Der eigentliche Mensch ist eine unsterbliche, spirituelle Monade, die den Geist und den Körper als Vehikel nutzt, um sich in der Welt zum Ausdruck zu bringen und Erfahrungen zu sammeln. Viele neigen dazu, sich selbst als ein Produkt einer materiellen Evolution zu betrachten. Dies ist eines der größten Hindernisse im Leben, denn dadurch wird der spirituellen Natur des Menschen wenig oder gar keine Beachtung geschenkt und die Angst vor dem Tode verstärkt. Wie kann jemand wirklich glücklich sein und das Leben sinnvoll finden, wenn er daran glaubt, dass mit dem Tod alles aufhört? Wenn wir davon ausgehen, dass die sinnlich wahrnehmbare Welt die einzige Wirklichkeit ist, können wir die Tatsache eines Weiterlebens nach dem Tode niemals betrachten. Wer sein gesamtes Leben in einem dunklen Kerker verbringt, kann keine Vorstellung davon entwickeln, dass es eine Sonne geben könnte. Noch weniger wird er einsehen, dass sein Leben in vielerlei Hinsicht von dem unsichtbaren, aber nichtsdestoweniger alles erhaltenden Leben der für ihn nicht wahrnehmbaren Sonne abhängig ist.

Wir müssen uns aus dem Gefängnis des Materialismus befreien und in das Sonnenlicht der spirituellen Wahrheit treten. Dann werden wir in uns selbst die Kraft entwickeln können, uns selbst davon zu überzeugen, dass der wirkliche, innere Mensch – der essentielle Kern in jedem von uns – immer existiert hat, unsterblich ist und ebensowenig vernichtet werden kann wie das grenzenlose Universum, von welchem er ein untrennbarer Teil ist.

Weiterhin muss es auch eine befriedigende Erklärung für die Ungerechtigkeiten geben, die das Leben in so großem Maße zu beherrschen scheinen. Es gibt kaum jemanden, der sich nicht dann und wann missachtet fühlt. Haben nicht viele Menschen angeborene Begabungen, die in diesem Leben keine Möglichkeit einer Entwicklung erfahren, und Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen können? Und werden nicht auch viele mit einer Neigung zum Bösen geboren, ohne dass sie die Möglichkeit bekommen, diese zu überwinden? Die so deutliche Ungleichheit der Lebensmöglichkeiten ist ausreichend genug, um das menschliche Herz zu verbittern und seine moralische Kraft verkümmern zu lassen.

Es ist wichtig, dass der Mensch seinen Platz er im evolutionären Plan erkennt. Er muss einen besseren Einblick in das Ziel und die Bestimmung der menschlichen Rasse gewinnen. Die Theosophie bringt den Menschen in Beziehung zum Universum und zeigt, dass sein persönliches Bewusstsein ein Strahl des universellen, kosmischen Bewusstseins ist. Mit Nachdruck stellt sie fest, dass der Mensch essenziell ein Bewusstseinszentrum ist und nicht nur sein Körper. Auch sind wir nicht das zufällige Produkt blinder, mechanischer Kräfte. Jeder Mensch ist Teil eines lebenden, organischen Universums. Das Universum selbst ist das Produkt der Evolution und trägt in sich seinen eigenen, sich entwickelnden Lebensplan, in dem alles enthalten ist – Atome, Menschen, Nebelhaufen, Welten, Sonnensysteme und Galaxien – in einem großen Entwicklungsplan, in dem das niedrigste Insekt wie das größte Genie seinen Platz hat.

Periodische oder zyklische Tätigkeit kann man mit bleibender Gültigkeit eine Gewohnheit der Natur nennen. Auf die gleiche Art und Weise werden auch menschliche Gewohnheiten erworben, nämlich durch Wiederholung, bis die betreffende Wesenheit schließlich automatisch der Gewohnheit folgt; dann ist sie das „Gesetz“, das ihr Handeln leitet. So sind auch Tod und Geburt wirklich tief verwurzelte Gewohnheiten der reinkarnierenden Wesenheit, und diese Reinkarnations-Gewohnheit wird die Zeitalter hindurch andauern, bis sie allmählich durch die wachsende Abneigung des reinkarnierenden Egos für materielles Leben zerbrochen wird, mit anderen Worten, weil die Anziehung zu dieser Sphäre und diesem Plan langsam ihre Macht über das sich wiederverkörpernde Ego verliert.

… Wir Menschen bilden keine Ausnahme hinsichtlich der kosmischen Methoden und Funktionen der Natur. Warum sollten wir – wie könnten wir? Wir sind nicht verschieden vom Universum, vielmehr sind wir ein untrennbarer und integraler Teil davon.

– Gottfried von Purucker, The Esoteric Tradition, S. 655

 

 

Wiederverkörperung – eine Gewohnheit der Natur 

Der Mensch ist eine unsterbliche, spirituelle Monade, die den Geist und den Körper als ein Vehikel benützt, um sich in der Welt zum Ausdruck zu bringen und Erfahrungen zu sammeln. Viele neigen dazu, sich selbst als ein Produkt einer materiellen Evolution zu betrachten. Dies ist eines der größten Hindernisse im Leben, denn dadurch wird der spirituellen Natur des Menschen wenig oder gar keine Beachtung geschenkt und die Angst vor dem Tode verstärkt. Wie kann jemand wirklich glücklich sein und das Leben sinnvoll finden, wenn er daran glaubt, daß mit dem Tod alles aufhört? Wenn wir davon ausgehen, daß die sinnlich wahrnehmbare Welt die einzige Wirklichkeit ist, können wir die Tatsache des Fortbestehens nach dem Tode niemals vor uns selbst beweisen. Jemand, der sein gesamtes Leben in einem dunklen Kerker verbringt, kann nicht beweisen, daß es eine Sonne gibt. Noch weniger wird er einsehen, daß sein Leben in vielerlei Hinsicht von dem unsichtbaren, aber nichtsdestoweniger alles erhaltenden Leben der für ihn nicht wahrnehmbaren Sonne abhängig ist.

Wir müssen uns aus den Kerkern des Materialismus befreien und in das Sonnenlicht der spirituellen Wahrheit treten. Dann werden wir in uns selbst die Kraft entwickeln können, um uns vor uns selbst zu beweisen, daß der wirkliche, innere Mensch – der essentielle Kern in jedem von uns – immer existiert hat, unsterblich ist und ebensowenig vernichtet werden kann wie das grenzenlose Universum, von welchem er ein untrennbarer Teil ist.

Weiterhin muß es auch eine befriedigende Erklärung für die Ungerechtigkeiten geben, die das Leben in so großem Maße zu beherrschen scheinen. Es gibt kaum jemanden, der sich nicht dann und wann zurückgedrängt fühlt. Haben nicht viele Menschen angeborene Begabungen, die in diesem Leben keine Möglichkeit einer Entwicklung erfahren, und Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen können? Und werden nicht auch viele mit einer Neigung zum Bösen geboren, ohne daß sie die Möglichkeit bekommen, diese zu überwinden? Die so deutliche Ungleichheit der Lebensmöglichkeiten ist ausreichend genug, um das menschliche Herz zu verbittern und seine moralische Kraft verkümmern zu lassen.

Es ist äußerst wichtig, daß der Mensch erkennt, welchen Platz er im evolutionären Plan einnimmt. Er muß einen besseren Einblick in das Ziel und die Bestimmung der menschlichen Rasse gewinnen. Die Theosophie bringt den Menschen in Beziehung zum Universum und zeigt, daß sein persönliches Bewußtsein ein Strahl des universellen, kosmischen Bewußtseins ist. Mit Nachdruck stellt sie fest, daß der Mensch essentiell ein Bewußtseinszentrum ist und nicht nur ein Körper, dem bei der Geburt auf die eine oder andere Weise eine Seele zugefügt wurde. Auch sind wir nicht das zufällige Produkt blinder, mechanischer Kräfte. Jeder Mensch ist Teil eines lebenden, organischen Universums. Das Universum selbst ist das Produkt der Evolution und trägt in sich seinen eigenen, sich entwickelnden Lebensplan, in dem alles enthalten ist – Atome, Menschen, Nebelhaufen, Welten, Sonnensysteme und Galaxien – in einem großen Entwicklungsplan, in dem das niedrigste Insekt wie das größte Genie seinen Platz hat.

In einer winzigen Eichel ist die Geschichte von Generationen von Eichen eingebettet. Als Reaktion auf die Einflüsse der Natur entfaltet sich aus dem Herzen der Eichel ein mächtiger Baum, der zum Ausdruck bringt, was die Eiche in ihrer Evolution in einer ungeheuren Vergangenheit entwickelt hat. Das gleiche gilt für den Menschen. In dem göttlichen Bewußtsein, das die Quelle unseres persönlichen Lebens ist, ist die Essenz einer ungeheuren Vergangenheit enthalten, die sich über unvorstellbare Zeiten zurück erstreckt. Unser Erscheinen als Mensch auf dieser Erde ist nur ein Akt im großartigen Drama unserer Evolution.

Die menschliche Rasse ist auch keineswegs eine neue Entwicklung der Natur. Der Mensch entstammt früheren evolutionären Zyklen und nahm hier auf der Erde, die sein gegenwärtiges Übungsfeld ist, wieder einen Körper an. Überdies muß angemerkt werden, daß all die Zeitalter hindurch nicht immer wieder neue Seelen „erschaffen“ wurden. Die Anzahl der sich entwickelnden Seelen auf dieser Erde, die unser Vorstellungsvermögen bei weitem übertrifft, ist festgelegt und stets gleichbleibend. Das bedeutet, daß alle Menschen als evolvierende Egos, in Übereinstimmung mit der Ökonomie der Natur, immer wieder auf der Erde wiedergeboren werden. Wir alle, die unsere heutige Zivilisation bilden, sind zuvor bereits viele Male hier gewesen. Wir waren die Männer und Frauen, welche die großen Kulturen der Vergangenheit formten und wir waren auch in den vielen großartigen vorgeschichtlichen Rasse1 verkörpert, worüber H. P. Blavatsky in ihrer Geheimlehre berichtet.

Die Theosophie geht deshalb von der Präexistenz als einem notwendigen Aspekt der Ewigkeit, etwas, das einen Anfang hat, muß notwendigerweise auch ein Ende haben. Die Natur macht das deutlich genug. Was wir Ewigkeit oder Unsterblichkeit nennen, muß sich endlos erstrecken, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. Das innerste Selbst des Menschen ist ein unsterbliches Wesen – ein Gott –, welches sich von Zeitalter zu Zeitalter in neue Körper oder Vehikel kleidet, um darin alle Erfahrungen zu machen, die in dem Universum, zu dem es gehört, möglich sind, und so das Größtmögliche an Wachstum und Selbstausdruck zu erreichen.

Dieses Wachstum und diese Evolution sind ohne Anfang und ohne Ende. Alle Wesen haben daran teil, und sie machen Gebrauch von jenen Körpern, die dem Stadium der Entwicklung, in dem sie sich gerade in diesem Moment befinden, angepaßt sind. Wachstum vollzieht sich nicht in einer geraden, aufstrebenden Linie, sondern in Kreisläufen, die von kurzer Dauer und Umfang sein können, aber auch Perioden und Gebiete umfassen, welche unser Vorstellungsvermögen überschreiten. Diese Zyklen werden durch einen Beginn oder eine Geburt gekennzeichnet, einen Aufstieg und Höhepunkt, gefolgt von einem Niedergang und Ende oder Tod, denen wiederum ein neuer Beginn nachfolgt, wonach sich alles wiederholt. Jede Geburt ist darum eine Wiedergeburt und jeder Tod eine Zeit der Ruhe, die einer neuen Lebensperiode voranschreitet.

Dies gilt für alles, was lebt – Universen, Sonnensysteme, Sonnen, Welten, Menschen, Tiere, Pflanzen, Zellen, Moleküle und Atome. Sie alle kennen einen Anfang, gefolgt von einer Periode geoffenbarter Existenz und einem Ende oder „Tod“, welcher, nach einer Periode der Ruhe in ungeoffenbarter Existenz, wieder durch einen neuen Anfang und eine neue Periode der Existenz abgelöst wird. Das, was wir wahrnehmen sind die Formen, die durch ein Bewußtseinszentrum beseelt wurden, welches das eigentliche evolvierende Wesen ist. Die Formen sind jedoch immer zusammengesetzt und bestehen aus kleineren Leben mit einer eigenen Form, einem eigenen Bewußtseinszentrum und einer eigenen Evolution. Im Falle des Menschen denken wir an die Zellen, im Falle des Universums an die zahllosen Himmelskörper, die zusammen das äußere Universum bilden. So erkennen wir, daß die Natur überall dem gleichen Muster folgt und daß das, was sich im Großen ereignet, sich im Kleinen wiederholt.

Das menschliche Leben ist ein notwendiger und sehr bedeutender Teil des kosmischen Entwicklungsplanes. Wiederverkörperung ist eine Äußerung des universalen Lebensrhythmus, das Wissen von dem Gewohnten in der Natur, das wir überall wahrnehmen, wie beispielsweise bei Ebbe und Flut, Tag und Nacht, Schlafen und Wachen, Leben und Tod, den Jahreszeiten, dem Aufkommen und Verfall von Kulturen usw. Beim Menschen bezeichnen wir den Prozeß der Wiedergeburt oder der Wiederverkörperung mit dem Ausdruck Reinkarnation, was „wieder zu Fleisch werden“ bedeutet oder abermals ein Gewand oder einen Körper von Fleisch anzunehmen. Für die verschiedenen Formen der Wiederverkörperung gibt es unterschiedliche Namen, die sich auf alle Wesen vom höchsten bis zum niedrigsten beziehen, aber hier haben wir es nur mit der Form zu tun, die den Menschen betrifft, und diese wird Reinkarnation genannt. Es ist die periodische Wiedergeburt des spirituellen Egos als Mensch auf der Erde.

Wir fragen uns natürlich, worauf der Zweck des Lebens beruht, denn in dem heutigen Durcheinander von Theorien und Auffassungen scheint es keinen klaren Hinweis auf das Wie und das Warum unserer Anwesenheit auf der Erde zu geben. Kurz gesagt, der Sinn des Lebens ist, das Sterbliche zum Unsterblichen zu erheben. Oder, um die Idee etwas zu erweitern, der unsterblichen, spirituellen Potenz im Kern des menschlichen Wesens Zeit und Gelegenheit zu geben, sich zu entwickeln, zu wachsen und sich zur Vollkommenheit zu entfalten. Der persönliche Mensch, das gewöhnliche, alltägliche Selbst, ist nicht unsterblich. Herr Müller und Frau Schmidt sind keine unsterblichen Wesen. Sie sind nichts anderes als Persönlichkeiten, und als solche reinkarnieren sie nicht. Sie sind nur ein unvollkommenes Abbild der Bewußtheit dahinter, und es ist dieses Bewußtsein, dieses Ego, das reinkarniert.

Wer hatte nicht auch schon einmal das Gefühl, daß das Leben zu kurz ist, zu unzureichend, um alles das zum Ausdruck zu bringen, was man an Inspiration und Fähigkeit in seiner eigenen Natur fühlt. Wie oft hört man, daß jemand sagt: „Nun, wo ich alt bin und der Tod naht, habe ich gerade gelernt, wie ich leben sollte.“ Aber so grausam und verschwenderisch arbeitet das Universum nicht. Allein die Tatsache, daß wir intuitiv wissen, daß große Reserven an Kraft und Möglichkeiten in uns schlummern, die nach Ausdruck suchen, und das tiefe Verlangen in uns, das größere Selbst zu entwickeln, es zu sein, zeugen täglich von dem wirklichen Ziel, das die Natur uns bereitgestellt hat. Nur weil wir von unserem begrenzten alltäglichen Bewußtsein derart beansprucht werden, und nur in seltenen Augenblicken in dem tiefen göttlichen Verlangen des größeren Wesens im Inneren leben, sind wir uns der größeren Möglichkeiten, die das Leben für uns bereithält, meistens nicht bewußt.

Wir sollten vor allem zuerst versuchen, zu erkennen, daß wir in unserem innersten Wesen ein göttliches Bewußtsein, ein göttliches Ego sind, und daß dieses Ego, das wir selbst sind, schon immer existiert hat und niemals aufhören wird zu sein und zu wachsen und sich zur Vollkommenheit hin zu entwickeln. Wir sollten unser ganzes Wünschen und Bestreben darauf richten, uns dieser Einheit mit dem göttlichen Ego bewußt zu werden, und es in unserem täglichen Leben als eine größere und tiefere Individualität als die unseres persönlichen Bewußtseins zu offenbaren. Dann werden wir ein neues Leben beginnen. Dann werden wir zu einem Schöpfer und werden aus uns selbst unsere eigene unbegrenzte, göttliche Bestimmung zum Vorschein bringen. Schließlich werden wir selbstbewußt an dem wirklichen Ziel der Evolution mitarbeiten. Nur durch die Reinkarnation kann der Mensch die Fülle seines verborgenen Reichtums an Kraft und Fähigkeiten, deren wir uns alle in gewissem Maße bewußt sind, zum Ausdruck bringen, gebrauchen und vervollkommnen.

Durch die Reinkarnation ist der Mensch in der Lage, alle Arten menschlicher Erfahrung zu durchlaufen, welche die Erde bietet. Mit jedem neuen Leben gestaltet sich der Charakter durch die Berührung mit der Umgebung vielseitiger. Neue Kräfte und Fähigkeiten entfalten sich aus dem Inneren. Durch das Leid, das wir durchleben, und das tatsächlich unser bester Lehrmeister ist, werden Schwächen und Selbstsucht überwunden, lernen wir unsere Begrenzungen zu erkennen und zu überwinden. Jedes neue Leben offenbart uns eine weitere Chance. Jeder Mensch bekommt auf diese Weise Zeit und Gelegenheit, sich selbst erneut zu formen, und kann durch Selbstbeherrschung und Wiedergutmachung des Schadens, den er möglicherweise anrichtete, zu Besserem gelangen. Jemand, der beispielsweise keine Möglichkeit hatte, seine musikalischen oder anderen Gaben zu entwickeln, weil er in diesem Leben völlig von der Sorge um andere beansprucht wurde, wird in einem folgenden Leben durch die moralische Kraft, die durch das Pflichtbewußtsein erweckt wurde, mehr Gelegenheit finden, seine bis dahin noch gesteigerte Begabung zu entwickeln.

Wenn wir unsere Möglichkeiten also gut wahrnehmen, werden wir von Leben zu Leben beständig wachsen, bis in einer zukünftigen Inkarnation auf dieser Erde der Charakter zum göttlichen Genius erblühen wird und wir in der Fülle unseres wahren spirituellen Seins leben und arbeiten werden.

Welcher Teil des Menschen reinkarniert?

Aus dem bereits Gesagten erkennen wir, daß der Mensch ein zusammengesetztes Wesen ist. Wir haben in seiner Konstitution alle drei Elemente wahrgenommen, nämlich eine Persönlichkeit, die unter dem einen oder anderen Namen bekannt ist, und hinter der Persönlichkeit ein tieferes Reservoir an Bewußtsein, das in den höheren Wünschen seines Wesens zum Ausdruck kommt. Das dritte und niederste von allen ist das animalische Bewußtsein, wozu auch der Körper gehört, das Vehikel der beiden höheren Aspekte im Menschen.

Diese drei Elemente können noch weiter unterteilt werden, so daß sich der Mensch uns als ein siebenfältiges Wesen darstellt. Da wir unser Studium hier aber auf die Reinkarnation beschränken, ist es notwendig, den Menschen als Dreiheit zu betrachten. Das deckt sich mit der Beschreibung des Menschen durch den Apostel Paulus als Körper, Seele und Geist. Diese Einteilung wurde meist vernachlässigt, weil der Mensch nicht genau wußte, was er unter ‘Geist’ verstehen sollte. Paulus lieferte mit dieser dreifachen Einteilung den Beweis dafür, daß er mit den Lehren der Alten Weisheit, nun Theosophie genannt, vertraut war.

Es ist die höhere Natur, auf die bereits hingewiesen wurde, das spirituelle Ego, das reinkarniert. Der technische Ausdruck, den die Theosophie für diesen höheren Teil unseres Bewußtseins verwendet, ist Manas. Dies ist ein Sanskritwort und bedeutet ‘der Denker’, daher können wir das reinkarnierende Ego den Denker im Menschen nennen. Es ist der Ursprung unseres Selbstbewußtseins, von unserer Fähigkeit der Selbstbetrachtung und der Selbstverwirklichung. Durch es treten wir mit dem Leben in Beziehung, verstehen, was wir lernen und fügen so in Form von Charakter und Neigungen die aus der Evolution gewonnenen Erfahrungen in uns ein. Ohne dieses Zentrum des überdauernden individuellen Bewußtseins, in welchem die Ergebnisse der Evolution aufbewahrt werden, würden die Früchte der Erfahrung sich beim Tode auflösen und keine fortschreitende Entwicklung wäre möglich. Es kommt auch durch die Stimme unseres Gewissens zum Ausdruck. Durch es beziehen wir hohe Inspiration und selbstlose Liebe, wir empfangen Eingebungen und Intuitionen aus dem Göttlichen und alle Impulse für unpersönliches und großmütiges Denken und Handeln.

So existieren in uns zwei Selbste: Das Selbst des Egos oder des Denkers, das durch alle unsere Reinkarnationen bestehen bleibt, und das Selbst der Persönlichkeit, das sterblich ist und beim Tode auseinanderfällt. Das Schwanken des Bewußtseins zwischen diesen beiden Selbsten ist das große Mysterium des Lebens. Diese beiden Selbste, die bis jetzt noch so gegensätzlich in ihrem Verlangen und Ziel sind, machen uns zu dem, was wir sind. Wie vertraut sind wir doch alle mit dem Zweikampf zwischen diesen beiden, der immer wieder in uns ausgetragen wird. Die Stimme der selbstsüchtigen Versuchung und der Ruf des unbestechlichen Gewissens – jede Seite kämpft um die Herrschaft Wir vermuten meist nicht, wie tiefgehend und komplex der Kampf ist, bis wir ernsthaft damit beginnen, irgendeinen gewohnheitsmäßigen Fehler zu überwinden, wie schlechte Laune oder irgendeine Schwäche oder tief verwurzelte Selbstsucht. Wir merken dann, daß all unsere inneren und äußeren Kräfte sogleich Partei ergreifen und sich gegeneinander aufreihen. In einem solchen tiefgreifenden, wesentlichen Kampf, wie er zwischen den beiden Naturen des Menschen stattfindet, hat der Sieg zu viele Seiten und unterliegt zu vielen Einflüssen, als daß er in einem kurzen Leben mit eingeschränkter Erfahrung gewonnen werden könnte. Der Kampf muß unter unzähligen Umständen ausgetragen und das Ziel muß durch viele Erfahrungen in einem Leben nach dem anderen erreicht werden, bis schließlich die höhere Natur der einzige Herr und Meister geworden ist.

Woraus entsteht diese Dualität in uns? Warum muß der Mensch sowohl gut als auch schlecht sein? In längst vergangenen Zeiten der Evolution auf unserem Globus wurde das äußerliche, animalische Vehikel des Menschen durch die niederen instinktmäßigen Kräfte aufgebaut. Unter der Wirkung des Evolutionsgesetzes formte es sich langsam zu einem Vehikel für das reinkarnierende Ego. Als dieses Vehikel, bestehend aus Körper und tierischem Bewußtsein, fertig war, nahm das spirituelle Ego es unter seine Obhut und inkarnierte dort, um die weitere Entwicklung zu leiten. Unter dem Einfluß dieses Egos fand nun eine bedeutende Veränderung des Vehikels statt, um es für die Erfahrungen im menschlichen Leben tauglich zu machen. Das spirituelle Feuer des Denkers durch Leben auf Leben stimulierte und entwickelte das Wachstum des bis dahin tierischen Menschen, so daß sich gradweise unter diesem kreativen Einfluß allmählich ein persönliches, halb unabhängiges Bewußtsein entfaltete. Dieses persönliche Bewußtsein, das sich unter der Inspiration seines überschattenden Egos in vielen Inkarnationen langsam ausbreitete, wurde zu der menschlichen Persönlichkeit. Und jetzt ist die Persönlichkeit nicht allein ein Instrument, wodurch das Ego seine eigenen göttlichen Kräfte offenbaren kann, sondern durch ihr eigenes Ringen und Siegen, wozu sie durch ihr Gewissen angespornt wird, beginnt die Persönlichkeit selbst zu evolvieren. Sie entwickelt sich und wächst, sie erhebt sich aus diesem begrenzten persönlichen Bewußtsein und erreicht dabei die eigene Unsterblichkeit. Indem wir unsere niedrigere selbstsüchtige Natur dem Einfluß und der Leitung der höheren unterordnen, machen wir es dem Ego möglich, sein Licht auf dieser Ebene zu offenbaren und daher seine eigenen göttlichen Kräfte auszuüben und zu erweitern. Wenn wir unser persönliches Bewußtsein allmählich veredeln, erheben wir es schließlich auf die Ebene des spirituellen Egos und dadurch wird der Mensch zum unsterblichen Menschen umgewandelt. Auf diese Weise schreitet die gesamte Natur des Menschen in allen ihren Elementen aufwärts in einen höheren Bewußtseinszustand, wozu Dr. de Purucker in Fundamentals of the Esoteric Philosophy (S. 287) erläutert:

Das Werk der Evolution besteht in . . . dem Erheben des Persönlichen zum Unpersönlichen, dem Erheben des Sterblichen, damit es sich in das Gewand der Unsterblichkeit hüllt, dem Erheben des Tieres, um ein Mensch zu werden, dem Erheben eines Menschen, um ein Gott zu werden, dem Erheben eines Gottes zu einem noch erhabenerem Gott.

Es ist jedoch so, daß der persönliche Teil unseres Wesens sich noch immer auf dem Pfad zu einer solchen Vollkommenheit befindet. Wir sind noch weit von dem Ziel entfernt. Die gesamte Rasse ist noch in der Unwissenheit über das Spirituelle gefangen; Leiden und Verwirrung von Geist und Herz haben es im Griff, weil wir noch nicht gelernt haben, unser Bewußtsein in dem überdauernden und wahren Teil in uns zu verankern, dem spirituellen Ego. Wir sind fast gänzlich von den persönlichen Interessen unserer Natur überflutet. Diese Persönlichkeit ist gemischt aus einer Mentalität, die mit Leidenschaften, mit emotionalen Eigenschaften und mit physischen Neigungen und Begierden verbunden ist. In dem einen Augenblick ist die Persönlichkeit von scharfsinnigem Verstand in Beschlag genommen, in dem anderen Moment wird sie durch einen Sturm von heftigem Zorn aus ihrer Verankerung gerissen, dann wieder machen physischer Schmerz oder Krankheit sie zu einem hilflosen, ohnmächtigen Geschöpf. Selten aber bleibt jemand lange Zeit derselbe. Wir fallen von einer Stimmung in die andere, und unsere Ansicht vom Leben wandelt sich fortwährend. Wie alle zusammengesetzten Dinge muß die unbeständige Persönlichkeit sich auflösen, wenn die Zeit kommt, in der sich die verschiedenen Energien und Klassen von Lebensatomen trennen, aus welchen sie zusammengesetzt ist. Denn nur homogene Dinge sind unsterblich. Wird dieses Bündel persönlicher Energien aufgelöst, weil das spirituelle Ego in seine eigene Sphäre zurückgezogen wird, mit anderen Worten beim Tode, läßt es die sogenannten Skandhas zurück. Wenn eine Pflanze welkt und stirbt, dann läßt sie ihre Samen in die Erde fallen, welche die Früchte ihrer kleinen Runde des Wachstums und der Entwicklung sind. Sobald jedoch der Kreislauf der Jahreszeiten die zum Keimen erforderlichen Bedingungen wieder zurückgebracht hat, werden aus diesen Samen neue Pflanzen wachsen. Die Saat eines duftenden Veilchens wird wieder seine Artgenossen hervorbringen, die Saat von Unkraut wird wieder Unkraut zum Vorschein bringen. Mit dem psychologisch-tierischen Organismus des Menschen verhält es sich nicht anders. Wenn er stirbt und vergeht, dann läßt er in dem psychologischen Boden der Natur die unsichtbaren Energie-Samen zurück, die sein eigenes Wachstum hervorgebracht haben. Diese Samen oder Wirkungen werden mit dem Sanskritausdruck Skandhas bezeichnet, weil es im Deutschen keinen Ausdruck gibt, der diese inneren Folgen der Lebenserfahrung genau beschreibt. Diese Skandhas sind es, welche die neue Persönlichkeit formen, wenn das Ego zur Inkarnation zurückkehrt. Sie machen den Menschen zum exakten Resultat dessen, was er im letzten Leben dachte, tat und an Charaktereigenschaften aufbaute.

Das, was sich im Menschen reinkarniert, ist das spirituelle Ego, die göttliche Individualität. Die folgenden Worte von Dr. de Purucker werden uns helfen, das Ego und seine Beziehung zu uns selbst besser zu verstehen:

Zwischen der göttlich-spirituellen Monade und dem physischen Körper gibt es aber eine Anzahl Zwischenteile oder -ebenen der menschlichen Konstitution, und jeder derselben hat seine eigene besondere Art und seine charakteristischen Eigenschaften und Kräfte. Jede Zwischenschicht ist ein Feld, auf dem sich eines der Bewußtseinszentren oder der monadischen ‘Prinzipien’ des Menschen offenbart. Diese Kräfte, Energien und Fähigkeiten manifestieren sich als Denken, Intuition, Inspiration, Emotion, Liebe, Haß, Stolz, selbstsüchtige Impulse, Wünsche und vieles mehr, und sie alle unterscheiden sich voneinander als edel oder unedel, je nachdem, ob sie hoch oder niedrig sind, oder besser, ob sie aus spirituellen oder den astral-physischen und niederen Zwischennatur hervorgehen.

Es ist, um genau zu sein, ein bestimmter Teil dieser Zwischennatur, die ebenfalls zusammengesetzt ist und die wir kurz die psychologische Natur nennen können, der reinkarniert oder sich Leben um Leben im menschlichen Fleische wiederverkörpert.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 679

Erinnerung an vergangene Leben

Warum erinnern wir uns nicht an unsere vergangenen Leben? Das tun wir sehr wohl. Die Frage wird häufig gestellt, aber sie ist eigentlich nicht gut formuliert. Sie müßte lauten: „Warum ist es uns nicht möglich, die Umstände unseres vergangenen Lebens ins Gedächtnis zurückzurufen?“ Unser Charakter selbst ist bereits Erinnerung.

In einer bestimmten Familie werden zwei Kinder geboren, die, was in einer Familie häufig vorkommt, große Charakterunterschiede besitzen. Lassen Sie uns annehmen, daß das eine Kind aufrichtig und vollkommen ehrlich ist, während der Charakter des zweiten Kindes diesbezüglich viel zu wünschen übrig läßt. Das erste Kind hat durch Erfahrung in vergangenen Inkarnationen gelernt, daß Unehrlichkeit minderwertig ist, und es wird daher mit dieser Erkenntnis als einem Teil seines Charakters geboren. Das andere Kind muß diesen Sieg erst noch erringen. Da es nun in einer Familie geboren wird, in der die Umstände zur Verbesserung günstig sind, kann es sich der Tatsache sicher sein, daß es in seiner vorigen Inkarnation bereits einen ersten Versuch in Richtung Verbesserung unternommen hat. So gesehen können wir sagen, daß der Charakter Erinnerung ist. Genialität ist ebenfalls Erinnerung. Alle angeborenen Eigenschaften, gute wie schlechte, sind die Folge vergangener Selbstschulung oder ehemaliger Schwächen in früheren Erdenleben. Es ist ein Segen, daß wir uns nur selten der Umstände erinnern, durch welche diese Siege und Niederlagen ein Teil unseres Charakters wurden. Da wir fast immer durch Leiden und Fehlschläge lernen, die wir machten, wären diese Erinnerungen meistens schmerzlicher Art.

Wir sollten auch nicht vergessen, die Erblichkeit als ein Element der Erinnerung anzuführen. Wie kommt es beispielsweise, daß in ein und derselben Familie mit drei Kindern eines ein Genie ist, das andere ein Geschick für kaufmännische Dinge hat, während das dritte Kind ganz durchschnittlich ist? Wenn wir den Gegenstand der Erblichkeit im Lichte der Reinkarnation betrachten, erhält dieser eine gänzlich andere und tiefere Bedeutung. Wir erben unsere Charaktereigenschaften, oder auch nur einen Teil davon, nicht von unseren Eltern, sondern wir beerben uns selbst aus unserer eigenen Vergangenheit. Wir werden in die Familie geboren, die jene Eigenschaften besitzt, welche zu unserem Karma passen. In seinem Buch Bewußtsein ohne Grenzen schreibt James A. Long hierüber:

Alles, was wir als Vererbung ansehen, ist nichts anderes als der Prozeß eines sich wiederverkörpernden menschlichen Egos, das sich für eine Lebensspanne ins Dasein bringt durch die Vermittlung der Eltern, die selbst gewisse Eigenschaften haben, die mit seinen eigenen korrespondieren. Die einzelnen Kinder in einer großen Familie sind zum Beispiel ganz verschieden, und doch besitzen alle Eigenschaften, die dem Familienstrom gemeinsam sind. Mit anderen Worten, die zur Welt kommende Seele verwendet das Familienkarma als Ausdrucksmöglichkeit; die Eltern erschaffen jedoch das Kind nicht, weder physisch noch geistig noch intellektuell. Sie sorgen für das umweltliche Bühnenbild.

Charakter ist in allen seinen Aspekten Erinnerung, ohne diese gespeicherten, aufbewahrten Erinnerungen, die von Leben zu Leben herübergebracht werden, wäre keine Entwicklung des Organismus, weder physisch, geistig oder moralisch möglich. Evolution hängt von kontinuierlicher Reihenfolge ab, mehr noch, alles wiederholt sich. Die Natur arbeitet mittels der Erinnerung, wodurch Charaktere festgelegt und Typen entwickelt werden. Durch die Erinnerung lernt der Mensch seine Lektion und sein Charakter wird hierdurch geformt. Diese Gewohnheit der Natur, sich fortdauernd zu erinnern, kann als ‘Naturgesetz’ begriffen werden.

Wie bereits im ersten Kapitel gesagt wurde, hat das Ego in jedem Leben eine andere Persönlichkeit. Das muß notwendigerweise so sein, weil wir in jedem Leben etwas Neues lernen, uns geistig und moralisch entwickeln und gefühlsmäßig oder spirituell entfalten, so daß die alte Persönlichkeit nicht mehr genügt – das Ego wächst über seine Möglichkeiten, die ihm als Übungsfeld dienen, hinaus. Daher formt das Ego, wenn es wiedergeboren wird, aus sich selbst eine neue Persönlichkeit, die nach den Erfahrungen gestaltet ist, die ihm in vergangenen Leben einverleibt wurden.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum bei der Rückkehr des Ego zur Inkarnation die Erinnerungen noch anhaften und weiterbestehen, aber Einzelheiten vergessen werden. Charakterzüge und Eigenschaften, die in die innere Natur aufgenommen wurden, werden als unbewußte Erinnerungen mitgebracht, aber die neugeborene Persönlichkeit kann sich an keine bestimmten Gegebenheiten aus dem vergangenen Leben zurückerinnern, denn sie war daran nicht beteiligt. Geradeso wie ein Schauspieler nicht sagen kann: ‘Ich war Hamlet’ oder ‘Ich war Macbeth’, sondern vielmehr: ‘Ich spielte die Rolle von Hamlet oder Macbeth’; ebenso kann kein Ego sagen: „Ich war dieser oder jener in einem vorherigen Leben.“ Denn die Persönlichkeit ist nicht das wahre Ich. Sie ist nichts anderes als die Maske oder das Vehikel oder die zeitweise Rolle, durch die das wahre Ich einen seiner Aspekte zum Ausdruck bringt. Wir können den Vergleich erweitern und an einen Schauspieler denken, der während seiner langen Laufbahn viele Rollen gespielt hat. Der Schauspieler kennt Hamlet, Lear und Shylock, aber was wissen Hamlet, Lear und Shylock voneinander?

Was für die Persönlichkeit gilt, gilt ebenso für das Gehirn. Wenn auch dieselben Atome, die das Gehirn in einem früheren Leben formten, jetzt von dem reinkarnierenden Wesen wieder verwendet werden, so ist doch das Gehirn der neuen Persönlichkeit eine völlig neue Verbindung. Denn diese Lebensatome haben selbst eine Veränderung durchgemacht.

Ein weiterer wesentlicher Grund, warum wir uns nicht an die Umstände vergangener Leben erinnern, ist, daß das Universum, zu dem wir gehören, ein Ausdruck von Intelligenz, Weisheit und Mitleid ist. Es ist ein Organismus, eine ungeheure Reihe unendlich abgestufter lebender Wesen, der als Zentrum oder Herz eine Göttliche Intelligenz besitzt, einen der kosmischen Götter. Die ‘Gesetze’ des Universums sind die spirituellen, intellektuellen und vitalen Lebensrhythmen der kosmischen Gottheit; sie strömen über die Zirkulation des Kosmos aus und leiten und kontrollieren alle Dinge, von der mächtigen Sonne bis zu den Elektronen des Atoms.

Diese wohltätigen Gesetze beschützen den Menschen vor Dingen, die seine Evolution behindern, soweit sein freier Wille dem nicht entgegensteht. Die Evolution ist immer auf die Zukunft ausgerichtet; sie ist aufbauend und erneuernd und arbeitet nach Mustern, die selbst ebenfalls eine Entwicklung durchlaufen. Die ständige Beschäftigung mit der Vergangenheit kann der Evolution ernsthaft im Wege stehen. Der Mensch ist durch die Gesetze des Kosmos mit einer hinreichenden Erinnerung an seine eigene Vergangenheit ausgestattet, das ist alles, was er braucht. Er wird durch die Natur der Dinge vor einer Erinnerung an Einzelheiten beschützt, die ihn belasten, ablenken und seiner aufwärts strebenden Natur Leiden zufügen würden. Es ist eine der Wachstumsbedingungen, die ‘niedrigen Wohnungen’ der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Wir sind Kinder eines lebenden Universums. Wir legen das Verschlissene immer ab, entwickeln das Neue aus dem Alten und kommen gut damit zurecht.

Zweifelsohne haben wir als spirituelle Egos in unserem menschlichen Drama auf dieser wunderbaren Bühne unseres Planeten Erde viele Rollen gespielt. Durch diese vielfältigen Rollen haben wir den sehr komplizierten psychologischen Apparat entwickelt, die menschliche Natur genannt, ein Apparat, der sich in den meisten Fällen jedem Zustand des menschlichen Daseins unter allen klimatischen Bedingungen und in jeder Umgebung anpassen kann. Daß dem so ist, kann man aus der großen Unruhe, die unter den Menschen herrscht, ersehen, hervorgehend aus dem allgemeinen Gefühl, daß das uns vertraute Leben nichts mehr zu bieten hat und daß die Möglichkeiten erschöpft sind. Die Menschheit fühlt unausgesprochen, daß sie an der Schwelle zu einer neuen Entdeckung steht. Dies ist eine reine Intuition, eine Vorausschau eines neuen Zeitalters, welches gerade heraufdämmert. Natürlich wird eine Zeit kommen, in der jeder von uns imstande ist, sich klar an alle Ereignisse seiner vergangenen Leben zu erinnern. Die Erinnerungen an alles, was uns je geschah, sind unauslöschlich auf die unsterbliche, göttliche Seite der menschlichen Natur eingeprägt worden. Aber wir haben die spirituelle Fähigkeit noch nicht entwickelt, die es uns ermöglicht, die mystischen Aufzeichnungen zu lesen. Wir werden diese Fähigkeit auch nicht entwickeln, solange wir uns immer nur mit dem Verstandesleben und der Persönlichkeit identifizieren. Solange uns Eigeninteressen gänzlich gefangen halten, werden Leidenschaften uns mit Blindheit schlagen und unsere Intuition und schöpferische Kraft durch Vorurteile verschleiert. So verkümmern wir in dem engen Gefängnis unserer Persönlichkeit. Nur gelegentlich erhaschen wir einen Schimmer der Morgendämmerung jenseits unserer Gefängnismauern, wenn die Sonne der wahren Liebe oder der Geist der Selbstaufopferung uns beseelt. Der Mensch muß seinen spirituellen Willen gebrauchen, um die Göttlichkeit seines Wesens zu verwirklichen, und die Fesseln der Selbstsucht und der Unwissenheit abstreifen, um eine neue Welt zu betreten, wozu er nur die Schwelle seines Alltagsbewußtseins überschreiten muß.

Einige Einwände und Missverständnisse

Einer der verbreitetsten Irrtümer ist der Gedanke, daß der Mensch im Körper eines Tieres wiedergeboren werden könnte. Einige östliche Religionen lehren, daß eine solche Inkarnation in einem Tierkörper die Bestrafung für gewisse Sünden sei. Diese Behauptung ist die Entstellung einer ursprünglichen Lehre, die im Laufe der Jahrhunderte entstand; sie wird später erklärt werden.

Die Theosophie bestreitet diese Ansicht energisch. Sie sagt: „Einmal ein Mensch, immer ein Mensch.“ Dies ist eines der großen Axiome der archaischen Wissenschaft. Die Feststellung basiert auf der Tatsache, daß das Universum ein lebender Organismus ist, von dem wir ein Teil sind, und die Gesetze, die unser Leben regieren, haben daher in der Natur dieses Organismus ihren Ursprung. Wenn wir verstehen, was in der physischen Welt geschieht, können wir eine Vorstellung von den entsprechenden Vorgängen in anderen Sphären oder Ebenen innerhalb der Grenzen unseres eigenen Universums erhalten. Betrachten wir den Menschen von diesem Standpunkt aus, dann können wir erkennen, daß ebenso wie der Blutkreislauf und das Nervensystem das Wachstum ermöglichen, so auch die universalen Kreisläufe, die vitalen und spirituellen, die Evolution möglich machen. Im Menschen fließen die Lebenskräfte durch bestimmte Kanäle, die Venen, Arterien und Nerven. Im Universum bewegen sich die Lebenskräfte ebenso entlang bestimmter Kanäle und werden Kreisläufe des Kosmos genannt.

Manas, der Denker, … tritt nicht in niedere Formen zurück; erstens, weil er dies nicht will, und zweitens, weil er es nicht kann. Denn genauso wie die Herzklappen in unserem Körper verhindern, daß das Blut zurückströmt und das Herz überflutet, so ist auch im größeren universalen Zirkulationssystem das Tor hinter dem Denker verschlossen und sein Rückgang blockiert. Die Reinkarnation, die sich als Lehre auf den wirklichen Menschen bezieht, lehrt keine Transmigration in Naturreiche, die unter der menschlichen Ebene liegen.

– W. Q. JUDGE, Das Meer der Theosophie, S. 91/93

Diese Entstellung des Reinkarnationsgesetzes, das als ‘Transmigration der Seele’ bezeichnet wird, ist die Mißdeutung einer Tatsache, die im Altertum bekannt war und nun wieder vorgebracht wird, nämlich die Transmigration der Lebensatome. Sie wurde folgendermaßen von Dr. G. de Purucker erläutert:

Angewandt auf die Lebensatome … bedeutet dieser Ausdruck, daß die Lebensatome, die zusammen die niederen Prinzipien des Menschen bilden, während und nach der Veränderung, die wir Menschen den Tod nennen, in andere Körper wandern oder übergehen, von denen diese Lebensatome psycho-magnetisch angezogen werden, seien diese Anziehungskräfte nun hoch oder niedrig. . . .

The Esoteric Tradition, S. 598

Die Art und Qualität des Lebens, das jemand führt, prägt die Lebensatome, woraus die Zellen seines Körpers aufgebaut sind. Nach dem Tod werden diese durch die Anziehung in solche Organismen und Substanzen übergehen, die einen übereinstimmenden Charakter aufweisen und dadurch den geeigneten Kanal für solche Energien bereitstellen, die in den Lebensatomen aufgebaut werden.

Kommt die Zeit der Wiedergeburt und kehren die Lebensatome erneut durch die psycho-magnetische Anziehung zum reinkarnierenden Wesen, zu dem sie gehören, zurück, dann bringen sie durch ihre Transmigration die Einflüsse, die ihnen während des vergangenen Lebens eingeprägt wurden, verstärkt mit. Hieraus können wir ersehen, wie diese Lehre der Transmigration der Lebensatome ihrer wahren und ursprünglichen Bedeutung beraubt wurde.

Einige Menschen lehnen die Idee von der Reinkarnation ab, weil ihnen die Vorstellung unangenehm ist, wieder zu dieser Erde zurückzukommen. Sie sind der Ansicht, genug von den Leiden und Mühen des menschlichen Lebens gehabt zu haben und möchten nicht dorthin zurückkehren. Wie verständlich ein solches Denken über sich selbst auch erscheinen mag, ist es dennoch offensichtlich, daß die Gesetze der Natur sich nicht durch seinen oder ihren Wunsch zur Seite drängen lassen, sollten der Mensch in einem bestimmten Abschnitt seiner Existenz die Richtigkeit und Notwendigkeit der Gesetze nicht einsehen.

Man kann einwenden, daß die Wahrheit der Reinkarnation nicht bewiesen werden kann. Dies wird zum einen häufig von jenen behauptet, die meinen, daß der Tod das Ende von allem ist, und zum anderen von jenen, die glauben, daß das Leben in einem Himmel oder einer Hölle fortgesetzt wird. Man vergißt aber, daß diese beiden Theorien ebensowenig ‘bewiesen’ werden können. Einen ‘Beweis’ für Dinge wie diese kann nur in jedem Menschen persönlich gefunden werden. Es ist klar, daß viele Tatsachen für die Reinkarnation sprechen. Man muß nur an die vielen Zyklen in der Natur denken, wie den Wechsel der Jahreszeiten, Wachen und Schlafen, das Aufkommen und den Verfall von Kulturen usw. Dies sind keine ‘Beweise’ im gewöhnlichen Sinne des Wortes, aber trotzdem weisen diese Vorbilder auf die universalen Prozesse der Periodizität in der Natur hin. Es ist offensichtlich, daß wir durch das Reinkarnieren die Möglichkeit erhalten, die Folgen von Ursachen, die in vergangenen Leben gelegt wurden, zu überwinden und den Prozeß der Entwicklung fortzusetzen. Diese Folgen von Taten oder Gedanken aus der Vergangenheit sind weder Strafe noch Belohnung, sondern eine Gelegenheit zu weiterem Wachstum. Wir begegnen diesen Folgen hier auf der Erde, so daß wir an dem Platz ernten können, wo wir gesät haben.

Jede Tat, die wir ausführen, jede gute und jede schlechte Tat, jeder gute Gedanke, den wir denken, und jeder böse Gedanke, dem wir in unserem Denken Raum geben und der dadurch unsere Handlung beeinflußt: jeder muß seine unvermeidliche nachfolgende Wirkung haben. … Wo soll die Kraft oder Energie sich als Resultat zum Ausdruck bringen? Nur nach dem Tode oder in zukünftigen Leben? Die Antwort lautet: beides, aber hauptsächlich letzteres, in zukünftigen Leben auf der Erde, weil die irdische Kraft sich nicht wirksam in Sphären manifestieren kann, die nicht irdisch sind.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 660

Wir sollten aber daran denken, daß diese Lehren nichts mit Fatalismus zu tun haben. Wir sind in der Tat in den Fesseln unserer gegenwärtigen Verhältnisse gefangen, womit wir durch unsere frühere Taten verwoben sind. Wir können uns daraus nur befreien, indem wir dem entgegengesetzt handeln. In dem Augenblick, in dem wir dies begreifen, können wir durch den Gebrauch unseres Willens diese Zustände beherrschen lernen und sie dazu benützen, genau entgegengesetzte Ergebnisse zu erzeugen als die, welche daraus hervorgegangen wären, wenn wir uns ihnen willenlos unterworfen hätten. Der Mensch, der sein Wissen und seinen freien Willen gebraucht, wird in zunehmendem Maße Meister seiner selbst und daher seines Schicksals.

Weiterhin fragt man sich häufig: „Wie sollen wir unsere Freunde und Verwandten erkennen, wenn wir in dem folgenden Leben in einem neuen Körper geboren werden?“ Ist Wiedererkennen wirklich notwendig? Wir sind mit unserer Familie und mit unseren Freunden durch Liebe, Sympathie und gemeinsame Erfahrungen verbunden. Wir müssen einander nicht suchen. Familien werden gemeinsam wiedergeboren, damit sie die Fäden wiederaufnehmen können, die sie nun vereinigen. Wir und unsere Freunde werden unvermeidlich voneinander angezogen und zusammengeführt, so ähnlich wie ein Magnet die Eisenspäne aus einem Berg von Sägespänen herausfinden kann. Wir können unseren Freunden und unseren Feinden nicht entrinnen.

Es gibt weiter einige Menschen, die sich gegen die Idee wenden, als Kind wiedergeboren zu werden und von neuem die rein physische Seite des Daseins erlernen zu müssen. Wiederholung ist eine Gewohnheit der Natur, die einen wesentlichen Teil der Evolution ausmacht. Jede Wiederholung kann jedoch, durch die Erfahrung der vorhergehenden, kürzer sein und weniger Anstrengung beinhalten. Über diese Frage schreibt Dr. G. de Purucker folgendes:

… die Zukunft wird Menschen hervorbringen, für die die Kinderjahre und das Säuglingsalter viel kürzer sein werden. Diese Verkürzung ist das Resultat der Evolution. In ferner Zukunft wird die Zeit kommen, in der die Kinder beinahe als fertige Menschen geboren werden – praktisch erwachsen, wenn es auch nicht bedeutet, daß sie in voller Erwachsenengröße zur Welt kommen.

Questions We All Ask, Serie I, S. 549f.

Das, worauf es uns hauptsächlich ankommt, ist die spirituelle Entwicklung. Wir fühlen die Last physischer Schwächen, weil wir uns in der Vergangenheit unter ihre Herrschaft begeben haben, indem wir überwiegend an materielle und persönliche Befriedigung gedacht und danach gestrebt haben. Dies schuf Hindernisse für das spirituelle Ego, dessen Aktivitäten in der Welt dadurch geschwächt wurden. Das hat auf unseren Körper zurückgewirkt und seine Evolution verlangsamt. Wenn wir in unserem Leben mehr Nachdruck auf das Spirituelle und Unpersönliche legen, werden alle Begrenzungen und Schwächen allmählich verschwinden. Dann wird das Ego frei sein, um seine Vehikel, die es benützt, in Harmonie mit seiner eigenen göttlichen Natur und ihren Zielen zu entwickeln.

Einwände gegen die Reinkarnation kommen gewöhnlich daher, daß man mit der Lehre und wie sie auf die unzähligen im Leben auftauchenden Probleme und wechselnden Situationen anzuwenden ist nicht vertraut ist. Auf Geheiß von anderen kann man natürlich niemanden dazu veranlassen, an Reinkarnation zu glauben. Aber wir können darüber nachdenken und den Gedanken der Reinkarnation als einen möglichen Schlüssel sehen, um unsere Lebensprobleme zu lösen. In diesem Prozeß, in dem uns unsere Intuition häufig zur Hilfe kommt, treten oftmals Argumente zum Vorschein, die (uns) auf die Dauer den ‘Beweis’ für die Wahrheit der Reinkarnation liefern, die für uns die Grundlage menschlicher Gerechtigkeit, des Glücks und des spirituellen Wachstums bilden kann.

Der Prozeß der Reinkarnation

Ausgehend von dem Gedanken der Reinkarnation können wir uns die Frage stellen: „Wo waren wir vor der Geburt?“ Bisher haben wir wenig über den Tod gesagt, und wir werden auch nun nicht näher darauf eingehen. Der Tod ist einer der erhabensten und bedeutendsten Lebensprozesse und wird in einem anderen Handbuch besprochen.

Wie bereits dargelegt, ist der Mensch allgemein ausgedrückt ein dreifach gegliedertes Wesen, und von diesen drei Grundelementen ausgehend schreitet die Evolution entlang dreier verschiedener Linien voran: der spirituellen, der mental-emotionalen und der astral-vitalen, die alle durch den Kanal des physischen Körpers zum Ausdruck kommen. Wenn der Körper stirbt und zerfällt und seine astral-vitalen Kräfte frei werden, folgt diesem Vorgang die allmähliche Auflösung der ganzen Persönlichkeit, des mental-emotionalen Wesens. Doch etwas von der Persönlichkeit wird noch fortbestehen, in einigen Fällen sogar ein großer Teil. Das spirituelle Ego wird nämlich soviel wie möglich von der Persönlichkeit in sich aufnehmen, das heißt, jene Elemente, die von seiner eigenen Art sind – die spirituellen Bestrebungen seiner Persönlichkeit, ihre selbstlosen und reinen Wünsche. Alles, was im Menschen Spiritualität besitzt, hat Anteil an dem Universal – Göttlichen, das den Kosmos beseelt und trägt. Das Ideal der Selbstlosigkeit, der Reinheit und der edlen Taten, nach dem konsequent gelebt wurde, wandelt die strebenden persönlichen Elemente in das unvergängliche Gold des Geistes um. Es verhilft dem Sterblichen zur Unsterblichkeit. Wenn der Tod eintritt, wird diese umgewandelte Energie nicht aufgelöst. Das reinkarnierende Ego fügt sie seiner eigenen Art hinzu.

Dieser Prozeß wird von einer sehr mystischen Erfahrung während des Sterbens unterstützt. In dem Moment, in dem der letzte Atemzug getan wird, betritt das Ego für kurze Zeit die Schwelle des irdischen Portals. Vor seinem nun unverschleierten Blick entrollt sich gleich einem Film ein Panorama all dessen, was in dem gerade beendigten Leben geschehen ist – bis zur letzten Einzelheit.

Im Lichte der sich ihm nun offenbarenden Freiheit folgt der selbstbewußte Denker diesen Lebensbildern, und er erkennt den Plan und die Bedeutung all seiner Erfahrungen, er sieht die Beziehung der Einzelteile zum Ganzen und dieses Lebens zu den vorausgegangenen. Das Verständnis der Gerechtigkeit und des Nutzens seiner Leiden und Prüfungen dringen zum Bewußtsein des Egos vor. Wenn es in die ‘Himmelswelt’, die Devachan genannt wird, aufsteigt, nimmt es diese Erinnerungen mit sich. Hier verbringt es eine lange Ruhezeit. Diese spirituelle Ruhe in der inneren ‘Himmelswelt’ gibt dem reinkarnierenden Wesen Gelegenheit, die Erfahrungen seines vergangenen Lebens auf Erden aufzunehmen und zu verarbeiten. Denn derselbe rhythmische Zyklus der Tätigkeit – Schlaf und Ruhe, Assimilation, gefolgt von erneuerten Energien, ist nicht nur für unseren physischen Körper kennzeichnend, sondern gehört zu allen lebenden Wesen, ob materiell, psychologisch oder spirituell. Natürlich gilt dies gleichermaßen für atomare, planetarische, stellare und kosmische Organismen.

Schließlich schlägt die Uhr und das Ego muß zum irdischen Leben zurückkehren. Warum? Nur deshalb, weil das Ego ausgeruht ist und wieder nach Leben und Wirken verlangt? Dies ist zweifelsohne einer der Gründe, denn der Durst nach Leben und das Wiederholen früherer Erfahrungen ist eine mächtige Ursache der materiellen Wiedergeburt.

Unbestimmte und flüchtige Erinnerungen an die früheren irdischen Schauplätze, die das reinkarnierende Ego einst kannte und liebte, beginnen nun panoramagleich an seinem Bewußtsein vorbeizuziehen. Diese aus dem früheren Erdenleben erwachenden Erinnerungen ziehen das Ego stetig zu den anderen Sphären, die es früher bewohnte, und es beginnt, durch Zwischensphären, -ebenen und -welten ‘hinabzusteigen’; mit dem Niedersinken der Monade werden diese Impulse im Verlaufe der Zeit immer stärker, so daß es, angezogen durch unseren Erdball, schließlich zu einer neuen Verkörperung in irdischer Existenz bereit ist.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 874

Die Hauptgründe, warum das Ego im Menschen, der Denker, aus seiner Zeit der Ruhe geweckt wird, um zu den Aufgaben, den Freuden und Leiden eines weiteren Erdenlebens zurückzukehren, sind folgende: zum ersten ist der Mensch dem kosmischen Gesetz der Wiederverkörperung unterworfen, dem alles was lebt, selbst die Himmelskörper und die Universen, gehorchen müssen. Auf die zweite Ursache wurde bereits hingewiesen: der Durst nach materiellem Leben, der Hunger, die Sehnsucht nach den Schauplätzen und Erfahrungen der Vergangenheit, an denen wir bewußt oder unbewußt hängen. Dies ist möglicherweise eine der bedeutendsten Ursachen für die Wiedergeburt.

Aber, wie bereits erwähnt, gibt es auch Menschen, die mit großem Nachdruck erklären, daß sie nicht auf die Erde zurückkehren wollen. Der Mensch sagt oder denkt dies, weil die Möglichkeiten und der Kummer in seinem Leben derart waren, daß er sich alles nur keine Wiederholung wünscht. Er fürchtet jedoch nicht das Leben, sondern die Sorgen, den Kummer und die Pein, die das Leben brachte.

Unser Bedauern wegen begangener Fehler oder Unfreundlichkeiten, ein lebenslanger Traum von einer Karriere, die nie möglich war, unbefriedigte Sehnsucht nach Büchern, Musik, Reisen, Luxus, nach passenden Freunden oder nach der Kraft, anderen zu helfen – das sind tatsächliche Energien. Einmal müssen sie eine Auswirkung zeigen. All diese Dinge erzeugen den unbewußten Durst im menschlichen Herzen und nur das menschliche Leben kann den Durst löschen.

Dieser ‘Durst’ ist eine zusammengesetzte unwillkürliche Gewohnheit, bestehend aus einer Reihe von Dingen, wie es bei allen Gewohnheiten der Fall ist, wenn wir uns selbst analysieren. Er besteht aus Liebe, Haß, Zuneigung der verschiedensten Art, aus magnetischer Anziehung der Scharen von Lebensatomen, welche die menschliche Konstitution zusammensetzen, sowohl die sichtbare wie die unsichtbare, und er besteht aus Sehnsüchten und Verlangen von vielerlei Arten, die sich alle während der verschiedenen Lebenszeiten auf Erden in der menschlichen Seele und im Geist ansammeln und die deshalb von den Theosophen kurz ‘Gedanken-Niederschläge’ genannt werden – emotionale, mentale und psychische Neigungen und Vorlieben. Das sind alles Energien, … und sie werden auf das Schicksal des reinkarnierenden Egos einwirken, bis die Evolution und das sich erweiternde Bewußtsein und die Reinigung durch Leiden schließlich das Bewußtsein des Menschen als Individuum zu höheren Ebenen übergehen läßt. . .

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 874

Dann hat die Sache noch eine andere Seite, nämlich die Anziehungskraft der Lebensatome. Dieses ist die dritte Ursache für die Rückkehr des Egos auf die Erde. Wenn die Zeit für die Reinkarnation gekommen ist, ‘steigt’ das Ego entlang dem gleichen Weg ‘hinab’, den es nach dem Ende des letzten Lebens ‘aufgestiegen’ war. Auf dem Wege nimmt es die gleichen Lebensatome wieder auf, die es zuvor zurückgelassen hatte und die nun wieder helfen, seine verschiedenen Vehikel aufzubauen. Die Lebensatome gehören nicht alle zur physischen Ebene. Es gibt verschiedene Klassen, die auf den drei allgemeinen Ebenen der Evolution wirksam sind, nämlich der physischen, der mental-emotionalen und der spirituellen. Diese Klassen von Lebensatomen manifestieren jeweils eine Stufe der Evolution, entsprechend der Ebene, zu der sie gehören. Lebensatome sind unendlich kleine, unentwickelte Gottesfunken, emaniert aus der Zentralen Lebensflamme im Herzen des Universums, und sie bilden die Bausteine auf allen Ebenen des Kosmos; sie formen den ‘Stoff’, aus dem die drei erwähnten Ebenen der Evolution aufgebaut sind und aus welchem die höheren Wesen auf dieser Ebene ihre Vehikel bilden, wodurch sie sich manifestieren können. So werden körperliche Handlungen und Funktionen des Menschen durch die Lebensatome ermöglicht, Lebensatome, die seinen Körper bilden, bis der Tod eintritt, wonach sie befreit werden, um ihre Transmigrationen fortzusetzen. Ebenso besitzt der Mensch seine mental-emotionalen und auch seine spirituellen Lebensatome, durch die sein persönliches Leben und das des Ego zum Ausdruck kommen.

Es gibt natürlich noch andere Ursachen, die zu dem unwiderstehlichen Drang des Ego, zum Erdenleben zurückzukehren, beitragen, aber wir haben hier genug gesagt, um deutlich zu machen, welche ‘Gesetze’ hier zugrunde liegen.

Wir kommen nun zu dem Vorgang, durch den das Ego sein Dasein auf diesem Planeten Erde wieder beginnt. Aus den oben erwähnten Gründen, verbunden mit anderen, die ebenso zwingend sind, erwacht das spirituelle Ego schließlich aus seinem glücklichen Traumzustand und beginnt seinen ‘Abstieg’ zur Erde. Das geschieht ganz allmählich. Die Zustände, die das Ego auf seinem Weg zum stofflichen Leben durchschreitet, sind zuerst psychologischer Art, da das Ego, Manas, das denkende Prinzip ist, das schöpferische, formende, selbstbewußte und intellektuelle Element in uns. Dieses psychologische Element formt zusammen mit dem emotionalen die Persönlichkeit, die das spezifische ‘menschliche’ Bewußtsein im Menschen ausmacht. Die psychologisch-emotionalen Lebensatome, die das Ego an der Schwelle zur Wiedergeburt erwarten, werden gebraucht, um das erste Gewand oder Vehikel zu formen, mit dem sich das Ego umgibt, wenn es aus den höheren, spirituellen Bereichen heraustritt. Dann sind die niederen vitalen Kräfte an der Reihe, die Lebensatome aus etherischer oder astraler und physischer Substanz, die von ihren formativen Neigungen geleitet werden, die im letzten Leben eingeprägt wurden und die dann durch ihre Transmigrationen noch verstärkt werden.

Diese Lebensatome sind die Träger der Skandhas, über die wir schon sprachen. Durch ihre Verbindung mit dem reinkarnierten Wesen werden die Lebensatome durch die physischen, mentalen und emotionalen Neigungen des vergangenen Lebens geprägt oder geformt. Die Transmigrationen der Lebensatome selbst, die nach dem Tode des Körpers beginnen, werden von diesen Skandhas bestimmt. Wenn die Lebensatome zu dem Wesen zurückkehren, das dabei ist, zu reinkarnieren, dann sind es diese Skandhas, die in den Lebensatomen verkörpert sind, welche die Natur und die charakteristischen Merkmale der mentalen, emotionalen und physischen Hüllen des neuen Erdenlebens liefern.2

… Das reinkarnierende Ego … wird magnetisch und psychisch zu der Familie hingezogen … wo schwingungsmäßige Bedingungen bestehen, die seinen eigenen am ähnlichsten sind. Seine niedrigste, d.h. mehr materielle Kraft und Substanz verbindet sich psycho-magnetisch durch ihr eigenes astral-vitales Fluid mit dem ‘Laya-Zentrum’ einer menschlichen Fortpflanzungszelle, wenn die geeignete Zeit kommt; und vom Augenblick der Empfängnis an, ‘der geeigneten Zeit’, überschattet das reinkarnierende Wesen dieses Teilchen, während es von der Empfängnis an durch seine verschiedenen Phasen wächst, vom Leben im Mutterleib zur Geburt, Kindheit und in das Erwachsenenleben.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 893

Hier stoßen wir natürlich auf die allgemein verbreiteten Theorien der Vererbung, die als die entscheidenden Ursachen aller unserer geistigen und körperlichen Eigenschaften betrachtet werden. Durch die Vererbungstheorie werden die Ungleichheiten im menschlichen Leben nicht erklärt, sondern einfach nur ein wenig in den Hintergrund geschoben. Warum werden einige in den schwierigsten und andere in den scheinbar günstigsten Verhältnissen geboren? Dergleichen Fragen entmutigen den Durchschnittsmenschen mehr als alles andere und sie verlangen dringend nach einer Erklärung. Wenn wir jedoch an die auswählenden Eigenschaften der verschiedenen psychologischen, emotionalen, astralen und vitalen Vehikel denken, die sich bereits vor der Empfängnis um das Ego formen, können wir begreifen, daß ein reinkarnierendes Wesen automatisch aus dem Strom der Erbanlagen seiner Familie genau jene Neigungen verkörpert, welche seiner eigenen Natur entsprechen, wie es sie in der Vergangenheit entwickelte. So gesehen sind die Erbanlagen das, was sie wirklich sind, nur ein anderer Name für die Wirkung der schöpferischen Energien, hoch oder niedrig, die von dem Individuum selbst in seiner Vergangenheit geschaffen wurden. Die Familie und die Eltern sind nur der unumgängliche Kanal, durch welchen diese selbstgeschaffenen Energien sich als Konsequenz in Charakter, Temperament und in der physischen Konstitution auswirken.

An diesem Punkt angekommen, erkennen wir von Neuem, wie die schöpferischen Prozesse der Natur sich wiederholen. Denn ebenso wie das Ego, das den Körper verläßt, ein lebendiges Bild des eben beendeten Lebens an sich vorbeiziehen sieht, so übersieht es nun an der Schwelle des menschlichen Daseins die Ereignisse des kommenden Lebens. Das spirituelle Ego nimmt alles, was geschehen wird, als notwendig und gerecht an; es unternimmt dann freiwillig einen neuen Versuch, um die menschliche Persönlichkeit über das Gewissen und durch die Liebe auf dem Weg zu leiten, der zur Selbsterkenntnis und Selbstbemeisterung führt.

Es ist interessant, darüber nachzudenken, daß wir in gewissen Sinne dieselbe Persönlichkeit sind wie im vorigen Leben, da unser ganzes Wesen aus Lebensatomen aufgebaut ist, die wir in vergangenen Leben benützten. Dennoch, weil alle diese Lebensatome sich bei der Geburt in neuen Kombinationen verbinden und nachdem wir außerdem in Übereinstimmung mit unserer Vergangenheit vielerlei Erfahrungen gemacht haben, so ist unsere neue Persönlichkeit doch gänzlich verschieden von jener, deren wir so überdrüssig waren, als der Tod uns freundlich zwang, sie wie ein abgetragenes Kleid beiseite zu legen.

Ist es nicht sonderbar, stets derselbe und doch immer wieder neu zu sein – die Bewußtseins- und Energiesubstanzen und alle Grade von Materie, durch welche wir als spirituelle Egos tätig sind, zu entwickeln, zu verändern und zu vervollkommnen?

Über die Dauer der Periode zwischen zwei Inkarnationen schreibt Dr. de Purucker folgendes:

Es gibt ein Gesetz oder eine Regel im Okkultismus, die ganz auf dem Wirken der Natur basiert, daß ein Mensch gewöhnlich nach einer Zeitdauervom etwa einhundertfachen der Jahre, die das letzte Erdenleben dauerte, reinkarniert. … Je höher ein Mensch auf der evolutionären Leiter steht, desto länger dauert in der Regel sein Devachan; je materieller ein Mensch dagegen ist, desto kürzer währt sein Devachan. Menschen mit einer sehr materialistischen Einstellung reinkarnieren dann, relativ gesprochen, auch sehr schnell, und diejenigen, die spirituell eingestellt sind bleiben, wie gesagt, viel länger in den unsichtbaren Welten. Warum? Weil ihre Seele dort zuhause ist und sie, je nach dem Grad ihrer Spiritualität, ihre Verbundenheit mit den Welten stärker fühlen. Die grobstoffliche Sphäre, worin sich das irdische Leben vollzieht, ist in gewissem Sinne fremdes Land für ihre Seele. Sie übt auf den spirituell eingestellten Menschen wenig Anziehungskraft aus, jedoch für den Menschen mit materialistischer Einstellung gilt das Gegenteil.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 680, 684

Dies ist die allgemeine Regel, aber natürlich gibt es Ausnahmen.

Diese kurze Skizze gibt dem Suchenden hoffentlich eine Vorstellung, sei sie auch unvollständig, von der komplexen Thematik der Reinkarnation. Und doch ist sie so einfach zu verstehen, wenn wir die Grundprinzipien der Evolution einmal verstanden haben. Die Grundprinzipien sind: Die Einheit aller Wesen, die zyklische und periodische Natur allen manifestierten Lebens und die Verpflichtung aller Wesen, die den Kosmos bilden, sich entlang der stets aufstrebenden Spirale der Wiederverkörperung zu entwickeln.

Der Einfluß der Reinkarnation

Wenn wir die heutige Weltsituation betrachten, drängt sich der Eindruck auf, daß der Grundton unserer Zeit ein verantwortungsloser Individualismus ist. Beinahe alles, was zur ‘freien Entfaltung der Persönlichkeit’ beiträgt, scheint erlaubt zu sein. Die Resultate, wie sie täglich in der Presse berichtet werden oder wie wir diesen bei unserem vergeblichen Bemühen um moralische und soziale Reform begegnen, sind oft bedrückend.

Wir brauchen eine neue Basis für die ethische Erziehung des Menschen. Kirchen, Erziehungseinrichtungen, sozialer Dienst und Gefängnisreform haben alle ihren Nutzen. Doch bevor nicht das Kind von den ersten Lebensjahren an zu einer vernünftigen, befriedigenden Lebensphilosophie erzogen werden kann, die aus den Tatsachen der Natur selbst erwächst, wird es keine konstruktive, dauernde Verbesserung im moralischen Charakter unserer Zivilisation geben.

Die Theosophie kann solch eine vernünftige Grundlage für die Erziehung und für das Leben bieten. Die Reinkarnation ist nur eine der tiefsinnigen und umfassenden Wahrheiten, und jedes einzelne Gesetz, auf die sie den Menschen erneut hinweist, ist in der Natur begründet. Würde man sie ebenso gewissenhaft studieren wie Chemie oder Musik, so würden sich viele Probleme lösen. Das Leben soll einen Sinn und eine Bedeutung erhalten, und der Mensch soll ein Ziel entdecken, das befriedigt und inspiriert.

Lassen Sie uns nun den Glauben an die Reinkarnation auf seinen ethischen Inhalt hin überprüfen. Als erstes können wir sagen, daß der Mensch anfängt, sich in einem anderen Licht zu sehen. Wenn er an seine eigene Vergangenheit denkt, akzeptiert er die Vorstellung, daß er bereits viele Male gelebt und dazu beigetragen hat, einige der großen Kulturen der Erde zu schaffen. Das gibt ihm das Gefühl, dazu zu gehören, ein Teil des großen Ganzen zu sein, und das ist ein bedeutendes Gegengewicht zu dem Gedanken, ‘in Sünde’ geboren zu sein. Allmählich wird er die Einheit mit dem universalen Leben fühlen; so wird in seinem Herzen der religiöse Instinkt wiedergeboren, und er wird in seinem Empfinden der Einheit mit dem Göttlichen Trost finden.

Später wird er auch seine Umgebung in diesem neuen Lichte sehen und erkennen, daß sie genau so ist, wie er sie in einem vorigen Leben aufgebaut hat. Eine Empfindung kreativer, moralischer Kraft kann sich in ihm entfalten, und er erkennt, daß er ein Mitarbeiter des Ganzen ist. Wenn er an seine Freunde und auch an die, welche er als seine Feinde betrachtet, denkt, weiß er nun, daß sie Gefährten für die Ewigkeit sind, wodurch sich sein Verhalten zu ihnen von Grund auf ändert.

Das gilt auch für die Ehe. Unter dem Einfluß der zeitlichen Umstände scheint sie mit den Jahren immer komplizierter und schwieriger zu werden. Man nimmt sie leichtfertig hin. Häufig verfügen junge Menschen über keine Lebensphilosophie, die ihnen zeigt, wie sie das sexuelle Leben mit ethischen Grundsätzen vereinigen können. Sex ist eine der Tatsachen des menschlichen Daseins. Aber Dank der Tatsache, daß dieses Thema regelmäßig in Presse, Funk und Fernsehen behandelt wird, ist das letzte Wort hierzu noch nicht gesprochen.

Junge Menschen, welche die Reinkarnation jedoch als eine Tatsache in der Natur akzeptieren, erkennen, daß die Sexualität nur zu dem zeitlichen und vergänglichen Teil unseres Wesens gehört, zu der niederen Persönlichkeit, und nicht wie Zufriedenheit, die in ihrer Wesensart beständig ist, zum göttlichen, unsterblichen, reinkarnierenden Ego. Die unbegrenzte Hingabe an die Wünsche und Begierden des niederen menschlichen Aspekts mag ein zeitliches ‘Glück’ bescheren, doch es steht dem höheren Glück im Wege. Die jungen Menschen werden dazu geführt, diese Lehre durch das Studium der Geschichte und der Biographie, durch die Beobachtung des Lebens der Mitmenschen um sie herum, zu testen und bei ihren eigenen Schwierigkeiten anzuwenden. Wenn sie das tun, werden sie in bezug auf die dauerhaften Seiten der Gemeinschaft und Liebe wunderbare Entdeckungen machen, was, könnte man die Jugend in der Welt davon überzeugen, die Gesellschaft völlig umwandeln würde. Wenn junge Menschen glauben, daß sie bereits in früheren Leben zusammen waren und daß ihre heutigen Schwierigkeiten das Resultat vergangener Fehler sind, werden sie leicht begreifen, daß sie das Problem besser gleich anpacken sollten, um es zu einem glücklichen Ende zu bringen. Sich der Situation jetzt zu entziehen, bedeutet lediglich Aufschub und die Bereinigung wird später schwieriger sein.

Was eine harmonische Ehe betrifft, so brauchen wir nur anzumerken, daß die Lehre der Reinkarnation in allen menschlichen Beziehungen und in allen Formen der bleibenden Liebe ein helleres Licht auf die Wirklichkeit einer wahrhaftigen Partnerschaft wirft. Die Ehe ist eine heilige Sache; damit sie jedoch eine wirkliche Ehe ist, muß die Liebe, auf der sie aufgebaut ist, ihren Ursprung im Spirituellen haben. Das Wissen von der Reinkarnation, wenn sie ernsthaft studiert und wirklich verstanden wird, setzt jeglicher moralischer Schwäche ein Ende.

Wie vollkommen anders betrachten die Eltern, die an Reinkarnation glauben, ihre Kinder, als die Väter und Mütter, die meinen, daß die Kinder ihr Eigentum seien oder daß sie zufällige Produkte animalischer Entwicklung seien. Durch die Kenntnis der Theosophie erfahren sie etwas von dem Licht der essentiellen Göttlichkeit des Menschen. Für jene, die das begreifen, ist die Geburt eines Kindes mehr als nur eine äußerliche Geburt, sie ist etwas Göttliches. Das Kind, das im Begriff ist wiedergeboren zu werden, kehrt aus der ‘Himmelswelt’ zurück und bringt eine heiligere und reinere Atmosphäre in das Leben derer, denen es anvertraut ist, mit. Sowohl der Vater als auch die Mutter nehmen Anteil an einem der tiefsten und heiligsten Lebensmysterien. Sie werden sich nicht nur darauf vorbereiten, um ihren Kindern die bestmöglichen Vehikel für das Leben auf der Erde zu geben, sondern sie werden auch mit Freude die tieferen Vorbereitungen auf sich nehmen, um ihre Kinder weise und einfühlsam durch die karmischen Probleme zu führen, die sie aus ihren vergangenen Inkarnationen geerbt haben und von denen sie selbst ein bedeutender Teil sind. Es bedarf keiner Erklärung, daß eine solche Haltung für das Leben der Eltern wie auch der Kinder viel bedeuten kann. Wie Katherine Tingley in einer ihrer Ansprachen sagt:

In einer Familie, die so denkt, ist in der Tat das Königreich der Himmel anwesend. Draußen mögen Stürme wüten, Prüfungen, Armut, Streit, tragische Ereignisse, Enttäuschungen aller Art mögen von außen den Frieden bedrohen; aber wie zahlreich und ernsthaft sie auch sind, sie können die Bauleute jener Familie nicht entmutigen, die im Inneren den Himmel trägt, der sich in einem Familienleben widerspiegelt, das der Ausdruck des höheren Gesetzes ist.

Ihre Kinder würden in einem Wunder von neuem Glück geboren werden, das die Atmosphäre erfüllt. Vor der Geburt des Kindes würden sie sich in einer mehr als alltäglichen Weise darauf vorbereiten. Dieses Paar heiratete mit Verständnis; sie kannten die Gesetze des Lebens; sie waren Freunde und nicht nur Liebende.

Ein Kind wurde ihnen geboren, aber bevor es das Licht erblickte, formte ihr Denken schon seinen Charakter; der Einfluß der Harmonie, des Friedens, der Hoffnung und des Mutes, die sie in ihr Leben brachten, bereiteten auch dem Kind einen größeren, breiteren Weg als gewöhnlich; eine Umgebung, geeignet für eine Seele, um darin zu leben, so daß sie sich nach der Geburt nicht in dieser Welt ausgesetzt findet, sondern sich sofort wieder zu Hause in ihrer Umgebung fühlt.

The Wine of Life, S. 68, 69

Wann immer wir den fundamentalen Gesetzen nachgehen, aus denen die Reinkarnation stammt, erkennen wir, daß Evolution ein ethischer Prozeß ist – von eher spiritueller als physischer Natur. Die physische Evolution ist nur die äußerlichste und am wenigsten wichtige Seite der Angelegenheit. Was nützt schließlich ein gesunder und wohlgeformter Körper, wenn er zu üblen Zwecken mißbraucht wird? Es ist allgemein bekannt, daß körperliche Vollkommenheit nicht notwendig ist, wenn es um moralische und intellektuelle Genialität geht. Wie häufig kommt es vor, daß körperliche Schönheit eine Quelle des Unglücks und des sittlichen Verfalls ist? Der Charakter ist das spirituelle Kleid der Evolution. Er ist das einzige, das wir aus diesem Leben mitnehmen können, wenn wir scheiden, und wir bringen ihn als unseren Erbteil aus der Vergangenheit wieder mit, wenn wir für eine neue Inkarnation auf die Erde zurückkehren.

Die moderne Auffassung „laßt uns essen und trinken und fröhlich sein, denn morgen sind wir tot“ entstand dadurch, daß wir die Erkenntnis verloren, daß wir in unserem tiefsten Inneren unvergängliche, spirituelle Wesen sind. Die materialistische Wissenschaft nährte die Vorstellung in uns, daß wir hochentwickelte Abkömmlinge der Affen seien. Die Religion hat nichts zu bieten, das durch die Gegebenheiten der Natur und des Lebens hinreichend gestützt wäre, um dem demoralisierenden Einfluß dieser Lehre entgegenzutreten. Als der materialistische Einfluß sich seinem Höhepunkt näherte, war dies einer der wichtigsten Gründe, warum H.P.Blavatsky, dazu inspiriert von ihren Meistern, vor mehr als hundert Jahren die Theosophische Gesellschaft gründete. Der Materialismus selbst wurde damals von einem bekannten englischen Gelehrten, J. S. Haldane, folgendermaßen charakterisiert: „Der Materialismus, einst eine wissenschaftliche Theorie, ist nun das fatalistische Glaubensbekenntnis von Tausenden; aber der Materialismus ist keinesfalls besser als der Aberglaube, der sich auf derselben Stufe mit dem Glauben an Hexen und Teufel befindet.“

Die Theosophie zeigt das wahre spirituelle Ideal der Evolution und wie es praktisch auf alle Lebensgebiete angewandt werden kann – spirituell, intellektuell, moralisch und physisch. In der Reinkarnationslehre steht die ethische Seite der Evolution an erster Stelle, denn hier sind Gerechtigkeit, moralische Konsequenzen und Wachstum an spiritueller Kraft die entscheidenden Einflüsse. Ohne spirituelles Wachstum kann man das Beste in sich nicht entfalten. Kräfte, die durch Leben voller Anstrengung erworben und nur zur eigenen Befriedigung gebraucht wurden, gehen verloren, denn sie werden in späteren Leben durch die Schwierigkeiten und das Leid, welche eine direkte Folge der Selbstsucht sind, eingedämmt. Die Lehre der Reinkarnation macht deutlich, daß der beste Weg, um diese Kräfte beständig und göttlich zu machen, darin besteht, sie dem Dienste der Menschheit zu widmen. Auf diese Weise war es den Heilanden der Geschichte möglich, den Verstand und die Herzen von ganzen Menschenrassen zu leiten.

Wir sollten das Thema nicht verlassen, ohne eine weitere wichtige Folge dieses Glaubens beachtet zu haben, und das ist die Wirkung auf das Leben alter Menschen. Beinahe alle Menschen blicken mit Furcht dem Alter entgegen, denn es bedeutet für die meisten, wenn nicht Schwäche oder körperlichen oder geistigen Verfall, so doch beiseite geschoben zu werden. Das Alter ist jedoch ein sehr wichtiger Teil unseres Lebens:

Das reinkarnierende Ego oder die ‘Seele’ ist erst beträchtlich kurze Zeit vor dem Tode des physischen Körpers wirklich völlig inkarniert, was bedeutet, daß für die physische, mentale und spirituelle Entwicklung, nahezu bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Auflösung des physischen Körpers beginnt, eine fortdauernde Möglichkeit besteht. Mit anderen Worten, … hohes Alter ist nicht, wie manchmal törichterweise vermutet wird, unfähig zu lernen, und es ist nicht lediglich ein betrüblicher Abschnitt im menschlichen Leben, in dem das Beste vorüber ist und die Zukunft keine andere Hoffnung als den Segen des Sterbens bietet. Das genaue Gegenteil ist wahr, denn der Mensch sollte, wenigstens theoretisch, nahezu bis zur physischen Auflösung, sowohl in spiritueller als auch in intellektueller Kraft und Fähigkeit ständig voranschreiten.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 894

Diese Worte enthalten eine neue und ermutigende Botschaft für uns alle. Die weisen Alten erkannten diese Wahrheit an, indem sie dafür eintraten, daß die jungen Menschen zum Handeln und die Alten zur Beratung bestimmt waren. Eine der Tragödien des modernen Lebens besteht in der Diskrepanz zwischen den Rollen der Jugend und der Rolle derer des mittleren Alters, aber auch hier bietet die Reinkarnation eine Lösung. Wir dürfen natürlich die Tatsache nicht übersehen, daß, um dieses Ideal des Alters am besten verwirklichen zu können, es notwendig ist, in der Jugend und im mittleren Alter in Übereinstimmung mit unserer göttlichen Natur zu leben, damit das Alter die Ernte der spirituellen Entwicklung einbringen kann. Aber es ist natürlich noch nicht zu spät, unsere Lebensweise zu ändern und zu verbessern, und keine einzige Tat bleibt ohne Folgen.

Die ethische Seite des Glaubens an die Reinkarnation wird in Man in Evolution von Dr. G. de Purucker folgenderweise zum Ausdruck gebracht:

Wir lernen mit und durch die Reinkarnation als einer natürlichen Tatsache die Schönheit des inneren Lebens kennen, wodurch wir wachsen und ein größeres Verständnis entwickeln, nicht nur von uns selbst, sondern auch von der inneren Schönheit, die in der Harmonie der universalen Gesetze besteht.

Denn hinter allen Dingen liegen Schönheit, Glück und Wahrheit.

Was die Menschen Böses, Mißgeschick und Unglück nennen, und die verheerenden Phänome der physischen Welt, die sich manchmal ereignen, entstehen aus dem Konflikt der Willensäußerungen und Kräfte der verschiedenen Scharen unvollkommener, aber evolvierender Wesen, und eine dieser Scharen wird durch das gebildet, was wir kollektiv die Menschheit nennen.

– S. 244-245

Vor allem anderen zeigt die Reinkarnation, daß Bruderschaft eine große Wahrheit des Universums ist, die Basis und erhabenste Tatsache in der Natur. Die Essenz und die Evolution all dessen, was ist, wird durch sie regiert. Der erste der fundamentalen Lehrsätze der Alten Weisheit ist, daß „alle Menschen in ihrem innersten spirituellen Wesen nicht nur miteinander verwandt sind, sondern eine vollkommene, unaussprechliche Einheit bilden“, um in den Worten Dr. de Puruckers zu sprechen. Und er fügt dem hinzu, daß der fundamentalste Fehler, den wir machen können, der ist, die Wahrheit der vollkommenen und essentiellen Einheit aller Wesen zu leugnen, sei es direkt in Wort oder Gedanken oder indirekt durch Handlungen. Das würde heißen, so könnte man beinahe sagen, die Göttliche Quelle zu leugnen, in der wir alle leben, in der wir uns bewegen und in der wir sind. In der Geheimlehre (Secret Doctrine, I, S. 17), läßt H. P. Blavatsky erkennen, daß diese Wahrheit spiritueller Natur ist. Sie stellt fest:

Die fundamentale Identität aller Seelen mit der universellen Oberseele . . . und die verpflichtende Pilgerfahrt für jede Seele – ein Funke der vorgenannten – durch den Zyklus der Inkarnation (oder ‘Notwendigkeit’), in Übereinstimmung mit dem zyklischen und karmischen Gesetz. … die Grundlehre der esoterischen Philosophie anerkennt keine Privilegien oder besonderen Gaben des Menschen, außer jenen, die sein eigenes Ego durch persönliche Anstrengung und Verdienst während einer langen Reihe von Metempsychosen (Seelenwanderungen) und Reinkarnationen gewonnen hat.

Wir sehen also, daß alle Wesen denselben Ursprung in dem Einen Universalen Leben haben, und daß jede Gruppe ihre eigene Rettung bewerkstelligen muß, unter Bedingungen, die für alle Mitglieder der Gruppe gleichermaßen gültig sind. Der gegenwärtige Mensch arbeitet an dem Ziel seiner Evolution durch den Zyklus der Notwendigkeit, auf dieser Erde Reinkarnation genannt. Diese Tatsachen zeigen die grundsätzliche Gleichheit aller Wesen, was Ursprung, Wachstum und die Bestimmung betrifft. Denn im Herzen eines jeden, auf welcher Stufe der Evolution er auch steht, wohnt ein Gottesfunke, ein Strahl der Überseele oder des Universalen Lebens. In den Reichen unter dem Menschen brennt dieser Gottesfunken nur mit schwachem, instinktivem Licht. Im Menschen ist er größer geworden und sendet einen selbstbewußten Strahl aus, der seinen Weg erhellt, wenn er es zuläßt, und macht aus ihm ein moralisch verantwortungsbewußtes Wesen. In den Mahatmas hat sich dieser Gottesfunke zu einem Licht der Halb-Göttlichkeit entwickelt, der selbstbewußten Vereinigung mit dem Einen Leben; und in den Wesen, die über und höher als die Mahatmas stehen, ist der Funke zu einer strahlenden Flamme der reinen Göttlichkeit geworden. So reicht die riesige Leiter des Seins aus dem Bereich unserer gegenwärtigen spirituellen Vision weiter und aufwärts und verschwindet in der Herrlichkeit der unsichtbaren Welten.

Die schönste Seite dieser Lehre liegt in der grundsätzlichen Verantwortung einer jeden Gruppe von bewußten Wesen für jene Wesen, die auf der evolutionären Leiter unter ihnen stehen. Die Götter wachen über alle Gebiete des Seins und schenken dem Ganzen Inspiration und Leben. Die Mahatmas, die durch selbstgeleitete Evolution ihre Diener wurden, sind an erster Stelle die Helfer und die Älteren Brüder der Menschheit. Obwohl sie die Stufe des menschlichen Lebens und seine Erfahrungen bereits überschritten haben und zu höheren Reichen der Evolution aufsteigen könnten, wenn sie es nur wollten, entschieden sie sich dafür, bei der Menschheit zu verweilen, um ihr in ihrer spirituellen Entwicklung beizustehen und so die Götter dabei zu unterstützen, die Menschen zu beschützen und zu leiten. Von Zeit zu Zeit senden die Mahatmas Botschafter in die Welt, um die alten Wahrheiten, die im Laufe der Jahrhunderte entstellt und vergessen wurden, in einer neuen Form zurückzubringen. H.P .Blavatsky war eine solche Botschafterin, und die Theosophische Gesellschaft wurde gegründet, um als Kanal für die Alte Weisheit zu dienen, die Theosophie, die fast zwanzig Jahrhunderte für die westliche Welt verloren gegangen war und an die Menschheit zurückgegeben werden mußte.

Ein weiterer Aspekt der universalen Bruderschaft in Verbindung mit der Reinkarnation liegt in der individuellen Verantwortlichkeit, die der Mensch gegenüber den unter ihm stehenden Reichen hat. In bezug auf das ständige Kommen und Gehen der Atome, die unseren Körper bilden, sowie auf deren Auflösung und Transmigration nach dem physischen Tod des Menschen, bezieht sich das Folgende auf die oben erwähnten Gedanken:

Die Emanationen des Menschen bauen so die tierische Welt auf; die Tiere leben von diesen verschiedenen Arten von Lebensatomen, ob physischer, vitaler, astraler, mentaler oder anderer Art. . . . Die von ihm ausgehenden Lebensströme geben den Wesenheiten der unter dem Menschen stehenden Reiche Leben und evolutionäre Antriebe und ihre Eigenschaften, weil diese unter dem Menschen stehenden Reiche die evolvierten Ergebnisse der Gedanken und vitalen Emanationen der menschlichen Rasse sind.

– G. DE PURUCKER, Goldene Regeln der Esoterik, S. 60-61

Bruderschaft ist daher nicht nur ein Ideal oder ein Gefühl, sondern eine lebendige Tatsache. Und unsere ganze Misere kann darauf zurückgeführt werden, daß wir nicht wissen, daß Bruderschaft tatsächlich ein Gesetz unseres Daseins ist. Solange wir das nicht verstehen, werden wir, durch Selbstsucht vielerlei Art, der harmonischen Entwicklung von uns selbst und unserer Rasse im Wege stehen. Durch Reinkarnation, regiert und geleitet durch Karma, und durch die Hilfe unserer Älteren Brüder und noch höherer Wesen, wird die Menschheit schließlich die erhabenste Lehre der Evolution lernen, daß nämlich der Mensch nur durch Selbstlosigkeit und unpersönliche Liebe Freiheit, Glück und Stärke erlangen kann.

Wie in unserem Körper alle Zellen und Organe durch zahlreiche Bande miteinander verbunden sind und von einer zentralen Quelle genährt werden, so sind auch alle Wesen in der Natur aufs engste miteinander verbunden. Sie führen ihr eigenes Leben, doch sind sie zur gleichen Zeit die Zellen und Organe des größeren kosmischen Wesens, wozu auch die unzählbaren Universen gehören.

Die Einheit und Verbundenheit ist die Grundlage der universalen Bruderschaft, die wir in unserem persönlichen Leben zu einer Wirklichkeit machen müssen.

Reinkarnation in der Geschichte

Die Tatsache, daß die Reinkarnation zur Zeit von Christi Geburt praktisch überall auf der ganzen Welt gelehrt wurde, überrascht nahezu jedermann in den westlichen Ländern. Das kommt daher, daß wir nicht gelernt haben, diese Lehre geschichtlich mit den Juden oder den alten Griechen und den Römern in Verbindung zu bringen. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, daß sie von einigen Kirchenvätern akzeptiert wurde, und im frühen Christentum bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts n. Chr. so weit verbreitet war, daß ein besonderes Kirchenkonzil einberufen werden mußte, um die Lehre schließlich zu unterdrücken. Danach verschwand sie langsam aus dem intellektuellen und religiösen Leben Europas, und obschon hier und da eine Sekte oder einzelne große Denker und Mystiker ihr weiterhin anhingen, wurde sie nicht wirklich ins westliche Denken zurückgerufen, bis sie durch die Lehren der Theosophie wieder in das Denken eingeführt wurde. In unserer Zeit nimmt sie schnell ihren Platz als weltweiter Glaube wieder ein.

Der Reinkarnationsgedanke war für die großen östlichen Religionen immer charakteristisch. Wir müssen nur an die brahmanischen oder buddhistischen Lehren zu denken. In dem Buddhismus wurde die Lehre reiner bewahrt als in einigen anderen Religionen; unter anderem durch eine größere Toleranz. In dem exoterischen Brahmanismus hat die Lehre viel von ihrer Ursprünglichkeit verloren, wie die Irrlehre der Transmigration des menschlichen Egos in die Körper von Tieren bezeugt, worüber schon gesprochen wurde.

Die größten Menschen des Altertums lehrten die Reinkarnation; unter ihnen waren so bedeutende Namen wie Orpheus, Pythagoras, Empedokles, Plato, Apollonius von Tyana, während sie bei den Römern von Ennius und Seneca unterwiesen wurden. Wir finden die Lehre im alten Persien wieder, auch bei den Druiden und im Deutschland des Klassizismus. Sie war ein Eckpfeiler der großen, mystischen Religion des alten Ägypten. In China machte sie einen Teil des Taoismus aus, und durch die Ausbreitung des Buddhismus wurde ihr Einfluß dort vertieft.

Der Leser mag sich vielleicht über die abweichenden Formen wundern, die diese Lehre in den verschiedenen Epochen des menschlichen Denkens angenommen hat. Das folgende Zitat gibt jedoch eine Andeutung, wie die Veränderungen und Unterschiede entstanden.

Im Verlaufe der Zeitalter verlor man zuweilen den großen Hintergrund der essentiellen esoterischen Philosophie mehr oder weniger aus den Augen. Dann wurde die eine oder andere Seite der allgemeinen Lehre, hier Wiederverkörperung genannt, so wichtig, daß faktisch andere ihrer Formen und Aspekte verschwanden: eine Tatsache, die praktisch in jedem einzelnen historischen Fall zu einer Verdunklung oder zum völligen Vergessen der allumfassenden grundlegenden Lehre führte. Dieser historische Verlust der fundamentalen oder allgemeinen Lehre, der gewöhnlich mit der Überbetonung einer Form oder eines Aspektes dieser Lehre einherging, erklärt den Unterschied in der Form der Darstellung und die inhaltlichen Fehler, welche die Lehren über die nachtodlichen Erlebnisse des menschlichen Egos in der verschiedenartigen archaischen Weltliteratur aufzeigen.

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 593

Wenn wir uns den Zeiten der Völker des Mittelmeerraums nähern, die unmittelbar der christlichen Zeitrechnung vorausgingen, denken wir natürlich zuerst an die Juden, deren religiöse Auffassungen den wahren Geist der christlichen Botschaft so sehr beeinflußt und verändert haben. Im Alten Testament finden wir sehr wenige überzeugende Aussagen über das Fortleben des Menschen nach dem Tode, zumindest nicht in unserer üblichen Vorstellung von Unsterblichkeit. Hierin zeigt sich, wie unzulänglich diese Schriften der christlichen Tradition sind, da sie uns kein wirklich umfassendes Bild vom jüdischen Denken zu jener Zeit geben können. In der Kabbala jedoch, der esoterischen Philosophie der Juden, ihrer geheimen, mystischen Lehre, wurde die Reinkarnation erklärt. Auch Philo, einer der größten Philosophen des Judentums und ein berühmter Neoplatoniker, lehrte sie. So auch der berühmte jüdische Geschichtsschreiber Josephus. Denn Josephus war ein Pharisäer, und er selbst verbürgte sich dafür, daß die Pharisäer an Reinkarnation glaubten und sie lehrten. (Nachzuschlagen in seinem Buch Jewish War, Band II, Kapitel 8 und Buch III, Kapitel 8.)

Dr. de Purucker zitiert in The Esoteric Tradition einen Abschnitt aus dem Werk des Josephus, wo die Lehre der Wiedergeburt erwähnt wird. Er kommentiert:

Man wird die Beweiskraft des obigen Zitats sofort erkennen, weil der Hinweis auf die besondere Art der metempsychotischen Reinkarnation, die Josephus im Sinn hat, in den Fluß seiner Erzählung so natürlich und einfach eingefügt ist. Es ist hier keine Rede von einer Lehre, die der Sprecher als etwas Fremdes und Neues herbeizieht, … jedoch in jedem Falle wird der Hinweis, daß ein neuer Körper angenommen wird, als völlig selbstverständlich für seine Zuhörer oder Leser als ein Teil der Psychologie, in welcher sie lebten, akzeptiert.

– S. 615

Diese Tatsachen müssen uns nicht allzu sehr verwundern, da die Lehren von der Wiederverkörperung und der Reinkarnation in der einen oder anderen Form von den die jüdische Nation umgebenden Völkern allgemein angenommen wurden. Hier und da zeigt sich sogar in der Bibel, daß diese Idee im Hintergrund der Gedanken des Schreibers oder Sprechers war, wie zum Beispiel als die Jünger Jesus fragten: „Wer sündigte, dieser Mann oder seine Eltern, daß er blind geworden ist?“ (Johannes 9, 2). Wie hätte dieser Mann jedoch sündigen können, außer in einem früheren Leben, wenn er blind geboren wurde? Für die Jünger war die Wahrheit der Reinkarnation offenbar selbstverständlich, auch Jesus ermahnte sie nicht in seiner Antwort. In Matthäus XI, 14 sagt Jesus von Johannes dem Täufer: „Und so ihr’s wollt annehmen, er ist Elia, der da kommen soll“, eine Feststellung, die er in Markus IX, 13 zu wiederholen scheint.

Von diesen Dingen hatten natürlich jene ernsthaften Menschen des Mittelalters keine Ahnung (die, was die historische Entwicklung betrifft, völlig unwissend waren), die das Alte Testament ihren eigenen unvermeidlichen Beschränkungen entsprechend auslegten.

Ein verläßliches Bild der intellektuellen Welt in den frühen Tagen der Christenheit ist tatsächlich aufschlußreich. Ein solches Bild können wir aus dem Material gewinnen, das von vielen großen Schriftstellern geliefert wurde. Wenn diese auch nichts von Theosophie wußten (wie z. B. Legge, der das Buch Forerunners and Rivals of Christianity schrieb), so stellten sie doch ein sehr aussagekräftiges Zeugnis dar, daß viele Lehren, die in unserer Bildung als so kennzeichnend für das Christentum betrachtet wurden, unmittelbare oder entstellte Widerspiegelungen der Mysterienlehren der Alten Weisheit sind.

Die beiden Hauptquellen, aus welchen das frühe Christentum seine mystischen Lehren herleitete, wie zum Beispiel die Jungfräuliche Geburt, die Leidenszeit Christi, die Eucharistie, die Apostolische Nachfolge u.a., waren die Gnostische Philosophie und die Mithras-Religion. Diese beiden Systeme waren natürliche Entwicklungen aus der ursprünglichen, esoterischen Weisheit, und sie blühten in den ersten Jahrhunderten unserer Ära. Es fehlte nicht viel und die Mithras-Religion wäre die offizielle Religion des Römischen Reiches geworden.

… die Mithras-Religion hatte sich im dritten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung so weit ausgebreitet, daß sie beinahe die offizielle Staatsreligion des damals weltumspannenden Römischen Reiches geworden wäre. Diese Religion enthält so viel, sowohl in der Lehre als auch in der Form, was mit dem frühen Christentum ähnlich war, daß alle bedeutenden Schriftsteller der Zeit, christliche wie auch ‘heidnische’, dies vermerkten. Schließlich jedoch behielt die christliche Lehre durch eine Reihe interessanter Ursachen die Oberhand als herrschende Religionsform von Europa …

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 863

Mit seinen Dogmen von der stellvertretenden Erlösung, der Errettung durch den Glauben und die Praktiken, die sich daraus ergaben, befreite das Christentum die große Masse der Menschen von der mühsamen, moralischen Anstrengung und gab sich der Gestaltung des zeitlichen und politischen Aufstieges hin.

Die Reinkarnation war eine der bedeutendsten Lehren des Gnostizismus und bildete einen integralen Bestandteil der Mysterien-Lehren der Mithras-Religion. Viele der ersten Christen übernahmen die Lehre aus dieser einflußreichen und populären Quelle. Einige der großen Kirchenväter lehrten sie zu Anfang in der einen oder anderen Form, darunter Bischof Synesius und noch früher Origines und Clemens – alle aus Alexandrien, und die beiden letzteren gaben an, daß sie in die Mysterienschulen der damaligen Zeit eingeweiht worden seien. Es scheint so, als hätten diese weisen Männer danach gestrebt, in der neuen Kirche die Verbindung mit der lebendigen Weisheitsreligion aufrecht zu erhalten. Die Manichäer, in jenen frühen Tagen eine mystische Sekte Vorderasiens, bekannten sich zur Reinkarnation, und indem sie ihr sozusagen eine christliche Färbung gaben, trugen sie dazu bei, einen Aspekt der Reinkarnation zu popularisieren. Selbst im 12. und 13. Jahrhundert trat noch ein Zweig dieser Sekte auf, nämlich die Albigenser von Languedoc, welche die Lehre wieder aufleben ließen. Aber sie war dann für über siebenhundert Jahre verbannt worden, während die Albigenser, wenn auch nur mit Mühe, ausgerottet wurden.

Man könnte eine lange Liste der Gelehrten, Dichter und Mystiker aller Zeiten und aller Länder Europas anführen, die an Reinkarnation glaubten und sie lehrten. Das gesamte historische Glaubensthema der Reinkarnation ist es wert, sich damit zu beschäftigen, wenn auch nur, weil überraschende und interessante Tatsachen über den Ursprung von dem, was wir Christentum nennen, ans Licht kommen – Tatsachen, die so lange unterdrückt und vergessen waren. (Vgl. The Esoteric Tradition, Teil II, Kapitel XIX und XX).

Reinkarnation und Schicksal

Die Haltung, die wir gegenwärtig gegenüber jedem neuen Gedanken, mit dem wir konfrontiert werden, einnehmen, können wir vielleicht mit der oft gehörten Frage umschreiben: „Was habe ich damit zu tun?“ Und es ist nicht mehr als natürlich, daß jeder Fragesteller wissen möchte, zu welchem Ziel uns diese Entwicklung des Charakters viele Leben hindurch führt.

Eine der ersten Veränderungen, welche unsere Lebensauffassung durch das Studium der Theosophie annimmt, besteht darin, daß es weder in der Evolution noch für uns selbst keinen absoluten Anfang und kein endgültiges Ende gibt. Es kann nur von einem relativen Anfang und einem vorläufigen Ende die Rede sein. Alles entwickelt sich stufenweise, und nur die Formen, durch welche diese Stufen zum Ausdruck kommen, gehen vorbei. Die Evolution selbst verläuft, wie schon öfters festgestellt wurde, periodisch. Einer Zeit der Aktivität folgt eine Zeit der Ruhe, dann erfolgt eine neue Periode der Aktivität mit ihrer nachfolgenden Ruhepause, und das geht beständig so weiter – immer weiter aufwärts.

Am Beginn unserer Evolution als Menschen auf diesem Planeten kamen zuerst die tierische Seele und unser stofflicher Körper, gebildet von den niederen, instinktmäßigen Kräften der Natur, die den karmischen Linien unseres planetarischen Organismus folgten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in diesem Prozeß der frühen Entwicklung, als das tierische Vehikel schließlich fertig war, wurde das darin wohnende latente Feuer des Geistes von jenen höheren Wesen erweckt, die in einer früheren großen Entwicklungsperiode Menschen gewesen waren.

So wie mit einer Kerzenflamme viele andere Kerzen angezündet werden können, ohne daß der ersten Flamme etwas verloren geht, so wird das Denkvermögen des Menschen auf mystische Weise durch unsere weiter fortgeschrittenen, göttlichen Brüder entfacht. Symbolisch gesehen kann das vorbereitete tierisch-stoffliche Vehikel des Menschen als eine Kerze und die gesamte Schar der höheren Wesen als eine große spirituelle Flamme betrachtet werden. Diese Schar göttlicher Wesen, die einst Menschen waren, stieg zur Erde herab und brachte den wartenden Vehikeln auf mystische Weise die Flamme des Göttlichen Geistes. So wurden die schlummernden Fähigkeiten des animalischen Menschen zum ersten schwachen intellektuellen Funken entzündet. Dadurch wurde die Rasse wirklich menschlich, zu einer Rasse denkender und selbstbewußter Menschen. Erst dann wurde es ihnen möglich, sich selbstbewußt mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. In jedem einzelnen erwachte das besondere Gefühl der Selbsterkenntnis, das sagt: „Ich bin ich und niemand anderer.“ Von dieser Zeit an wurde der Mensch für sich selbst moralisch verantwortlich, und die Leitung seiner Evolution ging in seine eigenen Hände über. Künftig hing das, was aus seinem Körper wurde und in welche Richtung seine Evolution fortschritt, von seiner eigenen Anstrengung ab. Aber diese eben erwachten Menschen, die eigentlich erst jetzt ihre Evolution als wirkliche menschliche Wesen begannen, wurden nicht ihrem eigenen Schicksal überlassen. Zeitalterlang wurden sie von denselben Großen Wesen geleitet und beschützt, die den Anstoß für ihre Menschwerdung gaben, wie es H. P. Blavatsky ausführlich im 3. Band der Geheimlehre erläutert.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß dies alles nicht zufällig und planlos geschah. Unsere Erde ist, nach ihrer eigenen angemessenen Ruheperiode, die direkte Wiederverkörperung von einer Welt, die ihr vorausging und von der sie die exakte Folge oder das karmische Resultat ist. Alle diese Prozesse von Aufbau und geistigem Erwachen vollziehen sich auf eine Art, die eine unvermeidliche Folge der vorangegangenen Evolutionsperioden darstellt.

So begannen wir unsere evolutionäre Reise entlang des Weges der Reinkarnation, durch den Zyklus der Notwendigkeit. Der ‘Zyklus der Notwendigkeit’ ist ein dichterischer, aber nicht minder anschaulicher Name für den evolutionären Kreislauf, den jede Bewußtseinseinheit im Universum durchlaufen muß. Der noch nicht selbstbewußte Gottesfunke tritt mit dem Beginn eines Manvantaras oder einer großen evolutionären Zeitperiode in diesen Zyklus ein und bewegt sich darin durch die Wiederverkörperung in stets weiter entwickelten Formen durch immer erhabenere Bewußtseinsphasen hindurch, bis schließlich das selbstbewußt Göttliche erreicht ist. Die Reinkarnation des Menschen stellt eine der Säulen dieser großen Spirale der Evolution dar.

Nachdem der Mensch zu einem selbstbewußten Denker herangereift war und mit der Entwicklung seiner latenten Kräfte begonnen hatte, wurde er zum Erbauer von Zivilisationen. Und dann inkarnierten einzelne der großen Wesen – wir können sie wirklich Götter nennen –, die in früheren Welten Menschen waren und zurückblieben, um die junge Menschheit zu leiten. Sie waren die göttlichen Lehrer in den grundlegenden Prinzipien der Religion, der Kunst, des Gesetzes, der Philosophie und der Lebensführung. Ihrem zyklischen Lauf folgend, verstrickte sich die menschliche Rasse immer tiefer in Zustände größerer Stofflichkeit. Angespornt durch das sich entwickelnde egoische Bewußtsein, gewann die Persönlichkeit an Bedeutung. Sie entwickelte ein Gefühl der Abgrenzung und Trennung von allen anderen Wesen, dazu Leidenschaft, selbstsüchtiges Verlangen, Gewinnsucht und Willenskraft, die gegen andere gerichtet waren. Dann entstand eine Disharmonie mit den großen, universalen, evolutionären Zielen. Der Mensch setzte seinen selbstsüchtigen Willen gegen die spirituellen Gesetze des Universums. Somit wurde die ‘Sünde’ geboren. Die Natur, die in ihrer Essenz Ausgleich und unpersönliche Harmonie ist, reagierte darauf. Leid, Kampf und Schmerz waren die unvermeidlichen Folgen. Krieg und Verbrechen kamen in die Welt und die moralische Atmosphäre von unserem Globus wurde derartig vergiftet, daß die wohltätigen Götter nicht länger dieselbe Luft mit uns einatmen konnten. Sie gaben ihren karmischen Auftrag jedoch nicht auf. Eine Rasse von Halb-Göttern und Helden folgte ihnen, Wesen, die halbgöttlich und teilweise aus den niedrigeren Elementen gebildet waren, welche die Erde entwickelte. Sie führten weiterhin die verschiedenen Rassen, solange diese auf sie hörten und ihnen folgten. Später, als unser Weg uns auf die nach unten gerichteten Windung der karmischen Spirale führte, auf den sogenannten ‘schattenhaften Bogen’ der Evolution, wurden diese halbgöttlichen Führer von den Mysterienschulen abgelöst, welche sie selbst einrichteten. Es waren Stätten von großer okkulter Gelehrsamkeit, wo die immer geringer werdende Zahl spiritueller Aspiranten noch unterrichtet und in die Göttliche Weisheit des Universums eingeweiht werden konnte.

Schließlich wurde die Religion materialistisch, korrupt und intolerant, und selbst die Mysterienschulen entarteten und wurden schließlich geschlossen. Aber nichts desto trotz gibt es auch heute noch an bestimmten reinen und unzugänglichen Orten unserer Erde Zentren des Wissens, wo die Mahatmas, unsere Älteren Brüder und die Nachfolger der früheren spirituellen Führer der Menschheit, das Feuer der Weisheit am Brennen erhalten und die göttlichen Lehren der Alten Weisheit bewahren. Dieser kurze Rückblick in die Geschichte unserer Vergangenheit bereitet uns auf einen mit ihr in Übereinstimmung stehenden Ausblick auf die Zukunft vor. Denn das Ziel unserer Evolution ist nichts Geringeres als die Göttlichkeit. Unter der Voraussetzung, daß wir die begonnene spirituelle Reise zu einem guten Ende bringen, werden wir, die Menschen von heute, in ferner Zukunft selbst einmal große Wesen – Götter – sein und zu unserem wiederverkörperten Planeten zurückkehren, um unseren Brüdern der niedrigeren Reiche zu helfen und sie zu leiten, Brüder, die jetzt nach uns die evolutionäre Stufenleiter zur Menschheit emporsteigen. Wir sind gegenwärtig dabei, uns für die wichtigste Aufgabe vorzubereiten, nicht nur dadurch, daß wir Selbstbeherrschung lernen, sondern dadurch, daß wir auf bescheidene Weise dasselbe hinsichtlich unserer eigenen Atome und aller anderen Wesen tun. Und was könnte, wenn wir darüber nachdenken, natürlicher und inspirierender sein als eine solche Schicksalsbestimmung?

Der folgende Abschnitt aus Quelle des Okkultismus von Dr. G. de Purucker, vermittelt uns einen kurzen Einblick in das, was die Zukunft für uns bereithält:

Der Mensch ist auf vielen Ebenen zu Hause. Er ist tatsächlich überall zu Hause. Unser Erdenleben ist nur ein kurzer Bogen auf dem Kreise des Daseins. Wie absurd wäre es, zu sagen, daß irgendein besonderer Ort, wie unsere Erde, das Richtmaß sei, nach dem die ganze Wanderung des Menschen beurteilt wird. Genauso ist es bei der Verkörperung und dem Wachstum eines Universums. Es hat ebenfalls seinen Höhepunkt und seinen Verfall, dem dann der Tod folgt. Verursacht wird die Verkörperung dadurch, daß die kosmische Wesenheit aus den unsichtbaren Sphären in die materiellen Bereiche heraustritt, sich in den Substanzen dieser Bereiche verkörpert, aus ihnen ein materielles Universum aufbaut und dann wieder verschwindet. Wenn dieses Dahinschwinden dem Ende entgegengeht, befindet sich das Universum in den Stadien seiner Auflösung.

So ist es auch bei einem Stern oder bei einer Sonne oder deren Heimat-Universum. So ist es bei jeder Wesenheit. Leben ist endlos, es hat weder Anfang noch Ende; und ein Universum unterscheidet sich im wesentlichen keineswegs von einem Menschen. …

Betrachtet die Sterne und die Planeten: Jeder von ihnen ist ein Lebensatom im kosmischen Körper, jeder von ihnen ist der organisierte Wohnort einer Vielzahl kleinerer Lebensatome, welche die leuchtenden Körper, die wir sehen, aufbauen. Überdies, jede funkelnde Sonne, die den Himmel schmückt, war zu irgendeiner Zeit ein Mensch oder ein dem Menschen gleichwertiges Wesen, das in gewissem Grade Selbstbewußtsein, intellektuelle Kraft, Bewußtsein, spirituelle Vision und einen Körper besitzt. Die Planeten und die Myriaden von Wesenheiten auf diesen Planeten, die solch einen kosmischen Gott, einen Stern oder eine Sonne umkreisen, sind jetzt die gleichen Wesenheiten, die in längst vergangenen kosmischen Manvataras (Zyklen der Offenbarung) die Lebensatome dieser Wesenheit waren. . . .

Ja, jeder einzelne von uns wird in weit entfernten Äonen der Zukunft eine Sonne sein, die in den Räumen des Raumes leuchtet. Das wird dann sein, wenn wir die Gottheit im Innersten unseres Wesens evolviert haben, und wenn diese Gottheit ihrerseits zu noch größeren Höhen fortgeschritten sein wird. Jenseits der Sonne gibt es andere Sonnen, die so hoch stehen, daß sie für uns unsichtbar sind, Sonnen, deren göttlicher Begleiter unsere Sonne ist.

Die Frage, die sich uns nach diesen Worten stellt ist: „Was versuchen wir gegenwärtig aus uns zu machen? Sind wir wirklich dabei, wenn auch unbewußt, unsere göttliche Bestimmung zu verwirklichen?“ Die Antwort auf diese Frage muß sich jedermann selbst geben. In uns liegen leuchtende Zentren des Bewußtseins, der Erinnerung und der spirituellen Vision, die gegenwärtig noch nicht erwacht sind. Nach Tausenden von Inkarnationen umrunden wir nun den Anfang des aufwärtsführenden Abschnitts der Evolutionsspirale, den ‘leuchtenden Bogen’.

Das menschliche Leben, wie wir es seit Jahrhunderten gelebt haben, bot jedermann zahllose Gelegenheiten zum Wachstum. Jedesmal wiederholten wir dieselben Fehler, die aus Selbstsucht, Leidenschaft und beschränkter persönlicher Sicht entstehen. Leben um Leben landeten wir als Sklaven in der gleichen Tretmühle von Schmerz, Leiden, Krankheit und Tod. Wir müssen aber keine Sklaven bleiben, sondern wir können unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Der Mensch

… ist gezwungen, dem sich ständig drehenden Rad des Lebens von Wiedergeburt zu Wiedergeburt zu folgen, bis er gelernt hat, die Einheit von allen sichtbaren und unsichtbaren Dingen dadurch zu erkennen, indem sein inneres Selbst ein intellektuelles Verständnis entwickelt … Wenn er dann die Einsicht entwickelt hat, ist er vom Rad des sich drehenden Schicksals befreit. Er hat Weisheit und Freiheit erreicht: Er ist ein Meister von und in dem Leben geworden und ist nicht mehr länger ein Sklave des Rades.

– G. DE PURUCKER, Man in Evolution, S. 60

Es gibt überall Männer und Frauen, Pioniere auf der Suche nach größeren, umfassenderen spirituellen Einsichten, die nicht mehr in irgendeiner Form des modernen Lebens oder mit einer seiner ungewissen Versprechungen zufrieden sind. In jedem Land findet man Menschen, welche die Wahrheit suchen.

Es gibt einen Weg, der schneller zum angestrebten Ziel führt, und dieser Weg wird Initiation genannt. Es ist der Pfad der Selbstvergessenheit jener, die sich in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen.

Das Wort ‘Initiation’ stammt aus der lateinischen Wurzel mit der Bedeutung ‘beginnen’. Esoterisch bedeutet es zugleich ein Neuwerden, der Beginn einer Lern- und Lebensrichtung, die schließlich alle spirituelle und intellektuelle Größe, die der einzelne in sich birgt, hervorbringt. Der evolutionäre Prozeß wird tatsächlich beschleunigt, nicht in dem Sinne, daß eine Stufe ausgelassen oder übersprungen wird, sondern daß innerhalb einer kurzen Zeit alles zusammengefaßt wird, was im natürlichen Ablauf Äonen des Strebens in Anspruch nehmen würde, um es zu erreichen. . . .

– G. DE PURUCKER, Quelle des Okkultismus, Bd. I, S. 65

Es sollte klar verstanden werden, daß diese Schulung, die aus Lernen und Selbstdisziplin besteht, aus den spirituellen und intellektuellen Regungen der eigenen Seele des Schülers kommt. Niemals waren und werden damit die familiären Rechte und Pflichten beeinträchtigt oder verletzt. Chelaschaft ist nichts Überirdisches, Exzentrisches oder Sonderbares. Wenn es sich so verhielte, dann wäre es keine Chelaschaft. Sie ist der natürlichste Pfad für uns, und wir sollten uns bemühen, ihm zu folgen, denn, indem wir uns mit dem Edelsten in uns verbinden, verbinden wir uns mit den spirituellen Kräften, die das Universum lenken und regieren. Bereits in diesem Gedanken liegt Inspiration.

Das Leben eines Neophyten ist wirklich schön und wird immer schöner, je mehr die Selbstvergessenheit in seinem Leben zunimmt. Zuweilen kann es aber auch sehr traurig sein; das kommt daher, weil es ihm unmöglich ist, sich selbst zu vergessen. Er sieht seine große Einsamkeit, und sein Herz sehnt sich nach Gefährten. Anders ausgedrückt, seine menschliche Natur sucht nach einem Rückhalt. Doch gerade durch die Überwindung dieser Schwächen wird er zum Meister des Lebens, mit der Fähigkeit, in jeder Situation aufrecht, stark und allein zu stehen. Man darf jedoch keinesfalls annehmen, die Mahatmas seien ausgetrocknete menschliche Exemplare ohne menschliche Gefühle und ohne menschliches Mitleid.

Im Gegenteil: In ihrem Inneren sind sie weitaus lebendiger als wir. In ihnen fließt ein weitaus kräftigerer und stärker pulsierender vitaler Strom. Ihr Mitgefühl ist so weitherzig, daß wir sie noch nicht verstehen können, doch eines Tages werden wir sie verstehen. Ihre Liebe schließt alles ein; sie sind unpersönlich, und daher werden sie universal.

Chelaschaft bedeutet: zu versuchen, den in uns wohnenden Meister hervorzubringen, denn er ist bereits dort gegenwärtig.

Wenn man jedoch weit genug voranschreitet, dann kommt einmal der Zeitpunkt, an dem sogar die Pflichten gegenüber der Familie aufgegeben werden müssen. Die Umstände werden dann aber so sein, daß dieses Aufgeben der Pflichten sowohl dem Betroffenen als auch seinen Angehörigen zum Segen gereichen wird. Es sollte sich jedoch niemand von der gefährlichen Theorie täuschen lassen, daß sich ein Mensch, je höher er steigt, um so weniger an das Gesetz der Moral zu halten brauche. Genau das Gegenteil ist wahr. Einem anderen Unrecht zuzufügen, ist niemals recht.

Bei keinem einzigen Schritt auf diesem erhabenen Pfad gibt es jemals irgendeinen äußeren Zwang. Es gibt nur das edle Begehren, das aus der sehnsuchtsvollen Seele des Aspiranten kommt, immer weiter und weiter nach innen und nach oben vorwärts zu schreiten. Am Anfang wird jeder Schritt dadurch gekennzeichnet, daß man etwas überwunden hat, daß man einen Teil der persönlichen Fesseln und Unvollkommenheiten, die uns an diese materiellen Bereiche ketten, fallengelassen hat. Immer wieder wird uns mit Nachdruck gesagt, daß die erhabenste Lebensregel darin besteht, in uns selbst unsterbliches Mitleid mit allem, was lebt, zu hegen. Dadurch wird man selbstlos, und die wandernde Monade ist schließlich imstande, das Selbst des kosmischen Geistes zu werden, ohne daß die Monade ihre Individualität verliert.

In dem soeben dargestellten liegt das Geheimnis des Fortschritts: Um größer zu sein, muß man größer werden; um größer zu werden, muß man das Geringere aufgeben; um ein Sonnensystem im eigenen Denken und Leben zu erfassen, muß man die Grenzen der Persönlichkeit, das, was nur menschlich ist, aufgeben, was bedeutet, sie zu überwinden und darüber hinauszuwachsen. Indem wir die Bereiche des niederen Selbst aufgeben, gehen wir in die Bereiche des größeren Selbst, in die Selbstlosigkeit ein. Niemand wird einen einzigen Schritt dem größeren Selbst, das bereits seine eigene höhere Natur ist, entgegengehen, ehe er nicht lernt, daß „für sich selbst zu leben“ das Hinabgehen in noch dichtere und begrenztere Sphären bedeutet, und daß „zu leben für alles, was ist“, bedeutet, daß sich die eigene Seele für dieses Leben erweitert. Alle Mysterien des Universums liegen latent in uns, alle seine Geheimnisse sind dort zu finden, und jeder Fortschritt in esoterischer Erkenntnis und Weisheit ist nur ein Entfalten dessen, was schon im Inneren vorhanden ist.

Wie unbedeutend erscheinen uns die menschlichen Probleme, die uns so sehr quälen, diese große Sorgenlast, wenn wir gelegentlich über diese unendlich trostvollen Tatsachen nachdenken. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn der christliche Schreiber erklärt, daß nicht einmal ein Sperling vom Himmel fällt, ohne daß der HERR es weiß; daß es kein einziges Haar auf unserem Haupte gibt, das nicht gezählt und für das nicht gesorgt würde. Und weitaus mehr noch wird für uns getan. Auch diese Welt der Wahngebilde und der Schatten ist ein wirklicher und untrennbarer Bestandteil des Grenzenlosen, aus dem wir hervorgegangen sind, und zu dessen göttlichem Herzen wir eines Tages auf den Schwingen unserer gesammelten Erfahrungen zurückkehren werden, auf Flügeln, die uns über die Täler hinweg zu den fernen Berggipfeln des Geistes tragen werden.

Fußnoten

1. Siehe Die Geheimlehre, Band II, S. 3-5 engl. [back]

2. Für eine Beschreibung der physischen Prozesse der Reinkarnation siehe The Esoteric Tradition, Bd. II, Kapitel XXX. [back]