Vorwort

„Der Wind des Geistes, der über die Erde weht, stürmisch, kalt und bissig, wie es uns empfindsamen Menschen scheint, ist nichtsdestoweniger der Wind des Geistes“ – dies war das Leitthema einer Ansprache, die Gottfried de Purucker im Jahre 1940 hielt. Die Überschrift des einleitenden Kapitels sowie der Titel des vorliegenden Buches beziehen sich darauf. Der Verfasser ermuntert uns, die Welt der äußeren Erscheinungsformen zu durchschauen und hinter den Zeiterscheinungen das Ewige zu sehen, denn in der gegenwärtigen Unruhe verkörpert sich „Kraft, spirituelle Kraft“.

Seit diese Worte vor einem halben Jahrhundert gesprochen wurden, wehten die Winde des Schicksals heftig, gelegentlich mit steifer Brise. Kaum eine Nation oder Rasse, kein Mensch, nicht einmal Mutter Erde selbst mit ihren vielfältigen Lebensbereichen blieben von karmischen Veränderungen verschont. Doch aus dem Leid und der Zerrissenheit rückt eine neue Weltsicht, eine neue und größere Vision von der Rolle der Menschheit im kosmischen Drama in den Mittelpunkt unseres Interesses. Trotz verbreiteter, subtiler, gelegentlich auch plumper Selbstsucht wächst die Ausübung des Altruismus als geistiger Gegenimpuls und gewinnt an Bedeutung.

Im Verlauf seiner Tätigkeit als Leiter der Theosophischen Gesellschaft (1929-1942) hielt Dr. de Purucker während vieler Jahre in Europa und in den Vereinigten Staaten eine Reihe von Vorträgen, welche die vielfältigen Aspekte der Theosophie zum Inhalt hatten. Sie bilden die Grundlage seiner umfangreichen Bücher. Das Buch Der Wind des Geistes unterscheidet sich davon. Aus der scheinbar zufälligen Zusammenstellung von Bemerkungen, die er öffentlich oder in privaten Zusammenkünften machte, aus Briefauszügen oder einzelnen Hinweisen, die er Schülern gab, geht erneut hervor, wie ungeheuer praktisch die Theosophie ist. Natürlich enthalten diese Hinweise viel Belehrung – wie könnte es auch anders sein; so profund war seine Kenntnis des spirituellen und literarischen Erbes der Welt. Der Wert des Buches liegt jedoch in der Fähigkeit de Puruckers, auf die menschliche Not eine klare und direkte Antwort zu geben. Obwohl sich der Autor den menschlichen Schwächen gegenüber immer mitleidsvoll zeigt, fordert er uns dennoch beständig auf, unseren inneren Seelenadel zu manifestieren. So war es verständlich, daß sich Der Wind des Geistes, im Jahre 1944 erstmalig publiziert, zwei Jahre nach dem Tod des Autors, der sofortigen Wertschätzung erfreute.

In der vorliegenden Ausgabe wurden die im Erstdruck enthaltenen, etwas formal erscheinenden acht Vorträge weggelassen, da die behandelten Themen vom Autor vielfach auch an anderen Stellen erörtert wurden. Abgesehen davon wurden nur kleine Überarbeitungen der Texte vorgenommen, um die Lebendigkeit des gesprochenen Wortes hervorzuheben. Als Hilfe für den Leser wurde ein Index und ein Glossar der philosophischen Ausdrücke angefügt. Beide wurden von Ingrid Van Mater erstellt.

Das Buch schließt mit der Rede, die Dr. de Purucker eine Woche vor seinem Tod hielt: „Aham Asmi Parabrahma“, d. h. „Ich bin Parabrahma, das Grenzenlose.“ Dies war das Alpha und Omega seines Lehrauftrages. Er erinnerte uns immer wieder daran, daß im Herzen jedes Menschen, in der Tat in jedem Atom im Kosmos, eine lebende Gottheit wohnt. „Denkt darüber nach, was es bedeuten würde, wenn jeder Mensch auf Erden von der Wirklichkeit dieser kosmischen Wahrheit vollkommen überzeugt wäre! Niemals mehr würde sich eine Hand des Menschen gegen einen Mitmenschen erheben. Immer wäre es die ausgestreckte Hand der Hilfeleistung und der Bruderschaft. Da ich mein Bruder bin – sind wir in unserem Innersten eins.“

GRACE F. KNOCHE

21. Juni 1984

Pasadena, California

Der Wind des Geistes

Eine Sache lernte ich bereits als Kind. Ich lernte sie gut, und sie wurde seitdem eine meiner besten Freunde: es ist die Einsicht, daß ich aus allem etwas lernen kann, und daß jeder Tag in meinem Leben verloren ist, den ich verstreichen lasse, ohne mich zu bemühen, meinen Weisheitsschatz zu vermehren und mein inneres Leben zu erweitern und zu vertiefen, wie klein der Ertrag auch sein mag. Zu viele von uns schlafen; wir schlafen und träumen. Wir träumen Träume, und allzuoft sind diese Träume schlechte Träume, weil sie aus unserem niederen persönlichen, leicht selbstzufriedenen Ego emporwallen. Andere von uns jedoch träumen Visionen unvergleichlicher Schönheit – und ich meine nicht nur solche von physischer Schönheit, sondern von Schönheit jeglicher Art: von spiritueller Schönheit, intellektueller Schönheit, ja selbst von Schönheit der uns umgebenden wunderbaren Natur. Und jede neue Vision eines solchen Wunders erweckt uns gleichermaßen. Oh, wie wir schlafen und vergessen haben, was wir sind und welcher Reichtum um uns ist, der uns gehört, wenn wir nur wollen! Denn dem steht nichts im Wege außer dem eigenen Ich. Niemand ist so blind wie jene, die sich weigern zu sehen; niemand ist so taub wie jene, die sich weigern zu hören. Andererseits ist niemand so weise wie derjenige, welcher jeder neuen Erfahrung im wunderbaren Abenteuer des Lebens mit dem Gefühl begegnet: hinter dieser Erfahrung steht ein Engel für mich bereit. Ich muß ihn entdecken, ich muß lernen, was der engelhafte Bote mir zu sagen versucht. Jede Erfahrung ist so.

Das Großartigste, was Theosophie für uns vollbringt, ist meiner Meinung nach, daß sie die Schleier von unseren Augen nimmt und unsere Ohren öffnet, so daß wir beim Sehen etwas mehr sehen und beim Hören etwas mehr hören; bis wir schließlich anfangen zu hören, was die Stille uns sagt – die Stimme der Stille, die für uns die bedeutendste, reichhaltigste und weisheitsträchtigste Stimme ist. Theosophie wäre nur eine Farce, nur ein Flitterwerk, wenn sie uns nicht aus uns selbst erwecken und uns zu mehr machen würde, als wir waren. Das ist ihr einziges Ziel; und das ist der wahre Grund, warum wir sie studieren: um immer erleuchteter, ein wenig größer und ein bißchen empfänglicher zu werden.

Gerade hier erkennen wir den Unterschied zwischen Tier und Mensch. Das Tier sieht und weiß nichts, begreift nichts. Der Mensch sieht und versteht ein wenig, und der Meister sieht und hört, und die Botschaft wird ihm in ihrer ganzen Tragweite bewußt. Und die Gottheit, der Schöpfer dessen, was wir sehen und hören, muß, wie alle Götter, ihr Licht aus noch erhabeneren Welten, Ebenen und Sphären des universalen Lebens empfangen.

Wenn wir uns vor Augen halten, was gegenwärtig in der Welt passiert, müssen wir erkennen, daß es sich um kein zufälliges Ereignis, um keine planlose oder willkürliche Begebenheit, nicht um blinde Schicksalsschläge handelt, sondern um die Entwicklung der kommenden Ereignisse. Wir müssen erkennen, daß hinter diesen Ereignissen eine Macht, eine spirituelle Macht, eine spirituelle Kraft steht. Sie wird alles zu einem bereits vorbestimmten und erhabenen Ende ausarbeiten. Denn trotz der Agonie und Niedergeschlagenheit, die wir in unserer Blindheit fühlen, ist es der Wind des Geistes, der über die Erde fegt, neuordnend, neuschaffend und neugestaltend. Die aufkommenden Ängste und Sorgen haben ihren Ursprung allein in uns selbst. Blind, wie wir sind, wollen wir nicht in den majestätischen Prozeß der Natur eintreten, um ihr zu helfen, sondern wir widersetzen uns ihr; und weil wir uns ihr widersetzen, leiden wir.

Man mag argumentieren: „Ach, wir wissen nicht, wie wir in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen handeln können!“ Aber diese Behauptung ist nicht wahr. Sie ist eine Lüge, denn den Menschen wurde seit undenklicher Zeit gelehrt, daß Recht Recht ist, Gerechtigkeit Gerechtigkeit und Unrecht Unrecht. Können wir zwischen dem Recht und dem Unrecht wählen? Gerade hier beginnt die Schwierigkeit. Nicht, daß sie an sich vorhanden wäre, aber wir erzeugen sie. Es ist falsch, Gewalttätigkeit und Gewalt anzuwenden – das erste Gebot lautet: „Du sollst nicht töten.“ Wer dieses Gesetz verletzt, bringt sich selbst in Opposition zu den Abläufen der Natur. Sogar in alltäglichen Dingen erkennt das der menschliche Genius; und das zeigt sich heute schon in unseren Systemen der Rechtswissenschaft – wahrlich ein Fortschritt. Denn für jemanden, der sich für ein ihm zugefügtes Unrecht rächen möchte, erscheint es nicht länger logisch, seinen Feind ausfindig zu machen und ihn in ein tödliches Duell zu verwickeln. Wir machen Fortschritte, denn es gab einmal eine Zeit, in der man sich weigerte anzuerkennen, daß es so etwas wie menschliche Ehre gibt und Menschen einem schändlichen Scherbengericht aussetzte. Unsere Ideen haben sich erweitert. Würde heutzutage irgend jemand auf der Welt die Behauptung wagen, daß Gewalt der einzige Weg zur Beilegung von Konflikten ist, wenn das Unrecht zu triumphieren scheint?

Der Weg, Streitigkeiten beizulegen, besteht darin, Vernunft walten zu lassen und sich zu weigern, etwas anderes, weniger Bedeutsames als diese anzuwenden. Denn wer zum Schwert greift, wird, wie der Avatāra Jesus sagte, durch das Schwert umkommen. Vielleicht nicht unmittelbar, aber im Verlauf der Zeit. Streitigkeiten werden gerechterweise auf der Grundlage von Vernunft und Recht beigelegt, niemals mit harter Hand und Gewalt.

Wir fragen, weshalb wir leiden. Wir möchten wissen, warum gerade wir in diese Dinge verwickelt wurden. In Unkenntnis unseres Höheren Selbst und mangels eines unerschütterlichen Vertrauens in die ewigen Gesetze des kosmischen Lebens ergreifen und übernehmen wir selber die Pflichten des Rächers. Welcher Mensch weiß genug, um einen anderen Menschen zum Schafott verurteilen zu können? Diese Prinzipien sind so weit anerkannt, daß keine zivilisierte Nation heutzutage diese Strafe empfiehlt. Sie alle wollen Gerechtigkeit, sie alle wollen ihren Verstand gebrauchen. Warum wenden sie ihn dann nicht an? Und, falls sie ihn benützen, warum bleiben sie nicht dabei? Man muß sich mit den Tatsachen auseinandersetzen, wenn man die Ursachen des Leidens und der Seelenangst, des Schreckens und der entsetzlichen Entbehrungen, denen wir ausgesetzt sind, kennenlernen will. Es ist weder ein außer- noch ein innerkosmischer Gott, der uns, seinen blinden Kindern, diese schrecklichen Dinge auferlegt hat. Wir selbst sind es.

Ich predige keine Lehre des unlogischen Pazifismus in dem Sinn, daß man sich allem widerstandslos unterwerfen muß, denn die Gesellschaft muß sich selbst schützen. Aber sie sollte sich mit Mitteln schützen, die sich als nationale und internationale Gesetze bereits bewährt haben und die zu halten sich die größten und vor allem die zivilisiertesten Nationen auf Erden bereits vor Jahren ehrlich und getreulich verpflichtet haben. Wenn jedoch der Bewährungsfall eintritt, dann heißt es: „Oh nein, das ist eine Sache der nationalen Ehre. Wir werden es selbst in die Hand nehmen!“ Erst wenn die schweren Schicksalsschläge herniederprasseln, Glück und Ehre dahin geschwunden sind und Not und Elend durch unsere Straßen schleichen, dann schreien wir zum Himmel und fragen: „Was habe ich getan, daß dies alles auf mich hereinstürzt?“ Gäbe es keine Mittel für Sicherheit und die Durchsetzung des Rechts, dann läge der Fall anders. Aber es gibt Mittel, anerkannte und akzeptierte Mittel, die die Staatsmänner unserer Welt in Paktverträgen feierlich beschlossen haben.

Der Wind des Geistes, der über die Erde weht, stürmisch, kalt und scharf, wie es uns empfindsamen Menschen scheint, ist nichtsdestoweniger der Wind des Geistes, und er wird die Nebel und Illusionen zerstreuen. Die Menschen werden endlich wieder Frieden finden, himmlischen Frieden und Wohlstand und Selbstachtung.

Während unsere Herzen stöhnen – und wir wären unmenschlich, wenn unsere Herzen nicht über die Vorkommnisse, die unsere menschlichen Brüder überall erdulden müssen, aufschreien würden – ist es trotzdem gut, sich daran zu erinnern, daß hinter dem Leid ein Lernprozeß steht, und daß nach den gegenwärtigen Ereignissen ein neuer Morgen heraufdämmert. Laßt uns alle, nicht nur als Theosophen, unseren Teil dazu beitragen und mithelfen, dem neuen Tag zur Geburt zu verhelfen, damit wir erkennen, wie falsch es ist, Gewalt anzuwenden. Nur dann kann der Sieg der Gerechtigkeit und der Vernunft durchgesetzt werden, und echtes Mitgefühl wird unter uns und um uns sein. Wenn nicht, wird uns etwas noch viel Schlimmeres ereilen als das, was wir gerade durchzustehen haben. Und diesem Schlimmeren werden immer noch schlimmere Ereignisse folgen, bis zu den Ruinen unserer Zivilisation, und bis unsere zivilisierte Welt in Flammen und Blut verschwunden sein wird.

Jene unter uns, die empfänglich genug sind, die Handschrift an der Wand zu lesen, sollten besser erwachen.

MENE MENE TEKEL UPHARSIN!
Gewogen, gewogen, zu leicht befunden – die Perser!

Die Tragödie der Welt besteht darin, daß die Menschen ihr Vertrauen in eine immerwährende spirituelle Kraft in unserer Welt verloren haben und die Vernunft uns verlassen hat. Unser gesamtes Universum ist lediglich eine Erscheinung, eine äußere Schale, ein physischer Körper, in dem sich die gewaltigen Kräfte, die sich auf der anderen Seite des Schleiers der Natur befinden, manifestieren. Kein Mensch, kein Halbgott und kein Gott kann sich diesen Kräften widersetzen oder entgegenstellen, ohne dafür zu büßen. Die Welt wird durch Gesetz regiert, und früher oder später werden die Götter von ihren azurnen Sitzen herabsteigen. Wir werden es erleben, daß sie als Boten von Glück und Frieden zu uns kommen und nicht mit flammenden Schwertern, um die Vernichtung der Unschuldigen zu rächen.

Sie mögen mir antworten: „Sie predigen, nachdem es bereits passiert ist!“ Aber das ist nicht wahr, denn Schlimmeres wird kommen, ehe wir uns versehen. Diese Zusammenhänge wurden der Menschheit seit undenklichen Zeiten erläutert. Der Mann, der sagte: „Gott und ich bilden eine Majorität gegen die ganze Welt“, war kein glühender Egoist – wenn wir die Bedeutung richtig verstehen.

Ich fühle mich gedrängt, vom Wind des Geistes zu sprechen, der über die Erde weht. Er wird alle falschen Lichter löschen. Die wahren und heiligen Lichter werden jedoch heller leuchten und fortdauern. Doch richtet nicht! Es wird nicht alles an einem Tag vollbracht. Vielleicht dauert es fünfzig Jahre, bis wir endlich etwas von der inneren Bedeutung dessen begreifen, was jetzt auf uns zukommt: des Guten und Schlechten, des Hohen und des Niedrigen, der Gefühle in all ihren Höhen und Tiefen. Doch das, was ich den Wind des Geistes nannte, ist im himmlischen Sinne vorausschauend. Er ist der Geist der Erde, wenn man so will, und er funktioniert äußerst präzise. All das, was groß und selbstlos ist, wird leben. Was jedoch falsch und voller Selbstsucht ist, wird der Wind nicht nur zum Einsturz bringen, sondern möglicherweise gänzlich vernichten. Legen Sie Ihr ganzes Vertrauen in die göttliche Kraft, die hinter der Natur wirkt! Leben Sie in Übereinstimmung mit ihr, dann wird die Natur Sie als ihren Mitarbeiter betrachten, Sie als ihren Meister betrachten und sich vor Ihnen verbeugen. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Das Erbe des Menschen ist der Mensch selbst

Das Erbe des Menschen ist der Mensch selbst. Jeder Mensch ist sein eigener Baumeister und auch sein potentieller Vernichter. Jeder Mensch ist sein eigener Erneuerer und Erretter, und jeder Mensch zerstört das Werk, das er vielleicht seit Äonen in der Vergangenheit selbst geschaffen hat. Diese Feststellung mag geheimnisvoll und schwer verständlich klingen, wie ein dunkler Ausspruch. Und doch frage ich mich, wie irgend jemand eine so selbstverständliche Wahrheit bezweifeln könnte. Ist es nicht ganz klar, daß ein Mensch genau das ist, was er ist; und daß das, was er ist, die Summe seiner früheren Leben ist, das Resultat seiner Gedanken und seiner Gefühle, das Ergebnis seines früheren Wollens, Denkens und Fühlens. Wir machen uns selbst, wir formen unseren eigenen Charakter.

Dies ist eine der Binsenwahrheiten menschlicher Erfahrung. Denken Sie aber darüber nach, was es bedeutet, wenn dies voll erfaßt wird. Wir gestalten unser Dasein von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, von Leben zu Leben, entweder harmonisch oder sehr häßlich. Für letzteres kann niemand anderem die Schuld zugeschoben und für ersteres kann niemand anderer gepriesen werden, außer der Betreffende selbst. Überlegen Sie, wie gerecht dies ist! Wir haben keinen, niemanden außer uns selbst zu tadeln, wenn wir uns mißgestaltet und häßlich und voll Sorge und Pein geschaffen haben; und niemand außer uns selbst ist zu preisen, wenn unser Dasein durch unsere eigenen Anstrengungen geordnet und bewundernswert harmonisch wird. Der Mensch kann seinen Charakter durch sein Denken ändern, wodurch sich seine Seele ändert, wodurch sich sein Schicksal ändert und wodurch sich alles ändert, was er gegenwärtig ist und in Zukunft sein wird. Weshalb beschuldigen wir die schuldlosen Götter für unsere eigenen Fehler, uns nach Mustern geschaffen zu haben, die wir selbst prägten? Es ist die alte Geschichte vom „Sündenbock“ – ein Wort der Umgangssprache, aber wie bezeichnend! –, der gefunden werden muß, um die Schuld einem anderen zuschieben zu können. Das ist der sicherste Weg, abwärts- statt aufwärtszugehen; denn die Erkenntnis der Wahrheit und der Gerechtigkeit und das Erkennen der Verantwortung eines Menschen für sich selbst, sind die ersten Schritte auf dem aufwärtsführenden Pfad; und welche große Hoffnung liegt hierin! Denken Sie an die Fehler, die wir in der Vergangenheit machten; an das Unrecht, das wir anderen und uns selbst zufügten. Nur die Hälfte der Geschichte ist erzählt, wenn wir sagen, daß wir uns selbst gemacht haben und daß wir selbst für uns verantwortlich sind; die andere Hälfte der Geschichte besteht in dem, was wir anderen zufügten: wie wir geholfen haben, daß sie ihr Leben schön gestalteten oder ihr Leben auf häßliche Weise mißgestalteten.

Diese Erkenntnis der Verantwortung des Menschen nicht nur sich, sondern auch anderen gegenüber, ist der verlorene Grundton der modernen Zivilisation, die von der Idee geblendet zu sein scheint, daß sich die Dinge selbst regeln werden und daß alles, was die Menschen tun müssen, darin besteht, so viel wie möglich aus der sie umgebenden Atmosphäre herauszuholen. Ich halte das für eine höllische Lehre, aus der nur Elend geerntet werden kann. Lassen Sie einen Menschen sich darüber klarwerden, daß er ein Mensch ist, und daß er, was er sät, ernten wird, und daß er, was er erntet, selbst gesät hat, und dann beobachten Sie, wie das Antlitz der Welt verändert werden wird. Jeder Mensch wird dann nicht nur äußerst sorgfältig darauf achten, wie seine eigenen Handlungen, die der Spiegel seiner Gedanken und Gefühle sind, als erstes auf ihn selbst wirken, sondern, was vielleicht noch wichtiger ist, wie sie auf andere einwirken. Ich halte das Fehlen dieses Gefühls der individuellen Verantwortung und der Verantwortung der Allgemeinheit in der heutigen Welt für die Ursache der vielen, vielen Greuel, die immer schlimmer werden, statt besser. Es fördert den Glauben, daß Gewalt ein Unrecht in Ordnung bringen kann. Das kann sie niemals. Gewalttätigkeit wurde nie durch weitere Gewalt unwirksam gemacht. Nie wurde ein Problem auf diese Art gelöst. Gewalt verstößt gegen die Gesetze des Seins, gegen die Gesetze der Dinge, wie sie sind. Denken Sie es zu Ende, und Sie werden es selbst erkennen.

Was ist des Menschen Erbe? Ich sage es nochmals: es ist der Mensch selbst. Ich bin ich, weil ich mich in anderen Leben schuf. Wie schäme ich mich gelegentlich über mich selbst, daß ich mich nicht weiser und besser und vorzüglicher und in jeder Hinsicht edler gemacht habe. Und wie segne ich die leisen Eingebungen der Göttlichkeit in meinem Herzen, daß ich sagen kann, ich bin nicht schlechter als ich bin! Sie sehen, dies ist die erste Verwirklichung meiner Verantwortlichkeit gegenüber allen – und dieses „alle“ schließt mich mit ein. Hierin liegt ein wunderbarer Gedanke: Wenn ein Mensch recht handelt, ohne Rücksicht darauf, was es ihm selbst abverlangt, dann stärkt er sich selbst und alle anderen. Es ist ein Werk wunderbarer Magie. Und ist es nicht einleuchtend, daß sich ein Mensch selbst schwächt, wenn er Böses tut? Als erstes wird sein Wille geschwächt, dann werden seine Gedanken beschmutzt und dann läßt die Stärke seiner wahren inneren Gefühle nach. Wenn dieser Mensch den abwärtsführenden Pfad lange genug verfolgt, verursacht schon der bloße Kontakt mit ihm eine Beschmutzung des eigenen Selbst. So wie es heißt, daß ein verfaulter Apfel einen ganzen Korb voll gesunder Früchte verderben wird, so beeinflußt ein schlechter Charakter in widriger und schlechter Weise nicht nur sich selbst, sondern auch alle die Unglücklichen, die ihm nahe sein mögen.

Wir können uns davor sehr leicht schützen, weil es nur wenige Dinge gibt, die so offenbar sind wie das Böse. Es besitzt nichts, was ihm Halt gibt, außer der Illusion. Lassen Sie es allein und es wird sich wie ein Nebel auflösen. Stärken Sie es nicht dadurch, daß Sie von Ihrer eigenen Energie noch mehr Böses in die Illusion einströmen lassen. Wenn es nichts hat, was ihm Halt gibt, keine Quelle vitaler Aktivität in sich selbst, so zerfällt es, bricht es in Stücke. Wie andersartig ist das Gute; es ist heilbringend, stärkend und reinigend. So einfache und so tiefe Wahrheiten! Ich halte die einfachsten Dinge für die schönsten und tiefgründigsten. So ist die Lehre vom Erbe eines Menschen, das er selbst ist, einfach die Lehre einer anderen Chance für den Menschen, der sein Leben selbst verdorben hat. Kein anderer Mensch kann Sie verderben, wenn Sie nicht selbst an der Verderbnis mitwirken. Kein anderer kann Sie böse machen, wenn Sie sich nicht beeinflussen lassen oder an der Tat beteiligen. Tadeln Sie nicht den anderen für Ihren Fall. Sie selbst sind es, der fällt, und Sie werden niemals fallen, würden niemals gefallen sein, wenn Sie nicht das bevorzugt hätten, was den Fall zustande brachte. Solch einfache Wahrheiten, und doch enthalten sie einen Kodex göttlichen Verhaltens für uns Menschen auf dieser Erde. Ein Kind vermag diese Dinge zu verstehen, weil sie so klar, so einleuchtend sind.

Die Lehre von einer neuen Gelegenheit! Denken Sie an einen Menschen – an irgendeinen von uns –, der sein Leben verpfuscht hat und sich darüber wundert, warum üble Umstände, Unheil, Unglück, Elend und andere schreckliche Dinge über ihn kommen, bis er manchmal in der Seelenqual des Selbstvorwurfes aufschreit: „Herr, befreie mich aus dieser Hölle.“ Dies ist der alte schwache Appell an eine Instanz, von der keine Hilfe kommt, denn die Hilfe liegt im Inneren: das Göttliche liegt in Ihrer Brust, die Quelle aller Stärke und Größe; je mehr Sie an sie appellieren, desto mehr bringen Sie sie in Tätigkeit, desto mehr stärken Sie Ihr eigenes Selbst, nehmen Sie an Wahrheit und Weisheit zu und erheben sich über alle Ebenen der Schwäche, des Kummers und der Pein, die durch die schlechten Handlungen und Gedanken entstanden sind.

Sie haben sich selbst so gemacht und in Ihrem nächsten Leben werden Sie genau das sein, was Sie gerade jetzt aus sich machen. Sie werden Ihr eigenes Erbe sein. Sie schreiben jetzt sozusagen Ihren letzten Willen und Ihr Testament für sich selbst. Wenn ein Mensch sich dieser wunderbaren Tatsache bewußt wird, dann tadelt er nicht länger andere und sitzt nicht länger zu Gericht über seine Brüder. Er sagt nicht länger: Ich bin heiliger als Du – eine Haltung, die ein sicheres Kennzeichen für ein schwaches und armseliges geistiges Leben ist.

Es gibt ein wunderbares französisches Sprichwort, das wie folgt lautet: Tout comprendre, c’est tout pardonner; „Alles verstehen, heißt alles verzeihen.“ Alle verborgenen Ursachen, die Resultate, das vergangene Schicksal, die gegenwärtige Stärke, die Versuchung, die Tugend, was es auch sein möge, zu verstehen – all dies zu verstehen, heißt, göttliches Wissen haben, und das heißt vergeben. Es ist ein wundervolles Sprichwort. Es muß – ich wage es zu behaupten – zuerst von einem Menschen geäußert worden sein, der von einer Erleuchtung berührt wurde. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß ich mir sage, wenn ich verletzt worden bin oder mich gekränkt und ungerecht behandelt fühle, selbst wenn das mir zugefügte Unrecht anscheinend offensichtlich ist: Wenn ich im Herzen meines Bruders, der mir Unrecht zufügte, lesen und in die weit entlegene Vergangenheit zurückblättern und sehen könnte, was ich ihm möglicherweise an Unrecht zugefügt habe, dann würde ich vielleicht erkennen, daß er sich jetzt des Unrechts, das er mir zufügte, genausowenig bewußt ist, wie ich damals das Unrecht nicht sah, das ich ihm antat. Ich kann den Schatz an Tugend, Glück und Frieden in dieser Welt nicht dadurch vermehren, indem ich mit dem Maßstab des Kampfes messe und noch mehr Wut und Haß in eine von Haß besessene Welt hineinbringe. Aber ich kann meinen Teil dazu beitragen, indem ich mein Selbst stärke, meinen Teil dazu beitragen, indem ich das tue, was ich selbst gelehrt habe: nämlich das ausüben, was ich predige und dafür etwas Licht aus dem Höheren in mir empfange, von dem Gott in mir. Friede und Glück sowie das Gefühl verstärkter Selbstachtung und mehr Mitgefühl entstehen daraus.

Wissen Sie, manchmal denke ich, daß Mitgefühl oder Mitleid die höchsten himmlischen Besucher im Tempel des menschlichen Herzens sind. Die alten Weisen sagten wiederholt, daß niemand, außer den Göttern, den Menschen wirklich exakte Gerechtigkeit widerfahren lasse, oder was sie für Gerechtigkeit halten und sich als ihr Recht einreden. Die Götter hören alles, sehen alles, fühlen alles, verstehen alles und sind von Mitleid erfüllt. Überlegen Sie einmal, welche Chance irgendeiner von uns Menschen wohl haben würde, der Verdammung zu entrinnen, wenn er ohne Milderung durch Mitleid und Weisheit auf der feinsten Waage der karmischen Gerechtigkeit gewogen würde? Nimmt irgendeiner von Ihnen an, daß seine Tugend und seine heilige Stärke so fleckenlos sind, daß sich die Schale nicht zu seinen Ungunsten neigen würde? Wenn ja, dann sind Sie sehr, sehr glücklich – oder sehr, sehr blind! Ich denke, wenn Sie eine solche fleckenlose Reinheit vergangenen Karmas hätten, dann wären Sie nicht als Mensch hier auf dieser Erde, um sich selbst Ihr eigenes Erbe zu erarbeiten.

Es ist wahr, daß die gesamte Menschheit dabei ist, künftig zu Göttern zu werden, und es gibt keinen erdenklichen Grund, warum wir nicht genau in diesem Augenblick beginnen sollten, der Göttlichkeit entgegenzuwachsen. Sie gewinnen alles, Sie erlangen alles, Sie verlieren nichts. Aus einem von vergangenem Karma getriebenen Sklaven werden Sie mit der Zeit zum Ordner Ihres eigenen Schicksals, denn Sie sind Ihr eigenes Erbe. Was für eine tröstliche Lehre! Wieviel Licht schenkt sie uns!

Wo sind die Weisen und Seher?

Die großen Weisen und Seher, die Meister der Weisheit und des Mitleids gehören keiner Rasse und insbesondere keinem Glaubensbekenntnis an. Sie sind Kinder des Geistes, erwachte Menschen, deren gewohntes Denken die Wahrheit selbst ist. Daher sind ihre Sympathien universal. Sie kennen keine Schranken der Rasse, der Kaste, des Glaubens oder der Hautfarbe. Sie sind Wahrheitssucher, Wahrheitslehrer. Die Theosophische Gesellschaft wurde von ihnen gegründet, um die Wahrheit zu verbreiten, die kosmische Weisheit, die kosmische Philosophie, die bereits bestand, ehe die Fundamente der mächtigen Berge gelegt wurden, ja, ehe die Söhne des Morgens anfingen zu singen und ihre himmlischen Hymnen anstimmten. Denn Wahrheit ist ohne Alter. Sie wurde nie geboren, sie ist nie nicht gewesen. Sie ist zeitlos, weil sie universal ist. Ihr Appell richtet sich an das Herz und den Geist aller Menschen. Es kommt nicht im geringsten darauf an, aus welchem Teil der Welt eine schöne Wahrheit gewonnen wird. Wann daher auch immer ein Mensch die siebensaitige Lyra des Apollo – sein Herz oder seine sieben Prinzipien – so gestimmt hat, daß sie wie eine Äolsharfe singt und klingt, wenn die himmlischen Winde sie berühren, dann ist er in dieser Zeit und so lange er auf dieser Bewußtseinsebene bleibt, einer der Weisen und Seher, ob seine Mitmenschen ihn erkennen oder nicht. Und das betrifft Sie und mich und alle Menschen, zumindest jeden, der möglicherweise so viel erreicht hat.

Und achten Sie auf das Versprechen in dieser Feststellung: Gerade weil wir Kinder der Unendlichkeit sind, nicht nur Söhne der Götter, sondern die wirklichen Abkömmlinge der himmlischen Räume, liegt das in uns, was mit ihnen im Einklang ist; das daher zeitlos ist, das daher unendlich ist, das daher ewig ist.

Wie wahr ist die alte Feststellung im Neuen Testament, die Sie mich so oft zitieren hören, weil die Christen dieser Tage sie so sehr aus den Augen verloren haben! Ich verbinde zwei dieser Feststellungen: „Wisset ihr nicht, daß ihr Götter seid und daß der Geist des Ewigen in euch lebt?“

Wo sind die Weisen und Seher? Nun, wo sie immer gewesen sind. Die Frage mag zunächst töricht erscheinen. Ich nehme aber an, sie entspringt dem Wunsch den Menschen zu erklären, warum die Meister die Menschheit nicht an die Hand nehmen und sie dazu verpflichten oder zwingen, anständig zu sein. Aber was würde das Gutes bewirken? Wie könnte man die Menschen durch Zwang überzeugen, daß dieses, jenes oder irgend etwas anderes wahr ist? Ist es nicht offensichtlich, daß die Menschen nur das glauben, was ihre eigenen Herzen sie lehren? Und daß sie nichts von dem annehmen – ganz gleich, was sie hören oder gelehrt bekommen mögen – was keinen Widerhall im menschlichen Herzen und eine sofortige Antwort im menschlichen Intellekt entstehen läßt, sondern daß sie dagegen Schlimmeres als eine Mauer aus Stahl in sich errichten?

Wahrheit ist ewig. Wahrheit ist immer bei uns, und die Verehrer der Wahrheit sind immer bei uns, waren immer bei uns und werden immer bei uns sein. Wir in unserer Torheit, Unwissenheit und Blindheit sind es, die sich weigern, sie zu empfangen. Öffnen Sie Ihr Herz und Ihren Geist, und das Licht wird hereinströmen. Es gibt das Versprechen aller Weisen, die die Menschheit je hervorbrachte. Die Lehrer sind stets bereit, wenn der Schüler bereit ist. Wenn wir heute keinen Beweis für die Meister in der Welt erkennen, so liegt es teilweise daran, daß wir zu dumm sind, teilweise daran, daß wir die Gottesweisheit in der Welt vergessen haben und teilweise daran, daß wir nicht hören wollen.

Ja, die Wahrheit wurde von den titanischen Intelligenzen der menschlichen Rasse festgelegt; und wessen Fehler ist es, wenn die Menschen sie nicht annehmen? Nicht der Fehler der Lehrer. Warum soll ich den tauben Himmel anrufen? „Wo bist Du, o Gott?“, wenn ich Streit, Elend, Verbrechen und Schrecken vorziehe? Von allen Martern des Stumpfsinns sehen wir hier einen Beweis mehr für den menschlichen Versuch, seine eigene Torheit und Unwissenheit selbst zu rechtfertigen. Man könnte ebensogut fragen: „Wo sind die Gesetze der Natur? Was ist aus ihnen geworden? Warum nehmen sie die menschliche Rasse nicht an die Hand?“ Ein schöner Gedanke! Selbst gewöhnliche menschliche Eltern wissen es besser. Normalerweise wird ein Vater oder eine Mutter nicht versuchen, mit Gewalt in die Entwicklung eines Kindes einzugreifen. So etwas hat nie funktioniert und wird nie funktionieren. Man kann einen Leoparden nicht dazu bringen, seine Flecken zu ändern. Keine noch so große Aushungerung, Kasteiung oder sogenannte strafende Rache wird je etwas anderes aus ihm machen als einen Leoparden – sondern nur seine eigene Evolution.

Verlangen Sie nach Wahrheit? Sie können sie haben, wann immer Sie wollen. Die Welt ist voll davon. Die großen Lehren der Zeitalter sind voll von ihr. Was hindert uns daran, sie zu sehen? Gibt es einen Menschen, der so blind ist wie einer, der nicht sehen will? Gibt es jemanden, der so stocktaub ist wie einer, der nicht hören will? Das sind einige der einfachen Wahrheiten, die jedem Kind bekannt sind. Wir ziehen jedoch Scheinheiligkeit, Heuchelei und Selbstgerechtigkeit der Wiedergutmachung der Untaten vor, die wir an anderen verübt haben und rufen dann die unsterblichen Götter um Hilfe an, wenn wir selbst unter unserer Torheit zu leiden beginnen. Ja, wir wählen die Heuchelei. Wie viele von uns können vor dem heiligen Tribunal im eigenen Herzen sagen: „Ich bin kein Heuchler. Ich bin rein. Ich danke Gott, daß ich nicht bin wie andere Menschen!“ Seien Sie ehrlich, ist Ihnen das nie in Herz und Sinn gekommen? Und sehen Sie nicht, daß das die erste Fessel ist, die Sie sich als Pilger selbst um ihre Glieder gelegt haben? Selbstrechtfertigung und Selbstgerechtigkeit? Sehen Sie nicht, daß Sie die eigenen Augen durch solches Handeln blind machen?

Wie wahr ist es, daß die Wahrheit nicht populär ist; daß die Wahrheit nicht willkommen ist, daß die Menschen sie nicht mögen. Warum? Weil sie Veränderung bedeutet. Sie bedeutet eine Evolution des Fühlens und Denkens. Sie bedeutet eine Revolution der moralischen Instinkte, um wieder lebendig und kräftig zu werden. Der erste Schritt, um mit den großen Lehrern bekannt zu werden, um individuelles Wissen von ihnen aus erster Hand zu erhalten, besteht darin, ihnen, soweit wir wollen und können, gleich zu werden. Es gibt keinen anderen Weg. Das Herz muß um jeden Preis der Wahrheit geweiht werden. Sind Sie stark genug? Wenn Sie es sind, dann sind Sie bereit für Chelaschaft, für Schülerschaft; und Sie werden ein Schüler sein, ehe dieses Leben für Sie zu Ende sein wird, ja vielleicht, ehe der morgige Abend den Untergang Ihres Tagesgestirns sieht.

Die Meister, die großen Weisen und Seher, sind stets für Sie bereit. Es gibt auf dem Weg zu ihnen keine Schranken, außer Ihrem eigenen Selbst, absolut keine; wenn Sie die Chelaschaft nicht in diesem, im nächsten oder im darauffolgenden Leben erreichen, so tadeln Sie niemanden außer sich selbst. Wie können Sie ein Schüler oder Chela werden, bevor Sie bereit sind, ehe Sie es geworden sind? Wie können Sie das Licht sehen, ehe Sie Augen haben, es zu sehen? Wie können Sie Schönheit würdigen oder von Schönheit angerührt werden, ehe Schönheit in Ihrer Seele geboren ist, so daß die Schönheit in Ihnen die äußere Schönheit wahrnehmen kann? Wie vermögen Sie einen großen Menschen zu erkennen, ehe Sie nicht wenigstens eine Größe in sich selbst geboren haben, um sich zu befähigen, Größe zu erkennen? Wenn Sie armselig, klein und gering sind, wie können Sie dann das Gegenteil davon erkennen?

Es ist wie bei den Menschen, die unwissend durch die Welt gehen, blind und taub für die göttliche Schönheit in ihren eigenen Mitmenschen. Einer der leichtesten Wege, Schönheit zu finden, Wahrheit zu finden und schneller in sofortige magnetische Sympathie mit den Mitmenschen zu kommen, ist, selbst mitfühlend und sehend zu werden. Wenn ein Mensch in seiner Seele keine Sympathie hat, wie kann er dann die Sympathie in den Seelen anderer fühlen? Wenn er keine Schönheit in seinem Herzen trägt, wie kann er irgendwo Schönheit sehen oder, wie der englische Dichter Shakespeare sagte:

Der Mensch, der nicht Musik im Herzen trägt,
den Einklang süßer Laute nicht bewegt,
ist fähig zu Verrat, zu List und Raub.

Sie werden niemals das Meister-Selbst sehen, ehe Sie nicht in sich selbst meistergleich geworden sind. Weil Sie ihn nicht erkennen würden. Es wäre unmöglich. Sie haben die innere Vision, die inneren Fähigkeiten dazu nicht entwickelt; dennoch sind diese Fähigkeiten vorhanden.

Diese Weisen und Seher existieren heute. Sie nehmen Schüler an, um es mit gewöhnlichen Worten zu sagen. Ja, mehr noch, sie streifen forschend und suchend durch die Welt, nicht so sehr wie Diogenes nach einem ehrlichen Menschen, sondern überall nach gutem Material, nach empfindsamen menschlichen Seelen Ausschau haltend; sie suchen, wo immer sie einen auch noch so schwachen Schimmer buddhischen Glanzes in einem Menschenherzen sehen können; und wenn sie ihn sehen, wird ihre Aufmerksamkeit sofort angezogen. Sie fühlen den Anstoß sofort in ihrem eigenen Herzen. Sie nähern sich, sie helfen, sie inspirieren, sie tun alles, um die zitternde Flamme der Vision und des Fühlens zu nähren. Sie nähren sie und pflegen sie, bis die Flamme schließlich stark brennt und der Mensch wiedergeboren ist, nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist wiedergeboren, durch die Inspiration von innen und durch den Lehrer von außen.

Über und jenseits und hinter diesen Weisen und Sehern steht deren eigenes großes Oberhaupt. Welch wunderbare Gestalt himmlischer Weisheit und Schönheit, ganz dem Geiste geweiht und der Welt und allem, was darin ist, ohne Rücksicht auf Rasse, Nation, Glaubensbekenntnis, Kaste, Hautfarbe oder Geschlecht! Dieses Wesen ist ein Gott. Theosophen sprechen von ihm in Ehrerbietung und Ehrfurcht als dem Stillen Wächter. Er ist der Höchste der Meister. Er ist einer von uns, unser eigener hervorragender Führer, Lehrer, Freund, Bruder und, soweit wir Menschen in Betracht kommen, die Quelle aller Erleuchtung, Weisheit, Schönheit und Liebe. So daß wir in den tieferen Bereichen der theosophischen Lehren mit großer Ehrfurcht, aber auch in aller Wahrheit sagen können, daß hinter unserer ganzen Arbeit, wie unvollkommen wir Menschen diese auch leisten mögen, als Ursprung und als Inspiration diese große Gottheit steht.

Welch eine Hoffnung! Welches Wunder, auf das wir schauen können! Ich glaube, daß es heute Millionen, Hunderte von Millionen von Männern und Frauen in dieser Welt gibt, die in Demut und erfüllt von universaler Liebe danach hungern, sich weiter zu entwickeln und für immer voranzuschreiten. Oh, daß sie sich alle zu einer Gemeinschaft unpersönlicher Arbeiter zusammenschließen könnten! Welche Macht wären sie dann in der Welt! Nicht länger würde der Verstand des Menschen durch Probleme verwirrt werden, die aus seiner Selbstsucht entstanden sind. Nicht länger würde die Menschheit durch Armut, Elend und die meisten Sünden, die jetzt existieren, und durch den furchtbaren entsetzlichen Jammer in Mitleidenschaft gezogen. Ich denke manchmal, daß die rührendste, die herzzerreißendste Geschichte in der Welt unter unseren Mitmenschen jene ungehörte Geschichte ist, die sich in der stummen Qual der Stille ereignet. Oh, wie die Menschen so unnötig leiden!

Ich kenne keinen erhabeneren Titel als jenen, den ich unseren großen Lehrern gebe: Freunde der Menschheit und aller lebenden Wesen!

Verlagern wir unser Bewußtseinszentrum

Woran krankt die Welt? Lassen sich ihre Leiden durch eine veränderte Politik oder durch die Änderung von Regierungsformen heilen, die im Laufe der Zeit selber einem Wechsel unterliegen? Oder lassen sich die Leiden der Welt durch eine Veränderung des Denkens und Herzenslebens kurieren, was ganz sicher wirksame Resultate hervorbringen würde, deren Notwendigkeit heute jeder normale Mensch fühlt – wenn auch nur, um die sich zu einer von allen mehr oder weniger als bedrohlich empfundenen Krise ansammelnden psychischen Energien in ungefährliche Kanäle abzuleiten? Wie steht es aber mit der Politik? Wenn wir uns auf sie verlassen müßten, würde die verzweifelte Lage der heutigen Welt, so glaube ich, gänzlich hoffnungslos sein. Aber glücklicherweise gibt es einen Ausweg.

Ich war immer der Ansicht, daß der Theosoph als Einzelner der ihm zusagenden Politik zustimmen kann. Ebenso meine ich aber auch, daß die ethischen Dinge, individuell und gemeinschaftlich, einen unvergleichlich praktischeren und interessanteren Bereich des menschlichen Lebens ausmachen. Politische Theorien wechseln und ändern sich von Jahrhundert zu Jahrhundert, wenn nicht noch öfter. Was im einen Zeitalter als die richtige Art für die Führung der Welt angesehen wird, wird für gewöhnlich in der darauffolgenden Epoche verworfen. Die Menschen streiten meist wie besessen um politische Überzeugungen; in den grundsätzlichen Wahrheiten der Moral oder der Ethik stimmen jedoch alle überein. Die großartigen Lehren der Philosophie und die aus der Religion gewonnene Inspiration – im Unterschied zur Religion selbst – sind aufgrund ihrer Wichtigkeit für das menschliche Denken und die Vorstellungskraft von außerordentlicher Bedeutung. In der Regel wenden sich die Menschen nur dann der Politik zu, wenn sie ihr Vertrauen in religiöse Belange verloren haben oder wenn sie die Philosophie als ein trockenes System leerer Spekulation ohne praktischen Wert kennengelernt haben. Sie hoffen in der Politik etwas zu finden, was ihnen als interessante, manchmal leider auch einträgliche Beschäftigung erscheint, und als Ventil für verborgene Energien dient.

Was die manchmal diskutierte Frage bezüglich des persönlichen Besitzes von Geld und Eigentum betrifft, so glaube ich als Schüler und Anhänger des alten, überlieferten Pfades der Jüngerschaft, daß kein dauerhaftes, anhaltendes und echtes Glück jemals im Besitz materieller Dinge gefunden werden kann. Mit anderen Worten, ich bekenne mich zur alten, im Neuen Testament nachzulesenden Feststellung, und ich akzeptiere sie, die auf einen Nenner gebracht etwa lautet: „Du kannst das Reich der Götter nicht betreten, es sei denn, Du verläßt Vater und Mutter, Weib, Kind und Besitztum und folgst mir nach.“ Augenscheinlich kann dieses strenge Gebot nur auf jemanden angewendet werden, der mit jener erhabenen Bruderschaft edelherziger Menschen eins werden möchte, die ihr ganzes Leben der Besserung der gesamten menschlichen Rasse gewidmet haben, denn wenn ein Schüler noch Familienbindungen hat oder Besitz sein eigen nennt, ist er daran gebunden, und seine Energien und Interessen werden dadurch mehr oder weniger zerstreut und verbraucht.

Dies bedeutet in keiner Weise, daß ein Mensch das Recht hat, auch nur seine kleinste Pflicht zu vernachlässigen, wenn er sie einmal übernommen hat; noch sollte er Vater, Mutter, Ehefrau, Kind oder selbst seinen Besitz verlassen, es sei denn, er hat für die von ihm Abhängigen angemessene, gerechte und großzügige Vorsorge im besten Sinne des Wortes getroffen sowie die sorgfältige Verwaltung des Besitzes sichergestellt, von dem jeder anständige Mensch erkennen muß, daß ihm die Zufriedenheit der anderen damit anvertraut ist. Bedenken Sie, daß das künftige Schicksal eines Menschen davon abhängt, woran sein Herz jetzt am stärksten hängt. Wie kann sich jemand, dessen Herz allein daran hängt, für sich und die mit ihm verbundenen Menschen persönlichen Besitz zu erwerben, von den Fesseln persönlicher Bindungen befreien, den Banden, die ihn fest an das weltliche Leben fesseln? Natürlich nicht mit Hilfe der Politik; sondern mit Ethik und Religion sowie Philosophie und echter Wissenschaft, denn richtig verstanden bedeuten sie: Liebe diese Dinge nicht, hänge dein Herz nicht an sie, so daß dein Herz dadurch gefesselt, gebunden und in Ketten gelegt wird. Gebrauche sie nur in einer solchen Weise, wie Du alle anderen guten Dinge der Erde gebrauchst; aber benutze sie als ihr Meister, nicht als ihr Sklave.

Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich hier ein für allemal sagen, daß ich für die Handlungsweise eines Menschen absolut keine Nachsicht und keine Sympathie aufbringen kann, der die von ihm Abhängigen verläßt, weil er seinen eigenen Fortschritt im Sinne hat, selbst wenn es ein spiritueller wäre. Niemand kann einen größeren Pflichtenkreis erfüllen, wenn er vorsätzlich und rücksichtslos seine kleineren Pflichten vernachlässigt und ignoriert. Wer zu allen Zeiten und an jedem Platz auch seine weltlichen Pflichten erfüllt, ist auf dem rechten Pfad. Sollte es sich ereignen – und das ist einer der seltenen, außerordentlich seltenen Fälle –, daß jemand den Ruf hört, er möge dem Pfad der Chelaschaft, der Jüngerschaft folgen, dann kann der richtige Anfang dazu nicht darin bestehen, durch Nichterfüllung bereits eingegangener Verpflichtungen die Rolle eines Feiglings zu spielen. In jedem Fall kann er nur dann frei werden, wenn er diese Pflichten zuerst restlos erfüllt hat, und zwar auf ehrliche, aufrichtige und gütige Weise, im gegenseitigen Einverständnis mit jenen, die von ihm abhängig sind, und erst nachdem er für sie gesorgt hat; oder er findet, wenn er bereits entsprechende Vorsorge getroffen hat, eine gegenseitige Übereinkunft, daß er nach einer gewissen Übergangszeit dem Gebot seiner Seele frei folgen darf. Auf keinen Fall verhält sich ein Theosoph wie ein unsozialer Mensch. Er erfüllt seine sozialen Verpflichtungen genausogut wie jeder andere. Er bekennt sich zur Ehe. Er versucht, ein guter Bürger, ein guter Ehemann und Vater, ein guter Sohn und Bruder zu sein und seine Pflicht gegenüber dem Staat, in dem er lebt, zu erfüllen. Dies gilt für alle ohne Ausnahme.

Ein Theosoph, der an die Bruderschaft und den Frieden glaubt und sie lehrt, was die Verbesserung und Veredlung aller Arten der menschlichen Beziehungen einschließt, ist de facto auch von der Notwendigkeit von Gesetz und Ordnung überzeugt und bekennt sich zur bestehenden Obrigkeit; und als guter Bürger erkennt er seine Pflichten seinem Land gegenüber an und gehorcht den Gesetzen, unter denen er lebt. Er erkennt, daß er wegen seines Glaubens an die Bruderschaft als eine universale Tatsache in der Natur als erster selbst damit beginnen muß, in seinen Handlungen und in seiner Lebensführung ein lebendes Vorbild für Ordnung, guten Willen und willfährige Unterordnung unter die Gesetze des Landes, in dem er lebt, zu geben; dabei sucht er auf jede gesetzliche und geeignete Weise eine Verbesserung der Sozialstruktur zu erwirken und unvollkommene oder schlechte Gesetze zu verbessern; und er handelt als einzelner seinen Mitmenschen gegenüber so gut er nur kann.

Mit diesen kurzen, sehr aphoristischen Bemerkungen will ich sagen, daß wir als ernsthafte Menschen immer danach streben sollten, die rein persönlichen und selbstsüchtigen Bande zu schwächen, die den beschwingten Flug unserer Seelen in höhere Regionen hemmen. Gerade diese selbstsüchtigen Wünsche und Bande sind es, die durch die Konflikte und Schwierigkeiten mit uns selbst und mit anderen, die ebenso selbstsüchtig denken und ähnlich handeln, den größten Teil des menschlichen Elends und des moralischen Niedergangs in der Welt verursachen.

Es ist nicht das Geld an sich, das die Wurzel allen Übels ist; es ist das selbstsüchtige Verlangen danach. Geld kann in den Händen eines edlen, weisen und guten Menschen durchaus ein sehr nützliches Instrument sein, um der Menschheit zu helfen. Das Übel und der sich daraus ergebende falsche Umgang kommt daher, daß wir es zum Nachteil jener, die uns nicht so nahe stehen, in selbstsüchtiger Liebe entweder für uns allein oder zumindest nur für unsere nächsten Angehörigen verwenden. Darum lehrte Jesus, der Avatāra, gleich den großen Weisen und Sehern aller Zeitalter: Hängt euer Herz nicht an irdische Dinge. Versenkt euch vielmehr in die unergründlichen Tiefen des Geistes in eurem Innern. Dort werdet ihr vollkommene Freiheit, unermeßlichen Frieden und unaussprechliche Glückseligkeit finden.

Weise ist jener Mensch, der in der Welt lebt und die Dinge dieser Welt benützt – nie mit einer rein weltlichen Gesinnung, sondern mit Weisheit, Güte und mit der gebührenden Rücksicht auf die Rechte anderer, vor allem aber mit einem Herzen, dem nichts an diesen weltlichen Dingen liegt und das dafür keine Zuneigung spürt. Das ist der Chelapfad, das ist der Schülerpfad – zumindest dessen Anfang. Dies ist die Begründung für meine Antwort auf die mir mehr als einmal gestellte Frage: „G. de P., falls Ihnen jemand zehn Millionen Dollar geben würde, würden Sie diese annehmen? Und wenn ja, was würden Sie mit diesem Geld anfangen?“ Meine spontane Antwort war: „Ich würde das Geld mit Freuden annehmen und es samt und sonders für nützliche Zwecke bestimmen, die dem Wohle der Menschheit dienen. Ich selbst will keinen einzigen Penny. Ich bin zu persönlicher Armut verpflichtet. Aber ich bin kein Idiot. Ich weiß um die Macht eines guten Mittels, und Geld und Besitz können und sollten Instrumente für etwas Gutes sein. Es sind nicht diese Dinge an sich, die Schaden verursachen. Es ist vielmehr unsere selbstsüchtige Reaktion auf ihren Einfluß, der nicht nur für uns, sondern auch für andere verderblich ist.“

Obgleich sich die Theosophische Gesellschaft als Körperschaft strikt der politischen Tätigkeit enthält, kann sich jedes Mitglied dennoch zu den ihm genehmen politischen Richtungen bekennen und sie unterstützen. Meiner Überzeugung nach nähert sich die Welt dem Zeitpunkt, wo sie sich darüber klar werden muß, daß die einzige Methode, mittels derer sich die Menschen „selbst retten“ können, um einen altmodischen Ausdruck zu gebrauchen, und dies gilt auch für die Methode, wie „die Welt gerettet“ werden kann, eben die ist, etwas zu sein und nicht die, zu predigen – ob dies nun politische, philosophische oder religiöse Predigten sind. Die Politik, wie wir sie heute verstehen, wird wie ein Trugbild verschwinden, wie eine meiner Ansicht nach abscheuliche Täuschung, wenn sich die Menschen erst einmal darüber klar werden, welche Reichtümer im menschlichen Herzen liegen, welche großen, verborgenen Mysterien: Liebe und Bruderschaft, Mitleid und Friede, die Achtung des Menschen vor dem Menschsein sowie die Fähigkeit, zu wachsen und den Verstand und die moralischen Empfindungen zu erweitern. Dort allein liegt die Quelle seines Verlangens, seinem Gefühl für Recht und Gerechtigkeit allem und jedem gegenüber freien Lauf zu lassen und für sie einzustehen. Dies sind die großen Dinge, die in der Welt sichtbar werden sollten, für das Wohl aller. Ich bin überzeugt, daß eines Tages ein großer Mensch mit einer spirituellen und intellektuellen Idee oder einer ganzen Reihe solcher Ideen erscheinen wird, mit Gedanken, die der gegenwärtig schlingernden Zivilisation einen zuverlässigen Weg zu Sicherheit, menschlicher Eintracht und Frieden zeigen können. Das bedeutet keinen Zusammenbruch, wie einige fälschlicherweise annehmen, sondern einen neuen gedanklichen und ideellen Überbau, begründet auf einem edelmütigen, leistungsstarken sozialen Fundament. Letzten Endes sind es doch die Ideen, welche die Welt regieren. Weil die Menschen fälschlicherweise annehmen und dem Denkfehler erliegen, daß Geld, Besitz und Politik an sich etwas Wertvolles sind, und daß Politik als solche einen inneren Wert hat, halten diese schwachen Instrumente oder Produkte menschlichen Strebens die Menschheit fest im Griff und breiten ihre Schwingen über den Herzen der Menschen aus.

Menschen machen Politik, Menschen machen Geld, es sind Menschen, die Dinge, Besitztümer und Zivilisationen zustandebringen. Ideen regieren die Welt, und auch sie haben ihren Ursprung im Menschen. Es ist notwendig, unsere Ideen zu ändern und Ideen zu folgen, denen edle Gedanken zugrunde liegen, Ideen, die auf universaler Bruderschaft gründen, Ideen von innerer, moralischer Schönheit und spiritueller wie intellektueller Größe; Ideen, die nach und nach nicht nur einen brüderlichen Zusammenschluß der Völker dieser Erde bewirken, sondern den Zusammenschluß all der kleineren sozialen Gruppen, die eine Nation ausmachen. Dann, wenn diese Ideen unser Bewußtsein durchdringen, werden wir es nicht mehr nötig haben, uns um kleinliche Politik und um die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit von Privatbesitz oder ähnlichem zu kümmern. Die menschliche Welt wird dann so leicht und leise wie ein gut konstruierter Mechanismus funktionieren und auf unserem gesamten Globus werden Glück und Frieden einkehren.

Das ist nicht das Luftschloß und die vage Vision eines idealistischen Träumers. Es ist eine Realität, die sich verwirklichen läßt, wenn wir einfach damit beginnen, unser Denken und unsere Gefühlswelt neu zu orientieren und neue Standards für menschliches Verhalten zu schaffen. In solch einer neuen Welt wird man die Menschen nicht allein danach beurteilen, was sie tun oder welcher Arbeit sie nachgehen, sondern danach, was sie denken, denn Gedanken brüderlichen und menschlichen Wohlwollens werden in aufbauende Tätigkeit umgesetzt. Man wird die Menschen nicht danach beurteilen, was sie besitzen oder ihr eigen nennen. Die Besitzverhältnisse werden nicht als Maßstab dafür gelten, ob jemand rechtschaffen und anständig oder angesehen ist.

Wir müssen unseren moralischen Schwerpunkt auf das Feld der Ethik verlegen, wo er richtigerweise und der Wahrheit entsprechend hingehört, und nicht auf Besitzerwerb, wie das aufgrund unglücklicher historischer Umstände während der letzten Jahrtausende fälschlicherweise geschehen ist. Es ist wesentlich leichter, unsere Wertvorstellungen in einen ihrer Natur angemessenen und legitimen Bereich zu verschieben, als für weitere Jahrhunderte damit fortzufahren, sich in furchtbare internationale oder vernichtende Auseinandersetzungen zu verwickeln, erfüllt zu sein von boshaften Feindseligkeiten und nicht enden wollenden Haßausbrüchen, die das soziale und politische Leben aus dem Gleichgewicht bringen und folglich bedrückendes Elend für uns alle heraufbeschwören. Es gibt kein einziges logisches oder vernünftiges Argument, das man gegen die Notwendigkeit einer Verlagerung unseres Bewußtseins vorbringen könnte, außer Ignoranz, Vorurteil und hoffnungslose menschliche Dummheit. Dies alles entspringt einer Trägheit, die letzten Endes darauf zurückgeht, daß unser moralisches Empfinden noch schläft und wir beständig davon ausgehen, daß es nicht in unseren eigenen Kräften steht, unser Schicksal zum Besseren zu wenden.

Wenn sich die Menschen dieser Erde nicht zu einer neuen Lebensauffassung durchringen und nicht damit beginnen, eine Änderung ihrer mentalen und psychischen Gewohnheiten zu vollziehen und die Ereignisse weiterhin durch die verzerrenden Linsen der heute gültigen Wertbegriffe betrachten, dann könnte es sich sehr schnell bewahrheiten, daß unsere bereits schwer angeschlagene Zivilisation Gefahr läuft, in ein solches Chaos der Konfusion, der Verzweiflung und des menschlichen Elends zu stürzen, wie es die Annalen der bis heute bekannten Geschichte noch nicht verzeichnet haben. Die in Nationen zusammengeschlossenen Völker der Erde müssen lernen, einander mit Achtung, einem feinen Gespür für Würde und mit der Fähigkeit des gegenseitigen Dienens zu begegnen, anstatt weiterhin Verhaltensweisen zu praktizieren, die sich auf die wackeligen Fundamente des Opportunismus, der Zweckdienlichkeit und der Bequemlichkeit stützen, die in der Vergangenheit so oft die internationalen Beziehungen beherrscht und überschattet haben und dadurch zu dem Eindruck führten, daß der moralische Standard zwischen den Nationen möglicherweise noch weit unter dem des Mannes auf der Straße liegt. Die Lage der Dinge ist indessen keineswegs hoffnungslos, denn das Heilmittel ist einfach, praktisch und praktikabel. Was wir tun müssen ist einfach den Schwerpunkt unseres Bewußtseins von der Politik und vom Profit auf die Bereiche der Moral und der gegenseitigen Hilfsbereitschaft zu verlagern. Selbst ein Geschäftsmann mit durchschnittlicher Intelligenz hat heutzutage begriffen, daß ein erfolgreiches Unternehmen auf Ehrlichkeit und Service aufgebaut sein muß. Sonst ist ein Fehlschlag unausweichlich. Es gibt wahrhaftig keine glaubhafte Begründung dafür, daß die Nationen nach Methoden handeln sollten, die der Durchschnittsmensch für sich selbst als beschämend betrachten würde. Das ganze Geheimnis liegt darin, den Standpunkt und die Blickrichtung zu ändern. Die augenscheinlichen Schwierigkeiten würden dann als das erkannt, was sie sind, als Täuschungen. Man sollte sie bereitwillig beiseite schieben und gegen die Normen vertauschen, die einen sicheren Weg zu Fortschritt, Glück und Frieden garantieren.

Wenn ich vom Verlust des Gefühls für ethische Werte in den letzten Jahrhunderten spreche, weil sich unser Bewußtseinsschwerpunkt bei der Wahrnehmung unserer nationalen und individuellen Interessen allein um Besitztum drehte, dann möchte ich nachdrücklich nicht den Eindruck erwecken, als wäre ein Theosoph irgendwie blind dafür, sich dessen unbewußt oder würde es gleichgültig hinnehmen, wenn in manchen Fällen Menschen in der Welt großes und herzzerreißendes Elend durchmachen müssen, weil es an geeigneten Mitteln oder an Unterstützung mangelt. Ganz im Gegenteil. Wir zeigen vielmehr solche Zustände auf, um die Macht zu illustrieren, die materielle Besitztümer auf das menschliche Herz und den menschlichen Verstand ausüben; denn das ungesunde Jagen des Menschen nach Wohlstand und das Verlangen nach persönlicher Bereicherung, selbst auf Kosten seiner Mitmenschen, hat ihn für die erste aller menschlichen Pflichten blind gemacht: brüderliche Rücksicht zu nehmen, Achtung zu empfinden und, wo es nötig ist, einem Mitmenschen, dessen Karma – oder Schicksal – weniger glücklich ist als das seinige, Hilfe angedeihen zu lassen.

Es ist ermutigend zu bemerken, daß in letzter Zeit in den verschiedenen Ländern der Welt, sowohl bei den Staaten als auch bei den einzelnen Menschen, die allgemeine Tendenz dahin zielt, mit allen Mitteln zu versuchen, die Not der Bedürftigen zu lindern. Daneben wächst das Verständnis, daß die wirklichen Werte nicht im Besitz liegen, sondern jene sind, die sich in menschlicher Wohltätigkeit und in Ausübung der universalen Bruderschaft äußern, die jede gut organisierte und dauerhafte Gesellschaftsstruktur auszeichnet.

Einige der edelsten Menschen, die jemals gelebt haben, erduldeten alle Qualen der persönlichen Demütigung und wurden durch größte Armut benachteiligt, während Unwürdige bzw. Unfähige, wie die Geschichte oft zeigt, über große Reichtümer verfügen. Die Welt bewegt sich schnell auf einen Zeitpunkt zu – vorausgesetzt, der Lauf der Welt wird nicht durch eine Katastrophe gestoppt oder aufgehalten –, an dem man viel besser als heute erkennen wird, daß jeder Mensch ein angeborenes Recht auf „Leben, Freiheit und einem Streben nach Glück“ hat, um die Worte der Amerikanischen Verfassung zu gebrauchen, und daß es für ein aufgeklärtes Staatswesen eine der edelsten Pflichten ist, nicht nur für alle gleiche Vorbedingungen zu schaffen, sondern jenen aktiv Beistand zu leisten, die aus dem einen oder anderen Grund, oft sogar zu ihrem Vorteil, keine Reichtümer um sich sammeln konnten. Solche Dinge, wie die Notwendigkeit der Altersversorgung, kostenlose Ausbildung und Arbeitsbeschaffung für jeden Arbeitswilligen, sind heute mit Recht allgemeine Diskussionsthemen.

Und obwohl ich das und viel mehr zugestehe, und nachdem ich festgestellt habe, daß die oben erwähnte Richtung sich zum Guten entwickelt, ergreife ich die Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß in der Vergangenheit die Wurzel allen Übels in der Welt darin lag, daß unser menschlicher Sinn für dauerhafte Werte falsch ausgerichtet war – mehr auf den Besitz als auf das, was dem Menschen innewohnt. Die natürliche und unvermeidliche Folge davon hat ihren Höhepunkt in der gegenwärtigen, weltweiten Unruhe, dem Konflikt und den endlosen Streitereien gefunden, in Diskussionen bis zum Erbrechen über Rechte und Mißstände; aber es findet sich selten ein Gespräch über die Pflicht, die ein Mensch seinem Mitmenschen schuldig ist. Der Tag wird kommen, an dem sich der Schwerpunkt unseres moralischen Bewußtseins vom materiellen Besitz als dem Dreh- und Angelpunkt unserer Zivilisation abwendet und in den Menschen hinein verlagert, dem Zentrum aller bedeutendsten und ursprünglichen Werte, und dann werden 99 Prozent der Ausbrüche von Agitation, der Wirrnisse und der Fälle von Gewaltanwendung verschwinden; alle menschlichen Beziehungen werden auf internationaler, nationaler, sozialer und politischer Ebene automatisch in Ordnung kommen und dem Allgemeinwohl dienen. Universale Bruderschaft – nicht nur eine unbestimmte Sentimentalität, sondern die Erkenntnis der auf den Gesetzen der Natur beruhenden menschlichen Solidarität – ist daher der Schlüssel zur Errichtung jeder echten Zivilisation. Ohne sie kann keine Zivilisation bestehen.

Altruismus

Wenn der Mensch etwas über Altruismus hört oder liest, neigt er zu der Vorstellung, er sei etwas uns Fremdes. Er sei dem menschlichen Leben als etwas höchst Erstrebenswertes aufgedrängt worden, sei aber letzten Endes völlig undurchführbar – das heißt, Altruismus gehöre nicht zu den natürlichen menschlichen Eigenschaften. Mit anderen Worten: Alle sind von der Idee des isolierten Eigennutzes gefangen. Ist aber diese Annahme nicht völlig unbegründet in der Natur? Wo immer wir auch hinsehen, was immer wir auch betrachten oder studieren: wir finden, daß das Einzelwesen, das für sich allein arbeitet, hilflos ist. In allen großen Reichen des Universums versucht die Natur die gemeinsame Anstrengung aller hervorzubringen, die Zusammenarbeit von Lebensgemeinschaften, die wir deshalb auch überall finden können, und alles, was diesem Gesetz des Universums – Einheit im Handeln – zuwider- oder entgegenläuft, erzeugt Disharmonie, Streit und das, was wir in unseren Körpern als Krankheit bezeichnen. Gesundheit ist jener Zustand des körperlichen Organismus, bei dem alle Teile auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, was wir als Freundschaft oder Übereinstimmung bezeichnen können.

Betrachten Sie die Steine: Sind sie keine Gemeinschaften, sind sie keine Verbindungen von Individuen, die ein Ding bilden, machen oder erzeugen? Kein einziges Atom irgendeines chemischen Elementes, aus dem ein Stein gebildet ist, ist der Stein selbst. Wie ist es bei der lieblichen Blume? Wie ist es bei den Körpern, in denen wir leben? Wie ist es beim einzelnen Menschen? Könnte er die großen Werke allein bewerkstelligen, für deren Vollendung viele ihre Genialität aufboten? Was ist Zivilisation denn anderes, als die vereinten Anstrengungen von Menschen, um große und edle Wirkungen für das menschliche Leben hervorzubringen – die Annehmlichkeiten zu steigern, Gefahren zu bannen, die genialen Werke fortgeschrittener Menschen zu verwirklichen, die zu unserem eigenen Komfort und Nutzen beitragen. Nennen Sie mir ein einziges Beispiel, wo reines Eigeninteresse irgend etwas hervorgebracht hat. Wenn wir die Natur mit all ihren Reichen hinzuziehen, finden wir nichts anderes vor als gemeinschaftliche Zusammenarbeit, durch eine Vielzahl von Einzelwesen zustandegebracht, die für ein gemeinsames Ziel kooperieren. Und was ist das anderes als Altruismus? Altruismus ist das Wort, mit dem wir diese Tatsache bezeichnen, wenn wir ihre ethische Bedeutsamkeit sehen, und diese Bedeutsamkeit unterscheidet sich in keiner Weise, weder im Großen noch im Kleinen, von dem, was wir in der physischen Welt sehen. Altruismus bedeutet das Wirken des Einzelnen für das Ganze – das ist das Grundgesetz der Natur in all ihren großartigen Strukturen –, und das Ganze ist der Schutz, der Schild und das Tätigkeitsfeld des Einzelnen. Denken Sie an die tiefe moralische Lektion, an die Schlußfolgerung, die aus dieser größten Wahrheit – nicht Geheimnis, sondern Wahrheit – des Universums zu ziehen ist. Es vollzieht sich in unserer Umgebung so allgemein, daß wir normalerweise mit blinden Augen darüber hinweggehen, ohne es zu sehen. Nennen Sie mir etwas, das nur für einen einzigen Augenblick einsam und allein existieren kann.

Zwei oder mehrere Atome, die sich verbinden, bilden ein Molekül; zwei oder mehrere Moleküle bilden eine größere Einheit; und die unzähligen Mengen solcher Einheiten sind es, die das Universum bilden. Jede einzelne Wesenheit, die dem unedlen Pfad des isolierten Eigennutzes zu folgen versucht, setzt ihren winzigen Willen gegen die Kraft ein, die die Sterne in ihrer Bahn hält, die unseren Körpern Gesundheit verleiht, die die Zivilisationen hervorbringt und alle Wunder um uns herum bewirkt.

In diesem Zusammenhang gibt es einen Punkt in der Lehre, dessen Einführung in die heutige Welt sehr wichtig ist, und zwar die Hoffnung. Sie kennen die alte, griechische Geschichte von einer gewissen, sehr neugierigen und wißbegierigen Person, die eine Schachtel öffnete, aus der alle Übel der Welt herausflogen und nur die Hoffnung blieb darin zurück. Ich denke, diese Geschichte enthält sehr viel Wahrheit, die für die Lebensprobleme von praktischer Bedeutung ist. Solange ein Mensch Hoffnung hat, verzweifelt er nicht. Sei er schwach oder stark, es spielt keine Rolle, solange er Hoffnung hat, solange er etwas hat, dem er entgegensehen kann; wenn sein innerer Geist, das spirituelle Wesen in ihm, ihn etwas von der Hoffnung lehrt, dann wird er nicht nur niemals verzweifeln, sondern er wird auch ein Erbauer, ein Konstrukteur sein, einer, der mit dem Universum zusammenarbeitet, weil er sich vorwärts bewegen wird. Und das ist Altruismus.

Wir sind alle Kinder des Universums, seiner physischen, seiner spirituellen und seiner göttlichen Seite. Da dies so ist, befindet sich in jeder menschlichen Brust nicht nur eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, sondern auch des Wachstums, der Hoffnung, der Weisheit und der Liebe, so daß die heutige Welt, obwohl sie anscheinend in einer verzweifelten Verfassung, in einem gefährlichen Zustand ist, immer noch genügend Frauen und Männer hat, um die evolutionäre Welle des Fortschritts über die gegenwärtigen Unruhen und Auseinandersetzungen hinüberzutragen; denn der größte Teil der Menschen ist im wesentlichen mit seinen natürlichen Instinkten, besonders mit den höheren, auf dem richtigen Weg.

Daher sehe ich die heutige Weltlage überhaupt nicht als besonders hoffnungslos. Ich glaube deshalb nicht nur, daß Grund zur Hoffnung vorhanden ist, sondern daß der unsterbliche Funke der Spiritualität, der Weisheit und der selbstlosen Liebe, der immer im menschlichen Herzen lebendig ist, die Menschheit nicht nur durch ihre gegenwärtige Reihe von Hindernissen und Schwierigkeiten hindurchführen, sondern auch in hellere Zeiten bringen wird; heller, weil sie weiser und freundlicher sein werden. Nicht die Krisen, wenn die Dinge zusammenbrechen oder anscheinend zusammenstürzen, nicht das schreckliche Krachen des Donners oder der Strahl des Blitzes regieren die großen Funktionen des menschlichen und kosmischen Lebens, sondern es sind jene langsamen, für uns Menschen immer ruhigen, unaufhörlichen, stillen Vorgänge, die wirken: die wirken, wenn wir wachen, und die wirken, wenn wir schlafen, die zu jeder Zeit wirksam sind. Selbst in der Menschheit – all ihren Torheiten trotzend – führen sie diesen Aufbau in der Zukunft fort.

Hierin liegt der Grund unserer Hoffnung; und ich glaube, daß sich alle guten und aufrichtigen Menschen zur Verteidigung dieser ursprünglichen, einfachen Wahrheiten zusammentun sollten, die jedes menschliche Herz verstehen kann, ob Kind oder Erwachsener. Ich glaube, es ist allmählich Zeit, daß die Männer und Frauen beginnen, die helle Seite der Dinge zu sehen, Hoffnung um uns herum zu sehen, sich selbst und ihre kleinlichen Sorgen zu vergessen und im Unendlichen und Ewigen zu leben. Es ist leicht, unendlich leichter, als uns dauernd selbst durch Ärger und Sorgen krankzumachen. In jedem von uns ist etwas Göttliches, an das wir uns halten können und das uns weiterhelfen wird!

Sagen Sie mir nicht, daß Altruismus für uns etwas Fremdes und Exotisches sei, ungewöhnlich, unpraktisch und daher undurchführbar; denn er ist das einzige, was beständig lebt, das einzige, was für immer fortdauert. Wenn jedes einzelne Element oder Teilchen in einem menschlichen Körper anfängt, sich selbständig zu machen, ist Krankheit die Folge. Wenn irgendein einzelnes Element oder Teilchen in einem beliebigen Lebensverbund, der die Welt um uns aufzubauen mithilft, anfängt, sich selbständig zu machen – was wir Eigennutz nennen – dann sehen wir Degeneration und Verfall.

Schlußfolgerung und Frage: Welchem von beiden sollen wir folgen – dem Weg der kosmischen Intelligenz, die uns innere und äußere Gesundheit, inneren und äußeren Frieden, innerliche und äußerliche Kraft und innere und äußere Einheit bringt? Oder der Lehre eines wertlosen und isolierten Eigennutzes, der vor allem anderen zuerst für sich selbst sorgt?

Ist es nicht höchste Zeit, daß wir der Welt einige der einfachen inneren Lehren der Gottesweisheit der alten Weisen vermitteln? Können Sie mir etwas Erhabeneres zeigen, etwas, das für den menschlichen Intellekt und für die Mahnungen des menschlichen Gewissens anziehender ist, als Altruismus, der uns in eine innige Verbindung mit dem Pulsschlag des kosmischen Herzens bringt – eine Idee, die, wenn wir sie dem Bewußtsein der Menschen einprägen können, die ganze Arbeit der großen Meister der Weisheit, die sie seit undenklichen Zeiten für die Menschheit verrichtet haben, mehr als rechtfertigen wird? Ethik steht über allem!

Gestalten Sie Ihr Schicksal!

Sie haben die Unendlichkeit vor sich, die Ewigkeit. Sehen Sie ihr ins Auge! So lehrt die Gottesweisheit – eine Lehre der Hoffnung, erfüllt mit dem Versprechen der Zukunft. Kein Mensch muß jemals sagen, es ist zu spät – jene schrecklichen Worte: zu spät. Kein Mensch braucht das je zu sagen. Jeder Augenblick der Zeit ist eine neue Gelegenheit. Wie der Mensch sich in der Vergangenheit zu dem gemacht hat, was er jetzt ist, so kann er sein Schicksal für die Zukunft gestalten und sich zu dem machen, was er seiner Vision nach in der Zukunft werden möchte. Welch großartige Lehre! Der Mensch ist nur eine Wiedergabe, eine zyklisch evolutionäre Wiedergabe seiner selbst aus der Vergangenheit in der Gegenwart, auf dem Weg in die Zukunft. Dort liegt Ihr Schicksal.