in sich tragen. Die gegenwärtige Erklärung enthüllt die Allegorie jedoch und macht alles Übrige klar. Der Varaha jedoch ist kein einfacher Eber, sondern scheint ursprünglich irgendein vorsintflutliches Sumpftier bedeutet zu haben, „das es liebte, sich im Wasser zu ergötzen.“ (Vayu-Purana“)

80 Nach Oberst Wilford ereignete sich der Schluss des „Großen Krieges“ 1370 v. Chr, (siehe „A. R.“, Bd. 9, S. 116); nach Bentley 575 v. Chr. ! ! Wir können vielleicht darauf hoffen, dass noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts der mahabharatische Epos als mit den Kriegen des großen Napoleons übereinstimmend erklärt werden.

81 Im Vedanta und Nyaya wird „nimitta“ (wovon sich „Naimittika“ ableitet) als die eigentliche Ursache übersetzt, wenn es zu Upadana, der physischen oder materiellen Ursache, in Antithese gesetzt wird. Im Sankhya ist Pradhana eine Brahmâ untergeordnete Ursache, oder vielmehr ist Brahmâ selbst eine über Pradhana stehende Ursache. Daher ist „Zugehörige“ eine falsche Übersetzung und sollte, wie einige Gelehrte gezeigt haben, mit „idealer“ Ursache wiedergegeben werden; selbst reale Ursache wäre besser gewesen.

82 Der Haupt-Kumara oder jungfräuliche Gott (ein Dhyan Chohan), der sich weigert zu schaffen. Ein Prototyp des Hl. Michaels, der sich ebenfalls weigert, das zu tun.

83 Siehe die Schlusszeilen des Kapitels „Chaos, Theos, Kosmos“.

84 Dieser Ausblick würde schwerlich der christlichen Theologie entsprechen, die für ihre Anhänger eine ewige, immerwährende Hölle vorzieht.

85 Der Ausdruck „Elemente“ muss hier nicht nur im Sinn sichtbarer und körperlicher Elemente verstanden werden, sondern auch als das, was der Hl. Paulus Elemente nennt – als die spirituellen intelligenten Kräfte – Engel und Dämonen in ihren manvantarischen Formen.

86 Wenn die Orientalisten diese Beschreibung in ihrer esoterischen Bedeutung richtig verstehen, wird sich finden, dass diese kosmische Wechselbeziehung der Weltelemente die Wechselbeziehung der physikalischen Kräfte besser erklären könnte als die gegenwärtig bekannten. Auf jeden Fall werden Theosophen bemerken, dass Prakriti sieben Formen oder Prinzipien hat, „von Mahat bis zur Erde gezählt“. Die „Wasser“ bedeuten hier die mystische „Mutter“; den Mutterschoß der abstrakten Natur, in welchem das manifestierte Universum empfangen wird. Die sieben „Zonen“ beziehen sich auf die sieben Abteilungen dieses Universums oder auf die Noumena der Kräfte, welche es ins Dasein bringen. Das ist alles allegorisch.

87 Da hier der Maha, das große oder sogenannte endgültige Pralaya beschrieben wird, wird jedes Ding in sein ursprüngliches eines Element reabsorbiert. Die „Götter selbst, Brahmâ und die Übrigen“ sterben, wie es heißt, und verschwinden während dieser langen Nacht.

88 Die „Baumeister“ der Stanzen.

89 Siehe Jacolliots „Les fils de Dieu“; l‘Inde des Brahmes, S. 230.

90 Wenn das nicht prophetisch ist, was dann?

91 Das Matsya-Purana gibt Katapa an.

92 Max Müller übersetzt den Namen mit Morya, von der Moryadynastie, welcher Chandragupta angehörte (siehe Sanskrit-Literatur). Im „Matsya-Purana“, Kap. cclxxii, ist von der Dynastie der zehn Moryas (oder Mauryas) die Rede. In demselben Kapitel cclxxii heißt es, dass die Moryas eines Tages über Indien herrschen werden, nachdem sie in vielen tausend Jahren das Kshatriyageschlecht wiederhergestellt haben werden. Nur dieses Reich wird rein spirituell und „nicht von dieser Welt“ sein. Es wird das Königreich des nächsten Avataras sein. Colonel Tod glaubt, dass der Name Morya (oder Maurya) eine Entstellung des Namens des Rajputenstamms Mori darstellt, und der Kommentar zum Mahavansa meint, dass einige Fürsten ihren Namen Maurya von ihrer Stadt namens Mori angenommen haben, oder Morya-Nagara, wie er von Professor Max Müller angegeben wird, was nach der Urschrift des Mahavansa richtiger ist. Die „Sanskrit-Enzyklopädie Vachaspattya“ versetzt, wie unser Bruder Devan Badhadur R. Ragoonath Rao aus Madras mitteilt, Katapa (Kalapa) auf die Nordseite der Himalayas und somit nach Tibet. Das Gleiche wird in Kapitel xii (Skandha) des „Bhagavat“, Bd. III, S. 325, zum Ausdruck gebracht.

93 Das Vayu-Purana erklärt, dass Moru die Kshatriyas im neunzehnten folgenden Yuga wiederherstellen wird (siehe „Five Years of Theosophy“, S. 483, „The Moryas and Koothoomi“).

94 In der christlichen Religion sieht man auf jedem Verkündigungsmotiv den der Jungfrau Maria erscheinenden Erzengel Gabriel, und in seiner Hand hält er einen Strauß Wasserlilien. Dieser Strauß, der Feuer und Wasser versinnbildlicht oder die Idee der Schöpfung und der Zeugung, symbolisiert genau dieselbe Idee wie der Lotus in der Hand des Bodhisattvas, welcher Maha-Maya, der Mutter Gautamas ankündigt, dass sie Buddha, den Heiland der Welt, gebären wird. Deshalb also wurden auch Osiris und Horus von den Ägyptern beständig in Verbindung mit der Lotusblume dargestellt, da beide Sonnengötter oder Feuer waren (wie der Heilige Geist noch jetzt durch „feurige Zungen“ dargestellt wird) (Apostelgeschichte).

95 Siehe Sir William Jones „Dissertations Relating to Asia“.

96 Lakshmi ist Venus-Aphrodite, und wie Letztere ging sie mit einer Lotusblume in ihrer Hand aus dem Schaum des Ozeans hervor. Im Ramayana wird sie Padma genannt.

97 In der Esoterischen Philosophie ist der Demiurg oder Logos, als Schöpfer betrachtet, lediglich ein abstrakter Ausdruck, eine Idee, ähnlich dem Wort „Heer“. Wie Letzteres der alles umfassende Begriff für eine Gesamtheit von aktiven Kräften oder wirkenden Einheiten ist – Soldaten –, ist der Demiurg die qualitative Zusammensetzung einer Vielheit von Schöpfern oder Baumeistern. Burnouf, der große Orientalist, erfasste den Gedanken vollkommen richtig, indem er sagte, dass Brahmâ die Erde nicht erschafft, nicht mehr als das übrige Universum. „Nachdem er sich aus der Seele der Welt selbst evolviert hat, kondensiert er mit der gesamten Natur und emaniert sie aus sich selbst heraus, sobald er erst einmal von der ersten Ursache getrennt ist. Er steht nicht über ihr, sondern ist mit ihr vermengt. Brahmâ und das Universum bilden ein Wesen, von welchem jedes einzelne Teilchen vom Wesen her Brahmâ selbst ist, der aus sich selbst hervorging.“

98 In den indischen Puranas werden Vishnu, der erste, und Brahmâ, der zweite Logos oder der ideale und der praktische Schöpfer dementsprechend dargestellt, der eine als den Lotus offenbarend, der andere als aus ihm hervorgehend.

99 Jedoch nicht die „Anstrengungen“ der geübten psychischen Fähigkeiten eines Initiierten der östlichen Metaphysik und der Mysterien der schöpferischen Natur. Die Profanen vergangener Zeiten waren es, die das reine Ideal der kosmischen Schöpfung zu einem Emblem lediglich menschlicher Fortpflanzung und geschlechtlicher Funktionen erniedrigten: Es ist die Aufgabe der esoterischen Lehren sowie der zukünftigen Initiierten, die ursprüngliche Vorstellung zu rehabilitieren und aufs Neue zu adeln, welche durch ihre rohe und plumpe Anwendung auf exoterische Dogmen und Personifikationen seitens theologischer und kirchlicher Frömmler bedauernswert entweiht wurde. Die schweigende Verehrung der abstrakten oder noumenalen Natur, also der einzigen göttlichen Manifestation, ist die eine veredelnde Religion der Menschheit.

100 Sicherlich konnten die Worte des alten Initiierten der ursprünglichen Mysterien des Christentums „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid“ (1 Korinther 3,16) nicht in diesem Sinn auf die Menschen angewendet werden. Diese Auffassung konnte und war unabstreitbar in den Köpfen der hebräischen Kompilatoren des Alten Testaments. Und hier befindet sich der Abgrund, der zwischen der Symbolik des Neuen Testaments und dem jüdischen Kanon liegt. Diese Kluft wäre geblieben und immer weiter gewachsen, hätte nicht das Christentum eine Brücke über sie geschlagen, insbesondere und am grellsten die lateinische Kirche. Das moderne Papsttum hat die Kluft inzwischen mit seinem Dogma von den beiden unbefleckten Empfängnissen und durch den anthropomorphen und zugleich der Mutter ihres Gottes verliehenen abgöttischen Charakter vollkommen überbrückt.

101 Sie wurde ausschließlich in der hebräischen Bibel und bei deren unterwürfiger Plagiatorin, der christlichen Theologie, derartig auf die Spitze getrieben.

102 Dieselbe Idee wird in den Vorkommnissen in Ägypten exoterisch ausgeführt. Gott der Herr versucht den Pharao schwer und „straft ihn mit großen Plagen“, damit der König nicht der Strafe entgehe und so keinen Vorwand für einen weiteren Triumph seines „auserwählten Volkes“ liefere.

103 Selbst die sieben Töchter des midianischen Priesters, die kamen, um Wasser zu schöpfen, und denen Moses half, ihre Herde zu tränken, für welchen Dienst der Midianit Moses seine Tochter Zipporah (Sipparah = die schimmernde Woge) zur Frau gab (Exodus 2). All das hat dieselbe geheime Bedeutung.

104 Bei den Ägyptern bedeutete das die Auferstehung durch Wiedergeburt nach 3.000 Jahren der Reinigung, sei es in Devachan oder in den „Gefilden der Wonne“.

105 Solche „Froschgöttinnen“ sind in Boulak zu sehen, im Museum in Kairo. Für die Behauptung betreffs der Kirchenlampen und Inschriften muss der gelehrte ehemalige Direktor des Boulak-Museums, Gaston Maspero, verantwortlich gemacht werden (siehe seinen „Guide du Visiteur au Musée de Boulaq“, S. 146).

106 In der Bildhauerei von Alkamenes die Göttin Τρίμορφος.

107 Die alte Mythologie schließt die alte Astronomie ebenso gut in sich ein wie die Astrologie. Die Planeten waren die Zeiger, die auf dem Ziffernblatt unseres Sonnensystems die Stunden gewisser periodischer Ereignisse angaben. So war Merkur, der Bote, dazu bestimmt, den Takt der täglichen Sonnen- und Mondphänomene zu halten, und stand im Übrigen in Beziehung mit dem Gott und der Göttin des Lichts.

108 Die verzerrte und verkümmerte vedantische Vorstellung von Parabrahman, welches das gesamte Universum in sich selbst enthält, da es dieses grenzenlose Universum ist und nichts außerhalb von ihm selbst existiert.

109 Dasselbe findet sich bis zum heutigen Tag in Indien, der Stier Shivas und die Kuh, welche verschiedene Shakti repräsentieren, Göttinnen.

110 Daher die Verehrung des Mondes bei den Hebräern.

111Männlich und weiblich schuf er sie.“

112 Weil sie zu heilig war. In den Veden wird sie als Tat bezeichnet: Sie ist die „Ewige Ursache“ und kann daher nicht als eine „Erste Ursache“ bezeichnet werden, ein Ausdruck der impliziert, zu einem gewissen Zeitpunkt sei keinerlei Ursache vorhanden gewesen.

113 Die römischen Katholiken verdanken die Idee, den Monat Mai der Jungfrau zu weihen, dem heidnischen Plutarch, der zeigt, dass „der Mai der Maïa (Maiva) oder Vesta geweiht ist“ („Aulus-Gellius“, Wort Maïa) – unserer Mutter Erde, unserer personifizierten Amme und Ernährerin.

114 Thot-Lunus ist der „Budha-Soma“ Indiens oder „Merkur und der Mond“.

115 Während der in den mosaischen Büchern fehlenden Periode – von der Verbannung aus dem Paradies bis zur allegorischen Flut – verehrten die Juden zusammen mit den übrigen Semiten Dayanisi י ס י נ ז י ד, „den Beherrscher der Menschen“, den „Richter“, oder die Sonne. Obwohl der jüdische Kanon und das Christentum die Sonne in der Bibel zu „Gott dem Herrn“ und Jehovah machten, ist doch Letztere voll von indiskreten Spuren der androgynen Gottheit Jehovah, der Sonne, und Astoreth, der Mond in seinem weiblichen Aspekt, und ganz frei von dem ihm gegenwärtig verliehenen sinnbildlichen Element. Gott ist ein „verzehrendes Feuer“, er erscheint in und ist umgeben von Feuer. Es geschah nicht nur in seiner Vision, dass Hesekiel (viii, 16) sah wie die Juden sich „… bückten … hin vor der Sonne“. Der Baal der Israeliten (der Schemesch der Moabiten und der Moloch der Ammoniten) war mit dem „Sonnen-Jehovah“ identisch, und er ist bis heute der „König der Himmlischen Schar“, der Sonne, ebenso wie Astoreth die „Königin des Himmels“ war – oder der Mond. Die „Sonne der Gerechtigkeit“ ist erst jetzt zu einem metaphorischen Ausdruck geworden.

116 Um ihr Leben zu retten, flieht die Erde in der Allegorie vor dem sie verfolgenden Prithu. Sie nimmt die Gestalt einer Kuh an und läuft, vor Entsetzen zitternd, davon und verbirgt sich sogar in den Regionen Brahmâs. Daher ist es nicht unsere Erde. Das Kalb wiederum hat in jedem Purana einen anderen Namen. In einem ist es Manu Svayambhuva, in einem anderen Indra, in einem dritten der Himavat (Himalaya) selbst, wobei Meru der Melker war. Das ist eine tiefere Allegorie als allgemein angenommen.

117 Seine klare Vergegenwärtigung dieser Angelegenheit lautet, dass die Ägypter Jehovah (!) und seinen Fleisch gewordenen Erlöser (die gute Schlange) etc. etc. prophezeiten; und selbst Typhon mit dem bösen Drachen des Gartens Eden zu identifizieren, und derlei gilt dann als ernsthafte und seriöse Wissenschaft.

118 Hathor ist die infernale Isis, die Göttin insbesondere des Westens oder der Unterwelt.

119 Das ist von de Mirville, der die Ähnlichkeit stolz verkündet, und er müsste es wissen.

120 Erwähnt in G. Masseys Vortrag.

121 „The Natural Genesis“ von Gerald Massey, Band 1, S. 340.

122 Aus demselben Grund wird die Einteilung der sieben Prinzipien im Menschen genauso gerechnet, weil sie in der höheren und der niederen menschlichen Natur denselben Kreis beschreiben.

123 So ist die siebenfältige Einteilung die älteste und ging der vierfältigen Einteilung voran. Sie ist die Wurzel der archaischen Systematik.

124 Ein „Tag Brahmâs“ dauert 4.320.000.000 Jahre – multipliziere dies mit 365! Die Asuras hier (Nichtgötter, oder Dämonen) sind immer noch Suras, Götter, die in der Hierarchie höher stehen als solche sekundären Götter, die in den Veden noch nicht einmal erwähnt werden. Die Dauer des Krieges zeigt seine Bedeutung, und sie zeigt auch, dass sie lediglich die personifizierten kosmischen Mächte darstellen. Es ist offenbar zu sektiererischen Zwecken und aus odium theologicum geschehen, dass die von Vishnu angenommene täuschende Form Mayamoha in späteren Neuanordnungen der alten Texte Buddha und den Daityas zugeschrieben wurde, wie im Vishnu-Purana“, wenn es sich dabei nicht um ein Fantasiegebilde von Wilson selbst handelt. Wilson glaubte auch, in der Bhagavadgita eine Anspielung auf den Buddhismus gefunden zu haben, wobei er, wie K. T. Telang bewiesen hat, lediglich die Buddhisten und die älteren Charvaka-Materialisten miteinander verwechselte. Diese Version taucht in den anderen Puranas nirgendwo auf, sollte die von Professor Wilson aufgestellte Behauptung auch auf das Vishnu-Purana“ zutreffen; bei dessen Übersetzung, insbesondere der von Buch iii, Kap. xviii, hat der hochwürdige Orientalist willkürlich Buddha eingeführt und lässt ihn die Daityas den Buddhismus lehren, und das hat zu einem anderen „großen Krieg“ geführt, und zwar zwischen ihm und Oberst Vans Kennedy. Letzterer beschuldigte ihn öffentlich, vorsätzlich puranische Texte entstellt zu haben. „Ich behaupte“, schrieb der Oberst im Jahr 1840 in Bombay, „dass die Puranas nicht das enthalten, was nach der Behauptung Professor Wilsons in ihnen enthalten sein soll; . . . bis entsprechende Zitate vorgebracht werden, möge es mir erlaubt sein, meine früheren Schlussfolgerungen zu wiederholen, dass Professor Wilsons Behauptung, die jetzt vorhandenen Puranas seien zwischen dem achten und siebzehnten Jahrhundert (n. Chr.!) zusammengestellte Kompilationen, lediglich auf willkürlichen Annahmen und unbegründeten Thesen beruht, und dass seine diesbezügliche Beweisführung nichtig, trügerisch, widersprüchlich oder nicht wahrscheinlich ist.“ (SieheThe Vishnu-Purana“, übersetzt von Wilson, herausgegeben von Fitzedward Hall, Band V, Anhang)

125 Diese Aussage bezieht sich auf den dritten Krieg, da die irdischen Kontinente, Meere und Flüsse in Zusammenhang mit ihm erwähnt werden.

126 Buch I, Kap. xvii, die Geschichte Prahladas erzählend – des Sohnes Hiranyakashipus, des puranischen Satans, des großen Feindes Vishnus und des Königs der drei Welten – in dessen Herz Vishnu eintrat.

127 Diese Unkenntnis wird im Lobgesang der Yogins für Brahmâ, „den Erhalter der Erde“ (Buch I, Kap. iv des Vishnu Puranas“), wahrhaftig und schön zum Ausdruck gebracht, indem sie sagen: „Jene, die Hingabe nicht übten, begreifen die Natur der Welt nicht. Die Unwissenden, die nicht wahrnehmen, dass dieses Universum von der Natur der Weisheit ist und es lediglich als ein Objekt der Wahrnehmung ansehen, sind in dem Ozean der geistigen Unwissenheit verloren. Aber jene, welche die wahre Weisheit kennen und deren Denken rein ist, erblicken diese ganze Welt als eins mit der göttlichen Erkenntnis, als eins mit dir, oh Gott! Sei gnädig, oh universaler Geist!“

128 „Es begab sich aber des Tages, da die Söhne Gottes vor den Herrn traten, dass Satan kam mit seinen Brüdern und auch vor den Herrn trat.“ (Hiob 2, Abyss., äthiopischer Text)

129 Wilsons Meinung, dass das Vishnu-Purana“ ein Produkt unserer Ära und in seiner gegenwärtigen Form nicht älter sei als aus der Zeit zwischen dem 8. und 17. (!!) Jahrhundert, ist zu widersinnig, als dass sie Beachtung verdienen würde.

130 Siehe „Magazine“, April 1797.

131 Ητοι μεν πρώτιστα χάος γένετ᾽ ; γένετο wurde im Altertum die Bedeutung beigelegt von „wurde erzeugt“ und nicht einfach von „war“ (siehe Taylors „Introd. to the Parmenides of Plato“, S. 259-60).

132 Diese Verwechselung des „Begrenzten“ mit dem „Unbegrenzten“ überschüttet Kapila in seinen Disputen mit den brahmanischen Yogis mit Sarkasmus, die behaupten, in ihren mystischen Visionen das „Höchste Eine“ zu sehen.

133 Siehe T. Taylors Artikel in seinem „The Monthly Magazine“, zitiert in The Platonist“, Ausgabe Februar 1887, von T. M. Johnson, Mitglied der Theosophischen Gesellschaft, Osceola, Missouri.

134 Vach – die „melodische Kuh, die Nahrung und Wasser spendet“ und uns „Nahrung und leibliches Wohl“ gewährt, wie im „Rigveda“ beschrieben.

135 The Masonic Review“, Juni 1886.

136 In der Bhagavadgita Daiviprakriti genannt.

137 Objektiv – in der Welt der Maya, natürlich; doch ebenso real, wie wir es selbst sind.

138 „Genauer gesagt, sollte diese Daiviprakriti im Verlauf der kosmischen Manifestation anstatt die Mutter des Logos zu sein als seine Tochter bezeichnet werden.“ („Notes on the Bhagavadgita“, S. 305, Theosophist)

139 Die weisen Männer, welche die Methode fanden, das Unfassbare eine fassliche Form annehmen zu lassen – wie William Stanley Jevons in der Moderne –, konnten das nur dadurch bewerkstelligen, dass sie auf Zahlen und geometrische Formen zurückgriffen.

140 Das verbindet Vach und Sephira mit der Göttin Kwan-Yin, der „barmherzigen Mutter“, selbst im exoterischen Buddhismus mit der göttlichen Stimme der Seele und mit dem weiblichen Aspekt Kwan-Shai-Yins, des Logos, des Verbums der Schöpfung, und zugleich mit der Stimme, welche nach dem esoterischen Buddhismus hörbar zum Initiierten spricht. Bath Kol, die Filia Vocis, bei den Hebräern die Tochter der Göttlichen Stimme, die vom Gnadenthron hinter dem Tempelvorhang antwortet, ist – ein Resultat.

141 Wie Om ist Pranava ein mystisches Wort, das während der Meditation von den Yogis ausgesprochen wird; von den laut der exoterischen Kommentatoren Vyahritis genannten Worten oder „Om, Bhur, Bhuva, Swaha“ (Om, Erde, Firmament, Himmel) ist Pranava vielleicht das heiligste. Sie werden mit unterdrücktem Atem ausgesprochen. Siehe „Manu“, II, S. 76-81 und „Mitakshara commenting on the Yajnavalkya-Smriti“, i. 23. Die esoterische Erklärung geht jedoch noch ein gutes Stück tiefer.

142 Diese Trinität wird durch die „drei Schritte Vishnus“ dargestellt; was bedeutet: (nachdem Vishnu in der Exoterik als das Unendliche betrachtet wird) – Mulaprakriti und Purusha (der Logos und Prakriti) gingen aus Parabrahman hervor: die vier Formen (mit ihr selbst als Synthese) von Vach. Und in der Kabbala sind Ain Soph, Shekinah, Adam Kadmon und Sephira, die vier – oder drei verschiedenen Emanationen – doch eine.

143 „Chaldäisches Buch der Zahlen“. In der heutigen Kabbala ersetzt der Name Jehovah den Adam Kadmons.

144 Justin der Märtyrer sagt uns, dass er wegen seiner Unkenntnis dieser vier Wissenschaften von den Pythagoreern als Kandidat für die Zulassung an ihrer Schule zurückgewiesen worden sei.

145 31.415 oder π, die Synthese oder die im Logos vereinte Schar, oder der im römischen Katholizismus als „Engel des Angesichts“ bezeichnete Punkt, sowie im Hebräischen ל ֶא ַכ י ִם, „der (gleich wie oder derselbe) wie Gott ist “ – die manifestierte Repräsentation.

146 Sie erscheinen am Beginn eines jeden Zyklus, sowie auch an dem eines jeden siderischen Jahres (von 25.868 Jahren). Daher erhielten die Kabeira oder Kabirim ihren Namen in Chaldäa, und es bedeutet die Maße des Himmels, von Kob – Maß von, und Urim – die Himmel.

147 Dieses ägyptische Wort Naja erinnert sehr an den indischen Naga, den Schlangengott. Brahmâ, Shiva und Vishnu sind alle gekrönt mit Nagas und stehen mit ihnen in Verbindung – ein Zeichen für ihren zyklischen und kosmischen Charakter.

148 Der Übersetzer von Avicebrons „Qabbalah“ (Isaac Myer, LL.B., aus Philadelphia) sagt über diese „Gesamtsumme“: „Kethers Buchstabe ist י (Yod), Binahs ה (Heh), zusammen YaH, der weibliche Name; der dritte Buchstabe, der von Chochmah, ist ו (Vau), was zusammen ו ה י YHV ergibt von ה ו ה י YHVH, das Tetragrammaton, und tatsächlich das vollständige Symbol seiner Wirksamkeit. Das letzte ה (Heh) dieses Unaussprechlichen Namens wird immer angewendet auf die sechs niederen und auf die letzte, zusammen die sieben verbleibenden Sephiroth.“ . . . Somit ist das Tetragrammaton lediglich in seiner abstrakten Synthese heilig. Als eine die niederen sieben Sephiroth enthaltende Vierheit ist es phallisch.

149 Diese Behauptung wird natürlich für unsinnig und absurd gehalten und verlacht werden. Wenn man aber an den endgültigen Untergang von Atlantis vor 850.000 Jahren glaubt, wie es im „Esoterischen Buddhismus“ gelehrt wurde (das erste, allmähliche Versinken begann im Eozän), muss man auch die Behauptung über das sogenannte Lemurien annehmen, den Kontinent der dritten Wurzelrasse, der zunächst durch Verbrennung nahezu vollkommen zerstört wurde und dann untertauchte. Der Kommentar lehrt: „Da die erste Erde durch die neunundvierzig Feuer gereinigt war, konnte ihre Bevölkerung, aus Feuer und Wasser geboren, nicht sterben . . . etc.; die zweite Erde (mit ihrer Rasse) verschwand, wie Dunst in der Luft verschwindet . . . ; die dritte Erde hatte alles, was sich auf ihr befand, nach der Trennung erschöpft und versank in der unteren Tiefe (dem Ozean). Das geschah vor zweimal zweiundachtzig zyklischen Jahren.“ Nun entspricht ein zyklisches Jahr dem, was wir ein Siderisches Jahr nennen und beruht auf dem Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen oder jeweils 25.868 Jahre, und dies entspricht also insgesamt 4.242.352 Jahren. Weitere Einzelheiten wird man in Band II finden. Unterdessen: Diese Lehre ist verkörpert in den „Königen von Edom“.

150 Dieselbe Zurückhaltung findet sich im Talmud und in jedem nationalen Religions­system, einerlei ob es monotheistisch oder exoterisch polytheistisch ist. Aus dem herrlichen religiösen Gedicht des Kabbalisten Rabbi Salomon iben Gabirol „Kether Malchuth“ wählen wir einige Definitionen, die in den Kippûr-Gebeten gegeben sind. . . . „Du bist Eins, der Anbeginn aller Zahlen und die Grundlage aller Gefüge. Du bist Eins, und im Geheimnis Deiner Einheit sind selbst die weisesten der Menschen verloren, weil sie es nicht kennen. Du bist Eins, und Deine Einheit wird niemals vermindert, niemals erweitert, und kann nicht verändert werden. Du bist Eins, aber nicht als ein Element der Rechenkunst; denn Deine Einheit erlaubt keine Vervielfältigung, Wechsel oder Form. Du existierst, aber der Verstand und die Vision der Sterblichen kann Deine Existenz nicht erreichen, noch für Dich das Wo, das Wie und das Warum bestimmen. Du existierst, aber in Dir selbst allein, denn kein anderer könnte mit Dir existieren. Du existierst vor jeder Zeit und ohne Ort. Du existierst, und Deine Existenz ist so tiefgründig und verborgen, dass niemand eindringen und Dein Geheimnis entdecken kann. Du bist lebendig, doch in keiner Zeit, die bestimmt oder gewusst werden könnte. Du lebst, jedoch nicht durch einen Geist oder eine Seele, denn Du bist Du selbst, die Seele aller Seelen“ etc. etc. Da besteht ein Abstand zwischen dieser kabbalistischen Gottheit und dem biblischen Jehovah, dem boshaften und rachsüchtigen Gott Abrahams, Isaacs und Jacobs, welcher den Ersteren versuchte und mit dem Letzteren rang. Jeder Vedantist würde ein solches Parabrahman zurückweisen.

151 Rev. Joseph Edkins „On Cosmogony“ S. 320. Und sehr weise haben sie gehandelt.

152 Wenn er es zurückwies, so geschah das aufgrund dessen, was er als die Veränderungen bezeichnet – mit anderen Worten die Wiedergeburten – des Menschen und der beständigen Verwandlungen. Er sprach der Persönlichkeit des Menschen die Unsterblichkeit ab – so wie wir es auch tun – nicht jedoch dem Menschen selbst.

153 Er mag von den Protestanten verlacht werden, aber die römischen Katholiken haben kein Recht, über ihn zu spotten, ohne sich einer Gotteslästerung und eines Sakrilegs schuldig zu machen. Denn es sind mehr als 200 Jahre her, seit Konfuzius von den römischen Katholiken in China als Heiliger kanonisiert wurde, die dadurch aus den Reihen der unwissenden Konfuzianer viele Konvertiten gewannen.

154 In der Bibel gibt es durchaus nicht gerade wenige für heilig erachtete Tiere, wie z. B. den Ziegenbock, den Asasel oder Gott des Sieges. Wie Aben Ezra sagt: „Wenn du fähig bist, das Geheimnis des Asasel zu verstehen, wirst du das Geheimnis Seines (Gottes) Namens lernen, denn er hat ähnliche Gefährten in den Heiligen Schriften. Ich werde dir durch Anspielung einen Teil des Geheimnisses sagen; wenn du dreiunddreißig Jahre alt bist, wirst du mich verstehen.“ So verhält es sich mit dem Geheimnis der Schildkröte. In seiner Freude über die Poesie der biblischen Metaphern bringt ein frommer französischer Schriftsteller die „weißglühenden Steine“, die „heiligen Tiere“ usw. mit dem Namen Jehovahs in Verbindung, und aus der Bible de Vence“ (Bd. XIX. S. 318) zitierend sagt er: „In der Tat sind sie alle Elohim, wie ihr Gott; denn diese Engel nehmen durch eine heilige Usurpation den hochheiligen Namen Jehovahs an, immer wenn sie denselben repräsentieren.“ (Pneumatologie“, Bd. II, S. 294) Niemand hat jemals daran gezweifelt, dass der Name angenommen werden musste, sobald die Malachim (Sendboten) in der Gestalt des Unendlichen, Einen Unerkennbaren, herabstiegen, um mit den Menschen zu essen und zu trinken. Wenn aber die Elohim (und selbst noch niedrigere Wesen) verehrt wurden und noch verehrt werden, sobald sie den Gottesnamen annehmen, warum sollten dieselben Elohim dann Teufel genannt werden, sobald sie unter dem Namen anderer Götter erscheinen?

155 Die Auswahl ist merkwürdig und zeigt, wie paradox die ersten Christen in ihrer Wahl waren. Denn warum sollten sie diese Symbole des ägyptischen Heidentums gewählt haben, nachdem der Adler im Neuen Testament lediglich ein einziges Mal erwähnt wird, als Jesus ihn als einen Aasfresser bezeichnet (Mat 24,28) und er im Alten Testament als unrein bezeichnet wird; und der Löwe mit Satan zum Vergleich gebracht wird, da beide nach Menschen brüllen, um sie zu verschlingen; und die Ochsen aus dem Tempel ausgetrieben werden? Andererseits wird die Schlange, die als Vorbild für die Weisheit eingeführt wird und der gefolgt werden sollte, jetzt als das Symbol des Teufels betrachtet. Von der esoterischen Perle der Religion Christi, die zur christlichen Theologie erniedrigt wurde, kann man in der Tat sagen, dass sie für ihre Geburt und Entwicklung eine sonderbare und unpassende Hülle wählte.

156 Bryant hat Recht, wenn er sagt: „Als Noah nach einem Jahr und einem Tag der Arche entstieg (die Geburt eines neuen Zyklus), das sind 364+1=365 Tage, wurde er von Neptun zu seiner Geburt aus den Wassern der Flut beglückwünscht, indem dieser ihm ein glückliches neues Jahr wünschte – das behauptet das druidische Bardentum über Noah.“ Das „Jahr“ oder esoterisch der Zyklus war nach der Trennung der Geschlechter die neue, von der Frau geborene Menschenrasse, was die zweite Bedeutung der Allegorie ist. Ihre erste Bedeutung ist der Beginn der vierten Runde oder der neuen Schöpfung.

157 Unveröffentlichtes Manuskript. (Siehe jedoch „Source of Measures“)

158 Origenes´ Contra Celsum“, Band vi, Kap. xxii.

159 Der Text sagt: „Und die vierte Schöpfung ist hier die primäre, denn unbewegliche Dinge sind ausdrücklich als primär bekannt.“ (Siehe Fitzedward Halls Korrekturen)

160 Wie könnten „Gottheiten“ nach den Tieren erschaffen worden sein? Esoterisch bedeutet der Ausdruck „Tiere“ die Keime allen tierischen Lebens, einschließlich des Menschen. Der Mensch wird Opfertier genannt, und zwar ein Tier, das als einziges Wesen der animalischen Schöpfung den Göttern opfert. Außerdem werden unter „heiligen Tieren“ in den heiligen Texten oftmals die zwölf Tierkreiszeichen verstanden, wie bereits bemerkt.

161 „Qabbalah“, S. 415-16, von Isaac Myer, Philadelphia.

162 Obere lediglich in Bezug auf die Geister oder „Himmel“ der Erde.

163 Siehe „Isis entschleiert“, Bd. II. S. 183.

164 Siehe auch Kings Gnostics“. Andere Sekten betrachten Jehovah als Ildaboath selbst, King identifiziert ihn mit Saturn.

165 An anderer Stelle wird die Wesensgleichheit jedoch offenbar. Siehe oben das Zitat aus ibn Gabirol und seine 7 Himmel, 7 Erden usw.

166 Dieselbe darf nicht verwechselt werden mit der vorkosmischen Dunkelheit“, dem Göttlichen All.

167 Der Nous der Griechen, der (spirituelles oder göttliches) Gemüt ist, oder Mens, „Mahat“, wirkt auf die Materie in derselben Weise ein. Er „tritt ein“ in sie und versetzt sie in Bewegung:

„Spiritus intus alit, totamque infusa per artus
Mens agitat molem, et magno se corpore miscet.“

Auch in der phönizischen Kosmogonie „veranlasst der Geist durch die Vermischung mit seinen eigenen Prinzipien die Schöpfung; (Brücker, I, 240); die Orphische Triade enthält eine übereinstimmende Lehre, denn nach ihr sind Phanes (oder Eros), Chaos, welches die rohe, undifferenzierte kosmische Materie enthält, und Chronos (die Zeit) die drei zusammenwirkenden Prinzipien, welche von dem Unerkennbaren und verborgenen Punkt ausstrahlen und das Werk der„Schöpfung“ verursachen. Und sie sind im Hinduismus Purusha (Phanes), Pradhana (Chaos) und Kala (Chronos) oder die Zeit. Der gute Professor Wilson ist kein Freund dieser Idee, wie überhaupt keiner auch noch so liberaler christlicher Geistlicher. Er bemerkt, „wie jetzt erklärt, dass die Mischung (des höchsten Geistes oder der höchsten Seele) nicht mechanisch erfolgt; sie ist ein Einfluss oder eine Wirkung, die auf die zwischenstehenden Vermittler ausgeübt wird, welche die Wirkungen hervorbringen“. Den im Vishnu-Purana“ zu findenden Satz: „Wie ein Duft das Gemüt nur durch seine Nähe beeinflusst und nicht durch irgendeine unmittelbare Einwirkung auf das Gemüt selbst, beeinflusste das Höchste die Elemente der Schöpfung“, erklärt der hochwürdige und gelehrte Sanskritist mit folgenden Worten für richtig . . . : „Wie angenehme Düfte das Gemüt nicht durch tatsächliche Berührung entzücken, sondern durch den Eindruck, den sie auf den Geruchsinn ausüben, welcher ihn dem Gemüt mitteilt.“ Er fügt hinzu: „Der Eintritt des Höchsten in den Geist wie auch in die Materie ist weniger verständlich als die an anderer Stelle gegebene Auffassung davon, nämlich dass der Geist, der mit dem Höchsten identifiziert wird, in Prakriti oder Materie allein hinein gegossen wird“. Er zieht den Vers aus dem Padma-Purana vor: „Er, welcher der Mann (Geist) Prakritis genannt wird . . . derselbe göttliche Vishnu trat in Prakriti ein.“ Diese „Betrachtungsweise“ entspricht sicher mehr dem plastischen Charakter gewisser die Patriarchen betreffenden Verse in der Bibel wie Lot (Gen 29,34-38) und selbst Adam (4; 5,1) und andere von noch anthropomorphischerer Natur. Aber gerade diese führte die Menschheit zum Phallizismus, die christliche Religion ist davon vom ersten Kapitel der Genesis an bis zur Offenbarung durchtränkt.

168 Alle diese Sätze sind zitiert aus dem Vishnu-Purana“, Band I, Kap. II.

169 Vishnu ist sowohl Bhutesha, der „Herr der Elemente und aller Dinge“, als auch Vishvarupa, „universale Substanz oder Seele“.

170 Wegen der Art ihrer Stellung vergleiche man die von Trithemius (Agrippas Meister, 16. Jahrh.) verfasste Abhandlung „Betreffend die sieben sekundären oder Spirituellen Intelligenzen, die nach Gott das Universum in Bewegung versetzen“, die außerdem geheime Zyklen und verschiedene Prophezeiungen, gewisse Tatsachen und Glaubensvorstellungen über die Genien oder die Elohim, bekanntgeben, welche die siebenfältigen Stadien des Weltgeschehens beherrschen und leiten.

171 Von Anfang an sahen sich die Orientalisten in Bezug auf die Möglichkeit irgendeiner Ordnung in den puranischen Schöpfungen mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Wilson verwechselt sehr oft Brahman mit Brahmâ, wofür er von seinen Nachfolgern kritisiert wird. Fitzedward Hall zieht die Original Sanskrit-Texte dem von Wilson verwendeten Text für die Übersetzung des Vishnu-Purana“ vor. „Hätte sich Professor Wilson der günstigen Bedingungen erfreuen können, wie sie dem Schüler der indischen Philosophie heute zu Gebote stehen, so hätte er sich zweifellos anders ausgedrückt“, sagt der Herausgeber seines Werkes. Das erinnert einen an die von einem der Bewunderer Thomas Taylors jenen Gelehrten gegebene Antwort, die dessen Übersetzungen Platons kritisierten. Er sagte: „Taylor mag weniger Griechisch verstanden haben als seine Kritiker, aber Platon verstand er weitaus besser als sie.“ Unsere gegenwärtigen Orientalisten entstellen den mystischen Sinn der Sanskrittexte viel mehr als es Wilson jemals tat, obwohl der Letztere sich unbestreitbar sehr groben Fehlern schuldig machte.

172 „Die drei mit Intelligenz beginnenden Schöpfungen sind elementar, aber die sechs Schöpfungen, welche aus der mit dem Intellekt beginnenden Reihe hervorgehen, sind das Werk Brahmâs (Vayu-Purana). Hier bedeuten die „Schöpfungen“ überall Stadien der Evolution. Mahat, der „Intellekt“ oder das Gemüt (welches Manas entspricht, wobei Ersteres sich auf die kosmische und Letzteres sich auf die menschliche Ebene bezieht) steht hier ebenfalls niedriger als Buddhi oder die übergöttliche Intelligenz. Wenn wir daher im Linga-Purana lesen, dass „die erste Schöpfung Mahat hervorbrachte, da sich der Intellekt als Erstes manifestierte“, müssen wir diese (besondere) Schöpfung auf die erste Entwicklung unseres Systems oder sogar lediglich unsere Erde beziehen, da keine der vorausgehenden in den Puranas besprochen wird, sondern es lediglich hin und wieder Andeutungen darauf gibt.

173 Professor Wilson übersetzt das so, als stünden die Tiere in der Stufenleiter der „Schöpfung“ über den Gottheiten oder Engeln, obwohl die Wahrheit in Bezug auf die Götter im weiteren Verlauf sehr klar festgestellt wird. Diese „Schöpfung“, sagt der Text, ist sowohl primär (Prakrita) als auch sekundär (Vaikrita). Sie ist Letztere in Bezug auf den Ursprung der Götter aus Brahmâ (dem persönlichen, anthropomorphischen Schöpfer unseres materiellen Universums); insofern sie den Rudra betrifft, das unmittelbare Erzeugnis des ersten Prinzips, ist sie die Erstere (primäre). Die Bezeichnung Rudra ist nicht nur einer der Titel Shivas, sondern sie umfasst die Vermittler der Schöpfung, Engel und Menschen, wie im weiteren Verlauf gezeigt werden wird.

174 Weder Pflanze noch Tier, sondern ein Lebewesen zwischen den beiden.

175 „Erschaffene Wesen“ – erklärt das Vishnu-Purana“ – „stehen, wenn sie auch (in ihren individuellen Formen) in den Perioden der Auflösung zerstört werden, dennoch unter dem Einfluss der guten oder schlechten Handlungen früherer Existenzen und sind daher von deren Folgen nicht freigestellt. Und wenn Brahmâ die Welt von Neuem hervorbringt, sind sie die Nachkommenschaft seines Willens. . . .“ „Indem er sein Gemüt in sich selbst sammelt (Yoga-willig), erschafft Brahmâ die vier Ordnungen der Wesen, Götter genannt, Dämonen, Vorfahren und Menschen“ . . . „Vorfahren“ bedeutet hier die Prototypen und Entwickler der ersten Wurzelrasse der Menschen. Die Vorfahren sind die Pitris, und sie sind in sieben Klassen eingeteilt. In der exoterischen Mythologie wird über sie gesagt, dass sie aus Brahmâs Seite geboren wurden, wie Eva aus Adams Rippe.

176 „Diese Vorstellungen“, bemerkt Dr. Wilson, „die Geburt Rudras und der Heiligen, scheinen von den Saivas entlehnt und dem Vaishnava-System ungeschickt aufgepfropft worden zu sein.“ Mann hätte die esoterische Bedeutung zurate ziehen sollen, bevor man eine solche Hypothese aufzustellen wagte.

177 Parashara, der vedische Rishi, der das Vishnu-Purana“ von Pulastya empfing und es Maitreya lehrte, wird von den Orientalisten in verschiedenen Epochen verortet. Wie im Hindu Classical Dictionary“ richtig vermerkt ist: „Die Vermutungen über sein Zeitalter gehen weit auseinander, von 575 v. Chr. bis 1.391 v. Chr., ihnen ist nicht zu trauen.“ Ganz richtig, und doch sind sie nicht weniger vertrauenswürdig als irgendein anders Datum, das von den auf dem Gebiet willkürlicher Einbildung so berühmten Sanskritisten aufgestellt wird.

178 Sie mögen in der Tat eine „spezielle“ oder außerordentliche Schöpfung bezeichnen, da sie es sind, die dadurch, dass sie sich in den vernunftlosen, menschlichen Gehäusen der zwei ersten Wurzelrassen und eines großen Teils der dritten Wurzelrasse inkarnieren, sozusagen eine neue Rasse erschaffen, nämlich die der denkenden, selbstbewussten und göttlichen Menschen.

179 „Die vier Kumaras (sind) die aus der Seele geborenen Söhne Brahmâs. Einige unterscheiden sieben“ (H. Class. Dict.“). Alle diese sieben Vaidhatra, das Patronymikon der Kumaras, die „Söhne des Erschaffers“, werden in Iswara Krishnas „Sankhya Karika“ mit dem beigefügten Kommentar Gaudapadacharyas (Shankaracharyas Paraguru) erwähnt und beschrieben. Er erörtert die Natur der Kumaras, vermeidet es aber, alle sieben Kumaras beim Namen zu nennen und bezeichnet sie stattdessen als „die sieben Söhne Brahmâs“, was sie auch sind, da sie in Rudra von Brahmâ erschaffen wurden. Die Liste der Namen lautet wie folgt: Sanaka, Sanandana, Sanatana, Kapila, Ribhu, and Panchasikha. Aber auch das sind alles wieder nur Pseudonyme.

180 Einige Übersetzungen der Orientalisten sind derartig unzuverlässig, dass es in der französischen Übersetzung des Harivamsha heißt: „Die sieben Prajapati, Rudra, Skanda (sein Sohn) und Sanat-Kumara gingen daran, Wesen zu erschaffen.“ Währenddessen lautet das Original, wie Wilson zeigt: „Diese sieben . . . zeugten Nachkommenschaft. Und ebenso tat Rudra, aber Skanda und Sanat-Kumara hielten ihre Kraft zurück und enthielten sich der Schöpfung.“ Die „vier Ordnungen der Wesen“ werden manchmal als „Ambhamsi“ erwähnt, was Wilson mit „buchstäblich Gewässer“ übersetzt und für „einen mystischen Ausdruck“ hält. Es ist auch ohne Zweifel ein solcher, aber es ist ihm offenbar nicht gelungen, die wirkliche esoterische Bedeutung zu erfassen. „Gewässer“ und „Wasser“ stehen als Symbol für Akasha, den „ursprünglichen Ozean des Raums“, auf dem sich Narayana, der selbstgeborene Geist, bewegt, auf dem ruhend, was seine Nachkommenschaft ist (siehe Manu). „Wasser ist der Körper Naras, so hörten wir den Namen des Wassers erklärt. Weil Brahmâ auf dem Wasser ruht, wird er Narayana genannt“. (Linga-, Vayu- und Markandeya-Puranas) „. . . Als Reiner erschuf Purusha die Wasser rein. . . .“ Gleichzeitig ist Wasser das dritte Prinzip im materiellen Kosmos und das dritte im Bereich des Spirituellen: Geist des Feuers, Flamme, Akasha, Ether, Wasser, Luft und Erde sind die kosmischen, siderischen, psychischen, spirituellen und mystischen Prinzipien, überaus okkulte, auf jeder Ebene des Daseins. „Götter, Dämonen, Pitris und Menschen“ sind die vier Ordnungen von Wesen, auf die der Ausdruck Ambhamsi angewendet wird (in den Veden ist es ein Synonym für Götter), da sie alle das Erzeugnis der Wasser (im mystischen Sinn) des akasischen Ozeans und des dritten Prinzips der Natur sind. Pitris und Menschen auf der Erde sind die Transformationen (oder Wiedergeburten) von Göttern und Dämonen (Geistern) auf einer höheren Ebene. Wasser ist in einem anderen Sinn das weibliche Prinzip. Venus-Aphrodite ist die personifizierte See und die Mutter des Liebesgottes, die Erzeugerin aller Götter in demselben Maße wie die christliche Jungfrau Maria das Mare ist (die See), die Mutter des westlichen Gottes der Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Wenn der Schüler der Esoterischen Philosophie tief über den Gegenstand nachdenkt, wird er sicherlich die ganze Bedeutsamkeit des Ausdrucks Ambhamsi in allen seinen vielfachen Beziehungen zu der Jungfrau im Himmel, zur Virgo Coelestis der Alchemisten, und selbst zu den „Wassern der Gnade“ der modernen Baptisten herausfinden.

181 Shiva-Rudra ist der Zerstörer, so wie Vishnu der Erhalter ist; und beide regenerieren sowohl die spirituelle wie auch die physische Natur. Um als Pflanze leben zu können, muss der Same sterben. Damit der Mensch als bewusste Wesenheit in der Ewigkeit leben kann, müssen seine Leidenschaften und Sinne sterben, bevor sein Körper stirbt. „Zu leben bedeutet zu sterben, und zu sterben bedeutet zu leben“, wurde im Westen kaum verstanden. Shiva, der Zerstörer, ist der Schöpfer und der Heiland des spirituellen Menschen, da er der gute Gärtner der Natur ist. Er jätet die Pflanzen, die menschlichen und die kosmischen, und tötet die Leidenschaften des physischen Menschen, um die Wahrnehmungskräfte des spirituellen Menschen zum Leben zu erwecken.

182 Movers, „Die Phönizier“, S. 282.

183 Weber, „Akad. Vorles.“, Seiten 213, 214 usw.

184 Das biblische Gehinnom war ein Tal nahe Jerusalem, in welchem die monotheistischen Juden ihre Kinder dem Moloch opferten, wenn man den Worten des Propheten Jeremias Glauben schenken kann. Im Skandinavischen war Hel oder Hela eine kalte Region – wiederum Kama-Loka – und die ägyptische Amenti war ein Ort der Läuterung (siehe „Isis entschleiert“, Bd. II, S. 11).

185 Wir können von den Protestanten kaum dafür in die Pflicht genommen werden, dass wir den Vers aus den Korinthern auf die von uns gewählte Weise erklären; denn auch wenn die Übersetzung in der englischen Bibel zweideutig ausfallen mag, gilt das noch lange nicht für den ursprünglichen Text, und die römisch-katholische Kirche akzeptiert die Worte des Apostels in ihrem wahren Sinn. Als Beweis prüfe man die Kommentare zu den Episteln des Heiligen Paulus vom Hl. Johannes Chrysostomus, welcher „vom Apostel unmittelbar inspiriert“ war und „in seinem Diktat schrieb“, wie uns der Marquis de Mirville versichert, dessen Werke von Rom gebilligt werden. Und der Hl. Johannes Chrysostomus sagt zur Erläuterung dieses besonderen Verses: „Und wenn es auch jene gibt (tatsächlich), die man Götter nennt . . . . – denn es scheint wirklich mehrere Götter zu geben –, so hört doch daneben und trotz alledem das Gott-Prinzip und der höchste Gott nicht auf, dem Wesen nach eins und unteilbar zu bleiben.“ . . . So sprachen auch die alten Initiierten in dem Wissen, dass die Anbetung der niedrigeren Götter niemals das „Gott-Prinzip“ berührt (siehe de Mirville, „Des Esprits“, ii, 322).

186 „Des Esprits“, Cosmolatrie, S. 415.