Das Aurische Ei: seine Natur und seine Funktion

Jedes Wesen oder jedes Ding im gesamten Universum und sogar das Universum selbst hat oder vielmehr ist sein eigenes Aurisches Ei. Seine Ursubstanz ist der Ākāśa, dessen kosmischer Ether sein gröbster Aspekt ist. Dieser Ākāśa verdichtet sich fortschreitend von seinem höchsten bis zu seinem niedrigsten Teil, sodass das Aurische Ei in seinem materiellsten Aspekt nur wenig etherischer ist als der physische Körper, und es ist tatsächlich Astralsubstanz. Es ist fundamentales Leben; es ist nicht nur der Sitz der Prāṇas oder der Lebenskräfte, sondern das Aurische Ei ist selbst verdichtetes Leben, denn Ākāśa ist Leben, und Leben ist Ākāśa.

Das Aurische Ei hat seinen Ursprung in der Monade, die sein Kern oder sein Herz ist und aus der es, wenn die Manifestation beginnt, sich in Strömen vitaler Ausstrahlungen ergießt. Jede derartige aurische oder prāṇische Ausstrahlung ist auf den verschiedenen Ebenen, die das Aurische Ei vom Ātmischen bis zum Physischen als eine Lichtsäule durchquert, ein Prinzip oder Element und wird im Menschen gewöhnlich mit sieben an der Zahl angegeben. Wenn man über das Aurische Ei einer beliebigen Ebene der menschlichen Konstitution Betrachtungen anstellt, dann erkennt man, dass diese Ebene oder „Schicht“ nicht nur einem der entfalteten sechs Prinzipien des Menschen entspricht, sondern dieses tatsächlich ist. Dieses Prinzip würde ovoidisch oder ziemlich eiförmig erscheinen und als ein mehr oder weniger dichter und extrem leuchtender zentraler Teil, der von einer Wolke prāṇischer Ströme umgeben ist, die in einer enorm aktiven Wechselwirkung stehen. Wenn wir die Sonne anschauen, bekommen wir ein unvergleichlich schönes Bild von dem, was das solare Aurische Ei auf dieser Ebene ist. Dadurch erhalten wir eine gewisse Vorstellung davon, wie das Aurische Ei eines Menschen aussehen mag, wenn man es auf einer der sechs aus der ātmischen oder monadischen Quelle hervorgegangenen Ebenen oder Schichten betrachtet.

Diese immens aktiven und in Wechselbeziehung stehenden Wolken oder vitalen Ausstrahlungen sind in Wirklichkeit die sich selbst als Auren zum Ausdruck bringenden Prāṇas des Aurischen Eies auf jeder Ebene. So sind zum Beispiel die Prāṇas im und vom astral-physischen Körper des Menschen nur die vitalen Auren seines physischen Wesens, und bei den anderen Schichten seiner Konstitution verhält es sich ähnlich.

Das Aurische Ei, das in dem Ātman oder der wahren unverhüllten Monade seinen Ursprung hat, fließt aus dem Herzen der Monade hervor und kleidet sich zuerst in seinen höchsten Schleier, in die Substanzen und Energien von Buddhi. Indem der Bewusstseinsstrom weiter in die Manifestation absteigt, erzeugen die buddhischen Auren mithilfe der in und durch sie wirkenden ātmischen Energien Manas den zweiten Schleier oder die zweite Umhüllung, und diese gleitet ihrerseits in das nächste aurische Attribut, den Kāma, einschließlich seiner verschiedenen Substanzen und Kräfte, bis endlich der physische Körper aus den Stoffen und Kräften des astralen Aurischen Eies als dessen Hefe oder Bodensatz gebildet wird.

Jede derartige Schicht oder Ebene des Bewusstseinsstroms, das Aurische Ei genannt, geht aus einem Zentrum oder Kern hervor, der selbst eine aus ihrer höheren Monade entsprungene Kindermonade ist, und so weiter aufwärts, bis wir wieder die ātmische Monade erreichen, aus deren Herz alles fließt. Auf diese Weise hilft jede dieser Kindermonaden das Aurische Ei eines siebenfältigen Wesens in seiner Gesamtheit aufzubauen, indem sie aus dem Inneren ihres Herzens die besonderen svabhāvischen, prāṇischen Essenzen aussendet, die ihr selbst als Monade auf jener Ebene angehören.

Sämtliche Manifestationen des menschlichen Lebens, angefangen von der Schwangerschaft bis zum Tod, haben ihren Ursprung im Aurischen Ei und gehen durch den physischen Körper hinaus. Jeder Teil des Körpers, jedes einzelne Organ ist ein Niederschlag aus einer entsprechenden Schicht des Aurischen Eies. Das Blut zum Beispiel ist der physische Repräsentant dessen, was sich im Aurischen Ei als Lebensströme offenbart. Es ist verdichtete oder materialisierte Lebenskraft, und die verschiedenen Zellen, mit denen es angefüllt ist, stellen auf dieser Ebene die noch nicht evolvierten Lebens­atome dar, die gleichermaßen und ursächlich im Aurischen Ei existieren. Geradeso, wie das Blut der Bodensatz der durch das Aurische Ei fließenden prāṇischen Ströme ist, so ist der physische Gehirnstoff der Niederschlag der manasischen Substanz, die einen Teil des Aurischen Eies bildet, d. h. eine Ablagerung aus jenen Schichten des Aurischen Eies, in denen das manasische Prinzip tätig ist.

Die Mentalität entspringt daher der Mentalebene des Aurischen Eies, spirituelles Denken und spirituelle Impulse entspringen den spirituellen Ebenen, tierische Impulse den gröberen Ebenen. Auch der Astralkörper hat seinen Ursprung im Aurischen Ei und sogar der physische Körper ist ein Niederschlag desselben. Er ist nur die Schale des Aurischen Eies – er ist aus ihm geboren, aus seinem Leben aufgebaut und erhält aus ihm seine ganze Lebenskraft.

Die spirituellen Adepten (und auch die Brüder des Schattens) vollbringen durch ihr Aurisches Ei Wunder, da es das Zentrum ihrer Vitalität ist. Ein Adept dieser Mysterien kann sich durch Willenskraft und Weisheit mit einem Mantel der Unsichtbarkeit – einem tarnenden Schleier eines Teils seiner aurischen Substanz – umgeben, sodass er am hellichten Tag völlig unsichtbar durch die Menge gehen kann. Er kann aber auch sein Aurisches Ei zu einer so undurchdringlichen Hülle um sich herum härten oder verstärken, dass nichts dem Menschen Bekanntes sie durchdringen kann. Weder Kugel noch Schwert kann diesen schützenden Schleier aus Ākāśa durchdringen, der dennoch so etherisch ist, dass er völlig unsichtbar ist. Und doch ist er, da er aus reiner Energie zusammengesetzt ist, im Grunde genommen dasselbe wie reine Substanz. Die Atome, welche die Kugel oder das Schwert zusammensetzen, sind nicht fähig, ihn zu durchdringen, denn dieser schützende Schleier ist durch die Willenskraft desjenigen, der auf diese Weise sich selbst oder einen anderen schützt, für diese Atome unvergleichlich dichter gemacht. Durch die Kenntnis der im Aurischen Ei latent vorhandenen Kräfte und Energien kann ein Adept unter Anwendung seines Willens sich vom Boden frei erheben oder andererseits seinen Körper so schwer machen, dass fünfzig Männer ihn nicht anheben könnten.

Die Größe des Aurischen Eies ist nicht immer dieselbe. Wenn es voll zur Manifestation gelangt ist, sind die aus den verschiedenen Zentren ausgegossenen prāṇischen Essenzen größer, als wenn es sich in einem Stadium der Inaktivität befindet. Was die Reichweite der prāṇischen Auren betrifft, so schrumpft das Aurische Ei – anders ausgedrückt, die Konstitution – nach dem Tod beträchtlich. Dies ist insbesondere in seinen unteren Schichten der Fall, die in ihre einzelnen Atome aufgelöst und zerstreut werden. Die Größe oder die Ausdehnung eines Aurischen Eies allein hat tatsächlich nichts mit den eigentlichen Funktionen des Bewusstseins zu tun, denn wenn sich eine Monade in gewissen spirituellen Zuständen befindet, wie es nach dem Tode geschieht, so kann das Ausmaß des prāṇischen oder vitalen Ausflusses zeitweise unendlich klein sein. Das kann jedoch nicht in gleichem Maße auf die spirituellen und göttlichen Schichten des Aurischen Eies angewandt werden, denn diese werden nicht in einem besonderen Maße durch den Tod eines Wesens (wie etwa eines Menschen) berührt, da sie relativ unsterblich sind.

Wir sehen also, dass die Auren des astral-physischen Körpers eines Menschen lediglich die Teile der Prāṇas sind, die den Körper während der Inkarnation wie ein Nebel oder eine leuchtende Wolke umgeben. Und diese Auren sind beständig durch das wunderbare, veränderliche und wechselnde Funkeln und Aufblitzen von Farben gekennzeichnet.

Im Prinzip reichen also die verschiedenen prāṇischen Auren um so weiter, je höher die Schicht im Aurischen Ei ist, sodass die höheren Schichten tatsächlich durch aurische Ausdehnungen gekennzeichnet sind, die weit über die Grenzen unserer eigenen Planetenkette zur Sonne und zu den anderen Planeten reichen. Die Reichweite des Aurischen Eies umfasst in seinen göttlichen Aspekten in verschiedenen Graden der Macht und Größe tatsächlich verschiedene Teile der Galaxie. Gerade durch diese „Berührungen“ oder „Kontakte“ der Auren der verschiedenen Schichten vermischen wir unsere Vitalität mit den Wesen und Dingen, die uns umgeben, und dies auf allen Ebenen unserer Konstitution. Und hierin liegt die Ursache der gewöhnlichen Sympathien und Antipathien, die wir immer wieder erfahren: Unsere prāṇischen Auren berühren die Welt rund um uns und bringen uns mit ihr in Kontakt, wodurch wir in die Lage versetzt werden, mithilfe unserer äußeren und inneren Sinnesorgane von unserer Umwelt Kenntnis zu erlangen.

Tatsächlich könnte keine Wesenheit eine andere Wesenheit im Universum erkennen, es sei denn, dass ihr Aurisches Ei jene Wesenheit erreicht. Wir könnten die Sterne nicht sehen, wenn nicht unser Aurisches Ei bereits dort wäre und uns entlang der Wege des Ethers den Kontakt übertrüge, den wir mit jenen entfernten Objekten haben. Es gibt in Wahrheit nicht so etwas wie einen Einfluss aus der Ferne, um die bevorzugte Ausdrucksweise der Wissenschaftler aus den Tagen unserer Großväter anzuführen. Alle Dinge sind überall miteinander verknüpft, nicht bloß jene, die benachbart sind. Jedes menschliche Wesen ist mit Sirius oder mit dem Polarstern genauso eng und unmittelbar verbunden wie mit seiner eigenen Haut, und sein göttliches Wesen erstreckt sich sogar darüber hinaus.

Von der Sonne kann zum Beispiel gesagt werden, dass sie alles, was mit ihren Strahlen, die aus ihr herausströmen, in Berührung kommt, „fühlt“ und „umfasst“. Und gerade die intellektuelle, spirituelle und göttliche Reichweite der Kräfte und Energien des Aurischen Eies der Sonnenkette, die durch ewige und unzerbrechliche Bande mit der umgebenden Galaxie verbunden sind, erlauben der Sonnenkette, mit der Galaxie, ihrem Heim, in Kontakt zu kommen. Der Grund, warum ein Mensch einen anderen verstehen kann, liegt tatsächlich darin, dass die manasischen Schichten des Aurischen Eies des einen jene des anderen berühren und sich miteinander vermischen, wodurch der intellektuelle Kontakt herbeigeführt wird. Und wenn die Schwingungen synchron verlaufen, ist Sympathie und Verstehen vorhanden. Wenn aber die manasischen Wellenlängen nicht die gleiche Frequenz haben, haben wir die Fälle von Verständigungsschwierigkeiten der Menschen untereinander, Gefühle der Antipathie usw.

Wir wollen dies jedoch nicht zu wörtlich nehmen und fälschlich glauben, dass es einen Grund dafür gebe, Hassgefühlen nachzugeben, als ob sie „einem Naturgesetz entsprechen“ würden, oder irgendeinen anderen solchen Unsinn. Natürlich sollten wir versuchen, unsere „Vibrationen“ mit denen anderer Menschen in Übereinstimmung zu bringen – nicht indem wir auf eine Ebene herabsteigen, die niedriger ist als unsere beste, sondern indem wir uns bemühen, durch unpersönlichen Willen und spirituelles Streben die große alte Regel der kosmischen Ethik anzuwenden, dass die Liebe alle Dinge harmonisiert, dass Hass immer zerstört. Es ist unsere Pflicht, Antipathien durch Sympathien zu ersetzen, die wir tatsächlich immer dadurch erreichen können, indem wir uns auf höhere Ebenen des Fühlens und Denkens erheben. Dies ist möglich, weil sich alle Monaden in ihrem eigenen höheren Status ständig auf der geistigen Ebene befinden und daher in harmonischen und synchronen spirituellen Rhythmen schwingen.

Kein sensitiver Mensch kann sich unter eine Menschenmenge mischen, ohne durch ihre Ausstrahlungen heftig beeinflusst zu werden – durch den Ausfluss der Lebenskraft, die jeder Mensch beständig, Tag und Nacht, von sich gibt – und diese Ausströmungen vergiften buchstäblich die äußeren Schichten des Aurischen Eies. Hilfe wird jedoch dadurch gegeben, dass die Natur die Eingangstüren automatisch schließt und die aurische Atmosphäre auf diese Weise Schutz erhält. Geradeso, wie sich die Poren der Haut unwillkürlich schließen und öffnen – ein Prozess, der hilft, den Körper gesund zu erhalten, und dem Eindringen von Krankheiten vorbeugt –, so passt sich die aurische Atmosphäre eines Menschen automatisch durch gewisse psychische Vorgänge an, wenn er sich in Menschenansammlungen befindet.

Wenn nun jemand in der Liebe und in universaler Sympathie stark genug ist, wie es die höheren Adepten sind, so könnte er Plätze, die mit materiellen und üblen Emanationen schwer beladen sind, sicher betreten. Er könnte dies mit vollkommener Sicherheit für seine innere Gesundheit tun, weil sein Aurisches Ei aufgrund seiner inneren Reinheit automatisch seine „Poren“ gegen derartige Ausströmungen schließen würde. Herz und Verstand weiten sich inzwischen in mitleidsvollem Verständnis so sehr, dass die verborgene Schönheit erkannt wird und natürliche Sympathie sogar mit einem unnachgiebigen Widersacher empfunden werden kann, weil wir alle auf den höheren Ebenen unseres Wesens vereint sind.

Aus dem Vorhergehenden können wir den Grund für HPBs Feststellung1 erkennen, dass dem Sinne nach die Prāṇas die direkten Emanationen aus einer ātmischen Schicht des Aurischen Eies und ebenso aus der ātmischen Essenz der verschiedenen Kinder-Monaden in der menschlichen Konstitution sind. Außerdem ist es das Aurische Ei als Ganzes, das den wirklich immerwährenden, aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten Träger des Menschen, wenn man ihn als eine wandernde Wesenheit betrachtet, darstellt. In seinem Aurischen Ei, in seinen vielen verschiedenen Ebenen oder Schichten liegt der Grund dafür, dass ein Mensch in alle Ewigkeit lebt, sich bewegt und sein Bewusstsein hat und alle anderen Attribute, Fähigkeiten und Kräfte, die ihn in jeder der vielen Episoden seiner unendlich langen evolutionären Wanderschaft auszeichnen. In Verbindung mit diesem letzten Gedanken sollten wir uns erinnern, dass die Größe des Aurischen Eies unwichtig ist, weil es während der Inkarnation verschieden weit ausgedehnt ist, während nach dem Tod alle seine prāṇischen Auren in das Herz der verschiedenen Monaden zurückgezogen sein können, aus denen sie ursprünglich hervorgingen. Daher kann das Aurische Ei auf jeder Ebene, wie etwa der astral-physischen, der Größe nach unendlich klein sein, möglicherweise sogar kleiner als ein Anu oder ein Atom; und gleichzeitig in seinen spirituellen und göttlichen Bereichen die gleiche Ausdehnung wie das Universum annehmen. Dies erklärt den Satz in den Upanishaden, der Brahman als „kleiner als das Atom und größer als das Universum“ beschreibt.

Monaden, Egos und Seelen

Die verschiedenen Seelen, Element-Prinzipien und Egos, die alle in der Konstitution eines Menschen enthalten sind, sind notwendigerweise in die Schichten der verschiedenen Substanzen und Energien eingehüllt, die das Aurische Ei bilden, welches seinerseits das Feld der evolutionären Aktivität darstellt. Tatsächlich wird das ganze Werk der Evolution in und auf dem Aurischen Ei durchgeführt, weil alle seine Schichten infolge von Wachstum und Veränderung modifiziert oder veredelt werden, was in den monadischen Zentren stattfindet.

Ich will nun versuchen, etwas genauer auf die Bezeichnungen monadische Essenzen, Monaden, Egos und Seelen einzugehen. Monadische Essenz wurde im Allgemeinen angewendet, um die essenzielle oder göttliche Substanz einer Monade zu bezeichnen, von der die Monade ein individualisierter Ausdruck in Zeit und Raum ist. Folglich ist die monadische Essenz im Grunde genommen gleichbedeutend mit der Bezeichnung Gott. Es gibt so viele Götter wie Monaden. Dies ist die Reihenfolge: Götter (oder monadische Essenzen), Monaden, Egos, Seelen (oder Träger). Und diese Reihenfolge ist gleichfalls chrono­logisch insofern, als aus dem Gott die Monade, aus der Monade das Ego emaniert und aus dem Ego die Seele und aus der Seele der Körper kommt. HPB spielt in der Geheimlehre auf diese Tatsache an, wenn sie die drei Grundlagen des Bewusstseins und der Strukturformen des Universums erwähnt und von „Göttern, Monaden und Atomen“ spricht.

Wenn wir als Nächstes in der Reihenfolge das Wort Ego behandeln, so können wir mit wenigen Worten diesen äußerst wichtigen Teil eines Menschen, auf welcher Ebene seiner Konstitution er auch heimisch sein mag, als den aufgespeicherten Schatz an bewusster evolutionärer Erfahrung beschreiben, der während der ständig wiederholten Verkörperungen einer Monade in den manifestierten Welten angesammelt worden ist. So ist zum Beispiel das reinkarnierende Ego der Sammler und Speicher aller spirituellen und intellektuellen Erfahrungen, die von der menschlichen Monade während ihrer vielen Inkarnationen gewonnen wurden. Und gerade aufgrund dieser Tatsache wurden die durch das Ego gesammelten Erfahrungen nach dem Tod des Menschen von HPB als „Aroma“ eines spirituellen, intellektuellen und edleren psychischen Charakters genannt, das nach jedem Leben auf Erden angehäuft wurde.

Das Wort Seele können wir als den empfindenden, wahrnehmenden Träger oder die Umhüllung, die selbst aus lebender Substanz besteht, definieren, mit der sich das Ego während einer Verkörperung umgibt. Eine andere Bezeichnung für Seele ist Körper – nicht notwendigerweise ein Körper aus Fleisch, sondern ein Träger, in dem und durch den ein Ego sich auf einer beliebigen Ebene der menschlichen Konstitution selbst zum Ausdruck bringen kann. Daher die Verwendung der verschiedenen Bezeichnungen: spirituelle Seele, menschliche Seele, tierische Seele und sogar physische Seele – womit der Körper aus Fleisch gemeint ist.

Es gibt also den göttlich-spirituellen Stoff oder die göttlich-spirituelle Essenz, die selbst ein Gott ist und die wir eine Monade nennen, wenn sie sich auf der nächst niedrigeren Ebene als ein Individuum zum Ausdruck bringt. Diese Monade bringt sich selbst auf der Ebene zum Ausdruck, auf der sie sich durch ihre geeignete manasische Umhüllung oder den egoischen Brennpunkt, ihr Ego, manifestieren kann. Und jedes derartige Ego umgibt sich seinerseits mit seinen eigenen prāṇischen Auren oder mit dem charakteristischen Schleier aus lebender Substanz und empfindendem Stoff, seiner Seele.

Da der Mensch ein Mikrokosmos des Makrokosmos ist, können wir durch Analogie die Konstitution eines Universums verstehen, indem wir diese Hauptpunkte der Lehre über die Konstitution oder das Aurische Ei des Menschen auf eine kosmische Größenordnung übertragen. Wir schließen also daraus, dass ein Universum seine monadische Essenz, seine kosmische Monade, sein kosmisches Ego als ein Individuum und ebenso seine kosmische Seele oder Anima Mundi besitzt.

Die beiden Diagramme auf den Seiten 470 und 472 geben gewisse strukturelle und miteinander verwobene Teile der Natur symbolisch wieder. Sie sollten nicht als exakte oder photographische Bilder betrachtet werden, sondern nur als Andeutungen von verwandten Wesenheiten oder Qualitäten.

In dem Diagramm auf Seite 470 kann man sechs Zentren oder ātmische Brennpunkte erkennen, von denen jeder eine Triade bildet. Und jede derartige Triade enthält ihre entsprechende Monade, ihr Ego und ihre Seele, die von dem Aurischen Ei, dem siebenten und „universalen“ Element oder Prinzip in diesem Schema umschlossen ist. Außerdem ist das siebenfache Aurische Ei als ein Pendant dargestellt, das an dem kosmischen oder galaktischen Paramātman, dem höchsten Selbst oder dem Hierarchen der Galaxie hängt, die ihrerseits ein Pendant des strahlenden superkosmischen Zentrums ist, das selbst eine unbegrenzte Gruppe von Galaxien versinnbildlicht. Tatsächlich kann dieses Zentrum an der Spitze des Diagramms in gleicher Weise auch für die grenzenlosen Bereiche der Unendlichkeit stehen, denn es ist offensichtlich, dass jede derartige Gruppe von Galaxien nur auf zahllose weitere solcher galaktischer Gruppen im endlosen Raum hinweist.

Die von diesem strahlenden Zentrum ausgehende gerade Linie ist ein Versuch, die Individualität der superkosmischen Monade zu zeigen, die ebenso wie der Sūtrātman oder das Faden-Selbst durch alle Dinge läuft und alles zu einer dauernden und untrennbaren Einheit verknüpft. Wenn wir für einen Augenblick bei diesem erhabenen Gedanken verweilen, erkennen wir, dass die Grundessenz eines jeden Wesens und Dings in der galaktischen Anhäufung von Hierarchien in der superkosmischen Monade ihren Ursprung hat; und daher wird selbst das kleinste Lebensatom in solch einer Hierarchie von der Hyparxis oder dem Höchsten des Höchsten in der Galaxie ausgestrahlt und ist in der Essenz dasselbe wie dieses.

Dieses Diagramm ist nicht speziell auf einer sieben- oder zwölffachen Basis aufgezeichnet; es zeigt vielmehr auf eine verallgemeinernde Weise die Beziehungen und Wechselbeziehungen der verschiedenen Monaden, Egos und Seelen im Menschen und analog dazu in einer beliebigen kosmischen Einheit, und auch ihre Verknüpfungen mit den menschlichen Prinzipien. Ihre Beziehungen zu den Globen der Erdkette und den heiligen Planetenketten des Sonnensystems sind folgende: Paramātman ist kosmisch oder galaktisch; Ātman ist kosmisch [cosmic] oder zum Sonnensystem gehörig; Jīvātman gehört zu den heiligen Planetenketten; Bhūtātman zur Erdkette; und Prāṇa-Ātman gehört allein zu Globus D. Durch Analogie können dieselben Beziehungen auf das universale Sonnensystem angewandt werden, indem man die Größenordnung steigert. Der Ātman und der Jīvātman bilden zusammen den inneren Gott in der menschlichen Konstitution. Man könnte sagen, dass die übergöttlichen Prinzipien im Menschen, oder äquivalent in einem anderen Sinn, die fünf höchsten und geheimen Globen einer Planetenkette, die entsprechenden Verbindungsglieder mit den göttlichen Prinzipien unseres Sonnensystems (und durch dieses mit der Galaxie) darstellen.

Für die drei höheren triadischen Zentren oder Ātmans in der mensch­lichen Konstitution werden Sanskrit-Namen angegeben, aber die drei niedrigeren Zentren sind unter die eine Bezeichnung Prāṇa-Ātman eingeordnet, da es keine geeigneten Worte gibt, um die besondere ātmische Qualität zu beschreiben, die der Tiermonade und der astral-physischen Monade angehört. Diese beiden niedrigsten Zentren haben das Egoische noch nicht genügend heraus­evolviert. Trotzdem sind die Tiermonade und die astral-physische Monade dazu bestimmt, in einem zukünftigen Manvantara ein ātmisches Zentrum aus sich hervorzubringen. Wenn dies geschieht, werden beide vorangeschritten sein: die Tiermonade eine Stufe höher und die astral-physische Monade zwei Stufen höher. Jede wird so zu dem, was in dem Diagramm als psychische Monade bezeichnet wird.

Dies zeigt den veränderlichen Charakter dieser verschiedenen Egos und Seelen, denn jedes Ego und jede Seele wird während der langen, langen evolutionären Wanderschaft auf die nächst höhere Ebene steigen. Die astral-physische Monade wird eine Tiermonade werden, diese wird im Laufe der Zeit aus sich die bereits latent vorhandene psychische Monade entfalten, die in evolutionärer Zeit eine manasische Monade werden wird, und so fort den restlichen zwei Monaden entgegen. Ein derartiges evolutionäres Fortschreiten bedeutet jedoch nicht, dass jede Monade durch bloßen äußeren Zuwachs eine Stufe „hinaufsteigt“, sondern nur, dass das, was bereits latent im Innern ist, in immer größerem Ausmaße seine eigene erhabene monadische Essenz entfalten wird.

Zum Nutzen jener, die gern die Zusammenhänge in der Lehre sehen, möchte ich hinzufügen, dass dieses Diagramm darauf hinweist, dass wir für ein individuelles menschliches Wesen den Dhyāni-Buddha seiner Konstitution in das höchste triadische Zentrum einordnen sollten, jedoch mit ständigen Verbindungen in und mit dem zweiten triadischen Zentrum. Der Dhyāni-Bōdhisattva im zweiten dieser Zentren besitzt Verbindungen in und mit dem dritten triadischen Zentrum. Und wenn solch ein Dhyāni-Bōdhisattva in einem Menschen der Mānushya-Buddha wird, so hat er seinen Sitz im dritten Zentrum, jedoch mit Verbindungen in dem und durch das vierte triadische Zentrum. Hierdurch wird der Mānushya-Buddha in die Lage versetzt, seine herrlichen Kräfte und Fähigkeiten auf unserem Globus D zu offenbaren. Wenn unsere Lebenswoge sich auf den nächsten Globus oder tatsächlich auf einen anderen Globus im Laufe einer Kettenrunde hinüberbewegt hat, so findet dieselbe Lehre auch für eine neue Globenheimat der Lebenswoge und den dortigen Menschen Anwendung.

Dieses erste Diagramm enthält auch viele Hinweise darauf, welche Teile der menschlichen Konstitution zu unserem Globus D gehören oder zu unserer Erd-Planetenkette oder wiederum zu den heiligen Planetenketten, und auch welche Teile der Konstitution eines Menschen die inneren Runden durchmachen und welche die äußeren Runden durchlaufen.

Das zweite hier wiedergegebene Diagramm entspricht im Allgemeinen dem ersten, unterscheidet sich aber sehr in den Einzelheiten. Daher ist der geeignete Weg, diese zwei schematischen Konstruktionen einer kosmischen Einheit einerseits und eines Menschen andererseits zu studieren, jener Weg, nach den Plänen und Richtlinien der Natur selbst vorzugehen, wobei jeder Fall so genommen wird, wie er ist, und man nicht versuchen sollte, Analogien herbeizuzwingen. Wir können eine kosmische Einheit, z. B. ein Sonnen­system, mit dem uns umgebenden Ozean intelligenten Lebens mit seiner psycho-vitalastralen Struktur vergleichen. Aus diesem kosmischen Ozean fließen auf mannigfaltige Weise unzählbare dünne Rinnsale hervor, von denen jedes mit seinem kosmischen Vater der fundamentalen Kraft und der Ursubstanz identisch ist, jedoch nicht identisch mit der Funktion oder der sich ergebenden Wirkung und gewöhnlich nicht mit der Struktur. Geradeso, wie die Ozeane der Erde letztlich die Quelle der Flüsse des Globus und der Ströme und Bäche sind, die unsere Landschaften verzaubern und alle schließlich zum Ozean zurückfließen, aus dem sie kamen; und geradeso, wie diese kleineren Ströme oder „Strahlen“ in der Substanz und auf andere Weise mit ihrem großen Vater identisch sind, aber nicht mit dem Ort, der Funktion oder den Attributen, so verhalten sich die Scharen der mikrokosmischen Einheiten. Sie leiten sich, wie z. B. wir Menschen, von dem kosmischen Ozean sozusagen als seine „Strahlen“ oder Rinnsale ab und sind dazu bestimmt, schließlich am Ende des Mahā-Manvantara zum kosmischen Paramātman zurückzukehren.

Wenn wir falsche Analogien heranziehen, werden wir letztlich nur ein Abbild von uns selbst, so wie wir im gegenwärtigen Stadium unserer evolutionären Wanderschaft sind, auf die kosmische Einheit projizieren. Wir würden in unserer Vorstellung lediglich ein Bild der kosmischen Einheit als das eines enorm vergrößerten Menschen zeichnen, und beinahe automatisch würden wir solch einem imaginären kosmischen Wesen unsere eigenen Schwächen und besonderen Varianten der unvollkommenen Entwicklung zuschreiben. Dies alles ist absurd und würde uns in den gleichen fatalen Irrtum führen, dem viele der exoterischen Religionen verfielen, als der Mensch seinen persön­lichen Gott schuf.

Das Aurische Ei und die Prinzipien des Menschen

Der folgende Abschnitt aus HPBs E. S. Instructions (III) beschäftigt sich nicht nur mit unseren menschlichen Prinzipien und mit dem, was sie als ihre vergänglichen Aspekte bezeichnet, sondern auch mit dem Aurischen Ei:

Metaphysisch und philosophisch nach streng esoterischen Grundsätzen ausgedrückt ist der Mensch als eine vollständige Einheit aus Vier Grundprinzipien und ihren Drei Aspekten auf dieser Erde zusammengesetzt. In den halb-esoterischen Lehren sind diese Vier und Drei die Sieben Prinzipien genannt worden, …

 

DIE EWIGEN
GRUNDPRINZIPIEN

1. Âtmân oder Jîva, „das Eine Leben“, das das Monadische Trio durchdringt. (Eines in drei und drei in Einem.)

2. Aurische Hülle; weil das Substrat der Aura rund um den Menschen der universal verbreitete ursprüngliche und reine Âkâsa ist, der erste Schleier auf der grenzen- und uferlosen Ausdehnung von Jîva, die unbewegte Wurzel von allem.

3. Buddhi; denn Buddhi ist ein Strahl der Universalen Spirituellen Seele (ALAYA).

4. Manas (das höhere Ego); denn es leitet sich von Mahât ab, dem ersten Produkt oder der ersten Emanation von Pradhâna, das potenziell alle Guṇa (Attribute) enthält. Mahât ist Kosmische Intelligenz, das „Große Prinzip“ genannt.2

 

DIE VON DEN PRINZIPIEN ERZEUGTEN
VERGÄNGLICHEN ASPEKTE

1. Prâna, der Lebensatem, dasselbe wie Nephesh. Beim Tod eines Lebewesens wird Prâna wieder zu Jîva.3

2. Linga Sarîra, die Astralform, die vergängliche Emanation des Aurischen Eies. Diese Form geht der Bildung des lebenden Körpers voraus, und nach dem Tod klammert sie sich an ihn. Sie löst sich nur mit dem Verschwinden seines letzten Atoms (das Skelett ausgenommen) auf.

3. Niederes Manas, die Tierseele, die Reflektion oder der Schatten von Buddhi-Manas, hat die Möglichkeiten von beiden. Durch seine Verbindung mit den Kâma-Elementen ist es jedoch im Allgemeinen diesen unterworfen.

4. Da der niedere Mensch das vereinigte Produkt aus zwei Aspekten, physisch aus seiner Astralform und psychophysiologisch aus ma Manas zusammengesetzt ist, wird er nicht einmal als ein Aspekt angesehen, sondern nur als eine Illusion.

 

 

Das Aurische Ei muss aufgrund seiner Natur und seiner vielfältigen Funktionen gut studiert werden. Wie Hiranyagarbha, der Goldene Schoß oder das Goldene Ei, Brahmâ, das gemeinsame Symbol der Sieben Universalkräfte, enthält, so enthält das Aurische Ei den göttlichen und den physischen Menschen und steht mit ihnen in direkter Verbindung. In seiner Essenz ist es, wie gesagt, ewig; in seinen unveränderlichen Wechselbeziehungen und Transformationen stellt es während des Reinkarnierungsverlaufs des Ego auf dieser Erde eine Art von unaufhörlichem Triebwerk dar.

Wie in der Geheimlehre dargestellt, sind die Egos oder Kumâras, die sich in den Menschen am Ende der Dritten Wurzelrasse inkarnierten, nicht menschliche Egos auf dieser Erde oder Ebene; sie werden solche erst von dem Augenblick an, wo sie den tierischen Menschen beseelen, wobei sie ihn mit seiner Höheren Vernunft ausstatten. Jedes ist ein „Atem“ oder Prinzip, genannt die Menschliche Seele oder Manas, die Vernunft. Wie die Lehren sagen: „Jedes ist eine Lichtsäule. Sobald es seinen Träger ausgewählt hatte, weitete es sich aus, indem es das menschliche Tier mit einer Âkâsischen Aura umgab, wāhrend sich das Göttliche (Manâsische) Prinzip im Innern dieser menschlichen Form niederließ.“

Die alte Weisheit lehrt uns darüber hinaus, dass von dieser ersten Inkarnation an die Mond-Pitris, die den Menschen aus ihren Chhayâs oder Schatten erschaffen haben, durch diese aurische Essenz absorbiert wurden; und dann wurde für die Reihen von Reinkarnationen eines jeden Ego eine bestimmte Astralform für jede hervorkommende Individualität geschaffen.

Daher ist das Aurische Ei, das alle Gedanken, Worte und Handlungen des Menschen reflektiert:

(a) Der Bewahrer jeder Karmischen Aufzeichnung.

(b) Das Depot aller guten und bösen Kräfte des Menschen, das durch seinen Willen – ja sogar durch sein bloßes Denken – jedwede mögliche Kraft empfängt oder herausgibt, die auf der Stelle eine aktive Kraft wird:

Diese Aura ist der Spiegel, in dem Sensitive und Hellseher den wirklichen Menschen erfühlen und wahrnehmen und ihn sehen, wie er ist, und nicht wie er zu sein scheint.

(c) So, wie es den Menschen mit seiner Astralform ausstattet, um die sich die physische Wesenheit selbst modelliert, zuerst als ein Fötus, dann als ein Kind und dann als Erwachsener, wobei das Astrale zusehends mit dem Menschen wächst, so stattet es im Falle eines Adepten ihn während seines Lebens mit seinem Mâyâvi-Rûpa oder Illusionskörper aus, der nicht sein Lebender Astralkörper ist; und nach dem Tod mit seiner Dêvâchânischen Wesenheit und seinem Kâma-pa oder Wunschkörper (der Spuk).4

Was die Dêvâchânische Wesenheit anbetrifft, so muss das Ego als das „Ich“ seiner unmittelbar vorhergehenden Inkarnation, damit es in den Zustand der Glückseligkeit eingehen kann, mit den spirituellen Elementen der Ideen, des Sehnens und der Gedanken der jetzt entkörperten Persönlichkeit bekleidet werden (metaphorisch gesprochen). Was aber erfreut sich andererseits einer Glückseligkeit und eines Ausgleichs? Sicher nicht das unpersönliche Ego, das Göttliche Individuum. Deshalb müssen es die guten karmischen Aufzeichnungen des Verstorbenen sein, die der Aurischen Substanz eingeprägt wurden, die die Menschliche Seele ausreichend mit Spirituellen Elementen der gewesenen Persönlichkeit versorgen, damit sie jenen Körper, von dem sie gerade getrennt wurde, sich in Ruhe selbst überlassen kann und ihre Früchte während einer mehr oder weniger langen Periode der „spirituellen Schwangerschaft“ erhält. Denn Dêvâchân ist eine „spirituelle Schwangerschaft“ in einem idealen Nährboden, eine Geburt des Ego in die Welt der Wirkungen, wobei die ideale, subjektive Geburt seiner nächsten irdischen Geburt in die Welt der Ursachen vorhergeht. Die irdische Geburt wird durch sein schlechtes Karma bestimmt.5

Wir sollten feststellen, dass in diesem Abschnitt nur vier Grundprinzipien erwähnt werden: Ātman, seine aurische Umhüllung, Buddhi und Manas – wobei Letzteres in Wirklichkeit das höhere Manas ist; und drei Übergangs­aspekte: Prāṇa, Liṇga-Śarīra und das niedere Manas oder die Tierseele. Einige Schüler haben sich darüber gewundert, und auch darüber, dass das zweite Prinzip als die aurische Umhüllung angegeben wird; und auch darüber, dass Kāma nicht erwähnt wird.

Zunächst: Kāma ist in jedem dieser vier Grundprinzipien und ihren drei Aspekten enthalten, weil es in der menschlichen Konstitution das kosmische Kāma repräsentiert – das universale und grundlegende Prinzip oder Attribut, das die innere und wesentliche Kraft oder Energie des Universums ist. Wir sollten uns immer daran erinnern, dass jedes der sieben Prinzipien im Menschen, ob ein Grundprinzip oder ein Aspekt, selbst siebenfach ist.

Diese vier Prinzipien werden als „grundsätzlich“ angesehen, weil sie die höchsten und daher mächtigsten und bleibenden in der ganzen Konstitution des Menschen sind. Sie überleben das große, beim Tod stattfindende Drama, das zur Auflösung der niederen Vierheit führt, oder zu dem, was HPB die drei Aspekte plus das physische Vehikel nennt. Diese niederen drei Aspekte sind nur in der vorhergehenden und zur Zeit der nächsten Reinkarnation wiedervereinigt. Dies kann mit der gleichen Gültigkeit und Richtigkeit auch auf die Konstitution und den „Tod“ jeder kosmischen Wesenheit, wie eines Planeten oder einer Galaxie, angewandt werden.

Indem HPB die Prinzipien in parallele Rubriken stellt, deutet sie an, dass jedes Prinzip seinen besonderen entsprechenden Aspekt auf Erden während der Lebenszeit eines vollständigen siebenfältigen Menschen hat. Als Beispiel: Verschiedene Prāṇas im Menschen stehen in Einklang mit Ātman; denn wenn die Prāṇas zu ihrem letzten Ursprung zurückverfolgt werden, wird man feststellen, dass sie Emanationen aus der ātmischen Monade sind. Auf ähnliche Weise ist das Liṇga-Śarīra mit der „aurischen Umhüllung“ verknüpft, die den Ātman als seine spirituelle Aura einschließt. Und in gleicher Weise ist der dritte Aspekt oder das niedere Manas, die Tierseele, im verkörperten Menschen die Reflexion seiner Buddhi. Wir können die Analogie eine Stufe weiterführen, indem wir darauf hinweisen, dass geradeso, wie Manas der Brennpunkt des egoischen menschlichen Individuums ist, es seine Entsprechung auf Erden in dem Sthūla-Śarīra hat, das der Brennpunkt der Kräfte und Fähigkeiten ist, die den physischen Menschen zu einem von anderen getrennten Individuum machen.

Alle diese Prinzipien und Aspekte, und tatsächlich alles in der menschlichen Konstitution, sind in dem Aurischen Ei eingeschlossen. Das Aurische Ei stellt gleichzeitig die vereinigten Ausflüsse aus den verschiedenen Monaden dar und ist aus diesem Grund auch der gemeinsame repräsentative Ausdruck der Kräfte und Energien des siebenfachen verkörperten Menschen. Wenn jedoch der Tod eintritt, wird der niedere Teil des Aurischen Eies, da er größtenteils aus den Ausflüssen jener Aspekte aufgebaut ist, in jenem Teil des Astrallichts aufgelöst, der als Kāma-Loka der Erde bezeichnet wird; obwohl sogar auch hier die etherischeren Lebensatome oder die zugehörigen Kräfte und Substanzen in einen latenten Zustand hinaufgezogen werden, um zu den tanhischen6 Elementalen in den höheren Teilen des Aurischen Eies zu werden, welche die von HPB erwähnten überdauernden Grundprinzipien enthalten. Folglich ist das Aurische Ei, weil es ununterbrochen tätig ist und ewig währt, in einem gewissen Sinn das bedeutendste aller Prinzipien oder Teile der menschlichen Konstitution. Außer allem anderen stellt es das Feld oder die zusammengesetzten Felder der verschiedenen Phasen des mensch­lichen Bewusstseins auf allen seinen siebenfältigen Ebenen dar. Daher werden bei jeder neuen Inkarnation die verschiedenen „Aspekte“ aus den Substanzen und Kräften des Aurischen Eies gebildet – auch der physische Körper oder das Sthūla-Śarīra, das sozusagen der Bodensatz des Aurischen Eies ist, durch und mit Hilfe des Liṇga-Śarīra, das seinerseits eine verdichtete Ausstrahlung der niedrigeren Schichten des Aurischen Eies ist.

Ferner weist HPB darauf hin, dass das Māyāvi-Rūpa oder der Gedanken- und Empfindungskörper, der von dem Adepten nach seinem Willen projiziert wird, aus den Substanzen und Energien der entsprechenden Schichten des Aurischen Eies gebildet wird. Und gerade weil alle derartigen Projektionen aus der aurischen Substanz für befristete Zwecke hervorgerufen werden, besitzt das Māyāvi-Rūpa seinen Namen: „Illusionskörper“.

Man kann sagen, dass das eigentliche Rūpa oder die eigentliche Hülle, die die devachanische Wesenheit umgibt, aus dem Aurischen Ei gebildet wird, sodass wir korrekt von diesem Teil des Aurischen Eies, der mit dem relativ spirituellen Bewusstsein des Devachani schwingt, sagen können, dass es das Aktionsfeld seines Bewusstseins ist. Diese Schichten des Aurischen Eies, die wir anschaulich vielleicht besser den „Körper“ des Devachani nennen können, vermitteln dem devachanischen Ego die Illusion, dass es sich in einem herrlichen spirituellen Träger befindet. Das Kāma-Rūpa nach dem Tod, das früher oder später der Spuk wird, ist gleichermaßen aus den entsprechenden Substanzen gebildet, die aus den niederen Schichten des Aurischen Eies gezogen werden.

Aus dem Vorausgehenden ersehen wir, wie wichtig die Rolle ist, die das Aurische Ei in der menschlichen Konstitution spielt, denn es ist nicht nur das Feld all der verschiedenen Bewusstseinsbereiche des verkörperten Menschen, sondern ebenso die etherische, astrale und sogar spirituelle Substanz oder die aurische Umhüllung, aus der jedes einzelne der Vehikel des Menschen gebildet wird, was auch sein Liṇga-Śarīra, sein Māyāvi-Rūpa, seine devachanische aurische Hülle und sein Kāma-Rūpa nach dem Tod einschließt.

Es gibt zwei grundsätzliche Arten, den Menschen zu betrachten: Nach der einen Art ist er aus den sieben kosmischen Elementen zusammengesetzt, wie ihn HPB zuerst vorstellte, und nach der anderen Art ist er eine Zusammensetzung aus sich gegenseitig beeinflussenden Monaden oder Bewusstseins­zentren, die mithilfe der sieben kosmischen Elemente als Werkzeug dienen und dem Menschen seine sieben Prinzipien liefern.

Was also ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Monaden im Menschen und den sieben Prinzipien, und was sind ihre entsprechenden Funktionen? Diese tiefgründige Frage lag der Meinungsverschiedenheit zwischen HPB und Subba Row zugrunde. Subba Row folgte der Lehre der brahmanischen esoterischen Schule, indem er seine Aufmerksamkeit auf die Monaden richtete. Er betrachtete das Universum als eine riesige Ansammlung von Individuen, während HPB zu jener Zeit der Weltgeschichte die Notwendigkeit sah, den fragenden westlichen Verstand zu befriedigen, der damals eine materialistisch-wissenschaftliche Richtung einnahm. Sie gab eine authentische Erklärung darüber ab, von welcher Beschaffenheit das Universum als eine Einheit ist – was sein „Stoff“ ist und was der Mensch als ein integrierender Teil davon ist. Nun, die sieben Prinzipien sind die sieben Arten „Stoffe“ des Universums. Der höhere Teil jeder Art ist ihre Bewusstseinsseite; der niedere Teil ist die Körperseite, durch die sich ihr Bewusstsein zum Ausdruck bringt. Jeder mathematische Punkt im grenzenlosen Raum kann jedoch in Wirklichkeit als eine Monade angesehen werden, denn das Universum ist insgesamt verkörpertes Bewusstsein; oder individuell verkörperte Bewusst­heiten oder Monaden.

Unsere Wissenschaftler sagen, das Universum sei aus etwa einhundert chemischen Elementen aufgebaut, die gemeinsam den Stoff des Universums ergeben, der in ebenso viele kleinere Stoffe unterteilt ist. Geradeso, wie die chemischen Elemente den Körper des Universums bilden, der nichtsdestoweniger die Umhüllung der Scharen von Bewusstseinswesen ist, darunter die Menschen, so sind auf genau die gleiche Weise die sieben Prinzipien des Kosmos und des Menschen letztlich auf ein ursächliches Prinzip oder einen ursächlichen Geist reduzierbar, den siebenfältigen Stoff, aus dem das Universum von Grund auf zusammengesetzt ist.

Was sind also diese sieben (oder zehn) Prinzipien? Das ist die Kernfrage, die zu klären zu HPBs Zeit so wichtig war. Sie sind im Grunde eine Gottheit, die sich mit Geist umhüllt; diese bringt das Licht des Verstandes hervor; und der erleuchtete Verstand brachte im Zusammenwirken mit den anderen so weit evolvierten Prinzipien und Elementen das kosmische Verlangen hervor; und so weiter herab, bis wir das Sthūla-Śarīra erreichen. (Dieses Wort bedeutet nebenbei gesagt nicht physischer Körper, sondern vielmehr sub­stanzieller oder verdichteter Körper auf einer beliebigen Ebene, ob sie nun physisch, spirituell oder göttlich ist. Sthūla bedeutet lediglich verfestigt, grob.) Da das Universum aus Strahlungen, Licht und Energie aufgebaut ist, können diese Ausstrahlungen, sich in gradweiser Abstufung manifestierend, von einem bestimmten Gesichtspunkt aus auch als Kräfte angesehen werden. Wenn sie aber sehr stark verdichtet werden, werden sie zu grobem Stoff, der trotzdem stetig von den höheren Strahlungsformen durchdrungen wird.

Jeder mathematische Punkt im Raum ist eine Monade, ein Bewusstseins­punkt, weil die gesamte Unendlichkeit unendliches Bewusstsein ist. Deshalb muss jeder Punkt der Unendlichkeit ein Bewusstseinszentrum sein, eine siebenfache Monade, die ihren Ātman, ihre Buddhi, ihr Manas und auch alles weitere besitzt, weil das Universum aus diesen sieben Stoffen aufgebaut ist. Und diese sieben Stoffe sind auf einen ursächlichen Stoff reduzierbar – Geist, Bewusstsein, Ātman. Ich betone diesen Punkt besonders, weil wir unsere Gedanken nicht mit der Idee verwirren dürfen, dass die sieben Prinzipien eine Sache seien und die Monaden, die durch die von ihnen getrennten Prinzipien wirken, etwas ganz anderes. Das ist falsch.

Jedes einzelne der sieben Prinzipien oder Elemente einer Monade kann eine der kosmischen Ebenen repräsentieren und ist selbst siebenfach. Es gibt zum Beispiel einen Ātman des Kāma, eine Buddhi des Kāma und so fort durch den Bereich der Element-Prinzipien oder Stoffe. Was unterscheidet einen Menschen vom anderen oder einen Menschen von einem Tier? Die Unterschiede liegen nicht in ihren entsprechenden sieben Prinzipien, weil diese in alle Wesenheiten eingehen und deren zusammengesetzte Konstitution bilden, sondern sie entstehen aus dem relativen Evolutionsgrad der individuellen Monaden. Die menschliche Monade ist weit höher evolviert als diejenige eines Tieres oder einer Pflanze oder als die in hohem Maße vereinigten Monaden, die sich aufgrund ihrer entsprechenden Entwicklungsstufen als Granit, Marmor oder Sandstein unterscheiden.

Die sieben Prinzipien, die den Menschen zusammensetzen – Ātman, Buddhi, Manas, Kāma, Prāṇa, Liṇga-Śarīra, Sthūla-Śarīra – sind mit jenen identisch, die unseren Sonnenkosmos zusammensetzen. Die sieben Prinzipien des Menschen vermischen sich und wirken in mehr oder weniger gleicher Weise zusammen wie die kosmischen Prinzipien. So, wie zum Beispiel das Astrallicht unserer Erde ihr gasförmiges Astraldoppel ist, so ist im Menschen das Liṇga-Śarīra das Astraldoppel des menschlichen Körpers. Und so, wie die verschiedenen kosmischen Prāṇas die zusammengesetzte Vitalität unseres Globus sind, so ist der zusammengesetzte Prāṇa der menschlichen Konstitution das Element der Lebenskraft im Menschen.

Für Studienzwecke kann die Konstitution des Menschen auf verschiedene Weisen gesehen werden. So können wir, wenn wir die Zustände nach dem Tod betrachten, die Konstitution des Menschen in eine niedere Triade einteilen, die aus seinem physischen Körper, seinem gasförmigen Doppel und seiner prāṇischen Vitalität besteht; in eine Zwischenduade, die aus den zusammenwirkenden Manas und Kāma gebildet wird; und in eine spirituelle Duade, die aus Ātman besteht, der in seine spezielle Bewusstseinshülle, Buddhi, ein­gekleidet ist.

Sogar unser physischer Körper besitzt seine eigene siebenfache Zusammensetzung, die fast ganz aus den sieben auf der physischen Ebene wirkenden Elementalklassen gebildet wird. Diese sieben Klassen oder Grade leiten sich von den Grundelementen der Natur ab. Das Liṇga-Śarīra wird ebenfalls aus denselben sieben Elementalklassen gebildet, die in ihre sieben verschiedenen Typen aufgeteilt sind. Und die prāṇischen Elemente des Menschen sind aus den sieben Elementalklassen mit ihren eigenen prāṇischen Eigenschaften zusammengesetzt. So werden in der Tat alle Formen der Umhüllungen jedes der siebenfachen Prinzipien des Menschen in ähnlicher Weise gebildet. Ferner ist jedes Prinzip oder Element des Menschen mehr oder weniger dem einen unmittelbar über ihm stehenden untergeordnet und wird ebenso mehr oder weniger gut durch das höchste und alle höheren Prinzipien beaufsichtigt oder beherrscht, die sich durch das jeweils niedrigere Prinzip zu offenbaren suchen.

Viele Monaden im Menschen

Es ist nicht nur eine Redensart, wenn wir vom Menschen sagen, er habe verschiedene Monaden in seiner Konstitution. Eine Monade bedeutet ein unteilbares Zentrum von Leben-Bewusstsein-Substanz, ein spirituelles Ego. Deshalb besitzt der Mensch in sich eine Gottheit, einen Buddha oder Christos, einen Mānasaputra, ein menschliches Wesen und eine astrale Wesenheit; und er wohnt in einem astral-vital-physischen Körper. Sie alle bilden gemeinsam seine Konstitution, durch die sich der Sūtrātman oder das Faden-Selbst vom innersten Herzen des Universums durch all diese verschiedenen Monaden erstreckt, von der höchsten abwärts, bis er das physische Gehirn berührt; denn der Mensch ist Legion und Einheit. Der Stille Wächter in ihm ist der Dhyāni-Buddha, ein wirkliches, wesenhaftes, lebendes Ego göttlicher Art.

Der Sūtrātman – der Ausdruck bezeichnet einen Faden, einen Strahl oder Strom des Bewusstseins, der von einer Monade ausgeht – durchquert alles, was sich unter ihm befindet und daher sein Aktionsfeld darstellt. Schließlich berührt und beeinflusst er das geeignete Organ oder die geeigneten Organe im physischen Körper. Der ursprüngliche Sūtrātman – das heißt der Strahl aus der göttlichen Monade – durchdringt alle Schichten des Aurischen Eies der menschlichen Konstitution. Dabei bildet er das Rückgrat des sieben­fachen Menschen, um den andere untergeordnete Monaden versammelt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Jede von ihnen strahlt ihre eigene kleinere sūtrātmische Emanation aus.

Detaillierter betrachtet entspringt der Sūtrātman im Menschen aus seiner eigenen menschlichen Natur, aus dem mānasaputrischen oder menschlichen Ego, das von der es umgebenden Essenz der göttlichen Monade eingeschlossen oder überstrahlt wird, seinem Vater im Himmel. Ähnlich und auf einer viel niedrigeren Ebene könnten wir von dem noch schwach entwickelten Sūtrātman der vital-astralen Monade sprechen. Die Ansammlung dieser miteinander wechselwirkenden sūtrātmischen Aktivitäten im Menschen machen ihn zu der zusammengesetzten Wesenheit, die er ist. Er besitzt also einen sūtrātmischen Kanal zu seinem eigenen menschlichen monadischen Bewusstsein, einen anderen Sūtrātman, entlang dessen er sich zu seinem spirituellen monadischen Bewusstsein erheben kann, und noch einen anderen, mit dessen Hilfe er zu seinem eigenen individualisierten inneren Gott aufsteigen kann, um mit ihm in Verbindung zu treten.

Eine andere und vertrautere Erklärung besagt, dass der Sūtrātman oder das Faden-Selbst von Leben zu Leben weitergeht und dass die aufeinander folgenden Reinkarnationen auf ihm wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht sind. Der auf diese Weise benutzte Ausdruck wird von HPB kurz und bündig als die Monade oder Ātman-Buddhi-Manas in der menschlichen Konstitution beschrieben; mit anderen Worten können wir sagen, dass der Sūtrātman das reinkarnierende Ego ist.

Das menschliche Ego ist also eine jener noch relativ unentwickelten einzelnen Monaden. Über ihr befindet sich die spirituelle Monade und darüber die göttliche Monade. Aus karmischen Gründen ist jeder von uns ein bestimmter Bewusstseinsstrom, ein Sūtrātman; doch sind Sie oder ich als menschliche Individuen die menschliche Monade. Als solche stehen wir nur im mittleren Teil jenes Bewusstseinsstroms, der unsere Konstitution ist und dessen höherer Teil uns mit der Unendlichkeit verbindet, während dessen niederer Teil es uns ermöglicht, auf dieser Ebene zu lernen.

Die Gottheit im Sonnensystem ist nicht nur eine Einheit, sondern auch eine „Armee“, von der wir Einzelteile sind. Sie besitzt eine Leben-Bewusstsein-Substanz-Energie, die uns alle durchfließt und unser substanzieller bewusster Hintergrund ist. Und alle diese besonderen Monaden- oder Egoklassen, die den Bewusstseinsstrom von jedem Einzelnen von uns bilden, sind spirituell in dieser Sonnengottheit, in der wir unser Sein haben, beheimatet.

Wenn unsere menschliche Monade ihre unentwickelten Kräfte aus ihrem Innern hervorgebracht haben wird, wird sie eine spirituelle Monade werden und wir werden Buddhas sein. Wir werden dann durch das wirken, was jetzt die tierische Natur in uns ist und dann Mensch sein wird. Jede Monade wird einen Grad höher gestiegen und höher evolviert sein. Oder betrachten wir einen beliebigen Teil der menschlichen Konstitution, wie das evolvierende menschliche Ego: Es wird ein spirituelles Ego und danach ein göttliches Ego werden. Und doch wird der Mensch gleichzeitig von Kräften durchströmt, die von höheren Egos, deren Kind er ist, in ihn herabfließen. Dies ist der esoterische Hintergrund für den alten Spruch, dass man an der Flamme einer Kerze alle Feuer der Welt anzünden kann und dass die Flamme sich dabei niemals vermindert. Mit dem Bewusstsein verhält es sich ebenso.

Es gibt einen die verschiedenen Monadenklassen betreffenden Punkt, der wichtig scheint, um hier erwähnt zu werden. Er befasst sich einerseits mit den einzelnen Monaden als Wesen welcher Klasse auch immer, jenen rein monadischen Bewusstseinspunkten, die zwar potenzielle und tatsächliche, aber noch relativ unentwickelte Monaden sind; und andererseits mit jenen bereits hoch entwickelten spirituellen Wesenheiten, die auf ihren eigenen Ebenen evolvieren und die in vollem Besitz ihrer monadischen Fähigkeiten und Kräfte sind. Genau genommen ist eine Monade eine „unabhängige“ spirituelle oder göttliche Wesenheit, die sich in kontinuierlicher Evolution auf ihrer eigenen Ebene befindet. Mit anderen Worten: ein relativ voll erblühter Gott. Nur von einem Lebensatom kann gesagt werden, dass es lediglich ein Bewusstseins­punkt ist, obwohl wiederum jedes Lebensatom – auf welcher Ebene auch immer – nur die Offenbarung seiner eigenen Vatermonade ist und mit ihr durch einen Bewusstseinsstrahl oder Sūtrātman verbunden ist. Es gibt also die Monade in ihrem Bereich, dann den Strahl, der aus ihr hervorgeht und durch die dazwischenliegenden Räume oder Sphären „abwärts“-läuft, um auf einer beliebigen Ebene in einem Lebensatom zu enden. Dieses umkleidet sich mit seinen eigenen Ausflüssen, um so das physische oder chemische Atom, das Sthūla-Śarīra des Lebensatoms zu bilden.

Die Monade eines Tieres oder eines Minerals oder auch eines Menschen oder eines Buddhas ist eine Gottheit, die das ganze Manvantara hindurch auf ihrer eigenen spirituellen oder göttlichen Ebene lebt und sich entwickelt. Folglich ist jede individualisierte Wesenheit in den niederen Bereichen, vom Elemental oder Lebensatom bis zum höchsten Gott, auf ihrer eigenen Ebene nur ein Ausdruck ihrer innewohnenden Vatermonade.

Jedes Lebensatom in der menschlichen Konstitution hilft nicht nur, diese strukturell aufzubauen, sondern ist in ihr ebenso auch der Ausdruck seiner eigenen individuellen Vatermonade. Eine derartige Vatermonade ist auf ihrer eigenen Ebene aller Wahrscheinlichkeit nach der höchsten Monade in der eigenen Konstitution des Menschen an Würde und spiritueller Entfaltung gleichwertig. Alles durchdringt alles andere, vermischt sich und hilft auf diese Weise, das System aufzubauen, und indem sie es „füttern“, befähigen sie es, sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Es ist ein Fall von „alle für einen und einer für alle“; und ich möchte beiläufig hinzufügen, dass dies sich auf die innere Bedeutung der Lehre von der universalen Bruderschaft bezieht.

Außer der ungeheuren Vielzahl von Lebensatomen, die die menschliche Konstitution zusammensetzen, gibt es die besonders evolvierten monadischen Brennpunkte oder Zentren, die wir die monadischen Hierarchen nennen können, und zwar einen für jede der sieben oder zwölf „Ebenen“ der menschlichen Konstitution. Ein Beispiel: Die buddhische Monade ist in Wahrheit kein Lebensatom, sondern der buddhische Brennpunkt in uns, der sich mit seinen ausfließenden Wellen umgibt und dabei seine aurische Umhüllung bildet. Diese aurische Umhüllung ist jedoch aus buddhischen Lebensatomen, hauptsächlich Kindern dieser Monade, zusammengesetzt. Sie ist aber auch das Spielfeld und der Bereich des Zusammenspiels anderer buddhischer Monaden, die durch sie hindurchwandern, genauso wie die meisten Atome im physischen Körper auch die vital-astralen Atome von Monaden sind, die auf ihren Wanderungen hereinkommen und weggehen.

Auf ähnliche Weise ist unser Sonnensystem hauptsächlich mit den Ausflüssen aus der Sonne erfüllt, es ist aber auch das Feld für die Lebensatome, die aus dem kosmischen Raum kommen, wodurch ein elektromagnetisches Feld erzeugt wird, das Sonne mit Sonne oder Sonnensystem mit Sonnen­system oder (in kleinerem Maßstab) die zwölf Häuser des Zodiakus mit unserer Sonne verbindet. Die Menschen sind ebenfalls mit psychovitalen, magnetischen und physischen Banden durch den Austausch von Lebens­atomen miteinander verbunden, die zwar nicht zu uns gehören, die aber durch uns hindurchwandern. Dasselbe gilt für jede Ebene der menschlichen Konstitution. Jedes Lebensatom liefert seinen Anteil zu dem Teil des Aurischen Eies, zu dem eine gegenseitige Anziehung besteht: die buddhischen Lebensatome zu den buddhischen, die manasischen zu den manasischen, usf.

Man sollte daran denken, dass jeder Strahl aus einer göttlichen Monade nicht nur ein Teil von ihr ist, sondern dass er ebenso auch durch jene göttliche Monade als ein eigener monadischer Brennpunkt wandert und aus ihr kommt. Die göttliche Monade setzt sich aus ihren höheren Trägern auf der göttlichen Ebene zusammen. Diese Träger sind „atomar“; sie sind die absteigenden Strahlen oder Monaden, die durch die göttliche Monade wandern und aus ihr kommen, mit dem Ziel, manifestierende Monaden in der Konstitution eines Menschen zu werden und auf diese Weise beim Aufbau jener Konstitution mitzuwirken. Die göttliche Monade ist sozusagen eine monadische Sonne, ein „kreativer“ oder emanierender Brennpunkt dieser Strahlen, die in gewissem Sinne ihrem eigenen Charakter nach göttliche Essenz sind. Und doch bestehen sie nicht aus der monadischen Essenz der Sonne, sondern sie wandern durch sie hindurch. Diese ātmische Sonne ist daher ihre zeitweilige Heimstatt oder ihr Behälter. Jeder derartige Strahl ist für sich genommen eine Monade, dazu bestimmt, zu einem Wesen von der Art der göttlichen Monade, ihres Vaters, zu evolvieren.

Auf diesen Gegenstand nimmt KH in den Mahatma Letters, S. 89, Bezug, wo er sagt, dass jeder derartige monadische Brennpunkt ein schöpferisches Zentrum darstellt, das wir A, B etc. nennen können. Jedes verhilft seinerseits „Nachkommen“ A1, B1 etc. zur Geburt; Letztere rufen A2, B2 usf. ins Leben.

Wenn wir die verschiedenen Monadenklassen ungenau als unevolviert, latent, im Keim befindlich, etc. beschreiben, so sprechen wir nicht von den Monaden selbst, sondern nur von ihren entsprechenden Trägern. Einige von ihnen sind nur schwach entwickelt, andere sind voll wirksame Instrumente. Die Monaden als Monaden sind, jede von ihnen, ein Funke oder Tropfen der Essenz aus der monadischen Essenz des Universums – er kann aber auch von einer Sonne oder einer Planetenkette sein. Jede derartige „höchste Essenz“ ist die wahre Substanz und Natur des Ātman, aus dem die zu ihm gehörenden Monaden emanieren. Wir können uns eine Monade per se als ein göttliches oder spirituelles Elemental vorstellen, weil sie durch ihren Ursprung zu dem höchsten kosmischen Element, d. h. zu dem Ātman oder Paramātman der Hierarchie gehört. Folglich ist ein Elemental einer beliebigen Klasse eine Emanation oder ein Funke aus dem kosmischen Element-Prinzip, aus dem es hervorgeht. Und dies bezieht sich sogar auf die niedrigsten Elementalklassen, die wir Lebensatome genannt haben.

Man kann fragen, was unsere Beziehung als eine menschliche Lebenswoge zu dem Hierarchen unserer Planetenkette sei. Hierauf zu antworten ist nicht so leicht, wie es scheinen mag. Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass die menschliche Lebenswoge, nicht als eine Einheit, sondern als eine große Zahl von Individuen betrachtet, aus Monaden zusammengesetzt ist, die als eine Klasse in ihrer Evolution die menschliche Stufe erreicht haben und daher durch gewaltige Bande karmischer Sympathie miteinander verbunden sind. In Wahrheit sind jedoch die Monaden unserer Lebenswoge, wenn sie zu ihren Vater-Quellen zurückverfolgt werden, nicht alle Abkömmlinge von einem Hierar­chen. Gewisse Monaden sind Abkömmlinge des höchsten Planetengeistes oder des Hierarchen unserer Erd-Planetenkette; andere können zu dem Hierarchen einer der anderen heiligen Planetenketten zurückverfolgt werden.

Die Lebenswoge als Ganzes wandert durch unsere gegenwärtige Erdkette als die kosmische Station, in der wir heute leben und uns entwickeln; aber da wir kosmische Pilger sind, werden wir, wenn die Zeit für uns als Lebenswoge kommt, zu einer anderen der heiligen Planetenketten überzugehen, für lange Äonen im Aurischen Ei des Hierarchen jener Planetenkette leben und wirken. Und so weiter entlang dem Bogen und den ungeheuren Perioden der großen äußeren Runden.

Auf ähnliche Weise, aber in einem kleineren Maßstab, werden wir, solange sich unsere menschliche Lebenswoge auf ihrer evolutionären Wanderschaft auf unserem gegenwärtigen Globus D als Station befindet, unter der schützenden und führenden Obhut des kleineren Hierarchen sein, der unseren Globus D überwacht. Und wenn wir auf die anderen Globen dieser Kette in der regulären Reihenfolge übergehen, werden wir für Millionen und Millionen Jahre auf jeder derartigen Station in dem Aurischen Ei der entsprechenden Hierarchen dieser anderen Globen leben.

Nun einige Worte über die Feststellung, die ich irgendwo gemacht habe, dass wir als Menschen höher evolviert seien als unser Globus D, die Erde. Die Wahrheit ist, dass die spirituellen Teile des Planetengeistes von Globus D in der Evolution höher stehen als die spirituelle Monade aller Menschen; aber wir Menschen als solche stehen höher als unser Globus D, welcher der äußerste Schleier des Planetengeistes unseres Globus ist. Mit anderen Worten, die menschliche Hierarchie stellt eine etwas höher evolvierte Stufe auf der Lebensleiter dar als die, welche von der Erde erreicht wurde, weil wir gegenwärtig die Manifestationen in quasi-astralen, beinahe gelatineartigen Körpern von Lebensatomen eines spirituellen Typs darstellen. Diese Stufe hat der Globus, als eine Wesenheit betrachtet, noch nicht erreicht. Daher repräsentieren die Menschen kollektiv die buddhi-manasische Qualität der Erde.7

Verlorene Seelen und der Pfad linker Hand

Antaskarâna wird jene imaginäre Brücke genannt, der Pfad, der zwischen den göttlichen und den menschlichen Egos liegt, denn während des Menschenlebens sind sie Egos, die wieder zu einem Ego im Dêvâchân oder Nirvâna werden. Dies mag schwer zu verstehen sein, aber in Wirklichkeit wird es mit Hilfe eines vertrauten, wenn auch ungewöhnlichen Beispiels, ganz leicht. Wir wollen uns eine helle Lampe in der Mitte eines Zimmers vorstellen, die ihr Licht auf die Wand wirft. Die Lampe soll das göttliche Ego darstellen, und das auf die Wand geworfene Licht das niedere Manas, und die Wand soll für den Körper stehen. Der Teil der Atmosphäre, der den Strahl von der Lampe zur Wand überträgt, stellt dann das Antaskarâna dar. Ferner müssen wir uns vorstellen, dass das so auf die Wand geworfene Licht mit Vernunft und Intelligenz begabt ist. Darüber hinaus besitzt es die Fähigkeit, alle üblen Schatten, die über die Wand huschen, zu zerstreuen und alle Helligkeit auf sich zu lenken, wobei es seine unauslöschlichen Eindrücke empfängt. Nun, es liegt in der Macht des mensch­lichen Ego, die Schatten oder Sünden wegzujagen und die Helligkeit oder die guten Taten zu mehren, die diese Eindrücke ausmachen, und auf diese Weise durch Antaskarâna seine eigene dauerhafte Verbindung und seine schließliche Wiedervereinigung mit dem göttlichen Ego sicherzustellen. Denken wir daran, dass Letzteres nicht stattfinden kann, solange noch eine einzige Spur von Irdischem oder von Materie in der Reinheit jenes Lichts verbleibt. Andererseits kann die Verbindung nicht vollständig abgebrochen und die endgültige Wiedervereinigung verhindert werden, solange noch eine spirituelle Tat oder die Möglichkeit hierzu bleibt, um als Verbindungsschnur zu dienen. Aber in dem Moment, in dem der letzte Funken ausgelöscht und die letzte Möglichkeit erschöpft ist, kommt die Trennung.

HPBs E. S. Instructions, III

Wenn wir die Schriften von HPB studieren, müssen wir uns daran erinnern, dass sie häufig Worte und Sätze erfinden musste, die annähernd die sehr mystischen Ausdrücke der Geheimsprache und anderer alter orientalischer Sprachen auszudrücken vermochten, in die die Lehren der esoterischen Philosophie gekleidet waren. Sie selbst erklärt die Schwierigkeiten, die Menschen ihrer Zeit zu lehren, die weder die geringste Vorstellung von der siebenfachen Natur des Menschen noch von den Bedingungen nach dem Tod hatten. Es gab damals keine Worte oder Ausdrücke, mit denen beschrieben werden konnte, was jahrtausendelang typische Lehren des Allerheiligsten gewesen waren.

Zum Beispiel wurden die beiden ganz verschiedenen Typen von Wesenheiten, die „verlorenen Seelen“ und die „seelenlosen Menschen“, in HPBs Beschreibungen der unterschiedlichen Schicksale mehr oder weniger miteinander verschmolzen, die sich für die Menschen ergaben, die dem Pfad zur linken Hand folgten. Und sehr oft bezog sie sich auf beide Kategorien unter den alles enthaltenden Ausdrucksweisen „seelenlose Person“ und „zweiter Tod“.

Verlorene Seelen sind jene Menschen, die über eine Reihe von Leben, in denen sie meist ununterbrochen böse lebten, und aufgrund eines Mangels an Hinwendung zu ihrem inneren Gott so schwer in die niedrige Vierheit mit ihren intensiven und unaufhörlichen Anziehungen zur absoluten Materie verwickelt wurden, dass das „Bindeglied“ oder das Antaḥkaraṇa, welches den persönlichen Menschen mit dem spirituellen Menschen verbindet, zerrissen worden ist. Dabei wird die spirituelle Monade befreit und das persönliche Ego relativ vollständig eingehüllt in den Energien und Substanzen der Materie zurückgelassen. Folglich sind verlorene Seelen Menschen, die von ihrer höheren Natur getrennt sind.

Seelenlose Menschen dagegen sind noch siebenfältige menschliche Wesen, in denen die spirituelle Natur nur schwach oder nur gelegentlich aktiv ist. Sie werden nicht durch das aus der spirituellen Seele fließende spirituelle Leben beseelt. Seelenlose Menschen sind äußerst alltäglich, denn sie umfassen all jene, die ihr Leben fast nur in den Emotionen und Gedanken der bloßen Persönlichkeit, in deren Launen, Wünschen, beschränkten Anschauungen und Egoismen verbringen. Dies heißt natürlich nicht, dass sie keine Seele haben, sondern nur, dass die spirituelle Seele in ihnen nicht richtig und dauerhaft funktioniert, weil das innere Sehnen fehlt.

Eine fortgesetzte Reihe von Lebenszeiten eines solchen „seelenlosen“ Lebens kann und wird sehr wahrscheinlich in dem schrecklichen Schicksal des Verlustes der Seele enden. Denn wenn die spirituelle Seele in ihrer Reihenfolge von Persönlichkeiten keine taugliche Wohnstatt findet und wenn die Persönlichkeiten keine Anziehung zum Geistigen haben, wird das Antaḥ­karaṇa reißen und das hat eine verlorene Seele zur Folge. Daraus erkennen wir, warum es so notwendig ist, die höhere Natur durch unser Verlangen nach ihr zu kultivieren und das Leben in Übereinstimmung mit den aus dem Inneren erhaltenen Geboten zu leben und auch keinen Tag ohne inneres spirituelles Sehnen vorübergehen zu lassen. Das tägliche Streben, ein immer besseres und zunehmend höheres Leben zu leben, ist wahrer Yoga, und man wird schließlich etwas beseelter sein. Wahrlich, Chelaschaft ist gerade dies und nichts anderes. Chelas sind seelenvoller als die Durchschnittsmenschen. Mahatmas sind seelenvoller als ihre Chelas und die Buddhas noch mehr als die Mahatmas. Wenn ein Mensch eine voll entwickelte Seele hat, dann ist er ein inkarnierter Gott.

Nun, das Schicksal jener Menschen, die verlorene Seelen geworden sind, ist jenseits jeder Beschreibung. Außer der furchtbaren inneren Pein, die sie erleiden, überwältigt sie mentale Qual und psychischer Schmerz und Schrecken. Sie können dadurch wahrhaftige menschliche Teufel werden, die ihren Mitmenschen Übles antun und sich aufgrund ihrer eigenen Hoffnungslosigkeit daran erfreuen. Mittlerweile eilen sie mit wachsender Geschwindigkeit mit jeder neuen Wiederverkörperung abwärts und werden schließlich in den Höllenschlund oder den Todesplaneten hinabgezogen. Sie versinken darin, verlassen den Anziehungsbereich der Erde und man sieht und hört nichts mehr von ihnen. Weil sie Fehlschläge sind, ist ihr Schicksal, als menschliche „Rückstände“ im Höllenschlund aufgelöst und in diesem Laboratorium der Natur restlos zermahlen zu werden.

Anderswo wurde gesagt, dass nach menschlichem Ermessen die Astralmonade derart degenerieren kann, dass sie von den niedrigeren Naturreichen angezogen wird. Und da wir gerade gesagt haben, dass die verlorene Seele in den Strom des Verderbens eintritt, der sie zum Höllenschlund trägt, so fragt man sich, was eigentlich zum Todesplaneten geht, wenn die Astralmonade zuerst in den Körpern des Tierreiches, dann in der Pflanzenwelt und endlich im Mineralreich verschwindet?

Die Antwort hierzu liegt in der Tatsache, dass der Mensch aus einer Gruppe von Monaden zusammengesetzt ist. Jede von ihnen folgt ihrem eigenen Weg durch die Zeiten; und wenn die karmische Bestimmung schwer auf eines dieser monadischen Zentren fällt, erhebt oder neigt sich daher das Zentrum zu der Sphäre, von der es angezogen wird. Wir dürfen die astral-vitale Monade des Menschen nicht mit der menschlichen Monade verwechseln. Wenn wir von einer verlorenen Seele sprechen, meinen wir eine menschliche Seele, die menschliche Monade. Nach dem Tod hat die Astralmonade ihr eigenes Schicksal, die menschliche Monade hat ihr devachanisches Zwischenspiel, die spirituelle Monade unternimmt ihre Wanderungen durch die Sphären und die göttliche Monade tritt wieder in den Schoß der Gottheit ein. Das, was zur Achten Sphäre oder zum Todesplaneten, manchmal Māra genannt, geht, ist die degenerierte verlorene menschliche Seele. Die vital-astrale Seele, die auf diese Weise nicht nur von ihrem spirituellen Teil, sondern auch von ihrem menschlichen Seelenteil verlassen wurde, betritt das Tier- und das Pflanzenreich. Sie muss dies tun. Sie kann sich nicht erheben, denn das Band zum Höheren ist zerrissen worden. Sie ist ein herrenloses Gut und treibt wie ein Stück Strandgut im Astrallicht und strebt naturgemäß nach den Sphären, zu denen sie am stärksten hingezogen wird.

Erinnern wir uns, dass die Monade am Beginn einer Welt aus sich einen Strahl projiziert. Sie tut dies, weil das Karma eines vergangenen Universums sie dazu zwingt, wieder alle karmischen Samen, die sie in sich trägt, zu manifestieren. Dieser Strahl macht vielgestaltige und mannigfache Erfahrungen in der Materie und baut langsam im Laufe der Zeitalter ein Ego auf. Und sollte dieses Ego – das seinem monadischen Elter entsprungen ist und folglich seine elterlichen Qualitäten besitzt – den Pfad zur linken Hand wählen, dann beginnt es, zu der Sphäre der absoluten Materie und des spirituellen Todes „abzusteigen“. Dies bedeutet, dass – wenn ein Schwarzmagier die Achte Sphäre erreicht – der verbleibende schwache Schimmer des monadischen Strahls zurückgezogen worden ist. Es bleibt nichts als eine Seelenhülse zurück, die in ihre Einzelatome zerfällt, Atome, die mit der Schnelligkeit eines Blitzes in den Schoß der Natur zurückgezogen werden, sobald der letzte flackernde Schimmer des monadischen Strahls entflohen ist. Dieser mona­dische Strahl wird in sein monadisches Elter zurückgezogen und verharrt dort in seinem Nirvāṇa für viele, viele Äonen.

Mittlerweile sendet die Monade einen anderen Strahl aus. Was einmal wirklich war, ist nicht vernichtet. Aber das evolutionäre Werk muss in jeder Hinsicht nochmals ausgeführt werden. Ein neues Ego muss aufgebaut werden. Neue Wanderungen und Transmigrationen durch die niederen Reiche der Natur müssen folgen, ehe ein neues Ego, ein geeigneter Tempel für die monadische Gottheit, abermals entwickelt worden ist.

Obwohl das Antaḥkaraṇa zerbrochen worden ist, gibt es auch für die verlorenen Seelen noch eine Chance für eine Wiedervereinigung mit dem inneren Gott. Diese Chance besteht wenigstens am Anfang und ehe der Abstand zwischen dem inneren Gott und der Persönlichkeit zu groß geworden ist. Sogar ein einziger verzweifelter spiritueller Gedanke oder ein einziges verzweifeltes Sehnen reicht aus, um die getrennten Teile der menschlichen Konstitution wieder zueinanderzuziehen und so glücklicherweise die wiedervereinigte höhere Triade und die niedere Vierheit zu befähigen, wieder die volle siebenfache Wesenheit zu werden. Sollte eine derartige Wiedervereinigung stattfinden, so kann sie dauerhaft werden, vorausgesetzt, der persönliche Mensch verknüpft von nun an die höheren persönlichen Aspekte durch intensives Aufwärtsstreben immer enger mit dem Gewebe seines höheren Wesens. Sollte sich jedoch letztlich die niedere Natur als die stärkere erweisen, dann findet die Trennung wieder statt, wobei eine Wiedervereinigung dann noch weniger möglich ist als zuvor.

Alle archaischen Schriften und philosophischen Schulen geben Hinweise auf Wesen auf spirituellen Ebenen, die Zentren und Mitarbeiter des Bösen sind. In den spirituellen Bereichen gibt es Wesen, die ausgesprochen böse sind, weil sie durch ihre Anziehungskräfte in niedrigere Regionen fallen oder dorthin absteigen. In gewissen Fällen sind sie eine ausgesprochen böse Kraft und besitzen möglicherweise sogar eine solche Kraft in großem Ausmaß. Diese finstere und schreckliche Tatsache der Natur war im Christentum die Grundlage für die abergläubische Legende über „böse Engel“ oder „Wesen spiritueller Verruchtheit“.

Viele konnten sich nur schwer an die Vorstellung gewöhnen, dass eine Wesenheit spirituell und gleichzeitig böse sein kann. Wie schon früher gesagt, Gut und Böse sind keine Dinge an sich, sie sind vielmehr relative Bedingungen oder Lebensweisen, die von den Wesenheiten geschaffen werden oder denen Wesenheiten folgen und in denen diese Wesenheiten in der Folge leben. Folglich kann eine spirituelle oder quasi-spirituelle Wesenheit als spirituell böse betrachtet werden, weil sie in spirituellen Reichen zwar eine bestimmte evolutionäre Stufe erreicht hat, aber ihren Instinkt für Harmonie, Altruismus etc. den Anziehungen des unteren Pols dieser Reiche überlassen hat. Damit erzeugte sie Disharmonie, Egoismus und Selbstsucht. Jedes Wesen oder jede Wesenheit auf jeder Ebene, deren Neigungen zum unteren Pol hin gerichtet sind, ist in ihrer eigenen Umwelt „böse“ und kann daher ähnlich „böse“ auf andere wirken. Jede Ebene oder Welt des Universums hat ihre oberen und unteren Pole, die Lichtseite und die Nachtseite der Natur.

Speziell auf Menschen angewandt gibt es zwei Arten von Übeltaten: Die einen werden durch gewöhnliche Charakterschwäche verursacht; die anderen werden freiwillig gewählt, wobei das Böse ein blumiger Pfad zu sein scheint; die Früchte des eigennützigen Sieges erscheinen wertvoller, als mit den Göttern zu wandern. Dies ist der Pfad der Brüder des Schattens. Die Richtung unserer Wahl und unseres Willens bestimmt, ob wir ein schwarzer oder ein weißer Magier werden. Es spielt keine Rolle, welche Stufe des Fortschritts wir erreicht haben mögen: Wenn unsere Richtung nach „links“ gerichtet ist, gehören wir zu den finsteren Kräften; und wenn unsere Wahl nach „rechts“ gerichtet ist, gehören wir zu den Mächten der Sonne. Die Trennungslinie ist diese: Wenn wir für uns arbeiten und leben, befinden wir uns auf dem Pfad linker Hand; wenn wir unpersönlich für alle(s) wirken, sind wir auf dem Pfad rechter Hand.

Wenn ein Mensch vorsätzlich den Pfad der Schatten gewählt hat, bedeutet das, dass er mit jedem Tag versucht, einen weiteren Teil des schwachen Schimmers des inneren Geistes auszuschalten. Er ist davon wie besessen. Es ist spiritueller Selbstmord; geradeso wie im Fall von irgendwelchen anderen Besessenen; er weiß, was er tut, und doch will er dies tun.

Es gibt gewisse Menschen, die zwar korrupt genug sind, in der Welt Übles tun zu wollen und andere zu verführen, und die daran Gefallen finden, einen Mitmenschen fallen und leiden zu sehen. Dennoch empfinden sie einen inneren Funken der Freude, wenn der so Geprüfte sich weigert, zu unterliegen. Dies ist eine der eigenartigen psychologischen Widersprüchlichkeiten des menschlichen Charakters. Es gibt tatsächlich Wesen, die einen schrecklichen Spaß daran finden, anderen Leid zuzufügen; doch während sie dies tun, haben sie dennoch Gewissensbisse und möchten, dass der Gequälte und Geprüfte umkehrt, sich aufrafft und Widerstand leistet. Unter den Brüdern des Schattens gibt es genauso viele Grade und Arten wie unter den Brüdern des Lichts. Es befinden sich tatsächlich Menschen unter uns, die, ihnen selbst unbewusst, Brüder des Schattens sind! Sie haben keine dauerhaft edlen Gedanken, die ihre Seele erfüllen, und wenige selbstlose Impulse, die ihre Herzen berühren. Daher sagt man von ihnen, dass sie im Schatten leben. Dann gibt es noch andere Brüder des Schattens, die sich dazu bekennen und den Weg des Übeltuns, die dunkle Weisheit des Materiellen, wissentlich gewählt haben.

Wir sollten uns daran erinnern, dass die Brüder des Schattens, soweit die spirituellen Prinzipien oder Fähigkeiten betroffen sind, keinerlei Macht über einen geistig normalen oder über einen geisteskranken Menschen haben. Ihr Wirken besteht in der Verführung: Ein Mensch wird von innen her zu Fall gebracht. Das ist das Geheimnis. Die Scharen des Lichts zügeln und kontrollieren die Scharen des Schattens, obwohl erstere sich niemals in das Schicksal der Letzteren einmischen, so seltsam dies auch klingen mag. Die Brüder des Schattens haben dagegen keine Macht über die Söhne des Lichts, sie empfangen vielmehr ihr ganzes Leben von den Scharen des Lichts, das sie nutzen und missbrauchen.

Die Brüder des Schattens, die freiwillig das Böse gewählt haben, sind unsere schlimmsten Feinde. Sie sind häufig Männer und Frauen von charmanter Persönlichkeit, scheinbar liebevoll und selbstlos; manchmal scheinen sie ergebene Freunde zu sein. Würden sie abstoßend auf uns wirken, würde sich ihr übles Werk der Zerstörung und des Elends, das sie über die Rasse bringen, selbst vernichten. Sie haben Erfolg durch List und Tücke, durch Versuchungen und niemals durch abstoßendes und schreckliches Verhalten, denn das Böse hat manchmal nur aufgrund seiner vorgetäuschten Reize Erfolg.

Die Menschen begehen keine Fehler durch das Wirken anderer; sie fehlen aus sich selbst. Die Brüder des Schattens wirken durch Versuchung, durch mentale Bilder, durch Suggestion, durch das Zitieren von Schriften, durch den Appell an die Eitelkeit ihrer Opfer, als ob sie durch die höheren Tugenden gerechtfertigt wären, durch Ausnützen ihrer Selbstsucht und durch Anstacheln übler Leidenschaften. Unkenntnis ist kein ausreichender Schutz. Erlange Wissen, suche nach Weisheit; stärke das Herz durch Liebe und lerne vergeben – nichts trägt so rasch dazu bei, das Übel zu mindern, wie diesen alten Regeln zu vertrauen und zu folgen. Die Methoden der Schwarzmagier variieren und die Brüder des Schattens nehmen viele Grade und Stufen ein. Sie reichen von hohen und teuflisch erleuchteten Wesen „spiritueller Verruchtheit“ bis hinab zu ihren Opfern, die gefangen sind, weil sie die Gefahren, in die sie liefen, nicht erkannten.

Das Schicksal der unglücklichen Brüder des Schattens ist Vernichtung, denn sie haben ihren Willen gegen den evolutionären Strom gerichtet, der aus dem Herzen der Natur quillt und durch jedes Atom fließt. Die Struktur ihrer Eigenpersönlichkeit ist daher am Ende verschlissen. Aber vor diesem End­stadium der Vernichtung werden sie von den Strömen der Natur in die Strudel dichter Materie, die Tore von Tartarus oder Avīci, hinweggefegt.

Das Schicksal der Söhne der Sonne, der Brüder des Lichts, ist am Ende selbstbewusst verwirklichte Göttlichkeit: eine Erweiterung des Selbst zu erhabener, unpersönlicher Individualität, sobald das Persönliche zum Unpersön­lichen wird, wenn der Schimmer eines Binsenlichts zum Glanz der Sonne wird. Die Bestimmung der weißen Magier ist es, Mitarbeiter der ewig währenden Naturgesetze zu werden; und diese Gesetze sind die Einflüsse auf dieser Ebene des Wirkens nach dem Willen der Götter, die das kosmische Bewusstsein reflektieren.

In der theosophischen Literatur wird häufig auf den „Augenblick der Wahl“ hingewiesen, besonders auf den, der in der Mitte der fünften Runde stattfinden wird. Ein ähnlicher Augenblick der Wahl in der Mitte der vierten Runde fand vor Zeitaltern in der Mitte der vierten oder atlantischen Wurzelrasse statt.

In der fünften Runde wird Manas seine besondere Evolution erfahren. Dann wird eine Zeit kommen, in der die evolvierenden Rassen eine Stufe erreichen, wo sie zwei gegensätzlichen Anziehungen während ihres manasischen Höhepunkts ausgesetzt sind: der Anziehung der höheren spirituellen Natur und dem entgegengesetzten Zug zur Materie. Dies wird, soweit dieser Globus D betroffen ist, in der Mitte der vierten Unterrasse der vierten Wurzelrasse der fünften Runde geschehen. Dort wird es dann zur entscheidenden Wahl der evolvierenden Egos kommen. Wenn sie die Anziehungen des unteren Pols, zur absoluten Materie, zu stark empfinden, werden sie im schlimmsten Fall zum Höllenschlund hinabgezogen; oder wenn der Sog weniger stark ist, werden sie in äußerste geistige Vergessenheit geraten und müssen auf ihre zukünftige Evolution bis zu einer neuen Verkörperung unserer Kette warten. Wenn aber im Gegensatz dazu der Geist über die Materie siegt, werden die evolvierenden Egos das Bindeglied mit der spirituellen Seele in ihnen ungebrochen erhalten und dadurch in der Lage sein, zur nachfolgenden sechsten und siebten Runde weiterzugehen. Sie werden den Gipfel des gegenwärtigen Ketten-Manvantara als Dhyāni-Chohans, als verkörperte menschliche Buddhas mit dem Licht Ātmans, des inneren Gottes, das in und durch sie scheint, erreichen.

Dieser Augenblick der Wahl ist nicht etwas, was plötzlich und unerwartet auf uns zukommen wird, wenn wir Fünftrunder sind, es ist vielmehr ein „Augenblick“ der bereits seit Äonen, schon seit der vierten Runde, vorbereitet wird. Es stimmt, dass wir jetzt unseren Charakter geeignet oder ungeeignet machen, um im Augenblick der Wahl, wenn er auf uns zukommt, sicher zu sein – und er wird unweigerlich kommen.

Okkulte Physiologie

Wahres Wissen kommt vom Geist und ist allein im Geist vorhanden und kann auf keine andere Weise erlangt werden außer durch den Bereich des höheren Verstandes, der einzigen Ebene, von der aus wir die Tiefen der alles durchdringenden Absolutheit ergründen können. … Sobald es dem Menschen gelingt, durch Unterdrückung, wenn nicht durch Zerstörung seiner Selbstsucht und Persönlichkeit sich selbst zu erkennen, was er hinter dem Schleier der physischen Mâyâ ist, wird er alle Not, alles Elend und alle aufreibende und zermürbende Veränderung, die der Haupturheber der Not ist, überwunden haben. … Dies alles kann durch die Entwicklung selbstloser universaler Liebe für die Menschheit und die Unterdrückung der Persönlichkeit oder der Selbstsucht, die die Ursache aller Sünden und konsequenterweise aller menschlicher Sorgen ist, erreicht werden.

HPBs E. S. Instructions, I

Nur mit großer Zurückhaltung befasse ich mich mit okkulter Physiologie, nicht weil Wissen irgendwelcher Art falsch ist, sondern wegen der großen wirklichen Gefahr des Missbrauchs der Lehren, die den menschlichen Körper und seine verschiedenen Organe, Chakras, ḍīs etc. betreffen. Gerade diese relativ unbedeutenden Tatsachen der okkulten Physiologie scheinen eine Art psychischer Faszination auf die verkehrten Ansichten einiger Leute auszuüben, als ob sich die wirklich erhabenen Lehren der esoterischen Philosophie hauptsächlich mit dem Körper, seinen Funktionen und Organen beschäftigen würden. Tatsache ist, dass diese Lehren den Körper fast völlig ignorieren, denn für sie ist er lediglich ein zeitweiliger oder māyāvischer Träger der höheren Attribute des wahren Menschen.

Nicht nur im Westen ist dieses starke Verlangen verbreitet, Wissen über die Geheimnisse des menschlichen Gehäuses zu erhalten, denn seit sehr langer Zeit hat sich auch die breite Masse des Ostens, wie z. B. in Indien und China, ebenso stark bemüht, Kräfte, eigene Vorteile und Möglichkeiten des Einflusses auf andere zu erlangen. Es gibt allzu viele, die die Geheimnisse dieser verschiedenen Nāḍīs, Chakras oder Kräftezentren der Ganglien für egoistische Ziele erfahren möchten. Und nicht wenige möchten Kenntnisse zur Kräftigung des Körpers oder Stimulierung gewisser Organe erlangen, sodass ein derartiges Wissen sofort missbraucht oder vielleicht sogar für üble und seelenzerstörende Zwecke erniedrigt werden kann.

Ist es daher ein Wunder, dass alle großen Lehrer seit unvorstellbarer Zeit ihre Chelas oder Schüler gelehrt haben, ihre volle Aufmerksamkeit auf die wirklich großen Kräfte und Funktionen der spirituellen, intellektuellen und höheren psychischen Teile der menschlichen Konstitution zu konzentrieren?

In Indien sind wegen des Alters der bedeutenden philosophischen Lehren diese Wahrheiten weit besser bekannt als im Westen, aber die meisten der orien­talischen Länder sind geradezu mit den Praktiken eines Quasi-Okkultismus überschwemmt, dessen Verfechter in Indien die niederen Klassen der Yogis oder Fakire sind. Fast ihr ganzes Leben wird dem Studium und der Ausführung dieser wohldurchdachten Regeln für die psychophysische Entwicklung gewidmet, die sowohl im Hatha-Yoga als auch in den häufig schändlichen tantrischen Schriften enthalten sind. In Indien werden jedoch die Gefahren dieser Praktiken von den gebildeten Menschen und jenen, die in den edleren Zweigen des philosophischen Denkens geübt sind, mehr oder weniger richtig eingeschätzt, wogegen im Westen nur wenig, wenn überhaupt solch schützendes Wissen vorhanden ist.

Jeder Versuch, auf seinen eigenen Körper das anzuwenden, was man in diesen exoterischen Tāntrika- oder Hatha-Yoga-Werken lesen kann, zum Beispiel durch Atemübungen oder auf andere Weise geheime Kräfte zu erwecken oder den Körper in für gewöhnlich unerlaubte Richtungen zu stimulieren, ist voll von schwerwiegenden Gefahren. Man geht nicht nur das Risiko ein, die physische Gesundheit oder die physischen Kräfte, sondern möglicherweise auch den Verstand zu verlieren. Lungentuberkulose ist eines der üblichen Ergebnisse einer solchen Stümperei. Und dabei ist es noch eines der am wenigsten gefährlichen, denn es gibt andere weit ernsthaftere, wie Krebs, der leicht aus einer Störung des Gleichgewichts der Prāṇas kommen kann, wenn man versucht, das eine oder andere der Chakras zu einer abnormalen Aktivität zu erwecken.

Die Aufmerksamkeit sollte nicht auf den Körper und seine Organe gerichtet, sondern auf die höhere Natur konzentriert werden, wo der Mensch durch Sehnsucht und spirituelles Streben seine geistig-intellektuellen und höheren psychischen Fähigkeiten erwecken kann. Diese liegen bei den meisten Menschen von der Geburt bis zum Tod brach – teils wegen Unkenntnis ihrer Existenz und teils wegen innerer Trägheit, die die meisten nicht überwinden wollen. Als Konsequenz dieser Beobachtungen sollte versucht werden, eine erhabenere Vorstellung von dem, was unser Körper ist, zu bekommen: ein wunderbarer psychophysischer Mechanismus, ein Instrument der inneren spiri­tuellen Monade.

Der menschliche Körper kann als ein Mikrokosmos betrachtet werden, der jede Kraft, Eigenschaft oder Energie des Sonnensystems enthält. Mit anderen Worten, alle sieben (oder zwölf) logoischen Kräfte, die ursprünglich aus der Sonne emanieren und in und durch die verschiedenen heiligen Planeten gehen, werden auf uns als Menschen und direkt zum physischen Körper übertragen. Daher besitzt jede dieser solaren logoischen Kräfte ihren entsprechenden Brennpunkt oder ihr entsprechendes Organ im menschlichen Körper, und diese Organe sind die Chakras.

Es gibt eine ganze Wissenschaft über die Chakras, aber sie wird hauptsächlich von den Schwarzmagiern oder von jenen studiert, die unbewusst danach streben, solche zu werden, weil sie „Kräfte“ gewinnen wollen. Selbst den Chelas ist es nicht erlaubt, durch Konzentration auf die Chakras deren Kräfte zu entwickeln. Tatsächlich sind die meisten Chelas nicht an diesen Nerven­zentren interessiert, viele von ihnen kennen nicht einmal deren Namen. Da sie evolvierte Menschen geworden sind, benutzen sie lediglich die durch die Chakras fließenden Kräfte, genauso wie wir unser Gehirn und unseren Willen benutzen, obwohl die meisten Menschen nicht wissen, welcher Teil des Gehirns das Organ des höchsten Teils ist. Die meisten Menschen wissen nicht, durch welchen Teil des Körpers die spirituellen Einflüsse fließen, und doch benutzen wir sie. Dies ist der Rāja-Yoga, Jñāna-Yoga, königliche Vereinigung, Vereinigung durch Weisheit.

Die Kräfte, die wir brauchen, werden wir dadurch erwerben, dass wir das Leben leben. Die Kräfte, nach denen die unglücklichen Hatha-Yoga-Sucher verlangen und die sie gelegentlich in kleinem Ausmaß auch erhalten, schaden fast immer moralisch ihrer Natur und ihrer psychischen und physischen Konstitution, weil sie diese Kräfte erlangt haben, ehe sie fähig sind, diese zu beherrschen. Der Weg des Jñāna-Yoga und des Rāja-Yoga ist der Weg eines Menschen, der rechtmäßig durch die spirituelle Gottheit in ihm ein König ist.

In den meisten exoterischen Hindu-Schriften werden gewöhnlich sechs Chakras genannt und die entsprechenden Stellen, wo sie liegen. Diese sind die Ganglien oder Brennpunkte, in denen sechs der verschiedenen Prāṇas ihr Aktivitätszentrum haben und an Volumen zunehmen, jeder in seinem eigenen Chakra. Nicht nur die Namen dieser Chakras variieren, sondern auch ihre entsprechenden Positionen im Körper werden nicht immer einheitlich angegeben. Außerdem wird in den meisten Fällen das siebente ganz übergangen; in einem gewissen Sinne ist es jedoch das wichtigste von allen.

Es folgt eine Liste der sieben Chakras in einer etwas anderen und korrekteren Form mit einer Übersetzung der Sanskrit-Namen:

1. Mūlādhāra: „Wurzel-Träger“; die Bereiche rund um das Schambein, einschließlich der Fortpflanzungsorgane. Unter der Herrschaft des Planeten Saturn.

2. Svādhishṭhāna: „eigener Sitz oder eigene Basis“; der allgemeine Nabelbereich. Unter Mars.

3. Maṇi-Pūra: „Juwel-Strom“; der Bereich der Magengrube; der Solar­plexus. Unter Jupiter.

4. Anāhata: „Individuum, Einzelner“ das Herz und sein Bereich, beeinflusst stark die Lungen. Unter Venus.

5. Viśuddhi: „vollständige Reinheit oder Klarheit“; der Bereich der Stirn zwischen den Augen, einschließlich der Sehorgane und -nerven. Unter Merkur.

6. Agni oder Agnīya: „Feuer oder feurig“; die Hypophyse im Kopf. Unter dem Mond.

7. Sahasrāra: „tausendfältig oder tausendblättrig“; die Zirbeldrüse im Kopf. Unter der Herrschaft der Sonne.

Wie gesagt, diese Liste unterscheidet sich etwas von der, die in der Regel angegeben wird. Zum Beispiel wird von Anāhata gelegentlich behauptet, dass es im Hals oder im Genick (wie beim Udāna unter den Prāṇas) liegt, ein andermal in der Nasenwurzel und wiederum, wie oben gesagt, im Bereich des Herzens. Des weiteren wird die Lage des Maṇi-Pūra und des Svādhishṭhāna häufig von verschiedenen Schreibern vertauscht, was den Mangel an Kenntnis sogar in den Tāntrika-Schriften über die wirkliche Lage einiger dieser Chakras und sogar ihrer Namen beweist. Agni oder das sechste Chakra wird manchmal Ājñākhya genannt, und es heißt, dass es den Bereich der Fontanelle einnimmt. Das Wort bedeutet „beherrschend oder geneigt“, eine klare Beschreibung der okkulten Funktion der Hypophyse.

Wie bereits erklärt, sind diese sieben Chakras die Brennpunkte, Knoten oder Kondensationen der sieben unterschiedlich funktionierenden Prāṇas oder Lebensströme im menschlichen physischen Träger, wobei jeder Prāṇa sein entsprechendes Chakra besitzt. Obwohl nur fünf Prāṇas und sechs Cha­kras exoterisch benannt werden, gibt es in Wahrheit zehn oder zwölf Prāṇas in der Konstitution des Menschen. Sie finden ihre entsprechenden Ausdrucksmittel oder funktionellen Organe an zehn oder zwölf Stellen im menschlichen Körper.

Wir sollten daran denken, dass jedes Chakra einen Brennpunkt für einen der Sonnen-Logoi darstellt, während diese logoische Kraft durch ihren planetarischen Übermittler zum menschlichen physischen Träger wandert. Im exoterischen Hinduismus werden diese Kräfte häufig Strahlen genannt; zum Beispiel bezieht sich Sushumnā auf einen der sieben Hauptstrahlen, d. h. logoischen Energien der Sonne. Dieser Strahl hat seinen Sitz oder Brennpunkt der Aktivität im Rückenmark. Er ist in dem Chakra Mūlādhāra am untersten Teil des Körpers verwurzelt und läuft aufwärts entlang des röhrenförmigen Hohlraums der Wirbelsäule und endet im Gehirn, genauer: in dem darin enthaltenen Chakra Sahasrāra oder der Zirbeldrüse.

Auf jeder Seite der Zentralröhre des Rückenmarks liegen Iḍā (in der vedischen Literatur Ilā genannt, die Gemahlin von Budha, dem Gott der Weisheit) und Piṅgala. Hinduistische Schriftsteller sind sich in Bezug auf die entsprechenden Lagen von Iḍā und Piṅgala nicht einig, weil viele Piṅgala rechts und andere links von Sushumnā unterbringen. Alle drei werden Nāḍīs genannt, ein Sanskrit-Wort, das ein röhrenförmiges Gefäß bezeichnet. Die Bedeutung von Piṅgala ist „rötlich“, und Iḍā bedeutet „Erfrischung“, die höhere vitale und stimulierende spirituelle Essenz, wogegen Sushumnā die Sonnenenergie, modifiziert durch Mondeinflüsse, darstellt.

Daher sind die Wirbelsäule und der begleitende Sushumnā in seinem röh­ren­förmigen Gefäß gemeinsam mit Piṅgala und Iḍā die Hauptkanäle des psychovitalen organischen Systems des Körpers. Mit ihnen sind alle Chakras sowohl durch das sympathische Nervensystem und die anderen Nervensysteme als auch durch die Blutgefäße innig verbunden. Im Okkultismus ist die Wirbelsäule nicht nur ein Organ, sondern sie übt in Wahrheit eine dreifache Funktion aus. Sie stellt die Grundlage der prāṇischen Lebenskraft des Körpers dar und wird durch den Kāma der Piṅgala angetrieben und mehr oder weniger von den höheren manasischen oder richtungweisenden Eigenschaften von Iḍā beherrscht. Aus diesem Grund kann der Adept mit seinem Willen und mit seinem großen Wissen diese verschiedenen Nāḍīs benutzen. Es kann hier hinzugefügt werden, dass die „Seele“ den Körper beim Tod durch das Brah­marandhra am Scheitel des Kopfes verlässt. Der Kopf befindet sich in inniger Verbindung mit den drei röhrenförmigen Gefäßen der Wirbelsäule und daher mit Sahasrāra und Ājñā. Diese zwei Chakras sind die Zirbeldrüse beziehungsweise die Hypophyse.

Aufgrund der ungeheuren Aktivität dieser drei Nāḍīs der Wirbelsäule und der großen Rolle, die sie im organischen System des physischen Körpers spielen, sind sie dazu bestimmt, sich in den Menschen der fernen Zukunft als doppelte Wirbelsäule zu manifestieren, denn dann werden sich Iḍā und Piṅgala zu knorpeligen oder halb-knochigen Strukturen entwickelt haben, d. h. zu zwei Wirbelsäulen, verbunden durch die zentrale Nāḍī oder Sushumnā, die jetzt von den Wirbelknochen der Wirbelsäule umgeben sind.

Außerdem sind die körperlichen Chakras die Erweiterungen oder Repräsentanten ihrer entsprechenden Hauptbrennpunkte oder „Wurzeln“ im Gehirn und seinen verschiedenen Arealen im Groß- und Kleinhirn. Das ist auch HPBs Meinung, wenn sie sagt: „Unsere sieben Chakras befinden sich alle im Kopf, und diese Meister-Chakras beherrschen und leiten die sieben (denn es gibt sieben) Hauptnervengeflechte im Körper und außerdem die zweiundvierzig kleineren, die von der Physiologie nicht anerkannt werden.“8

Sowohl jede Arterie und jede Vene als auch jede kleinste Kapillare im menschlichen Körper können als Nāḍīs des Bluts bezeichnet werden. Aus diesem Grund wird in gewissen exoterischen Werken der Tāntrika- oder Hatha-Yoga-Physiologie ihre Zahl mit 72 000 angegeben, was genau stimmen kann oder auch nicht, was sich aber in Wirklichkeit auf jede Art von „röhrenförmigem Gefäß“ oder Nāḍīs im menschlichen Körper bezieht.

Das Blut eines Menschen oder eines Tieres oder auch der Saft der Pflanzen stellt ein Depot der prāṇischen Lebenskraft dar, die durch den physischen Körper flutet und aus den verschiedenen Quellen der sieben (oder zehn oder zwölf) Prāṇas im Aurischen Ei ausströmt. Folglich ist das Blut wirklich die Verdichtung der Prāṇas; wohingegen wir die Nervenströme die verdichteten psychomentalen Lebensströme der höheren Teile des Aurischen Eies nennen können, die sich auf den astralen und physischen Ebenen zum Ausdruck bringen.

Es besteht ein beständiger, unaufhörlicher Austausch und eine ebensolche Wechselwirkung etherischer Substanzen und Kräfte zwischen Iḍā und Piṅgala sowie zwischen diesen beiden und Sushumnā, und durch diese Letzteren wiederum mit allen anderen Chakras und Nāḍīs, was so viel heißt wie mit den sympathischen und/oder nervlichen Systemen im Körper und auch seiner netzartigen Struktur der Blutgefäße.

Da der weitaus größere Teil dieser Hindu-Schriften in der einen oder anderen Weise durch das Tāntrika-Denken stark beeinflusst ist, betone ich nochmals ausdrücklich die Warnung, die Chakras und ihre entsprechenden Prāṇas in Ruhe zu lassen. Denn durch törichte Yoga-Experimente wie Atemkontrolle können sehr ernsthafte Gefahren für die geistige und körperliche Gesundheit entstehen. Niemand war sich der Situation eindeutiger bewusst als HPB, die in ihren E. S. Instructions schrieb:

Wer beide Systeme, den Hatha-Yôga und den Râja-Yôga studiert hat, findet einen enormen Unterschied zwischen diesen beiden: Der eine ist rein psycho-physiologisch, der andere rein psycho-spirituell.

III

Wenn wir alle diese physiologischen Funktionen mit den kosmischen Kräften in Beziehung bringen, erkennen wir, dass jeder Mensch wahrlich ein Minia­tur­uni­ver­sum ist, und dass jedes Element und jede Kraft im Sonnensystem und daher von der Sonne selbst ihren entsprechenden Brennpunkt im Menschen, in seinem Aurischen Ei und folglich in seinem astral-physischen Bau hat. Diese erhabene Wahrheit kann unseren Gedanken spirituelle Würde verleihen und dazu führen, dass wir unseren Körper als Tempel des Gottes in uns betrachten.

Fußnoten

1. The Key to Theosophy, S. 176. [back]

2. Denken Sie daran, dass unsere reinkarnierenden Egos in der Geheimlehre die Manasapûtras, „Söhne von Manas“ (oder Mahât), Intelligenz, Weisheit genannt werden.
HPB [back]

3. Prâna auf Erden ist jedenfalls nur eine Lebensweise, eine beständige zyklische Bewegung aus dem Innern nach außen und wieder zurück, ein Ausatmen und Einatmen des EINEN LEBENS oder von Jîva, dem Synonym der Absoluten und Unbekannten Gottheit. Prâna ist nicht abstraktes Leben oder Jîva, sondern sein Aspekt in einer Welt der Täuschung. Im Theosophist, Mai 1888, S. 478, wird gesagt, dass Prâna „eine Stufe feiner sei als die grobe Materie auf der Erde“.– HPB [back]

4. Es ist falsch, das fünfte menschliche Prinzip „Kâma-Rûpa“ zu nennen. Bis nach dem Tode ist es kein Rûpa oder überhaupt eine Form, betrifft aber die Kâmischen Elemente im Menschen, seine tierischen Wünsche und Leidenschaften, wie Angst, Lust, Neid, Rachsucht etc., etc., die Kinder der Selbstsucht und der Materie.– HPB [back]

5. Hier ist die Welt der Wirkungen der Devachanische Zustand, und die Welt der Ursachen ist das Erdenleben.– HPB [back]

6. Taṇhā, ein buddhistischer Ausdruck mit der Bedeutung „Durst nach Leben“. [back]

7. Vgl. The Mahatma Letters, S. 94. [back]

8. E. S. Instructions, III. [back]

Wie kann man Reinkarnation beweisen?

Wie kann man beweisen, daß die Reinkarnation eine Tatsache ist? Dies ist eine der am häufigsten an uns gestellten Fragen. Trotzdem frage ich mich immer wieder, wie man eine solche Frage überhaupt stellen kann. Erwartet man einen Labortest für einen Umstand, der mit einem Labor gar nichts zu tun hat?

Was ist ein Beweis? Ein Beweis liegt dann vor, wenn im Verstand Überzeugung geweckt wird, daß etwas wahr ist. Das ist die Beweisdefinition, wie sie bei Gerichtsverfahren angewandt und für überzeugend gehalten wird. Wenn also durch die Vorlage von Beweismaterial der Verstand von der Wahrheit eines Sachverhaltes nicht überzeugt werden kann, dann ist die betreffende Sache auch nicht bewiesen, selbst wenn sie wahr ist. Das heißt also, die einzige Möglichkeit, sich eine Sache zu beweisen, besteht darin, daß man sie bis zum Ende durchdenkt. Erst dann ist man überzeugt. Selbst wenn man noch so unrecht hat, bleibt dies für denkende Menschen die einzig mögliche Art und Weise, sich einen wirklichen Beweis zu verschaffen. Man verwechsle aber nicht Beweismaterial und Beweis. Ich habe zum Beispiel eine Quittung, die besagt, daß eine bestimmte Summe von tausend Dollar bezahlt wurde. Beweist dies, daß das Geld wirklich bezahlt wurde? Jeder Rechtskundige wird Ihnen bestätigen, daß dies kein Beweis ist. Diese Quittung ist lediglich ein Beweismittel für die mögliche Tatsache, daß tausend Dollar von diesem oder jenem an Herrn Soundso gezahlt wurden. Aber es kann auch ein Betrug vorliegen. Die Quittung muß gar keine echte Quittung sein. Wenn aber jemand, nachdem er ausführliche Einzelheiten über die Sachlage gehört und das seinem denkenden Gemüt unterbreitete Beweismaterial gesichtet und geprüft hat, davon überzeugt ist, daß X an Z tausend Dollar bezahlt hat, dann bekräftigt ein solches Beweismaterial die im Verstand hervorgerufene Überzeugung, da es diese verstärkt.

Wie kann man also irgend jemandem Wiederverkörperung beweisen? Indem man das unvoreingenommene und nachdenkende Gemüt davon überzeugt, daß sie die einzig mögliche und befriedigende Erklärung für das Vorhandensein menschlicher Wesen bildet. Wie kommt ein solcher einleuchtender Beweis zustande? Durch Nachdenken. Zum Beispiel: Wir müssen von der Wirklichkeit unseres Hierseins ausgehen. Wir sind nicht alle gleich. Wir unterscheiden uns stärker voneinander als die Blätter auf den Milliarden von Bäumen, die auf der Erdoberfläche wachsen. Jeder Mensch ist eine Einheit für sich. Wie kam dieses denkende und fühlende Geschöpf auf diese Erde? Wurde es von Gott erschaffen? Beweisen Sie mir erst, daß es solch einen schöpferischen Gott überhaupt gibt.

Wieviel einfacher und vernünftiger ist die – zunächst hypothetische – Annahme, daß wir mit dem Menschen ein denkendes, fühlendes und seiner selbst bewußtes Wesen vor uns haben, das sich in diesem Leben unter uns befindet. Wir finden dieses Wesen auf einer gewissen Stufe einer augenscheinlich unvergleichlich langen Entwicklungsreise. Dies ist der erste Gedanke. Wir sind hier. Wir wurden nicht durch ein Wunder erschaffen – von einem außerkosmischen Gott voll unendlicher Ungerechtigkeit, der einige Menschen fast gottähnlich erschuf und andere dafür schrecklich elend und unglücklich. Man kann den Verstand nicht betrügen und sagen, „diese Dinge müssen wir der göttlichen Barmherzigkeit überlassen, sie stehen außerhalb unserer Macht“. Das ist keine Antwort und kein Beweis für einen denkenden Menschen. So versucht man der Frage einfach aus dem Wege zu gehen.

Wir müssen mit der Tatsache unserer Existenz fertig werden und auch damit, daß wir uns weitgehend voneinander unterscheiden. Außerdem bemerken wir in uns die Fähigkeit des Wachstums. Wo können wir dieses Wachstum vollziehen, wenn wir nur ein einziges, kurzes Erdenleben zur Verfügung haben? Wie steht es mit den armen Kindern, die geboren werden und sterben, ehe sie ihre Chance zu äußerem und innerem Wachstum überhaupt wahrnehmen konnten? Erhalten sie keine neue Chance, um zurückzukommen, keine Gelegenheit zu einem neuen Versuch? Wir müssen die Dinge so sehen, wie sie sind. Ich würde es meinerseits niemals fertigbringen, den kosmischen Geist, dessen Kennzeichen Harmonie und kosmische Gerechtigkeit sind, der Ungerechtigkeit und Parteinahme zu beschuldigen – niemals!

Ein anderer Gedanke: wer sind wir eigentlich, wir menschlichen Egos mit unseren wundervollen Kräften und Empfindungen? Woher kommt unser Gefühl für Ethik? Dieser Gedanke veranlaßte den deutschen Philosophen Kant zu der Folgerung, daß es eine göttliche Gerechtigkeit geben muß, denn unsere ethischen Empfindungen stehen oft, wie es scheint, mit unseren selbstsüchtigen und rein persönlichen Interessen im Widerspruch. Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn jemand sein Leben für ein großes Ideal oder für jemanden opfert, den er liebt. Darin liegt etwas Göttliches. In diesem Augenblick zeigen wir das Göttliche in unserer Natur. Sagt uns dies nicht, daß wir unserem Wesen nach Söhne Gottes sind, wie die Christen sagen würden; Funken der göttlichen Flamme, die das Weltall im geordneten Ablauf hält – Funken jener göttlichen Harmonie und Intelligenz, welche die mannigfachen Wunder um uns im Himmel und auf Erden bewirken? Wir sind in diesem Universum, weil wir wesentliche, unzertrennliche Teile von ihm sind. Wir können es niemals verlassen. Wir gehören zu ihm. Es ist wir, und wir sind es in unserer Essenz. Was bedeutet es, wenn wir aus seinem Stoff, seiner innersten Essenz geformt sind? So wie es ewig ist, so sind auch wir ewig. Wir sind so beständig wie das Universum und genauso unvergänglich. Seine und unsere innerste Essenz sind identisch.

Lassen Sie uns in Gedanken einen Schritt weitergehen. Da es nirgendwo Zufall gibt, kein Ungefähr, nichts außer der unfehlbaren Tätigkeit des kosmischen Gesetzes, sind auch wir Menschen, die wir nur eine kleine Hierarchie in diesem Kosmos darstellen, nicht zufällig hier. Unsere Existenz hat einen Sinn, und dieser Sinn hat seine Wurzel im kosmischen Leben, in der kosmischen Intelligenz und im kosmischen Gesetz. Es wäre völlig sinnlos, wenn wir auf dieser Erde nur für ein kurzes Erdenleben erscheinen und wieder verschwinden würden, und wenn dabei nichts Gutes herauskäme, oder wir vielleicht für unsere bösen Taten nicht bezahlen müßten.

Warum sind wir hier auf dieser Erde? Warum sind wir gerade jetzt hier? Warum haben auch zu anderen Zeiten Menschen gelebt? Wie steht es mit den Menschen künftiger Zeiten? Warum werden sie dann hier sein? Das alles untersteht dem kosmischen Gesetz. Folgen Sie bitte dem Gedankengang weiter, denn wir wollen Schritt für Schritt vorwärts gehen. Da wir aufgrund eines kosmischen Gesetzes hier sind und ein einziges Leben zur Erfüllung der Absichten des kosmischen Willens völlig ungenügend ist, ist klar, daß unsere Existenz ein Beweis für die Reinkarnation ist. Was sollte uns sonst hierher bringen? Welcher kosmische Wille brächte uns gerade hierher, anstatt auf einen anderen Planeten in unserem oder in einem anderen Sonnensystem? Wir sind hier, weil wir schon früher hier gewesen sind, weil wir hier eine Saat für unser Schicksal gesät haben und nun zurückgekommen sind, um diese Saat zu ernten. Dieses vom kosmischen Gesetz regierte Universum wird es uns nicht gestatten, in der Gegend von San Diego Mais oder Weizen zu säen und drei oder vier Monate später nach Arizona oder Nevada zu fahren, um dort Mais oder Weizen zu ernten. Wo wir gesät haben, müssen wir auch die Ernte einbringen. Es geht nicht anders. Unser bloßes Dasein hier ist für einen Menschen, der klar und logisch von Stufe zu Stufe, von Gedanke zu Gedanke schlußfolgern kann, ein Beweis für die Reinkarnation. Sonst müßten wir glauben, das kosmische Gesetz habe uns nur zufälligerweise hierher gebracht. Wer aber glaubt etwas Derartiges? Würde der Zufall die Welt regieren, dann würden die Sterne und alle Planeten die kosmischen Räume in wildem Durcheinander, ohne Gesetz, ohne Vernunft, ohne Ordnung, ohne Intelligenz und ohne System durchziehen.

Hier haben Sie Ihren Beweis. Sie müssen nur darüber nachdenken. Denken Sie alles vernünftig durch und gehen Sie dabei logisch Schritt um Schritt vor. Wir befinden uns hier auf dieser Erde, weil wir hier Schicksalssaaten, Lebenssaaten gesät haben und deshalb kommen wir zurück, um sie hier zu ernten, um das Unrecht, das wir in der Vergangenheit getan haben, wiedergutzumachen und die Belohnungen zu ernten, zu welchen wir in der Vergangenheit den Samen gesät haben. Deshalb werden wir auch künftig zur Wiederverkörperung zurückkommen. Wir machen uns jetzt zu dem, was wir in Zukunft sein werden. Wir sind gerade dabei, unser Schicksal für unser nächstes Erdenleben vorzubereiten. Ich spreche jetzt nicht von den Zwischenstadien des Lebens zwischen zwei Erdenleben. Das ist eine weitere wunderbare Geschichte. Ich möchte hier nur darstellen, daß im Bereich des universalen Gesetzes alle Dinge gesetzmäßig ablaufen, nach Ursache und Wirkung verlaufen. Jede Ursache erzeugt eine Wirkung, der man nicht entgehen kann. Wenn Sie Ihre Seele durch übles Denken und Fühlen verunstalten, können Sie durch solches Tun nicht zu einem Engel des Mitleids werden. Sie werden innerlich häßlich und mißgestaltet und die Belohnung und Vergeltung davon ernten, was Sie sich selber angetan haben.

Das Universum ist beseelt. Diese Seele ist für das Universum das Gleiche, was die menschliche Seele für den Menschen ist. Das physische Universum, das wir rings um uns sehen, ist nur der Körper des Universums, geradeso wie der Körper des Menschen nur die physische Hülle für seine Seele ist. Sowohl das physische Universum als auch der menschliche Körper sind ein nur sehr unvollkommener Ausdruck für die göttlichen, spirituellen, intellektuellen, psychischen, astralen und all die höheren Gesetze, Energien, Kräfte und Substanzen, die in ihrer Gesamtheit die unsichtbaren Welten des Raumes sind.

Sehen Sie, wie wir Schritt für Schritt durch Vernunft, Instinkt und durch sorgfältiges Durchdenken der Sachlage zu der Überzeugung kommen, daß wir unserem innersten Wesen nach nicht nur Kinder oder Abkömmlinge des göttlichen Feuers sind, sondern als solche Funken der göttlichen Flamme in evolutionärem, zyklischem Wachstum ständig vom Niederen zum Höheren fortschreiten, geradeso wie ein Kind geboren wird und von seiner von Gedanken unbeschwerten Kindheit zu einem denkenden und fühlenden Menschen mit ethischer Veranlagung heranwächst?

Wenn Sie dieser Methode vernünftiger Schlußfolgerung nachgehen, dann brauchen Sie nie mehr jemanden zu bitten: Beweisen Sie mir, daß es Reinkarnation gibt. Sie können sich diesen Beweis selbst verschaffen.

Das unbesiegbare Feuer des Geistes

Wie ist es in der Tat vortrefflich und wunderbar, daß sich die Dinge des Geistes über die Dinge des Intellekts und des Körpers erheben und weit darüber stehen. Hier, im Feuer des Geistes und in der Flamme jenes Feuers, das in allen unseren Herzen brennt, sind wir Menschen wahrhaft unbesiegbar. Es hat nichts zu bedeuten, woran ein Mensch glaubt, was ihm sein Gehirnverstand eingibt oder welche Überzeugungen er hat. In ihm, im innersten Teil seines Wesens, leuchtet für immer das Licht der Seele, das ihn mit dem Göttlichen und daher auch mit allen Brüdern der menschlichen Rasse verbindet.

Behalten Sie es stets in Erinnerung: Hinter allen Wolken leuchtet das goldene Sonnenlicht, ein inneres wie äußeres Sonnenlicht, ein Sonnenlicht der Vision, der Überzeugungskraft, der Hoffnung und des Glaubens, der Pistis, wie die frühen Christen sagten, und sie bezogen sich dabei auf die Essenz der Dinge, die man nicht sieht, deren Vorhandensein einem jedoch bewußt ist.

Ein Mensch ist so groß wie die Kapazität seines Denkens ist. Nichts bestimmt ihn genauer. Soll ich hinzufügen, daß dies auch für die Tiefe seines Empfindens gilt? Es dürfte nicht notwendig sein, denn wer tiefe Gedanken hat, entwickelt auch tiefe Gefühle.

Wissen bringt Verantwortung

Es ist niemals wahr, daß es dem Adepten, dem Initiierten oder dem Wissenden erlaubt wäre, dem Pfad der linken Hand zu folgen oder diesen auszuüben. Niemals! Das ist immer falsch. Wenn wir das glauben, würden wir uns auf die Stufe jener stellen, die sagen: der Zweck heiligt die Mittel. In Wirklichkeit hilft der Starke dem Schwachen, streckt der Kräftige die helfende Hand aus und instruiert der Wissende den Unkundigen. Jene, die dem Pfad der linken Hand folgen, sind stets Schwächlinge, sind immer im Dunkeln – ein Synonym für den Pfad der linken Hand –, wogegen die stark und erleuchtet sind und das Licht bei sich haben, die dem Pfad der rechten Hand folgen.

Wissen bringt Verantwortung ebenso wie Macht, und verpflichtet diejenigen, die es besitzen, es zum Nutzen aller einzusetzen, unabhängig davon, ob sie dem Pfad der rechten oder der linken Hand folgen. Wenn jemand, der auf dem Pfad der rechten Hand geht, sein Wissen, seine Weisheit, seine Macht mißbrauchen könnte, wäre er nicht ein Vertreter des rechten Pfades, sondern des linken. Das würde selbst dann zutreffen, wenn er sein Wissen gegenüber jemandem mißbrauchen würde, der den Pfad der linken Hand geht. Der weiße Magier bemüht sich sogar um den Bruder des Schattens – damit er nicht weiter in den Abgrund fällt, sondern wieder nach oben findet! Er benutzt Macht und Weisheit allein für wohltätige Zwecke. Dem Pfad der linken Hand könnte er niemals folgen. Das würde ihn nicht nur völlig erniedrigen, sondern auch in seiner Entwicklung zurückwerfen. Es wäre ein vollständiger Rückschritt. Aus diesem Grunde ist es nur natürlich, daß von jemandem, der für den Pfad der rechten Hand arbeitet und ihm folgt, wesentlich mehr erwartet wird als von einem Menschen, der den linken Pfad geht. Er weiß mehr und besitzt größere Stärke. Es sind das Wissen und diese Stärke, die ihm Verantwortung auferlegen.

Lassen Sie niemals auch nur für einen einzigen Augenblick die Idee in Ihr Gemüt einsickern, daß Sie, weil Sie etwas wissen und dieses Wissen benutzen können, berechtigt sind, es zu mißbrauchen. Glauben Sie nie, daß von Ihnen weniger erwartet wird als von jenen, die dieses Wissen nicht haben. Anders ausgedrückt: Sie dürfen nicht dem winzigsten Gedanken in Ihnen Raum geben, der Ihnen zuflüstert, Sie hätten für irgend etwas dieser Art auch nur die geringste Erlaubnis. Das bedeutet, daß Sie nur dazu berechtigt sind, es zu einem guten Zweck zu verwenden. Das ist keinesfalls eine schwächliche Gefühlsregung. Zuweilen müssen Sie Ihre starke rechte Hand gebrauchen. Der Polizist ist manchmal genauso notwendig wie eine Krankenschwester. Beide sind Repräsentanten der Seite der rechten Hand. Würden sie ihre Stellung mißbrauchen, dann würden sie zur Seite der linken Hand gehören. Stärke verpflichtet zu einem ehrenhaften Verhalten. Wissen bedeutet, eine ehrenhafte Verpflichtung einzugehen. Das schöne, alte französische Sprichwort Noblesse oblige bedeutet nicht, Adel könne gefällig sein, sondern Adel verpflichtet. Das Merkmal einer edlen Abkunft zeigt sich im Willen, sich selbst zu opfern und für andere Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Ein solcher Mensch ist ein Lastenträger, ein wirklicher Helfer. Selbst heutzutage hat niemand das Recht, sich als einen Gentleman zu bezeichnen, wenn er in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgt. Wer dies tut, hat diese Bezeichnung nicht verdient.

Der Widersacher

Mit großem Interesse verfolge ich, wie viele Leute an einem Thema interessiert sind, dem einige Zweige der Religionsphilosophie den Namen „der Widersacher“ gegeben haben. Ich glaube, dies ist zum größten Teil der Tatsache zuzuschreiben, daß außerhalb des Dogmas, aus dem alles Leben entwichen ist, selbst in den exoterischen Lehren noch ein Überrest der Realität verblieben ist. Das menschliche Herz erkennt, daß all diese verschiedenen theologischen Lehren auf einer tief bedeutungsvollen Tatsache beruhen. Und dies ist meiner Ansicht nach der Grund dafür, weshalb die Christliche Kirche und die Christen so lange gekämpft haben, um die groben anthropomorphischen und wirklich absurden Vorstellungen zu überwinden, die sich um den zentralen Kern der reinen Wirklichkeit gebildet hatten.

Welches ist dieser zentrale Kern? Es gibt Opposition im Universum. Das ist der Grundton der Bedeutung des Hebräischen Wortes śātān: Widersacher, Opponent, oder des griechischen und lateinischen Wortes diabolos, von dem das deutsche Wort Teufel, das französische diable und das italienische diavolo und das englische devil herstammen. Die verschiedenen Ausdrücke und Schreibweisen des ursprünglichen Wortes entstanden in den verschiedenen Völkern; der ursprüngliche Ausdruck, von dem sie sich alle ableiten, war zweifellos das griechische Wort diabolos, mit der Bedeutung „Der Ankläger“ und daher „Der Widersacher“. Wie eben gesagt, verkörpert der Gedanke, der hinter dem Wort steht, die Idee eines Anklägers, eines Opponenten, eines Widersachers. Wie gröblich ist diese wunderbare philosophische und religiöse Idee entstellt worden durch eine rein anthropomorphische oder vermenschlichte Personifikation der Opposition in der Natur – eine Opposition, die in Wahrheit höchst wohltätig und hilfreich sein kann und es in der Tat ist, oder einer Opposition, die andererseits schädlich und böse sein kann. Dies ist der Grundgedanke der Lehre, und deshalb sagten die Hebräer, indem sie zur Erklärung einer großen kosmischen Wirklichkeit Worte gebrauchten: „Opponent“, „Widersacher“, und die wortgewandten Griechen sprachen vom „Ankläger“. Warum? Dieses „Warum“ wird in der theosophischen Lehre damit erklärt, daß es in Wirklichkeit kein kosmisches Individuum gibt, das als Opponent oder Widersacher der Menschen oder Götter wirkt, denn der „Ankläger“, der „Widersacher“, der „Opponent“ besteht in Wirklichkeit, soweit es den Menschen betrifft, aus unseren eigenen Schwächen, Übeltaten, schlimmen Gedanken und bösen Gefühlen, die eines Tages, früher oder später, karmisch auf unserem Weg auftauchen, um uns entgegenzutreten und uns anzusehen, uns anzuklagen und uns sozusagen als den Übeltäter auszuweisen. Sie, unsere eigenen früheren Selbste, sind nun zu den Widersachern und Anklägern des gegenwärtigen Selbst geworden. Dieses Phänomen in der Natur und im menschlichen Wesen haben die frühen Christen personifiziert und sprachen vom diabolos oder Satan, denn für sie war es ein sehr reales Ding.

Achten Sie jedoch darauf, wie erstaunlich und großartig uns jede Wahrheit wunderbare Dinge zu lehren vermag, denn der Widersacher, wie aus den vorangegangenen Bemerkungen klar hervorgehen sollte, wird in Wirklichkeit zu einem höchst wertvollen Lehrer; wir lernen aus den Fehlern der Vergangenheit nicht nur, sie in Zukunft zu vermeiden, sondern in Zukunft stärker zu werden als sie. Der karmische Widersacher wird deshalb zum Unterweiser; die Fehler, aus denen wir gelernt und die wir auf diese Weise überwunden und hinter uns gebracht haben, erweisen sich selbst als unsere Führer und Lehrer – mit anderen Worten: frühere Hindernisse werden, wenn sie überwunden wurden, Stufen zu höheren Dingen.

Indem sie dieser Idee in einer weiteren, aber gleich wichtigen Bedeutung nachgingen, haben die Alten Mystiker und Okkultisten, die Theosophen des uralten Wissens, stets gesagt, daß der Name des Lehrers, des Gurus, des Unterweisers, des Retters, der Widersacher sei. Dieser wird es dem Neophyten nicht erlauben, aufwärtszugehen, ehe dieser Neophyt nicht seinen Wert bewiesen hat, ehe er nicht die Schlüsselworte gelernt hat, die Paßworte, die in erster Linie Selbstüberwindung und künftige Sicherheit bedeuten. Sehen Sie, wie wunderbar leicht dieser Gedanke, diese Grundlehre, von einer Erklärung zu einer ebenso wichtigen Erklärung führt und trotzdem so schwierig erscheint. Daher wurden die alten Lehrer immer als Nāgas oder „Schlangen der Weisheit“ bezeichnet. Daher wurde gleichermaßen die opponierende Kraft in der Natur, ob göttlich oder schädlich, als ein Nāga bezeichnet, als eine Schlange im Garten Eden oder als eine Schlange der Weisheit.

Eine christliche Lehre im Neuen Testament, die vermutlich von inspirierten Intelligenzen stammt, fordert uns auf, die Schlangen zu verehren. Sehen Sie, wie anschaulich diese Aufforderung ist: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Derart sind all die großen Adepten, all die Buddhas und Christusse, die Mitleidsvollen, die Betrübten, betrübt über die Unwissenheit der Menschheit.

Wir lernen, von unseren Schwächen zu höheren Dingen aufzusteigen. Unsere Schwächen selbst werden zu unseren Lehrern; und sobald wir die Lektionen aus den Schwächen gelernt haben, ist es nicht länger notwendig, uns wegen weiterer Instruktionen an sie zu halten. Dann, sagen wir, werden sie nämlich zu bösen Lehrern, denn wir haben bereits genug gelernt und sind mit ihrer Hilfe schon höher gestiegen. Wir verschwenden dann nicht nur Zeit, sondern handeln auch falsch, wenn wir uns von den Gedanken und Gefühlen und gegnerischen Emotionen der Vergangenheit beeinflussen lassen. Es ist unsere Pflicht, zu höheren Dingen zu schreiten und die neuen Opponenten herauszufordern, die neuen Ankläger. „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Verstehen Sie den Gedanken? Die Tür öffnet sich. Der Widersacher, der augenblickliche Opponent sagt: „Wer bist du?“ Wenn man die richtige Antwort gibt, darf man passieren; ist die Antwort falsch, wird die Tür vor einem geschlossen, weil es so in Wirklichkeit ist. Man kann keinen Schritt vorwärts- oder aufwärtsgehen, bevor man nicht die Paßworte kennt, die Teile von einem selbst sind, mit anderen Worten, ehe man nicht den Willen und die Intelligenz hat, recht zu handeln. Man selbst wird dann in einem solchen Falle zum Widersacher, zum sogenannten Satan. Man muß sich selbst überwinden, diesen Teil von sich, um höher gehen zu können. Deshalb lernen wir, über die Stufen unserer früheren Selbste neue Selbste zu werden. Unsere besten Selbste sind ein Ideal vor uns, das wir erreichen und mit dem wir weiterbauen müssen. Unsere gegenwärtigen Selbste werden ihrerseits eines Tages weitergehen, und wir werden dem Geist, dem göttlichen Selbst der Zukunft begegnen, und auch dieses wird uns fragen: „Wer bist du? Gib das Paßwort.“ Das Paßwort ist Wissen, ist Weisheit, ist Selbstlosigkeit, der große Schatz vergangenheitslanger spiritueller Erfahrung. Seid weise wie die Schlangen, aber unschuldig und harmlos wie die Taube. Dies ist eine höchst wunderbare und tiefe Allegorie. Es nimmt nicht wunder, daß sie in den verschiedenen Teilen der Welt nacheinander von allen Völkern der Menschheit angenommen wurde. Steigt auf euren toten Selbsten zu höheren Dingen empor.

Ein Aspekt des Widersachers ist unser gegenwärtiges Selbst, ein wunderbarer Gedanke! Sollen wir das gegenwärtige Selbst überwinden, den Widersacher, der uns am Höhersteigen hindert, weil es nicht höher ist, weil es nur ein Selbst ist? Wenn wir dies tun, haben wir das Paßwort gegeben und steigen höher, wir durchschreiten die Portale der Weisheit. Der Widersacher ist nicht mehr länger ein Tyrann. Der Initiator muß nicht mehr länger unsere spirituellen und intellektuellen und moralischen Zeugnisse, unser eigenes Selbst, unsere eigene Inspiration prüfen. Der Widersacher wird zum göttlichen Freund, zum Retter aller Menschen, zur Schlange der Weisheit.

Dies ist eine großartige Allegorie voll tiefer Bedeutung. Sogar die Dichter der modernen Zeit, der relativ modernen Zeit, haben diese Idee begriffen. Mögen sie auch keine Theosophen sein, so erfaßten sie sie doch durch Wiedererinnerungen aus früheren Leben auf Erden, wo ihnen diese Lehre gelehrt wurde. Milton, der englische Dichter, beschreibt zum Beispiel den Fall Satans oder Luzifers, der gemäß christlicher Theorie einer der höchsten Engel war, der „fiel“. Das ist die gleiche Idee von einem etwas anderen Blickwinkel, eine neue Seite des Gedankens. Der Engel klettert innerhalb der himmlischen Sphären aufwärts, selbsterlöst. Das Selbst, der Hauptwidersacher, sei es das eines Gottes oder eines Menschen oder eines der in unzähligen Hierarchien lebenden Wesen in der menschlichen Natur, für jeden ist ein Widersacher da, für es oder ihn selbst. Und dennoch, großartiges Wunder, ist die Natur so mitleidsvoll aufgebaut, daß wir aus unseren Fehlern bessere Dinge lernen. Von der Häßlichkeit lernen wir Schönheit. Aus überwundener Schwäche wird neue Stärke geboren. Aus dem Unheiligen schreiten wir zur Heiligkeit fort. Was einst die Opposition, der Opponent, der Widersacher war, wird, wenn wir ihn mit Mut herausfordern, und das Himmelreich mit Stärke nehmen, zum Heiland, zum Initiator.

So ist es mit unseren eigenen Selbsten. Haben Sie je bedacht, daß ein überwundener Fehler zu einer neuen Stärke in Ihrem Charakter wird; daß eine überwundene Versuchung Ihnen mehr Kraft gegeben hat? Sie haben dieses Ziel ja durch die Ausübung Ihres Willens erreicht! Ihr Wille ist stärker geworden. Das Mitleid für andere ist in Ihnen mehr geweckt worden. Ihre Vision wird leuchtender, zu einer weitblickenden Hellsichtigkeit. Die Erfahrung lehrt uns denken. Es ist Erfahrung, die uns wachsen läßt. Diese Erfahrung ist es, die der Widersacher, der Ankläger ist.

Alle Völker haben über die Opposition im Universum gelehrt, und sie lehrten ausgezeichnet darüber. Aber soviel ich weiß, waren es ausschließlich die sehr primitiven Stämme und das spätere Christentum, die als einzige dieses kosmische Prinzip als eine engelhafte Wesenheit personifiziert und vermenschlicht haben, in einem Christentum dämonischer Art. Die grundlegende Idee ist auf der ganzen Erde die gleiche. Wenn uns also dieser Opponent begegnet, unter welcher von den tausendfältigen Verkleidungen wir ihm auch begegnen mögen, ob von göttlichem oder bösartigem Charakter, das zugrundeliegende Prinzip ist immer das gleiche. Für uns Menschen wird er teuflisch und bösartig, wenn wir schwächlich unterliegen. Wir haben die Aufforderung unserer eigenen Seele vergessen. Andererseits, wenn wir unseren vorwärts gerichteten Willen benützen und uns selbst zur Schulung in die Hand nehmen, dann werden wir stark, weil wir universaler werden. Unsere Vision bleibt nicht länger auf uns selbst begrenzt und erhebt sich deshalb entsprechend zum Göttlichen. Darum wird vom Göttlichen immer gesagt, es sei göttlich, und vom ungeheuer Eingeengten und Begrenzten und deshalb Selbstischen immer, es sei böse, weil das Kleine nur an sich selbst denkt und der Welt widerstrebt, um ein kleines Reich des niederen Selbst zu gewinnen, seine Kraft gegen das Universum zu richten und dadurch um so böser zu werden, wie die Keime einer Krankheit im menschlichen Körper. Wenn dieser störende Keim hinausgetrieben ist, wie es glücklicherweise geschehen kann, kehrt Gesundheit und universaler Frieden in den Körper zurück. Das ist die Idee. Je mehr wir universal werden, desto höher sind wir. Anders ausgedrückt, je stärker wir uns dem Göttlichen nähern, das universal ist, desto höher stehen wir. Um noch einen sehr tiefen christlichen Gedanken zu zitieren, der für mich von wundervoller Schönheit ist: „Wisset Ihr nicht, daß Ihr der Tempel Gottes seid und daß der Geist Gottes in Euch wohnt?“ Es liegt eine ganze kosmische Philosophie gerade in diesen einfachen Gedanken. Wenn Sie diese studieren, werden Sie die Erleuchtung finden, die Leben, Trost, ungeheure intellektuelle Aktivität höchster Art und schließlich, aber nicht zuletzt, Frieden bedeutet, jenen inneren Frieden, der alles Verstehen übersteigt, der aber erfahren werden kann.

Der Weihnachtsbaum

Der Weihnachtsbaum, übersät mit Lichtern und hell glitzerndem Lametta, das diese Lichter reflektiert und mannigfach vervielfältigt, ist ein altes vorchristliches Symbol, das von den Völkern Nordeuropas zur Zeit der Wintersonnenwende verwendet wurde. Und dies ist die innere Bedeutung:

Haben Sie nie von dem Weltenbaum gehört, mit seinen Wurzeln in den geistigen Sphären, und dessen Zweige die großen Sonnen und Sonnensysteme sind? Dieser Weltenbaum begann am Anfang dieses kosmischen Zeitalters all die himmlischen Heerscharen hervorzubringen. Die Wintersonnenwende ist der Anfang des kosmischen Neujahrs, und daher haben diese nördlichen Völker, die einiges über die alten Weisheiten wußten, dieses kosmische Ereignis mit dem Weihnachtsbaum gefeiert. Er symbolisiert den Weltenbaum, und die Lichter sind die Sonnen, die die Tiefe des Raumes übersäen, und sie weisen auf die Botschaft der Göttlichkeiten hin, die uns ständig das Licht der Liebe, das Licht des Geistes und das Licht ewiger Hoffnung geben. Wir haben uns jedoch so weit von der Weisheit unserer Vorväter entfernt, daß der Weihnachtsbaum nur noch ein Festsymbol für uns ist, außer für die wenigen, die seine Bedeutung in ihren Herzen bewahrt haben.

Das Überreichen von Geschenken unter dem Weihnachtsbaum war ein Symbol für die Selbsthingabe der Götter, durch die die Welten ins Dasein kommen konnten. „Hier ist meine Gabe. Sie ist aus mir selbst geboren.“

Die lebenden Buddhas in Tibet

Ich glaube, daß sich die Menschen im Westen hinsichtlich der sogenannten lebenden Buddhas viel zu eng an Vorstellungen halten, die man im Westen um östliche Glaubensüberzeugungen und Lehren konstruierte, obwohl wir Ausländer diese nur äußerst unvollkommen begreifen. Die westliche Annahme, die Tibeter würden glauben, die lebenden Buddhas seien eine Verkörperung von Gautama dem Buddha, ist völlig falsch. Der tibetischen Lehre liegt vielmehr ein ganz anderer Gedanke zugrunde. Gleich einigen intuitiven, tiefsinnigen Christen, die neuerdings davon sprechen, daß es einen kosmischen Christus gibt, von dem frühere, gegenwärtige und zukünftige christusähnliche Menschen gleichsam Strahlen sind, verkörperte Repräsentanten oder verkleinerte Abbilder, nehmen auch die Tibeter an, daß es einen kosmischen Buddha gibt. Jesus war einer dieser verkörperten Repräsentanten. Die alte tibetische Lehre, die sich auf die sogenannten lebenden Buddhas bezieht, ist, wie gesagt, eng mit diesem Gedankenkomplex verknüpft. Ganz ähnlich wie die Vorstellung einiger aufgeschlossener Christen besagt, daß der kosmische Christus nicht nur ein fundamentaler Bestandteil des Universums sei, sondern auch einen integralen Bestandteil des menschlichen Bewußtseins bilde, genauso behauptet die tibetische Lehre, daß es mit dem kosmischen Buddha sei. Die Tibeter nennen ihn in ihrer wundervollen Lehre den himmlischen Buddha. Auch sie sagen, daß alle Menschen gewissermaßen seine Strahlen sind. Anders ausgedrückt, jeder Mensch hat etwas von diesem kosmischen Buddha in sich. Sie sagen, er sei das innerste Wesen des Menschen, sein innerstes Selbst. Wenn jemand sein Bewußtsein so weit erhebt, daß er mit dieser in seinem Herzen brennenden Flamme des Göttlichen eins wird, eins mit dem Strahl des himmlischen Buddha, dann senkt sich dieser aus der Sonne kommende Strahl in das menschliche Herz. Er schenkt ihm Inspiration, Weisheit und Liebe. Er macht den Menschen zu einem lebenden menschlichen Buddha. Gautama, der Buddha, war dafür ein besonders bemerkenswertes und hervorragendes Beispiel.

Das ist eine wunderbare Lehre. Erkennen Sie die grenzenlose Hoffnung, die in ihr liegt und die ihr zugrundeliegende Inspiration? Dies himmlische Feuer ist unser innerstes Selbst. Wir alle haben an ihm Anteil, jeder von uns. Halten Sie es sich vor Augen und öffnen Sie Ihre Vision dafür, daß jeder Mensch, wenn er es nur will, in der Lage ist, mit ihm eins zu werden. Dafür müssen wir jedoch im wahren Sinn des Wortes das Leben leben und in unserem Studium fortfahren. Nur dann kann sich dieses Feuer in unserem Leben manifestieren. Erfüllen Sie Ihre Vision mit Größe und mit Schönheit. Dann wird Ihr Leben ebenfalls beginnen, diese Größe und Schönheit widerzuspiegeln, weil ein kosmischer Buddha in Ihnen denkt, fühlt und sich zum Ausdruck bringt.

Das ist letztlich die Essenz der tibetanischen Lehre vom lebenden Buddha. Wenn die kosmische Glorie im Herzen und im Verstand eines Menschen Platz ergreift, wird dieser Mensch, wie die Tibeter sagen, zu einem Christus auf Erden. Zunächst vielleicht nur in einem vergleichbar bescheidenem Maße – aber das hängt gänzlich von der Bereitschaft dessen ab, der dieses göttliche Feuer in sich fühlt. Je mehr man es entfacht und je weiter wir uns dem Einfluß von oben-innen öffnen, desto unsäglich mehr wird unser Buddha- oder Christus-Stadium hervorgebracht, desto größer wird es gemacht.

Gedanken über Karma

Es wurde mir oft die Frage gestellt, ob Karma eine bis ins Detail gleiche Reaktion bedeute. Wenn ich zum Beispiel jemandem Schaden zufüge, trifft es dann zu, daß mir dieser Mensch irgendwann in der Zukunft auf die gleiche Art und Weise Schaden zufügen wird?

Wir lehren keinen wissenschaftlichen Determinismus. Wir lehren genau das Gegenteil. Trotzdem entspricht es den Tatsachen, wie die göttliche Weisheit uns versichert, daß wir uns in einem Universum befinden, dem unentrinnbare Gesetzmäßigkeit innewohnt. Auf diesem Eckpfeiler ruht alle Hoffnung und die gesamte Theosophie, jede Religion, jede Philosophie und jede Wissenschaft. Wie ist es also? Gesetzt den Fall, ich betrüge einen Freund und breche sein Herz, wird dieser Freund mich irgendwann in der Zukunft ebenfalls betrügen und mein Herz brechen? In genau derselben Weise und unter Befolgung der gleichen Details? Die Antwort lautet nein, nicht in allen Details. Ein von mir betrogener Freund wird jedoch, unabhängig von seinem Willen, vom Schicksal getrieben, in einem zukünftigen Leben, nicht in identischen Details, aber doch eng der Verfahrensweise verbunden, in der ich ihn betrog, ähnlich mit mir verfahren, weil ich die mir zustehende Vergeltung einfach auf mich ziehe. Auch er wird möglicherweise mein Herz brechen, vielleicht gegen seinen Willen.

Wird das Opfer, das ich vorsätzlich getötet und umgebracht habe, mich in einem zukünftigen Leben ebenfalls umbringen? Persönlich neige ich dazu, dies zu bejahen. Die Details mögen voneinander abweichen, aber die Generallinie, der das Schicksal folgt, wird die gleiche sein. Prägen Sie sich die Lehre ein, die alle großen Weisen und Seher verkündet haben, ganz gleich, in welchem Zeitalter sie lebten: Was ihr sät, werdet ihr auch ernten, nichts anderes. Das ist ein christlicher Ausspruch und ein sehr wahrer.

Seien Sie sich bewußt, wie groß die moralische Wirkung dieser Lehre ist, wenn sie angenommen wird. Sie übt nicht nur eine Schutzfunktion für die Zukunft aus, sondern bewirkt auch eine Revolution im Fühlen und Denken, da sie den Charakter beeinflußt. Ein Mensch, der sie bejaht, nimmt sich sehr in acht, einem Mitmenschen ein Unrecht zuzufügen. Überlegen Sie, was diese eine Lehre allein für die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschheit bewirken würde, wenn sie, wie früher einmal, auf der ganzen Erde angenommen würde. Wenn ich Gutes säe, stärke und veredle ich meinen Charakter. Gutes Denken versetzt meinen Charakter in Harmonie. Das Gefühl, etwas Gutes zu tun, bestärkt mich, noch etwas Besseres zu tun. Das ist einfach die Wirkung von Karma. Wenn ich dagegen etwas Böses denke und fühle und meinen Mitmenschen dieses Böse zufüge, muß ich außer der Tatsache, daß ich etwas Falsches tue und dafür in zukünftigen Leben Vergeltung zahlen muß, auch begreifen, was ich meinem Verstand und meinen Gefühlen antue. Bin ich irregeleitet, dann mache ich diese häßlich, entstellt und roh. Auch das ist Karma. Man kann diese Gedanken nicht denken, ohne sofort die Rückwirkung auf den eigenen Denkapparat zu spüren. Das Böse ist häßlich. Das Denken von häßlichen Dingen bewirkt, daß dieser Denkapparat auch häßlich wird. Ebenso ist es mit den Gefühlen. Wenn man häßlichen Gefühlen Raum gibt, werden sie mit jedem Tag stärker.

Reinkarnation ist nichts anderes als die natürliche Folgerung aus diesem Gesetz von Ursache und Wirkung. Wir haben auf dieser Erde bereits unzählige Male in der Vergangenheit gelebt. Wir sind jetzt hier, weil wir hierher zurückgezogen wurden. Vertraute Szenen haben uns wieder eingefangen. Es ist wie bei einem Reisenden, der sich in der Ferne befand und sehnsüchtig dem Zeitpunkt seiner Rückkehr entgegenfieberte. Die vertraute Umgebung, die häusliche Geborgenheit, der enge Familienkreis, die freundlichen, ansprechenden, vielleicht sogar von Liebe geprägten Erinnerungen sind es, die ihn zurückkehren ließen. Das ist die Begründung für Wiederverkörperung, ganz gleich, wo. Zu reinkarnieren bedeutet einfach, zu uns vertrauten Szenen auf dieser Erde zurückzukehren. Natürlich kennen wir auch noch vertraute Szenen auf anderen Planeten – aber dies ist eine andere Geschichte.

Wir Menschen sind Pilger, die ihrer Bestimmung folgen. Wir sind Kinder des Göttlichen und verfolgen auf unserer Wanderung einen bestimmten Zweck. Wir werden zweckdienlich von Karma, von unserem Schicksal, geleitet. Da wir Kinder des Göttlichen sind, haben wir in uns einen Funken göttlicher Intelligenz und göttlichen Willens. Wir können deshalb dem Universum und all seinen innewohnenden Schrecken entgegentreten, denn in uns, unbesiegbar und keinem Tod unterworfen, glüht dieser göttliche Funke. Wenn wir seinen Befehlen folgen, besitzen wir freien Willen, den freien Willen des Universums. Selbst wenn die ganze Kraft des Universums auf einmal über uns hereinbrechen würde, könnten wir nicht überwältigt werden, denn wir sind Kinder des Göttlichen. Dieses Universum sind wir selbst. Sein Herz und unser Herz sind eins und bedingen einander. Die unergründbare Verschlungenheit unseres Schicksals macht eine unergründbare Schicksalstiefe notwendig, und durch diesen Zusammenhang kann einer den anderen verstehen.

Jeder von uns hat ein gewisses Maß an freiem Willen. Ungeachtet der unwiederbringlichen Vergangenheit kann jeder von uns augenblicklich, im selben Augenblick, in dem ihm die Idee dazu kommt, sein zukünftiges Schicksal ändern. Die Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen. Sie schlägt sich in unserem Schicksal nieder. Wir müssen mit ihm fertig werden. Sie ist fest in uns eingebaut, aber wir können Änderungen anbringen, Modifizierungen vornehmen. Wir können uns für die Zukunft besser präparieren, indem wir von unserem göttlichen Vorrecht hier und jetzt Gebrauch machen, nachdenken und unseren freien Willen betätigen. Auf diese Weise nehmen wir unser Schicksal in unsere eigenen Hände und machen uns für die Zukunft geeigneter. In dieser Fähigkeit sind wir, wie in allen anderen Dingen, mit den Göttern, unseren Eltern, wesensverwandt.

Wie wundervoll ist die Vision, daß das empfindsame Herz und ein wacher Verstand die Fähigkeit besitzen, die Wirklichkeit zu sehen. Sie können überallhin Licht bringen. Das vermittelt ein Gefühl vollständiger Sicherheit, ein Gefühl für das Vorhandensein völliger Gerechtigkeit, ein Gefühl von tiefem Frieden. Manchmal fühlen wir, daß die Last aus unserer eigenen Vergangenheit zum Tragen fast zu schwer wird. Dann rufen wir in unserer Qual: Oh Gott, laß diesen Kelch an mir vorübergehen. Aber nicht mein, sondern Dein Wille geschehe! Wenn ich den Kelch trinken muß, werde ich es tun. Doch trotz meiner Ängste werde ich mir dessen bewußt sein, daß ich ein Kind des Göttlichen bin. Ich werde diesen Kelch leeren, den ich durch meine eigenen guten und schlechten Handlungen in der Vergangenheit gefüllt habe, aber ich fange jetzt damit an, für die Zukunft Vorsorge zu treffen. Jetzt, da der Schleier zurückgezogen ist, sehe ich in der Zukunft nur unsagbare Schönheit, unbeschreibliche Heiligkeit, unendlichen Frieden, eine ständig sich vergrößernde Liebe mit ihren Ausdehnungen auf alle Lebensbereiche, vor allem aber ein grenzenloses Verständnis, das alle anderen Wesen mit meiner Liebe umschließt.

Die alte Lehre vom stellvertretenden Sühneopfer

Die Lehre vom stellvertretenden Sühneopfer, wie sie heute von den Christen verstanden wird, hat diese tatsächlich daran gehindert, die Wiederverkörperungslehre zu akzeptieren. Aber ursprünglich war es nicht so. Die ersten Christen glaubten an Reinkarnation. Was geschah damals? Wir finden Beweise darüber, daß die Lehre vom stellvertretenden Sühneopfer ursprünglich im Christentum vorhanden war, dann geschah jedoch folgendes: Langsam veränderte sich das Verständnis für diese Lehre, man sah nur die Worte anstelle der spirituell-okkulten Bedeutung. Als sie zu einem rein theologischen Dogma wurde, bildete sie ein großes Hindernis oder vielmehr eine verschlossene Tür, die die wahren Nachfolger des Meisters Christus heute und in den vergangenen Jahrhunderten daran gehindert hat, diese Lehre der Hoffnung, das heißt, der menschlichen Reinkarnation, anzunehmen. Was ist geschehen?

In den allerersten Tagen des Christentums bildeten die Urchristen die Theosophische Gesellschaft jener Zeit für jenen Teil der Erde, und sie wußten und es wurde ihnen gelehrt, daß jeder in dieses Leben geborene Mensch in seinem höchsten Teil – nicht als physischer Mensch – ein Sohn des Göttlichen ist; sein Geist, seine Seele war sozusagen ein Funke des kosmischen Alls, eine atmende, lebendige Flamme aus dem Herzen des Seins. Er nannte ihn den Christusgeist im Menschen, so wie auch einige Christen heute intuitiv angefangen haben, diese heilige Lehre vom immanenten oder inneren Christus im Menschen zu verstehen. Das war der ursprüngliche, christliche Gedanke, und er wird heute in der Theosophie gelehrt, wie er in den verschiedenen Zeitaltern stets durch die Theosophie gelehrt wurde.

Unser spiritueller Teil, diese Flamme aus dem Göttlichen, ist also die unsterbliche Essenz unseres Wesens. Er ist der Anker unseres Lebens, unseres Wachstums und unseres Fortschritts von Verkörperung zu Verkörperung, indem er von jedem Erdenleben das gesamte geistige Aroma unserer guten Handlungen, unserer schönen Gedanken und edlen Ideale, die wir in Herz und Geist nährten, mit sich nimmt und von Leben zu Leben trägt. Wir nennen diesen inneren, spirituellen Teil die Monade. Sie ist der innere Buddha, der innere Christus in uns.

Daher kommt es, daß diese Monade durch uns, durch unsere Schwächen und Fehler und Irrtümer – ja, auch durch unsere guten Gedanken und Handlungen, angekettet ist, um uns, wie H. P. Blavatsky sagt, als spirituelle „Rettungsplanke“ von Leben zu Leben zu tragen, womit der innere Christus gemeint ist, gekettet an das Kreuz der Materie – unser Licht, unsere Hoffnung, unser Ursprung und unsere Bestimmung. Und weil er, gemäß der alten Lehre, an diese Sphären gekettet für uns leidet und unsere Bürde für uns trägt – unser eigenes Wesen, wohlgemerkt, unsere eigene, innerste, spirituelle Essenz, der Christus in uns – deshalb können wir sagen, – nicht im theologischen, sondern im theosophischen Sinne – daß er für uns sühnt und alles erduldet, gerade weil er unser spirituelles Selbst ist. Dieser Vorgang ist „stellvertretend“ nur in dem Sinne, daß der göttliche Teil von uns das Gewicht, die Bürde, dessen trägt, was wir, die niederen Teile, gedacht und gefühlt und getan haben; dabei läßt er uns Leben auf Leben vollkommene Gerechtigkeit widerfahren und macht uns zu dem, was wir sind und was wir werden sollen. In diesem Sinne wurde die Lehre vom stellvertretenden Sühneopfer zuerst verstanden: Daß der bloße Fleischesmensch nichts ist, daß aber die niedere, unentwickelte und unvollkommene Seite des Menschen diese Rettungsplanke besitzt in Gestalt seines eigenen, göttlichen Funkens, seines eigenen immanenten Buddha, seines immanenten Christus, des Gottes in sich.

Diese alte Lehre sagt uns auch, daß in dem Maße, wie der Mensch von Zeitalter zu Zeitalter wächst und sich entwickelt und Leben auf Leben lernt, dieser wahrhaft spirituelle Teil seines Wesens immer mehr in Erscheinung treten und sich durch das Gemüt, durch das niedere Gemüt, durch den gewöhnlichen Menschen zum Ausdruck bringen wird; und wenn das relativ vollkommen geschieht, haben wir einen großen Seher und Weisen, eine der verkörperten Gottheiten, einen der verkörperten Buddhas, einen der verkörperten Christusse vor uns, nennt sie, wie ihr wollt; mit anderen Worten, einen Menschen, der durch sich selbst als Menschenwesen die Gottheit, die Göttlichkeit zum Ausdruck bringt, die sein eigenes Bindeglied der Selbstheit mit dem Göttlichen ist, einen verkörperten Christus, einen verkörperten Buddha.

Trotzdem trifft es vollkommen zu, daß nur noch die Worte der Lehre an die Stelle ihrer okkulten Bedeutung traten, als diese innere Bedeutung vom immanenten Christus in Vergessenheit geriet. Die Menschen vergaßen die Lehre, daß sie selbst die inneren Christusse sind, daß sie Söhne des Göttlichen sind und daß es ihr herrlichstes Vorrecht und ihre höchste Pflicht ist, durch christusgleiches Denken, Fühlen und Leben von einer Verkörperung zur anderen diese innere Göttlichkeit immer mehr zum Ausdruck zu bringen und vom Menschentum zur Mahatmaschaft, wie wir sagen, heranzuwachsen, zur Meisterschaft, bis schließlich das Ziel erreicht ist und wir rufen können: „Mein Gott, mein Gott, wie hast Du mich verherrlicht!“ – die wahre Wiedergabe der hebräischen Worte, die Jesus am Kreuz gesprochen haben soll: „’Ēlī, ’ēlī, lāmāh shabahhtānī“. Die Übersetzung dieser Worte in den christlichen Evangelien ist falsch, denn „verlassen“ oder „aufgeben“ heißt auf hebräisch ‘āzab, und shābahh heißt „verherrlichen“, „vollkommen machen“; und das Wort, das in den Evangelien steht, ist shabahhtānī, das heißt „du verherrlichst mich“, „du machst mich vollkommen.“

Der Christus im Menschen sprach; kein äußerer Christus, es sei denn in dem Sinne, daß der Christus im Menschen ein Funke des kosmischen Christus ist. Der Buddha ist im Menschen als ein individueller Funke oder Strahl des kosmischen Buddha verkörpert, das heißt, von Ādi-Buddha – ganz gleich, welchen Ausdruck man auch gebrauchen will.

So kam es, daß eine der schönsten und hilf- und trostreichsten Lehren des Urchristentums zu einem unlogischen, theologischen Dogma wurde – eine Hülle aus Worten, aus der der Geist ihrer Bedeutung entwichen ist.

Die Goldene oder die Platonische Kette

Homer war unter den Denkern Griechenlands der erste, der von der Goldenen Kette zwischen Vater Zeus und den Menschen – seinen Kindern – sprach, und daß es diese Goldene Kette der Sympathie und des Mitleids sei, welche die Götter mit den Menschen verbindet. Durch sie, so sagte er, könnten wir Menschen zu den göttlichen Sternen emporklimmen, wo Zeus, der Vater der Götter und Menschen, thront. Später wurde diese wunderbare Idee Homers von Plato so popularisiert, daß von da an die Gelehrten oft von dieser Kette als der platonischen Kette sprachen.

Nun, was ist der tatsächliche Hintergrund dieser wundervollen griechischen Idee, die so voller Hoffnung und voller göttlicher Majestät ist? Es soll damit ausgedrückt werden, daß es für die Menschen einen Weg gibt, den sie beschreiten können. Durch ihn wird es möglich, Göttlichkeit zu erlangen. Diese Kette ist in Wirklichkeit also nur ein gedankliches Bild für einen Pfad, den wir, wenn wir wollen, beschreiten können. Man sagte, die Kette sei aus Gold, weil sie uns zum goldenen Herzen von Vater Sonne, ja weiter noch, zum tatsächlichen Herzen des göttlichen Seins führt, wo die Götter sind. Entlang dieser Leiter, die die Götter und Menschen verbindet, stehen Götter und Lehrer, die uns, den Wanderern, den aufwärts Kletternden zeigen, worauf wir sehen sollten, welche Richtung wir einschlagen müssen, damit wir für immer nach aufwärts und nach innen streben. Bei jedem Glied dieser wundervollen goldenen Kette steht ein Lehrer, dessen gesamte und alleinige Pflicht darin besteht, jenen zu helfen, die unter ihm stehen. Mit anderen Worten, zwischen uns Menschen, Lernenden, die wir sind, und den Göttern, denen wir gleich werden wollen, existiert eine Hierarchie von Lehrern. Ihr alleiniger Zweck ist es, allen Wesen die auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stehen, zu helfen.

Es gibt einen Weg, den uns die Lehrer ins Gedächtnis gerufen haben. Er ist steil und dornenreich. Trotzdem ist er begehbar.

Er führt aufwärts, nach innen, zum innersten Herzen des Göttlichen. Wir bewegen uns auf diesem Weg vorwärts, sind auch jetzt Pilger auf diesem Pfad, obwohl es leider die meisten von uns nicht wissen. Zuweilen straucheln wir, weil wir meinen, wir seien allein, aber der Weg ist da und vor uns marschieren die Weggefährten. Wir müssen sie nur sehen und bemerken. Alle bewegen sich ständig aufwärts und vorwärts. Sie tun dies bereits seit den Zeitaltern der Vergangenheit und werden es auch in der Zukunft tun. Inmitten dieser wunderbaren Armee von Pilgern bewegen auch wir Menschen uns. Einige unter uns sind nicht glücklich darüber, daß sie auf dem Pfad immer wieder stolpern und sich träge verhalten. Sie möchten sich schneller vorwärts und nach oben bewegen. Laßt uns daher uns selbst dafür trainieren, laßt uns unser eigener Lehrmeister sein und unser Geschick selbst in die Hand nehmen. Laßt den inneren und höheren Teil von uns unser Leben bestimmen. Dann werden wir schneller voranschreiten.

Das ist, denke ich, die innere Bedeutung der wundervollen griechischen Lehre von der Goldenen Kette, welche die Menschen mit den Göttern verbindet. Eine wunderbare Lehre.

Versunkene Kontinente und unser Atlantisches Erbe

Es ist wirklich enorm, wie offenkundig die Existenz kontinentaler Landmassen ist, die in prähistorischen bzw. frühen geologischen Zeitperioden versunken sind. Beweise dafür wurden durch kluge Forscher und Schriftsteller zusammengetragen, nicht nur von Theosophen. Bedeutende Wissenschaftler waren ebenso daran beteiligt wie andere Forscher, die ihre eigenen Nachforschungen betrieben. Sie alle versuchten das Rätsel zu lösen, wie sich die Flora und Fauna der heutigen Landmassen auf der Erde ausbreiten konnten und wie es diesen gelang, über Tausende von Meilen breite, wildbewegte und stürmische Ozeane von einem Kontinent zum anderen hinüberzuwechseln.

Lange Jahre versuchte man, die Existenz ähnlicher oder identischer Flora durch Vogelzüge zu erklären. Vögel fressen Samen und scheiden sie wieder aus. Auf diese Weise verbreiten die Vögel im Verlauf der Zeit die Samen über andere Länder und bewirken so ihre Verbreitung; oder Samenkapseln werden von den Wogen des Ozeans mitgerissen, und nach Wochen und Monaten, oder vielleicht nach Jahren, werden sie an eine sandige Küste geschwemmt und schlagen dort Wurzeln! Nach einiger Zeit sperrte sich jedoch der gesunde Menschenverstand gegen eine solche Erklärung. Man sah bald ein, daß diese krampfhaften Anstrengungen besserer und konkreterer Argumente als solcher spekulativer Überlegungen bedurften, um die Ähnlichkeit, wenn nicht sogar die Identität der Vegetation und der Tierwelt in weit voneinander entfernt liegenden Kontinenten, zu erklären.

So waren es die Wissenschaftler selbst, lange vor den Theosophen, die über die Existenz, bzw. die Möglichkeit einer früheren Landverbindung nachzudenken begannen, und eine solche dort suchten, wo heute die stürmischen Wogen des Atlantischen, des Pazifischen oder eines beliebigen anderen Ozeans rollen. Einige Wissenschaftler sammelten Fakten dafür, daß eine solche Verbindung in früheren Perioden der geologischen Geschichte existiert haben muß. Sie hofften, dadurch eine Erklärung für diese Phänomene zu erhalten. Als durch die Geologie und durch weitere Entdeckungen in diesem Wissenschaftsbereich erneute Beweise für die Existenz einer ähnlichen Flora und Fauna auf weit voneinander entfernten Kontinenten vorgelegt wurden, besonders als sich zeigte, daß die Flora und Fauna der Alten und der Neuen Welt sich vor allem in den Ablagerungen des Eozäns, des Miozäns und des Pliozäns ähnelten, bzw. geradezu identisch waren, da sagten sich die Wissenschaftler: Zwischen der Alten und Neuen Welt muß es irgendwann und irgendwo einmal mit Sicherheit eine Landbrücke gegeben haben. Diese Fakten bleiben nach wie vor ungeklärt.

Vor Jahrzehnten haben die Wissenschaftler bereits für noch frühere geologische Zeitalter die Existenz eines großen, kontinentalen Landmassivs im Pazifischen Ozean angenommen. Sclater nannte es nach einem kleinen, affenähnlichen Tierchen Lemurien. Später stellte man sich ein ähnliches, kontinentales Landmassiv vor, das von einigen Wissenschaftlern Gondwanaland genannt wurde, um das Rätsel der Verteilung von Flora und Fauna im Pazifik und anderswo zu erklären, das ohne diese angenommene Landverbindung nicht erklärt werden könnte. Bis heute ist dieses Rätsel nicht gelöst.

Die Abneigung der Wissenschaftler, das zu akzeptieren, was sie mit eigenen Augen sehen, ist merkwürdig. Sie selbst stellten die Frage und hatten die richtige Antwort darauf. Sie sagen: die Existenz eines atlantischen, kontinentalen Landmassivs ist vielleicht möglich, ja sogar wahrscheinlich, aber sie läßt sich nicht beweisen. Den Grund für diese Haltung weiß ich nicht. Hinsichtlich des westlich von uns liegenden Pazifischen Ozeans hat man die Idee akzeptiert. Für den anderen Ozean jedoch nicht, und dennoch gibt es Beweise dafür.

Ich glaube, einer der Gründe für die Abneigung, etwas akzeptieren zu müssen, wofür Tausende von Beweisen vorliegen, besteht darin, daß man sich eine falsche Vorstellung davon gemacht hat, wie diese ehemaligen geologischen Landmassive beschaffen waren. Man scheint sich in die Idee verrannt zu haben, daß Atlantis, eine gewaltige Landmasse von völlig gleichem Typ wie unser gegenwärtiges Land-Meer-System, in einer einzigen Nacht versank, und daß das neue Land, auf dem wir jetzt leben, aus den damals existierenden Ozeanen kam. Das ist Unsinn. Sogar heuzutage weiß man, daß es auf der ganzen Welt Länder gibt, die langsam oder schnell versinken. Andere Länder wiederum steigen langsam, aber mit gleichmäßiger Stetigkeit empor. Dieser Vorgang des Unter- und Auftauchens im Verlauf langer oder kurzer geologischer Perioden ist gerade das, was vormals mit Lemurien und viele Zeitalter später mit dem atlantischen Kontinent geschah. Es dauerte Hunderttausende von Jahren, bis sich an den Hauptgebieten des großen, atlantischen Kontinentsystems, aus großen und kleinen Inseln, großen und kleinen Meeresgebieten bestehend, bemerkenswerte Veränderungen vollzogen – Landgebiete versanken, Ozeane überschwemmten die versunkenen Gebiete und andere neue Landmassen stiegen empor, um deren Platz einzunehmen. Dies hat sich in allen geologischen Zeitaltern ereignet, findet heutzutage statt und wird auch in der Zukunft stattfinden. Doch es gab auch Fälle, wo sogar ziemlich große Inseln sehr schnell, selbst nach unseren relativ kurzen menschlichen Maßstäben, versanken oder sich aus den Wassern erhoben. Immer waren diese Fälle mit Kataklysmen verbunden, wie bei Platons Insel Poseidonis. Der Untergang dieser Insel war in der europäischen Vorgeschichte, wie wir wissen, ein historisches Ereignis. Sie versank vor ungefähr elf- oder zwölftausend Jahren nach furchtbaren Erd- und Seebeben innerhalb eines Tages und einer Nacht. Poseidonis war eine Insel ungefähr von der Größe Irlands. Sie lag westlich der heutigen Straße von Gibraltar im Ozean. Sie bildete jedoch nur noch einen letzten Inselüberrest des großen atlantischen Kontinents. Von ihm blieb sozusagen nur ein kleiner Landstrich übrig, bis auch er schließlich versank.

Ähnlich war es mit Lemurien, der Heimat der dritten Wurzelrasse, wie die Theosophen sagen. Es war keine riesige Landmasse, sondern vielmehr ein ganzes System von Kontinenten, von großen und kleinen Inseln, Ozeanen und Seen. Die Verhältnisse glichen den heutigen. Tatsächlich gibt es von Lemurien und Atlantis auch heute noch Reste, die sich über dem Meeresspiegel befinden. Sie fragen, wie es mit dem wissenschaftlichen Beweis steht. Die Forderung nach der Existenz einer solchen Landverbindung ist so zwingend, daß es eigentlich keines weiteren Beweises bedarf. Wir könnten vielmehr nach einem Grund fragen, weshalb die Existenz einer solchen Verbindung unmöglich sein kann. Eine solche Fragestellung ist völlig rechtens und in sich bereits ein gewichtiges Argument. Ich wiederhole: Es läßt sich auch heute noch feststellen, vielfältig belegbar, daß die Flora und Fauna während der Periode des Eozän, des Miozän und des Pliozän in weit voneinander entfernt liegenden Gegenden und Ländern außerordentlich ähnlich war. Daraus folgt, daß für diese Zeitalter eine Landverbindung zwischen diesen einzelnen Ländern eine zwingende Notwendigkeit war. Die einzige Alternative dazu wäre davon auszugehen, daß in jenen für uns jetzt weit zurückliegenden geologischen Zeiträumen ein äußerst zivilisierter, mächtiger Stamm der menschlichen Rasse existierte, der mittels technischer Erfindungen, die den unsrigen ebenbürtig waren oder sie sogar übertrafen, imstande war, Pflanzen und Tiere infolge eigener Wanderbewegungen und durch die Errichtung von Kolonien von Kontinent zu Kontinent zu verpflanzen. Das käme aber auf dasselbe heraus.

Wenn wir anerkennen, daß sich die Länder im Verlauf der geologischen Abläufe heben und senken, und daß sie dazu langer Zeiträume bedürfen – Vorgänge, die über Jahrtausende, Jahrmillionen ablaufen – welche Antwort läßt sich dann finden? Beweisen Sie mir, daß Atlantis nicht existiert haben kann. Man könnte sich Tage und Nächte allein über die fast unzähligen Fakten unterhalten, die von Gelehrten aller Fachrichtungen über dieses Thema zusammengetragen wurden. Ganze Bücherberge wurden darüber geschrieben.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Gedanken vorbringen: Die Atlantier waren, wie wir heutzutage auch, ein großer Rassenkörper. Sie hatten unterschiedliche Hautfarbe, unterschiedliches Haar und eine andere Vorgeschichte als wir. Aber alle waren menschlich oder zumindest halbmenschlich. Einige von ihnen waren gut. Die meisten jedoch waren, wenn man nach den gängigen Vorstellungen von Gut und Böse urteilt, böse – weitaus böser als wir. Doch wir sitzen selbst im Glashaus! Weiß der Himmel, wir sind schlecht genug. Aber gegenüber unseren atlantischen Ahnen sind wir absolut ein Fortschritt. Obwohl es während der Millionen von Jahren, in denen Atlantis existierte, Millionen von Menschen gab, die dem Weg des Göttlichen und des Geistes folgten und ihn dem Materialismus und der Ausübung selbstsüchtiger Kräfte vorzogen, gefiel es der überwältigenden Mehrheit der Menschen jener Zeit, brutale Gewalt und rücksichtslose Stärke auszuüben, sich dem Materialismus zu verschreiben und den Einflüsterungen des niederen Selbst zu folgen. Selbstsüchtiges Verhalten war das dominierende Kennzeichen für die atlantische Rasse. Wir praktizieren es zwar auch noch, aber wir haben jetzt in unserer Rasse wenigstens einen Punkt erreicht, an dem wir selbstsüchtiges Verhalten nicht länger mehr glorifizieren. Wir erkennen es und schämen uns dafür. Das zeigt, daß Spiritualität, wenn auch langsam, in unser Bewußtsein eintritt. Selbst Schwindler sind sich dessen bewußt, daß Ehre, Recht, richtiges Verhalten und Rechtschaffenheit die Schlüsselworte sind, um die Herzen und Gemüter zu bezaubern. Für die Atlantier war die Ausübung von Macht und Gewalt alles. Sie verschrieben sich materiellen Dingen wie Vermögen und Reichtum. Aber es waren nicht alle so. Es gab Millionen und Abermillionen von Menschen unter ihnen, die in ihren Herzen das Göttliche, das Recht und die Gerechtigkeit hochhielten. Das waren die Auserwählten. Von diesen wurden die Mysterienschulen gegründet, die bis zum heutigen Tag existieren. In diesen Schulen hatten alle großen Religionen, Philosophien und Wissenschaften, wie sie die menschliche Geschichte kennt, ihren Ursprung. Diese wurden ins Leben gerufen, um die Menschen vor üblen Dingen zu bewahren, um zu helfen, sie zu erheben, sie sanftmütiger zu machen und zu verfeinern. So entstand die Zivilisation.

Geradeso wie die heutige Theosophische Gesellschaft aus dieser Schule stammt, so hatten auch die theosophischen Gesellschaften in früheren Zeitaltern darin ihren Ursprung. Alle wurzelten sie in den weit zurückliegenden Zeiten von Atlantis und sind mit jenen in Verbindung zu bringen, die damals das Recht, die Ehre, die Gerechtigkeit, die Wahrheit, die Vernunft und das Mitleid höher schätzten als Gewaltanwendung, Machteinsatz und auf Selbstsucht begründete Privilegien. Wir nennen sie Söhne des Göttlichen, Söhne Gottes. Sie taten sich zusammen, bildeten eine Gruppe und errichteten die ersten Mysterienschulen. In diesen wurde anstelle von Gewalt und dunklen Selbstinteressen der Geist der Wahrheit gepflegt, verehrt und gelehrt. Man sollte darüber nachdenken, wie diese Gedanken das Denken der Menschen beeinflussen. Beobachten Sie nur einmal unsere heutige Welt und machen Sie sich klar, wie ein Denken aus selbstsüchtigem Profit, Gewinnsucht und Egoismus die Menschen in die Irre führen kann. Der alte atlantische Geist ist noch immer unter uns lebendig. Aus diesem Grunde sagte auch H. P. Blavatsky, daß das atlantische Karma noch schwer auf uns lastet, auf unseren Seelen und auf unseren Gemütern. Wir sind noch immer unter seinem Einfluß, aber wir sind dabei, uns von ihm zu befreien und uns seiner Umklammerung zu entziehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend noch folgendes bemerken. Es gibt gegenwärtig gewisse Leute, die sich über Theosophie äußern und sagen: „Das ist alles recht und gut, aber sie vertritt die östliche Tradition, wir folgen lieber der westlichen Tradition.“ Die Theosophische Gesellschaft als Vertreterin der östlichen Tradition zu bezeichnen ist blanker Unsinn, denn sie ist der Urahn von allen Traditionen. Sie vertritt weder eine östliche, westliche, nördliche, noch eine südliche Tradition. Sie umfaßt alle, denn alle haben in ihr ihren Ursprung. Theosophie ist die Quelle von allem. Sie betrachtet alle diese verschiedenen Erscheinungformen als ihre Abkömmlinge. Sie ist daher imstande, alle ihre Kinder zu versöhnen, zu vereinigen und ihnen Trost zu bringen, denn in spiritueller Hinsicht stammen alle von ihr ab.

Wahrlich, auch gegenwärtig hungern wir mit der ganzen Kraft unserer Herzen und Seelen nach Wahrheit. Auch heute noch ist es das Kennzeichen für einen großen Menschen oder einen großen Denker, daß er sich dem Dienen und dem Studium hingibt. Wissen Sie, das Herrlichste, was man von einem Menschen sagen kann, ist die Feststellung, daß er sich als Schüler fühlt, daß er die göttliche Weisheit studiert, daß er von seinen anderen Mitgefährten lernt, daß er anderen gegenüber gütig ist, daß er stets das Gute in dem sieht, was ein anderer anzubieten hat, und daß er immer danach strebt, in seinem Denken und in seinem Herzen Aufrichtigkeit, Anstand, Reinheit und Schicklichkeit zu praktizieren. Dies ist der „Sesam öffne dich“, der die Menschenherzen aufschließt. Lassen Sie den atlantischen Geist sterben. Lassen Sie ihn mit dem toten Gebein der Vergangenheit begraben sein. Haß, Abneigung, Feindseligkeit, Unverstand und Ungerechtigkeit sind seine Produkte, Engstirnigkeit und Bedeutungslosigkeit seine Folgen.

Drei Stufen zur Erkenntnis der Wahrheit

Die psychologische Öffnung eines menschlichen Wesens für die Wahrheit, für den Zugang zu göttlicher Weisheit – anders ausgedrückt, das Training, dem sich jeder wahre Theosoph unterzieht – beginnt in dem Augenblick, in dem er sich berührt fühlt und sein Herz öffnet, beginnt selbst dann, wenn er sich dessen gar nicht bewußt ist. Dieses Öffnen des Herzens kann in drei Stufen unterteilt werden. Wir sind mit ihnen durch den Buddhismus vertraut, der seinen Ursprung aus Indien kommend in China nimmt. Er ist unter der Sanskritbezeichnung Dhyāni-Buddhismus bekannt und wird in Japan Zen-Buddhismus genannt. Die Sache wird in etwa mit den folgenden Gedankengängen zum Ausdruck gebracht, die gleichermaßen von der Theosophie angewandt werden, denn die Zen- oder Dhyāni-Form des Buddhismus sind ja Zweige theosophischen Denkens.

Der Schüler betritt die Vorhalle des Tempels der Weisheit, und wenn er später den Tempel selbst betritt, geht er durch drei Phasen der inneren Öffnung – das sind die Worte, die benutzt werden. In der ersten Phase sind die Berge Berge, und die Gewässer der Erde sind Gewässer. Man hält sie für wert, studiert und erforscht zu werden. Man sieht ihre Wunderwelt und erfaßt sie mit den Sinnen, und trotzdem bleiben sie nur Berge und nur Gewässer.

Aber durch Studium und Verlangen nach Wahrheit stellt sich bei dem Schüler schließlich die zweite psychologische Öffnung des Charakters, des Verständnisses und seines Wesens ein. Er begreift, daß die Berge und die Gewässer, wie wunderbar und des Studierens wert sie auch sein mögen, lediglich Aspekte, Erscheinungsformen, Phänomene von dahinter liegenden Noumena sind, die Auswirkungen unsichtbarer und verborgener Ursachen. So begreift er in dieser zweiten Phase, in der er sein Inneres öffnet, daß er, wenn er die Wahrheit erreichen will, tiefer gehen und die Wissenschaft studieren muß, die sich mit den Bergen und den Gewässern der Erde beschäftigt. Er muß die Gründe ihrer Entstehung erforschen, die zugrundeliegenden Ursachen und Energien kennenlernen, welche die Berge und die Gewässer ins Leben gerufen haben. Er begreift, daß die Berge und Gewässer, da sie lediglich Wirkungen, Phänomene, Erscheinungsbilder sind, wie relativ wirklich sie auch sein mögen, nur eine Illusion, eine Māyā sind. Die wirkliche Wahrheit liegt jenseits davon und hinter dieser Māyā. Sein gesamtes Wesen wird durch diese Einsicht mit Staunen erfüllt.

Allmählich beginnt der Schüler dann die tiefe Weisheit des alten Ausspruchs zu begreifen, daß das ganze Universum eine Erscheinung und deshalb eine Illusion ist. Illusionär allein in dem Sinne, weil wir es nicht mit den richtigen Augen sehen. Es bedeutet nicht, daß das Universum nicht existiert. Das ist absurd und wäre eine falsche Schlußfolgerung. Aber er begreift, daß wir es nicht im richtigen Sinne verstehen, daß wir dahinter blicken und in sein Inneres sehen müssen. Das Sichtbare sollte als Folgerung des Unsichtbaren gesehen werden; die Wirkungen sollten uns darüber belehren, daß ihnen Ursachen vorausgehen. In dieser Phase, und dies bildet den erlesensten Teil der zweiten Periode dieses Trainingssystems, dem sich der Theosoph unterzieht und das ihm so teuer ist, weil es psychologische Schleier entfernt, beginnt er seine wahre Einheit mit allem Existierenden zu fühlen, begreift er doch, daß er, als physischer Mensch gesehen, nur ein Phänomen darstellt, eine Folgeerscheinung. Er versteht, daß er in Wirklichkeit das Ergebnis verborgener und unsichtbarer Ursachen ist. Er sieht ein, daß hinter dem Phänomen des physischen Menschen ein menschliches, geistiges Noumenon existiert. Seine Ehrfurcht wächst, und ein überwältigendes Gefühl einer alles verbindenden Schönheit senkt sich in sein Herz. Er bemerkt, daß er mit allen Lebewesen und Geschöpfen, die das Universum erfüllen, eine Einheit bildet. Von diesem Augenblick an beginnt er einzusehen, daß ethische Vorschriften nicht nur das Ergebnis menschlicher Übereinkunft sind. Moralische Prinzipien haben ihre Wurzeln tatsächlich in der Tätigkeitsweise und in dem Stoff der universalen Natur selbst. Überwältigend fühlt er seine Einheit mit allem, was ist: „Ich und mein Vater sind eins.“

Das führt zu der dritten Stufe der psychologischen Öffnung. Damit verwirklicht der Suchende das wundervollste Paradoxon, von dem er in den zwei vorhergehenden Stufen bereits Kenntnis erhalten hat. Bei diesem dritten Schritt erfährt er, daß nach innen und aufwärts, weit nach oben und dennoch stets nach innen, die Berge und die Gewässer doch real sind in einem bestimmten, wunderbaren Sinn, denn so illusorisch sie auch für unser relativ unvollständig entwickeltes menschliches Verständnis sein mögen, ist es dennoch fundamentale Realität, die sie hervorgebracht hat, genauso wie wir als Phänomen hervorgebracht worden sind.

So sehen wir gleichzeitig, daß die einzige Wirklichkeit das Göttliche ist und andererseits, daß dieses Göttliche, weil es völlige Wirklichkeit ist, in einem gewissen Sinne sogar die illusionäre Erscheinung der kosmischen Phänomene zu einer Wirklichkeit macht. Wenn wir dies auf uns selbst anwenden, fühlen wir, daß der einzig wirkliche Teil des Menschen das Göttliche in seinem Inneren ist. Und doch fühlen wir, gerade weil dieses Göttliche eine Wirklichkeit ist, daß jenes tatsächlich physische Phänomen, das wir den physischen Menschen nennen, in einem gewissen, wunderbaren Sinne, ebenso real ist. Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück, der Kreis hat sich geschlossen. Zunächst gab es nur die Berge und Gewässer. Sie waren die einzig realen Dinge. Dann wurden die Berge und Gewässer so gesehen, als wären sie nur die Hüllen, die Gewänder von verborgenen, unsichtbaren Wirklichkeiten. Der nächste Schritt brachte uns schließlich zu der Einsicht, daß, weil die letzteren wirklich sind, sie nicht Dinge hervorbringen können, die essentiell unwirklich sind. Wir kommen damit zu der Schlußfolgerung, daß die Berge und Gewässer, welch seltsames Paradoxon, beides sind: wirklich und eben auch unwirklich. Glücklich der Mensch, der diesen dritten Schritt verstehen kann.

Der Schlüssel, dies zu verstehen, liegt in einem Gedanken, den ich wiederum aus dem Dhyāni-Buddhismus entnehmen will, weil dieser im Westen recht gut bekannt ist, hauptsächlich durch die Schriften von Professor Suzuki aus Japan, die dieser über den Zen-Buddhismus verfaßt hat (nebenbei bemerkt, stammt das Zitat nicht von ihm). Nun zu dem Gedankengang aus dem Zen-Buddhismus. Hören Sie aufmerksam zu, denn die Bedeutung ist nicht leicht zu erfassen. „Im Wind der Berge und im Sonnenlicht der Niederungen, im Einbruch der Nacht und in den Nebelschleiern der Dämmerung ruft es laut: Jenes allein war, ist und bleibt.“

Das ganze Universum ist Jenes. Alle seine Phänomene sind von göttlichen Noumena hervorgebracht, von göttlichen Gedanken, so daß sie essentiell in einer göttlichen Einheit verschmolzen sind. In einer fast pragmatischen Weise können wir den Gedanken entwickeln und sagen, daß alle Menschen Brüder sind, daß jeder einzelne seines Bruders Hüter ist. Sehen Sie den Pfad der Führung? Jegliche Verletzung des Pfades bedeutet, daß man sich selbst in Opposition zu der gesamten universalen Natur setzt.

Es gibt einen Weg zu Frieden, Glück, Weisheit und Stärke. Wenn ein Mensch erst einmal verstanden hat, daß er mit der Natur eins ist und die Natur eins mit ihm, dann wird sein Bewußtsein, indem es Schwingungen erzeugt, schwingungsgleich mit den Pulsschlägen des kosmischen Herzens. Das ist der Grund dafür, warum die großen Weisen und Seher Wunder wirken können in der Welt: Heilen, und sich in die Luft erheben; das Bewußtsein über den Tod hinaus behalten; das denkende Ego zu weit entfernten Orten schicken und dort alles in seiner Umgebung selbstbewußt wahrzunehmen und zu sehen und viele Dinge mehr. Das Universum und wir sind eben eins. Es gibt nur ein Leben, und dieses Leben ist ebenso kosmisches Denken.

Aham Asmi Parabrahma

Strahlender Glanz kennt wie die allmächtigen Schwingen der Liebe keine Grenzen, er vermag alles zu durchdringen. Dieser Gedanke kam mir heute Nachmittag in den Sinn, als ich unserem Vortragsredner zuhörte, der uns so schöne und tiefgründige Ausschnitte aus den archaischen Weisheitslehren der Menschheit vortrug – Lehren, die nicht einer einzelnen Rasse und nicht einem bestimmten Zeitalter angehören und die, da sie ursprüngliche Wahrheit sind, so wie sie uns Menschen hier auf der Erde gelehrt werden, nicht nur in irdischen, sondern auch in göttlichen Sphären gelehrt werden müssen. Es fiel mir auf, daß der Kern seines hervorragenden Vortrags folgender war: daß wir Menschen, wie tatsächlich alle anderen Dinge und Wesenheiten auch, nur Teile eines gewaltigen kosmischen Ganzen sind, trotz unserer Mängel und Mißerfolge engstens miteinander verbunden, unser gemeinsames Schicksal weben. Deshalb reagieren wir auch in dem Maße, wie unser individuelles Verständnis entwickelt ist, auf jenen kosmischen Ursprung, den die Christen Gott nennen, und den ich lieber als das Göttliche bezeichne, aus dem wir kamen, und mit dem wir auf immer untrennbar verbunden sind und sein werden, und in das wir nach unserer zeitalterlangen Pilgerfahrt zurückkehren werden. Wenn wir Menschen doch nur diesen einen Gedanken in unserem Herzen lebendig erhalten könnten und unser Denken jeden Tag davon anregen ließen! Wie würde dadurch die Mühsal des menschlichen Lebens gemildert, wie sehr würden wir Menschen dadurch gelehrt, unsere Brüder wie Brüder zu behandeln und nicht wie böse Feinde!

Sehen Sie nicht, daß diese Lehre wunderbar ist, weil es die Lehre eines Genius ist? Sie enthält alles, das ganze Gesetz und die Propheten. Und wie lautet diese Lehre? Kurz und bündig besagt sie einfach, daß das kosmische Leben ein kosmisches Drama darstellt, in dem jedes Wesen – sei es ein Übergott, Gott, Halbgott, Mensch, Tier, eine Monade oder ein Atom – seine ihm gemäße Rolle spielt; und daß all diese dramatischen Darstellungen miteinander verwoben sind und zu einem einzigen großen kosmischen Ziel führen – zu dem es, nebenbei gesagt, keine Alternative gibt. Daher kommen wir mit jedem Menschentag jener Zeit in der ungeheuer weit entfernten Zukunft näher, wo wir alle wieder einmal wiedervereint in den tiefen Schoß äußersten kosmischen Seins eingehen werden – nennen Sie es Gott, nennen Sie es Göttlichkeit, nennen Sie es Geist, wie immer Sie wollen. Dann wird das Drama beendet sein. Der Vorhang wird fallen, und es wird eine Ruheperiode beginnen, die wir Theosophen als Pralaya bezeichnen. Aber genauso wie im Menschenleben nach der Nacht wieder der Tag beginnt, dämmert am Ende der Nacht des Pralaya wieder das Manvantara, der kosmische Tag. Der Vorhang auf der kosmischen Bühne geht wieder einmal hoch. Jede Wesenheit, jedes Wesen beginnt dann sein kosmisches Spiel, seine Rolle, exakt an dem metaphysischen und mathematischen Punkt, an dem es aufhörte, als die Glocken des Pralaya jenen kosmischen Vorhang über das Manvantara oder die eben beendete Weltperiode herabläuteten. Alles beginnt wieder, genau wie eine Uhr oder Armbanduhr, die stehengeblieben war und wieder aufgezogen wurde, wieder an dem Punkt anläuft, an dem ihre Zeiger stehengeblieben waren.

Dieser einfache Begriff der Identität des Menschen mit dem Kosmos, mit all den religiösen, philosophischen, wissenschaftlichen und moralischen Folgerungen, die darin enthalten sind, ist älter als der denkende Mensch. Wir sind eins, und dennoch wissen wir es nicht, wir erkennen es nicht, so daß wir in dem Drama des Lebens auf der Bühne all diese Torheiten begehen, und die Tragödie wird zur Komödie, und die Komödie wird durch unsere eigene Schuld zur Tragödie!

Ich möchte etwas zitieren, das ich liebe und von Kindheit an geliebt habe. Ich lernte es, als ich ein Kind war, und fand es wieder in dem Buch Die Geheimlehre von H. P. B., als ich nach meiner Jugendzeit in die T. G. eintrat. Es ist folgendes: Die Szene zeigt einen Hindu-Guru oder Lehrer. Ein Schüler steht oder sitzt vor ihm, und er prüft das Wissen dieses Schülers in bezug auf die Lehren, die dieser Schüler empfangen hatte, und er fragt: „Chela, Kind, erkennst du in den Lebewesen um dich etwas, das von dem Leben, das durch deine Adern fließt, verschieden ist?“ „Es besteht kein Unterschied, o Gurudeva. Ihr Leben ist das gleiche wie mein Leben.“ „Oh Kind, erhebe dein Antlitz, und betrachte den violetten Dom der Nacht. Betrachte jene herrlichen Sterne, jene Wesen, die in der kosmischen Pracht über unseren Häuptern funkeln und strahlen. Siehst du das kosmische Feuer, das in allen Dingen brennt und das ganz besonders hell in diesem und jenem und dem leuchtenden Stern dort drüben scheint? Kind, erkennst du irgendeinen Unterschied zwischen diesem kosmischen Licht und dem kosmischen Leben, das aus unserem eigenen Tagesgestirn hervorleuchtet, oder dem, das in deinem eigenen Herzen Tag und Nacht brennt?“ Und das Kind antwortet: „O Gurudeva, ich sehe keinen Unterschied zwischen Leben und Leben, zwischen Licht und Licht, zwischen Kraft und Kraft, zwischen Geist und Geist, außer in Abstufungen. Das Licht, das in meinem Herzen brennt, ist das gleiche Licht, das im Herzen aller anderen brennt.“ „Du siehst gut, Kind. Nun vernehme den Kern dieser ganzen Lehre: AHAM ASMI PARABRAHMA.“ Und das Kind, das in Sanskrit unterrichtet worden war, im vedischen Sanskrit, versteht und neigt sein Haupt, „Prāñjali“. Dies bedeutet: „Ich bin das Grenzenlose, ich selbst bin Parabrahma, denn das Leben, das in mir pulsiert und mir meine Existenz verleiht, ist das Leben des Göttlichsten des Göttlichen.“ Kein Wunder, daß das Kind begriffen hat. Bin ich ein Kind Gottes? Im innersten Grunde ist es das einzige, was ich bin, und wenn ich versäume, dies zu erkennen, ist es nicht die Schuld des Göttlichen, sondern meine eigene.

Sie werden diese Lehre in jedem der großen Systeme finden, die der Genius der Menschheit errichtet hat. Religion ist sie; die Philosophie entstand aus ihr; und die Wissenschaft strebt jetzt hin zu ihr und fängt an, schwach zu ahnen, was sie bedeutet. Denken Sie an unsere kleinen, menschlichen Angelegenheiten – klein, wenn man sie mit der gewaltigen kosmischen Majestät vergleicht, die uns in schützender Fürsorge umgibt –, denken Sie, wie es wäre, wenn jeder Mann und jede Frau auf der Erde völlig von der absoluten Realität dieser kosmischen Wahrheit überzeugt wäre! Nie mehr würde dann ein Mensch seine Hand gegen einen anderen Menschen erheben. Es gäbe stets nur die ausgestreckten Hände der Hilfe und Bruderschaft. Denn ich bin mein Bruder – in unserem Innersten sind wir eins. Und wenn wir getrennt sind, dann wegen der Kleinlichkeiten, die uns sozusagen zu einem Atom statt zu der spirituellen Monade machen, die für jeden einzelnen von uns der Ursprung ist. Diese Monade ist durch und durch aus dem Stoff der Göttlichkeit. Wie Jesus der Avatāra es in seinem wunderbaren Ausspruch sagte: „Ich und mein Vater sind eins“ – der Vater und der göttliche Funke, der Funke der Göttlichkeit, der mit dem kosmischen Leben identisch ist, mit dem universalen Meer des Lebens –, um ein anderes Bild zu gebrauchen. Diese Vorstellung vom kosmischen Meer des Lebens, von dem wir alle in unserem Innersten und Höchsten ein Tröpfchen sind, hatte Gautama, der Buddha, im Sinn, als er von jenem letzten Ende aller Wesen und Dinge sprach; denn alle Wesen und Dinge sind, wie er sagte, in ihrer Essenz selbst Buddha, und eines Tages werden sie selbst Buddhas werden, wenn, wie es Edwin Arnold so wundervoll ausdrückte, der Tropfen Tau in das Meer von Licht entschwindet. CONSUMMATUM EST.

Chronologie

(Die einzelnen Beiträge nach ihrem Entstehungsjahr geordnet, soweit dies möglich war)

1931

Die exoterische und die esoterische H. P. B.

1934

Was ist Wahrheit?
Verlagern wir unser Bewußtseinszentrum

1937

Stärke und Ausgewogenheit im Okkultismus
Zivilisation wird aus Gedanken erbaut
Der einzige Ausweg
Der Lohn des Selbstvergessens
Die Theosophie Chinas
Junge Menschen und Theosophie
Die Beziehung des Endlichen zum Unendlichen
Laßt das Christuskind leben

1938

Altruismus
Die göttliche Entsprechung
Der direkte Weg zur Weisheit
Warum nicht über sich selbst lachen?
Die Ursachen für das Leid in der Welt und seine Heilung
Die Beseelung des Menschen
Die Welt mit Ideen erobern
Die Verantwortung der Wissenschaftler
Über das Heilen
Zeit, Dauer und das ewige Jetzt

1939

Wo die Meister arbeiten
Der Prüfstein der Wahrheit
Verhaltensregeln
Gesunder Menschenverstand zu Hause
Ermutigung auf dem Pfad
Die Orakel der Alten
Der Weg der Natur nach dem Tod
Der Wein als mystisches Symbol
Die alte Lehre vom stellvertretenden Sühneopfer
Gebet und Streben
Furcht, die große Zerstörerin
Wir haben keine Dogmen

1940

Der Wind des Geistes
Der Mensch ist sein eigener Erbe
Nach dem Tod bist Du – Du selbst
Schönheit und Wissenschaft
Gestalten Sie Ihr Schicksal
Die Essenz von H. P. Blavatskys Botschaft
Der Yoga der Theosophie
Das verständnisvolle Herz
Karma: angenehm und unangenehm
Die Überwindung des Zweifels
„Die Rache ist mein“
Das menschliche Bewußtsein
Theosophen und Gebet
Verlust der Seele und Unaufrichtigkeit
Mißbrauch des freien Willens
Hilfe von den Göttern
Die Natur in stillem Gebet
Zwei Auffassungen von der Realität
Engel und Dämon
Wo kann die Wahrheit gefunden werden?
Wissen bringt Verantwortung
1940 (Fortsetzung)
Der Widersacher
Die lebenden Buddhas in Tibet
Die Goldene oder die Platonische Kette
Drei Stufen zur Erkenntnis der Wahrheit
Über die Vorbestimmung
Die jungfräuliche Geburt
Der Weihnachtsbaum

1941

Wo sind die Weisen und Seher?
Errette Dich selbst
An jene, die trauern
Wenn man Fehler macht
Die Vision Buddhas des Herrn
Stärke durch Übung
Eine ausgeglichene und visionäre Haltung
Karmische Folgen und Bardo
Hilfe von den Göttern
Führe uns nicht in Versuchung
Mit Sanftheit und Güte gewinnen
Pflicht und moralisches Gleichgewicht
Drei Aspekte Karmas
Die vier Yugas
Wie kann man Reinkarnation beweisen?
Gedanken über Karma
Versunkene Kontinente und unser atlantisches Erbe
Soll man Vorsätze fassen?
Wie Ostern ein christliches Fest wurde
Universalität und die Esoterische Tradition

1942

Das Gebot des Pythagoras
Wo zwei oder drei versammelt sind
Die Hingabe des Selbst
Initiation und Leiden
Der Schutzengel
Überwachen Sie Ihre Denkprozesse
Vergebung und karmische Handlung
Ein Leben – ein Gesetz
Der Mensch in einem gerechten und geordneten Universum
Der Berg des Verstehens
Das unbesiegbare Feuer des Geistes
Das Geheimnis der menschlichen Konflikte
Das Herz wird gewogen
Was ist das Alter?
Die verlorene Sache des Materialismus (13. September)
Aham Asmi Parabrahma (20. September)