Die Evolution des Menschen

Die Bedeutung des Wortes ‘Mensch’

Zunächst einmal sollten wir definieren, was wir unter dem Wort ‘Mensch’ verstehen. Wenn auch die wissenschaftlichen Evolutionisten mit ihren Theorien bezüglich der Evolution des menschlichen Körpers Recht haben sollten, würden sie dennoch über den Ursprung der menschlichen Intelligenz und der menschlichen Seele – mit einem Wort: den Ursprung des Menschen selbst – vollkommen im Dunkeln tappen. Das ist der Gedanke, der bei den Anti-Evolutionisten so lebendig ist – wie unzureichend auch immer sie ihre Bedenken in Worte fassen können. Sie sind sich bewusst, dass sie sich durch die Annahme des wissenschaftlichen Standpunkts der animalistisch-materialistischen Betrachtungsweise der menschlichen Natur ausliefern würden. Die Wissenschaftler ihrerseits können dann wieder entgegenhalten, dass dieser Aspekt der Angelegenheit sie nichts angeht und dass sie lediglich die materiellen Fakten studieren. Es ist aber eine Tatsache, dass ein so materialistischer und mechanistischer Standpunkt das Denken beeinflusst und einen pessimistischen Blick auf die menschliche Natur unterstützt. Viele sehen in der Wissenschaft eine Art Religion – eine Religion, welche die Gottheit leugnet oder zumindest negiert; eine Religion, die den Menschen, was seine Abstammung betrifft, ins Tierreich verweist. Selbst das tierische Bewusstsein oder die Intelligenz, die eine Pflanze ihrer Art und Funktion entsprechend wachsen lässt, kann nicht als mechanistisches oder chemisches Produkt interpretiert werden. Noch viel weniger kann das in Bezug auf den Geist des Menschen der Fall sein. Wir wollen nach innen schauen und versuchen, die Tiefen unseres eigenen wunderbaren Bewusstseins zu ergründen. Wenn es aus der Materie hervorkommt, müsste die Materie Gott sein. Gleiches bringt Gleiches hervor; und Flüsse können nicht höher fließen als ihre Quelle. Unser Bewusstsein ist ein Teil eines Bewusstseins-Meeres, unser Denken ein kleines Lichtbündel; und unser physischer Organismus kann nicht mehr sein als die Leinwand, auf die das Licht projiziert wird.

Die Theosophie beschäftigt sich mit der Wirklichkeit. Und was ist wirklicher als unsere eigene bewusste Existenz? Wir können uns als Ausgangspunkt nichts Wesentlicheres vorstellen, als unser eigenes Bewusstsein. Die Evolution des Geistes verläuft in der der Materie entgegengesetzten Richtung. Beim Zusammentreffen dieser beiden wird das Denkvermögen gebildet. Genaugenommen ist der Mensch das Resultat zweier zusammenfließender evolutionärer Entwicklungen: der des Geistes und der der Materie. Das gesamte manifestierte Universum ist durch die Vereinigung von Geist und Materie gebildet, durch kosmisches Leben und Bewusstsein, die sich Vehikel aufbauen, um sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Wie gesagt, es wäre besser von der Involution des Geistes in die Materie und der daraus entspringenden Evolution der Materie zu sprechen. Die Wissenschaft studiert die Evolution der Materie, nicht die Involution des Geistes. Außerdem versucht man beides als ein und denselben Prozess zu betrachten. Das Denkvermögen stellt man sich als ein Produkt der Evolution vom Tier- zum Menschenreich hin dar. Es ist der Geist, der die Entfaltung der Organismen verursacht; die Form verändert sich und passt sich den zunehmenden Fähigkeiten der innewohnenden Monade an. Wir können eine Analogie aus der Wissenschaft entlehnen: nämlich die Wirkung von Wärme, die verschiedene Veränderungen verursacht. Zum Beispiel wird Wasser zu Wasserdampf und weiter resultieren aus der Zufuhr von Wärme zahlreiche chemische Veränderungen. Wir erkennen hier, dass Wärme das unsichtbare Mittel ist, das sichtbare Veränderungen verursacht. Aber viele Biologen argumentieren, als wären die Veränderungen von selbst geschehen und Wärme ein Nebenprodukt dieses Prozesses. Da man von einem Wissenschaftler erwartet, dass er alle seine inneren Sinne verschließt und die Natur mit nüchternem Blick betrachtet, entgeht ihm möglicherweise der Bewusstseinsfunke im Auge des Tieres, den er als etwas, das mit ihm selbst verwandt ist, erkennen könnte.

Das Selbstbewusstsein

Der Mensch ist nicht das Endprodukt einer Reihe von Pflanzen- und Tierformen, denn es gibt eine ganz deutliche Kluft – die Kluft des Selbstbewusstseins, wie bereits vorher erwähnt. Der Mensch hat das Vermögen, sein eigenes Bewusstsein zu erforschen, und es liegt in seiner Macht, sich zu verändern, indem er seinen Willen und seine Vorstellungskraft einsetzt. Tiere besitzen diese Fähigkeiten nicht. Sie sind entweder da oder nicht, eine Zwischenform gibt es nicht. An dieser Stelle müssen wir jetzt eine unter Vorbehalt gemachte Aussage ergänzen, als wir nämlich sagten, der Mensch sei das Produkt einer dualen Evolution. Wir werden ihn jetzt als ein Produkt dreier verschiedener Evolutionslinien betrachten. Die dritte ist die Linie des selbstbewussten Denkens.

Gemäß den religiösen Kosmogonien, einschließlich der Bibel, wurde der Mensch ursprünglich aus dem Stoff der Erde geschaffen und zu einer lebenden Seele gemacht, das heißt einer animalischen Seele, in Übereinstimmung mit einer genauen Übersetzung aus dem Hebräischen. Später wurde diese Seele mit dem göttlichen Feuer begabt, so dass der Mensch nach Gottes Vorbild und Ebenbild geschaffen wurde. Das ist eine Universallehre, und es gibt nichts, worüber mehr Einstimmigkeit bestanden hätte, als über die duale Schöpfung des Menschen. Die Wissenschaft wird diese Wahrheit gewiss einmal bestätigen, auch wenn sie anstelle der biblischen eine eigene Terminologie benutzen wird.

Die Tatsachen lehren uns, dass Intelligenz in dem einen Menschen durch einen anderen Menschen geweckt wird. Ein Kind, das sich selbst überlassen bleibt, ist nicht imstande, seine Intelligenz zu entwickeln, sondern es würde zu einer Art instinktiv lebendem Wesen werden. Einige Beispiele dafür sind bekannt. Das Kind lernt von seinen Eltern und Erziehern durch Belehrung und Nachahmung, und später wird es in der Schule unterrichtet. Wichtige Veränderungen im Denken des Menschen wurden immer von großen Geistern in Gang gesetzt, von einzigartigen Denkern von Format, die Schüler anzogen, von denen sich die Woge auf das Denken der Massen übertrug. Das Licht wird immer weitergegeben werden. Tatsächlich ist in jedem Menschen Intelligenz latent vorhanden, aber sie bleibt latent, wenn sie nicht zum Leben erweckt wird. Die höchst entwickelten Tiere bleiben das, was sie sind, und sie zeigen nicht die Neigung, Intelligenz zu entwickeln. Welche Argumente könnten wir zur Unterstützung der Annahme vorbringen, dass das in der Vergangenheit anders gewesen sein sollte? Die Suche nach fossilen Überresten von Wesen, die in der Evolution zwischen dem Menschen und den Menschenaffen stehen, ist ohne Erfolg geblieben. Es ist wahrscheinlich, dass die Knochen von degenerierten menschlichen Wesen als Zwischenglied betrachtet werden können. Die Ähnlichkeit in der Struktur des Menschenaffen und des Menschen wirkt nach beiden Seiten und kann deshalb genausogut als Beweis für die Tatsache dienen, dass der Affe vom Menschen abstammt; es gibt Biologen, die der Meinung sind, dass das tatsächlich durch die Fakten bestätigt wird.

Der Mensch ist also das Produkt von drei Hauptlinien der Evolution. Die dritte Linie ist die der manasischen Evolution – das heißt die Evolution von Manas, dem selbstbewussten Denken. Es ist dieses selbstbewusste Denken, das den Menschen so deutlich von den höheren Tierarten unterscheidet und das kann nicht – wie bereits gesagt – die Folge von direkter Evolution des nicht selbstbewussten Tieres sein. Es ist eine Errungenschaft des Menschen in einem bestimmten Stadium seiner Evolution. Es gab eine Zeit, in der er das selbstbewusste Denken nicht besaß, und es kam eine Zeit, in der er es erwarb. Das erklärt den Unterschied zwischen den ehemaligen ‘gemütlosen’ Menschenrassen und den späteren ‘erwachten’ Rassen.

Dieses Ereignis wird in der Theosophie das Erscheinen der Mānasaputras genannt, was ‘Söhne des Denkens’ bedeutet. Sie waren göttliche Wesen, die selbst einst Menschen waren. Da sie jedoch der vorigen Runde des Evolutionszyklus angehören, haben sie das menschliche Stadium, wie wir es jetzt kennen, bereits durchlaufen. Von diesen Wesen empfing der Mensch seine spezielle Intelligenz. Man soll aber nicht denken, dass sie ihm das Denkvermögen schenkten, so wie man jemandem etwas gibt, was er noch nicht hat. Sie weckten in den gemütlosen Menschen sozusagen den latenten Samen des Selbstbewusstseins, der bereits in ihnen schlummerte. Wir müssen im Auge behalten, dass in jedem Wesen im Universum, wie niedrig es auch sein mag, die höchsten Möglichkeiten in latentem Zustand vorhanden sind, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft entfalten werden, wie weit entfernt der auch sein mag. Diese ‘Söhne des Denkens’ waren die Lehrmeister des Menschen – die Inspiratoren oder Heilande. Dieses Ereignis wird in vielen heiligen Schriften und Mythologien in allegorischer Sprache beschrieben, einschließlich der Genesis in unserer Bibel. Der interessierte Leser kann in der theosophischen Literatur über das Thema der Mānasaputras umfassendere Information erhalten.

Hier müssen wir uns auf das beschränken, was notwendig ist, um das gegebene Thema zu erklären. Es ist dieser manasische Teil des Menschen, der das unentbehrliche Glied zwischen Geist und Materie bildet. Wir müssen uns eine natürliche Evolution vorstellen, die unten anfängt und stets kompliziertere Formen hervorbringt, und eine spirituelle Evolution (oder besser gesagt Involution), die oben anfängt und eine abwärts strebende Richtung besitzt. Die spirituellen Wesen können nicht in tierischen Organismen inkarnieren, die von der niederen Evolution erzeugt werden, weil die Kluft zu groß ist. Es ist dieses dazwischen liegende Prinzip – Manas oder das selbstbewusste Denken, Intelligenz –, das die Kluft überbrückt und die Vereinigung des Spirituellen und Materiellen zustande bringt, wodurch der vollständige Mensch entsteht.

Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass mit dieser Methode tatsächlich Wissen von Mensch zu Mensch übertragen wird. Wir lernen alle durch den Kontakt mit anderen. Diese anderen geben uns nicht etwas, sondern sie wecken vielmehr unsere eigenen latenten Kräfte. Das ist Erziehung im wahrsten Sinne des Wortes, das heißt ‘Zum-Vorschein-Bringen’ – so wie Plato in seiner bekannten Geschichte zeigte, in der er einem ungebildeten Sklaven eine mathematische Wahrheit entlockte.

Auf die Frage, ob die heutigen Tiere jemals Menschen werden, muss die Antwort ja und nein lauten. Es ist nicht richtig zu behaupten, dass tierische Körper zu menschlichen Körpern evolvieren können oder dass Tiere auf dem Weg der allmählichen Transformation zu Menschen werden. Aber es ist wahr, dass die Monaden, die jetzt in tierischen Körpern wohnen, einmal ins Menschenreich übergehen und vom Feuer des Denkens erleuchtet sein werden. Das wird aber nicht im gegenwärtigen Evolutionszeitalter stattfinden; die Tür zum Menschenreich ist für diesen Zyklus geschlossen; und die jetzige Tierwelt wartet ihrerseits auf die zukünftige Evolutionsrunde.

Der Standpunkt der Wissenschaft

Der allgemeinen Auffassung gemäß entwickelte sich alles aus einem äußerst einfachen Beginn. Die Anzahl von Dingen, die wir als anwesend voraussetzen und als selbstverständlich annehmen müssen, ist ungeheuer groß. Aus dieser Auffassung folgt, dass das Atom mit seinen inhärenten Eigenschaften die Verantwortung für die Entstehung des Universums und die dazugehörenden Wesen trägt. Wir könnten es mit Fug und Recht das Allmächtige Atom nennen. Aber davon abgesehen ist die Bewegung, die beim Einfachen ihren Ursprung hat und zum Komplizierten führt, nur die eine Hälfte eines wahrnehmbaren Universalprozesses. Die zweite Hälfte ist die Bewegung, die vom Komplizierten zum Einfachen führt. Diese beiden Prozesse wirken gleichzeitig und kontinuierlich. Die Prozesse der kosmischen Evolution sind sehr zahlreich und mannigfaltig, und der ganze Plan ist unendlich umfangreich und kompliziert. Die Wissenschaft wurde unbewusst von der religiösen Ansicht hinsichtlich des beschränkten Zeitraums der Entwicklungsgeschichte des Menschen beeinflusst. Diese eingeengte Sichtweise der Geschichte des Menschen wird außerdem noch durch die Schlussfolgerung gefördert, dass der Mensch das Endprodukt einer durchgängigen Evolutionslinie ist.

Eine unvoreingenommene Untersuchung der Tatsachen hätte zu einer anderen Schlussfolgerung geführt. Bei genauer Betrachtung deutet nichts darauf hin, dass der Mensch sich in der jüngsten Vergangenheit aus der Barbarei entwickelte. Die Archäologie bringt laufend neues Material ans Licht, woraus hervorgeht, dass der Mensch – selbst der Mensch von hoher Zivilisation – aus der grauen Vorzeit stammt. Und auch in der Biologie musste man zugestehen, dass der Bau des menschlichen Körpers eine gewisse Primitivität zeigt, die nur schwer mit dem Standpunkt in Einklang zu bringen ist, dass er das jüngste Produkt der Evolution sei. Die Menschheit ist tatsächlich der ursprünglichste und daher der primitivste Stamm von allen. Der Mensch hat in seinem Körper eine einfache Rangordnung von Knochen und Muskeln.

Für denjenigen, der mehr darüber erfahren will, was die Wissenschaft über dieses Thema sagt, verweisen wir auf das Buch Man in Evolution von G. de Purucker. Darin ist eine ausführliche Aufzählung einer Anzahl anatomischer Besonderheiten enthalten, die dies bestätigen. Die Ausführungen beruhen hauptsächlich auf den Studien des Professors für Anatomie Dr. Wood Jones. Ein kurzer Überblick dazu findet sich im Anhang.

Der Mensch ist der ursprünglichste Stamm

Gemäß der theosophischen Evolutionslehre war der Mensch der ursprüngliche Stammvater der Säugetiere, und auch die anderen Tierarten sind aus diesem menschlichen Stamm hervorgegangen. Das erklärt den primitiven und einfachen Bau des menschlichen Körpers. Bei den verschiedenen Tierarten kommen Spezialisierungen bestimmter Organe und Funktionen vor, wie Flügel, Rüssel, Krallen, Hörner, Kiemen. Nach der Evolutionstheorie sind dies Attribute, die im Laufe der Entwicklung zum Menschlichen hin verschwanden. Die Alte Weisheit jedoch lehrt, dass die späteren Tierarten aus den Mikroorganismen des menschlichen Stamms hervorgingen. Diese Keimzellen entwickelten und spezialisierten sich entlang einer eigenen, bestimmten Evolutionslinie, so dass im Lauf der Zeitalter die menschliche und tierische Entwicklung stets weiter auseinanderliefen. Ein unvoreingenommenes Studium der Fakten zeigt, dass dies tatsächlich der Fall ist, denn man hat festgestellt, dass die einzelnen Arten die Neigung zeigen, sich gemäß ihrer eigenen Linie zu spezialisieren, anstatt allmählich in eine andere Spezies überzugehen.

Wenn wir sagen, dass die Mikroorganismen, die sich später zu Säugetieren entwickelten, vom menschlichen Stamm abgeworfen wurden, müssen wir hinzufügen und erklären, weshalb wir vom ‘menschlichen Stamm’ und nicht vom ‘Menschen’ reden. Die Geschehnisse, von denen hier die Rede ist, fanden in einer sehr fernen Vergangenheit statt, und seitdem hat sich die menschliche Rasse weiterentwickelt, so dass die Menschheit, von der die Säugetiere abstammen, sich von der heutigen Menschheit stark unterscheidet. Wir müssen auch bedenken, dass im Universum, in dem alles evolviert, auch die Materie selbst evolviert und dass ihr heutiger Zustand, den wir ‘physisch’ nennen, die jüngste Phase einer ununterbrochenen Kette von Phasen oder Zuständen ist, welche die Materie durchlief. Der Prozess, in dem die Mikroorganismen oder Samen, die sich später zu Säugetierstämmen entwickeln sollten, abgeworfen wurden, wird ‘Knospung’ genannt. Ein kleines Teilchen löste sich von dem Elternkörper – ungefähr so wie eine Spore die Pflanze verlässt oder eine Eichel die Eiche – und begann dann seine eigene Entwicklung. Der heutige menschliche Organismus ist nicht imstande, auf diese Weise Nachkommen hervorzubringen, obgleich diese Methode der Fortpflanzung noch immer bei einzelnen Arten von Lebewesen vorkommt.

Deshalb kann die Frage, ob die Tiere von den Menschen abstammen, sowohl mit ja als auch mit nein beantwortet werden. Sie stammten in der Weise vom Menschen ab, wie es hier beschrieben wurde, aber nicht im Sinne der Darwinisten. Die Tiere gingen nicht als Endprodukt einer einzelnen, durchgehenden und nach oben gerichteten Evolutionslinie aus dem Menschen hervor. Die Keimzellen der Tierarten entsprangen in einer fernen Vergangenheit dem menschlichen Stamm, der vom heutigen menschlichen Stamm jedoch sehr verschieden war. Das Evolutionsmodell der beseelten Reiche muss man sich deshalb als einen Baum vorstellen – mit einem Hauptstamm, mit dicken und dünnen Ästen, mit Zweigen und Blättern. Dieses Modell ist ganz anders als das lineare Evolutionsmodell. Die Wissenschaft nähert sich in dem Maß, in dem die Erkenntnisse sich häufen und die Untersuchungen weitergehen, zunehmend diesem Baum-Modell der Evolution.

Der Mensch stammt – vom Menschen ab

Der Vorfahre des Menschen war der Mensch selbst; möglicherweise vormenschlich, aber trotzdem menschlich. Was war der Mensch und woher kam er?

Das Dasein des Menschen nahm auf der göttlichen Ebene seinen Anfang und zwar als ein nicht-selbstbewusster, göttlicher Funke, dessen Bestimmung es ist, am Ende des Evolutionszyklus wieder mit der göttlichen Essenz vereint zu werden, aus der er hervorgeging. Er ist eine Monade, ein Keim des Universalen Lebens. Die Monaden, deren Bestimmung es war, Menschen zu werden, waren göttliche Wesen, die in den frühesten Tagen im Leben des Planeten auf die Erde kamen. Der erste physische Mensch existierte bereits vor 18 000 000 Jahren auf der Erde; und vor dieser Zeit war er schon in astraler oder ätherischer Form anwesend. Dass die Materie selbst evolviert und diese Erde nicht immer in dieser heutigen, materiellen Form lebte, wird von der Wissenschaft übersehen. Dies hatte weitreichende Folgen für das Gesamtbild der Paläontologie; und viele Schwierigkeiten entspringen der fälschlichen Annahme, dass die Zustände und Eigenschaften der Materie in der fernen Vergangenheit den heutigen entsprechen. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft jedoch eine stürmische Entwicklung erlebt, unter anderem in Bezug auf ihre Ansichten über das materielle Universum. Astrophysiker zum Beispiel sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass sich in der Sonne und in den Sternen im Allgemeinen eine Evolution der Elemente vollzieht, die mit der Umwandlung von Wasserstoff in Helium ihren Anfang nimmt. In seinem Buch The Ascent of Man1 sagt Jacob Bronowski, dass die Materie selbst evolviert. Die Meinung des neunzehnten Jahrhunderts, das Universum sei nichts weiter als eine materielle Maschine, hat ausgedient; und wir können mit Recht die Schlussfolgerung ziehen, dass die neue Physik zur Metaphysik geworden ist.

In der gegenwärtigen Periode oder Runde der kosmischen Evolution gibt es sieben Wurzelrassen, und wir befinden uns gerade in der fünften. Die erste Wurzelrasse begann etwa vor 130 oder 150 Millionen Jahren. Jede dieser Rassen hatte ihre eigene Form und ihre eigene spezielle Art der Fortpflanzung. Die erste pflanzte sich durch Teilung fort. Die zweite durch Knospung und die dritte war androgyn und legte Eier. Bei manchen Tierarten kommen diese Fortpflanzungsarten noch immer vor. Die Phase der uns gegenwärtig bekannten geschlechtlichen Fortpflanzung ist nur von vorübergehender Dauer. Die ersten physischen Menschen und die ihnen vorausgehenden astral-ätherischen Menschen waren die Urahnen der Säugetiere. Zu jener Zeit war der Mensch ‘gemütlos’ – das heißt er handelte instinktiv, denn das Licht des Selbstbewusstseins war noch nicht in ihm entzündet. Damals konnte der Mensch die Evolution verschiedener Säugetierarten durch das Ausschwitzen von Zellen oder Samen aus seinem eigenen Körper verursachen. Später folgten diese ausgeschwitzten Zellen oder Samen ihrer eigenen speziellen Evolutionslinie und brachten in den folgenden Zeitperioden die verschiedenen Säugetiere hervor, die wir heute kennen.

Bis jetzt haben wir über die Säugetiere gesprochen, aber es gibt auch noch niedrigere Tierarten, wie die Reptilien, die Vögel, Fische und so weiter. Diese gingen nicht aus dem menschlichen Stamm in dieser Runde des großen Evolutionszyklus hervor, sondern in einer vorausgegangenen Lebensperiode auf dieser Erde. Hieraus ergibt sich, dass der Evolutionsplan komplizierter ist, als angenommen wird. Es ist nicht beabsichtigt, hier tiefer und detaillierter darauf einzugehen. Vielleicht wirkt unsere Darlegung dadurch etwas fragmentarisch, aber in weiterführender theosophischer Literatur wird dieses Thema vollständiger ausgearbeitet; dort können die Zusammenhänge klarer gesehen werden.

Der Mensch und die Affen

Einen Sonderfall müssen wir hier zur Sprache bringen; und dieser betrifft die beiden affenartigen Familien: die Antropoiden oder Menschenaffen und die gewöhnlichen Affen. Manche Wissenschaftler vermuten, dass diese vom Menschen abstammen und nicht auf dem Weg zum Menschen sind. So behauptet zum Beispiel der finnische Antropologe Björn Kurtén, dass von Primaten stammende Fossilien unverkennbar darauf hinweisen, dass der Mensch nicht vom Affen abstammt; es ist vielmehr richtiger zu sagen, dass die Affen und Menschenaffen von den frühen Ahnen der Menschen abstammen.2 Das ist die wahre Geschichte vom Ursprung der Menschenaffen und der übrigen Affen; und die Richtigkeit derselben kann durch ein Studium der anatomischen Kennzeichen von Mensch und Menschenaffe gezeigt werden. Die Meinung, dass sich der Mensch aus dem Menschenaffen oder beide aus einem gemeinsamen Stamm entwickelt haben sollten, wird dann als Widerspruch zu den Tatsachen erkannt werden. Für eine eingehendere Betrachtung dieser komplexen Lehren wird auf Die Geheimlehre von H. P. Blavatsky und die Werke Dr. de Puruckers hingewiesen.

Die spirituelle Triebkraft hinter der Evolution

Wir haben festgestellt, dass der Mensch in einer Hinsicht von den Tieren stammt. Das heißt, dass der menschliche Körper das Ergebnis einer sehr lange andauernden Evolution durch die niederen Reiche ist. Aber diese aufwärts gerichtete Evolution hätte ohne eine gleichzeitige Involution des Geistes in das Physische von oben her niemals stattfinden können. Das Universale Leben – Bewusstsein, Geist (eine genauere Bezeichnung ist schwer zu finden) – ist die wirkliche Ursache der Evolution. Dieses Universale Leben errichtet immer neue und geeignetere Formen auf der Erde. Aber Leben, Bewusstsein und Geist an sich sind lediglich Abstraktionen; sie sind Eigenschaften von Lebewesen, und diese Lebewesen sind die Monaden aller möglichen Klassen und Abstufungen.

Die Monaden sind Funken oder Atome des Universalen Lebens. Sie sind spirituelle Wesenheiten; und sie können als letztendlicher Same betrachtet werden – als fundamentale Keimzelle eines jeden lebenden Etwas, bis zum winzigsten Atom oder Teilchen. Jede dieser Keimzellen beginnt ihren individuellen Evolutionspfad. In ihnen sind die Möglichkeiten all dessen latent vorhanden, was sie später aus sich heraus entwickeln. Das Universum ist also die Bühne für eine sehr große Schar solcher lebender, evolvierender Wesenheiten. Sie existieren in verschiedenen Stadien der Evolution. Wenn das Spirituelle sich anfangs in die Materie einzuhüllen beginnt, schreitet die Evolution sehr langsam voran, so dass lange Zeitalter in den niederen Naturreichen verbracht werden – im Mineralreich, dem die drei Elementalreiche vorausgehen; und danach im Pflanzenreich und so weiter.

Der Individualisierungsprozess fängt bei den Pflanzen an, entwickelt sich weiter in den Tieren und wird im Menschen vollendet. Man muss hierbei bedenken, dass es nicht die organischen Formen sind, die ineinander übergehen, sondern dass es die ihnen innewohnenden Monaden sind, die eine Form nach der anderen als Wohnung benützen, dem Lauf ihrer Evolution entsprechend. Die Formen können also während langer Perioden gleich bleiben oder sich lediglich geringfügig verändern, während die Evolution die ganze Zeit über voranschreitet.

Es ist bemerkenswert, dass von Pflanzen oder Tieren manchmal plötzlich neue Spielarten auftreten, sogenannte Mutationen. Sie sind die sichtbare Wirkung eines bestimmten inneren Drangs der Monade, der nach einem solchen veränderten Körper verlangt, um sich dadurch zum Ausdruck zu bringen. Das hängt sehr eng mit der vorhergehenden Evolution zusammen, was die Paläontologie festgestellt hat, und das löst viele Fragen, auf welche dieser Wissenschaftszweig gestoßen ist. Obschon es im Allgemeinen richtig ist, dass die Arten niedriger werden, je weiter man in die Vergangenheit zurückgeht, verlief die Entwicklung doch in keinster Weise gleichförmig. So gab es eine explosionsartige Vermehrung der einen oder anderen Art, wie beispielsweise die der Reptilien im Mesozoikum, die eine gewaltige Entwicklung durchliefen und Riesenkörper hervorbrachten. Später nahmen immer kleiner werdende Eidechsenarten die Stelle der einst gigantischen Saurier ein. Während einer bestimmten Periode gab es eine enorme Entwicklung der Farne, die so hoch wuchsen, wie die Bäume; und ein anderes Mal waren es die Ammoniten und so weiter. Gleichzeitig mit diesen Entwicklungen der Pflanzen und Tiere traten Veränderungen in der Struktur der Erde auf, in der Verteilung von Land und Wasser, in der Zusammensetzung der Atmosphäre, in der Temperatur, im Luftdruck und in anderen geophysischen Bedingungen. Dies macht das Evolutionsschema wesentlich bunter als der Gedanke einer geradlinig verlaufenden Abstammung.

Die Theosophie stimmt mit dem Darwinismus bezüglich des Gesetzes einer äußerst langsamen, viele Millionen Jahre umfassenden Entwicklung überein. Aber es ist notwenig, einen Unterschied zwischen der Tatsache, dass es eine Evolution gibt, und deren Arbeitsweise zu machen. Diesbezüglich bestehen in der Theosophie andere Auffassungen. Dann gibt es noch die Frage nach der Ursache der Evolution, ein Streitpunkt mit unterschiedlichen Auffassungen.

Gemäß einer bestimmten Ansicht muss man die Ursache für die Evolution in den in der Materie vorhandenen, inneren Kräften suchen, ohne Vermittlung eines außerhalb der Materie stehenden Einflusses. In Wahrheit wird hiermit das schwierige Problem, wodurch die Evolution eigentlich verursacht wird, umgangen. Vermutlich wurden die Worte ‘innere Kräfte’ benutzt, um die Vermittlung eines göttlichen Schöpfers auszuschalten und auf diese Weise den Unterschied zwischen der Evolutionstheorie und der Idee der Schöpfung zu betonen. Eigentlich ersetzen wir damit eine Schwierigkeit durch eine andere, die genau so groß ist, wenn nicht sogar noch größer. Wir könnten uns erst einmal fragen, was der Unterschied zwischen ‘von innen her’und ‘von außen her’ ist, also zwischen dem was ‘in’ der Materie und was ‘außerhalb’ von ihr ist. Wenn die für die Evolution verantwortliche Ursache selbst auch materiell ist, haben wir das Problem nicht gelöst, sondern nur um einen kleinen Schritt verschoben. Wenn die gemeinte Energie ‘von innen her’ nicht materiell ist, was ist sie dann? Der Unterschied zwischen ‘von innen her’ und ‘von außen her’ würde verschwinden, wenn es sich um eine immaterielle Energie handelte, die von der Materie getrennt ist. Logisch argumentierend müssen wir sagen, dass die Materie von der einen oder anderen Kraft angeregt wird, die nicht materiell ist, oder wenigstens nicht dieselbe physische Art hat. Sonst wäre die Materie das primum mobile, das ursprüngliche Element, die selbstgeschaffene oder unerschaffene letztendliche Ursache aller Dinge – mit einem Wort Gott.

Bewusstsein ist der Materie übergeordnet, denn alles, was wir über die Materie wissen, ist das, was wir mit unserem eigenen Bewusstsein erkennen. Das heißt also, dass wir von der Existenz von Bewusstsein ausgehen müssen, bevor wir uns überhaupt mit dieser Sache auseinandersetzen können. Es wurde zwar behauptet, Bewusstsein würde aus der Materie hervorgehen, die selbst ohne Bewusstsein ist. Mit dieser haltlosen Behauptung entzog man sich der schwierigen und unlöslichen Frage nach dem Ursprung des menschlichen Geistes oder Selbstbewusstseins, das die Tiere nicht aufweisen. Von der alten Vorstellung der materiellen Evolution und der Theorie ausgehend, der Mensch sei das Endprodukt der Entwicklung bestimmter Tierarten, kam man zu dieser Beweisführung. Aus was auch immer sich das menschliche Bewusstsein entwickelt hat – es muss größer gewesen sein als dieses Bewusstsein, ob wir es Materie oder Atom nennen, oder eine Monade oder einen Gott. In diesem Sinne mag es richtig sein, dass die Evolution durch die der Materie innewohnenden Kräfte hervorgebracht wird; aber das wäre dann nur eine andere Art, die Tatsache zum Ausdruck zu bringen, dass selbst dem kleinsten Atom das Gesamte potentiell innewohnt, was sich später aus ihm heraus entwickeln kann. Das bedeutet, dass das Atom ein Funke des Universalen Geistes ist – und das ist eine rein theosophische Lehre.

Einen wichtigen physischen Aspekt der menschlichen Anatomie, der damit engstens verbunden ist und ihn in hohem Maße von den Tieren unterscheidet, weist der Schädel auf. Aus Fundstücken fossiler Hominiden ergibt sich, dass beim Menschen, im Vergleich zu allen anderen Säugetierformen, eine bemerkenswerte plötzliche Vergrößerung des Schädels stattgefunden haben muss. Für diese Vergrößerung kann man keine biologische Erklärung vorbringen. Dass das Gehirn mehr als doppelt so groß ist wie zum Beispiel beim Gorilla, stellt eine rein menschliche Spezialisierung dar. Der bekannte Anthropologe, Dr. Loren Eiseley, schreibt über diese Frage in seinem Buch The Immense Journey (Random House, New York, 1946, S. 91):

„Wir haben viele Gründe für die Überzeugung, dass – von welcher Art die Kräfte auch in Bezug auf das menschliche Gehirn sein mögen – ein langer, langsamer Wettlauf zwischen verschiedenen menschlichen Gruppen oder zwischen unterschiedlichen Rassen, eine unerwartet kleine Übereinstimmung in den mentalen Fähigkeiten der Völker, wo auch immer, zur Folge gehabt hätte. Da muss etwas sein – ein anderer Faktor – der unserer wissenschaftlichen Aufmerksamkeit entgangen ist.“

An einem bestimmten Punkt der Evolution wurde in der gesamten Menschheit gleichzeitig das Denkvermögen zur Tätigkeit erweckt und es entstand Selbstbewusstsein und die Fähigkeit der Selbstreflexion. Dieses Ereignis, das mit dem ‘Hinabsteigen der Mānasaputras’ bereits in diesem Buch angedeutet wurde, stellt mit Gewissheit diesen ‘anderen Faktor’ dar, über den Dr. Eiseley spricht.

Wir möchten noch jemanden aus wissenschaftlichen Kreisen zu Worte kommen lassen, wodurch die Überzeugung mehr und mehr an Boden gewinnt, dass der wahre Mensch nicht Körper, sondern Geist ist. In Wraparound, (Dezember 1975, S. 5) schreibt Dr. Oliver Sacks, Neuropsychologe am Albert Einstein College of Medicine (Bronx, New York) und Autor mehrerer Bücher über menschliches Bewusstsein:

„Der gesamte Organismus ist eine funktionelle Einheit: Der Sitz unseres Selbstbewusstseins ist nicht nur der Kortex; wir sind mit unserem gesamten Selbst bewusst. … Man kann davon ausgehen, dass der Ursprung des Bewusstseins allein in uns selbst liegt. Unser Bewusstsein ist wie eine Flamme oder eine Quelle, die aus unendlichen Tiefen aufsteigt. Wir überbringen und übertragen, aber wir sind nicht die erste Ursache. Wir sind Trichter oder Gefäße für das, was hinter uns liegt. Letztendlich spiegeln wir die Natur wider, die uns schuf. Die Natur erwirbt durch uns Selbstbewusstsein.“

Fußnoten

1. Herausgegeben von Little, Brown & Co. Boston, 1973, S. 344 [back]

2. Aus seinem Buch: Niet van de Apen, übersetzt aus dem Finnischen. Herausgeber Wereldvenster 1972, S. 138 [back]