Siebentes Buch

Es hauste kummervoll Suddhādana,
Der König, all die langen Jahre bei
Den Śākya-Edlen, und er sehnte sich
Nach seines Sohnes Worten, Gegenwart;
In Kummer saß auch Schön Yasōdhara
Die langen Jahre, und sie kannte nicht
Des Lebens Freude mehr, getrennt, als sei
Sie Witwe schon, von dem Gemahl, der doch
Noch lebte. Aber stets, wenn Kunde kam
Von einem Eremiten, fern gesehn,
Durch Treiber von Kamelen, oder auch
Durch Handelsleute, die entlegnen Pfad
Gewinnes halber schritten, gingen aus
Vom König Boten, kamen dann zurück,
Und brachten über manchen heiligen
Und weisen Mann wohl Kunde, der sein Heim
Der Einsamkeit geopfert; aber nichts
Von ihm, der von Kapilavastus Stamm
Die Krone war, und seines Herrschers Ruhm
Und stolze Hoffnung; der die Seele ganz
Yasōdhara erfüllt’; ein Wandrer jetzt,
Vergessend, fern, im Elend oder tot.

Doch eines Tags in der Wasanta-Zeit1,
Als an den Mangobäumen silberne
Gezweige schaukelten, im Lenzeskleid
Die Erde prangte, die Prinzessin saß
Im Garten an dem glänzend hellen Strom,
In dessen Spiegel, wie dahin er glitt,
Umrahmt von Lotosknospen, sich so oft
In glücklicheren Tagen, nun vorbei,
Gespiegelt süßer Liebe Händedruck,
Der Lippen zärtliche Vereinigung.
Blass war ihr Antlitz von des Kummers Last,
Die zarten Wangen eingefallen, und
Der Lippen holder Schwung vom langen Leid
Herabgezogen, ihres Haares Pracht
Verhüllt, wie Witwen tun; nichts trug sie mehr
Von Schmuck, ihr einfach weißes2 Trauerkleid
Hielt kein Juwel zusammen auf der Brust.
Langsam und leidvoll schritten jetzt dahin
Die kleinen zarten Füße, die doch einst
Den Gang des Rehs gehabt, die Leichtigkeit
Des fall’nden Rosenblatts, – in alter Zeit,
Als liebend seine Stimm’ ihr noch getönt.
Und ihre Augen, leuchtend einst so hell
Von Lieb’, als schien’ aus tiefster Finsternis
Hervor der Sonne Licht, und hellte auf
Der Nächte Frieden und des Tages Glanz:
Jetzt ohne Glanz und ziellos wandernd, – kaum
Bemerkten sie des Frühlings knospend Nahn,
So waren schleiernd über sie gesenkt
Die seidnen Wimpern. In der einen Hand
Hielt einen Gürtel sie, mit Perlen reich
Gestickt – Siddārthas Gürtel – den sie seit
Der Nacht, wo er geflohn, wie einen Schatz
Bewahrt – (O bitt’re Nacht! Auf die gefolgt
So mancher tränenreiche Tag! Wann war
So grausam Liebe je, zu lieben, wo
Sie, erst zu enden mit des Lebens Ziel,
Sich selbst versagte?); mit der andern Hand
Führt’ ihren kleinen Sohn sie, jenes Pfand,
Das ihr Siddārtha ließ, – ein Knabe, schön
Wie Götter sind, mit Namen Rahula;
Jetzt zählt’ er sieben Jahr’; er trippelte
Vergnügt zur Seite seiner Mutter hin
Und sah mit leichtem Kinderherzen, wie
Der Lenz mit Knospen alle Welt bedeckt.

So wandelten sie hin am Lotosteich;
Mit hellem Lachen streute Rahula
Ins Wasser Reis und fütterte damit
die blau und roten Fische; während sie
Mit trüben Blicken sah, wie schnellen Flugs
Ein Schwarm von Kranichen die Luft durchstrich.
Da seufzte sie: »Ihr Wanderflügler dort,
Wenn ihr da landet, wo mein teurer Herr
Verborgen weilt, sagt, dass Yasōdhara
Fast stirbt vor Sehnsucht, ach, nach einem Wort
Von seinem Munde, einem Händedruck!« –
So spielt’ und seufzte Kind und Mutter dort,
Als eine Dienerin des Hofes kam
Und sprach: »Erhabne Fürstin, es sind hier,
Von Süden kommend Handelsleute zwei
Aus Hastinpûr, ihr Nam’ ist Bhalluk und
Tripusha, würd’ge Männer, weit gereist
Her von des fernen Meers umrauschtem Strand;
Sie bringen köstliche Gewebe mit,
Gestickt mit Gold, ein Wunder anzuschaun,
Viel Klingen, übergüldet und gewellt
Aus Stahl, dann Kupferschalen, Schnitzerei’n
Aus Elfenbein, Arzneikraut mancher Art
Und Spezereien, Vögel unbekannt,
Die Schätze fremder Völker. Aber was
Zu Bettlerware alles dieses macht, –
Dass Er gesehen ward, berichten sie!
Dein Herr und unsrer, dieses Landes Stern,
Siddārtha! Und sie haben ihn gesehn
Ganz nah, von Angesicht zu Angesicht!
Ja, und sie haben kniend ihn verehrt,
Im Staub das Antlitz, ihre Gaben fromm
Ihm dargebracht, denn was verkündet einst,
Das ist er nun geworden, allgeehrt,
Der Weisen Lehrer, heilig, wundervoll;
Ein Buddha, der die ganze Welt befreit
Und alles, was da lebt, erlöset durch
Die holde Rede, durch Erbarmen, noch
Viel unbegrenzter, als der Himmel ist:
Und denk’! er zieht hierher, verkünden sie.«

Da sprang in ihren Adern froh das Blut
Vor Freude; wie der Ganges springt, sobald
Der erste Bergesschnee an seinem Quell
Zerschmilzt; schnell richtete sie sich empor
Und schlug zusammen ihre Hände, und
Mit Lachen, doch von Tränen überströmt,
Die von den Wimpern tropfend ihr Gesicht
Betauten, rief sie: »Schnell! Ruf mir herbei
Die Handelsleute in mein Vorgemach!
Wie eine ausgedörrte Kehle sich
Zu trinken sehnt, so lechzt mein durstig Ohr
Zu hören diese Kunde segensreich.
Geh, führe sie herein, und sage, wenn
Sie Wahrheit melden, will ich reich mit Gold
Die Gürtel ihnen füllen, oder mit
Juwelen, die selbst Königen den Neid
Erwecken könnten: Kommt ihr auch herein,
Ihr meine Mädchen, denn ein reicher Lohn
Ist euer, wenn es Gaben reich genug
Noch gibt, zu zeigen meines Herzens Dank.«

So kamen jene Handelsleute hin
Zum Lustpalast; behutsam schritten sie
Mit bloßen Füßen auf dem goldnen Pfad,
Von allen Mädchen angestaunt, und selbst
Erstaunt bewundernd jenes Hofes Glanz.
Und als in der Prinzessin Vorgemach
Sie kamen, hörten eine Stimme sie,
Die, zart und doch voll Eifers, sie entzückt’
Mit zitternder Musik und sprach: »Weit her
Seid ihr gekommen, werte Männer! Und
Ihr habt gesehen meinen Herrn, ja habt
Ihn angebetet, – Buddha ward er ja,
Und heilig, allgeehrt, erlöst die Welt, –
Und zieht hierher. O sprecht! Wenn dieses wahr,
So seid ihr Freunde meinem Hause, und
Willkommen mir und teuer alle Zeit.«

Da sprach Tripusha: »Ja, wir sahen ihn,
Den heil’gen Meister, Fürstin, haben auch
Vor seinen Füßen angebetet; er,
Der nun als Prinz der Welt verloren ist,
Er ward als größer jetzt gefunden denn
Der Kön’ge König. Unterm Bodhibaum
An Phalgûs Ufer wurde jüngst vollbracht,
Was aller Welt Erlösung wirkt, – durch ihn,
Der aller Menschen Freund, der aller Fürst,
Dein doch zumeist, erlauchte Herrin! Denn
Aus deinen Tränen und aus deinem Leid
Entsprosste aller Welt der süße Trost:
Das Wort des Heils, das unser Meister spricht.
Ihm geht es wohl, wie Einem, der hinaus
Ist über alle Übel, wie ein Gott
Erhaben über ird’sches Leid und Weh,
Von jener Wahrheit ganz durchleuchtet, die
Er aufgerichtet, gülden rein und klar.
Und weiter, wie er Stadt für Stadt betritt,
Von jenen edlen Pfaden predigend,
Die uns zum Frieden führen, folgen ihm
Der Menschen Herzen, wie die Blätter sich
Im Winde sammeln, wie die Herde folgt
Dem, der die Weide kennt. Wir hörten selbst
Bei Gaya, in Tchirnikas grünem Hain,
Die wunderreichen Lippen predigen,
Und haben fromm in Andacht ihn verehrt.
Er kommt, noch eh’ der erste Regen fällt.«

So sprach er, und vor Freude meisterte
Zur Antwort den erregten Atem kaum
Yasōdhara: »So mög’ es wohl euch gehn,
Ihr würd’gen Freunde jetzt und allezeit!
Denn gute Nachricht bringt ihr; aber wisst
Ihr auch, wie alles dies gekommen ist?«

Da gab ihr Bhalluk Bericht,
Wie er den Talbewohnern war bekannt,
Von jener Schreckensnacht des Kampfes, als
Die Luft verdunkelt war von feindlichen
Gespenst’schen Schatten, und die Erde bebt’,
Und Wasser schwollen unter Maras Grimm.
Dann ferner, wie der Morgen glorreich kam,
Voll neuer Hoffnung strahlend für die Welt,
Und wie den Herrn man unter seinem Baum
Gefunden, von der Freude Licht verklärt.
»Doch viele Tage«, sprach er, »lastete
Auf ihm der eigenen Erleichterung
Bewusstsein gleich wie goldne Bürde, schwer, –
Dass er des Zweifels Stürmen nun entrann,
Und sicher landet’ an der Küste der
Erkenntnis. Denn, – so dachte sinnend lang’
Der Herr, – wie soll die Menschheit, die so fest
An ihren Sünden hängt, am Sinnentrug,
Die irren Wahn aus tausend Quellen trinkt,
Die keine Lust zu sehn, noch Kraft besitzt,
Des Fleisches Schlingen zu zerreißen, drin
Sie festgebunden liegt, – wie soll sie wohl
Empfang’ die zwölf Nidānas3, das Gesetz,
Das zwar Erlösung bringt, doch strengen Dienst
Verlangt, wenn Nutzen es gewähren soll?
So scheut im Käfig sich der Vogel wohl
Hinauszufliegen durch das offne Tor.
Da wäre leicht das Heil des Sieges uns
Entgangen, wenn auf Erden Buddha zwar
Den rechten Weg entdeckt, doch ihn zu schwer
Gefunden für des Menschen Fuß, und ihn
Allein beschritten hätte, ungefolgt.
Doch das Erbarmen unsres Herren gab
Den Ausschlag; damals eine Stimm’ erklang
Wie schriller Schmerzensschrei, als ob die Erd’
In Wehen stöhnt’: »Naśyami aham bhū
Naśyati lóka!« Jetzt fürwahr bin ich
Verloren, ich und meine Kreatur!
Dann eine Pause, bittend gleich darauf
Ein Seufzer, von dem Westwind hergeweht:
»Śruyatām dharma Bhagwat!« Hoher Herr,
Lass dein Gesetz verkündet sein! Und bald
Gab teil der Meister allem Volk an dem,
Was er erkannt; sah, wer zu hören reif,
Und wessen Zeit zu hören noch nicht kam.
So wie die Sonne, die mit hellem Gold
Den Lotosteich durchdringend alsobald
Sieht, welche Knospen ihren Strahlen sich
Eröffnen werden, welche andern noch
Sich nicht gehoben aus dem Grund empor;
Da sprach er himmlisch lächelnd: »Ja, ich will
Das Wort verkünden! Wer da hören will,
Den will ich kennen lehren das Gesetz!«

»Hernach begab er sich«, erzählten sie,
»Zu jenen Hügeln gen Benares, wo
Die Fünf4 er lehrte, zeigend, wie Geburt
Und Tod vernichtet werden müssten, wie
Es kein Verhängnis für den Menschen gibt
Als die vergangnen Taten, wie für ihn
Nur Hölle das ist, was er selber tut,
Und wie kein Himmel unerreichbar ist
Für solche, deren Sünd’ und Leidenschaft
Bezwungen schlummert. Also predigt’ er
Am fünfzehnten des Monats Baishya5
Nachmittags; nächtens schien schon voller Mond.

Doch von den Rishis nahm Kaundinya
Als Erster die vier großen Lehren der
Erkenntnis6 an und schritt den rechten Pfad:
Ihm folgen dann Bhadraka, Asvajit,
Vasava, Mahanāma; weiterhin
Im Wildpark zu den Füßen Buddhas saß
Mit vierundfünfzig edlen Herrn Yasad,
Der Prinz, und lauschte der gesegneten
Belehrung unsers Meisters, ehrte ihn
Und folgte seinem Weg; da sprossten auf
Fried’ und Erkenntnis einer neuen Zeit,
Die jedem nun gekommen, der sie hört,
So wie die Blumen sprießen und das Gras,
Wenn Wasser glitzernd durch die Wüste rinnt.

»Und diese sechzig«, so erzählten sie,
»Entsandte Buddha, als vollkommen er
In Selbstbeherrschung sie gemacht und frei
Von Leidenschaften, dass den Weg zum Heil
Sie lehren sollten; selber wandte sich
Der Allgeehrte von Isipatan
Und von dem Wildpark weiter südenwärts
Nach Yashti7 und zu Bimbisāras Reich.
Dort lehrt’ er viele Tage, und hernach
Bekehrte sich der König und sein Volk,
Und nahm die Lehre von der Liebe und
Dem rechten Leben an. Auch schenkte er
Aus freiem Willen unserm Herrn, indem
Er Wasser goß auf Buddhas Hände aus,
Den Bambushain, genannt Wéluvana,
Mit Bächen, Höhlen und mit lieblichen
Bebuschten Plätzen, drin der König ließ
Aufrichten einen Stein, der also sprach:

Yé dharma hetuppabhawá
Yesan hétun Tathágató;
Aha yesan cha yo nirodhó
Ewan wadi Maha Samano.

»Was das Leben hält gesund,
Gab Thathāgato8 hier uns kund;
Was vom Erdenleid uns heilt,
Hat der Herr uns mitgeteilt.«

»Und in dem Garten«, sagten sie, da fand
Sich ein von edlen Hörern bald ein Kreis;
Dort weis’ und machtvoll sprach der Lehrer und
Gewann sich jedes Herz, das ihn vernahm;
So dass neunhundert jenes gelbe Kleid
Annahmen, so wie es trägt der Meister, –
Und sein Gesetz verkündigten der Welt;
Und dieses war das Wort, mit dem er schloss: –

Sabba pápassa akaranan;br> Kusalassa upasampadá;
Sa chitta pariyodapanan!
Etan Budhánusásanan.

»Sünde schwillt von böser Tat,
Gute Tat befreiend wirkt;
Böses scheu’! Mit weisem Rat
Dich regier’! Dies der Pfad.«

So endeten die Männer den Bericht;
Mit Gaben lohnte die Prinzessin sie
Und holdem Dank, vor dessen Lieblichkeit
Der Edelsteine Glanz erblich. »Allein
Auf welchem Wege wird mein Herr uns nahn?«
So fragte sie. Die Antwort lautete:
»Wohl sechzig Yōjanas sind’s von dem Tor
Der Stadt bis Rajagriha, und von dort
Läuft am Fluss Son und den Hügeln hin
Bis hierher ein bequemer Weg. Wir sind
Mit unsern Ochsen, die acht Kos9 am Tag
Durchschreiten, hergereist in einem Mond.«

Als des Königs Ohr vernahm den Bericht,
Sandt’ edle Herrn er seines Hofes aus,
Neun Einzelboten, wohl beritten, und
Ein jeder sollte diese Meldung tun:
»Suddhādana der König, näher jetzt
Um sieben lange Jahre seinem Grab,
In deren Lauf er niemals aufgehört,
Nach dir zu suchen, banger Sehnsucht voll,
Er bittet seinen Sohn, dass er zurück
In sein Besitztum kehre, zu dem Thron
Und seinem Reich, des Volk verlangend harrt,
Sonst stirbt er wohl und sieht dein Angesicht
Nicht fürderdar.« Und auch Yasōdhara
Entsandte neun der Reiter und gebot
Zu sagen: »Deines Hauses Herrscherin,
Die Mutter Rahulas, sehnt sich zu schaun
Dein Antlitz, wie sich nach dem Mond,
Zu Nacht erblühend, sehnt das bange Herz
Der Nachtviole, wie die Knospe des
Ashoka10 eines Mädchens Fuß ersehnt;
Hast du gefunden mehr als du verlorst,
Verlangt sie bittend ihren Teil daran
Und Rahulas, – am meisten doch dich selbst.«
So eilten denn die Śākya-Edlen fort;
Doch es geschah, dass ihrer jeder, auf
Den Lippen seine Botschaft, um die Zeit
Betrat den Bambusgarten, wo der Herr
Zu lehren pflegte; und, – sobald sie ihn
Gehört, – vergaßen alle sie ihr Wort,
Und an den König wie an sein Gebot
Schwand ihnen die Erinnerung, ja selbst
An die betrübte Fürstin; wie verzückt
Nur auf den Meister schauten sie, und wie
Gefesselt hing ihr Herz an seinem Wort,
Gebietend, mitleidsvoll, vollkommen, rein,
Wie es von jenen heil’gen Lippen strömt’,
Erleuchtend alle. Sieh’! Der Biene gleich,
Die heimwärts eilt, und nun den Jasmin11 rings
Erblickt und seine süßen Düfte spürt, –
Mag auch mit Honig sie beladen sein,
Mag nah die Nacht, ein Regen sein, sie wird
Es nicht beachten, sie muss unbedingt
Verweilen an den Blüten wundervoll
Und ihren Nektar schlürfen: also auch
Mit diesen Boten war’s; der eine wie
Der andre, als er hörte Buddhas Wort,
Ließ fahren seines eil’gen Rittes Zweck,
Und mischte unbesorgt sich mit dem Zug,
Der unserm Meister folgte. Darum sandt’
Udayi aus der König seines Hof’s,
Den obersten und treu’sten, Spielgenoss
Siddārthas einst in glücklicherer Zeit.
Der pflückte, wie er nah zum Garten kam
Im Walde Baumwoll’ und verstopfte sich
Des Ohres Pforten. So kam er ans Ziel,
Vermied des Orts erhabene Gefahr,
Und bracht’ des Königs und Ihre Botschaft.

Da neigte sanft das Haupt der Herr und sprach
Vor allem Volk: »Ich komme sicherlich!
Denn meine Pflicht ist’s wie mein Will’ es war;
Lasst niemand Ehrfurcht zu bezeigen je
Versäumen denen, die das Leben ihm
Geschenkt; das ist der rechte Weg, wodurch
Hinaus ihr über Tod und Leben kommt;
Wenn dann ihr haltet mein Gesetz, euch von
Vergangnen Missetaten reiniget,
Und keine neue Sünde fügt hinzu,
So kehrt ihr sicher ins gesegnete
Nirvāṇa ein, vollendet in der Lieb’
Und ihren Werken. Doch dem Könige
Und der Prinzessin meldet, dass ich nun
Mich auf den Weg begebe.« Darauf hin
Bereitet’ alles festlich zum Empfang
Des teuren Prinzen das erfreute Volk
Die weiße Stadt Kapilavastu und
Das ganze Land. Am Tor nach Süden hin
Errichtet man ein leuchtend Lustgezelt
Mit Pfosten, die bekränzt von Blütenschmuck,
Mit seidnen Wänden rot und grün, mit Gold
Durchwirkt. Die Straßen auch bestreute man
Mit duft’gen Zweigen von dem Mangobaum,
Und schüttet’ ganze Körbe in den Staub
Von Sandel und Jasmin; es flatterte
Der Fahnen Pracht, und für den Tag, da er
Erscheinen würde, war vorherbestimmt,
Wie viele Elefanten an der Furt
Sein harren sollten, königlich geziert
Mit Silbertroddeln, goldnem Rüsselschmuck.
Und wo die Trommeln ihr »Siddārtha kommt«
Laut dröhnen sollten, wo die edlen Herrn
Absteigen sollten und ihm huldigen,
Und wo die Tänzerinnen unter Sang
und Tanz ihm Blumen streuen sollten, dass
Sein Ross bis zu den Knien schreiten sollt’
Im Rosenduft, auf reichgeschmücktem Pfad;
Indes die Stadt von hoher Freude und
Musik erklang. So war’s befohlen, und
Gespannt war jeden Morgen aller Ohr,
Den ersten Trommelschlag zu hören, der
Verkündete: »Jetzt kommt er!«

Doch es trug
sich zu, dass, – eifrig ihn zuerst zu sehn –,
Yasōdhara in ihrer Sänfte sich
Zum Stadtwall tragen ließ, wo sich erhob
Das Prachtgezelt. Es lachte ringsumher
Ein Garten schön – Nigrōdha zubenannt –
Umschattet von dem grünen Fächerwerk
Der Dattelpalmenwipfel, neu geschmückt
Und heiter, mit gewundnen Gängen und
Mit Hügeln, die von Frucht und Blumen voll;
An ihrem Fuße lief die Straße nach
Dem Süden, Blatt und Blüten einerseits,
Doch andrerseits der Vorstadt Hütten, wo
Die armen Leute hausten, vor dem Tor,
Ein duldsam niedrig Volk, von dem schon die
Berührung einen Kshatriya befleckt
Und einen Brahmapriester. Dennoch war
Auch dieses von Erwartung ganz erfüllt,
Stand vor der Sonne auf und späht’ entlang
Die Straße, stieg auf Bäume, wenn nur fern
Ein Elefant trompetete, und wenn
Des Tempels Trommel klang. Wenn niemand dann
Sich zeigte, mühten sie sich kümmerlich
Den Prinzen zu erfreuen; fegten rein
Die Schwelle ihres Hauses, steckten aus
Die Fahnen, fertigten Girlanden aus
Gerippten Feigenblättern, putzten neu
Den Lingam, kleideten mit frischem Grün,
Was welk schon war von gestern, fragten auch
Stets jeden, der des Wegs gegangen kam,
Ob er gehört habe auf dem Weg vom
Erhabenen Siddārtha. Die Wand’rer
Bemerkte die Prinzessin, als, gen Süd’
Gewandt mit lieblich sehnsuchtsmattem Blick
Sie harrte, dem Volk gleich, und gleich wie sie
Der Wandrer Worten lauschte, ob sie wohl
Gewisses melden könnten. So geschah’s,
Dass einer langsam, mit geschornem Haupt
Sich naht’, um die Schultern ein gelbes Kleid
Geworfen, gegürtet wie es pflegt zu tun
Ein Eremit; er hatte in der Hand
Die irdne Schale, der Melone gleich
Geformt; sanft hielt er an bei jeder Tür,
Nahm dankend die gewährte Gabe an,
Schritt weiter ruhig, wo keiner ihn beschenkt’.
Zwei Männer folgten ihm im gelben Kleid;
Doch er, der eines Bettlers Schale trug,
Schien so ehrwürdig und so königlich,
Und wie er ging, war die Erscheinung so
Gebietend, und der Augen heil’ger Glanz
Rührt’ alle so, dass wer ihm Gaben reicht’,
Erstaunt ihm blickt’ ins Antlitz, einige
Sich neigten ehrfurchtsvoll, und andere
Fortliefen, um zu holen bessere
Geschenke, nur bedauernd arm zu sein;
Bis langsam jede Gruppe, Mann und Weib
Und Kinder, auf dem Wege seinem Fuß
Sich anschloss, hinter vorgehaltner Hand
Im Flüstertone fragend: »Wer ist dies?
Wann schaut’ ein Rishi also aus?« Doch als
Dem Zelt er nahte mit gemessenem Schritt:
Sieh da! Es tat sich auf das seidne Tor,
Und unverschleiert stand Yasōdhara
In seinem Weg und rief: »Siddārtha! Herr!«
Die Augen öffnend weit und überströmt
Von Tränen, breitet’ aus die Arme sie,
Sank dann zu seinen Füßen schluchzend hin.

In spätrer Zeit, als längst die Weinende
Des Heiles Pfad beschritten, fragte man
Den Herrn, warum – da er doch frei zu sein
Gelobt von ird’schen Leidenschaften und
Von der Berührung, blumenweich und doch
So eindrucksvoll, von einer Frauenhand, –
Er doch geduldet die Umarmung; da
Erwiderte der Meister: »Es erträgt
Die größre Liebe wohl die kleinere,
Nur so erhebt sie sie zu lichtern Höhn.
Tragt Sorge nur, dass niemand, der entrann
Den ird’schen Banden, mit der Freiheit prahlt,
Und Seelen, die gebunden noch, verstört.
Frei seid ihr nur um auszubreiten durch
Geduld der Freiheit Reich, die Herzen euch
Gewinnend für der Weisheit holde Kunst.
Drei Zeitabschnitte sind’s voll langer Mühn,
Durch die zur Freiheit kommen Bodhisāts12,
Die Retter sind für diese dunkle Welt:
Der erste ist nach dem »Entschluss« genannt;
Nach dem »Versuch« der zweite, jene Bahn
Zur Buddhaschaft zu gehn; der dritte ist
Benannt nach der »Erwählung«. Ich war einst
In des »Entschlusses« Zeit, erstrebte wohl
Das Gute, suchte nach der Weisheit auch,
Doch war versiegelt mir der Augen Licht.
Wollt ihr die Samenkörner zählen dort
Am Castorstrauch13: so oft erschien aufs Neu’
Die Regenzeit, seit ich ein Kaufmann war
Und, Ram im Namen, haust’ im Küstenland,
Das gegen Lanka14 hin gen Süden schaut,
Wo sich die Perle birgt im Meeresgrund.
Auch wohnt’ in jener fernen Zeit mit mir
In unserm Haus am Meer Yasōdhara,
So hold wie jetzt, und Lakshmi war ihr Nam’
Und ich entsinne mich, wie ich von dort
Gewinn zu suchen auszog, denn gering
Und arm war mein Besitz. Doch lag sie viel
Mir an mit Tränen, ernster Ahnung voll,
Ich solle bleiben, nicht zu Land und Meer
Gefahren trotzen. »Wie kann Liebe, was
Sie liebt, verlassen?« klagte sie; doch ich
Zog wagend in die Meereng’ kühn hinaus;
Nach Sturm und Müh’ und tödlich schwerem Kampf
Mit Ungeheuern aus der Tiefe, und
Nach leidensvollem Suchen ohne Rast
Von Mitternacht bis Mittag, – da gewann
Ich eine Perle, glänzend wie der Mond,
Wie sie nur Kön’ge kaufen können, wenn
Sie ihren Schatz entleeren. Da kam ich
Zu meinen Hügeln froh zurück; allein
Gelagert hatte sich die Hungersnot
Mit Qualen über alles Land. Ich fand
Auf meinem Heimweg keine Stätte zur
Erquickung und erreichte kaum mein Tor,
Nach Nahrung lechzend, – eingebunden doch
Im Gürtel war der weiße Meeresschatz.
Allein auch dort war keine Speise mehr;
Und auf der Schwelle lag, dem Tode nah,
Verlangend nur nach einem Stücklein Brot,
Mit sprachberaubten Lippen, sie, für die
Ich mich bemühte, mehr als für mich selbst.
Da rief ich: »Gibt es einen, der noch Brot
Besitzt, – hier ist ein ganzes Königreich
Als Lösegeld nur für ein Leben hier;
Gebt Lakshmi Brot und nehmt die Perle hin.«
Darauf von seinem Vorrat brachte mir
Das Allerletzte Einer, Hirsekorn
Drei Maße, und ich gab das Kleinod ihm.
Doch Lakshmi lebt’ und haucht’, aufs Neu’ erweckt
Zum Leben: »Wahrlich, du hast mich geliebt!«
Da gab ich meine Perle hin mit Recht,
Zu trösten Herz und Sinn, sonst ohne Trost;
Doch diese reinen Perlen, die ich mir
Als letzt’ und größte Ernt’ aus tieferm Grund
Als Meeresgrund, gewonnen jetzt, – die zwölf
Nidānas15 und des höchsten Guts Gesetz, –
Die können nimmer sich erschöpfen, noch
Verdunkeln, und erfüllen desto mehr
Vollkommner Schönheit Glanz, je mehr man sie
Freigebig spendet. Denn wie sich verhält
Zum Meru-Berge16 jener Hügel, den
Die kleinen Ameisen aufgehäuft, wie sich
Zum uferlosen Meer ein Tröpfchen Tau
Verhält, das in die Fußspur eines Rehs
Getropft, – so war, was damals ich dahin
Gegeben, gegen das was jetzt ich
Den Menschen gebe. So war weiter auch
Die Liebe jetzt mir, frei vom Sinnenwerk,
Und neigt’ in Weisheit sich hernieder zu
Dem schwächern Herzen. So nur, sanft geführt,
Tat Schön Yasōdhara den ersten Schritt
Auf rechter Bahn zu Fried’ und Seligkeit.«

Doch als der König hört’, auf welche Art
Siddārtha käme, im missfarbnen Kleid
Des Bettelmönchs, geschoren, wie er hin
Die Schale streckte, Brocken von dem Mahl
Der niedern Kaste einzusammeln, da
Trieb Zorn und Schmerz ihm aus dem Herzen fort
Die Liebe. Dreimal spie zur Erde er,
Rauft’ seinen Silberbart und schritt davon,
Und zitternd folgten ihm die edlen Herrn.
Mit finstrer Stirne stieg er auf sein Ross,
Gab ihm die Sporen, und im schnellen Ritt
Tost’ er von dannen grimmerfüllt, so dass
In Straßen und in Gassen sich das Volk
Verwunderte und kaum den Atem fand,
Zu sagen: »Seht, der König! Neiget euch!«
Bevor die wilde Jagd vorbeigesaust.
Doch wie er um des Tempels Ecke kam,
Wo man das Südtor sieht, begegnet’ ihm
Ein mächt’ger Menschenschwall; und immer mehr
Von allen Seiten strömte zu das Volk,
Bis vollgepfropft die Wege und versperrt
Von jener ungeheuren Menge, die
Sich drängt’ und wuchs, beständig folgend Ihm,
Des Aug’ in heitrer Ruh begegnete
Dem Blick des alten Königs. Und der Zorn
Des Vaters fand nicht länger Leben, als
Die sanften Augen Buddhas, ehrfurchtsvoll
Gerichtet auf sein zürnend Angesicht,
In stolzer Demut sank er hernieder
dann zur Erd, die Treue zu erweisen,
Sogleich. So rührend war’s, den Prinzen so
Zu sehn, ihn zu erkennen ganz, und um
Sein Haupt die Glorie zu schauen, die
Weit überstrahlet allen ird’schen Prunk,
Und seine stille, hehre Majestät,
Die alle Menschen ihm zu folgen zwang.
Trotzdem brach aus der König: »Endet’s so,
Dass heimlich schleichend in sein Reich sich stiehlt
Der edle Prinz Siddārtha, angetan
Mit Lumpen und Sandalen, wie ein Mönch
Das Haupt geschoren? Dass er Nahrung heischt
Vom niedern Volk, der wie ein Gott gelebt?
Mein Sohn! Der Erbe ungemessner Macht,
Von Kön’gen Erbe, die nur mit der Hand
Zu winken brauchten, um zu haben, was
Die Erde bieten konnte, oder was
Beflissnen Dienstes Eifer bringen kann!
Du hättest kommen sollen mit der Pracht
Die deinem Stande ziemt, umgeben von
Der Speere Blitzen und mit stampfendem
Gefolg zu Ross und Fuß. Sieh’ her! Es hat
Gelagert auf der Straße all mein Heer,
Auf dich nur harrend, und die ganze Stadt
Hat dich am Tor erwartet; Wo hast du
Geweilt all diese schlimmen Jahr’ hindurch,
Indes dein Vater trauervoll die Last
Der Krone trug? Auch diese hier, gelebt
Hat sie wie Witwen pflegen, freudelos;
Sie hörte nimmer Sang noch Saitenspiel,
Noch trug sie Festgewand seitdem, bis jetzt,
Wo sie in goldnem Kleid willkommen heißt
Daheim den Bettlergatten im Gewand
Aus gelben Fetzen. O mein Sohn! Warum
Ist dies geschehn?« –

»Mein Vater!« klangs zurück,
»So ist es Brauch bei meinem Stamm.« –

»Dein Stamm«,
Erwidert’ ihm der König, »weist wohl auf
Seit Maha Sammāt hundert Throne, doch
Nicht eine Tat wie die.« –

»Von sterblicher
Abstammung sprach ich nicht«, versetzte drauf
Der Meister, »nein, vom unsichtbaren Stamm,
Der Buddhas, die gewesen sind und die
In Zukunft werden sein. Von diesen bin
Ich einer, was sie taten, tu’ ich auch;
Und wohl geschah’s vor Zeiten schon, wie jetzt,
Dass an dem Tor in kriegerischem Glanz
Ein König seinem Sohn begegnete,
Welcher, obgleich ein Prinz, doch das Gewand
Des Eremiten trug; dass dieser dann,
Zwar mächt’ger als die größten Könige
In ihrer Macht, zum Heiland ausersehn
Durch Lieb’ und Selbstbeherrschung für die Welt,
Sich neigte, wie ich jetzt, und demutsvoll
In Liebe bot, da wo er Schuldner war
Für Lieb’ und Güte, von der Erstlingsfrucht
Des Schatzes, den zur Heimat er gebracht;
Dasselbe biet’ ich jetzt.«

Da frug erstaunt
Der König: »Welchen Schatz?« Und unser Herr
Erfasste sanft die königliche Hand,
Und während so sie, ehrfurchtsvoll begrüßt,
Durchwandelten die Straßen, – einerseits
Der König, die Prinzessin and’rerseits,
Inmitten Buddha, – sprach von allem er,
Was uns zum Frieden führt, zur Reinigung
Der Herzen leitet, zur erhabenen
Vierfält’gen Wahrheit, die umschließend fasst
Jedwedes Wissen, wie das weite Meer
Von dem Gestad’ umschlossen wird; die acht
Gerechten Regeln, welche jedermann,
Sei’s König oder Sklave, auf den Weg,
Zum Pfad verhelfen der Vollkommenheit.
Der hat vier Stufen und Gebote acht;
Wer ihnen nachlebt, mächtig oder auch
Gering, ob weis’, ob ungelehrt, ob Mann
Ob Weib, jung oder alt, wird, sei es früh,
Sei’s spät, entflieh’n des Lebens Kreislauf und
Eingehen in Nirvānas Seligkeit.
So traten ein sie in das Schlossportal;
Suddhōdana, mit zornentwölkter Stirn,
Die mächt’gen Worte trinkend, hatte selbst
Des Buddhas Bettlerschale in der Hand,
Indes ein neues Licht verklärend in
Den holden Augen Schön Yasōdharas
Erstrahlte und durch Tränen sonnig schien;
Also beschritten jenen Abend sie
Den Pfad zum Frieden und zur Seligkeit.

Fußnoten

1. Abhibjna = Erkenntnis. [back]

2. Die Sterne. [back]

3. Ein persisches Längenmaß. [back]

4. Dukha-Satya: die Wahrheit, die im Schmerz verborgen ist. [back]

5. Vgl. Anm. 143. [back]

6. Karma: alles menschliche Tun. [back]

7. Die Skandhas sind die bereits genannten fünf Hauptgruppen der äußeren und inneren Eigenschaften des Menschen: 1. Sañjñā (Wahrnehmung); 2. die Samskāras (Vorstellungen, Gebilde der Einbildung, Eindrücke, Stimmungen); 3. Bijñāna (klarer Begriff, Unterscheidungsvermögen, Urteil, Verstand); 4. Rupā (Gestalt, Form);
5. Bedanà (sinnliche Empfindung). [back]

8. Upādānas sind die Schranken des menschlichen Geistes, die uns hindern, das Ding an sich zu erkennen. [back]

9. Der Kuckuck, s. auch Anm. 142. [back]

10. Pret, Gespenst, Erscheinung eines Toten innerhalb der ersten zehn Tage nach dem Tode. [back]

11. Vgl. Anm. 66. [back]

12. Offenes, freies Feld. [back]

13. Wasanta = Frühling. [back]

14. Die Farbe der Trauer im Orient ist weiß. [back]

15. Die zwölf Nidānas sind nach der Lehre des Buddhismus die Phasen, die der Mensch durchmacht, von dem Wahn angefangen, dem er seine Entstehung verdankt, bis zu seinem Tode. [back]

16. Jene fünf Asketen, die er früher vergeblich von ihrer Selbstpeinigung abzubringen versucht hatte. Sie weilten damals nach der Legende in dem Wildpark Isipatana bei Benares. [back]