I – Theosophie und die Meister

Theosophie ist jenes Meer des Wissens, das sich von Küste zu Küste der Evolution aller bewussten Wesen ausbreitet. Unergründlich in seinen Tiefen, gibt es den größten Denkern weitesten Raum und ist an seinen Küsten dennoch flach genug für das Verständnis eines Kindes. Theosophie ist Weisheit über Gott für jene, die glauben, dass alle Dinge in Gott sind und er in allen Dingen ist, und Weisheit über die Natur für den, der das Bibelwort bejaht, dass Gott weder gemessen noch entdeckt werden kann und dass Finsternis um sein Gezelt lagert. Obwohl „Theosophie“ von dem Wort Gott abgeleitet ist und daher auf den ersten Blick nur von Religion zu handeln scheint, vernachlässigt sie keineswegs die Wissenschaft. Sie ist vielmehr die Wissenschaft aller Wissenschaften und wurde daher auch Weisheitsreligion genannt: Denn eine Wissenschaft, die irgendeinen sichtbaren oder unsichtbaren Naturbereich ausschließt, ist unvollkommen, und eine Religion, die sich auf eine lediglich angenommene Offenbarung stützt und sich von der Natur und den in ihr herrschenden Gesetzen abwendet, ist nichts weiter als eine Täuschung, ein Feind des Fortschritts, ein Hindernis auf dem Weg des Menschen zum wahren Glück. Da die Theosophie das Wissenschaftliche und das Religiöse einbezieht, ist sie eine wissenschaftliche Religion und eine religiöse Wissenschaft.

Theosophie ist keine menschliche Erfindung oder ein von Menschen formuliertes Glaubensbekenntnis oder Dogma. Sie ist vielmehr das Wissen über die Gesetze, welche die Evolution der physischen, astralen, psychischen und intellektuellen Komponenten von Natur und Mensch beherrschen. Die heutige Religion besteht nur aus einer Reihe künstlicher Dogmen, und die von ihr verkündete Ethik ermangelt jeder wissenschaftlichen Begründung, während die Wissenschaft, solange sie das Unsichtbare noch ignoriert und die Existenz einer vollständigen Skala innerer Wahrnehmungsfähigkeiten im Menschen verneint, von dem gewaltigen und realen Erfahrungsgebiet abgeschnitten bleibt, das sich hinter den sichtbaren und greifbaren Welten verbirgt. Die Theosophie weiß jedoch, dass sich das Ganze aus dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren zusammensetzt. Da sie die äußeren Verhältnisse und Objekte als nur zeitlich begrenzt betrachtet, erfasst sie neben den äußeren auch die inneren Tatsachen der Natur. Sie ist daher in sich selbst vollständig und sieht nirgends ein unlösbares Mysterium. Sie streicht das Wort Zufall aus ihrem Wortschatz und preist in allen Dingen und Umständen die Herrschaft des Gesetzes.

Es ist eine allgemeine Überzeugung der Menschheit, dass der Mensch eine unsterbliche Seele besitzt. Dem fügt die Theosophie hinzu, dass er eine Seele ist und dass zu dem die ganze Natur beseelt ist; dass ferner das riesige Aufgebot von Dingen und Menschen nicht nur Anhäufungen von Atomen sind, die zufällig zusammengewürfelt wurden und sich folglich ohne Gesetzmäßigkeiten entwickelt hätten, sondern dass alles, bis hinab zum kleinsten Atom, Seele und Geist ist, in ständiger Entwicklung unter der Herrschaft des Gesetzes, das dem Ganzen innewohnt. Wie die alten Weisen lehrt auch die Theosophie, dass der ganze Evolutionsprozess das Drama der Seele ist und dass die Natur nur zum Sammeln seelischer Erfahrung existiert. Der Theosoph stimmt mit Professor Huxley in der Behauptung überein, dass es im Universum Wesen geben muss, deren Intelligenz ebensoweit über der unsrigen steht, wie unsere eigene die der Küchenschabe überragt, und dass diese hohen Intelligenzen eine aktive Rolle bei der Lenkung der natürlichen Ordnung der Dinge spielen. Im Vertrauen auf das Wissen seiner Lehrer geht der Theosoph noch weiter und fügt hinzu, dass diese Intelligenzen einst Menschen waren, die wie wir aus anderen und früheren Welten kamen, wo ebenso vielfältige Erfahrungen gesammelt werden konnten, wie es in unserer Welt möglich ist. Wir traten daher nicht zum ersten Mal auf, als wir auf diesem Planeten erschienen, sondern waren bereits einen langen, unermesslichen Weg der Aktivität und intelligenten Wahrnehmung auf anderen Globensystemen gegangen, von denen einige untergingen, lange bevor sich unser Sonnensystem verdichtete. Dieser ungeheure Umfang des Evolutionssystems bedeutet somit, dass der jetzt von uns bewohnte Planet das Ergebnis der Aktivität und Evolution eines anderen Planeten ist, der vor langer Zeit starb und seine Kräfte zum Aufbau der Erde gab, und dass die Bewohner der Erde ihrerseits von einer älteren Welt kamen, um hier in der Stofflichkeit ihr Schicksalswerk fortzusetzen. Die helleren Planeten, wie zum Beispiel die Venus, sind von noch weiter fortgeschrittenen Wesen bewohnt, die einst so tief standen wie wir, sich aber jetzt zu einer herrlichen Höhe entwickelt haben, die für unseren Intellekt unerfassbar ist.

Das intelligenteste Wesen im Universum, der Mensch, ist deshalb nie ohne Freunde gewesen. Er besitzt einen Stamm von älteren Brüdern, die beständig über die Entwicklung der weniger Fortgeschrittenen wachen. Sie wahren das in Äonen durch Prüfungen und Erfahrungen erworbene Wissen und suchen ständig nach Möglichkeiten, die Intelligenz, die sich in der Rasse auf diesem oder anderen Globen entwickelt, zur Betrachtung der großen Wahrheiten über die Bestimmung der Seele zu bewegen. Diese älteren Brüder bewahren auch das Wissen, das sie über die Naturgesetze aller Bereiche erworben haben, und sie sind bereit, dieses Wissen jederzeit zum Wohl der Menschheit einzusetzen, wenn das zyklische Gesetz es gestattet. Sie haben schon immer eine Gemeinschaft gebildet, in der sich alle gegenseitig kennen, ganz gleich, in welchem Teil der Welt sie leben mögen, und alle wirken auf vielfältige Art für die Rasse. In manchen Epochen sind sie den gewöhnlichen Menschen gut bekannt und bewegen sich unter ihnen, wann immer die Gesellschaftsstruktur und der sittliche und geistige Entwicklungszustand der Völker es ermöglichen. Würden sie nämlich sonst öffentlich auftreten und würde überall von ihnen gesprochen, dann würden sie von einigen als Götter verehrt und von anderen als Teufel verfolgt werden. In solchen Zeiten öffentlichen Wirkens waren einige von ihnen Regenten von Völkern, andere waren Lehrer und einige traten als große Philosophen hervor, während weitere selbst damals unbekannt blieben und nur den Fortgeschrittensten der Gemeinschaft bekannt waren.

Beim gegenwärtigen Stand unserer fast ausschließlich auf Geld, Ruhm, Glanz und Persönlichkeitskult gestützten Zivilisation würde ein öffentliches Auftreten ihren beabsichtigten Zielen direkt schaden. Dieses Zeitalter ist aber, wie einer von ihnen schon gesagt hat, „eine Übergangszeit“, in der sich alle Gedankensysteme – Wissenschaft, Religion, Staat und Gesellschaft – verändern. Das Denkvermögen der Menschen bereitet sich erst auf die Umwandlung in den Zustand vor, der die Menschheit das Stadium erreichen lässt, das es diesen älteren Brüdern ermöglicht, uns ihre wirkliche Gegenwart zu zeigen. Weil sie die Wahrheit die Zeitalter hindurch übermittelt haben, kann man sie in der Tat als die Fackelträger der Wahrheit bezeichnen. Sie erforschen alle Dinge und Wesen, sie kennen die innerste Natur des Menschen, seine Kräfte und seine Bestimmung, seinen Zustand vor der Geburt und die Zustände, die er nach dem Tod seines Körpers durchläuft. Sie standen an der Wiege der Völker und sahen die ungeheuren Leistungen der alten Kulturen. Traurig waren sie Zeugen des Untergangs jener Zivilisationen, die dem zyklischen Gesetz des Aufstiegs und Verfalls nicht widerstehen konnten. Wenn es auch so scheint, als hätten Naturkatastrophen alle damalige Kunst, Architektur, Religion und Philosophie völlig vernichtet, so haben sie dennoch Aufzeichnungen über alles aufbewahrt, an Orten, die vor menschlichen und zeitbedingten Zerstörungen sicher sind. Geschulte Seher aus ihren eigenen Reihen haben die unsichtbaren Bereiche von Natur und Geist bis ins Kleinste erforscht und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen aufgezeichnet und aufbewahrt. Sie meisterten die Mysterien von Ton und Farbe, die allein die Kommunikation mit den elementalen Wesen hinter dem materiellen Schleier möglich machen. Daher können sie erklären, warum und weshalb es regnet, ob die Erde hohl ist oder nicht, was den Wind wehen und das Licht leuchten lässt; und, was ein größeres Meisterstück als alles ist – eines, das die Kenntnis der innersten Grundlagen der Natur voraussetzt –, sie wissen, was die letztendlichen Zeiteinteilungen sind und kennen die Bedeutung und Phasen der Zyklen.

Aber, so fragt der vielbeschäftigte moderne Mensch, der Zeitungen liest und an den „modernen Fortschritt“ glaubt, warum haben dann diese älteren Brüder – wenn sie all das sind und können, was ihnen hier zugeschrieben wird – in der Geschichte keinen Eindruck hinterlassen und keine Menschen um sich geschart? Ihre eigene Antwort, die vor einiger Zeit von Mr. A. P. Sinnett veröffentlicht wurde, sagt mehr, als ich darüber schreiben könnte:

„Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir zuerst die [Frage] besprechen, die von der Annahme ausgeht, dass es der „Bruderschaft“ nicht geglückt sei, irgendwelche Spuren in der Weltgeschichte zu hinterlassen. Es hätte ihr doch, so schließen Sie, mit ihren außerordentlichen Möglichkeiten leicht fallen müssen, einen beträchtlichen Teil der geistig aufgeschlosseneren Menschen aus jeder Rasse in ihren Schulen zu sammeln. Woher wissen Sie, dass sie keinen solchen Eindruck hinterlassen hat? Sind Ihnen ihre Bestrebungen, Erfolge und Misserfolge bekannt? Haben Sie irgendeinen Gerichtshof, vor dem Sie sie anklagen können? Wie könnte eure Welt Beweise von den Taten der Männer sammeln, die eifrigst jeden möglichen Zugang verschlossen hielten, durch den sie von Neugierigen hätten ausspioniert werden können? Die Hauptvoraussetzung ihres Erfolgs war stets, dass sie nie überrascht oder behindert werden konnten. Was sie getan haben, wissen allein sie selbst. Die ihrem Kreis nicht angehören, konnten nur die Auswirkungen beobachten, deren Ursachen vor fremden Blicken geschützt wurden. Um diese Wirkungen zu erklären, haben in den verschiedenen Jahrhunderten viele Menschen Theorien über Eingriffe von Göttern, Fügungen des Himmels, Schicksalsmächte und förderliche oder feindliche Gestirnseinflüsse aufgestellt. Während der sogenannten geschichtlichen Zeit und auch schon vorher haben jedoch unsere Vorläufer in allen Zeiten die Ereignisse beeinflusst und ‘Geschichte gemacht’, deren Fakten später von den Historikern ausnahmslos den jeweils herrschenden Vorurteilen angepasst wurden. Sind Sie sich dessen ganz sicher, dass die bekannten heroischen Gestalten in den aufeinander folgenden Dramen nicht oft nur ihre Marionetten waren? Wir haben nie vorgegeben, wir könnten ganze Nationen gegen die Strömung der kosmischen Weltverhältnisse zu diesem oder jenem Wendepunkt führen. Die Zyklen müssen ihre Runden durchlaufen. Perioden des geistigen und moralischen Lichts wechseln mit solchen der Finsternis wie Tag und Nacht. Die größeren und kleineren Yugas müssen sich gemäß der bestehenden Ordnung aller Dinge auswirken. Und wir, die von der mächtigen Flut mitgetragen werden, können nur einige kleinere Strömungen abändern und dirigieren.“

Das zyklische Gesetz bedingt, dass sich die wahre Philosophie während der dunklen Perioden der Geistesgeschichte zeitweise zurückzieht. Das gleiche Gesetz verursacht jedoch auch ihr Wiedererscheinen so gewiss, wie die Sonne täglich aufgeht und das menschliche Denken sie wahrnimmt. Manche Arbeiten kann nur der Meister ausführen, während für andere die Mitwirkung der Gefährten nötig ist. Es ist des Meisters Aufgabe, die wahre Philosophie zu bewahren, ihre Wiederentdeckung und Verbreitung bedarf jedoch der Hilfe der Gefährten. Wieder einmal haben die Älteren Brüder angedeutet, wo die Wahrheit – Theosophie – zu finden ist, und in der ganzen Welt bemühen sich die Mitarbeiter um eine immer größere Anerkennung und Verbreitung.

Die Älteren Brüder der Menschheit sind Menschen, die ihre Vollkommenheit in früheren Evolutionsperioden errungen haben. Diese Manifestationsperioden sind den modernen Evolutionisten, soweit es ihre Reihe betrifft, unbekannt, obwohl diese Perioden schon lange nicht nur den alten Hindus, sondern auch den großen Denkern und jenen Menschen bekannt waren, welche die erste reine und unverfälschte Form der griechischen Mysterien einrichteten und weiterführten. Die Perioden, in denen die sichtbaren Welten aus dem großen Unbekannten hervortreten, sind in ihrem Kommen und Gehen ewig, sie wechseln mit gleichen Perioden der Stille und Ruhe wieder im Unbekannten. Das Ziel dieser mächtigen Wogen ist die Erschaffung des vollkommenen Menschen, die Evolution der Seele, und sie sind stets Zeugen für den Zuwachs an Älteren Brüdern. Diese Wogen spiegeln sich im Leben des einfachsten Menschen als Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, Geburt und Tod, „denn diese beiden: Licht und Finsternis, Tag und Nacht, sind der Welt ewige Wege“.

In jedem Zeitalter und in jeder vollständigen nationalen Geschichte eines Volkes gab man diesen mächtigen und mitfühlenden Menschen verschiedene Namen. Man nannte sie Initiierte, Adepten, Magier, Hierophanten, Könige des Ostens, Weise, Brüder und vieles mehr. Die Sanskritsprache hat jedoch ein Wort für sie, das sie sofort aufs engste mit der Menschheit verbindet. Es lautet Mahatma. Es ist zusammengesetzt aus mahā „groß“ und Ātman „Seele, Geist“. Das Wort besagt daher: Große Seele, und da alle Menschen Seelen sind, unterscheidet sich der Mahatma durch Größe. Der Begriff ‘Mahatma’ gelangte durch die Theosophische Gesellschaft zu weiter Verbreitung, weil sich H. P. Blavatsky ständig auf die Mahatmas als ihre Meister bezog, von welchen ihr Wissen stammte. Zuerst waren sie nur als die Brüder bekannt, aber später, als sich viele Hindus der theosophischen Bewegung anschlossen, kam der Name Mahatma in Verwendung, da eine ungeheuer umfangreiche indische Tradition und Literatur hinter diesem Begriff steht. Skrupellose Feinde der Theosophischen Gesellschaft haben verschiedentlich behauptet, dass selbst diese Bezeichnung erfunden worden sei und dass solche Wesen weder bei den Indern noch aus ihrer Literatur bekannt seien. Solche Behauptungen werden jedoch nur aufgestellt, um möglicherweise eine philosophische Bewegung mundtot zu machen, die die vorherrschenden irrigen theologischen Dogmen gänzlich über den Haufen zu werfen droht. In der gesamten hinduistischen Literatur werden die Mahatmas oft erwähnt, und in einigen nördlichen Landesteilen ist dieser Begriff Allgemeingut. In der Bhagavat-Gītā, einer uralten Dichtung, die von allen Hindusekten verehrt und deren edle Schönheit von westlichen Kritikern anerkannt wird, lautet ein Vers: „Solch ein Mahatma ist schwer zu finden.“

Abgesehen von allen Streitigkeiten über bestimmte Namen gibt es jedoch genügend Argumente und Beweise, aus denen hervorgeht, dass stets eine Gruppe von Menschen mit dem oben beschriebenen wunderbaren Wissen existiert hat und wahrscheinlich auch heute existiert. Die alten Mysterien verweisen dauernd auf sie. Das Alte Ägypten besaß sie in Form der großen Königseingeweihten, als Söhne der Sonne und Freunde der Götter. Es besteht die Neigung, die Ideen der alten Völker zu belächeln. Damit belächelt sich der heutige Mensch selbst. Sogar Christen, die Abraham ehrfürchtig als den „Freund Gottes“ bezeichnen, werden geringschätzig über eine solche Ehren- und Titelanmaßung lachen, wenn ägyptische Herrscher die gleiche Freundschaft beanspruchen. In Wirklichkeit waren diese großen Ägypter jedoch Eingeweihte, Mitglieder der einen Großen Loge, der auch alle anderen – gleich welcher Stufe oder Funktion – angehören. Die späteren, im Niedergang befindlichen Ägypter, haben ihre Vorgänger offensichtlich imitiert; das geschah aber erst, nachdem die wahre Lehre durch die allmähliche Entstehung von Dogmen und Priesterschaft wieder einmal getrübt wurde.

Die Lebensgeschichte des Apollonius von Tyana handelt von einem Mitglied aus einem dieser uralten Orden, das in einem absteigenden Zyklus unter den Menschen auftrat, mit dem alleinigen Ziel, für die kommenden Generationen auf der Weltbühne ein Zeugnis abzulegen.

Abraham und Moses, vom Stamme der Juden, waren zwei weitere Initiierte oder Adepten, die ihre Aufgabe mit einem bestimmten Volk auszuführen hatten. In der Geschichte Abrahams begegnet uns Melchisedek, der so hoch über Abraham stand, dass er ihm eine Würde, ein Privileg oder einen Segen erteilen konnte. Das gleiche Kapitel der Menschheitsgeschichte, das die Namen Moses und Abraham erwähnt, wird auch durch den Namen Salomon erhellt. Diese drei bilden somit eine große Triade von Adepten, deren überlieferte Taten kaum als nicht fundiert und töricht beiseite geschoben werden können.

Moses wurde von Ägyptern und Midianitern ausgebildet. Von beiden erwarb er ein großes okkultes Wissen. Jeder klar sehende Schüler der großen Universalmaurerei kann in seinen Büchern überall die Hand, den Plan und die Arbeit eines Meisters erkennen. Auch Abraham wusste alles über die Künste und vieles über die Kräfte in den psychischen Bereichen, die zu seiner Zeit gepflegt wurden, sonst hätte er nicht mit Königen verkehren und der „Freund Gottes“ gewesen sein können. Allein der Hinweis auf seine Gespräche mit dem Allmächtigen über die Zerstörung von Städten genügt schon, um ihn als Adepten auszuweisen, der schon längst über die Stufe zeremonieller oder anderer zusätzlicher Hilfsmittel hinausgewachsen war. Salomon vervollständigt diese Triade und ragt mit feurigen Lettern hervor. Es hat sich um ihn, über seinen Umgang mit den Naturkräften und über seine magischen Fähigkeiten eine so große Anzahl von Legenden und Erzählungen gebildet, dass man die ganze alte Welt als Narrenschar verdammen müsste, die zur Belustigung Lügengeschichten erfand, wenn man in Abrede stellt, dass Salomon ein großer Charakter, ein herrliches Beispiel für die Inkarnation eines mächtigen Adepten unter den Menschen war. Wir brauchen nicht auf dem Namen Salomon zu bestehen, noch auf der Behauptung, er habe über die Juden geherrscht, aber wir müssen zugeben, dass irgendwann in der fernen Vergangenheit, auf die die jüdischen Berichte hinweisen, bei irgendeinem Volk der Erde jemand gelebt haben muss, der ein Adept war und dem später dieser Name beigemessen wurde. Peripatetiker und superkluge Kritiker mögen in der allgemeinen Verbreitung der universalen Tradition nur einen Beweis für die Leichtgläubigkeit der Menschen und für ihren Nachahmungstrieb sehen; der wirkliche Schüler der menschlichen Natur und des Lebens weiß jedoch, dass die universale Tradition wahr ist und auf Tatsachen der Menschheitsgeschichte beruht.

Beim Blick auf Indien, das von dem gierigen und egoistischen, mit Krieg und Handel beschäftigten Westen so lange vergessen und ignoriert wurde, finden wir ein Land voller Überlieferungen über diese großartigen Männer, von denen Noah, Abraham, Moses und Salomon nur Beispiele sind. Aufgrund ihrer Veranlagung und der klimatischen Verhältnisse ist die dortige Bevölkerung zur Bewahrung der philosophischen, ethischen und seelischen Schätze befähigt, die uns für immer verloren gegangen wären, wenn dort die gleiche vandalische Zerstörungswut geherrscht hätte wie bei den westlichen Völkern in den Anfängen ihres Kampfes um Bildung und Zivilisation. Wenn jene Männer, die so rücksichtslos die ungeheuren Mengen an historischen und ethnologischen Schätzen verbrannten, die von den Günstlingen der katholischen Herrscher Spaniens in Zentral- und Südamerika aufgefunden worden waren, auch die Bücher- und Palmblattsammlungen Indiens gekannt und in Beschlag hätten nehmen können, bevor der schützende Schild Englands gegen sie erhoben wurde, dann hätten sie auch in Indien alles zerstört wie in Amerika und wie ihre Vorgänger es mit der Alexandrinischen Bibliothek versucht hatten. Zum Glück war es anders gekommen.

Im gesamten Strom indischer Literatur kann man dutzendweise die Namen großer Adepten finden, die dem Volk wohl bekannt waren und alle die gleiche Geschichte lehrten – das große Epos der Menschenseele. Ihre Namen klingen westlichen Ohren fremd. Aber die Aufzeichnungen ihrer Ideen, ihres Wirkens und ihrer Kräfte sind geblieben. Mehr noch, in dem ruhigen, gelassenen Osten gibt es heute Hunderte von Menschen, die aus eigener Kenntnis wissen, dass die Große Loge mit ihren Mahatmas, Adepten, Initiierten und Brüdern noch existiert. Und weiter: Es gibt in diesem Land eine solche Anzahl von Experten für die praktische Anwendung einer zwar geringen, aber immer noch sehr erstaunlichen Macht über die Natur und ihre Kräfte, dass uns eine überwältigende Zahl menschlicher Zeugen zur Stützung dieser Behauptung zur Verfügung steht.

Und wenn Theosophie – die Lehre dieser Großen Loge – wie schon gesagt, wissenschaftlich und religiös ist, dann bietet uns die ethische Seite noch mehr Beweise. Eine mächtige Dreiheit, die Ethik als Grundlage und Instrument gebraucht, wurde von Buddha, Konfuzius und Jesus gebildet. Ersterer, ein Hindu, gründete eine Religion, die heute mehr Menschen umfasst als das Christentum, und er lehrte Jahrhunderte vor Christus die von diesem vertretene Ethik, die aber auch schon Jahrhunderte vor Buddha gelehrt worden war. Jesus, der zur Reformierung seines Volkes kam, wiederholte diese uralte, zeitlose Ethik, und Konfuzius tat das Gleiche für das alte, ehrwürdige China.

Der Theosoph sagt nun, dass alle diese berühmten Namen Mitglieder der einen, einzigen Bruderschaft bezeichnen, die alle eine einzige Lehre besitzen. Die außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die hin und wieder in der westlichen Zivilisation auftreten, wie St. Germain, Jakob Böhme, Cagliostro, Paracelsus, Mesmer, Graf St. Martin und H. P. Blavatsky sind Mittler, die zur rechten Zeit Arbeiten für die Große Loge ausführen. Es stimmt, dass diese Menschen gewöhnlich geschmäht und als Betrüger eingestuft werden, obwohl sich kein Grund dafür finden lässt, da sie dem Allgemeinwohl dienen, Lehrsätze vorlegen oder Entdeckungen machen, die nach ihrem Tod für die Wissenschaft oft von großem Wert sind. Aber selbst Jesus würde heute ein Betrüger genannt werden, wenn er in der Fifth Avenue in einer der großen theatralischen Kirchen erscheinen und die angeblichen Christen zurechtweisen würde. Paracelsus war der Schöpfer wertvoller, jetzt allgemein angewandter medizinischer Behandlungsmethoden. Mesmer lehrte – unter anderer Bezeichnung – die Hypnose, Madame Blavatsky brachte dem Westen erneut das der Großen Loge seit langem bekannte, äußerst wichtige Lehrsystem über den Menschen, sein Wesen und seine Bestimmung. Alle werden jedoch in gleicher Weise als Betrüger bezeichnet, von einem Volk, das selbst keine eigene Philosophie entwickelt hat und dessen Armut und Kriminalität jede andere Zivilisation in der Welt an Elend und Häufigkeit weit übertrifft.

Fast alle westlichen Leser werden sich fragen, wie Menschen überhaupt ein so großes Wissen haben und eine solche Macht über die Funktionen des Naturgesetzes besitzen können, wie ich es den jetzt so allgemein als Mahatmas bezeichneten Eingeweihten zugeschrieben habe.

In Indien, China und in anderen orientalischen Ländern wäre man über solche Dinge nicht erstaunt, weil man dort trotz der augenblicklich sehr rückständigen wirtschaftlichen Entwicklung nie den Glauben an die innere Natur des Menschen und an die dem Willen zu Gebote stehende Macht verloren hat. Infolgedessen hat es bei diesen Menschen nie an lebendigen Beispielen für solche Kräfte und Fähigkeiten gemangelt. Im Westen jedoch, wo aufgrund einer Reaktion gegen einen unlogischen Dogmatismus die Verneinung der Existenz und des Wesens der Seele entstand, woraus sich wiederum eine materialistische Gesellschaft entwickelt hat, fand keine Erforschung dieser Gegenstände statt. Bis vor kurzem glaubte man allgemein noch nicht an die Möglichkeit, dass außer einem spekulativen Gott jemand solche Kräfte besitzen könne.

Weil ein Mahatma ein vollkommener Mensch geworden ist, kann er über Raum, Zeit, Denkvermögen und Materie verfügen. Jeder Mensch trägt alle den großen Eingeweihten zugeschriebenen Kräfte als Anlage in sich, der Unterschied liegt nur darin, dass wir im Allgemeinen den in uns liegenden Keim nicht entwickelt haben, während ein Mahatma sich der Schulung und der Übung unterzog, die zur Entwicklung all seiner unsichtbaren inneren menschlichen Kräfte führten und ihm Fähigkeiten verliehen, die seinem hinter ihm kämpfenden Bruder gottgleich erscheinen. Telepathie, Gedankenlesen und Hypnose, der Theosophie seit langem bekannt, deuten auf bisher ungeahnte Bewusstseinsebenen, Funktionen und Fähigkeiten im menschlichen Wesen. Das Gedankenlesen und die Beeinflussung des Denkens eines Hypnotisierten aus der Ferne beweisen die Existenz eines Denkens, das nicht völlig vom Gehirn abhängig ist, und dass ein Medium vorhanden sein muss, das die Beeinflussung überträgt. Aufgrund eben dieses Gesetzes können die Initiierten ungeachtet der Entfernung in gegenseitige Verbindung treten. Das von der Schule der Hypnotiseure noch nicht anerkannte Grundprinzip lautet, dass die beiden Gehirne, wenn sie im gleichen Rhythmus schwingen oder sich in den gleichen Zustand versetzen, synchron denken – mit anderen Worten, der ferne Hörer empfängt den vom Partner ausgesendeten Impuls. Genauso verhält es sich mit allen anderen Kräften, ungeachtet wie außergewöhnlich. Obwohl jetzt ungewöhnlich, sind sie dennoch alle natürlich, genauso wie eine große musikalische Begabung natürlich, aber nicht gewöhnlich oder allgemein ist. Wenn ein Initiierter einen festen Gegenstand ohne Berührung bewegen kann, so deshalb, weil er die beiden Gesetze der Anziehung und Abstoßung völlig versteht. „Gravitation“ bezeichnet nur eines dieser beiden Gesetze. Wenn ein Mahatma aus der unsichtbaren Luft den bekanntlich darin enthaltenen Kohlenstoff ausfällt und damit Sätze zu Papier bringt, so geschieht das vermöge seiner Kenntnis der höheren okkulten Chemie und der Anwendung einer geschulten und gewaltigen Imaginationskraft, die jeder Mensch besitzt. Wenn er mühelos unsere Gedanken liest, dann macht er von den inneren und allein realen Sehkräften Gebrauch, die zur Wahrnehmung des fein gewobenen Bildes, das das vibrierende Gehirn um den Menschen webt, keiner Netzhaut bedürfen. Alles, was ein Mahatma ausführen kann, ist für den vollendeten Menschen natürlich, dass uns aber diese Kräfte bis jetzt nicht sofort offenbart werden, liegt daran, dass die Menschen bis jetzt im Allgemeinen selbstsüchtig sind und noch für das Gegenwärtige und das Vergängliche leben.

Ich wiederhole also, dass – obwohl die wahre Lehre eine gewisse Zeit für die Menschen verschwindet – sie wiederkehren muss; erstens weil sie in das unvergängliche Zentrum der menschlichen Natur eingeprägt ist, und zweitens weil die Loge sie für immer bewahrt, nicht nur in Form realer, objektiver Aufzeichnungen, sondern auch in den intelligenten und völlig selbstbewussten Menschen, die nach dem erfolgreichen Abschluss der zahlreichen Evolutionsperioden, die der unseren vorausgingen und in die wir jetzt involviert sind, den erworbenen kostbaren Besitz nicht mehr verlieren können. Und weil die Älteren Brüder das höchste Produkt der Evolution sind und weil nur durch sie – in Zusammenarbeit mit der ganzen Menschheitsfamilie – die weitere regelmäßige und fachgerechte Ausführung der Pläne des Großen Architekten des Universums durchgeführt werden kann, hielt ich es für richtig, auf sie und ihre Universale Loge hinzuweisen, bevor ich mich anderen Teilen des Themas zuwende.