Band 10: Yoga und die Yoga-Lehre
Charles J. Ryan
YOGA bedeutet wörtlich ‘Vereinigung’, ‘Verbindung’ und so weiter. In Indien ist es der technische Ausdruck für eine der sechs Darsanas oder philosophischen Schulen. Ihre Gründung wird dem Weisen Patañjali zugeschrieben. Der Name ‘Yoga’ selbst erklärt das Ziel dieser Schule, nämlich Vereinigung oder Einswerden mit der göttlich-spirituellen Essenz im Menschen.
– G. von Purucker, Okkultes Wörterbuch
Echter Yoga leitet und erhebt das Bewusstsein. Er bewirkt dadurch die Verbindung des menschlichen mit dem spirituellen Bewusstsein, das in Beziehung zum universalen Bewusstsein steht. Das Zustandekommen dieser Verschmelzung oder das Einssein mit der eigenen göttlich-spirituellen Essenz bewirkt Erleuchtung.
– G. von Purucker, Quelle des Okkultismus, I:50
In den letzten Jahrzehnten ist Yoga in unserer westlichen Gesellschaft ein recht vertrautes Wort geworden. Es ist ein dankbares Gesprächsthema und fast jeder kennt in seiner näheren Umgebung jemanden, der Yoga ‘betreibt’. In vielen Fällen wissen wir nicht viel mehr darüber, als dass es eine aus dem Osten importierte Übungsform ist, die durch bestimmte Körperhaltungen und Atemübungen einen positiven Einfluss auf die menschliche Konstitution ausüben kann. Abgesehen vom Einfluss auf die körperliche und psychische Verfassung des Menschen, kann man sich fragen, inwiefern die im Westen üblichen Yoga-Methoden für diejenigen von Nutzen sein können, die sich nach einem besseren Verständnis des Wesens des Menschen und seiner Bestimmung sehnen und die nach geistiger Weisheit suchen. Diese Frage wird Theosophen öfters gestellt, denn es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass die Theosophische Bewegung von östlichen Lehrern gegründet wurde. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Menschen Einsicht in sein Leben zu verschaffen und ihm den Weg zur spirituellen Weisheit zu zeigen.
Wenn wir unter ‘Yoga’ die korrekte Bedeutung von ‘Vereinigung’ oder ‘Verbindung’ mit dem Höheren Selbst verstehen, können wir das Prinzip spiritueller Entwicklung oder Übung so bezeichnen. Dieses wird von der Theosophie befürwortet und ist für alle Menschen gleichermaßen gedacht, welcher Rasse oder welchem Glauben auch immer sie angehören mögen.
Theosophische Perspektiven
Band 10: Yoga und die Yoga-Lehre
Frei überarbeitet nach Charles J. Ryan
© 1998 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 9: Theosophie und Christentum
H. T. Edge
Theosophie ist die essenzielle Wahrheit, die hinter allen Religionen steht, und sie erkennt keine der Religionen als über den anderen stehend oder als die letzte Wahrheit an. Theosophie steht dem Christentum nicht feindselig gegenüber; aber sie sieht ihre Aufgabe darin, solche Dinge anzufechten, von denen sie überzeugt ist, dass sie zu dem echten christlichen Evangelium nicht dazugehören, die sich jedoch seit seiner Entstehung allmählich darin eingeschlichen haben. Dazu gehört der Gedanke, dass das Christentum weit über allen anderen Religionen steht, oder dass es die alles andere übertreffende, endgültige Offenbarung der göttlichen Wahrheit sei. Heute wird es immer schwieriger, diese Auffassung aufrecht zu erhalten. Dafür gibt es zwei Gründe: erstens, weil alte Religionen heute intensiver und umfassender studiert werden, insbesondere die indischen, die durch die Kenntnis des Sanskrit zugänglich wurden; zweitens, weil die Beziehungen zwischen den Völkern einfacher geworden sind und Möglichkeiten entwickelt wurden, sich auf verschiedenen Gebieten besser kennen zu lernen.
Dadurch wird eine Geisteshaltung der Exklusivität verhindert, die in früheren Zeiten möglich war. Es ist jedoch nicht einfach, von lange gehegten Gewohnheiten Abstand zu gewinnen; außerdem sind viele Menschen der Ansicht, dass die Aufgabe der Vorherrschaft des Christentums gleichzeitig die Aufgabe dieser Religion bedeuten würde. Aus diesem Grund nehmen sie manchmal zu wundersamen Mitteln Zuflucht, um in den vielen älteren Religionen die Existenz von Lehren und Ritualen zu erklären, die – so wurde unterstellt – christliche Privilegien wären. Abbé Huc, der französische Missionar und Entdeckungsreisende, schreibt in seinem berühmten Buch Souvenirs d'un voyage dans la Tartarie, le Thibet et la Chine, dass er bei den tibetanischen Priestern sowohl viele charakteristische Lehren der katholischen Kirche als auch viele ihrer Rituale, ihrer Gewänder und ihrer heiligen Gegenstände fand. Seine Erklärung war, dass der Teufel dem Christentum vorangegangen sei, um die Menschheit in die Irre zu führen. Er fügte dieser Theorie hinzu, dass möglicherweise die ersten christlichen Missionare bis nach Tibet vorgedrungen seien.
Aber es kann natürlich nur eine Wahrheit geben. Religion an sich – abgesehen von Lehrsätzen und Kirchen – bedeutet die Anerkennung und Befolgung der grundlegenden Gesetze des Universums. Diese sind auch dem Menschen selbst inhärent, so dass die ewige und universale Religion sich auf Tatsachen in der menschlichen Natur gründet; daher muss sie dieselbe bleiben, solange der Mensch ein Mensch ist. Die essenzielle Wahrheit besagt, dass der Mensch ein göttliches Wesen ist, das in einem tierischen Körper lebt; dass seine Rettung darin besteht, seine niedere Natur mittels der höheren anzuheben; und dass die erhabenste Tugend des Menschen in der Befolgung der ‘Goldenen Regel’ liegt, die man in den vielen Religionen und Philosophien findet und die im Christentum folgendermaßen zum Ausdruck gebracht wird: „Alles, was du willst, dass dir die Menschen tun, sollst du ihnen auch tun, denn das ist das Gesetz und die Propheten.“
Theosophische Perspektiven
Band 9: Theosophie und Christentum
Frei überarbeitet nach H. T. Edge
und
Die Geschichte von Jesus
von G. de Purucker
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 8: Runden und Rassen
Gertrude W. van Pelt
Der Ursprung des Menschen war bislang in diesem Zeitalter ein Mysterium, aber nun bricht die Theosophie das jahrhundertelange Schweigen und erklärt, dass der Mensch in seinem Inneren göttlich ist und dass er, seit der Zeit, da er mit Verstand begabt ist, sich selbst erschafft. Diese neue und gleichzeitig alte Lehre beruht auf der tatsächlichen Einheit allen Lebens und auf den Lehren von den Hierarchien.
An sich ist der Glaube an die göttliche Abstammung des Menschen nichts Neues, im Gegenteil, dieser Gedanke wird von vielen akzeptiert. Jede Religion stellt ihn in der einen oder anderen Weise vor. Der Mensch empfindet die Notwendigkeit, seine Existenz zu erklären.
Das von der Theosophie im neunzehnten Jahrhundert aufs Neue überbrachte Wissen betrifft die Art und Weise, wie die sogenannte Schöpfung zustande kam. Ausgehend vom Universalen zum Besonderen, entfaltet die Philosophie der alten Weisheitsreligion klar die Umrisse der Evolution. Sie ergänzt die modernen Theorien, wo diese Lücken aufweisen – und zwar in einer Weise, welche die Seele und den Verstand befriedigt, so dass Zweifel oder blinder Glaube innerer Gewissheit Platz machen. Die verwirrenden Fragen über den Sinn und Zweck des Lebens, den Ursprung und die Natur der ‘Sünde’ müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden, wenn unsere Rasse vorankommen möchte.
Die Theosophie behauptet – und das könnte durch entsprechende Untersuchungen in der richtigen Richtung überprüft werden –, dass – sobald der Mensch auf diesem Planeten mit Verstand begabt wurde – hochentwickelte Wesen aus anderen, älteren Evolutionszyklen, die unseren Erdzyklus bei weitem übertreffen, erschienen und ihn unterwiesen. Diese Wesen schlugen den Grundton für die kommenden menschlichen Rassen an. Sie waren es, die das Wissen – wenig im Vergleich zu dem, was die heutige Menschheit zu empfangen fähig ist – den Auserwählten überbrachten, die dazu bestimmt waren, die Kinder der Erde zu führen. Tatsächlich existieren unvergängliche Aufzeichnungen dieser Wahrheiten, gehütet von jenen, die des Vertrauens würdig sind. In jedem Zeitalter gab es Individuen, die man Boten nannte. Sie wurden von diesen Hütern auserwählt, zu gewissen zyklischen Zeiten in die Welt zu gehen und so viel von dieser Weisheitsreligion zu überbringen, wie die Menschen erfassen konnten – in einer Form und Sprache, die zum Denken dieser Zeit passte.
Theosophische Perspektiven
Band 08: Runden und Rassen – unsere göttliche Abstammung und Bestimmung
Frei überarbeitet nach Gertrude W. van Pelt
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 7: Die Lehre von den Zyklen
Dr. Lydia Ross
Die Lehre von den Zyklen, wie sie in der theosophischen Literatur beschrieben wird, ist ein sehr wichtiges, fesselndes und erhellendes Thema. Wenn wir uns mit den Zyklen beschäftigen, erkennen wir, dass sie von logischen und umfassenden Gesetzen regiert werden, die nicht nur mit unserem täglichen Leben eng verknüpft sind, sondern auch einen universalen Wirkungsbereich haben. Außer auf unsere eigene Existenz beziehen sie sich ebenso auf jedes andere Wesen im Universum. Kurzum, das Gesetz der zyklisch wiederkehrenden Ereignisse erweist sich als Grundlage oder als der Regulator von Ereignissen und Handlungen – sichtbaren und unsichtbaren, spirituellen und materiellen, in Zeit und Raum. Es lehrt uns schließlich, warum die Dinge in einem bestimmten Moment geschehen. Im Altertum verstand man den mächtigen Einfluss des Naturgesetzes der Periodizität und wusste, dass es einen Bestandteil im kosmischen Plan der Einheit bildet, indem man sagte: „Wie oben, so unten.“
H. P. Blavatsky, die zur Reihe der großen Lehrer gehört, welche der Menschheit periodisch einen Teil der Alten Weisheitslehren wiederbringen, wies darauf hin, dass dieses Gesetz uns aufmerksam macht auf …
… ist die absolute Universalität des Gesetzes der Periodizität, Fluss und Rückfluss, Ebbe und Flut, von der Naturwissenschaft auf allen Gebieten der Natur beobachtet und registriert. Wechselfolgen wie Tag und Nacht, Leben und Tod, Schlafen und Wachen, stellen eine so allgemeine, so vollkommen universale und ausnahmslose Tatsache dar, dass es leicht nachvollziehbar ist, warum wir in diesem Gesetz eines der absolut fundamentalen Gesetze des Universums erkennen.
– H. P. Blavatsky, Die Geheimlehre, Band 1, S. 17
Zyklen sind so alltäglich, dass wir sie für ebenso selbstverständlich halten wie die Luft, die wir einatmen, das Wasser, das wir trinken und den festen Boden unter unseren Füßen. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie die Welt ohne das alle vierundzwanzig Stunden stattfindende vertraute Wechselspiel von Helligkeit und Dunkelheit und die regelmäßigen Jahreszeiten aussehen würde – Ereignisse, die mit der täglichen Rotation der Erde und dem jährlichen Lauf um die Sonne in Zusammenhang stehen. Auch wir folgen demselben rhythmischen Lauf der Dinge; am Abend gehen wir schlafen und erwachen am nächsten Morgen zu einer neuen Periode der Aktivität. So verläuft in etwas größerem Maßstab unser ganzes Leben. Wir beginnen in der nebelhaften Morgendämmerung eines Kleinkindes, erwachen allmählich zum Stadium des heranreifenden Kindes, gelangen in das volle Tageslicht der Jugend und so weiter, bis zur Mittagsstunde der Reife. Dann folgt die Umkehr auf dem Bogen dieses einen Lebens und wir werden allmählich langsamer, um in den länger werdenden Schatten des Alters Ruhe zu finden. Aber der Pulsschlag des spirituellen Selbst tief in uns hört nie auf, ob wir hier verkörpert oder von der Erde befreit sind. Wenn uns der Tod vom Körper erlöst, beginnt in der Heimat der Seele ein neuer Zyklus der Wiedergeburt.
Theosophische Perspektiven
Band 07: Die Lehre von den Zyklen
Frei überarbeitet nach Lydia Ross, M. D.
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 6: Der Tod: Was kommt danach?
Leonie L. Wriht
„Tod, wo ist dein Stachel? Grab, wo ist dein Sieg?“ Wir alle sind mit diesen schönen Worten von Paulus vertraut, aber – ach – wie wenig wirklichen Trost haben sie betrübten Herzen gespendet! Denn es gibt keine Lehre oder Erfahrung, die dieses Versprechen mit göttlicher Gewissheit untermauert. Und doch ist die Wahrheit schon immer ganz nahe bei uns und flüstert unseren Herzen genau mit der Stimme unserer eigenen Liebe für die ‘Dahingegangenen’ zu: Der spirituelle Mensch ist ewig; es gibt keinen Tod.
Die Theosophie sagt uns, dass die scheinbare Trennung von unseren Geliebten durch den Tod keine Realität ist. Lehrt nicht auch die Naturwissenschaft, dass Materie ‘hauptsächlich aus Löchern’ besteht? Und doch scheinen Materie und das äußere Leben für uns alles geworden zu sein, was uns eigentlich interessiert. Wir leben fast ausschließlich für materielle Zwecke und die Interessen unserer Persönlichkeit – für den Gehirnverstand oder unser emotionales Denken. Und diese Persönlichkeit – die ganz und gar irdisch und mit physischen Dingen verwoben ist und die mit dem Körper zerfällt – stirbt und entschwindet aus dem menschlichen Gesichtskreis.
Dass die Natur der Persönlichkeit flüchtig ist, das ist die große Lektion, die wir lernen müssen – wenn wir nicht nur in spiritueller Verbindung mit den Toten bleiben möchten, sondern mit all jenen, die körperlich von uns getrennt sind. Wir müssen unser persönliches Selbst als das vergängliche Ding verstehen lernen, das es ist. Wenn wir dann die hinter ihm und im Inneren stehende spirituelle Realität entdecken und danach leben, werden wir unser inneres Unsterbliches Selbst finden und beginnen, in und für diese bleibende Wurzel unseres Wesens zu leben. Wenn uns das gelingt, werden wir sehen: Wir werden dann uns selbst als bereits unsterblich erkennen – jetzt, in diesem Augenblick! Wir werden dann auch das wahre Selbst jener wahrnehmen, die wir lieben und in jedem Augenblick unseres Lebens die Wirklichkeit empfinden, dass wir immer zusammen sind; immer wirklich miteinander in Verbindung stehen, wenn auch die physischen Augen das geliebte Gesicht nicht sehen und die physischen Ohren die Stimme des Abwesenden nicht hören. Lediglich die Kenntnis unseres spirituellen Selbst und des inneren spirituellen Selbst unserer Lieben wird uns den Sieg über den Tod bringen.
Wir können tatsächlich Wahrheit erlangen. Jeder von uns hat die Fähigkeit, alle seine Probleme zu lösen und für jeden Schmerz Heilung zu finden. Der Tod ist kein Mysterium in dem Sinne, dass er nicht verstanden werden kann. Die Wahrheiten über den Tod liegen innerhalb unseres Verständnisses.
Theosophische Perspektiven
Band 06: Der Tod: Was kommt danach?
Frei überarbeitet nach Leoline L. Wright
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 5: Evolution
H. T. Edge
Evolution ist ein universaler Prozess, demgemäß sich alles verändert, entwickelt und wächst. Einige einfache Beispiele können den Charakter dieses Prozesses verdeutlichen. Man pflanzt einen Samen, ein winziges Teilchen, das sich kaum von anderen Samen unterscheidet; er durchläuft verschiedene Stadien der Entwicklung, bis er ein ausgewachsener Baum geworden ist, der Blüten und Früchte trägt. Das ist Evolution – der Baum entwickelt sich aus dem Samen. Ein befruchtetes Ei im Mutterschoß entwickelt sich durch die verschiedenen Stadien hindurch zu einem vollständig geformten Kind, das sich weiter zu einem Erwachsenen entfaltet. Auch das ist Evolution – der Mensch evolviert aus einem Mikroorganismus. Ein Architekt hat eine Idee; die Idee nimmt auf dem Papier Form an und die Pläne werden gezeichnet; schließlich werden sie in Marmor und Granit verwirklicht, so dass – nachdem viele Stadien durchlaufen sind – sich durch die Arbeit vieler Hände eine prächtige, mächtige Kathedrale erhebt. Auch das ist ein Beispiel für Evolution – das Bauwerk entwickelt sich aus der Idee.
Das menschliche Dasein illustriert dasselbe Evolutionsgesetz; es beinhaltet allerlei Einrichtungen, gesellschaftliche Klassen, Bräuche usw., die sich allmählich aus einer Idee oder einem Plan entwickelten. Kurz gesagt, die Evolution stellt die Verwirklichung von Ideen dar.
Was das bedeutet, kann auch auf andere Weise formuliert werden. Wir können sagen, dass Evolution das Sichtbarmachen des Unsichtbaren ist; das In-Aktivität-Setzen des zuvor Latenten; die Offenbarung des nicht Geoffenbarten. Aber Evolution bedeutet nicht das Schaffen von etwas, was vorher nicht existierte. Die Kathedrale war schon da, nicht als steinernes Gebäude, sondern als Idee im Denken des Architekten. Der Baum existierte, bevor er sich in materieller Form manifestierte; er war latent, potenziell, als Samen anwesend. Der vollständige, zukünftige Mensch war in der Keimzelle verborgen anwesend. Wäre das nicht der Fall, wie könnte es dann geschehen, dass der eine Samen eine bestimmte Pflanze und der andere eine gänzlich andere hervorbringt?
Hinter allen Prozessen in der Natur stehen Geist, Intelligenz, Instinkt und Verlangen. Wenn wir dem nicht zustimmen können, werden wir uns wieder die Frage stellen müssen, wodurch all das in mysteriöser Weise zustande gebracht wird. Dazu kommt, dass Geist, Intelligenz usw. Attribute von lebendigen Wesen sind und nicht davon getrennt gesehen werden können; sie sind ein Teil von ihnen. Deshalb müssen wir die gesamte Natur als eine Ansammlung lebendiger Wesen betrachten. Wenn wir diesen Schritt einmal vollzogen haben, verschwinden die Probleme und es bietet sich uns eine verständliche Erklärung des Universums, des Lebens und der Evolution.
Der Evolutionsgedanke hat die Philosophen seit Urzeiten beschäftigt. Er ist eine Alternative zur Vorstellung von einer expliziten Schöpfung durch das Wort Gottes. Die Vorstellung, dass Gott das Universum in einem Zuge erschuf, an irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit, ist für den Intellekt wenig befriedigend. Wenn wir sehen, wie alles um uns herum wächst und sich verändert, ist es eine natürliche Vorstellung, dass das Universum, mit allem was darin enthalten ist, nach demselben Wachstumsprozess entstand.
Theosophische Perspektiven
Band 05: Evolution
Frei überarbeitet nach H. T. Edge
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 4: Die siebenfältige Konstitution des Menschen
Leonie L. Wriht
In den alten Zeiten, als die Welt große Zivilisationen kannte, bildete die von uns heutzutage als Psychologie bezeichnete Wissenschaft von der Seele einen Bestandteil des in den Mysterienschulen unterrichteten Wissens, welche zu diesen Zeiten die Hüter einer heiligen Wissenschaft waren. Dieses Wissen umfasste Lehren über das Leben, den Tod, den Menschen und das Universum, Lehren religiöser, philosophischer und wissenschaftlicher Art.
Unsere heutige Wissenschaft hat in den vergangenen hundert Jahren in technischer Hinsicht gewaltige Fortschritte gemacht, auch wenn wir hinzufügen müssen, dass wir nicht wissen, welche Höhen die Wissenschaften der früheren Zivilisationen, die jetzt vom Erdboden verschwunden sind, in dieser Hinsicht erreicht hatten.
Aber im Allgemeinen können wir sagen, dass unsere heutigen Religionen, Philosophien und Wissenschaften – im geistigen Sinne – nur vage Widerspiegelungen der archaischen Kenntnisse der Mysterienschulen darstellen.
Dieses alte System war früher in der ganzen Welt bekannt und wird heute mit verschiedenen Bezeichnungen angedeutet, wie z.B. Weisheitsreligion, Geheimlehre, Esoterische Tradition, archaische Weisheit oder Theosophie. Beweise dafür kann man durch ein vergleichendes Studium der fundamentalen Lehren und der Symbolik aller alten Weltreligionen finden, so auch in der Bibel. Dasselbe trifft auch auf die ehemaligen großen Philosophien zu. In diesem Zusammenhang können wir Pythagoras mit seiner esoterischen Schule in Krotona, Platon mit seiner Akademie in Athen und die Stoiker anführen, zu denen der berühmte Marcus Aurelius zählt. Trotz der verschiedenen Formen ihrer Systeme zeigt sich deutlich, dass sie Lehrer derselben Weisheitsreligion waren. Wer sich dafür interessiert, kann auch in den über die ganze Erde verstreuten Überresten Beweise für das archaische Wissen finden.
Eine der bedeutendsten Lehren dieser Mysterienschulen war die von der siebenfältigen Beschaffenheit des geoffenbarten Universums und des Menschen als dessen Kind. Laut den theosophischen Lehren gründen alle Prozesse der ‘Schöpfung’ auf Zahlen. Die Sieben ist dabei eine Schlüsselzahl. Sie stellt den Grundstein der gesamten Evolution dar, sowohl der materiellen als auch der spirituellen. Wir kennen z.B. die sieben Schichten der menschlichen Haut, die sieben Töne unserer Tonleiter, die sieben Farben des Spektrums, die sieben Schöpfungstage aus der Genesis, die sieben Tage der Woche und so weiter. Es ließen sich noch viele Beispiele dieser siebenfachen Einteilung finden; und es ist nur natürlich, wenn wir von der siebenfältigen Konstitution des Menschen sprechen.
Theosophische Perspektiven
Band 04: Die siebenfältige Konstitution des Menschen
Frei überarbeitet nach Leoline L. Wright
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Einleitung
In den alten Zeiten, als die Welt grosse Zivilisationen kannte, bildete die von uns heutzutage als Psychologie bezeichnete Wissenschaft von der Seele einen Bestandteil des in den Mysterienschulen unterrichteten Wissens, welche zu diesen Zeiten die Hüter einer heiligen Wissenschaft waren. Dieses Wissen umfasste Lehren über das Leben, den Tod, den Menschen und das Universum, Lehren religiöser, philosophischer und wissenschaftlicher Art.
Unsere heutige Wissenschaft hat in den vergangenen hundert Jahren in technischer Hinsicht gewaltige Fortschritte gemacht, auch wenn wir hinzufügen müssen, dass wir nicht wissen, welche Höhen die Wissenschaften der früheren Zivilisationen, die jetzt vom Erdboden verschwunden sind, in dieser Hinsicht erreicht hatten.
Aber im Allgemeinen können wir sagen, dass unsere heutigen Religionen, Philosophien und Wissenschaften – im geistigen Sinne – nur vage Widerspiegelungen der archaischen Kenntnisse der Mysterienschulen darstellen.
Dieses alte System war früher in der ganzen Welt bekannt und wird heute mit verschiedenen Bezeichnungen angedeutet, wie z. B. Weisheitsreligion, Geheimlehre, Esoterische Tradition, archaische Weisheit oder Theosophie. Beweise dafür kann man durch ein vergleichendes Studium der fundamentalen Lehren und der Symbolik aller alten Weltreligionen finden, so auch in der Bibel. Dasselbe trifft auch auf die ehemaligen großen Philosophien zu. In diesem Zusammenhang können wir Pythagoras mit seiner esoterischen Schule in Krotona, Platon mit seiner Akademie in Athen und die Stoiker anführen, zu denen der berühmte Marcus Aurelius zählt. Trotz der verschiedenen Formen ihrer Systeme zeigt sich deutlich, dass sie Lehrer derselben Weisheitsreligion waren. Wer sich dafür interessiert, kann auch in den über die ganze Erde verstreuten Überresten Beweise für das archaische Wissen finden.
Eine der bedeutendsten Lehren dieser Mysterienschulen war die von der siebenfältigen Beschaffenheit des geoffenbarten Universums und des Menschen als dessen Kind. Laut den theosophischen Lehren gründen alle Prozesse der ‘Schöpfung’ auf Zahlen. Die Sieben ist dabei eine Schlüsselzahl. Sie stellt den Grundstein der gesamten Evolution dar, sowohl der materiellen als auch der spirituellen. Wir kennen z. B. die sieben Schichten der menschlichen Haut, die sieben Töne unserer Tonleiter, die sieben Farben des Spektrums, die sieben Schöpfungstage aus der Genesis, die sieben Tage der Woche und so weiter. Es liesen sich noch viele Beispiele dieser siebenfachen Einteilung finden; und es ist nur natürlich, wenn wir von der siebenfältigen Konstitution des Menschen sprechen.
In der Bibel lesen wir, dass Paulus den Menschen in drei Elemente einteilt: in Körper, Seele und Geist. Dies stellt eine Vereinfachung der siebenfältigen Einteilung dar, was auch im Folgenden erläutert wird. Paulus war ein Initiierter der Mysterienschulen der alten Weisheitsreligion, und er kannte das dort gelehrte vollständigere System. Es war und ist aber einem in die Mysterien Initiierten nicht erlaubt, alles zu veröffentlichen.
Obschon die christliche Theologie diese Dreifaltigkeit akzeptiert, sagt sie nur wenig über das Wesen der Seele und den Unterschied zwischen Seele und Geist. Auch in der Psychologie, die doch die Wissenschaft der Seele ist, werden hauptsächlich unsere physiologischen mentalen Tätigkeiten, unsere Emotionen, Ängste, die Triebe der leidenschaftlichen Natur usw. studiert, während den wahren geistigen Aspekten des Menschen zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dabei bilden diese den zentralen Kern und die Quelle seines Wesens. Bei manchen großen Psychologen, wie zum Beispiel bei Professor Jung, kann eine Änderung der Ansichten bemerkt werden. Sie entdeckten, dass – solange man die menschliche Seele nur als einen Komplex halb-physiologischer Reaktionen betrachtet – dies bei weitem nicht das ganze Gebiet des inneren Lebens des Menschen umfasst. Allmählich sickert die Erkenntnis durch, dass dieser höhere Aspekt des menschlichen Bewusstseins eine weitaus größere Bedeutung hat.
Band 3: Karma
Gertrude W. van Pelt
Die Lehre von Karma ist eine der Grundlehren der Theosophie. Sie lehrt uns, den Sinn des menschlichen Lebens mit seinen scheinbaren Ungerechtigkeiten zu erklären und reicht uns den Schlüssel zur Lösung vieler Lebensrätsel. Karma ist ein Sanskritwort, das ‘Handlung’ bedeutet. Es hat dieselbe Bedeutung wie das Gesetz von Ursache und Wirkung. Es ist das Gesetz der nimmer versagenden Gerechtigkeit, dessen Wirkung sich vom kleinsten denkbaren Teilchen bis hin zum unvorstellbaren, ausgedehnten kosmischen Raum erstreckt und schließt alles ein, was sich darin befindet.
Im Neuen Testament finden wir in den bekannten Worten des Paulus in seinem Brief an die Galater, VI, 7: ‘Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten.’ Obschon dieser Gedanke des großen christlichen Apostels und Eingeweihten deutlich genug ist, hat man im allgemeinen die tiefe Bedeutung der Formulierung des Gesetzes der ethischen Gerechtigkeit übersehen und es nicht als Grundlage für menschliches Verhalten auf gedanklicher und spiritueller Ebene akzeptiert.
Auf der physischen Ebene dagegen erkennt man das Gesetz von Aktion und Reaktion als selbstverständlich an und betrachtet es unbewusst als unfehlbar. Das Leben würde unmöglich werden, wenn wir uns nicht darauf verlassen könnten, dass gewisse Handlungen die dazugehörigen Folgen hervorrufen. Überall sehen wir die Gesetzmäßigkeit und Ordnung sowie die fortwährende Wiederherstellung eines gestörten Gleichgewichts. Auf dem gesamten Gebiet der äußeren Natur ist dieses Gesetz wahrnehmbar, wie jede Handlung logische Folgen nach sich zieht, aber trotzdem hat ganz besonders die westliche Welt die universale Wirkung dieses Gesetzes nicht erkannt. Wir haben nicht verstanden, dass unser eigenes Leben von diesem Gesetz beherrscht wird.
Um ein umfassendes Bild vom Begriff Karma zu bekommen, ist es notwendig zu verstehen, dass der Kosmos, das Universum, eine Einheit ist, ein Organismus – der aus einer unendlichen Anzahl kleinerer Organismen zusammengesetzt ist. All die vielen Organismen existieren in einer unvorstellbaren Vielfalt von Bewusstseins- und Entwicklungsgraden, die alle von dem Einen Bewusstsein, das alles umfasst und in allem anwesend ist, zu einem Ganzen vereint werden.
Dass das Gesetz von Aktion und Reaktion, von Ursache und Wirkung, sich in dem begrenzten Bereich der lediglich materiellen Existenz so deutlich zeigt, ist nur ein oberflächlicher Beweis für das Wirken Karmas in den inneren, spirituellen und kausalen Bereichen. Normalerweise nehmen wir lediglich in der materiellen Welt wahr, dass Aktion und Reaktion dieselben Kräfte sind, aber das Auge des spirituellen Sehers erblickt hinter der materiellen Fassade dasselbe Gesetz, das dann eine viel dynamischere Wirkung hat. In ihrem Buch The Key to Theosophy [Der Schlüssel zur Theosophie] schreibt H. P. Blavatsky folgendermaßen über Karma: “… das Grundgesetz im Universum, die Quelle, der Ursprung, die Basis aller anderen Gesetze, die in der Natur existieren. Karma ist das niemals irrende Gesetz, das auf den physischen, mentalen und spirituellen Ebenen des Seins die Wirkung der Ursache ausgleicht. Da vom Größten bis zum Kleinsten keine Ursache ohne entsprechende Wirkung bleibt, von einer kosmischen Störung bis hin zur Bewegung einer Hand, und da Gleiches Gleiches bewirkt, ist Karma das unsichtbare und unbekannte Gesetz, das jede Folge weise, intelligent und gerecht an ihre Ursache anpasst und zum Verursacher zurückführt.’
– Der Schlüssel zur Theosophie, S. 201
Theosophische Perspektiven
Band 3: Karma – Das Gesetz von Ursache und Wirkung
Frei überarbeitet nach Gertrude W. van Pelt
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 2: Reinkarnation
Leonie L. Wriht
Der eigentliche Mensch ist eine unsterbliche, spirituelle Monade, die den Geist und den Körper als Vehikel nutzt, um sich in der Welt zum Ausdruck zu bringen und Erfahrungen zu sammeln. Viele neigen dazu, sich selbst als ein Produkt einer materiellen Evolution zu betrachten. Dies ist eines der größten Hindernisse im Leben, denn dadurch wird der spirituellen Natur des Menschen wenig oder gar keine Beachtung geschenkt und die Angst vor dem Tode verstärkt. Wie kann jemand wirklich glücklich sein und das Leben sinnvoll finden, wenn er daran glaubt, dass mit dem Tod alles aufhört? Wenn wir davon ausgehen, dass die sinnlich wahrnehmbare Welt die einzige Wirklichkeit ist, können wir die Tatsache eines Weiterlebens nach dem Tode niemals betrachten. Wer sein gesamtes Leben in einem dunklen Kerker verbringt, kann keine Vorstellung davon entwickeln, dass es eine Sonne geben könnte. Noch weniger wird er einsehen, dass sein Leben in vielerlei Hinsicht von dem unsichtbaren, aber nichtsdestoweniger alles erhaltenden Leben der für ihn nicht wahrnehmbaren Sonne abhängig ist.
Wir müssen uns aus dem Gefängnis des Materialismus befreien und in das Sonnenlicht der spirituellen Wahrheit treten. Dann werden wir in uns selbst die Kraft entwickeln können, uns selbst davon zu überzeugen, dass der wirkliche, innere Mensch – der essentielle Kern in jedem von uns – immer existiert hat, unsterblich ist und ebensowenig vernichtet werden kann wie das grenzenlose Universum, von welchem er ein untrennbarer Teil ist.
Weiterhin muss es auch eine befriedigende Erklärung für die Ungerechtigkeiten geben, die das Leben in so großem Maße zu beherrschen scheinen. Es gibt kaum jemanden, der sich nicht dann und wann missachtet fühlt. Haben nicht viele Menschen angeborene Begabungen, die in diesem Leben keine Möglichkeit einer Entwicklung erfahren, und Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen können? Und werden nicht auch viele mit einer Neigung zum Bösen geboren, ohne dass sie die Möglichkeit bekommen, diese zu überwinden? Die so deutliche Ungleichheit der Lebensmöglichkeiten ist ausreichend genug, um das menschliche Herz zu verbittern und seine moralische Kraft verkümmern zu lassen.
Es ist wichtig, dass der Mensch seinen Platz er im evolutionären Plan erkennt. Er muss einen besseren Einblick in das Ziel und die Bestimmung der menschlichen Rasse gewinnen. Die Theosophie bringt den Menschen in Beziehung zum Universum und zeigt, dass sein persönliches Bewusstsein ein Strahl des universellen, kosmischen Bewusstseins ist. Mit Nachdruck stellt sie fest, dass der Mensch essenziell ein Bewusstseinszentrum ist und nicht nur sein Körper. Auch sind wir nicht das zufällige Produkt blinder, mechanischer Kräfte. Jeder Mensch ist Teil eines lebenden, organischen Universums. Das Universum selbst ist das Produkt der Evolution und trägt in sich seinen eigenen, sich entwickelnden Lebensplan, in dem alles enthalten ist – Atome, Menschen, Nebelhaufen, Welten, Sonnensysteme und Galaxien – in einem großen Entwicklungsplan, in dem das niedrigste Insekt wie das größte Genie seinen Platz hat.
Theosophische Perspektiven
Band 2: Reinkarnation – Eine verlorene Saite im modernen Denken
© 2000 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Band 1: Was ist Theosophie?
Charles J. Ryan
Die Frage, was Theosophie ist, kann auf verschiedene Weise beantwortet werden. Allgemein gesprochen kann man sagen, dass sie die Kenntnis des Wissens darstellt, das die Evolution der gesamten Natur umfasst, und dass sie in ferner Vergangenheit durch große Denker, Philosophen, Menschheitslehrer oder Religionsgründer verbreitet wurde, die sie auf systematische Weise formulierten. Sie wurde auch die alte Weisheitsreligion genannt, welche einst in jedem Land des Altertums bekannt war und die das geistige Erbe der Menschheit ist.
H. P. Blavatsky, die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft, wählte im Jahr 1875 das Wort Theosophie für die moderne Wiedergabe der alten Weisheit. Dieses Wort ist griechischen Ursprungs und bedeutet ‘Gottes-Weisheit’ oder Weisheit hinsichtlich göttlicher Dinge. Es steht in Verbindung mit philosophischen Schulen wie jenen der Kabbalisten, der Gnostiker und der Neoplatoniker, welche die Gottheit als das Eine Leben ansehen, aus dem sich alles offenbart und womit sich schließlich alles wieder vereinigen soll.
Im Alexandrien des dritten Jahrhunderts gründete der Inspirator des Neoplatonismus, Ammonius Saccas, eine eklektische theosophische Schule, welche die vielen Formen religiöser und philosophischer Wahrheiten des Westens und des Ostens in einem System zusammenbringen sollte. In der gleichen Tradition strebte H. P. Blavatsky danach, ‘alle Religionen, Sekten und Völker in einem gemeinschaftlichen, auf den ewigen Wahrheiten basierenden ethischen System miteinander zu versöhnen’. In ihrem bedeutendsten Werk, Die Geheimlehre, beschreibt sie das Weltall als einen lebenden Organismus, der aus Bewusstsein auf vielen Ebenen besteht, die alle miteinander verbunden und voneinander abhängig sind, wobei jeder Lebensfunke seine göttlichen Möglichkeiten in aufeinanderfolgenden Leben zur Entfaltung bringt. Auf dieser gegenseitigen Verbundenheit von Mensch und Kosmos gründet sich der Begriff der Universalen Bruderschaft, welche den Menschen dazu anregt, mehr von sich für das Wohl aller zu geben.
Weiter erklärt sie, ‘dass die [in ihrem Werk] erwähnten Lehren … weder ausschließlich zu der hinduistischen, der zoroastrischen, der caldäischen oder der ägyptischen Religion gehören, noch zum Buddhismus, dem Islam oder der jüdischen Lehre des Christentums. Die Geheimlehre ist die Essenz von allen.’
Grundlage der Theosophie ist die Idee, dass es eine universale Wahrheit gibt, die in verschiedenen Formen im Bewusstsein der Menschheit wach gehalten wird – dazu zählen die Religionen, die Traditionen und Überlieferungen der Völker der Welt – bis hin zu den Märchen. Die Suche nach dieser universalen, göttlichen Wahrheit und Weisheit ist ein individueller Pfad, den jeder ausschließlich in seiner eigenen Verantwortung und ohne äußere Vermittler zu wählen berechtigt ist. Verantwortlich sind wir nur uns selbst gegenüber – und dem karmischen Gesetz.
Doch wie können wir diese universale Wahrheit finden? Mit diesem Gedanken beschäftigt sich dieser Titel und beleuchtet die Vorstellungen der Theosophie aus unterschiedlichen Perspektiven.
Theosophische Perspektiven
Band 1: Was ist Theosophie?
Frei überarbeitet nach Charles J. Ryan
© 1997 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen