Mal sieht man ihn, mal wieder nicht. Auf der Reise unserer Erde um die Sonne ist Onkel Pfefferkorn Peters ständiger Begleiter – auch wenn er nicht immer sichtbar ist – und immer bereit, Peters mannigfaltige Fragen zu beantworten. Als Peter schließlich von Onkel Pfefferkorn das GROSSE JAHR bekommt, öffnen sich Peters Augen und Ohren für die Magie der Natur. Plötzlich kann er mit den Tieren und Pflanzen, ja selbst mit den Steinen und dem Meer sprechen, mit den Bewohnern von Wald, Flur, Himmel, Wasser und Erde. So lernt Peter, wie sie alle die von der Wanderung der Erde um die Sonne verursachten Jahreszeiten durchleben.

Als Fantasiebuch geschrieben, spricht diese Geschichte insbesondere die Vorstellungskraft junger Menschen an. Sie hebt unsere Verbundenheit mit einer lebendigen Natur hervor, zeigt unsere Verwurzelung in ihr und präsentiert die Idee eines wohl geordneten Universums – unseres Lebens­raumes, in welchem alles Leben tief miteinander verwoben ist.

Elsa-Brita Titchenell war Mitherausgeberin der Zeitschrift Sunrise. Geboren im schwedischen Uppsala ging sie in England zur Schule, lebte später in Schanghai in China, wo sie von 1937 bis 1947 für die Königliche Schwedische Botschaft und das Konsulat tätig war. Nach dieser Zeit zog sie in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo sie dem Mitarbeiterstab der Haupstelle der Theosophischen Gesellschaft in Pasadena in Kalifornien beitrat.

Justin C. Gruelle, in Amerika bekannter Künstler und Portraitmaler, war zunächst für die Disney Studios tätig. Weithin bekannt war er auch für seine Luftfahrt-Bilder.

Vorwort

Das Buch, das du gleich lesen wirst, ist die Geschichte von Peter und seinem GROSSEN JAHR. Wenn du das Buch zu Ende gelesen hast, wirst du wissen, dass du jedes Jahr auf eine wundervolle Reise gehst, gerade wie Peter. Jedes Mal, wenn du wieder Geburtstag hast, wirst du wissen, dass du seit deinem letzten Geburtstag den ganzen Weg um die Sonne zurückgelegt hast und das Ganze nun wiederholen wirst. Ich hoffe, du magst Peter, und vielleicht kannst du ja so tun, als wärst du er – vielleicht bist du das ja auch. Jeder Junge und jedes Mädchen kann das GROSSE JAHR erleben. Man muss nur wissen, wie man richtig fragt, und darauf achten, dass man gute Fragen stellt. Jeder von euch hat einen Onkel Pfefferkorn, und obwohl er sehr klein ist, ist er doch sehr wichtig. Onkel Pfefferkorn

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Du kannst Onkel Pfefferkorn zu mir sagen

Peter legte seine funkelnagelneuen Rollschuhe in die Ecke, wo er sie am Morgen als Erstes sehen konnte. Dann hängte er seine Kleider über einen Stuhl und ging zu Bett. Sein Kopf summte noch von den Fragen, die er im Laufe des Tages vergessen hatte zu fragen.

„Oh, wie sehr wünsche ich mir, dass mir jeder alles beantwortet, was ich frage“, dachte er.

„Möchtest du das wirklich?“, sagte ein kleines Stimmchen an seiner Seite. Peter schaute schnell auf, neben seinem Bett saß ein winziger, kleiner Mann mit einem merkwürdigen großen Hut. „Wenn du das nämlich wirklich willst, so könnte man das wohl einrichten“, murmelte der kleine Mann und strich über seinen langen Bart. Seine Hand war nicht größer als Peters kleiner Fingernagel.

„Wer bist du?“, fragte Peter erstaunt.

„Es spielt keine Rolle, wer ich bin“, sagte der kleine Mann. „Aber du kannst mich Onkel Pfefferkorn nennen. Komm“, ­sagte er, „beeil dich. Wir haben bis morgen früh einen langen Weg vor uns.“

Gehorsam stand Peter auf und zog sich schnell an. Das Männchen sprang auf Peters Schulter.

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„Halt dich fest!“, rief er. „Los geht’s.“

Peter wusste nicht, wo er sich festhalten sollte, aber er hatte keine Zeit zu fragen. Noch bevor er fragen konnte: „Wie ­bitte?“, waren sie weg und flogen durch die dunkle Nacht, hoch und höher und immer höher über die Häuser.

Weiter ging es bis zwischen die Sterne in das große blaue Nichts, bis Peter nicht mehr wusste, welcher die Erde war, von der sie gekommen waren. Alle Sterne um sie herum funkelten und glitzerten, und Peter überlegte, ob auch ER funkelte und glitzerte.

Dann kamen sie zu einem Stern, der größer aussah als die anderen. Er wurde größer und immer größer, bis sie schließlich auf dem Vorsprung eines Berggipfels auf diesem selt­samen und schönen Stern landeten.

„Wo sind wir?“, wollte Peter wissen. „Wo ist die Erde?“

„Wir sind ungefähr auf dem halben Weg zum Nordpol des Himmels“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Schau, da unten kannst du gerade die Erde sehen“, und er zeigte in den Raum hinaus.

„Welches ist sie?“, fragte Peter. Ihm wurde ganz schwindlig, als er auf die Millionen von stecknadelkopfgroßen Lichtern am dunkelblauen Himmel blickte.

„Siehst du diese Sonne da drüben?“, fragte der kleine Mann. „Die da links von dem großen Kerl?“

„Oh ja“, sagte Peter. „Ist das die Erde?“

Onkel Pfefferkorn kicherte. „Wie eingebildet ihr Burschen seid!“, sagte er. „Nein, die Erde ist der dritte kleine Fleck, der darum herum schwebt. Du kannst sie gerade noch sehen, wenn du die Augen zusammenkneifst.“ Er kletterte auf Peters Nasen­rücken und beschattete dessen Augen mit beiden Armen. „Kannst du sie jetzt sehen?“

„Ja-a“, sagte Peter unsicher. „Sie sieht schrecklich klein aus.“

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„Das ist sie“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Die Erde ist nur ein kleiner Ball, der immerzu um die Sonne rollt. Sie dreht sich fortwährend um sich selbst wie ein großer Kreisel. So sehen die Menschen auf der einen Seite die Sonne die halbe Zeit und die auf der anderen Seite auch. Das sind Tag und Nacht, weißt du?“

„Das verstehe ich nicht“, sagte Peter.

„Hast du nicht beobachtet, wie die Sonne auf der einen Seite des Himmels aufgeht und auf der anderen untergeht?“

„Oh ja“, sagte Peter, stolz darauf, das zu wissen. „Sie geht im Osten auf und im Westen unter.“

„Ja, nur dass sie nicht wirklich auf- und untergeht. Du kannst es von hier aus sehen. Die Sonne steht dort und die Erde wandert um sie herum. Jedes Mal, wenn sich die Erde selbst dreht, scheint die Sonne auf die andere Seite der Erde.“

Plötzlich sprang er leichtfüßig auf den Boden. Auf diesem fremden Stern lag eine Menge heller, glänzender Steine herum. Onkel Pfefferkorn hob einen davon auf und legte ihn auf einen flachen Felsen. Dann wandte er sich an Peter.

„Wo ist dein Kreisel?“, fragte er.

„Mein Kreisel?“ Peter war erstaunt. Er langte in seine Tasche und zog ein Stück Schnur heraus, einige rostige Nägel und schließlich seinen Kreisel.

„Woher wusstest du, dass ich einen Kreisel in der Tasche habe?“, fragte Peter.

„Es ist doch gleich, woher ich es wusste“, sagte Onkel Pfeffer­korn etwas gereizt. „Leg ihn hier hin.“

Als Peter den Kreisel auf den Felsen gelegt hatte, betrachtete ihn Onkel Pfefferkorn sorgfältig, dann stellte er sich auf die Zehenspitzen, um die glatten Seiten berühren zu können. „Funktioniert das Ding?“, fragte er.

„Natürlich funktioniert er!“ Peter nahm den Kreisel auf und wickelte die Schnur herum. Er setzte ihn auf den flachen Fels und ließ ihn drehen; der Kreisel begann, in einem großen Kreis um den hellen Stein in der Mitte des Felsens zu tanzen. Onkel Pfefferkorn sprang schnell aus dem Weg.

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„Du musst ihn nicht gerade über mich laufen lassen!“, rief er.

„Schau doch!“, rief Peter. „Er läuft um die Sonne.“

Peter dachte immer noch an die Erde und die Sonne, und der Kreisel sah wie ein kleiner Planet aus, der sich um eine strahlende Sonne herumdreht.

„Bewegt sich die Erde auch so?“, fragte er.

„Genauso“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Die Erde ist wie ein großer, dicker Kreisel und dreht sich sehr oft, während sie nur einmal die Sonne umrundet. Sie bewegt sich nur scheinbar sehr langsam, weil wir so klein sind.“

Peter schaute auf den kleinen Onkel Pfefferkorn und ­musste lächeln. Onkel Pfefferkorn war gar so klein. Aber Onkel ­Pfefferkorn wusste, was Peter dachte, und er richtete sich zur vollen Größe seiner acht Zentimeter auf. „Ich bin für mich genauso groß, wie du für dich groß bist“, sagte er stirnrunzelnd zu Peter. „Du bist neben der Erde auch sehr klein.“

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„Tut mir leid“, sagte Peter. „Ich ­wollte nicht unhöflich sein.“

„In Ordnung!“, sagte Onkel Pfeffer­korn und lächelte wieder. „Wie du siehst, ist die Erde sehr viel größer als wir beide, so dass sie sich nur einmal drehen muss, damit für uns ein ganzer Tag und eine Nacht vergehen; und um die ­Sonne zu reisen, braucht sie ein ganzes Jahr.“ In diesem Moment fiel der Kreisel um. Peter hob ihn auf und ließ ihn wieder drehen. Abermals begann er seine Reise, immerzu um sich selber drehend und dabei langsam um den strahlenden Stein wandernd.

„Ich möchte meinen, ihm wird schwindlig“, sagte Peter. „Hat die Sonne Fieber, wenn es im Sommer heiß wird?“

Onkel Pfefferkorn kicherte. „Nein“, sagte er. „Schau genau hin, ob du etwas an der Spitze bemerkst, wenn er läuft.“

Peter beugte sich nieder und beobachtete den drehenden Kreisel aufmerksam. „Ich kann nichts sehen“, sagte er.

„Schau noch einmal hin“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Läuft er ganz gerade?“

„Oh“, sagte Peter, „nein, natürlich nicht, er wackelt leicht.“

„Natürlich taumelt ein Kreisel mehr als die Erde“, sagte ­Onkel Pfefferkorn. „Die Erde wackelt so langsam, dass ein einziges Wackeln Tausende von Jahren dauert. Deshalb steht die Erde fast immer ein bisschen schief. Auch jetzt gerade.“

Peter fing den Kreisel gerade noch in dem Augenblick auf, als er vom Felsen herunterwackelte. Er lachte. „Ich hoffe, die Erde macht so etwas nicht!“, sagte er.

Onkel Pfefferkorn lachte vergnügt in sich hinein. „Lass ihn noch einmal laufen!“, sagte er.

Peter setzte ihn wieder in Bewegung und der Kreisel tanzte rundum wie vorher.

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„Schau jetzt genau hin“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Siehst du, wie das obere Ende des Kreisels, das ist das nördliche Ende, näher an die Sonne kommt, wenn die Erde auf der einen Seite der Sonne ist; und wie dieses nördliche Ende weiter weg ist, wenn sich die Erde auf der anderen Seite der Sonne befindet?“

„Oh ja“, rief Peter. „Wenn der Norden näher ist, dann bekommt er mehr Sonnenlicht als das andere Ende, auch wenn er sich die ganze Zeit dreht.“

„Richtig!“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Stell dir vor, du würdest ganz oben, nördlich von der Mitte leben. Welche Jahreszeit wäre dort?“

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„Welche Jahreszeit? Oh, ich verstehe.“ Peter dachte eine ­Minute lang nach. „Ach, ist es das, was den Sommer macht?“

Peter war begeistert. Er hatte es selbst herausgefunden.

„Dann muss unten Winter sein!“, rief er ganz aufgeregt. „Und wenn die Erde auf die andere Seite der Sonne kommt, dann ist unten Sommer und oben Winter. Daher gibt es jedes Jahr einen Winter und einen Sommer. Und während der ganzen Zeit gibt es eine Menge Tage und Nächte, weil sich die Erde auch um sich selbst dreht.“

„Schau mal einer an“, sagte Onkel Pfefferkorn und zwinkerte Peter unter seinem ulkigen großen Hut zu. „Du bist sogar noch fixer, als ich dachte. Vielleicht können wir dir das GROSSE JAHR geben.“

„Was ist das GROSSE JAHR?“ Peter ahnte, dass es etwas Aufregendes sein könnte.

„Nun“, sagte Onkel Pfefferkorn, „es ist etwas, das nur ­wenige Menschen bekommen können. Wie es mit dir ist, weiß ich nicht so recht.“

„Oh, bitte sag‘s mir“, bat Peter. Er war aufgeregt, aber er wusste nicht warum.

„Sag mir zuerst“, sagte Onkel Pfefferkorn, „was tust du, wenn dich jemand etwas fragt?“

„Nun, ich antworte natürlich.“

„Immer?“ Onkel Pfefferkorns Stimme war plötzlich sehr ernst.

„Nun.“ Peter hielt inne. „Wenn ich die Antwort wüsste“, fügte er unsicher hinzu.

„Gut!“ Onkel Pfefferkorn sprang auf Peters Schulter. „Mach das“, sagte er. „Denke nur immer daran und du kannst jeden all das fragen, was du wissen möchtest.“

Er zeigte wieder nach unten, wo sich das kleine Pünktchen Erde drehte. Das dritte Pünktchen von der kleinen Sonne aus gesehen, links von dem großen Burschen.

„Schau genau hin“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Du siehst, wo die Erde jetzt ist. Sie läuft ganz um die Sonne herum und du mit ihr. Nur WEISST du jetzt, dass sie dich auf ihrer Reise mitnimmt. Bis die Sonne wieder an denselben Ort zurückkehrt, kannst du auf der Erde jeden und alles fragen, was du möchtest, und alles wird dir auf seine eigene besondere Art antworten. Wenn du gute Fragen stellst, wirst du gute Antworten bekommen. Wenn du dumme Fragen stellst, wirst du dumme Antworten erhalten. Die Erde und die Bäume, das Gras und der Himmel, das Land und das Meer, sie alle werden dir antworten, bis du an dieselbe Stelle zurückkommst.“

Onkel Pfefferkorn kletterte auf Peters Nase, deshalb musste Peter schielen, um ihn zu sehen.

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„Denk daran“, sagte er streng und erhob seinen Zeigefinger, der so groß war wie die Borste einer Zahnbürste, „auch du musst immer alle Fragen der anderen beantworten.“ Peter schielte den kleinen Mann an, der auf seiner Nasenspitze hockte; ­Onkel Pfefferkorn sah so lustig aus, dass er lachen musste. Onkel Pfefferkorn hielt sich schnell an Peters rechter Augenbraue fest und sagte verdrießlich:

„Tu das nicht! Es ist ungezogen … ich könnte herunterfallen und mir den Hals brechen“, fügte er hinzu. „Wie würdest du dann nach Hause kommen?“

Peter entschuldigte sich sofort. „Es tut mir leid“, sagte er. „Ich wollte dich nicht erschrecken und ich verspreche, jedermanns Fragen zu beantworten, wenn ich nur erst selbst die Antworten finde.“

„In Ordnung“, sagte Onkel Pfefferkorn und ließ Peters ­Augenbraue los. Er kicherte in sich hinein. „Weißt du, du siehst selbst reichlich komisch aus, wenn du auf deine Nasenspitze herunterschielst.“ Er kletterte auf Peters Schulter zurück. Plötzlich rief er: „Halt dich fest, los geht‘s!“

Peter stockte der Atem. Es kam so plötzlich. Fort waren sie wieder im blauen Himmel, und überall um sie herum war das Glitzern. Peter wusste überhaupt nicht mehr, wo sie waren. Einen Augenblick lang fürchtete er, Onkel Pfefferkorn könne die Erde unter all den glitzernden Dingern nicht mehr wiederfinden. Dann sah er sie. Von der Sonne aus war es das dritte Pünktchen, das immer näher kam. Plötzlich waren sie wieder daheim. Sie kamen knapp am Mond vorbei und landeten ganz sanft auf der Erde.

„Da sind wir wieder“, sagte Onkel Pfefferkorn ruhig. „Möchtest du mich noch etwas fragen, bevor ich gehe?“

„Geh nicht fort“, sagte Peter. „Ich mag dich, bleibst du nicht bei mir?“

„Ich werde da sein, wenn du mich brauchst“, sagte Onkel Pfefferkorn.

Damit verschwand er und Peter war allein in einem großen Wald.

Bau einen Schneemann, Peter!

Die Bäume waren kahl und still. Die ganze Welt schien zu schlafen. Peter fühlte sich sehr einsam, nachdem ihn Onkel Pfefferkorn verlassen hatte. Er wusste nicht, ­wohin er gehen sollte. Am liebsten hätte er geweint, aber dann erinnerte er sich daran, dass er sieben Jahre alt war; und ­Jungen weinen nicht, wenn sie sieben sind.

Er lief durch den Wald und suchte Onkel Pfefferkorn. „Onkel Pfefferkorn!“, rief er. „Onkel Pfefferkorn!“ Aber alles blieb still.

Peter stand traurig da und überlegte, was er tun könnte. Es war sonderbar, dass Onkel Pfefferkorn, der nur so groß wie Peters Finger war, so wichtig sein sollte. Peter war sehr, sehr allein.

Er hatte sich gerade auf eine Baumwurzel gesetzt, als er eine kleine Stimme neben sich hörte.

„Entschuldige“, sagte die Stimme.

Peter schaute sich überall um, aber er sah niemanden, nur ein Eichhörnchen, das versuchte, an ihm vorbeizukommen, um zu seinem Bau in der Höhlung des Baumes hinaufzuklettern.

„Entschuldige“, sagte das Eichhörnchen wieder.

„Oh!“, sagte Peter und rückte schnell beiseite. „Ich wusste nicht, dass du mit mir sprichst. Ich habe noch nie ein Eichhörnchen sprechen hören.“

„Das macht nichts“, sagte das Eichhörnchen. „Ich vermute, du hast dich noch nicht an das GROSSE JAHR gewöhnt. Onkel Pfefferkorn hat mir von dir erzählt. Du bist Peter.“

„Ja“, sagte Peter und damit endete die Unterhaltung. Das Eichhörnchen säuberte eifrig sein Nest und fegte es mit Stroh aus, während Peter zusah.

Es fegte einen großen toten Käfer aus seinem Nest und ­lehnte sich auf seinen Strohbesen.

„Onkel Pfefferkorn sagte mir, dass es heute schneien wird, deshalb mache ich mein Nest gemütlich, denn ich werde eine Zeitlang drinnenbleiben. Und was hast du vor?“

„Ähm – ich weiß nicht“, sagte Peter.

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„Ich möchte dich gerne einladen“, sagte das Eichhörnchen, „aber du bist reichlich groß. Vielleicht versuchst du es wo­anders.“

Gerade in diesem Augenblick schwebte eine große Schneeflocke herunter und schmolz auf Peters Nase.

Er wendete sich dem Eichhörnchen zu und lachte.

„Hast du das gesehen?“, fragte er. „Ich mag Schnee, du nicht?“ Dann erinnerte er sich daran, sich benehmen zu wollen, und sagte höflich:

„Vielen Dank für deine Einladung, auch wenn ich nicht hinein kann.“

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Eine weitere Schneeflocke landete auf seinem Ärmel, und bald war die Luft weiß von wirbelnden Schneeflöckchen. Es war eine tiefe Stille, und die Schneeflocken tanzten auf ihre ­anmutige Art zur Erde. Bald war jeder Ast und jeder Zweig bedeckt.

Peter fing hunderte von Schneeflocken in seiner Hand und betrachtete ihre hübschen, sechseckigen Sterne. „Ihr seid schön“, murmelte er.

„Hallo, Peter“, klang eine helle Stimme. „Meinst du, wir ­sehen hübsch aus?“

„Ich versuche zwei von euch zu finden, die gleich aussehen“, sagte Peter. „Helft ihr mir?“

Die Schneeflocken lachten alle.

„Oh, Peter!“, lachten sie. „Weißt du nicht, dass es von uns keine zwei Gleichen gibt? Versuche es, wenn du willst, aber du wirst nie ein Paar finden.“

Und wieder lachten alle.

Plötzlich sprach eine barsche Stimme:

„Es ist nicht sehr nett von euch, über den armen Peter zu lachen. Wie sollte er wissen, dass ihr alle verschieden seid? Er ist keine Schneeflocke.“

Es war Onkel Pfefferkorn. Er stand auf einem Zweig und schaute streng um sich.

„Hallo, Onkel Pfefferkorn!“, sangen die Schneeflocken. „Wenn er keine Schneeflocke ist, dann muss er ein Schneemann sein.“ Die übermütigen Schneeflocken lachten weiter.

Peter blickte an sich herab und lachte auch:

„Ich sehe wie einer aus, nicht wahr?“

„Gewiss doch“, lächelte Onkel Pfefferkorn. „Möchtest du nicht einen bauen?“

Die Schneeflocken riefen alle zusammen:

„Baue einen Schneemann, Peter! Baue einen Schneemann!“

„Klar“, sagte Peter. Er schaufelte mit beiden Händen Schneeflocken zusammen; sie schmiegten sich so eng wie möglich aneinander. Bald hatte er einen schönen Schneemann gebaut. Onkel Pfefferkorn versuchte auch zu helfen, aber er konnte nicht viel tun, weil er so klein war. Deshalb stand er nur auf einem Zweig und sagte Peter, was er tun sollte.

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„Jetzt brauchst du zwei Eicheln“, sagte Onkel Pfefferkorn, als der Schneemann fertig war.

Peter hob zwei Eicheln auf, die unter dem Schnee gelegen hatten, und steckte sie dem Schneemann ins Gesicht.

„Wie wäre es mit einer Pfeife?“, fragte Onkel Pfefferkorn. ­Peter schaute sich nach einem krummen Zweig um, den er dem Schneemann in den Mund stecken konnte. Schließlich wählte er den aus, auf dem Onkel Pfefferkorn stand. Als er ihn abbrechen wollte, verschwand sein kleiner Freund plötzlich.

„Oh!“, sagte Peter, „hoffentlich hält er mich jetzt nicht für ungezogen.“

Er war ganz traurig, weil er sich daran gewöhnt hatte, dass Onkel Pfefferkorn bei ihm war und ihm sagte, was er tun solle.

Er sah sich überall um, aber er konnte ihn nicht finden.

Die Schneeflocken wollten, dass er weiter mit ihnen ­spielte, aber Peter war betrübt, weil er Onkel Pfefferkorn verloren ­hatte.

Schließlich ging er traurig durch den Schnee und überlegte, was in dem großen, weißen Schweigen wohl aus ihm werden sollte.

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Knurr, Peter, grrrrr!

Peter blieb an einem Flüsschen stehen, das bis auf ein kleines Rinnsal in der Mitte fest zugefroren war. Plötzlich hörte er eine raue Stimme, die sagte:

„Knurr, Peter, grrrrr!“

Ein großer, schwarzer Bär kam mit seinem komischen, schwerfälligen Gang auf ihn zu. Peter war so erschrocken, dass er nicht einmal fortlaufen konnte. Er stand nur da und wartete darauf, dass der Bär ihn am Stück verschlingen würde. „Grr!“, sagte der Bär wieder.

„Wie geht es dir?“, sagte Peter und versuchte, nicht zu ­zittern. Onkel Pfefferkorn hatte gesagt, dass er jeden alles fragen ­könne, aber er hatte nichts über große, schwarze Bären gesagt und wie man mit ihnen umgehen soll.

„Gut“, sagte der Bär, „aber ich bin müde.“

Da verstand Peter, dass der Bär gar nicht zornig war, er sagte „Grrmph!“ nur als eine Art Gruß.

Plötzlich gähnte der Bär schrecklich. Peter zuckte zusammen. Wollte ihn der Bär doch noch fressen?

„Ich bin gerade dabei, in meine Höhle zu kriechen, um zu überwintern“, gähnte der Bär. „Und was hast du vor?“

„Ich weiß nicht“, sagte Peter.

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„Für einen ist noch Platz“, knurrte der Bär. „Du kommst ­besser mit mir mit.“

Peter wusste nicht genau, ob er das wirklich wollte. Der Bär erschien ihm sehr grob. Aber draußen war es kalt, und so ­dachte er, er wolle wenigstens mitgehen und sehen, wo der Bär wohnt.

In einem Felsen war ein schönes, großes Loch, fast wie eine Höhle, dachte Peter. Es war trocken und sorgfältig mit Zweigen und trockenen Blättern ausgelegt, auf denen man weich liegen konnte.

Der Bär rollte sich in der Höhle zusammen und zeigte ­Peter, wo er sich neben ihn hinkuscheln könne. Peter setzte sich vorsichtig hin. Mit einem letzten „Grrmph!“ war der Bär fest eingeschlafen.

In der Höhle war es gemütlich. Peter drückte sich nahe an das raue, wollige Fell des Bären und bald war auch er fest eingeschlafen.

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Peter hatte lange geschlafen, als eine strenge Stimme ihn aufweckte und sagte: „Los, Peter, du kannst nicht dein ganzes Leben hierbleiben.“ Es war Onkel Pfefferkorn.

„Oh!“, sagte Peter und rieb sich die Augen. „Wie spät ist es?“

„Zeit, dass du aufstehst“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Du hast fast eine Woche lang geschlafen.“ „Eine Woche!“, rief Peter. Der Bär bewegte sich unruhig und Peter dämpfte seine Stimme.

„Eine Woche!“, flüsterte er. „Aber warum schläft ER noch?“, fragte er. „Er schläft ein paar Monate lang“, sagte Onkel Pfeffer­korn. „Komm weiter!“ Peter kletterte so geräuschlos, wie er nur konnte, aus der Höhle des Bären. Als sie draußen waren, fragte er: „Warum schläft er so lange?“

„Er schläft den ganzen Winter hindurch. Das ist für ihn so lange wie eine Nacht.“

„Bleibt er dann den ganzen Sommer über wach?“, fragte ­Peter.

„Nicht ganz. Er schläft in der Nacht und ist am Tag wach, genauso wie du während deines Lebens.“

Peter dachte eine Weile nach. Dann sagte er:

„Ich glaube, das stimmt, wenn er etwas über die Erde weiß, die sich um die Sonne bewegt. Weiß er das, Onkel Pfefferkorn?“

„Nun“, sagte Onkel Pfefferkorn, „irgendwie weiß er es, aber nicht so wie du. Er fühlt es, du verstehst es.“

„Oh!“, sagte Peter und wusste nicht genau, ob er es wirklich verstand.

„Übrigens“, sagte Onkel Pfefferkorn, „du hattest Angst vor dem Bären, nicht wahr?“

„Ja“, sagte Peter und schämte sich etwas.

„Das brauchst du nicht“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Solange du im GROSSEN JAHR bist, ist alles freundlich zu dir. Der Bär hat eine raue Stimme, aber er würde nie jemandem etwas zu Leide tun, der im GROSSEN JAHR ist.“

„Oh!“, sagte Peter, „dann brauche ich mich niemals zu fürchten.“

„Genau, so ist es“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Wenn du dich fürchtest, verlierst du das GROSSE JAHR. Vorhin hättest du es beinahe verloren. Wärst du vor dem Bären davongelaufen, hätte er dir vielleicht etwas angetan.“

Peter dachte daran, wie er am liebsten davongelaufen wäre.

„Fürchte dich nie, Peter!“, sagte Onkel Pfefferkorn.

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Bald muss ich woanders sein

Es war sehr still unter den großen Fichten, unter denen Peter dahinwanderte und dem „tropf, tropf“ des schmelzenden Schnees, der von den Zweigen tropfte, zuhörte.

„Hallo, Peter“, sagte eine leise Stimme zu seinen Füßen.

Peter blickte nach unten, und da stand ein winziges Schneeglöckchen, das durch den Teppich aus Fichtennadeln lugte.

„Hallo.“ Er beugte sich nieder und betrachtete die hübsche weiße Blume. „Wer bist du?“

„Ich bin das Schneeglöckchen. Hast du meine Cousine ­Veilchen schon gesehen?“

„Nein, ich habe noch keines bemerkt.“

„Du meine Güte, das ist aber gar nicht nett von ihr. Nun muss ich fortgehen, ohne sie wiedergesehen zu haben. Auch letztes Jahr kam sie zu spät.“

„Tut mir leid“, sagte Peter, „vielleicht könnte ich ihr etwas von dir ausrichten, irgendwann wird sie auftauchen. Warum musst du fortgehen? Kannst du nicht warten, bis sie kommt?“

„Das geht nicht gut“, meinte das Schneeglöckchen zögernd. „Weißt du, ich muss bald woanders sein.“

„Aber du kannst doch nicht laufen. Wie kannst du fort­gehen?“ Peter schaute genau hin und sah, dass das Schneeglöckchen fest im Boden verwurzelt war.

„Oh, das ist einfach. Hier sterbe ich, und weiter oben und weiter nördlich am Berge blühe ich wieder auf.“

„Oh, ich verstehe“, sagte Peter zweifelnd, denn er war sich gar nicht sicher, ob er es wirklich verstand. Ich muss Onkel Pfefferkorn danach fragen, dachte er bei sich.

„Brauchst du mich?“ Peter erkannte Onkel Pfefferkorns ­Stimme und schaute ringsum, aber er war nirgends zu sehen. Dann hörte er ein vertrautes Kichern.

„Hier, auf deinem Ärmel“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Schau nicht so verdutzt drein.“

„Ich bin‘s gar nicht“, murmelte Peter. „Überhaupt nicht, aber ich wünschte, du würdest mich vorher warnen.“

„Nun, was wolltest du mich fragen?“

Peter zermarterte sich den Kopf. „Ich fürchte, ich habe es vergessen.“

„Meinetwegen war es“, sagte das Schneeglöckchen.

„Oh ja! Woher weißt du das?“

„Du hast meine Sprache gesprochen“, sagte das Schneeglöckchen. „Du weißt … Gedankensprache.“

„Ja, Onkel Pfefferkorn, wie kann sie sich bewegen?“

„Erinnerst du dich daran, wie die Erde auf ihrer Bahn kreist?“, fragte Onkel Pfefferkorn.

„Oh“, sagte Peter, „du meinst, wir kommen jetzt näher an die Sonne, und deshalb kommt der Frühling hierher. Jetzt verstehe ich, aber warum muss sie woanders hin?“

„Nun, der Frühling wandert natürlich weiter nach Norden.“

„Du meine Güte“, sagte Peter. „Von draußen sah das alles so einfach aus, aber von hier aus ist es kompliziert, nicht wahr?“

„Nun schau!“ Onkel Pfefferkorn sprang auf den Boden und lehnte sich gegen das Schneeglöckchen. Er entschuldigte sich bei ihr. „Du hast doch nichts dagegen?“

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„Durchaus nicht“, sagte das Schneeglöckchen. „Berühre aber nicht meine Blütenblätter, sie fallen bald ab.“ Sie hielt inne. „Es sei denn, du möchtest gerne, dass ich dich verlasse.“

„Nein, nein“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Bleib doch noch eine Weile.“

„Also“, sagte er und wandte sich an Peter. „Das Schneeglöckchen hier …“, er gab dem Stängel einen kleinen Schubs.

„Au!“, sagte das Schneeglöckchen, „mein erstes Blütenblatt fällt ab.“ Ein weiches Blütenblatt flatterte zu Boden.

„Tut mir leid“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Es muss sehr lose gewesen sein.“

orts 26 gs„Nur weiter, nimm keine Rücksicht auf mich“, sagte das Schneeglöckchen tapfer, aber ihr Köpfchen senkte sich ein ­wenig tiefer.

„Also, wie ich sagte …“, fuhr Onkel Pfeffer­korn fort. „Oh, du meine Güte, schon wieder!“ Noch ein Blütenblatt fiel ihm sanft vor die Füße.

„Macht nichts, ich sage jetzt auf Wieder­sehen“, flüsterte das Schneeglöckchen schwach. „Wir treffen uns später wieder. Ich werde im Norden weiterblühen.“

„Ich glaube, jetzt verstehe ich es“, sagte Peter.

„Das glaube ich auch“, sagte Onkel Pfefferkorn und war ­verschwunden.

orts 27 gs

Du bist eine Quasselstrippe, oder?

Peter war recht traurig, als er das kleine Schneeglöckchen verließ. Er stieg auf den Berg hinauf und wollte versuchen, ein anderes zu finden.

Nach einer Weile kam er an einen Bach, der vor sich hin sang, während er über die Kieselsteine hüpfte und sprang.

„Hallo, Peter, freut mich, dich zu sehen.“

„Hallo.“ Peter schaute sich überall um, um zu sehen, wer da sprach.

„Hier“, kicherte der Bach, „du solltest meine Stimme kennen. Sie ist lauter als gewöhnlich, weil ich voller geschmolzenem Schnee aus den Bergen bin.“

„Oh?“ Peter schaute nach dem schneebedeckten Bergkamm, wo der Bach herkam. Plötzlich fiel ihm etwas ein.

„Hast du dort oben ein Schneeglöckchen gesehen?“, fragte er.

„Ein paar“, sagte der Bach. „Sie kommen gerade heraus, aber es ist noch recht früh. Droben ist es viel kälter, weißt du?“

„Wie steht‘s mit Veilchen?“

„Noch nicht“, sagte der Bach, „aber sie werden kommen. Warum? Suchst du welche?“

„Ja, weil ein Schneeglöckchen mich gebeten hat, ein Veilchen von ihm zu grüßen, ich aber noch keines gesehen habe.“

„Das wirst du schon noch“, sang der Bach. „Möchtest du nicht mit mir singen? Ich habe schrecklich viel zu tun, weil ich so viel Schneewasser zum Meer tragen muss, und bei meiner Arbeit singe ich immer.“

orts 28 gs„Warum musst du so schwer arbeiten?“, fragte Peter.

„Ich tu‘s, weil es mir Spaß macht.“ Der Bach machte einen besonderen kleinen Wirbel zwischen zwei großen Steinen und drehte sich und schäumte vor Vergnügen. „Das Meer schickt immer eine Menge Wasser in die Wolken hinauf, und die Wolken lassen ihren Schnee auf die Berge fallen. Dann muss ich das alles zum Meer zurück­tragen, damit es wieder von vorne beginnen kann.“

„Was für eine Zeitverschwendung“, sagte Peter.

„Zeitverschwendung, wirklich!“, sprudelte der Bach ent­rüstet. „Was würdest du tun, wenn ich dir nicht gutes, frisches, sauberes Wasser zu trinken brächte, das möchte ich wohl ­wissen. Und wie könnte irgendetwas wachsen? Weißt du, Lebendiges könnte ohne Wasser nicht leben. ALLES hängt von der Arbeit ab, die ich tue.“

orts 29

„Oh, es tut mir leid“, sagte Peter. „Ich wollte dich nicht kränken, du bist ganz bestimmt sehr wichtig.“

„Gut“, sagte der Bach und sprudelte leise. „Weißt du, ich bin nicht der einzige Bach. Das soll offen gesagt werden. Du sollst nicht denken, dass wir Bäche eingebildet sind. Einige Bäche haben diesen Fehler gemacht und versucht, so zu tun, als ­seien sie die einzigen Rinnsale in der Welt. Und was ­geschah?“ Er hielt inne. „Sie trockneten aus. Das war ihr Ende. Nein, wir Bäche sind nicht wichtig, aber die Arbeit, die wir tun, ist sehr wichtig. Es ist wie bei dir. Du bist nicht wichtig, aber du DENKST! Und das ist sehr wichtig. Verstehst du, was ich ­meine?“

„Du meinst, mein Denken ist wichtiger als ich? Das verstehe ich nicht“, sagte Peter.

orts 30 gs
„Du meine Güte!“, sagte eine ­vertraute Stimme. Peter drehte sich um und sah Onkel Pfefferkorn, der auf einem kleinen Stein saß. „Du zerbrichst dir immer über irgendetwas den Kopf“, brummte er. „Ich glaube, das ist meine Strafe dafür, dass ich einem kleinen Jungen das GROSSE JAHR schenke. Also, was willst du wissen?“

„Der Bach sagt, ich sei nicht wichtig, nur meine Gedanken. Wie kann ein Gedanke wichtiger sein als der, der ihn denkt?“

„Das ist auch nicht so“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Aber wenn du nicht denken würdest, dann wärest du auch kein Denker, verstehst du?“

„Oh, jetzt verstehe ich“, sagte Peter.

„Genau das meint der Bach“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Er quasselt so viel und sagt nicht alles so deutlich, aber er meint es gut.“

„Meint es gut, in der Tat“, sprudelte der Bach ärgerlich. „Was könnte klarer sein, als ich es bin?“ Und er ließ sein kristallklares Wasser ruhig werden, so dass Peter jeden einzelnen Kiesel in der kühlen Tiefe sehen konnte.

„Du bist sehr klar und schön, das wissen wir alle“, sagte ­Onkel Pfefferkorn. „Aber du quasselst herum, nicht wahr?“

„Natürlich, das ist doch meine Aufgabe“, gluckste der Bach glücklich und ­schickte einen Spritzer Gischt hinauf, der den armen Onkel Pfefferkorn fast ertränkte, so dass er schnell verschwinden musste.

„Er ist ein alter Hitzkopf, nicht wahr?“, kicherte der Bach.

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Alles muss gewaschen werden

Eine ganze Weile folgte Peter dem Bach. Dieser schlängelte sich durch Wälder, Ebenen und Felder, bis er ein ­großer Fluss ­wurde. Unterwegs traf Peter das Veilchen und ­richtete ihm die Grüße vom Schneeglöckchen aus.

Das Veilchen dankte ihm und sandte ihm eine Duftwolke.

„Grüß die Rose von mir, wenn du sie siehst“, sagte es.

Nach langer Zeit erreichte der Strom das Meer. Nie zuvor hatte Peter das Meer gesehen.

„Es ist schrecklich groß“, flüsterte er vor sich hin. „Wie kann es so viel Wasser geben?“

„Du siehst nur einen kleinen Teil“, brauste das Meer und klatschte große Wellen mit Schaumspritzern an das Ufer. ­„Weiter draußen ist noch viel mehr!“

„Wie weit reicht das Wasser?“, fragte Peter.

„Siehst du die Linie, wo anscheinend das Ende ist?“, fragte das Meer. „Das ist nur der Anfang. Es sieht nur wie ein Rand aus, weil die Erde rund ist. Ganz gleich, wo du auf meiner Oberfläche dahinziehst, immer siehst du eine solche Linie. Es ist so wie für eine Ameise auf einem Ball.“

Peter lachte. Eine Ameise auf einem Ball, die glaubt, dass an der Stelle, über die sie nicht hinaussehen kann, die Welt zu Ende sei, das konnte er sich vorstellen. Für die Ameise wäre die Welt auf dem Ball genau wie ein Teller, gerade so wie für Peter das Meer.

Peter hob einen Kiesel auf und warf ihn in eine große ­Welle. Dann fiel ihm ein, dass auch das Meer lebendig ist, und er ­entschuldigte sich schnell.

„Oh, das ist schon in Ordnung“, sagte das Meer, „die ­Menschen tun das immer, das macht mir gar nichts aus. Es ­erspart mir die Mühe, die Steine einzeln fortzutragen.“

„Musst du das tun?“

„Oh ja. Früher oder später sinkt jedes Sandkorn auf den Grund und alle, die unten sind, werden an den Strand zurückgespült. Es ist eine fortdauernde Umwälzung.“

„Warum?“, fragte Peter.

„Alles muss gewaschen werden, du würdest doch auch nicht immer dieselben Kleider tragen, ohne sie zu waschen, oder?“

„Auf dem Meeresgrund müssen dann aber schrecklich viele Steine sein.“

„Gewiss. Einige kommen von hohen Bergen und werden ­immer kleiner auf dem Weg hierher.“

„Aber wie kommen sie herunter?“, fragte Peter.

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Plötzlich erschien Onkel Pfefferkorn, er kletterte aus Peters Tasche.

„Au!“, sagte Peter. „Das kitzelt.“

„Unsinn!“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Ich bin viel zu klein, um irgendjemanden kitzeln zu können.“

Auf einem Knopf balancierend, nahm er seine beste Schulmeisterpose an und zeigte mit seinem winzigen Finger auf ­Peter.

„Du wolltest wissen, wie die Kiesel herabkommen. Was glaubst du, was der Bach tut? Wie?“

„Er trägt das Wasser“, sagte Peter.

„Und was noch? Du würdest dich wundern, wie viel sonst noch mit dem Wasser heruntergeschwemmt wird“, sagte ­Onkel Pfefferkorn. „Steine und Samen, Schutt und Unkraut, alle ­möglichen Dinge.“

Plötzlich lachte er. „Du bist ein komischer Junge, möchtest du nicht im Wasser spielen?“ „Oh“, rief Peter, „darf ich? Hat das Meer nichts dagegen?“

„Natürlich nicht!“ Das Meer brach in ein schallendes Gelächter aus, das sich über das ganze Ufer entlangzog, so dass auch die kleinen Wellen in ein tausendfältiges, leises Lachen aus­brachen. „Komm herein, das Wasser ist fein!“

Peter rannte zum Ufer hinab und begann im Wasser zu spielen. Große, weiße Pferde kamen auf der Oberfläche angebraust, lösten sich in galoppierendem Schaum auf, der in immer kleinere Wellen zerfiel. Sie gaben jedoch alle acht, dass sie bei Peter sanfter wurden, denn sie können manchmal recht rau sein. Peter war so klein und hilflos, wenn sie sich über ihm brachen und ihn immer wieder herumpurzeln ließen.

Schließlich setzte er sich ganz müde an den Strand, und da ­bemerkte er, dass Onkel Pfefferkorn sich noch immer durchnässt und unglücklich an sein Knopfloch klammerte.

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„Aber Onkel Pfefferkorn“, rief er entsetzt, „du bist ja ganz nass, warum bist du nicht einfach verschwunden und trocken geblieben?“

„Ach“, knurrte Onkel Pfefferkorn und schüttelte das Wasser aus seinem Hut. „Ein bisschen Wasser tut mir nichts, aber zu viel davon könnte dir schaden. Weißt du, ich muss auf dich aufpassen!“

Und damit war er verschwunden.

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Alles kommt aus der Wurzel, weißt du?

Das Meer war traurig, als Peter weitergehen wollte, und brachte eine wunderschöne Muschel herauf, die er mitnehmen sollte. Es war eine Kaurimuschel, die Peter ans Ohr halten konnte; so konnte er das weit entfernte Meer ­rauschen hören, als wenn es in der Muschel wäre. Er wanderte eine lange Zeit und begegnete vielen seltsamen Dingen; aber oft blieb er stehen, nahm die Muschel aus der Tasche und lauschte dem Rauschen des Meeres tief drinnen.

Eines Tages lief er durch den Wald. Da gab es viele Bäume voller Blätter, leuchtend und mattgrün, hell- und dunkelgrün, und überall standen wundervoll duftende Blumen.

Peter schnupperte die Luft und lauschte, wie die Bäume über ihn flüsterten.

„Das ist Peter“, hörte er einen Baum zu einem anderen ­sagen. „Er hat das GROSSE JAHR bekommen. Meinst du, wir können mit ihm sprechen, oder sollen wir warten, bis er uns etwas fragt?“ Weil Bäume sehr gut erzogen sind, stören sie nie die Gedanken der Menschen, wenn man still sein will. Peter hatte jedoch das leise Murmeln gehört. Er wandte sich dem Walnussbaum zu und lächelte.

„Ich wollte euch nicht belauschen“, sagte er, „aber ich habe gehört, was du gesagt hast. Möchtest du gerne mit mir ­sprechen?“

„Ja, gerne“, sagte der Walnussbaum. „Gibt es irgendetwas, was du wissen möchtest?“

„Ich überlege“, sagte Peter, „woher ihr eure hübschen ­Kleider bekommt? Als ich vor einiger Zeit hier vorbeikam, habt ihr ganz traurig und kahl ausgesehen.“

„Wir lassen sie selbst wachsen“, rauschte die Birke, sie schwankte anmutig in dem leichten Wind. „Es freut mich, dass du sie magst!“

„Ich finde sie wunderschön“, sagte Peter. „Wie macht ihr das?“

„Oh, weißt du, es kommt alles aus der Wurzel“, fügte der Ahorn hinzu. „Das Leben beginnt unter der Erde und wächst von innen, bis wir groß werden und uns immer mehr Blätter und hübsche Sachen wachsen.“

„Ich wollte, ich könnte das auch“, sagte Peter traurig. ­„Ver­glichen mit euren sehen meine Kleider fast schäbig aus.“

„Oh, du machst dir deine eigenen“, brummte eine große ­Eiche. „Murre nicht, junger Mann, dir wachsen noch viel ­schönere Kleider als uns.“

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„Wie meinst du DAS?“, rief Peter und schaute auf seine ­ausgeblichenen Jeans herunter.

„Ich meine nicht deine äußeren Kleider, ich meine deinen Körper“, sagte die Eiche.

„Was ist damit?“ Peter war wirklich ganz verdutzt.

„Oh, oh, oh! Ich wusste, du würdest ohne meine Hilfe nicht weit kommen“, kam die Stimme Onkel Pfefferkorns von Peters Schulter. „Was verwirrt dich denn jetzt wieder?“

„Die Eiche sagt, ich lasse mir meinen eigenen Körper ­wachsen. Wie kann ich das?“

„Nun, schau dich an“, sagte Onkel Pfefferkorn, „dein Körper ist anders als alle anderen, oder?“

„Oh ja, bestimmt“, sagte Peter.

„Nun, es ist ein Peter-Körper, nicht wahr? Die Eiche hat ­einen Eichen-Körper, ich habe mehr oder weniger einen Onkel-­Pfefferkorn-Körper – eher weniger, denn meiner ist etwas ­Besonderes.“

„Das sehe ich“, sagte Peter. „Du verschwindest fortwährend, also ist es kein sehr fester Körper, aber wie lasse ich meinen wachsen?“

„Von innen her natürlich. Du bist du, also lässt du dir einen Körper heranwachsen, der zu dir passt; du würdest nicht in einen anderen passen!“

Peter dachte lange nach, dann sagte er: „Natürlich, das ­erklärt, warum alle unterschiedlich aussehen, weil sie verschieden SIND.“

„Hm!“, sagte Onkel Pfefferkorn, „es wird Zeit, dass du noch ein paar andere Blumen kennenlernst. Hast du der Rose schon die Grüße ausgerichtet?“

„Ich habe keine Rose gesehen“, sagte Peter.

„Gut, komm mit.“ Onkel Pfefferkorn sprang auf den Boden und ging los. Mit seinen kleinen Beinen ging er so schnell, dass Peter Mühe hatte, mitzuhalten. Bald kamen sie zu einem ­wunderschönen Garten. Da gab es weiße Rosen und rote ­Rosen, Iris, Lilien, Lupinen, purpurrote Stiefmütterchen und ­goldene Schlüsselblumen. Hier und da war ein Löwenzahn, dem es ­gelungen war, den Blicken des Gärtners lange genug zu ent­gehen, um zu blühen.

Onkel Pfefferkorn blieb bei einem Busch mit blassrosa ­Rosen stehen. Eine große, goldene Biene schwirrte suchend an Peter vorbei und kroch in eine halb offene Rose.

„Was macht sie da?“, fragte Peter.

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„Sie holt Nektar aus der Rose“, sagte Onkel Pfefferkorn.

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„Das ist nicht alles, was sie tut“, lächelte die Rose. „An ihrem wollenen Rock nimmt sie Blütenstaub mit und trägt ihn zu den anderen ­Rosen.“

„Wozu?“

„Weil der Blütenstaub auf andere ­Rosen kommen muss, damit die Samen wachsen können. Alle Bienen helfen uns, und wir helfen ihnen. Wusstest du nicht, dass alles in der Natur zusammen arbeitet?“

Peter dachte nach. „Ich glaube, ich verstehe“, murmelte er. „Der Bach hilft dem Meer, das Meer wäscht das Land, das Land nährt die Bäume, die Blumen nähren die Insekten, die Insekten tragen den Blütenstaub. Donnerwetter, es ist wunderbar, nicht?“

Dann kam ihm ein neuer Gedanke. „Was tue eigentlich ich?“, fragte er. „Ich scheine unter ihnen allen der Einzige zu sein, der nutzlos ist. Vielleicht könnte ich Blütenstaub tragen oder sonst etwas. Doch ich fürchte, dazu bin ich zu ungeschickt“, fügte er betrübt hinzu.

„Sei nicht traurig, Peter.“ Onkel Pfefferkorns Stimme war ­ungewöhnlich freundlich. „Du hast deine eigene Arbeit zu tun. Du kannst nicht die von jemand anderem tun, deshalb musst du herausfinden, was deine eigene Aufgabe ist. Aber mit der Zeit wird es dir gelingen.“

Er sprang auf Peters Schulter und schmiegte sich in seinen Kragen.

„Geh ein bisschen weiter“, flüsterte er, „ich möchte nicht, dass die Rose mich hört.“

„Einen Moment“, sagte Peter, als ihm sein Versprechen einfiel, das er dem Veilchen gegeben hatte. „Das Veilchen schickt dir die besten Grüße, Rose, auf Wiedersehen.“

„Auf Wiedersehen“, flüsterte die Rose und öffnete ein neues Blütenblatt.

Als Peter sich vom Rosenstrauch entfernte, sagte Onkel ­Pfefferkorn: „Ich möchte sie nicht kränken, weil sie nicht die wunderbaren Dinge tun kann, die du einmal tun wirst.“

„Ich? Ich bin doch zu gar nichts zu gebrauchen“, sagte Peter unglücklich.

„Du bist noch viel nützlicher als all die anderen.“ Onkel ­Pfefferkorn war wieder ernst. „Erinnerst du dich, dass ich ­sagte, du kannst denken?“

„Hmmm – ja.“

„Nun, ALL dies hier ist ein großer, riesiger Gedanke“, ­sagte Onkel Pfefferkorn und wies mit seinem ausgestreckten Arm über den Garten und die umliegenden Felder. „Es ist ein ­schöner Gedanke eines großen, wunderbaren Denkers.“

„Oh, toll, glaubst du, ich kann denken …?“

„Einen Moment mal“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Du fängst gerade erst an, aber du kannst schöne und nützliche Gedanken denken. Und wenn du im Gedächtnis behältst, nicht an dich selbst zu denken, wirst auch du eines Tages ein Denker von Welten sein, wie diese hier eine ist.“

Plötzlich war Onkel Pfefferkorn weg und Peter wieder ­allein. Aber es machte ihm nichts aus. Er musste über so vieles nachdenken.

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Du besitzt etwas sehr Kostbares

Den ganzen Sommer über wanderte Peter durch die ­Wälder und Felder und lernte die verschiedenen ­Sprachen aller Geschöpfe des Waldes zu sprechen.

„Du meine Güte“, dachte er bei sich, „die Sonne beginnt ­wieder nach Süden zu wandern, und der Herbst wird bald kommen. Bald wird mein GROSSES JAHR vorbei sein und ich werde nie mehr mit den Feldern und Bäumen sprechen ­können.“

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„Kopf hoch!“, sagte Onkel Pfefferkorn. Der kleine Mann saß in einer Eichelschale und schaukelte sanft vor und zurück. „Du hast etwas sehr Kostbares bekommen, etwas, das du immer behalten kannst.“

„Was denn?“, fragte Peter überrascht.

„Du hast ein Gedächtnis. Wenn du vermeiden kannst, dass dein Kopf von all den Hirngespinsten vernebelt wird, die die Leute beim Heranwachsen so ansammeln, dann wirst du immer das GROSSE JAHR haben. Es wird ein großes Leben sein anstatt nur ein Jahr.“

„Oh, Onkel Pfefferkorn!“ Peter wollte ihn umarmen, aber er fürchtete, seinem kleinen Freund weh zu tun. Also nahm er ihn auf und hielt ihn sich vor sein Gesicht. „Glaubst du das wirklich?“

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„Wenn du mich wohl herunterlassen würdest …!“, stotterte Onkel Pfefferkorn entrüstet. „Das ist unbequem für einen ehrwürdigen alten Herrn!“

Da bemerkte Peter, dass er Onkel Pfefferkorn verkehrt herum hielt. Er entschuldigte sich schnell und drehte ihn schnell richtig herum. Onkel Pfefferkorn setzte sich rittlings auf Peters Finger und sprach weiter:

„Du hast ja noch Zeit, bis das Jahr vorbei ist. Je mehr du ­herausfinden kannst, desto größere Schätze wirst du haben, an die du dich erinnern kannst. Also mach lieber weiter“, fügte er ernst hinzu und verschwand.

Ich bin so müde

Peter hatte es eilig. Er wollte so viel herausfinden, wie er nur konnte, bis das GROSSE JAHR vorüber war, und er wusste nicht, wo er damit anfangen sollte. Er stürmte so schnell davon, dass er kaum bemerkte, wie sich ein Zweig seines alten Freundes Ahorn in seinem Hemd verfing und ihn zurückhielt.

„Oh“, keuchte er, „lass mich los!“

„Wohin rennst du so schnell?“, fragte der Ahorn, aber Peter war schon weg.

Er stolperte über eine Wurzel der großen Eiche und fiel flach aufs Gesicht. „Warum so in Eile?“, knurrte die Eiche. „Du könntest stehen bleiben und deinen Freunden Guten Tag sagen.“

„Wohin in aller Welt stürmst du?“, rauschte die Birke.

Peter, der schon weiterrennen wollte, blieb plötzlich stehen.

„Ich – ich weiß es nicht“, stammelte er.

„Wenn du dir Zeit lassen würdest zu überlegen, wo du hinwillst, würdest du nicht so viel übersehen“, nörgelte die Eiche, „und du würdest dir nicht die Knie aufschlagen“, fügte sie hinzu und schaute Peters Beine an.

„Oh Schreck“, sagte Peter, „ich blute ja!“

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„Hier!“, sagte eine neue Stimme und Peter sah, wie ein ­großes Blatt zu Boden flatterte. „Ich heiße Ampfer. Leg mich auf deine Knie, und bald wird es aufhören zu bluten.“

„Vielen Dank!“, sagte Peter, während er das Ampferblatt um sein verletztes Knie wickelte.

„Donnerwetter“, sagte er und schaute den Ahorn an, „du BIST aber schön. Und du auch“, fügte er zur Birke hingewandt hinzu.

Die Birke schüttelte fröhlich ihre goldenen Blätter und sagte: „Hübsch sind sie, nicht wahr? Doch sie werden nicht lange so bleiben.“

„Oh, das ist aber schade“, sagte Peter.

„Macht nichts“, sagte die Birke, „ich werde mir im Frühjahr neue wachsen lassen, ich mag Grün sowieso lieber.“

„Du eitles, kleines Ding“, murmelte die Eiche, „ich wäre gern ein Immergrün.“

„Was ist der Unterschied?“, fragte Peter.

„Weißt du, die Fichten und Kiefern haben Nadeln statt ­Blätter und sie sind immer grün“, sagte die Eiche.

„Ich hörte jedoch einen Wacholderbusch sagen, dass er das satt habe“, sagte Peter. „Wahrscheinlich bist du besser dran, so wie es ist.“

„Peter hat Recht“, sagte der Ahorn und raschelte mit seinem rötlichen Kleid. „Ich möchte meine glänzenden Farben nicht gegen kleine grüne Nadeln tauschen, selbst wenn sie immer so bleiben würden, was sie im Übrigen nicht tun. Sie werden dauernd ersetzt, deshalb sieht der Baum immer grün aus.“

„Nun, MIR geht es genauso“, sagte Peter. „Ich sehe immer gleich aus; aber ich weiß, dass das nicht so ist, weil ich mich so schnell verändere, dass ich niemals derselbe bin wie vorher.“

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„Ich vermute, so geht‘s uns allen“, sagte die Eiche. Sie ­gähnte laut. „Ho, hum! Es ist angenehm, schlafen zu gehen.“

Plötzlich rief sie laut: „Hallo, ihr da oben! Fliegt ihr zurück?“

Peter blickte hinauf und sah eine Schar Wildgänse am ­Himmel. Sie flogen in zwei Reihen, in der Form eines großen V.

Die Leitgans antwortete, ohne die schöne Formation auf­zugeben: „Hallo, Eiche, noch wach?“

„Gerade dabei, einzuschlafen“, sagte die Eiche. „Dürfte ich dich bitten, mich zu rufen und aufzuwecken, wenn ihr zurückkommt?“

„Gewiss, das machen wir doch immer“, sagte die Gans. „Wir kommen mit dem Sonnenschein wieder zurück. Leb wohl jetzt.“

„Leb wohl, leb wohl!“, kam das Echo, als die Gänse Abschied nahmen und immer noch tadellos in Reih und Glied flogen, während sie schnell nach Süden verschwanden.

„Ich weiß nicht, wie es mit euch ist, ihr Lieben“, sagte die Birke, „aber ich bin sehr müde, fast mein ganzer Saft ist schon in die Wurzeln hinuntergegangen, sie fangen an zu wachsen. Also sage ich lieber Gute Nacht, du entschuldigst doch, wenn ich schlafen gehe?“, fragte sie Peter.

„Selbstverständlich“, sagte Peter. „Gute Nacht.“

Die Eiche schlief schon, deshalb ging Peter schnell davon.

Er fühlte sich einsam und wünschte, Onkel Pfefferkorn käme und würde mit ihm sprechen, aber der war nirgends zu sehen.

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Er hatte langsam verstanden, dass der kleine Mann nur kam, um seine Fragen zu beantworten. Deshalb versuchte er, sich eine wirklich schwierige Frage auszudenken, damit er ­kommen würde. Aber es fiel ihm keine ein. Dann sah er um sich, ob er selbst etwas herausfinden könnte. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Die Gänse! Was taten sie, wenn sie nach Süden flogen?

„Onkel Pfefferkorn!“, rief er. „Oh, Onkel Pfefferkorn!“

„Mach nicht so einen ohrenbetäubenden Lärm!“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Ich kann nicht einmal meine eigenen Gedanken verstehen. Was möchtest du denn wissen?“ Onkel Pfefferkorn hockte auf Peters Schulter und hielt sich die Ohren zu.

„Die Gänse, Onkel Pfefferkorn, wie können sie wissen, ­wohin sie fliegen?“

„Das ist eine gute Frage“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Wie weiß dein Blut, wohin es in dir fließen muss?“

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„In mir?“ Peter war überrascht. „Was hat das damit zu tun, dass …“

„Beantworte meine Frage!“, sagte Onkel Pfefferkorn streng.

„Nun, es gibt Adern und solche Dinge.“

„Genau! Ebenso wie es in dir Adern und Arterien gibt, gibt es auch Adern und Arterien in der Erde und in der Luft. Die Gänse folgen nur diesen Lebensströmen. Es ist einfach, wenn man weiß wie.“

„Oh!“ Peter dachte einen Augenblick nach. „Du meinst, sie kommen und gehen eine Straße entlang, die man nicht sehen kann?“

„Jawohl.“

„Oh!“, rief Peter. „Ist das nicht dasselbe, was die Erde tut, wenn sie um die Sonne kreist?“

„Auf Anhieb verstanden!“ Onkel Pfefferkorn strahlte Peter zufrieden an. „Peter, mein Junge, du MACHST DICH!“

Dann verschwand er und ließ Peter zurück, dem es ganz warm ums Herz war.

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Ich bringe dich jetzt zurück

Der Boden war hart, und es wurde kälter. Peter wusste, dass das GROSSE JAHR fast vorbei war.

„Um die Sonne! Um die Sonne!“, dachte er bei sich. „Ich möchte wissen, um was die Sonne selbst kreist!“

„Peter!“, ertönte Onkel Pfefferkorns Stimme.

Peter schaute sich um und sah den kleinen Mann, der sich an einen Pilz lehnte.

„Du musst jetzt nach Hause zurück“, sagte Onkel Pfefferkorn.

„Oh, Onkel Pfefferkorn!“ Peter weinte fast. „Ich habe nicht die Hälfte von dem herausgefunden, was ich wissen möchte.“ Dann fiel ihm ein, dass er ein ganzes Jahr weg gewesen war. Er überlegte, ob seine Mutter und sein Vater sich wohl große Sorgen um ihn machten. Seltsam, dass er das ganze Jahr über nicht an sie gedacht hatte!

„Mach dir keine Sorgen“, sagte Onkel Pfefferkorn, „sie ­wissen nicht, dass du fort warst.“

„Aber ein ganzes Jahr!“, rief Peter.

„Das meinst du“, sagte Onkel Pfefferkorn.

Plötzlich sprang er auf Peters Fuß und kletterte schnell auf seine Schulter.

„Halte dich fest!“, rief er. Und plötzlich waren sie fort, weit weg in dem blauen Himmel.

Sie landeten wie anfangs auf dem großen, schönen Stern, Peter erinnerte sich an ihn.

„Der Anfang und das Ende“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Weißt du, es ist immer dasselbe.“

Peter verstand nicht ganz.

„Warum müssen wir hierherkommen?“, fragte er.

„Weil du es selbst sehen musst“, sagte Onkel Pfefferkorn. „Nun, wo ist jetzt die Erde?“

„Der dritte Fleck von der kleinen Sonne aus, links von der großen.“

„Ganz richtig! Kannst du erkennen, wo sie ungefähr auf ihrer Bahn ist?“

„An derselben Stelle wie voriges Mal“, sagte Peter.

„Was bedeutet das?“, fragte Onkel Pfefferkorn mit seiner strengsten Stimme.

„Nun, bedeutet es nicht, dass sie einmal um die Sonne herum gelaufen und wieder zurückgekommen ist?“, fragte Peter.

„Peter!“, sagte Onkel Pfefferkorn und tätschelte Peter am Hals. Peter dachte, es fühlt sich an wie der Kuss eines Glühwürmchens. „Peter, du machst mir Ehre. Ich werde dich jetzt nach Hause bringen. Denke nur daran: Wenn du die Erde und alles darauf immer so liebst wie jetzt, dann wirst du dein ganzes Leben lang das GROSSE JAHR haben. Du darfst dich vor gar nichts fürchten, weil du im INNEREN der richtige Peter bist und nichts DICH jemals verletzen kann.“

Onkel Pfefferkorn zog Peter freundschaftlich am Ohr. Dann rief er: „Los geht‘s!“

Sie rasten durch den von tausenden blitzenden Diamanten­sternen erfüllten Himmel. Peter war es, als sei auch er ein Stern, der auf einer großen Bahn dahinschoss, die niemand sehen konnte, aber die er doch irgendwie kannte.

Plötzlich fand er sich in seinem kleinen, weißen Bett wieder und merkte, wie er gerade aufwachte. Langsam öffnete er die Augen. Es war sein eigenes Zimmer, nichts hatte sich verändert. Seine Rollschuhe lagen in der Ecke, wo er sie vergangene Nacht hingelegt hatte. Die Feldblumen auf der Anrichte waren nicht einmal verwelkt.

„Nanu!“, rief Peter und setzte sich auf. „Vielleicht war das doch nur ein Traum!“

Aber war es nur ein Traum gewesen? Noch nach Jahren konnte Peter die Stimmen der Natur hören und manchmal, wenn er sehr achtsam lauschte, konnte er sie sogar verstehen.

ENDE

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