V – Hierarchien und die Lehre von den Emanationen

Aus dem Para-Nirvāṇa in das Manvantara

Es ist das Eine Leben, ewig, unsichtbar, doch allgegenwärtig, ohne Anfang oder Ende, doch periodisch in seinen regelmäßigen Manifestationen, zwischen welchen das dunkle Mysterium des Nichtseins herrscht; unbewusst, und doch absolutes Bewusstsein; unrealisierbar, doch die eine, selbstexis­tierende Wirklichkeit; wahrhaftig „ein Chaos für den Verstand, ein Kosmos für die Vernunft“. Sein einziges absolutes Merkmal, welches es selbst ist, ist ewige, unaufhörliche Bewegung, im esoterischen Sprachgebrauch der „Große Atem“ genannt, welcher die beständige Bewegung des Universums ist im Sinne von grenzenlosem, allgegenwärtigem Raum. Das, was bewegungslos ist, kann nicht göttlich sein. Aber tatsächlich und in Wirklichkeit existiert innerhalb der Universalseele nichts absolut Bewegungsloses.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 2

Alles, jedes Lebewesen oder jede Wesenheit der gewaltigen Hierarchien, die den Raum erfüllen, lebt, ist mehr oder weniger bewusst oder selbstbewusst; und dies gilt ebenso für einen Übergott, für alle hierarchischen Zwischenbereiche, bis zu den subatomaren Teilchen. Alle besitzen ein Bewusstsein und einen Träger, und der innewohnende Geist und sein Träger bilden eine zusammengesetzte Einheit. Es ist vollkommen wahr, dass es Mechanismen gibt, ob im Kosmos oder in den unendlich kleinen Bereichen der atomaren Strukturen. Doch hinter den Mechanismen leben die spirituellen Intelligenzen, die Mechaniker. Wie HPB schreibt:

Der Okkultist sieht in der Manifestation jeder Naturkraft die Wirkung ihrer Qualität oder der speziellen Charakteristik ihres Noumenons; dieses Noumenon ist eine bestimmte und intelligente Individualität auf der anderen Seite des manifestierten, mechanischen Universums.1

Die meisten von uns machen einen zu strengen Unterschied zwischen diesen beiden Aspekten der kosmischen Lebensstruktur. Dies ist verständlich, weil es offensichtlich einen enormen Unterschied zwischen einem Wagen und dem ihn lenkenden Menschen gibt. Aber im Universum gibt es keine so scharfe Unterscheidung in Raum und Zeit zwischen dem spirituellen Mechaniker und dem Mechanismus, der sein Ausdrucksmittel ist. Hier liegt das Missverständnis, das zur Entstehung der materialistischen Philosophien und insbesondere der Religionen führte, die einen außerkosmischen, auf die Materie als seine Schöpfung einwirkenden Gott lehrten. Es gibt nirgendwo außerkosmische Götter. Was immer ein Universum oder einen beliebigen Teil des Universums inspi­riert und belebt, das lebt in ihm und wirkt durch es, genauso wie der Geist, der Verstand und der psychische Apparat eines Menschen ein zusammengesetztes Ganzes bilden, das durch seinen astral-vital-physischen Körper wirkt.

Die Sonne, die Sterne und die Planeten sind nicht nur materielle Hüllen, die von spirituellen Wesenheiten belebt werden und mit diesen durch nichts anderes als eine Art Kraft verbunden sind. Sie sind wie der Mensch die Inkarnation eines Geistes und einer Seele, die als Einheit durch ihre eigenen Kraft- und Substanzausstrahlungen wirken. Letztere sind die niedrigeren Teile der in dem physischen Körper endenden Konstitution. Jeder Himmelskörper ist essenziell ein göttliches Wesen, das sich gegenwärtig als ein Stern, eine Sonne oder ein Planet manifestiert.

Wenn wir die theosophische Vorstellung von der Emanation verstehen, werden wir einen Schlüssel zu vielen Mysterien des Universums besitzen. Unter Emanation verstehen wir das Herausfließen aller niedrigeren Stufen der hierarchischen Struktur, die wir kosmische Pläne oder Sphären nennen. Dieses Ausfließen erfolgt aus den kosmischen Bewusstseinszentren, und jede dieser kosmischen Monaden ist im Innersten ein Gott, aus dessen Essenz die Schleier oder Umhüllungen emanieren, in die er sich kleidet. Diese Umhüllungen sind die Vielheit der Wesen und Dinge, aus denen das sichtbare Universum besteht. Und genau dieselbe Regel von der emanierenden Entfaltung erzeugt die verschiedenen hierarchischen Grade der Konstitution jedes individuellen Lebewesens oder jeder Wesenheit, von einem Stern bis zu einem Atom. So entfaltet sich zu Beginn eines kosmischen Manvantara ein Universum, um die ihm innewohnenden Substanzen, Kräfte und Bewusstseinseinheiten zu manifestieren. Auf diese Weise emaniert jede hierarchische Einheit aus Parabrahman.

Evolution ist nur ein Aspekt des emanierenden Entfaltens. Von dem Augenblick an, in dem die Emanation beginnt, beginnt die Evolution ebenfalls ihr Werk. Wenn wir das Wort Emanation auf den Prozess des Aus­strömens aus der Latenz in die aktive Manifestation beschränken, können wir logischerweise auch das Wort Evolution begrenzen, um damit den unmittelbaren Beginn des Entwicklungswachstums oder des Entfaltens der inneren Fähigkeiten und Organe aus früheren und latenten ursächlichen Samen zu bezeichnen. Diese Begriffe sind tatsächlich so ähnlich, dass es schwierig ist, zwischen ihnen zu unterscheiden.

Es wäre ein Irrtum, zu sagen, dass Parabrahman willentlich oder durch eine Anstrengung seines eigenen Bewusstseins das Universum oder eine beliebige hierarchische Einheit ausgießen würde oder dass das Grenzenlose durch das Wirken seines Willens und seiner Lebenskraft ein Universum oder eine Hierarchie aus sich selbst entfalten würde. Wir würden damit Parabrahman oder dem Grenzenlosen Handlungen oder Taten zuschreiben, die nicht zur Unendlichkeit gehören, sondern zu bereits manifestierten Wesenheiten, wie kosmische oder galaktische Monaden. Parabrahman handelt niemals, weil Parabrahman eine Abstraktion ist. Nur Wesen und Dinge handeln. Parabrahman und das Grenzenlose sind nur Worte, die den grenzenlosen Raum und die anfanglose und nicht endende Dauer bezeichnen.

Jede kosmische Wesenheit gelangt aus eigenen innewohnenden Kräften, Energien und Substanzen in die manvantarische Aktivität. Aus ihrer para-nirvāṇischen Verborgenheit erwachend, beginnt sie ihre evolutionäre Entwicklung durch ein emanierendes Entfalten in progressiven Stufen. Beim Menschen ist es ähnlich: Weder ein „Gott“ noch das Grenzenlose noch Parabrahman veranlassen die Reinkarnation eines Menschen. Es ist das Erwachen aus der Latenz in die Aktivität der eigenen Kräfte und Substanzen, die schließlich in das erneute Einhüllen der devachanischen Monade in ihre Reihe von Schleiern mündet, die als Träger dienen. Am Ende der Reihe steht der physische Körper.

Wenn ein Universum oder eine andere Wesenheit beginnt, sich aus dem pralayischen Para-Nirvāṇa in die manvantarische Aktivität zu entfalten, so erfolgt dies auf „abwärts“ führenden Stufen in die etherischen und schließlich in die materiellen Bereiche des alles umfassenden Raumes. Das Höchste sinkt jedoch bei seinem Abstieg aus dem Geist in die Materie niemals direkt durch die Ebenen hinab in niedrigere Ebenen. Was geschieht, ist Folgendes: Zuerst erwacht das Göttliche aus seiner para-nirvāṇischen Ruhe und umhüllt sich mit einem spirituellen Schleier – Mūla-Prakṛiti oder Pradhāna –, der sich dann über kosmische Zeitperioden hinweg selbst in seinen Schleier der Manifestation kleidet. Dieser Schleier umgibt sich wiederum mit einem anderen umhüllenden Träger oder Schleier, der aus Kräften und Substanzen besteht, die teilweise aus seinem eigenen Inneren fließen und ihm teilweise aus dem ihn umgebenden Raum zuwachsen. Dieser Prozess dauert so lange, bis die emanierende und evolvierende Wesenheit ihre niedrigste oder materiellste Ebene erreicht, die für sie ihr physischer Körper ist – sei es eine Sonne, ein Mensch oder ein Atom.

Diesen Gedanken kann man auch in der Bhagavad-Gītā (Kapitel X) finden, wo Kṛishṇa sagt: „Ich errichtete dieses ganze Universum mit einem einzigen Teil von mir, ohne meine selbständige Existenz dadurch aufzugeben.“ Das heißt, dass das Göttliche aus seinem eigenen Glanz der Intelligenz und des Lebens, seinem „Lebensüberschuss“, sich selbst in Hüllen verschiedener Grade mit absteigender Etherhaftigkeit kleidet, bis es schließlich das Physische erreicht und dieses formt. Der göttliche Teil und die spirituellen, intellektuellen und höheren psychischen Teile bleiben jedoch als Essenzen oberhalb und unbewegt. Strahlen aus jedem Teil der Konstitution sinken in die Manifestation und erfüllen die niedrigeren kosmischen Ebenen mit Leben, Willen und Bewusstsein, die der auf diese Weise gebildeten Ebene angepasst sind.

Der gesamte Prozess der emanierenden Entfaltung kann mit einer Lichtsäule verglichen werden: reiner Geist in ihren höchsten Teilen und physische Materie in ihren niedrigsten, mit allen Zwischenstufen zunehmender Stofflichkeit in der Mitte. Wenn die physische Ebene erreicht worden ist, endet der Abstieg, und der Aufstieg oder die Rückkehr zum Geist beginnt sofort, was für jede kosmische Wesenheit das große consummatum est ist. Die Entfaltung ist der absteigende und das Einhüllen der aufsteigende Bogen.

Natürlich ist Mechanik in der Emanation enthalten, aber da wir es mit Wesen und Dingen und ihren allgemeinen Beziehungen und Zwischenbeziehungen zu tun haben, sind solche mechanischen Aspekte gänzlich das Erzeugnis des inneren und inspirierenden Bewusstseins. Mit anderen Worten, da das Universum und alles in ihm in allen Teilen lebt, sind das kosmische Leben und der Wille oder das Bewusstsein die realen Faktoren und ursächlichen Agenten in der Erzeugung des wunderbaren Mysteriums eines verkörperten Universums und seiner einzelnen Prinzipien über den Weg der Emanation und der Evolution.

Ein universales Sonnensystem, das aus seiner para-nirvāṇischen Verborgenheit ins Dasein gelangt, wird aus seiner eigenen innewohnenden und angeborenen Kraft aufs Neue in die manvantarische Manifestation geboren. Es reproduziert sich selbst in den Räumen des galaktischen Raumes als eine Wiederverkörperung all dessen, was es bei seinem letzten Erscheinen dort war, plus der enormen Anhäufung an Erfahrung, die es früher gewonnen hatte. Dies gilt im Besonderen und im Allgemeinen für die Wiederverkörperung jeden individuellen kosmischen Körpers, wie einer Planetenkette, eines Globus, oder in einem kleineren Maßstab, eines Bewohners eines Globus oder sogar eines Atoms.

Alle Dinge werden aus dem Inneren geboren und bringen sich nach außen zum Ausdruck, durchlaufen die Phasen ihres manvantarischen Zyklus und werden dann aus der Erscheinungswelt oder Māyā nach innen und aufwärts in den Geist zurückgezogen, wo sie wieder ihre nirvāṇische Ruhe genießen.

Ein Ei ist hierfür ein guter Vergleich: Der Keim im Inneren erwacht allmählich zum Leben, das eingeschlossene Küken wächst langsam zu seiner vollen Gestalt heran und zerbricht schließlich seine Schale. Genauso ist es auch bei einem ins Dasein gelangenden Universum. Daher sprechen die alten Weisen von Hindustan und andere, wie die Orphiker des archaischen Griechenlands, vom kosmischen Ei. Kein Keim in einem Ei könnte jemals den regulären aufeinander folgenden Entwicklungsstufen folgen, wenn er nicht mit den Kräften und Substanzen angefüllt wäre, die aus seinem Innern emanieren. Das heißt in Wirklichkeit, sie fließen aus den unsichtbaren Sphären nach außen in unsere sichtbare Sphäre, um so die verkörperte Wesenheit zu bilden.

Die Essenz dieser Lehre von der Emanation ist, dass alle Lebewesen oder Wesenheiten auf den höheren Entwicklungsebenen faktisch eins sind und daher mit den Hüllen identifiziert werden können, die sie aus sich selbst ausströmen lassen, um damit ihre Körper zu bilden. So sind zum Beispiel Brahman und Pradhāna nicht zwei, sondern eins. Diese Worte bedeuten nur die zwei Aspekte der Wesenheit, die sich in das emanierende Wachstum entfaltet. Brahman ist die Bewusstseinsseite; das Pradhāna ist der umhüllende Schleier der Lebensessenz, in Wirklichkeit der Stoff der Seele, des Geistes oder des Bewusstseins, in den sich die Monade einhüllt. Auf der physischen Ebene sind sogar unsere Körper wir selbst, sehr unvollkommene Bilder unseres inneren Wesens (und oft eine schreckliche Last für unsere höheren Teile), doch wir selbst in unseren gröbsten Aspekten. Doch das Herz von uns, die Monade, ist unser wirkliches Selbst; und alle unsere Körper, ob physisch, astral oder manasisch – mit denen wir seit Ewigkeit karmisch verbunden sind –, sind Gruppen von Lebensatomen, denen wir zur Geburt verholfen haben und in die wir uns kleiden.

Der kosmische Geist in Pralaya und Manvantara

Wir befassen uns jetzt mit einem ziemlich schwierigen Gegenstand, und zwar mit der Natur des kosmischen Seins in seinem Mahā-Pralaya-Zustand, der dem Erwachen der Aktivitäten von Fohat vorangeht, und dem darauf­folgenden Beginn seiner evolutionären Entwicklung zu einem voll mani­festierten Kosmos oder Universum.

Wenn wir die nachfolgenden Sätze aus Die Geheimlehre lesen, so sollten wir daran denken, dass sie sich auf ein individuelles Universum beziehen und niemals auf die Unendlichkeit, als befände sich diese in einem Zustand von Mahā-Pralaya, denn dies wäre eine philosophische Absurdität. Die Unendlichkeit ist weder einem Manvantara noch einem Pralaya unterworfen, aus dem einfachen Grund, weil Perioden der göttlichen oder spirituellen Ruhe und Perioden der manifestierten evolutionären Aktivität ausschließlich begrenzten Teilen der Unendlichkeit zugehören. Sie gehören demnach Universen an, die ungeheuer groß in der Ausdehnung sein können, wie eine Mahā-Galaxis oder kleinere kosmische Einheiten. Wir können nur in Bezug auf individuelle kosmische Einheiten von Zeitperioden, wie Manvantaras und Pralayas, sprechen.

Der manvantarische Impuls beginnt mit der Wiedererweckung der kosmischen Ideenbildung (des „Universalgemüts“), gleichzeitig und parallel mit dem ersten Auftauchen der kosmischen Substanz – Letztere ist das manvantarische Vehikel der Ersteren – aus ihrem undifferenzierten pralayischen Zustand. Dann spiegelt sich die Absolute Weisheit in ihrer Ideenbildung; das wieder resultiert durch einen transzendentalen, über das menschliche Bewusstsein erhabenen und ihm unverständlichen Prozess in kosmischer Energie (Fohat). Die Tiefen träger Substanz durchdringend, treibt Fohat sie zur Tätigkeit an und leitet ihre ursprünglichen Differenzierungen auf allen sieben Ebenen kosmischen Bewusstseins. …

Es heißt, die kosmische Ideenbildung existiere während der pralayischen Perioden nicht – aus dem einfachen Grund, weil niemand und nichts zugegen sei, um ihre Wirkungen wahrzunehmen.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 339–40

Licht ist Materie und Dunkelheit reiner Geist.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 74

Der Strahl aus dem „immer Dunklen“ wird, sobald emittiert, ein Strahl glänzenden Lichts oder Lebens und blitzt in den „Keim“ – den Punkt im Weltenei, repräsentiert von der Materie in ihrem abstrakten Sinn. … dem Noumenon ewiger und unzerstörbarer Materie.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 60

Die Ursubstanz war noch nicht aus ihrer präkosmischen Latenz in differen­zierte Objektivität getreten, ja nicht einmal zu dem (für den Menschen bislang) unsichtbaren Protyl der Wissenschaft geworden. Aber wenn die Zeit gekommen ist, öffnet sie ihr Herz für die Einprägung des Göttlichen Gedankens (des Logos oder des männlichen Aspekts der Anima Mundi, Alayas) durch Fohat.Die Geheimlehre, Bd. I, S. 61

Svabhavat, die das Universum ausfüllende „plastische Essenz“, ist die Wurzel aller Dinge.Die Geheimlehre, Bd. I, S. 64

„Die strahlende Essenz gerann und verteilte sich überall in den Tiefen“ des Raumes.Die Geheimlehre, Bd. I, S. 71

Die Wurzel bleibt, das Licht bleibt, die Flocken bleiben; und Oeaohoo ist noch immer eins.Die Geheimlehre, Bd. I, S. 72

Das „Licht“ ist derselbe allgegenwärtige spirituelle Strahl, der in das Gött­liche Ei eingetreten ist und es nunmehr befruchtet hat und nun die kosmische Materie zu ihrer langen Reihe von Differenzierungen aufruft. Die Flocken stellen die erste Differenzierung dar und beziehen sich wahrscheinlich ebenfalls auf die vermutlich als Ursprung der „Milchstraße“ geltende kosmische Materie – die uns bekannte Materie. Gemäß der von den ursprüng­lichen Dhyani-Buddhas erhaltenen Offenbarung ist diese „Materie“ während des periodischen Schlafs des Universums von derartiger Feinheit, dass das Auge des vollkommenen Bodhisattva sie gerade noch wahrnehmen kann. Diese Materie, strahlend und kühl, wird beim ersten Wiedererwachen der kos­mischen Bewegung im Raum verstreut; von der Erde aus betrachtet erscheint sie in Haufen und Klumpen, Flocken gleich in dünner Milch. Sie sind die Samen der zukünftigen Welten, der „Sternenstoff“.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 73

Dann sendet Svabhavat Fohat aus, um die Atome zu härten. …

Durch Fohat werden der Materie die Ideen des Universalgemüts eingeprägt. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 89

Vom Standpunkt des manifestierten Göttlichen Gedankens aus betrachtet, repräsentiert er [Fohat] in den esoterischen Lehren in seiner Gesamtheit die Scharen der höheren schöpferischen Dhyan Chohans. … Durch die Aktivität der von diesen zahllosen Zentren geistiger Energie im Kosmos repräsentierten manifestierten Weisheit oder Mahat, wird die Reflexion des Universalgemüts, welches die kosmische Ideenbildung und die eine solche Ideenbildung begleitende intellektuelle Kraft ist, objektiv zum Fohat des buddhistischen esoterischen Philosophen. Fohat wirkt durch die sieben Prinzipien Akashas auf die manifestierte Substanz oder das Eine Element ein, wie oben erklärt, und indem Fohat es in verschiedene Energiezentren differenziert, setzt er das Gesetz der kosmischen Evolution in Bewegung, was der Ideenbildung des Universalgemüts gehorchend im manifestierten Sonnensystem all die verschiedenen Daseinszustände hervorruft.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 114

Eine der fundamentalen Lehren der esoterischen Kosmogonie besagt, dass die während der Ruheperioden „in jedem schlummernden Atom pulsierende und vibrierende“ (Kommentar über Dzyan) Bewegung in den Kalpas (oder Äonen) des Lebens vom ersten Erwachen des Kosmos zu einem neuen „Tag“ an eine immer stärkere Neigung zu rotierender Bewegung aufweist. Die „Gottheit wird zum Wirbelwind“.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 120

Diese und viele ähnliche Auszüge beziehen sich auf die Bedingung eines Universums, wenn es sich in seine höchste und ursprüngliche kosmische elementale Essenz während des mahā-pralayischen Zustandes aufgelöst hat. Dabei sind alle Welten von den niedrigeren kosmischen Ebenen des manifestierten Lebens verschwunden. Das Universum wurde auf seine höchste spirituelle Ebene nach oben und nach innen „eingerollt“, wo all die Scharen der manifestierten Wesen, angefangen von den Übergöttern über die Zwischenstufen abwärts bis zu den gewöhnlichen Lebensatomen, in dem para-nirvāṇischen Zustand Zeitalter von kosmischer Dauer in traumlosem „Schlummer“ verbringen. Trotzdem ist er von intensiver spiritueller und höchster intellektueller Aktivität gekennzeichnet. Dies ist für die höchsten Ebenen der kosmischen Essenz charakteristisch.

Diese para-nirvāṇische Glückseligkeit dauert „sieben Ewigkeiten“ lang, eine ungeheure Periode, die der Dauer des vorhergehenden Mahā-Manvantara entspricht. Jegliche Manifestation ist aus der Existenz verschwunden. Das Einrollen der kosmischen Ebenen begann zuerst mit der niedrigsten Ebene, dann folgte die nächst höhere und das ging so weiter, bis schließlich die höchste Ebene erreicht wurde, in die alle göttlichen Monaden der früheren Armeen evolvierender Wesen eingesammelt wurden. Sie ruhen nun in para-nirvāṇischem Bewusstsein, unbehindert durch irgendwelche umhüllende Schleier einer empfindenden niedrigeren Existenz. Wir können dies auch anders ausdrücken, indem wir sagen, dass das Aurische Ei des Kosmos oder Universums in die höchste kosmische Ebene oder das höchste Element des kosmischen Eies, das Mahā-Brahmāṇḍa, zurückgezogen worden ist.

Es wird gut sein, unsere Aufmerksamkeit auf eine oder zwei Grundideen der archaischen Weisheit zu lenken, die sich mehr auf das essenzielle Sein eines kosmischen Geistes als auf seine manvantarische Existenz beziehen. Während des Mahā-Pralaya existiert in seinem eigenen Universum einzig und allein ein kosmischer Geist, weil es während dieser Periode keine Manifestation gibt; oder, wie es in den Stanzen des Dzyan ausgedrückt wird: Die Mutter schläft in traumlosem Frieden und in völlig unbewusstem Wissen von der Manifestation für sieben Ewigkeiten. Dies heißt, wenn man den Gegenstand vom Standpunkt unserer manifestierten Welten aus betrachtet, dass alle Heerscharen der galaktischen Welt augenscheinlich in ihren verwirrenden Verzweigungen und in ihrer Vielfalt existieren.

In Wahrheit ist solch eine Differenzierung eine Art von Tod – die Unterwelt – für die kosmischen Geister innerhalb des Universums, das trotzdem in und durch seine eigene Anima Mundi wirkt und lebt; wohingegen Pralaya und Mahā-Pralaya der Zustand ist, in dem sich das spirituell-intellektuelle Leben des Universums auf seinem Höhepunkt befindet. Sogar die Anima Mundi ist verschwunden, weil sie in die kosmische Monade eingezogen worden ist.

Wenn wir derselben Gedankenrichtung folgen, so wurde im alten Ägypten von dem höchsten Aspekt des Gottes Osiris als von einem dunklen Gott, einem schwarzen Gott gesprochen, was in Wirklichkeit jedoch Licht bedeutet, so rein und intensiv, dass unser manifestiertes Licht dagegen wie sein Schatten ist.

Über diesen Gegenstand antwortete HPB auf die Frage: „Sind die „Großen Wasser“ dieselben wie jene, über die sich die Finsternis bewegte?“

In diesem Fall ist es nicht korrekt, von der Finsternis als „sich bewegend“ zu sprechen. Absolute Finsternis oder das Ewig Unbekannte kann nicht aktiv sein, und Bewegung ist Aktion. Sogar in der Genesis heißt es, dass Finsternis über der Tiefe war, aber das, was sich über den Wassern bewegte, war der „Geist Gottes“. Esoterisch bedeutet dies, dass am Anfang, als das Unend­liche ohne Form war und Chaos oder der äußere Raum noch leer war, allein Finsternis (d. h. Kalahansa Parabrahm) war. Dann, mit der ersten Ausstrahlung der Dämmerung (nachdem der Erste und der Zweite Logos ausgestrahlt worden waren) begann der „Geist Gottes“ (der Dritte Logos oder Narayan) sich auf den Großen Wassern der „Tiefe“ zu bewegen. Deshalb sollte die Frage, um korrekt und klar zu sein, lauten: „Sind die Großen Wasser das Gleiche wie die Finsternis, von der gesprochen wurde?“ Die Antwort wäre dann bejahend. Kalahansa hat eine doppelte Bedeutung. Exoterisch ist er Brahmâ, welcher der Schwan, der „Große Vogel“, das Vehikel ist, in das sich die Finsternis für das menschliche Verständnis als Licht und als dieses Universum offenbart. Esoterisch ist er jedoch die Finsternis selbst, das unbekannte Absolute, das zuerst die Quelle von der Erster Logos genannten Ausstrahlung ist, dann von dessen Reflexion, der Dämmerung oder dem Zweiten Logos und schließlich von Brahmâ, dem manifestierten Licht oder dem Dritten Logos.2

Was das manifestierte Licht betrifft, so könnte es keine Helligkeit geben, wenn nicht Dinge da wären, die das Licht reflektieren. Wir sehen die Planeten am Himmel, weil sie Licht auffangen. Wir sehen aber das Licht selbst nicht, wie es aus der Sonne durch den Raum strömt. Es muss Differenzierung geben, das heißt Objekte, damit Licht sichtbar wird. Deshalb ist Licht, wie wir es kennen, weit schwächer als jener vollkommene, unbeschreibliche und für die Menschen unsichtbare Glanz des göttlichen Geistes. Licht ist in Wirklichkeit die Ausstrahlung einer spirituellen Wesenheit; einer der Aspekte der Vitalität eines Gottes – sein psychovitales Fluidum.

So sehen wir, dass das Manvantara eine Art von Tod für die kosmische Monade ist, die sich durch ihre verdunkelnden Schleier der Anima Mundi zum Ausdruck bringt. Es ist eine Art von Verlust, ein Absinken in die Māyā kosmischer Träume, wogegen der Geist des Universums während des Pralaya in Wirklichkeit auf seiner eigenen Ebene voll wach ist, weil alles in ihm versammelt ist und er in seinen eigenen unbeschreiblichen spirituellen Räumen frei tätig ist.

Wenn die Evolution oder das Manvantara beginnt und der letzte Augenblick des kosmischen Pralaya beendet ist, findet der genau umgekehrte Vorgang statt. Dann erwacht im göttlichen Herzen des schlafenden Universums ein rein abstraktes Sehnen nach dem Beginn der Manifestation – eine Tatsache, die im Fall des Menschen analog wiederholt wird. Dieser Wunsch nach Manifestation – in der griechischen Philosophie durch Eros ausgedrückt, und in den Veden als „Wunsch, der zuerst in IHM entstand“ – äußert sich auf der höchsten kosmischen Ebene als das Erwachen des göttlichen Teils von Fohat, geführt von der göttlichen Seele des „schlafenden“ Universums. Wenn wir vom fohatischen Erwachen sprechen, so ist das in Wirklichkeit nur eine andere Redensart dafür, dass die ranghöchsten Klassen der Dhyāni-Chohans sich aus ihrem zeitalterlangen Para-Nirvāṇa zu erheben beginnen, um so die evolutionäre Entfaltung der kosmischen Elemente herbeizuführen. Sie geht ständig abwärts durch die kosmischen Ebenen weiter, bis schließlich der vollständige strukturelle Rahmen des voll evolvierten Universums wieder einmal erscheint.

Im esoterischen Buddhismus wird die Natur der kosmischen Materie oder Essenz, die während ihres Mahā-Pralaya in para-nirvāṇischer Ruhe versunken war, Svābhāvat genannt. Dies ist ein zusammengesetztes Sanskrit-Wort und bedeutet nicht nur Selbstessenz, sondern auch selbst-evolvierend; und das heißt kosmische Materie von göttlich-spirituellem Charakter, aus der das Universum evolviert. Svābhāvat ist demnach essenzielle abstrakte kosmische Substanz, jedoch von einer ausgeprägten vitalen und spirituell-intellektuellen Natur; und ob wir sie kosmische Mutter oder kosmischen Schoß nennen oder die kosmische göttliche Essenz der Natur, das spielt keine Rolle, denn diese Bezeichnungen sind nur verschiedenartige Versuche, das spirituelle Wesen der Natur während des Mahā-Pralaya zu beschreiben.

Wir sehen also, dass der Drang, der das schlafende Universum zu seinem neuen Mahā-Manvantara erweckt, durch den göttlichen Gedanken des Universums geleitet wird. Dieses bringt sich durch seine göttlichen, spirituellen und intellektuellen wie auch durch seine essenziellen magnetischen Energien, kollektiv Fohat genannt, zum Ausdruck.

Wenn dieser göttliche Gedanke zur Aktivität erwacht, sendet er Strahlen göttlich-spiritueller Intelligenz aus, die siebenfach oder sogar zwölffach sind, und diese sind die kosmischen Logoi. Diese kosmischen Logoi oder das, was HPB einstmals die „Kosmischen Söhne des Lichts“ nannte, sind die ursprünglichen oder höchsten Dhyāni-Chohans, aus denen im Rahmen der evolutionären Entfaltung der kosmischen Ebene ihre eigenen Kinder-Strahlen oder kleineren Logoi strömen. Alle diese kleineren Hierarchien von Dhyāni-Chohans stellen die Lichtseite des Universums dar, die auch die Hierar­chie des Lichts genannt wird.

Schließlich wird der göttliche Gedanke in den philosophischen Schriften des Hinduismus Mahat, die Universalseele, genannt. Er entspricht in der menschlichen Konstitution Manas, einem Strahl von Mahat. Höher sogar als Mahat müssen wir die noch erhabenere Essenz ins Auge fassen, deren Strahlen wir im Menschen Buddhi und Ātman nennen und im Universum Mahā-Buddhi oder kosmische Buddhi und Paramātman oder Brahman.

Die drei Logoi

Es gibt in der esoterischen Philosophie vielleicht keinen einzigen Gegenstand, um den sich so viele unbestimmte Vorstellungen bilden, wie um die Lehre von den Logoi. Das Wort Logos wurde gewöhnlich in der alten griechischen Mystik verwendet und von den frühen Christen übernommen, wie zum Beispiel von dem Evangelisten Johannes, und mit ihrem eigenen Verständnis seiner Bedeutung angewandt. Logos bedeutete ursprünglich Vernunft und schließlich auch Wort. Gewisse Schulen der griechischen Philosophie übertrugen diese Bezeichnung als ein Sprachbild auf kosmische Prozesse: Im Anfang war göttliche Vernunft, göttlicher Gedanke, der einen Träger, ein „Wort“ benötigte, um das in ihm enthaltene Leben und die innewohnende Intelligenz zu übertragen und um sich selbst zu übermitteln. Und das Wort wurde durch das Wirken der göttlichen Vernunft hervorgerufen, geradeso wie die menschliche Sprache durch das Wirken der menschlichen Vernunft oder des menschlichen Denkens erzeugt wird. Nun denn, jede Hierarchie, mit anderen Worten, jede Ebene hat ihre eigenen drei Logoi: den unmanifestierten, den teilweise manifestierten und den manifestierten, oder den Ersten, Zweiten und den Dritten Logos – wenn auch eine beinahe unermessliche Zahl von kleineren Logoi in jedem Universum als Strahl von ihnen existiert, weil das ganze Universum aus und in Hierarchien aufgebaut ist, die sich auf den verschiedenen Ebenen wiederholen.

Als dreigliedrige Einheit betrachtet, bescherte die Vorstellung von den drei ursprünglichen Logoi den Christen ihre Heilige Dreifaltigkeit, wenn auch in etwas entstellter Form; und dieselbe Idee lieferte anderen religiösen und philosophischen Systemen des Altertums die drei Individuen ihrer entsprechenden Triaden. So entspricht der Erste Logos, der von HPB der Unmani­festierte Logos genannt wird, der pythagoräischen kosmischen Monade, der Monas Monadum, die für uns stets in Schweigen und Dunkelheit bleibt – obwohl sie das höchste und vollkommenste Licht der Welt ist. In der archaischen hinduistischen Trimūrti wird der Erste Logos durch Brahman und im christlichen System durch den Vater ausgedrückt.

Dieser Erste oder Unmanifestierte Logos ist der Ursprüngliche Punkt oder der Alte der Tage in der Kabbala. Wenn wir die allererste Stufe im beginnenden Evolutionsdrama berücksichtigen, stellt er von einem anderen Aspekt aus den Ursamen dar, aus dem die ganze Hierarchie – einschließlich aller weiteren nachfolgenden Hierarchien – des Universums in die Manifestation fließt. Diese ausströmende Evolution erfolgt durch den Ersten Logos, der sich mit einem Schleier aus spirituellem Licht umhüllt, das gleichzeitig kos­mische Intelligenz und kosmisches Leben ist. Hieraus entsteht der Zweite oder manifestierte-unmanifestierte Logos, dem die verschiedenen philoso­phischen Schulen verschiedene Namen gaben.

In dem alten pythagoräischen mystischen System war dieser Zweite Logos die kosmische Duade, die als eine weibliche Kraft oder als ein Schleier des Ersten Logos oder der Monade der Monaden verstanden wurde, während man in der griechischen Mythologie von ihm als Gaia, der Gemahlin oder dem Schleier des Uranos oder des Himmels, des Ersten Logos, sprach. Ähnlich sprachen gewisse mystische Schulen des Orients vom Zweiten Logos als dem Pradhāna, dem Schleier von Brahman oder dem Ersten Logos. Im esoterischen Buddhismus nannte man ihn Alaya oder Mahā-Buddhi, die die Spitze oder die Wurzel des kosmischen Ākāśa ist. Die ursprüngliche christ­liche Vorstellung der Dreifaltigkeit, wie sie noch in der orthodoxen oder griechischen Kirche aufrecht erhalten wird, betrachtete diesen Zweiten Logos als eine weibliche Kraft, die der Heilige Geist ist.3

Dieser Zweite Logos, der kosmische Schoß des Raums, der sozusagen das fruchtbare und schöpferische Feld der Lebenssaat ist, brachte den Dritten Logos hervor. Er wurde, wie in dem ursprünglichen griechischen christlichen Schema, als der Sohn angesehen, die Dritte Person der Dreifaltigkeit, geboren aus dem Heiligen Geist. Im alten brahmanischen System war er Śiva, geboren aus der Essenz von Vishṇu. Ein anderer Name im frühen Hinduismus für diesen Dritten Logos war Brahmā, der Schöpfer, die Nachbildung von Brahman, dem Ersten Logos, hervorgebracht von und durch die vermittelnde weibliche Kraft Pradhāna oder den Zweiten Logos.

Mit dem kosmischen Erscheinen des Dritten Logos hat die evolutionäre Entfaltung des Universums ihre dritte Stufe erreicht, und damit beginnt die Emanation der zahllosen kleineren Hierarchien, die in ihrer Gesamtheit das komplexe Mysterium des mannigfaltigen Kosmos in all seinen verflochtenen Aktivitäten und Substanzen bilden.

Viele und verschiedene Namen wurden dem Dritten Logos von den philosophischen und religiösen Systemen des Altertums gegeben. Die Griechen gaben diesem Dritten oder gestaltenden Logos den Titel Demiurgos, ein Wort, das auf mystische Weise den höchsten kosmischen Architekten des Universums bezeichnet. Dieselbe Vorstellung hatten sowohl die Christen als auch die moderne spekulative Freimaurerei, was durch ihren Titel „Der Große Architekt des Universums“ zum Ausdruck kommt. Im Hinduismus wurde ein anderer Aspekt des Dritten Logos Nārāyaṇa oder Purusha genannt, von dem man annahm, er sei in seinen kosmischen Schleier, Prakṛiti, eingehüllt. Nārāyaṇa bedeutet der kosmische Mensch, der sich in und auf den Wassern des Raumes bewegt (den kosmischen Wassern der Genesis), und diese kosmischen Wasser sind nebenbei nur ein anderer Name für den Zweiten Logos und in anderer Hinsicht der gewaltige Schoß kosmischer Wesenheiten.4

In Verbindung mit den Logoi mag die folgende Frage und Antwort aus den Transactions of the Blavatsky Lodge (S. 113) von Wert sein:

Frage: Worin besteht der Unterschied zwischen Geist, Stimme und Wort?

Antwort: Es ist in gewissem Sinne derselbe wie zwischen Atma, Buddhi und Manas. Geist emaniert aus der unbekannten Dunkelheit, dem Mysterium, in das keiner von uns eindringen kann. Dieser Geist – nennen Sie ihn „Geist Gottes“ oder Ursprüngliche Substanz – spiegelt sich selbst in den Wassern des Raumes – oder in der noch undifferenzierten Materie des zukünftigen Universums – und erzeugt dabei die erste Erregung in der Differentiation, in der Homogenität der ursprünglichen Materie. Dies ist die Stimme, der Pionier des „Wortes“ oder der ersten Manifestation; und aus jener Stimme emaniert das Wort oder der Logos, sozusagen der definitive und objektive Ausdruck dessen, was bis jetzt in den Tiefen des Verborgenen Gedankens enthalten war. Das, was sich selbst im Raum widerspiegelt, ist der Dritte Logos.

Hier haben wir eine interessante Reihe von Vorstellungen, die sich auf den Zweiten Logos, die Stimme, beziehen. Im Sanskrit wird er allgemein entweder mit Vāch oder Svara bezeichnet. Beide Wörter bedeuten Ton oder in einem anderen Sinne auch Atem und werden mystisch für Stimme – und gelegentlich für Wort – verwendet. Der Zweite Logos wird mit einem weiblichen Attribut versehen, weil er der Träger oder die Mutter des Dritten Logos ist.

Wir wiederholen: Wir haben die kosmische Ideenbildung oder den kosmischen Vater, das heißt den kosmischen Gedanken, den Ersten Logos. Dieser umgibt sich mit dem Zweiten Logos und reproduziert sich selbst in diesem. Dieser Zweite Logos ist die kosmische Mutter. Sie trägt in sich die Essenz des Ersten Logos oder des göttlichen Gedankens und reproduziert diese Essenz als den Dritten Logos, den kosmischen Sohn oder das Wort. Wir haben somit: Idee als den Ersten; Ton als den Zweiten; Wort als den Dritten Logos, wobei Letzterer der manifestierte oder kreative Logos des Universums ist. Daher ist Vāch oder Svara der mystische Ton der göttlichen, kreativen Aktivität, der Träger des göttlichen Gedankens, von dem das Wort oder Verbum der manifestierte Ausdruck ist.

Wenn wir Vāch oder Svara auf einen Menschen anwenden, finden wir, dass beide Ausdrücke in der menschlichen Konstitution der aus Ātman geborenen Buddhi entsprechen, die die ātmische Individualität aus ihrem buddhi­schen Schoß als das Manas reproduziert. Derselbe Gedanke wird unter verschiedenen Völkern gefunden, z. B. unter den alten und modernen Kabbalisten, die von Bath Qōl, der Tochter der Stimme, sprechen. Nun wird von Bath Qōl gesagt, dass sie die göttliche Inspiration sei, die hoch entwickelte Menschen, ob Propheten oder Seher, führt. Bath Qōl bedeutet das Manas des Menschen, das durch die Buddhi in ihm erleuchtet worden ist. Der buddhische, übertragende Strahl ist Bath Qōl.

Wenn wir uns wieder der kosmischen Größenordnung zuwenden, so finden wir einen alten mystischen hebräischen Gedanken, der sich auf die göttliche Stimme, den göttlichen Ton als logoisch im Charakter bezieht, wie in Hiob 38,47, zitiert:

Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sag an, wenn du Bescheid weißt.

Wer hat ihre Maße bestimmt – du weißt’s ja – oder wer die Messschnur über sie ausgespannt?

Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt oder wer hat ihren Eckstein gelegt;

Als die Morgensterne gemeinsam sangen und alle Gottessöhne vor Freude jauchzten?

Hier wird deutlich auf einen sehr archaischen Gedanken hingewiesen, dass die Welt in all ihren kosmischen Ebenen durch Ton, durch Gesang, ins Dasein gebracht wurde, eine Idee, die auch bei den alten Druiden und den germanischen Völkern zu finden ist. Hier im Buch Hiob sehen wir, dass die Sterne am Anfang des Manvantara, der Morgen genannt, gemeinsam sangen und die Gottessöhne, die die Gottheiten der höchsten kosmischen Ebene waren, die Welten ins Dasein riefen oder sangen.

Wie HPB schrieb:

Es heißt, „Markus, dem offenbart wurde, dass ‘die sieben Himmel’ . . . jeweils einen Vokal ertönen lassen, die alle zusammen eine einzige Lobpreisung bilden“; und in klareren Worten: „Deren (von diesen sieben Himmeln) auf die Erde herabgebrachter Ton wurde offensichtlich zum Schöpfer und Vater aller Dinge, die auf Erden sind“ (siehe „Hippolytus“, iv, 48, und Kings „Gnostics“, s. 200). In der okkulten Ausdrucksweise in noch klarere Sprache übersetzt würde es heißen: „Nachdem der siebenfältige Logos sich in die sieben Logoi oder schöpferischen Kräfte (Vokale) differenziert hatte, erschufen diese (der zweite Logos oder „Ton“) alles auf Erden.5

Es ist bemerkenswert, dass Svara im Sanskrit in einer seiner Bedeutungen auch sieben bedeutet. Dies verrät einen esoterischen Gedanken, den die frühesten Hindu-Schriftsteller dem Ausdruck zumaßen: dass der kosmische Svara sich in einer Serie von sieben Tönen evolviert, von denen jeder genau einer der sieben kosmischen Ebenen entspricht und auf diese Weise jeder Ebene ihren eigenen Grundton oder ihren Svabhāva gibt. Der Ausdruck Vāch wird häufig als Śata-Rūpa, hundertfach geformt seiend, beschrieben; und wenn wir das evolvierte Universum als aus zehn kosmischen Ebenen bestehend ansehen und jede Ebene wiederum als zehnfach, dann haben wir einhundert individuelle Grundtöne. Eine derartige zehnfache Konstruktion des Universums nimmt die höchste kosmische Ebene der Einheit, die mit dem Unendlichen verknüpft ist, als selbstverständlich an, desgleichen die niedrigste kosmische Ebene, das physische Universum – die nur Schale oder Träger für all die anderen ist. Zusammen ergibt dies das zwölffache Universum, das von vielen alten Philosophen, einschließlich Platon, erwähnt wurde.

Wenn wir das Obige auf eine Sonnenkette anwenden (oder eine Planetenkette von zwölf Globen), sehen wir, dass jede derartige Kette eine Manifestation eines logoischen Hierarchen, ihres höchsten Logos, ist. Jeder der zwölf Globen der Sonnenkette ist das Produkt und in einem bestimmten Sinne der Wohnort eines der zwölf Strahlen aus dem Sonnenlogos oder Sonnen­­hierarchen. Die Analogie mit der menschlichen Konstitution ist perfekt: Unser Ātman ist unser höchster Hierarch und die verschiedenen Brennpunkte, in denen eine Monade wohnt, sind die Zentren der aus dem Ātman emanierenden Strahlen.

Wenn wir uns wieder unserer Sonne als einem treffenden Beispiel des Problems zuwenden, so ist jeder einzelne der zwölf aus diesem Sonnenlogos emanierenden Strahlen seinerseits ein kleinerer Logos, der wiederum zwölffach ist und einen Sonnenstrahl darstellt, der eine der heiligen Planeten­ketten führt und über sie wacht. Jeder Globus einer solchen Planetenkette ist gleichermaßen der besondere Wohnort eines der zwölf kleineren Strahlen in jedem derartigen kleineren Logos.

Der lateinische Schriftsteller Martianus Capella sprach von der Sonne, „deren heiliges Haupt von zweimal sechs Strahlen umgeben ist“. Diese Strahlen stellen die zweimal sechs Mächte oder Globen der Sonnenkette dar. Es gibt natürlich wie im Falle der Planetenkette in Wirklichkeit zehn Globen und zwei „polare Bindeglieder“. Nun, diese zwölf Mächte der Sonne sind die zwölf Kräfte des Sonnenlogos – die manifestierte Sonnengottheit –, und natürlich müssen sie sowohl ihre eigenen Sphären der Aktivität als auch die geeigneten Substanzen haben, durch die sie wirken. Praktisch sind sie selbst ihre eigenen Heime. Wie eine Schnecke ihr eigenes Schneckenhaus aufbaut, so bauen sie ihre eigenen Wohnstätten mit einem Teil von sich auf, wobei sie dennoch abgesondert bleiben; so wie der Geist und die Seele eines Menschen von seinem Körper gesondert bleiben, in ihm, aber über ihm, und in einem wahren Sinne nicht ein Teil von ihm sind. Diese zwölf Kräfte repräsentieren und sind tatsächlich die zwölf Ebenen des Sonnensystems.

Einer der mystischen Namen der Sonne in der alten Hindu-Literatur ist Dvādaśa-Ātman, wörtlich zwölf Selbste. Von Sūrya, der Sonne, wird deshalb gesagt, dass sie zwölffach und siebenfach sei. Diese zwölf (oder sieben) Selbste können entweder als individuelle Logoi oder als eine Einheit zusammen­gefasst, als der Sonnenlogos oder Hierarch angesehen werden – genauso wie ein Strahl des Sonnenlichts aus den sieben Farben des Spektrums zusammen­gesetzt ist – und werden manchmal Ādityas genannt, d. h. geboren aus Aditi oder Raum. Jeder dieser Ādityas oder kleineren Sonnenlogoi stellt den herrschenden spirituellen Genius seiner Planetenkette dar und ist daher ihr hierarchisches Oberhaupt.

In Die Geheimlehre, Bd. II, S. 31 Fn., heißt es:

„Wie es oben ist, so ist es unter“, ist der Hauptgrundsatz okkulter Philo­sophie. Da der Logos siebenfältig ist, das heißt durch den ganzen Kosmos als sieben Logoi in sieben verschiedenen Formen erscheint, oder, wie von gelehrten Brahmanen verkündet wird: „Jeder von ihnen ist die Zentralfigur einer der sieben Hauptzweige der alten Weisheitsreligion“, und da die sieben Prinzipien, die den sieben verschiedenen Zuständen von Prajna oder Bewusstsein entsprechen, mit den sieben Zuständen der Materie und mit den sieben Formen der Kraft zusammenhängen, muss die Einteilung die gleiche sein in allem, was die Erde betrifft.

Zum Schluss wollen wir uns daran erinnern, dass der Erste Logos das kosmische Bewusstsein, der Gipfel oder Brahman einer Hierarchie ist, und diese Brahmans sind zahllos im grenzenlosen Raum. Jedes Sonnensystem ist solch ein Brahman im Sonnensystemmaßstab; jede Galaxis stellt einen solchen dar oder ist ein solcher im galaktischen Maßstab; dies trifft auch für jede Planetenkette zu. Jeder Mensch hat seinen eigenen individuellen Brahman, den höchsten Punkt seines Wesens, seinen Ersten Logos.

Wir alle sind Kinder des Ersten Logos, Leben von seinem Leben, Bewusstsein von seinem Bewusstsein. Je mehr wir in die höheren Teile unseres Wesens aufsteigen, desto bewusster werden wir uns unserer Identität mit ihm. Doch alle diese kosmischen Brahmans, diese kosmischen Bewusstheiten, „Ersten Logoi“ sind Abkömmlinge des Grenzenlosen, „Funken der Ewigkeit“, die während endloser Dauer kommen und gehen. Deshalb wird von Parabrahman als bewusst und unbewusst seiend, manifestiert und unmanifestiert seiend, Geist und Materie seiend gesprochen, weil es beides und keines von beiden ist. Es ist beides, weil das Grenzenlose diesen Punkten seines Seins durch die Unendlichkeit hindurch zur Geburt verhilft und sie dann wieder zurückzieht – genauso wie der Geist in uns die Wurzel ist, die uns erzeugt, doch wir sind nicht sie. Wir sind nur ihr schwacher Strahl, der eines Tages wieder in den Brahman in uns, unseren Ersten Logos, zurückgezogen werden wird. Und das manifestierte Wesen wird darin eine Zeitlang latent ruhen, jedoch um wieder zu erscheinen.

So werden Welten aus den Tiefen des Grenzenlosen geboren und kehren wieder in sie zurück, geradeso wie die Menschen aus dem Brahman in ihnen, aus ihrem Aurischen Ei geboren werden und wieder dahin zurückkehren. Wenn das Ende des Sonnensystems gekommen sein wird, werden alle Wesen darin für eine noch höhere Ruhe in das Grenzenlose zurückgezogen werden, um wieder als logoische Strahlen hervorzugehen, wenn ein neues kosmisches Lebensdrama beginnt.

Fohat, die dynamische Energie der kosmischen Ideenbildung

In Die Geheimlehre, Bd. I, S. 16, gibt HPB eine meisterliche Fassung des wesentlichen Charakters von Fohat:

Es ist die „Brücke“, mittels derer die im „Göttlichen Gedanken“ existierenden „Ideen“ der kosmischen Substanz als die „Naturgesetze“ eingeprägt werden. Fohat ist somit die dynamische Energie der kosmischen Ideenbildung; oder, von der anderen Seite aus betrachtet, ist es das intelligente Medium, die leitende Kraft aller Manifestation, der durch die Dhyan Chohans6 – die Architekten der sichtbaren Welt – übertragene und manifestierte „Göttliche Gedanke“. So entspringt unser Bewusstsein dem Geist oder der kosmischen Ideenbildung; aus der kosmischen Substanz entstehen die verschiedenen Vehikel, in welchen dieses Bewusstsein individualisiert wird und Selbst- oder reflexives Bewusstsein erlangt; und Fohat ist in seinen verschiedenen Manifestationen das geheimnisvolle Band zwischen Gedanke und Materie, das alle Atome zum Leben elektrisierende, beseelende Prinzip.

Fohat ist sowohl ein tibetischer als auch ein mongolischer philosophischer Ausdruck und bedeutet allgemein kosmisches Leben oder Vitalität, die durch kosmischen Verstand oder kosmische Intelligenz gelenkt wird. Die verbale Wurzel foh ist mongolischen Ursprungs und entspricht dem Wort Buddha oder sogar Buddhi oder auch Bodhi-Weisheit. Fohat vollführt seine mannig­fachen Wunder durch das Weben des Gewebes des universalen Wesens, weil es Mahā-Buddhi ist, die durch ihn wirkt und ihn lenkt. Diese kosmische Vitalität verkörpert im Universum das, was in unserem Körper die Prāṇas sind.

Der Grund, warum die Mongolen von der kosmischen Vitalität in Verbindung mit Gedanken sprechen, die streng genommen den Ausdrücken Buddhi, Bodhi etc. zugeschrieben werden, ist, dass sie sich weigern, in der symmetrischen und harmonischen Struktur des Universums das rein imaginäre Spiel blinder und seelenloser Kräfte mit der toten Materie zu sehen, was der Fluch des westlichen wissenschaftlichen Denkens war. Für diese frühen Orientalen war das Universum ein Ausdruck kosmischer Weisheit.

Fohat, das kosmische Leben im Sinne des vitalen Flusses oder des etherisch-vitalen Fluidums in einem Universum, ist tatsächlich in sieben oder zehn Prinzipien oder Elemente teilbar, von denen jedes eine Lebenskraft mit ihrem eigenen Svabhāva ist. Ihre Einheit bildet den allgemeinen Fohat, von dem HPB schrieb:

„Jede Welt hat ihren in seiner eigenen Wirkungssphäre allgegenwärtigen Fohat. Aber es gibt so viele Fohats wie es Welten gibt, sich in Macht und Ausprägungsgrad jeweils unterscheidend. Die individuellen Fohats bilden einen universalen, kollektiven Fohat – die Aspekt-Entität der einen absoluten Nichtentität, die absolute Sein-heit, ‘Sat’, ist. „Millionen und Milliarden von Welten werden in jedem Manvantara hervorgebracht“, wird gesagt. Daher muss es viele von uns als bewusste und intelligente Kräfte angesehene Fohats geben.7

Der ursprüngliche Fohat, der seinen Ursprung im Ersten Logos hat, ist sieben- oder zehnfältig, weil der Erste Logos selbst sieben- oder zehnfältig ist. Folglich existiert Fohat auf jeder einzelnen Ebene des Universums als eine Sieben- oder Zehnerzahl. Wenn der Zweite Logos sich selbst aus dem Ersten Logos entfaltet, folgt Fohat ebenfalls jedem Schritt einer solchen Emanation, wobei er sich im Zweiten Logos als die kosmische Vitalität in sieben oder zehn Formen reproduziert. Auf genau die gleiche Weise reproduziert sich Fohat auch im Dritten Logos.

Fohat ist im Kosmos das, was die sieben oder zehn Prāṇas im Menschen sind; und wie die Konstitution des Menschen ihre Prāṇas auf jeder Schicht seines Aurischen Eies hat, so sind die Prāṇas des Kosmos die verschiedenen Aspekte von Fohat auf den verschiedenen Ebenen. Geradeso, wie im Menschen die Prāṇas die Träger für Gedanken, Empfinden, Gefühl und Instinkt sind, so dient Fohat auf den kosmischen Ebenen als Träger der kosmischen Ideenbildung. Fohat ist das Ross, der kosmische Gedanke ist der Reiter.

Fohat offenbart sich in verschiedenen Formen und Elektrizität, so wie wir sie kennen, ist eine seiner niedrigsten Manifestationen. Was Vitalität in der menschlichen Konstitution ist, das ist Elektrizität im System des materiellen Universums. Sie sind Manifestationen derselben fundamentalen Kraft. Mystisch gesprochen ist die kosmische Elektrizität die physische Vitalität der Wesenheit, in der wir leben, uns bewegen und unser Dasein haben. Sie ist an und für sich keine Kraft. Es gibt im Universum nicht so etwas wie eine Kraft für sich allein, die getrennt von anderen Kräften existiert. Sie ist eine Phase, eine Manifestation der Basis aller Dinge, nämlich des Bewusstseins. Gravitation ist wirklich eine der Manifestationen der kosmischen Elektrizität, und entsprechend ist Elektrizität eine der Manifestationen der kosmischen Gravitation. Wir zitieren wieder aus Die Geheimlehre, Bd. I, S. 149–50:

Fohat, der schöpferischen Kraft der kosmischen Elektrizität … hat sieben Söhne, welche seine Brüder sind; … [sie] repräsentieren und personifizieren die sieben Formen des kosmischen Magnetismus, welche im praktischen Okkultismus die „sieben Wurzeln“ genannt werden, deren zusammenwirkende und aktive Nachkommenschaft neben anderen Energien Elektrizität, Magnetismus, Ton, Licht, Wärme, Kohäsion etc. umfasst.

Ferner gilt: Geradeso wie die Vitalität in einem menschlichen Körper als kosmisch-atomare Elektrizität erscheint oder als die fohatische Manifestation in der Struktur aller Atome, die unseren Körper zusammensetzen, so ist die Vitalität der großen Wesenheit, in der wir unser Dasein haben, die kos­mische Elektrizität. Ein Blitz ist Elektrizität oder kosmische Vitalität, die sich an einem bestimmten Ort und unter bestimmten Bedingungen offenbart. Er stellt das örtliche elektrische Gleichgewicht wieder her. Einen ähnlichen Fall haben wir, wenn das Gleichgewicht der Vitalität im menschlichen Körper aufrecht­erhalten wird, was dann Gesundheit bedeutet; und wenn das Gleichgewicht gestört ist, bedeutet dies Krankheit.

Wenn die Dinge, vom Standpunkt der Elektrizität aus, nicht im Gleichgewicht sind, haben wir die sehr heißen oder die sehr kalten Tage, die stürmischen oder die ungewöhnlich ruhigen Tage. Es gibt einen konstanten Richtungswechsel in den Bewegungen und Operationen dieser kosmischen Elektrizität. Ein Blitz ist ein kurzer Abschnitt einer Zirkulation des Kosmos. Er ist sehr eng mit gewissen vitalen Strömungen zwischen der Sonne und der Erde und dem Menschen und der Erde verbunden, die durch die Erde und zu und von der Erde und dem Meteorschleier gehen, der sie umgibt. Magnetismus ist das andere Ich der Elektrizität. Jedes ist ein „Bruder-Sohn“ von Fohat. Grundsätzlich sind die Phänomene, die wir Gravitation, Elektrizität und Magnetismus nennen, alle dieselbe Sache: drei Manifestationen Fohats oder der kosmischen Vitalität, wie sie in unserem physischen Abschnitt des Universums erscheint. Dieses Universum ist nicht in Stufen geteilt, die voneinander getrennt sind, es ist vielmehr ein organisches Ganzes, das Grade oder Stufen enthält, die vom Unsichtbaren zum Sichtbaren (und noch weiter abwärts wiederum ins Unsichtbare) ineinander übergehen. Es gibt in Wirklichkeit keine Grundunterteilungen, außer in einem schematischen Sinne.

Die Menschen haben mehr mit einem Blitz zu tun, als sie sich vorstellen können. Wenn es überhaupt keine belebten Wesenheiten auf der Erde gäbe, dann würde Elektrizität, die sich auf diese besondere Weise manifestiert, die wir Blitz nennen, ein außerordentlich seltenes Phänomen sein; doch jeder Punkt im Raum enthält für uns sichtbare und unsichtbare belebte Wesen­heiten.

In ihrem Theosophical Glossary hat HPB Fohat als „die Essenz der kosmischen Elektrizität“ definiert. „Ein okkulter tibetischer Ausdruck für Daiviprakriti, Urlicht.“ HPB beschreibt Daivī-Prakṛiti als „ursprüngliches, homogenes Licht, … wenn dieses Licht differenziert wird, wird es FOHAT“.

Hier wird auf einen feinen Unterschied hingewiesen. Daivī-Prakṛiti bedeutet buchstäblich leuchtende oder göttliche Prakṛiti oder Substanz und stellt die uranfängliche leuchtende Kraft-Substanz dar, die Subba Row, ein früher Theosoph und brahmanischer Gelehrter, das „Licht des Logos“ nannte. Fohat ist dasselbe Licht in einem entwickelteren Stadium der Manifestation. Die beiden sind in gewissem Sinne wirklich dasselbe. Wenn wir aber gewöhnliche Elektrizität in ihrem kosmischen Aspekt Daivī-Prakṛiti nennen, dann würde Fohat in diesem Bereich die entwickelteren Manifestationen der kosmischen Elektrizität bedeuten, wie der Blitz und wie der Strom, der unsere Häuser erleuchtet, und die Kohäsionskraft, die die Atome zusammenhält. Über allem anderen ist Daivī-Prakṛiti-Fohat aktives kosmisches Bewusstsein; Daivī-Prakṛiti ist der höhere oder spirituelle oder negative Aspekt und Fohat ist der niedrigere oder aktive oder positive Aspekt.

Jeder einzelne der drei Logoi und sein entsprechender Fohat sind tätig, sind das Leben selbst. Weil die drei Logoi kosmische Lebewesen sind und weil das gesamte Universum durch ein periodisches Entfalten von Hierarchien in ihre verschiedenen Emanationen aus ihnen herausfließt, lebt das Universum und alles in ihm, einschließlich seines physischen Körpers. Deshalb ist, angefangen von einem Nebel und einer Sonne bis zu einem Elektron und einem Menschen, jede Wesenheit in einem solchen Universum ein lebendes Wesen, aufgebaut aus Leben, das sowohl Substanz als auch kosmischer Geist ist. Oder, wie es HPB anschaulich sagt: „Die Strahlen des Logos vibrieren in jedem Atom.“

Über die gnostischen Äonen

Im Laufe der zwei oder drei Jahrhunderte, die dem Niedergang des esoterischen Systems in Europa und der dazugehörenden Mysterienschulen folgten – ein Niedergang, der ungefähr zu Beginn der christlichen Ära anfing –, entstand eine ganze Anzahl mystischer und quasi-okkulter Denksysteme. Einige von ihnen enthielten eine Menge von dem damals dahinschwindenden Licht esoterischer Weisheit, andere enthielten nur schwache Strahlen davon.

Unter diesen Schulen, die zeitweilig in Mode kamen, befanden sich die verschiedenen Gruppen der Gnostiker. Die meisten von ihnen wurden von den christlichen Geschichtsschreibern zu Unrecht „häretische christliche Sekten“ genannt, obschon sie in Wahrheit weit weniger Christen waren als die verblassenden Strahlen aus den ursprünglichen Zentren der esoterischen Lehre in der mediterranen Welt. Es ist jedoch wahr, dass sich einige von diesen gnostischen Gruppen aus dem einen oder anderen Grund, hauptsächlich aber aus Zweckmäßigkeitsgründen, verschiedenen christlichen Sekten in gewisser Weise anschlossen, wahrscheinlich damit sie mehr oder weniger in Frieden leben und ihre privaten Studien in relativer Sicherheit betreiben konnten.

Die ganze Wahrheit über diese gnostischen Sekten ist noch nicht geschrieben worden. Die gnostische Schule von Simon war eine der Schulen, die einige Grundlehren der esoterischen Philosophie am getreuesten lehrten. Andere gnostische Gruppen, die Elemente der archaischen Weisheit bewahrten, wurden von Menander, Valentinus, Basilides etc. gegründet. Simon, der in einer Zeit lehrte, die begierig nach okkultem und quasi-okkultem Wissen jeder Art hungerte, war jedoch außerordentlich kritisch und theologisch bedenklich. Er musste offensichtlich seine Lehren in Redewendungen formulieren, die die herrschende christliche Macht nicht verletzten. Er verzich­tete konsequent weitgehend auf die heiligen und uralten Lehrsätze und verwendete Redewendungen und Beschreibungen, die oft sehr exoterisch waren und in bestimmten Fällen von ihm erfunden wurden, um vor den Feinden seiner Schule zu verbergen, was er in Wirklichkeit in seinen Lehren meinte – deren innere Bedeutung seinen instruierten Anhängern trotzdem völlig verständlich war.

Die folgenden etwas längeren Auszüge aus HPBs E. S. Instructions geben das gnostische System der Äonen, wie es von Simon gelehrt wurde, wieder:

Simon lehrte wie alle anderen Gnostiker, dass unsere Welt durch die tiefer stehenden Engel, die er Äonen nannte, geschaffen wurde. Er erwähnt nur drei Grade von ihnen, weil es nicht sinnvoll war und ist, wie in der Geheimlehre erklärt wurde, etwas über die vier höheren zu lehren, und deshalb beginnt er mit der Ebene von Globus A und G. Sein System steht der okkulten Wahrheit ebenso nahe wie jedes andere, sodass wir es ebenso gut prüfen können wie seine eigenen und Menanders Aussprüche über „Magie“, um herauszufinden, was sie mit dieser Bezeichnung meinten. Nun, für Simon war der Gipfel aller manifestierten Schöpfung das Feuer. Es ist für ihn wie auch für uns das Universale Prinzip, die Unendliche Stärke, geboren aus der verborgenen innewohnenden Kraft. Dieses Feuer war die erste Ursache der manifestierten Welt des Seins. Es war dual, mit einer manifestierten und einer verborgenen oder geheimen Seite. „Die geheime Seite des Feuers ist in seiner offenkundigen (oder objektiven) Seite verborgen“,8 schreibt er, womit angedeutet wird, dass das Sichtbare immer im Unsichtbaren und das Unsichtbare im Sichtbaren gegenwärtig ist. Dies war nichts anderes als eine neue Formulierung von Platons Idee des verstandesmäßig Erfass­baren (Noêton) und des Fühlbaren (Aisthêton) und von Aristoteles’ Lehre von der Stärke (Dynamis) und der Handlung (Energeia). Für Simon war alles, was man denken und sich vorstellen und auf das man einwirken kann, vollkommene Intelligenz. Feuer enthielt alles. Und deshalb sind alle Teile jenes Feuers, da mit Intelligenz und Vernunft begabt, zur Entwicklung durch Ausdehnung und Emanation fähig. Dies ist unsere Lehre von dem manifestierten Logos, und diese Teile sind in ihrer ursprünglichen Emanation unsere Dhyân-Chôhâns, die „Söhne der Flamme und des Feuers“ oder die höheren Äonen. Dieses „Feuer“ ist das Symbol der aktiven und lebenden Seite der göttlichen Natur. Hinter ihr liegt „unendliche Möglichkeit in der Möglichkeit“, die Simon „das, was Bestand hatte, hat und haben wird“, oder dauerhafte Stabilität und personifizierte Unveränderlichkeit nannte.

Von der Gedankenkraft ging so die göttliche Ideenbildung zur Handlung über. Daher bringen die Reihen der ursprünglichen Emanationen die Gedanken durch Handlungen hervor. Die objektive Seite des Feuers ist die Mutter, die verborgene Seite seines Wesens ist der Vater. Simon nannte diese Emanationen Syzygien (ein vereinigtes Paar), denn sie emanierten paarweise, die eine als ein aktiver und die andere als ein passiver Äon. Drei auf diese Weise emanierten Paaren (oder sechs im ganzen, das Feuer ist das siebte) gab Simon folgende Namen: „Verstand und Gedanke, Stimme und Name, Vernunft und Reflexion.“ Das erste in jedem Paar ist männlich, das zweite weiblich. Aus diesen ursprünglichen sechs emanierten die sechs Äonen der Mittleren Welt. …

Wir finden also im System des Simon Magus, dass die ersten sechs Äonen, die durch das siebte, die Vaterpotenz, aufgebaut wurden, zu handeln beginnen und ihrerseits sechs sekundäre Äonen emanieren, die auf diese Weise durch ihre entsprechenden Väter aufgebaut werden. In den Philosophoumena lesen wir, dass Simon die Äonen mit dem „Lebensbaum“ verglich. „Es steht geschrieben, sagte Simon in der Offenbarung,9 dass es zwei Verzweigungen der universalen Äonen gibt, die weder einen Beginn noch ein Ende haben, und dass beide aus derselben Wurzel, der unsichtbaren und unbegreiflichen inneren Kraft, Sigê (Stille), hervorgegangen sind. Eine von diesen [Reihen von Äonen] erscheint von oben herab. Dies ist die Große Macht, das Universalgemüt [oder die göttliche Ideenbildung, der Mahat der Hindûs – Hindūs, d.  Ü.], sie ordnet alle Dinge und ist männlich. Die andere kommt von unten, denn sie ist der Große [geoffenbarte] Gedanke, der weibliche Äon, der alle Dinge erzeugt. Diese [beiden Arten von Äonen] entsprechen10 einander. Sie stehen miteinander in Verbindung und manifestieren den Zwischenraum [die Zwischensphäre oder Zwischenebene], die unbegreifliche Luft, die weder Anfang noch Ende hat.11 Diese weibliche „Luft“ ist unser Ether oder das kabbalistische Astrallicht. Sie ist also Simons Zweite Welt, aus FEUER geboren, das Prinzip von allem. Wir nennen es das EINE LEBEN, die Intelligente Göttliche Flamme, allgegenwärtig und unendlich. …

Simons Dritte Welt mit ihrer dritten Reihe von sechs Äonen und der siebten, dem Vater, wurde auf die gleiche Weise emaniert. Es ist dasselbe Konzept, das durch jedes gnostische System läuft – graduelle Entwicklung abwärts in die Materie durch Ähnlichkeit. Dies ist ein Gesetz, das bis zum ursprünglichen Okkultismus oder zur ursprünglichen Magie herab verfolgt werden muss. Bei den Gnostikern wie auch bei uns ist diese siebente Macht, die alles zusammenfügt, der Geist, der über den dunklen Wassern des undifferenzierten Raumes brütet, Nārāyana oder Vishnû in Indien; der Heilige Geist im Christentum. Im Letzteren wird die Idee aber eingeschränkt und durch Begrenzungen verkümmert. Dadurch werden Glaube und Gnade erforderlich. Die östliche Philosophie zeigt, dass sie jedes bewusste oder unbewusste Atom durchdringt. …

Daraus folgt, dass jedes rationale Wesen – auf Erden Mensch genannt – aus derselben Essenz besteht und potenziell alle Eigenschaften der höheren, ursprünglichen sieben Äonen besitzt. Es liegt an ihm, „mit dem Bild des Höchsten vor Augen“ durch Nachahmung in actu, die Stärke zu entwickeln, mit der das Höchste seiner Eltern oder Väter begabt ist.

II

Wenn sich HPB auf Simons System der Äonen als „auf der Ebene von Globus A und G“ beginnend bezieht, so sollte sich der Leser daran erinnern, dass es in der Lebensgeschichte einer Verkörperung einer Planetenkette von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende nicht nur sieben, sondern in Wirklichkeit zwölf verschiedene evolutionäre Stufen des Wachstums gibt. HPB hat beinahe stillschweigend die ersten fünf ursprünglichen Stufen übersprungen und nimmt die Kette auf ihrer sechsten Stufe auf, die sie die „erste“ nennt. Das folgende Diagramm mag die Angelegenheit etwas erhellen:

 

 12

Hieraus ist ersichtlich, dass es vor der Evolution der Elementalreiche, welche die ersten sind, die beim Aufbau eines Globus auf einer Ebene helfen, die ätherischen und etherischen Stufen gibt, die wirklich die früheste Kometen-Stufe in ihren zwei Hauptunterteilungen der Entwicklung darstellen. Wenn diese zwei ursprünglichen Stufen der Vorbereitung und Quasi-Materialisation beendet sind, beginnen die drei Hauptklassen der Elementale, die sich selbst vorbereitet haben und in ihre drei entsprechenden Klassen unterteilt und in diese hineingezogen worden sind, um die Grundlagen für einen zukünftigen Globus zu legen.

Wenn die drei Elemental-Klassen die Umrisse des zukünftigen Globus aufgebaut haben – wobei jede Klasse der vorhergehenden folgt, nachdem Letztere ihr Werk beendet hat –, beginnt der echte Globus seine Existenz, was hier die erste Runde genannt wird. Weil die drei Elementalreiche ihre Aufgabe bis dahin vollendet hatten, sind die verschiedenen Monaden-Familien mehr oder weniger in ihre entsprechenden Gruppen getrennt worden und von jetzt an bereit, ihre Runden als Lebenswogen zu beginnen.

Von diesem Zeitpunkt an beginnen die sieben Runden und rücken in ständigem Fortschritt rund um die Globen der Kette weiter, denn man muss festhalten, dass, während die obige Beschreibung sich hauptsächlich mit Globus D befasst, alle anderen Globen ebenfalls pari passu mit ihm evolviert worden sind oder sich manifestiert haben. Eine Runde beginnt auf dem höchsten der zwölf Globen und schreitet weiter von Globus zu Globus rund um die Kette voran. Dies ist nur eine andere Art der Feststellung, dass jeder Globus aus sich selbst seinen Überschuss an Leben oder Lebewesen entfaltet. Zuerst haben wir das ätherische Erwachen eines Laya-Zentrums zum Leben, das beim Beginn seiner Wanderung durch den Raum sich nach und nach mit ätherischer und etherischer Materie verbindet und auf diese Weise langsam in seine zweite Stufe, die etherische, eintritt. Wenn auch diese Stufe beendet ist, ist das Laya-Zentrum, das sich jetzt als ein etherischer Komet manifestiert, gerade ein Mitglied des Sonnensystems geworden, zu dem ihn seine karmische Bestimmung unvermeidlich zur Verkörperung als eine zukünftige Planetenkette hingezogen hat. Wenn sich einmal der Komet auf seiner Umlaufbahn rund um die Sonne als ein hoch etherischer Globus im ersten oder im ersten und zweiten Zustand der Materie der physischen kosmischen Ebene fest­gesetzt hat, beginnen die drei Elementalreiche der Reihe nach ihre charakteristischen Aktivitäten13 und bauen auf diese Weise graduell einen leuchtenden und glühenden oder „wolkigen“ Körper von sehr schwacher physischer Dichte auf, und von einer Art, die unsere Astronomen wahrscheinlich als etherisch feurig beschreiben würden. (Das Wort feurig wird benutzt, um die glühende oder leuchtende Natur des Feuers in seinen ersten Stadien anzudeuten und nicht das Hitze erzeugende physische Feuer, wie wir es auf Erden haben. Elektrische Substanz kann vielleicht den Gedanken etwas besser vermitteln.) Wenn diese Stufe beendet worden ist, beginnt die „erste Runde“, und mit dieser Runde beginnt HPB ihre wunderbare Darlegung.

Der Prozess der Verfestigung oder Materialisation der Globen schreitet ständig bis zur Mitte der vierten Runde fort. Danach werden die Globen wieder etherischer. Dies ist auf dem aufwärts gerichteten oder leuchtenden Bogen verbunden mit der Spiritualisierung der verschiedenen Monaden-Familien, die diesen Runden bis zum gegenwärtigen Punkt gefolgt sind.

Die Lehre vom Svabhāva

Der Impuls hinter der Evolution liegt nicht außerhalb, sondern im Keim oder Samen, in der evolvierenden Wesenheit selbst. Der Impuls und der Same entstehen aus einem Ding, und das ist ihr Svabhāva,14 die Selbstheit oder essenzielle Charakteristik des Selbst.

Die Lehre vom Svabhāva hat zwei Grundaspekte: erstens das Ins-Dasein- oder In-die-Existenz-Kommen durch die innewohnenden Wachstumskräfte einer Wesenheit; und zweitens, als eine hiervon abgeleitete Vorstellung, die innere Qualität oder der Charakter einer Wesenheit. Alles, was sie während ihres beständigen zunehmenden Wachsens ist oder tut, steht in Übereinstimmung mit den Kräften und Substanzen, die aus dem Inneren ihres eigenen Herzens strömen. Alles wird durch die charakteristischen Eigenschaften dieser ursprünglichen Quelle zum Ausdruck gebracht.

Im Falle des Menschen ist sein ganzer veranlagungsgemäßer Charakter der zusammengesetzte Svabhāva, der aus den individuellen Svabhāvas seiner verschiedenen Monaden gebildet wird. Jede dieser Monaden besitzt ihren eigenen Charakter oder Typ der Individualität, und während des Mahā-Manvantara ist sie unaufhörlich aktiv sowohl in einem energiegeladenen als auch in einem passiven Sinne, wobei sie ihre eigenen Lebensessenzen von innen hervorbringt. Da diese verschiedenen Monaden ständig aktiv sind, d. h. sich ständig ändern, unterliegt nicht nur der Svabhāva jeder individuellen Monade den Modifi­ka­tionen durch die Evolution, sondern diese notwendigen Modifikationen bewirken entsprechende Veränderungen in dem komplexen allgemeinen Svabhāva der menschlichen Konstitution. Daher ist kein Svabhāva ewig derselbe und niemals auch nur für einen flüchtigen Augenblick statisch. Er ist für alle Zeiten der Modifikation oder der evolutionären Veränderung unterworfen.

Wie jeder Svabhāva seine ursprüngliche Quelle im Herzen seiner ständig evolvierenden Monade hat, so besitzt jede individuelle Monade ihren eigenen svabhāvischen spirituellen Magnetismus, ihre Individualität. Ähnlich verhält es sich mit jedem Lebensatom im ganzen Bereich des Universums. Ferner ist jede Gruppe von Individuen in einem eigenen spirituell-magnetischen Svabhāva zusammengefasst. Ebenso verhält es sich beim physischen Körper des Menschen oder auch bei seiner gesamten Konstitution, bei einer Nation oder Rasse oder sogar bei einer Sternengruppe, wie den Konstellationen des Zodiakus. Vielfalt ist das Gesetz des Universums, da sie der innewohnenden Wesenheit entspringt, welche im Kern eines jeden Lebewesens ihr Zuhause hat, ein Strahl der immerwährenden Monade in allen.

Ein Planet ist z. B. nicht nur eine Wesenheit in sich selbst mit einem Svabhāva oder Charakter, der von dem anderer Planeten verschieden ist, sondern seine Bewohner nehmen ebenfalls in einem gewissen Ausmaß an seiner Individualität teil, wie sie auch ihren eigenen Svabhāva haben. Es leuchtet ein, dass die Grundgesetze der Natur, da sie universal sind, im ganzen Universum wirken müssen; dagegen variieren die sekundären Gesetze der Natur entsprechend der Zeit und dem Ort, denn sie sind zum großen Teil das Produkt der den Kosmos bewohnenden spirituellen Wesenheiten, der Monaden. Wir alle sind aus den gleichen kosmischen Substanzen, die überall existieren, auf­gebaut. Unsere Individualitäten sind unsere entsprechenden Svabhāvas, Töne, Zahlen – man kann sie nennen, wie man will.

Daher ist jede Monade ein Bewusstseinszentrum mit einem eigenen bestimmten Svabhāva, das stets tätig ist; und diese Aktivität zeigt sich, da sie spirituell-göttlich ist, auf den niedrigeren Ebenen als Strahlen. Jede Monade strahlt aus sich einen kontinuierlichen Energiestrom von variierendem svab­hāvischem Gepräge, göttlich, spirituell, intellektuell, psychisch etc., aus. Diese Strahlen durchdringen und umgeben die Materie unter ihnen und erzeugen dadurch die verschiedenen Erscheinungen in den Wesen, in denen sie wirken. Wenn diese Wesen oder Träger hoch evolviert und bereit sind, sodass sie auf einmal die Kräfte der in ihnen wirkenden monadischen Energie offenbaren können, tun sie es, und das Ergebnis ist erhaben. Wenn jedoch die Träger auf ihrer evolutionären Stufe so tief stehen, dass sie von den monadischen Qualitäten nur schwach etwas hervorbringen können, dann ist solch eine schwache Offenbarung alles, was erscheint.

Von der Vielzahl der Strahlen, die die Monade beständig ausschickt, gibt es immer einen, der der höchste ist. Jeder Mensch ist ein Beispiel. Rund um sein Herz, welches dieser höhere Strahl aus seiner Monade ist, sind die verschiedenen Träger oder Prinzipien aufgebaut: der spirituelle, der mentale, der astrale, der physische Träger. Jeder dieser Körper ist aus unzähligen Scharen von Lebensatomen zusammengesetzt; sie haben jedoch alle ihren eigenen individuellen Charakter, ihren Svabhāva. Jedes Lebensatom ist selbst ein wachsendes Ding, ein Strahl aus der Vatermonade des Menschen.

Da die monadische Essenz oder der höchste Hierarch jeder räumlichen Einheit, ob eine Planetenkette, ein Sonnensystem oder eine Galaxie, Strahlen emaniert, ist jeder Mensch „unter“ dem einen oder anderen dieser Strahlen „geboren“. Diese so einfache Feststellung drückt es korrekt aus, doch unglücklicherweise wurden über diese Strahlen viele bloße Vermutungen und sogar törichter Nonsens geschrieben, wie sie die Menschheit beeinflussen und führen und wie dieses oder jenes Individuum zu diesem oder jenem Strahl „gehöre“.

Es ist natürlich wahr, dass jeder Mensch ein Kind seines eigenen spirituellen Strahls oder Vatersterns ist. Aber, wie HPB betont15, dieser Stern darf nicht mit der rein astrologischen Sonne oder dem rein astrologischen Stern verwechselt werden, der die Geburtsdaten eines Menschen kennzeichnet. Der spirituelle Strahl, von dem hier die Rede ist, ist sein höchster und daher erster spiritueller Ursprung, ob es die Sonne unseres eigenen Sonnensystems ist oder einer der Scharen von Milliarden von Sternen, die unsere funkelnde Milchstraße bilden.

Das heißt nicht, dass wir das einzige Kind unseres Vatersterns sind, da jeder Stern unzählige Strahlen oder Kinder hat. Man muss sich einmal überlegen, dass die Bestimmung jenes Sterns und unsere Bestimmung durch svabhāvischen oder fohatischen Magnetismus innigst miteinander verknüpft sind – und das wird so lange andauern, wie unsere gegenwärtige Galaxie dauert, und, so viel ich weiß, sogar darüber hinaus.

Die Ähnlichkeit und Gleichheit unter den Menschen bedeutet nicht, dass sie von der gleichen monadischen Essenz irgendeines Individuums kommen, sondern dass sie zu gleichen planetarischen Strahlen gehören – mit anderen Worten, dass sie verwandte Strahlen von einer größeren monadischen Essenz, einer planetarischen Monade sind. Menschen sind einander ähnlich. Sie unterscheiden sich nicht so sehr von einander wie von Wesen mit einer Beschaffenheit, die dem „Menschsein“ auf dem Planeten Venus oder auf dem Mars oder einem anderen Planeten entspricht. Unter uns gibt es jedoch Menschen, die sich noch weit mehr ähneln als nur durch ähnliche Gesichtszüge; sie gehören zu den Strahlen von derselben planetarischen Monade. Ein menschlicher „Marsbewohner“ hat nicht die gleiche große Ähnlichkeit mit einem menschlichen „Bewohner des Jupiter“, wie er sie mit einigen anderen menschlichen „Marsbewohnern“ hat und so fort.

Ich wünschte, ich könnte mehr über diese Strahlen schreiben, und sei es nur, um auf die irrtümlichen Schlussfolgerungen der vielen astralistischen und psychistischen Autoren hinzuweisen, die solchen Unsinn darüber geschrieben haben; es würde jedoch ein ganzes Buch erfordern, um alle diese Irrtümer zu bereinigen.

Sowohl der Mensch als auch das Universum sind aus verschiedenen Prinzipien oder Elementen oder Tattva zusammengesetzt. Jedes von ihnen ist seinerseits in Unterprinzipien unterteilt, wovon jedes wiederum seinen eigenen individuellen Svabhāva hat. Nun, wenn jedes Prinzip all die svabhāvischen Energien der anderen besitzt, warum sprechen wir dann davon, dass eines höher oder spiritueller sei als ein anderes? Warum ist das Sthūla-Śarīra, der physische Körper, nicht ebenso erhaben wie der Ātman?

Im Wesentlichen ist jedes Prinzip, ob kosmisch oder menschlich, ebenso spirituell wie ein anderes; was das eine gegenüber einem anderen erhöht, ist nicht die essenzielle Substanz, aus der diese Elemente oder Prinzipien zusammengesetzt sind, sondern der Svabhāva, den jedes als seine dominierende Note offenbart. Das vorherrschende Charakteristikum von Ātman ist spiri­tuelle Selbstheit; das von Kāma ist bewusste feurige Kraft oder Energie; das von Manas ist individualisierte Intelligenz oder individualisiertes Gemüt etc.; doch alle anderen sechs Prinzipien sind in jedem latent vorhanden.

Wenn daher ein Mensch, dessen svabhāvischer Charakter Kāma ist, im ātmischen Teil von Kāma lebt, lebt er auf einer weit höheren Ebene als ein Mensch, dessen essenzieller Svabhāva zwar Ātman ist, der aber doch in den niedrigeren Teilen von Ātman lebt. Ein Mensch, der im Buddhi-Bereich oder dem höheren Manas des Kāma-Prinzips lebt, ist in Wirklichkeit ein edlerer Mensch als einer, der zwar im Manas-Element seiner Konstitution lebt, aber gleichzeitig sich im Kāma-Teil seines Manas befindet.

Das Prinzip, in dem wir leben, platziert uns auf der Lebensleiter. Wenn wir in Ātman, dem essenziellen Selbst, dem göttlichen Teil jeglicher Farbe, jeglicher Kraft, jeglichen Elements leben, befinden wir uns in einem höheren Bewusstseinszustand und leben weit edler als ein Mensch, der in Buddhi-Manas wohnen mag, jedoch auf einer sehr niedrigen Ebene davon. Es kommt darauf an, danach zu streben, auf der höchsten Ebene zu leben, wo alles farblose Glorie ist. Sobald wir in Farbe, in verschiedene Prinzipien oder Tattva absteigen, steigen wir in die Manifestation und Differenzierung ab und erzeugen eine entsprechende Māyā und folglich Unwissen. Es gibt ein göttliches Kāma, es gibt ein niedrigeres Kāma; es gibt eine göttliche Buddhi, es gibt eine menschliche Buddhi, die ihre Reflexion ist. Jede Ebene ist unterteilt und nach ihrer großen Ebene gestaltet. Deshalb ist es gleich, in welchem Zustand ein Mensch geboren sein mag, deshalb ist es gleich, zu welchem Strahl er gehören mag, dies platziert ihn nicht. Was ihn einordnet, ist das, worauf sein Bewusstsein konzentriert ist. Wenn es aufwärts gerichtet ist, sich in den Ātman, in die farblose Sphäre erhebt, dann umfasst er Göttlichkeit. Im Absoluten ist keine Farbe, kein Prinzip oder Tattva spiritueller als ein anderes, weil alle aus dem Herzen der Göttlichkeit geboren sind. Wenn wir in die Welten der Differenzierung, der Existenz, herabkommen, dann sind wir gezwungen, Unterteilungen zu machen.

Man könnte fragen: Wo auf Erden bin ich in diesem Gewirr von Svab­hāvas und Individualitäten und Unterprinzipien, usw.? Angenommen, dass ich siebenfach bin, dass ich sieben Ātmans oder Gottheiten in mir habe, die zusammenarbeiten, um mich zu dem zu machen, was ich bin, wie chemische Elemente zusammenarbeiten, um eine Wesenheit zu bilden – aber welcher Teil von diesem zusammengesetzten Svabhāva ist derjenige, den ich als Ich kenne, als jenen kleinen unbedeutenden Teil von mir, der so aggressiv ist?

Wir müssen daran erinnern, dass der Mensch aus einem siebenfachen Wesen besteht, vom Göttlichen abwärts durch alle Zwischenstufen bis zum Körper. Dort, wo er sein Bewusstsein zu einem beliebigen Zeitpunkt konzentriert, in welcher besonderen Schicht seines Aurischen Eies oder in welchem svabhāvischen Zentrum auch immer, dort ist der Teil, von dem wir im Augenblick als dem Ich sprechen können. Das Tier hat es in seinem tierischen Bewusstsein; wir haben es gewöhnlich in unserem Kāma-Manas; die Weisen haben es noch höher, wahrscheinlich in Buddhi-Manas; die Buddhas und Christusse noch höher, die Gottheiten auf einer noch erhabeneren Stufe.

Wir erkennen hier die ungeheure Bedeutung dieser Lehre. Ein Mensch kann in jedem Teil des gesamten Bereiches seines Wesens leben, wenn er es will. Er kann sein Bewusstsein, wenigstens für eine Weile, in jeder svabhāvischen Energie, die er wünscht, konzentrieren und dabei Inspiration und Hilfe aus den Energien des Universums gewinnen, oder er kann seine Gedanken und Gefühle in den niedrigeren Energien konzentrieren. Und wenn er viele Leben hindurch nicht aufhört, das Böse und die Irreleitung zu lieben, dann wird er schließlich in die Hölle fahren.

Alle die Unmengen von Monaden sind lernende, evolvierende Wesenheiten, und sie wandern im Laufe der periodisch wiederkehrenden Zeit­alter durch die immensen kosmischen Ebenen auf und ab. Jede Monade, die in ihrer anfänglichen evolutionären Entwicklung ihren Ursprung in einem kosmischen Tattva hat, muss für lange Zeiten die grundlegende Prägung dieses kosmischen Tattva als ihren Basis-Svabhāva ertragen. Wenn sie sich aber durch evolutionäre Veränderung oder evolutionäres Wachstum von einer kosmischen Ebene oder von einem kosmischen Tattva in eine andere kosmische Ebene oder in einen anderen kosmischen Tattva erhebt, dann tut sie es, weil ihr Svabhāva sich dem innewohnenden Svabhāva der neuen kosmischen Ebene bzw. dem neuen kosmischen Tattva, in die bzw. in den sie eintritt, angeglichen hat. Da jeder Svabhāva zusammengesetzt ist, können wir auf unserer Suche nach dem „ersten“ Svabhāva sozusagen zu seiner Essenz aufwärts und einwärts schreiten, um diesen ursprünglichen svabhāvischen Hintergrund zu finden. Bei diesem Bestreben erkennen wir, dass es stets etwas noch Höheres, noch Tiefgründigeres und Großartigeres gibt und dass dieses Etwas, das allem Anschein nach unerreichbar ist, eine unerklärliche X-Quantität darstellt, die sich aus dem innersten Herzen der monadischen Essenz verströmt.

Wir können also sagen, dass jede Wesenheit den Svabhāva ihrer gött­lichen Monade besitzt, den sie direkt aus deren untrennbarer Einheit mit der Galaxie bezieht; dass es ebenso in jedem von uns das svabhāvische Herz der spirituellen Monade gibt, das aus der spirituellen Essenz unseres Sonnen­systems besteht. Wir können sagen, dass wir in uns auch die menschliche Monade oder das reinkarnierende Ego als ein anderes svabhāvisches Herz haben, das uns als individuelle Menschen charakterisiert und das aus der spirituellen Essenz unserer Planetenkette besteht. Wenn wir diese Aussagen in die richtige Reihenfolge bringen, sehen wir, dass der grundlegende Svabhāva innerhalb unseres zusammengesetzten Svabhāva unser galaktisches svabhāvisches Herz ist. Es dauert in seiner charakteristischen Individualität am längsten und verändert sich am langsamsten; und selbst hinter ihm befindet sich noch der unbegreifliche Hintergrund der Unendlichkeit. Auf genau die gleiche Weise dauert die svabhāvische Essenz unserer spirituellen Monade, deren Heim das Sonnensystem ist, als eine charakteristische Individualität länger als das svabhāvische Element unseres sich verkörpernden Egos, das der Planetenkette angehört. Jedoch alle diese Svabhāvas, angefangen von dem galaktischen bis herab zu dem mehr zeitweiligen Svabhāva der astralen Monade eines einzigen irdischen Menschenlebens, evolvieren und verändern sich daher zu inneren und größeren kosmischen Lebensbereichen.

Der Mensch ist daher ein kompliziertes Gewebe von Svabhāvas. Jeder von uns besitzt seine eigene besondere Svabhāva-Zusammensetzung. Ich möchte hier hinzufügen, dass es außerordentlich gefährlich wäre – wenn jemand die Macht hätte –, seinen eigenen essenziellen Svabhāva oder den eines anderen herauszufinden, und versuchte, dies zu tun. Denn wenn er unbeständig oder moralisch schwach wäre und doch ausreichend Kenntnis hätte, um den Svabhāva oder den Grundton des Charakters einer anderen Person genau zu kennen, so wäre es für ihn ein leichtes, den anderen seinem Willen und seinen Gedanken zu unterwerfen und ihn auf diese Weise auf den Status eines bereitwilligen oder unfreiwilligen Automaten oder einer Marionette herab­zuwürdigen.

Darüber hinaus werden die monadischen Svabhāvas in unserer Konsti­tution auch durch die verschiedenen kosmischen Tattva verändert, in und aus denen sie der Reihe nach im Laufe eines solaren oder planeta­rischen Manvantara geboren werden. Ein Individuum kann daher gleichzeitig eine seiner Monaden von ākāśischer Art in seinem Svabhāva haben, während eine andere seiner Monaden entweder ein Taijasa (feuriger) oder ein Vāyava (luftiger) Typ sein kann; und andere Monaden mögen noch unterschied­lichere tattwische Charakteristika aufweisen. Unsere zukünftige Bestimmung ist es, auf allen Ebenen unserer Konstitution, in allen unseren svabhāvischen Tattva selbstbewusst bewusst zu werden, weil wir der Mikrokosmos des uns umgebenden Makrokosmos sind. Wenn wir einen solchen Zustand des vollkommenen Erwachens erreichen, werden wir voll selbstbewusste Götter und in der Tat Stille Wächter oder kosmische Hierarchen – auf einer höheren oder niedrigeren Ebene des uns umgebenden Universums – entsprechend unserer Bestimmung sein.

Dies ist wirklich eine wunderbare Lehre, denn sie zeigt uns die Art und Weise, in der unsere ganze Konstitution mit dem Gewebe des Universums verwoben ist. Anders ausgedrückt, ein Mensch ist etwas Ähnliches wie ein tönendes Brett, das gleich Apollos Lyra mit sieben Saiten bespannt ist, über die die Winde der Ewigkeit streichen; und die vereinigten Töne dieser Saiten erzeugen in ihm eine kosmische Symphonie – jeder von uns ist eine lebende mystische Lyra, die in Einklang mit der Musik der Sphären schwingt.

Ton, Farbe und Zahl

Im Kosmos sind die Abstufungen und die Wechselbeziehungen von Farben und Tönen und daher von Zahlen unbegrenzt. Dies wird sogar in der Physik angenommen, denn es wurde festgestellt, dass es niedrigere Schwingungen gibt als die von Rot, die niedrigsten für uns wahrnehmbaren, und weit höhere Schwingungen als die von Violett, die höchsten, die unsere Sinne noch wahrnehmen können. Auf Erden, in unserer physischen Welt, ist der Bereich der wahrnehmbaren Schwingungen begrenzt. Unsere physischen Sinne können Schwingungen oberhalb und unterhalb der siebenfachen und begrenzten Stufen der Regenbogenfarben nicht wahrnehmen, denn diese Schwingungen können in uns die Sinnesempfindungen von Farbe oder Ton nicht hervorbringen. Es wird stets die abgestufte Siebenergruppe sein und nicht mehr, es sei denn, wir lernen, unsere Vierergruppe aufzulösen und die höheren und niederen Schwingungen mit unseren in der oberen Triade gelegenen spirituellen Sinnen wahrzunehmen.

HPBs E. S. Instructions, 11

Eine der grundlegenden Lehren der esoterischen Philosophie besagt, dass jeder Ton seine innere svabhāvische Farbe besitzt, und umgekehrt, dass jede Farbe ihren inneren svabhāvischen Ton besitzt; und als Schlussfolgerung, dass, da Ton und Farbe Ausdrücke von Schwingungsgraden sind, kein Ton und keine Farbe ohne Zahl sein können. Jede Schwingungsfrequenz enthält genauso viele Schwingungseinheiten in der Sekunde, dass man auch von einer Zahl sprechen kann.

Von diesem Standpunkt aus schließen wir, wenn wir von Ton sprechen, gleichzeitig Farbe und Zahl ein; oder, wenn wir von Farbe sprechen, schließen wir Ton und die Schwingungszahl ein, die sie kennzeichnet. Ebenso könnten wir, wenn wir von Zahl sprechen, die Farbe sehen und den Ton entsprechend der Zahl oder Schwingungsfrequenz hören, besäßen wir die Augen, sie zu sehen, und die Ohren, ihn zu hören. Dies meinte Pythagoras, als er von der majestätischen Harmonie der Sphären sprach.

Wie jedes Atom in jedem Objekt der Natur, ob belebt oder unbelebt, seinen eigenen Grundton singt, seinen eigenen Ton erzeugt und seine eigene Farbe und Zahl hat, so ist jeder Mensch, jede Blume, jeder Baum und jeder Himmelskörper sowohl ein Spiel und Wechselspiel von lauten und leisen Tönen, die sich zu einer wunderbaren Symphonie vermischen, als auch eine schöne Mischung aus funkelnden und glänzenden Farben. So ist z. B. das Aurische Ei eines Menschen auf Grund der kontinuierlichen Aktivitäten der prāṇischen Aura nicht nur eine Masse funkelnder Farben, sondern ebenso ein lebendes Instrument, das klingende Harmonien hervorbringt, wenn sich die Emotionen, Gedanken und Empfindungen auf einer höheren Ebene befinden, und einen schrecklichen Missklang, wenn sie durch Hass und andere niedrige Leidenschaften charakterisiert sind.

Seit vielen Jahrzehnten sind die Astronomen von den verschiedenen Farbtönungen vieler Sterne fasziniert. Einige Sterne sind bläulich, andere sind gelblich und wieder andere rötlich. Die wissenschaftliche Vorstellung ist, dass die Farben der Sterne verschiedene Altersstufen in ihrer evolutionären Entwicklung darstellen. Wie dem auch sei, von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet wäre es falsch, zu sagen, dass alle blauen Sterne spiritueller seien als alle roten Sterne, nur weil Rot als die Farbe von Kāma und Blau oder Indigoblau als die Farbe des höheren Manas angesehen wird. Denn es gibt sowohl ein spirituelles als auch ein materielles Rot und sowohl ein spirituelles als auch ein materielles Blau. Tatsächlich gibt es streng okkulte Gründe dafür, dass bei bestimmten Sternen eine rötliche Farbe einen spirituelleren Zustand kennzeichnet als das hellglänzende Blau einiger anderer Sterne. Je größer die Schwingungsintensität von Licht oder einer Strahlung ist, desto niedriger oder materieller ist das Licht in der Skala; und da die Farbe Blau in unserer eigenen Oktave der sichtbaren Strahlung durch eine viel höhere Frequenz erzeugt wird als Rot, ist es offensichtlich, dass Blau einen materielleren Zustand kennzeichnen könnte als die weniger intensive Schwingung von Rot.

HPB stellte fest, dass „die wahre Farbe der Sonne blau ist“,16 weil ihre vitale Aura blau ist. Diese Aura ist die wirkliche Sonne im gleichen Sinne, wie die vitale Aura eines Menschen der wirkliche Mensch ist. Trotzdem ist der wirkliche Mensch, das essenzielle Herz, die spirituelle Quelle seiner lediglich vitalen Aura. Es wäre nicht korrekt, zu sagen, dass die vitale Aura der Sonne die innere Sonne sei; sie ist nur eine der Häute oder Schichten ihres Aurischen Eies und keineswegs eine der innersten. Die blaue Energie, von der gesprochen wurde, ist die vitale Aura der Sonne, die bis zu einem gewissen Grade mit intellektueller und spiritueller Energie vermischt ist und aus der Sonne kontinuierlich und in alle Richtungen herausfließt. Die Sonne verströmt diese blaue Energie dauernd in unschätzbarem Maße.

Andere Sonnen haben andere Farben, die die Ausdrucksformen ihrer komplexen Svabhāvas sind. Könnten wir auch die Töne hören, die die verschiedenen Himmelskörper als ihre natürliche Äußerung erzeugen, so würden wir erkennen, dass jede Sonne, jeder Stern, jeder Planetoid seinen eigenen charakteristischen Grundton besitzt. Unsere Wissenschaftler sind bereits in der Lage, gewisse Sterne zu „hören“, d. h. das von einer speziellen Lichtquelle kommende Licht in Ton umzuwandeln.17 Merkwürdig genug ist es: Wenn die Strahlen des Mondes eine photoelektrische Zelle belichten, die bei diesem Experiment verwendet wird, bringen sie klagende Töne hervor, wie das Läuten großer Glocken. Wenn aber das Licht des hellen Sterns Arcturus funkelt, werden helle, strahlende Töne erzeugt. Wenn wir wüssten, nach welchem System Farben, Töne und Zahlen korrespondieren, könnten wir die Qualitäten einer Sonne oder eines Sterns beurteilen: Zum Beispiel würde Dunkelblau eine intellektuelle Sonne und Gelb eine Buddhi-Sonne kennzeichnen.

Es ist schwierig zu bestimmen, zu welch speziellem Strahl oder zu welcher besonderen Klasse eine bestimmte Sonne aufgrund ihrer Farbe gehören mag, weil unsere Atmosphäre sowohl Farben als auch andere Dinge, die von den Himmelskörpern zu uns gelangen, sehr stark beeinflusst. Die Luftatmosphäre, die unsere Erde umgibt, stellt einen bemerkenswerten Umwandler und bis zu einem gewissen Grade ein Lösungsmittel dar. Unsere Atmosphäre ist sowohl ein Umwandler als auch ein Übermittler. Sie deformiert und verändert sogar das Licht – und deshalb auch den Ton –, die zu uns von den Planeten und Sonnen kommen. Die spektroskopische Beobachtung ist keineswegs so zuverlässig, wie bisher angenommen wurde.

Die verschiedenen Farben des Sonnenspektrums haben alle ihren Ursprung in der Sonne und werden auf unserer Erde in Form von Licht, in Form von Kräften – Kräften in der Sonne – wiedergegeben. Jede Farbe ist der Ausfluss eines bestimmten Svabhāva oder einer individuellen Energie oder eines Sonnenlogos. Die Sonne ist der Träger einer Gottheit; was auch immer aus ihr herausfließt, wurzelt in der Gottheit. Es gibt sieben (oder zwölf) Sonnenkräfte oder Element-Prinzipien und daher sieben (oder zwölf) Svabhāvas, die den großen Svabhāva der Sonne bilden. Aus diesen solaren Individualitäten, Energien, Kräften und kleineren Logoi ergießen sich Ströme von Substanz-Energie, die in dem Licht vereinigt sind, das wir als Tageslicht, als weißes Licht, empfangen. Wenn wir diesen Sonnenstrahl durch ein Prisma schicken, wird er in seine Farbkomponenten gebrochen. Diese sieben Strahlen des Spektrums sind sieben aurische Flüsse der Vitalität aus dem Herzen der Sonne und diese svabhāvischen Energien ergeben zusammen das Licht, wie wir es sehen. Nicht eine der Farben steht in ihrem innersten Wesen höher als eine andere. Aber auf der Ebene der materiellen Existenz und in Anbetracht der Aufgabe, die jede Ausstrahlung aus der Sonne auf dieser materiellen Stufe hat, müssen wir Unterscheidungen machen und sagen, dass Ātman farblos ist, Buddhi gelb, Kāma rot usw. Doch alle sind göttlichen Ursprungs.

Jeder kleinste Teil der Unendlichkeit enthält jedes essenzielle Element, jede Kraft und jeden Svabhāva, den die Unendlichkeit enthält. Ferner leitet jede Unterteilung oder Unterebene ihre sich wiederholende Siebenfältigkeit von dem sie umgebenden Universum ab. Der Mikrokosmos wiederholt einfach nur den Makrokosmos. In diesem Zusammenhang zitieren wir einen etwas längeren Auszug aus den E. S. Instructions von HPB bezüglich des berühmten tibetischen Gebets Oṃ Maṇi Padme Hūṃ:

Lerne die entsprechenden Zahlen des Grundprinzips eines jeden Elements und seiner Subelemente kennen, lerne ihre Wechselwirkung und ihr Verhalten auf der okkulten Seite der sich manifestierenden Natur, und das Gesetz von der Analogie wird dich zur Entdeckung der größten Geheimnisse des makrokosmischen Lebens führen.

Aber um zum Makrokosmos zu kommen, musst du beim Mikrokosmos beginnen: D. h. du musst den MENSCHEN, den Mikrokosmos, studieren … wenn wir ihn aber für einen Augenblick vom Universalen Ganzen trennen oder ihn von einem einzigen Aspekt aus isoliert sehen, getrennt von dem „Himmlischen Menschen“ – dem durch Adam Kadmon oder seinen Äquivalenten in jeder Philosophie symbolisierten Universum –, dann werden wir entweder in der schwarzen Magie landen oder unser Versuch wird unrühmlich fehlschlagen.

Wenn der mystische Satz „Om Mani Padme Hûm richtig verstanden wird und nicht bloß aus den beinahe nichtssagenden Worten „Oh das Juwel im Lotus“ zusammengesetzt wird, enthält er einen Hinweis auf die unauflösbare Verbindung zwischen dem Menschen und dem Universum. Dies kann auf sieben verschiedene Weisen ausgedrückt und auf sieben verschiedene Gedanken- und Handlungsebenen angewandt werden.

Von welchem Aspekt aus wir diesen Satz auch prüfen, er bedeutet: „Ich bin dieses Ich-bin“, „ich bin in dir, und du bist in mir.“ In dieser Verbindung und engen Vereinigung wird der gute und reine Mensch ein Gott.

… In Tibet ist dieser Satz die mächtigste sechssilbige Beschwörung, und es wird behauptet, dass sie von Padmapâni, dem tibetischen Chênrêsi, den Völkern Zentralasiens übermittelt worden sei.

Wer aber ist Padmapâni wirklich? Jeder von uns muss ihn für sich selbst erkennen, wenn er dazu bereit ist. Jeder von uns besitzt in sich das „Juwel im Lotus“, nennen Sie es Padmapâni, Krishna, Buddha, Christus oder welchen Namen Sie auch immer für unser Göttliches Selbst wählen wollen. Die exoterische Geschichte lautet folgendermaßen:

Der erhabene Buddha, oder Amitâbha, sagen sie, schickte zur Stunde der Schöpfung des Menschen einen rosaroten Lichtstrahl aus seinem rechten Auge aus. Der Strahl gab einen Ton von sich, der zu Padmapâni Bôdhisattva wurde. Dann ließ die Gottheit aus ihrem linken Auge einen blauen Lichtstrahl ausströmen, der sich in den zwei Jungfrauen Dôlma inkarnierte und die Macht erlangte, den Geist der Lebewesen zu erleuchten. Amitâbha nannte dann die Kombination, die sogleich ihren Wohnsitz im Menschen aufnahm, „Om Mani Padme Hûm („ich bin das Juwel im Lotus, und in ihm will ich bleiben“). Dann schwor Padmapâni, „der Eine im Lotus“, niemals untätig zu sein, bis er die Menschheit so weit gebracht haben würde, dass sie seine Gegenwart in sich fühlen könnte und sie auf diese Weise von dem Elend der Wiedergeburt errettet sein würde. Er schwor, diese Tat vor dem Ende des Kalpa vollendet zu haben, und fügte hinzu, dass im Falle des Misslingens sein Kopf in tausend Stücke zerspringen solle. Der Kalpa endete, aber die Menschheit fühlte ihn nicht in ihrem kalten, bösen Herzen. Dann zersprang Padmapânis Kopf in tausend Teile. Von Mitleid bewegt, schuf die Gottheit aus den Teilen zehn Köpfe, drei weiße und sieben verschieden­farbige. Von diesem Tag an wurde der Mensch zu einer vollkommenen Zahl oder ZEHN

Aus Amitâbhaohne Farbe oder der weiße Glanz – sind die sieben verschiedenen Farben des Prismas geboren worden. Jede von ihnen sendet einen entsprechenden Ton aus und zusammen bilden sie die sieben Töne der Tonleiter. Wie sich die Geometrie unter den mathematischen Wissenschaften besonders auf die Architektur und auch – wenn man zu Universen übergeht – auf die Kosmo­gonie bezieht, so symbolisieren die zehn Jods der pythagoräischen Tetrade (oder Tetraktys) den Makrokosmos, und der Mikrokosmos oder der Mensch, sein Abbild, musste auch in zehn Punkte unterteilt werden.

– I

Genug ist gesagt worden, um klarzustellen, dass die Anrufung Om Mani Padme Hûm esoterisch „Oh, mein Gott in mir“ bedeutet, während die Orien­talisten und profanen Massen einfach mit „Oh, das Juwel im Lotus“ übersetzen. Ja, es gibt einen Gott in jedem Menschen, denn der Mensch war und wird wieder ein Gott werden. Die Anrufung weist auf die unlösliche Einheit zwischen dem Menschen und dem Universum hin, denn der Lotus ist das universale Symbol für den Kosmos als die absolute Gesamtheit und das Juwel ist der spirituelle Mensch oder Gott.

II

HPB hat die erhabene Tatsache ausgezeichnet zum Ausdruck gebracht, dass unser innerer Gott nicht nur unser höchstes Bindeglied zu dem spirituell-göttlichen Universum ist, sondern auch die Quelle, aus der all das in uns einströmt, was die menschliche Existenz veredelt und reinigt. Je mehr wir mit diesem „Juwel“, der Gottheit im Herzen unseres Wesens eins werden, desto schneller entfalten wir in immer größerem Ausmaß die Größe, die in uns liegt.11

Architekten und Bauleute

In jeder Kosmogonie steht hinter der schöpferischen Gottheit und über ihr eine höhere Gottheit, ein Planer, ein Baumeister, dessen Schöpfer lediglich ein ausführender Agent ist. Und noch höher, darüber und rundherum, innen und außen, ist das Unerkennbare und das Unbekannte, die Quelle und Ursache all dieser Emanationen.

Die Geheimlehre, Bd. II, S. 47

Jede Form, so sagt man uns, ist in Übereinstimmung mit dem Modell gebaut worden, das für sie in der Ewigkeit entworfen und im GÖTTLICHEN GEDANKEN reflektiert wurde. Es gibt Hierarchien von „Bauleuten der Form“ und Reihen von Formen und Stufen, von der höchsten bis zur niedrigsten.

Transactions of the Blavatsky Lodge, S. 98

Die Natur ist eine gewaltige, lebende, beseelte organische Wesenheit, ein kosmisches Wesen – selbst, wenn wir das Wort Natur auf einen besonderen Bereich des Grenzenlosen, wie unsere Erde oder unser Sonnensystem, begrenzen. In jeder organischen Wesenheit ist jedes Atom mit jedem anderen Atom verbunden und ist nicht nur ein Individuum für sich, sondern auch ein integraler Bestandteil der Natur, in deren Sphären es sein Dasein hat. Alle diese „Atome“, ob eine Sonne oder eines der unzählbaren Scharen von Lebensatomen, leiten sich von der Mutter-Substanz der umgebenden Natur ab. Dies trifft für alle Ebenen von der super-spirituellen bis herab zur physischen zu. Alles ist mit allem verbunden und alles arbeitet mit allen anderen Dingen oder Wesen zusammen: genauso wie der menschliche Körper seine verschiedenen Aggregate von Atomen und Zellen besitzt, die zu Organen zusammengefasst sind, wobei jedes Organ seinen eigenen Zweck und seine eigene Funktion im Gesamtorganismus erfüllt. Auf ähnliche Weise sind die Nebel, Sonnen und Planeten und die auf den Planeten wohnenden Wesen die verschiedenen Organe einer größeren kosmischen Wesenheit. Doch der weitaus größte Teil solch eines kosmischen Organismus sind dessen unsichtbare und höhere Welten und Ebenen. Unsere physische Ebene ist lediglich der dichteste Körper, der aus dem Inneren beseelt und geführt wird.

Jedes einheitliche Wesen in der Natur, wie z. B. eine Sonne oder ein Planet, ist folglich eine verkörperte Wesenheit, göttlich in ihren höchsten Teilen, spirituell in dem der Gottheit untergeordneten Teil, und sie besitzt auch intellektuelle Essenz oder Geist. Alle diese Teile manifestieren sich durch die niedrigeren Umhüllungen, den physischen Körper eingeschlossen. Deshalb ist jeder Stern der Ausdruck einer Gottheit; denn das Universum ist verkörpertes Bewusstsein, das in den unzähligen und verschiedenartigsten riesigen Hierarchien existiert, von denen jede ihren eigenen Svabhāva besitzt.

Geist am einen Pol, dem höheren oder negativen, und Materie am anderen Pol, dem niedrigeren oder positiven; und doch sind beide im Grunde eine Einheit. Materie ist nichts anderes als die Verdichtung von Geist, und deshalb ist sie Geist, der lebt und wirkt und „schläft“ in der Form des Geistes.

Das manifestierte Universum, das als von der Evolution geprägtes Anhängsel am Form- und Namenlosen hängt, wird von unserem menschlichen Verstand in zwei sich gegenseitig durchdringende und ineinander greifende „Teile“ unterteilt – die Lichtseite, die spirituelle oder göttliche Seite der Natur, und die Nachtseite, die materielle oder Trägerseite. Die Lichtseite können wir, wenn auch mit großer Unzulänglichkeit, jene Teile des mani­festierten Universums nennen, die von den Hierarchien des Mitleids und der Weisheit bewohnt werden und die sie auch formen und sind. Die materielle Seite ist sowohl mit den vielen Hierarchien der kosmischen Bauleute, der Maurer der Welt, verbunden als auch von ihnen aufgebaut worden. Die mystischen Griechen beziehen sich auf sie als die Kosmokratoren, ein Wort, das mit Weltherrscher und Welterschaffer übersetzt werden kann.

Geradeso wie wir in unserem Bauwesen Architekten und Bauarbeiter haben, so kann die universale Natur in zwei ähnliche allgemeine Klassen von kosmischen Wesen eingeteilt werden. Natürlich müssen wir, wenn wir streng logisch sein wollen, die Architekten des Universums auch als Bauleute ansehen. Und doch besteht hier derselbe bedeutende und natürliche Unterschied zwischen ihnen wie in der menschlichen Konstitution zwischen der ideen­bildenden und leitenden menschlichen Intelligenz und den Scharen niedri­gerer Monaden und Lebensatome, durch die der leitende und architektonische Verstand des Menschen wirkt.

Die Bauleute des Universums sind selbst in einem gewissen Sinne Architekten von kleinerer Art, denn jeder ist eine evolvierende Wesenheit und wird in kosmischer Zeit ein Architekt werden. Es ist in der Tat unmöglich, eine Trennungslinie zwischen den zwei Hauptklassen zu ziehen. Wir können dies nur tun, indem wir die evolutionäre zukünftige Bestimmung der Bauleute aus unserer Betrachtung ausschließen und auf das Universum so sehen, wie es gerade in diesem Augenblick ist. Was jetzt die kosmischen Architekten sind, waren in früheren Zeiten kosmische Bauleute – geradeso wie jene, die jetzt die kosmischen Bauleute sind, in zukünftigen Zeiten kosmische Architekten werden. Die Plätze, die dann auf der Trägerseite des Universums von ihnen frei gemacht werden, werden von anderen Wesenheiten eingenommen, die jetzt tiefer als die Bauleute stehen – von den zahllosen Scharen von Monaden, die die evolutionären Stufen der Teile der kosmischen Struktur durchlaufen, die für uns die niedrigsten sind, also der Mineral- und Elementalreiche.

Wir haben somit ein Bild des Universums, das wir mit den Worten des großen griechischen Philosophen Heraklit als eine kosmische Wesenheit beschreiben können, die sich ununterbrochen im Fluss befindet. „Alles fließt“ vorwärts und weiter zu höheren Stufen in der Evolution, und die Plätze jener, die vorangeschritten sind, werden unmittelbar von niedrigeren Wesenheiten eingenommen, die hinter ihnen herwandern. Wenn wir also von den Göttern im Universum sprechen, beziehen wir uns nicht auf bestimmte Wesen, die seit Ewigkeit Götter gewesen waren und in der Zukunft für immer und ewig Götter sein werden, sondern wir meinen jene voll selbstbewussten und in der Ideenbildung aktiven Wesen, die die Hierarchien des Lichts bilden. Götter existieren in fast unendlich verschiedenen Graden auf der evolutionären Lebensleiter, sodass sich die niedrigsten Ordnungen der Götter unmerklich mit den höchsten Ordnungen der Bauleute auf der materiellen Seite des Universums vermischen. Wir sehen aber auch, dass die höchsten Ordnungen der kosmischen Bauleute selbst Göttern gleichen, und sie sind es auch in Bezug auf die niedrigeren Ordnungen der Bauleute.

Der wichtigste Punkt ist hier, dass die Architekten das Bewusstsein des Universums repräsentieren und die Bauleute die etherischen Bereiche und die Materie oder die Substanzen des Universums. Beide Klassen, die kosmischen Bewusstheiten und die Scharen von Wesenheiten, welche die materielle Seite der Natur bilden, sind kosmische Monaden. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen ihnen ist der, dass die Monaden, die jetzt den Zustand der Architekten erreicht haben, weit mehr evolviert sind als die anderen Monaden, die bis jetzt nur Wesenheiten sind, die zu der Substanzseite des Daseins gehören. Letztere erstrecken sich über die ganze Skala, angefangen von den höchsten Bauleuten bis hinab zu den Lebensatomen, Elementalen und sogar gewöhnlichen Atomen.

Das gesamte Universum wird von Scharen zahlloser Monaden aufgebaut und geformt, und es ist daher auch die Monaden, und jede Monade ist ein Bewusstseinspunkt. Wir wollen in parallelen Spalten zwei Triaden aufstellen, die HPB in Die Geheimlehre18 bespricht:

 CHAOS   GÖTTER
 THEOS  MONADEN
 KOSMOS   ATOME

Wir sehen, dass jedes Glied der einen Triade seinem Äquivalent in der anderen Triade entspricht und mit ihm verbunden ist. Um dies zu verdeutlichen: Die Götter finden ihre Sphären der Aktivität in dem, was die Griechen Chaos nannten. Die Götter entsprechen dabei nicht so sehr Wesen wie den gött­lichen Jīvanmuktas, Bewusstheiten, die so befreit sind und so weit reichen, dass man sie im abstrakten Sinne räumlich nennen kann; der Raum, der Behälter, ist der Geburtsort jener Wesen, die lebende, bewusste Verkörperungen höherer Kräfte sind. Das Wort Chaos wurde gewählt, weil es auf bewusste Intelligenz unter höherer Führung hinweist. Ähnlich finden die Monaden ihre Wohnorte in jenen anderen Feldern des Raumes und des Bewusstseins, die unter dem einen Wort Theos zusammengefasst werden, während die Atome ihre Lebensbereiche im Kosmos oder in der Struktur des manifestierten Universums finden.

Wenn wir die Triaden einzeln betrachten, so können wir sagen, dass die Götter durch Monaden wirken, und die Monaden, die in sich die Götter tragen, wirken durch Atome. Entsprechend wirkt das esoterische Chaos in und durch das göttliche Balkenwerk des manifestierten Universums, genannt Theos, das seinerseits das unergründliche Chaos in sich tragend das manifestierte Universum oder den Kosmos hervorbringt. Auf diese Weise wirkt auf der materiellen Seite der Natur Chaos (die Mūla-Prakṛiti oder das Pradhāna) in und durch die Hierarchien der Bauleute, die zusammengefasst Theos darstellen. Diese beiden verbinden sich, um den gewaltigen kosmischen Naturtrieb mit dem evolvierenden Leben hervorzurufen, das sich aus unzähligen Monaden in ihrem gegenwärtigen niedrigen evolutionären Entwicklungs­zustand zusammensetzt.

Wenn wir jetzt versuchen, diese zwei Triaden zu vereinigen und dieses vereinigte Bild analog auf die menschliche Konstitution anzuwenden, dann werden wir sehen, dass der höchste Teil, die göttliche Monade, unser innerer Gott ist, der sich in seinem Bewusstseinsschleier – dem mystischen Chaos oder Pradhāna der menschlichen Konstitution – und durch ihn offenbart. Gleicherweise drückt sich unser innerer Gott in den aus ihm strahlenden monadischen Funken und durch sie aus. Diese Funken oder Strahlen sind unsere verschiedenen Monaden, die durch ihre eigene spirituelle Umhüllung wirken und den gesamten Theos unserer Konstitution schaffen. Nochmals, unsere Lebensatome wirken auf allen verschiedenen Ebenen in und durch ihre entsprechenden Schleier, die niedrigen und weniger evolvierten Atome, die den Kosmos der menschlichen Konstitution hervorbringen.

Wir haben also den inneren Gott, der durch die Monaden wirkt, die ihrerseits durch die Lebensatome wirken. Sie bilden gemeinsam sozusagen einen vertikalen Strom von Bewusstheiten im Menschen, während gleichzeitig jeder dieser drei Aspekte durch seine eigene Umhüllung wirkt, um die horizontale Evolutionslinie der menschlichen Konstitution zu bilden. Folglich durchkreuzt der vertikale Bewusstseinsstrom den horizontalen und niedrigeren Bewusstseinsstrom, wodurch das mystische Kreuz, von dem Platon mit Vorsicht sprach, geschaffen wird. Dies ist die symbolische Bedeutung des Kreuzes in der christlichen Theologie: Der Christos oder das spirituelle Ego des Menschen ist „gekreuzigt“ in den materiellen Bereichen der mensch­lichen Konstitution.

Analog dazu besitzt jedes Universum seinen inneren Gott oder höchsten Hierarchen, der durch seine zahllosen, von ihm ausstrahlenden monadischen Funken wirkt. Diese wirken ihrerseits durch ihre eigenen Strahlen oder Funken, die Lebensatome. Hier haben wir den vertikalen Bewusstseinsstrom im kosmischen Maßstab. In gleicher Weise lässt sich die horizontale Evolutions­linie im inneren Gott unseres Universums finden, der durch sein Pradhāna oder seine prakritische Essenz wirkt, während seine Strahlen oder Monaden durch die Bauleute des Universums auf allen seinen verschiedenen Ebenen wirken. Und diese kosmischen Monaden wirken wieder durch die Elementale oder kosmischen Lebensatome, die ihre sekundäre oder horizontale Evolu­tionslinie in den niedrigeren atomaren Wesenheiten finden, die in ihrer ungeheuren Zusammenballung den Kosmos erzeugen.

Der Mensch ist ein Mikrokosmos des Makrokosmos, und weil er ein integraler und untrennbarer Teil des Universums ist, haben wir einen unfehlbaren Schlüssel, mit dem wir die höchst tiefgründigen Geheimnisse von Raum und Zeit enthüllen können. Diese Regel kann natürlich auch in umgekehrter Richtung angewandt werden: Sobald wir die Natur, die Besonderheiten und die Struktur des Universums verstehen, haben wir den kosmischen Hauptschlüssel, mit dem wir alle Mysterien im Menschen enthüllen können.

Unser innerer Gott ist der Architekt der Konstruktion der mensch­lichen Träger, durch die er sich offenbart. Geradeso wie unser Geist eine Idee hervorbringt, einen Plan entwickelt, ein Bild macht und dann den Willen benützt, um ihn in bestimmten materiellen Werken, wie z. B. einem Gebäude, zu verkörpern, geradeso verhalten sich die Lebenskräfte. Die Willenskraft und die spirituellen und intellektuellen Energien der drei höheren Klassen durchdringen und stimulieren die vier niederen Klassen und veranlassen sie zu wirken. Automatisch und instinktiv beginnen die Letzteren ihre Aktivitäten entsprechend dem kosmischen Gesamtplan. Woher kommt es zum Beispiel, dass die Ameise oder die Biene ihrem eigenen Plan folgt, um so symmetrisch zu bauen? Was sind diese wunderbaren Instinkte in den niederen Kreaturen? Sie entspringen zweifellos dem Inneren der Kreatur; aber was ist diese wunderbare Intelligenz, die den Instinkt selbst zu führen scheint? Es ist der leitende Gedanke des spirituellen Planers im Gegensatz zu der Aktivität des vitalen Baumeisters.

Wir wollen nun eine Beziehung schaffen zwischen diesen zwei Grundhierarchien der Architekten und der Bauleute zu den sieben Klassen der Monaden (wobei wir für den Augenblick die höheren fünf Klassen außer acht lassen), die den Menschen erschaffen und ihn vervollständigen. Diese sieben bestehen aus zwei Arten von Monaden: Die niederen vier sind die Bauleute, die Maurer, die Arbeiter; die drei höheren Klassen sind die Architekten und Planer, die Entwickler der Idee, der die Bauleute folgen. Diese zwei Arten von Monaden, die im Menschen wirken, bilden die zwei Hauptteile seiner Konstitution: Die drei höchsten von den sieben liefern ihm seine spirituellen und intellektuellen Prinzipien; während die psychischen, vitalen, astralen und physischen Teile von den vier körperlichen Klassen der Pitṛis, den eigent­lichen Vorfahren dieser niederen Prinzipien zu ihm kommen.

Die drei höheren sind die spirituellen und intellektuellen Klassen, die göttlichen Architekten, die Entwickler der Ideen, während die vier niederen Klassen unter dem allgemeinen Namen der lunaren Pitṛis oder Väter in den mehr materiellen Existenzbereichen wirken und automatisch den Lebens­plänen folgen, die die spirituellen Klassen ihnen in vitalen Wogen auferlegt haben.

Bei der Geburt einer Planetenkette werden die verschiedenen Globen von diesen Welterbauern aufgebaut, die ihre spirituelle und intellektuelle Entwicklung in dem vorhergehenden Ketten-Manvantara erreicht haben. Von einem anderen Aspekt aus bestehen diese Welterbauer aus zwei Hauptklassen: erstens aus den inneren Göttern, die, kollektiv betrachtet, eine Schar von zehn Klassen von Monaden darstellen, die eine Planetenkette aufbauen; zweitens aus den spirituellen Einflüssen, die zu dieser im Aufbau begriffenen Planetenkette von den anderen Planeten und von der Sonne kommen.

Wir wiederholen: Höher als die Welterbauer stehen jene, die die Alten die Architekten nannten, also diejenigen, die die zukünftigen Dinge entwerfen. Dabei setzen sie Gedanken ein, die die spirituellen elementalen Energien, die Arbeiter, sind. Und diese Gedanken sind die Hierarchien der niederen Gottheiten, wie die Halbgötter, Menschen, Tiere, das Pflanzenreich, das Mineralreich usw.

Bei der Erschaffung einer Planetenkette zum Beispiel stellen die Dhyāni-Chohans die Werkstätten aus sich selbst her, sie sind das Produkt ihres eigenen Wesens; genauso wie ein Mensch, der in seinem physischen Körper lebt, größten­teils das Produkt oder der Ausfluss der inneren Energien und Substanzen ist. Es ist die innere astrale Wesenheit der menschlichen Konstitution, die den physischen Körper ausfüllt, und diese astrale Wesenheit ist letztlich der Ausfluss des spirituellen Körpers des Dhyāni-Chohans und setzt sich aus den Strömen der Lebensatome zusammen. Die Substanzen und Energien, die aus dem Innern fließen, bauen die Welten auf.

Es gibt viele Klassen dieser Welterbauer. Es gibt auch viele Klassen von Weltarchitekten. Und über den Architekten befinden sich andere, noch weiter evolvierte Wesenheiten, die die unerschöpflichen Energien, Kräfte und Fähigkeiten des inneren Gottes noch voller zum Ausdruck bringen.

Der Raum ist grenzenlos. Die Dauer hat weder Anfang noch Ende. Zeit ist nur ein Fantasiegebilde der menschlichen Imagination auf dem Hintergrund der ewigen Dauer. Und in endloser Zeit und durch endlosen Raum – inneren und äußeren – zieht die ungeheure Prozession der Welten und Götter, Halbgötter, Menschen, Tiere etc. vorüber. Immer in Bewegung, mit gelegentlichen Unterbrechungen; wenn Teile aus der Prozession für eine Ruhepause ausfallen und wenn die Ruheperiode beendet ist, nehmen sie ihren Platz in der Prozession wieder ein, aber am Ende.

Die spirituelle Seite der Natur setzt sich aus den Hierarchien des Lichts und des Mitleids zusammen. Diese Hierarchien sind Monaden, die durch Evolution mehr und mehr latente Kräfte, Fähigkeiten und Attribute zum Ausdruck gebracht haben, sodass sie die gegenwärtigen selbstbewussten Architekten oder wahren Götter des Universums geworden sind; all die zahllosen Scharen, die die materielle Seite, die Trägerseite oder die Klasse der Bauleute bilden, sind dagegen Monaden, die weniger erwacht sind als die allgemeine Klasse der Götter oder Architekten. Vergleichsweise wird von den Monaden, die die materielle Seite des Universums bilden, gesagt, dass sie „schlafen“. Dieses Wort umfasst jedoch Bewusstseinsbereiche von den höchsten Bauleuten, die beinahe Architekten sind, durch alle Grade herab bis zu den spirituell relativ vollständig schlafenden Lebensatomen und Atomen des Universums.

Dies ist ein Beispiel für die Goldene Kette des Hermes, die von dem erhabensten Architekten des Universums, dem kosmischen Hierarchen, ausgeht und als eine vitale Flamme durch alle niedrigeren Wesenheiten hinab die niedersten Bereiche eines hierarchischen Systems erreicht. Ein kosmischer Plan, ein kosmisches Leben, eine kosmische Führung, ein kosmisches Gesetz.

Die Lipikas

Wer sind die so geheimnisvollen Agenten Karmas oder die okkulten Kräfte in der Natur, die HPB mit dem Sanskrit-Wort Lipikas19 bezeichnete?

Lassen Sie mich zu Beginn einige Auszüge aus ihren Schriften zitieren. Der erste stammt aus Die Geheimlehre:

Es gibt drei Hauptgruppen der Bauleute und ebenso viele der Planetengeister und der Lipika, und jede Gruppe teilt sich wieder in sieben Untergruppen. … Die „Bauleute“ sind die Repräsentanten der ersten „aus der Seele geborenen“ Wesenheiten, daher der ursprünglichen Rishi-Prajapati; auch der sieben großen Götter Ägyptens, deren Haupt Osiris ist; der sieben Amshaspends der Zoroastrier, mit Ormazd an ihrer Spitze; der „sieben Geister des Angesichts“; der sieben von der ersten Dreiheit getrennten Sephirot, etc. …

Die Lipika … sind die Geister des Universums, während die Bauleute nur unsere eigenen planetarischen Gottheiten sind. Die ersten gehören dem okkultesten Teil der Kosmogenesis an, der hier nicht mitgeteilt werden kann. Ob die Adepten (selbst die höchsten) diese Engelschar vollständig in ihrer dreifachen Abstufung kennen oder nur die unterste, die mit den Aufzeichnungen unserer Welt zusammenhängt, ist die Schreiberin nicht vor­bereitet zu sagen, doch möchte sie sich eher der letzteren Ansicht zuneigen. Von ihrem höchsten Grade wird nur ein Ding gelehrt: Die Lipika stehen in Verbindung mit Karma – sie sind dessen direkte Aufzeichner. …

Die esoterische Bedeutung des ersten Satzes der Stanze ist die, dass die so­genannten Lipika, die Schreiber des karmischen Hauptbuchs, eine unpassierbare Schranke zwischen dem persönlichen Ego und dem unpersönlichen Selbst, dem Noumenon und der Elter-Quelle des Ersteren, errichten. Daher die Allegorie. Sie umschreibt die manifestierte, materielle Welt innerhalb des Rings „Überschreite-mich-nicht“. Diese Welt ist das Symbol (objektiv) des Einen, das auf den Ebenen der Illusion in die Vielen geteilt ist, von Adi (dem „Ersten“) oder Eka (dem „Einen“); und dieses Eine ist das kollektive Aggregat oder die Gesamtheit der Hauptschöpfer oder Archi­tekten dieses sichtbaren Universums.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 132–3

Der zweite Auszug stammt aus den Transactions of the Blavatsky Lodge:

Die Lipika gehen aus Mahat hervor und werden in der Kabbala die vier aufzeichnenden Engel genannt; in Indien: die vier Maharadschas, die jeden Gedanken und jede Tat des Menschen aufzeichnen; sie werden auch von Johannes in der Offenbarung, dem Buch des Lebens, genannt. Sie sind direkt mit Karma verbunden und mit dem, was die Christen das Jüngste Gericht nennen; im Osten wurde dies der Tag nach Mahamanvantara oder der „Tag-sei-mit-uns“ genannt. Dann wird alles eins, alle Einzelwesen gehen in eins auf, doch kennt jedes sich selbst, eine geheimnisvolle Lehre in der Tat. Aber dann wird das, was für uns jetzt Nichtbewusstsein oder das Unbewusste ist, absolutes Bewusstsein sein.

Frage: Welche Verbindung besteht zwischen den Lipika und Mahat?

Antwort: Sie sind eine Unterteilung, vier entstammen einer Siebenergruppe, die aus Mahat emaniert. Mahat entspricht dem Feuer des Simon Magus, der geheimen und manifestierten göttlichen Ideenbildung, die in diesem objektiven Universum durch die intelligenten Formen Zeugnis von sich selbst ablegt, die wir um uns herum sehen, in dem also, was die Schöpfung genannt wird. Wie alle anderen Emanationen sind sie „Räder innerhalb von Rädern“. Die Lipika stehen auf der Ebene, die der höchsten Ebene unserer Globenkette entspricht.

– S. 1123

Als HPB andeutete, dass die Lipikas „die Geister des Universums“ sind, teilte sie uns gleichzeitig mit, dass sie eine Hierarchie darstellen, die siebenfach oder sogar zwölffach unterteilt ist und zu der höchsten kosmischen Ebene eines Universums gehört. Sie sind nicht nur vier, wie man aus einer oder zwei ihrer Bemerkungen vermuten könnte, die besagen, dass die Lipikas an den vier Himmelsrichtungen stehen. In Wirklichkeit gibt es Armeen von Lipikas. Die vier Himmelsrichtungen beziehen sich auf die polaren Magnetismen eines Globus, einer Kette oder eines Sonnensystems, die sich kreuzen und dabei den mystischen Norden, Süden, Osten und Westen erzeugen. Dies rührt von der Konzentration der Energiebrennpunkte in diesen Himmelsrichtungen her.

Jedes Universum hat seine eigene Hierarchie von Lipikas, die in ihrer Natur und in ihren Funktionen von den niedrigeren Hierarchien der demiurgischen oder weltenformenden Wesen, den Bauleuten, streng unterschieden werden muss. Tatsächlich können wir von den Lipikas als der höchsten Gruppe der Architekten sprechen; und einer der Gründe, warum sie die Agenten von Karma genannt werden, ist der, dass sie unter dem Impuls dieses universalen und geheimnisvollen Gesetzes arbeiten und den architektonischen oder karmischen Plan der Struktur eines Universums festlegen, wenn dieses Universum aus seinem Mahā-Pralaya herauskommt. Sobald die Lipikas den Plan entworfen und ihn durch kosmische Ideenbildung den niedrigeren Hierarchien der Bauleute eingeprägt haben, setzen diese dann ihre Arbeit der Welterschaffung unmittelbar fort.

Das Wesentliche hierbei ist, dass, gerade weil die Lipikas die Agenten von Karma sind und die höchste Gruppe der kosmischen Architekten bilden, sie auch die erhabenen Intelligenzen sind, welche die kosmische Ideenbildung beinahe automatisch allem „unterhalb“ von ihnen einprägen. Deshalb ist es klar, dass sowohl kosmische Ideenbildung als auch ihre eigenen Charakteristika der typische Ausdruck der karmischen Geschichte und der Hintergrund eines solchen Universums sind. Deshalb sind die Lipikas, die „Aufzeichner des Karmischen Hauptbuches“, die kosmischen Agenten, die für die Begrenzung der manifestierten Welten mit dem jeweiligen „Ring-überschreite-mich-nicht“ verantwortlich sind. Dieser „Ring-überschreite-mich-nicht“ ist nur die karmische Grenzlinie, die die verschiedenen Aktionssphären der kleineren Hierarchien und ihrer mit inbegriffenen Individuen festlegt und einschränkt.

Die Lipikas, die als die Mächtigsten in ihrem eigenen Universum angesehen werden, erfüllen ihr Universum mit ihrer gemeinsamen Intelligenz und Lebenskraft, sodass alle Wesenheiten darin ständig von ihrer Essenz durchdrungen werden. Konsequenterweise wird alles, was sich in solch einem Universum ereignet, sofort und für immer von der vitalen Essenz oder dem Fluidum der Lipikas „aufgezeichnet“ oder diesen eingeprägt. Aufgrund dieser Tatsache nennt man sie die Aufzeichner. Sie reagieren auf jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Tat all der unzähligen Scharen von Wesen, die in ihnen enthalten sind; und deshalb ist in der Essenz der Lipikas alles, was in den ihrem Herrschaftsbereich untergeordneten Hierarchien geschieht, unauslöschlich eingegraben. Die Lipikas schließen diese Hierarchien in ihre allumfassende, vital-intelligente Essenz oder Substanz ein. Dies wird durch das Astrallicht unserer Erde, manchmal die astrale Bildergalerie genannt, veranschaulicht. Da das Astrallicht das Liṇga-Śarīra der Erde ist, ist es genauso wie jedes andere Prinzip oder Element unserer Erde, vollständig in der vitalen Essenz und dem intelligenten Fluidum der Lipikas enthalten.

Wenn das Mahā-Manvantara eines Universums sich seinem Ende zuneigt, und die Welt nach und nach in die höheren kosmischen Ebenen eingezogen wird, dann kommt die Zeit für den Beginn des Mahā-Pralaya, wenn alle untergeordneten Wesen und Dinge eins mit den höchsten Hierarchien des Universums in und auf seiner höchsten kosmischen Ebene geworden sein werden. Mit anderen Worten, alle Wesenheiten werden eins mit den Lipikas geworden sein, d. h. sie sind in ihre Essenz oder Substanz eingezogen worden. Diese Vollendung der karmischen Bestimmung wird manchmal der „Tag-sei-mit-uns“ genannt, wenn „alles eins wird, alle Individuen in eins aufgehen, doch jedes sich selbst kennt“.

In Bezug auf ein kleineres Universum, wie etwa unsere Planetenkette, sagt HPB: „Die Lipikas befinden sich auf der Ebene, die der höchsten Ebene unserer Globenkette entspricht.“ Die Lipikas eröffnen ein Manvantara und beenden es. Sie sind die ersten, die erscheinen, und die letzten, die verschwinden, weil das Universum zu Beginn jeder Tätigkeitsperiode entfaltet und am Ende wieder eingezogen wird. Sie sind die Agenten Karmas, weil sie alle kosmischen Samen bis zum nächsten, sich eröffnenden Manvantara oder Mahā-Manvantara in sich tragen. Und nachdem sie das ganze Karma eines Universums so in sich aufgezeichnet haben, beginnen sie es pari passu mit den evolvierenden Ebenen und Hierarchien dieses Universums wieder zu emanieren, wenn dessen neues Mahā-Manvantara beginnt.

Wir können die große Hierarchie der Lipikas als aus sieben (oder zehn oder zwölf) Graden oder kleineren Hierarchien zusammengesetzt betrachten. Die drei höchsten von ihnen wirken besonders auf den drei höchsten kosmischen Ebenen – oder auf den drei höchsten Ebenen eines kleineren Universums, wie einer Planetenkette oder sogar eines Globus – während die restlichen vier untergeordneten Grade der Lipikas besondere Funktionen auf den vier niederen kosmischen Ebenen haben. Da wir auf Globus D auf der untersten kosmischen Ebene sind, sind es die vier niederen, kleineren Hierarchien der Lipikas, die besonders auf uns einwirken und das Karma unserer vier niederen Ebenen aufzeichnen. Aus diesem Grund sagt man, dass exoterisch die Lipikas nur vier an der Zahl seien – wobei eine okkulte Wahrheit unter einem Schleier oder einer Maske ausgesprochen wird. In Wirklichkeit sind diese „vier“ Lipikas einzeln betrachtet die vier niederen Untergrade oder kleineren Hierarchien.

Jede kosmische Ebene ist eine analoge Wiederholung aller anderen Ebenen und besonders jener über ihr auf der hierarchischen Leiter. Selbst unsere physische kosmische Ebene hat ihre eigene Schar von Lipikas oder ihre Lipika-Hierarchie, die ihren Ursprung auf der höchsten oder etherischsten Unterebene dieser kosmischen Ebene hat. Es ist die unmittelbare Funktion und Pflicht dieser Lipikas, als die höchsten Architekten, diese physische Ebene aufzubauen, zu überwachen und alles karmisch aufzuzeichnen, was in und auf den verschiedenen Unterabteilungen dieser Ebene passiert.

Gerade diese Lipikas, die eine kosmische Ebene mit ihrer intelligenten vitalen Essenz erfüllen und inspirieren, erzeugen das, was wir die Natur­gesetze nennen. Wir sehen einmal mehr, wie Karma, eines der grundlegenden Naturgesetze, und die Lipikas innig miteinander verbunden sind und tatsächlich sogar zu einer Einheit verschmelzen.

Fußnoten

1. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 508. [back]

2. Transactions of the Blavatsky Lodge, S. 901.
Die hebräisch-christliche Theologie und Literatur verweist im ersten Vers der Genesis auf die kosmische emanationale Entfaltung als die Elohim, die sich auf dem „Antlitz der Wasser“ bewegen. Elohim ist ein Hauptwort im Plural mit der Bedeutung Götter, obwohl die europäischen Gelehrten es stets mit Gott übersetzen – eine höchst irreführende Übersetzung, da sie, wenn auch unbeabsichtigt, die Wahrheit leugnet, dass die Elohim die Hierarchie der gestaltenden oder weltschöpferischen kosmischen Geister sind, angefangen von der höchsten kosmischen Ebene herab bis zu den niedrigsten Elohim der physischen Ebene. Dieser hebräische Ausdruck entspricht dem, was im esoterischen Buddhismus die Hierarchien der Dhyāni-Chohans genannt wird. [back]

3. Vgl. HPBs Artikel „Notes on the Gospel according to St. John“, Lucifer, February and March, 1893. [back]

4. Noch eine andere Bezeichnung im archaischen Hinduismus für den Dritten Logos war Hiraṇyagarbha – hiraṇya bedeutet golden mit dem Sinn von himmlisch oder ursprünglich oder am schönsten; und garbha ist ein Ausdruck, der je nach dem Zusammenhang mit Schoß oder Embryo oder vitaler kosmischer Same übersetzt werden kann. Dieser Embryo existiert im Schoß des Zweiten Logos, und manchmal wird er auch selbst als ein Schoß bezeichnet, weil er die fruchtbare Quelle für die Samen der aus ihr ausströmenden Hierarchien ist. [back]

5. Die Geheimlehre, Bd. II, S. 656. [back]

6. Von der christlichen Theologie Erzengel, Seraphim etc. etc. genannt. [back]

7. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 147 Fn., siehe auch Bd. I, S. 114–6. [back]

8. Philosophoumena, VI, 9. [back]

9. „Die Große Offenbarung“ (Hê Megalê Apophasis), von der angenommen wird, dass Simon selbst der Autor gewesen ist.– HPB [back]

10. Stehen buchstäblich in Reihen oder Paaren einander gegenüber.– HPB [back]

11. Philosophoumena, VI, 18. [back]

12. Gewisse niedrigere Dhyāni-Chohans vermischen ihr Fluidum oder ihre vitale Essenz mit den Elementalen der höheren vier Elementalreiche und auch mit den Lebensatomen der entsprechenden Ebenen, wobei sie die architektonische Ideenbildung und die führenden Kräfte und Energien liefern, auf die die niedrigeren drei Elementalreiche ihrerseits aufgebaut werden. Vgl. Die Geheimlehre, Bd. II, S. 270–1 Fn. [back]

13. Siehe Die Geheimlehre, Bd. I, S. 212 Fn.
Die sieben fundamentalen Transformationen der Globen oder himmlischen Sphären – oder vielmehr die der sie zusammensetzenden Materieteilchen – werden wie folgt beschrieben: (1) homogen; (2) luftförmig und strahlend (gasartig); (3) flockig (nebelartig); (4) atomistisch, etherisch (Beginn von Bewegung, daher von Differenzierung); (5) keimartig, feurig (differenziert, aber lediglich aus jenen Keimen der Elemente in ihren Anfangszuständen zusammengesetzt. Vollständig entwickelt werden sie auf unserer Erde sieben Keime besitzen); (6) vierfältig, dampfartig (die zukünftige Erde); (7) kalt und abhängig (vom Leben und Licht der Sonne). [back]

14. Ein zusammengesetzter Sanskrit-Ausdruck: sva bedeutet Selbst und bhāva werden, ins Dasein gelangen, womit ein kontinuierliches Wachstum oder ein Wechsel von Zustand zu Zustand bezeichnet wird. [back]

15. Vgl. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 593 [back]

16. E. S. Instructions, 11. [back]

17. Vgl. The Mahatma Letters, S. 170. [back]

18. Vgl. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 353 ff, s. 642 ff. [back]

19. Lipika wird gebildet aus einer Verbalwurzel lip mit der Bedeutung malen, in Farben skizzieren, abgeleitet auch zeichnen oder schreiben – ein Wort, das auf den alten Gebrauch des Schreibens mit einem Pinsel, wie es bei den Chinesen heute noch üblich ist, hinweist, und schreiben, abschreiben und daher aufzeichnen bedeutet. [back]