Band 2: Reinkarnation
Leonie L. Wriht
Der eigentliche Mensch ist eine unsterbliche, spirituelle Monade, die den Geist und den Körper als Vehikel nutzt, um sich in der Welt zum Ausdruck zu bringen und Erfahrungen zu sammeln. Viele neigen dazu, sich selbst als ein Produkt einer materiellen Evolution zu betrachten. Dies ist eines der größten Hindernisse im Leben, denn dadurch wird der spirituellen Natur des Menschen wenig oder gar keine Beachtung geschenkt und die Angst vor dem Tode verstärkt. Wie kann jemand wirklich glücklich sein und das Leben sinnvoll finden, wenn er daran glaubt, dass mit dem Tod alles aufhört? Wenn wir davon ausgehen, dass die sinnlich wahrnehmbare Welt die einzige Wirklichkeit ist, können wir die Tatsache eines Weiterlebens nach dem Tode niemals betrachten. Wer sein gesamtes Leben in einem dunklen Kerker verbringt, kann keine Vorstellung davon entwickeln, dass es eine Sonne geben könnte. Noch weniger wird er einsehen, dass sein Leben in vielerlei Hinsicht von dem unsichtbaren, aber nichtsdestoweniger alles erhaltenden Leben der für ihn nicht wahrnehmbaren Sonne abhängig ist.
Wir müssen uns aus dem Gefängnis des Materialismus befreien und in das Sonnenlicht der spirituellen Wahrheit treten. Dann werden wir in uns selbst die Kraft entwickeln können, uns selbst davon zu überzeugen, dass der wirkliche, innere Mensch – der essentielle Kern in jedem von uns – immer existiert hat, unsterblich ist und ebensowenig vernichtet werden kann wie das grenzenlose Universum, von welchem er ein untrennbarer Teil ist.
Weiterhin muss es auch eine befriedigende Erklärung für die Ungerechtigkeiten geben, die das Leben in so großem Maße zu beherrschen scheinen. Es gibt kaum jemanden, der sich nicht dann und wann missachtet fühlt. Haben nicht viele Menschen angeborene Begabungen, die in diesem Leben keine Möglichkeit einer Entwicklung erfahren, und Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen können? Und werden nicht auch viele mit einer Neigung zum Bösen geboren, ohne dass sie die Möglichkeit bekommen, diese zu überwinden? Die so deutliche Ungleichheit der Lebensmöglichkeiten ist ausreichend genug, um das menschliche Herz zu verbittern und seine moralische Kraft verkümmern zu lassen.
Es ist wichtig, dass der Mensch seinen Platz er im evolutionären Plan erkennt. Er muss einen besseren Einblick in das Ziel und die Bestimmung der menschlichen Rasse gewinnen. Die Theosophie bringt den Menschen in Beziehung zum Universum und zeigt, dass sein persönliches Bewusstsein ein Strahl des universellen, kosmischen Bewusstseins ist. Mit Nachdruck stellt sie fest, dass der Mensch essenziell ein Bewusstseinszentrum ist und nicht nur sein Körper. Auch sind wir nicht das zufällige Produkt blinder, mechanischer Kräfte. Jeder Mensch ist Teil eines lebenden, organischen Universums. Das Universum selbst ist das Produkt der Evolution und trägt in sich seinen eigenen, sich entwickelnden Lebensplan, in dem alles enthalten ist – Atome, Menschen, Nebelhaufen, Welten, Sonnensysteme und Galaxien – in einem großen Entwicklungsplan, in dem das niedrigste Insekt wie das größte Genie seinen Platz hat.
Theosophische Perspektiven
Band 2: Reinkarnation – Eine verlorene Saite im modernen Denken
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen