Der Weg zur Jüngerschaft

Teil 1

Es gibt zahlreiche Schüler der Theosophie und des Okkultismus, doch nur wenige von ihnen verstehen die wahre Bedeutung der Jüngerschaft. Ungeachtet all dessen, was zu diesem Thema von denjenigen gesagt und geschrieben wurde, deren Wissen nicht in Frage gestellt wird, besteht weiterhin der Irrglaube, dass das Verlangen nach Okkultismus allein einen Menschen zur Jüngerschaft befähigt. Dies trifft aber überhaupt nicht zu. Dieses Verlangen manifestiert sich in einem Durst nach geheimnisvollem Wissen oder nach Macht, Jahre, vielleicht Menschenalter, bevor sich die Fähigkeit einstellt, über den Pfad nachzusinnen, ganz zu schweigen von der Fähigkeit, ihn gar zu betreten; und er lockt den Anwärter auf manchen Nebenweg und in manche Sackgasse, bevor ihn schließlich Ernüchterung und Schmerz an die Schwelle des Wahren Weges treiben.

Der Weg zur Jüngerschaft ist nicht die Jüngerschaft selbst. Es ist der Pfad des Neophyten im Wahren Okkultismus. Er liegt zwischen dem Alltagsleben und einem anderen, höheren Leben und Bewusstsein. Dort hindurch muss der Aspirant selbst gehen, ohne von irgendeinem ihm gegenwärtigen Meister geführt zu werden, und durch seine eigenen Bemühungen. Und durch die Erfahrungen, die er angesammelt hat, muss ein spirituelles oder universales Bewusstsein entstehen, das es ihm ermöglicht, seinen Meister, wenn er erscheint, zu erkennen und von seiner Lehre zu profitieren.

Was ich sage, wurde schon oft gesagt, und es ist in den Worten aller Großen Lehrer der Menschheit enthalten. Es ist nichts anderes als eine kurze Erklärung des universalen Gesetzes, das alle für sich selbst lesen können, wenn sie nur innehalten, um es zu betrachten. Ich schreibe das einfach, um noch einmal auf die Tatsache dieses Gesetzes aufmerksam zu machen und habe keine andere Entschuldigung dafür.

Wer sich bereit fühlt, ein echter Schüler zu werden, sollte für einen Moment das Wissen beiseite stellen, das zu besitzen er meint, und die folgenden Tatsachen betrachten:

Zunächst gilt es, die Art und Weise zu verstehen, wie sich das menschliche Bewusstsein entwickelt. In der frühesten Kindheit manifestiert es sich lediglich als körperliche Empfindung. Ein wenig später erscheint es als diffuses, animalisches Bewusstsein. Noch später wird es zu einem primitiven, menschlichen Verlangen, das nicht durch Gedanken kontrolliert wird. Schließlich wird es individualisiert und zu einem bestimmten menschlichen oder persönlichen Bewusstsein, das durch Verantwortungsbewusstsein gekennzeichnet ist, was in früheren Jahren gänzlich fehlte.

Das große Gesetz der Entsprechungen oder der Analogie, dessen Existenz nicht nachgewiesen werden muss, da es von allen Studierenden allgemein akzeptiert wird, sollte als nächstes in die Betrachtung einbezogen werden. Es besagt, dass alles, was auf irgendeiner Ebene geschieht, lediglich eine Wiederholung eines Ereignisses auf einer vorangegangenen und niedrigeren Ebene darstellt und sich auf einer nachfolgenden und höheren Ebene erneut wiederholen wird. Auf die im Säuglingsalter herrschenden Bedingungen angewandt zeigt sich, dass sie sich zu Beginn jedes neuen Evolutionszyklus analog wiederholen.

An diesem Punkt sollte klar verstanden werden, dass das spirituelle oder universale Bewusstsein, über das Jünger, Eingeweihte und Meister in unterschiedlichen Graden verfügen, nicht lediglich eine Erweiterung der persönlichen menschlichen Vielfalt darstellt, sondern insgesamt eine andere und höhere Natur aufweist. Die Kultivierung persönlicher Kräfte und Fähigkeiten, egal wie intensiv, wird den persönlichen Menschen niemals in einen Jünger verwandeln. Sie kann und wird normalerweise seinen Fortschritt in Richtung des spirituellen Lebens infrage stellen, gleichermaßen wie beim Kind eine Überentwicklung der animalischen Natur die Entwicklung höherer menschlicher Qualitäten hemmt. Dies bedeutet nicht, dass vom Intellekt beherrschte menschliche Fähigkeiten vernachlässigt werden sollten. Sie alle sind Werkzeuge der Erfahrung, und nur durch Erfahrung wird Weisheit gewonnen. Die wahre Funktion des Intellekts, des herrschenden Prinzips im menschlichen Bewusstsein, ist, so seltsam der Gedanke vielen auch erscheinen mag, dem Menschen seine eigene Unwissenheit zu lehren.

Im Wahren Okkultismus ist der Neophyt ein spirituelles Baby. Er wird in seine neue Welt hineingeboren, wenn er in die Jüngerschaft eintritt und ist, wie das menschliche Kind, zunächst lediglich empfindungsfähig, aber nicht bewusst, gleich den älteren Bewohnern dieser Welt im einen oder anderen Grad. Seine Entwicklung in seinem neuen Leben verläuft genau analog zu der eines Kindes in Richtung menschlicher Individualität. Sein primitives spirituelles Empfinden entwickelt sich zu gegebener Zeit zu einem trüben, diffusen spirituellen Bewusstsein, das sich in späteren Stadien herauskristallisiert oder zu spirituellem Selbstbewusstsein aufblüht. Diese Blüte markiert seinen Eintritt in die Jüngerschaft.

Das menschliche Kind ist nicht in der Lage, einen einzelnen Lehrer zu erkennen oder von speziellen Unterweisungen zu profitieren, bis das Gefühl der persönlichen Verantwortung in ihm zu dämmern beginnt; und so hat der Neophyt analog ein erkennbares „Schulalter“, das, wenn es erreicht ist, ihn dazu befähigt, die Aufmerksamkeit des Meisters zu erlangen.

Man könnte fragen, wie der Neophyt lernt, wenn er nicht direkt belehrt wird. Er lernt, wie das Kind lernt, von Gefährten und etwas älteren Brüdern; aus den Bedingungen, in die er hineingeboren wurde und aus der allgemeinen Anleitung seiner Eltern: Die „Eltern“ sind die Großen Lehrer, die ihre Worte zur Führung spiritueller Kinder von Zeitalter zu Zeitalter hinterlassen. Er ist sich des Lernens (geistig) nicht bewusst und wird es auch nicht, bis seine Ausbildung an der Hand eines Meisters beginnt. Das Gesetz ist leicht zu verstehen, wenn es unvoreingenommen betrachtet wird. Für beide Seiten wäre es eindeutig eine Verschwendung von Zeit und Energie, würde ein Meister versuchen, einem unentwickelten Kind spirituelles Wissen zu vermitteln. Spirituelle Energie darf nicht fruchtlos verbraucht werden, und dies ist ein Gesetz, das ebenfalls verstanden werden sollte.

In Bezug auf das menschliche Bewusstseins bedeutet Wachstum keinesfalls, etwas bereits vorhandenem etwas weiteres hinzuzufügen. Im Gegenteil, es wird dadurch verursacht, dass nichtmenschliche Veranlagungen erschöpft und abgelegt werden und auf diese Weise der Mensch hervortreten kann. Von der Empfängnis an rekapituliert das Wesen in verkörperter Form die gesamte Entwicklung längst vergangener Zeiten. In schneller Folge erschöpft es die Erfahrungen, die jede Stufe erfordert, fügt ihre Auswirkungen zur Summe seines Bewusstseins hinzu und legt die überkommenen Bedingungen ab. Das Wesen taucht erst allmählich als Mensch auf, bei der Geburt und einige Jahre nach der Zeit, in welcher die animalischen Einflüsse vorherrschen – und nur dadurch, dass man diese Einflüsse durchlebt und überwindet, bis sie erschöpft sind. Nur wenn ein Kind relativ frei von der animalischen Natur ist, kann es sich bewusst dem Erwerb rein menschlichen Wissens zuwenden und so bereit sein, von der Unterstützung eines bestimmten Lehrers zu profitieren.

Analog dazu ist der gerade in die geistige Welt geborene Neophyt zunächst ein rein körperlicher Mensch, der lediglich von Mitgliedern dieser höheren „Rasse“ als geistiges Wesen erkannt werden kann. In seinem neuen Leben wird das Wachstum erreicht, indem er die ihm anhaftenden persönlichen Veranlagungen schnell durchlebt und sie Stück für Stück ablegt, bis er frei genug ist, um individuelle Anstrengungen als verantwortungsbewusstes spirituelles Wesen zu beginnen. Erst dann kann er sich mit Hilfe eines Meisters dem Erwerb spirituellen Wissens zuwenden.

Wenn all das hier Gesagte verstanden wird, was problemlos möglich sein sollte, wird deutlich, wie groß die Kluft ist, die den Wahren Okkultismus, den Weg der Jüngerschaft, von den gewöhnlichen Okkulten Bestrebungen und Praktiken unterscheidet. Jede Form der Letzteren kann im persönlichen Bewusstsein verfolgt werden, und ein „Adept“ dieser Künste kann als Ausbilder fungieren, wenn der Wunsch nach einem Lehrer beharrlich genug vorhanden ist. Dies ist jedoch nicht der Pfad. Weit davon entfernt, den Aspiranten in übermenschliche Zustände zu versetzen, belasten ihn diese Aktivitäten mit zusätz­lichen persönlichen Angelegenheiten und erschweren den Fortschritt in der Jüngerschaft unkalkulierbar. Sich mit okkulten Künsten zu beschäftigen mag zusätzliches Wissen und Kraft bringen, aber so seltsam und fremd dies der Welt auch erscheinen mag, im Allgemeinen sind dieses Wissen und die Kraft rein menschlicher und nicht spiritueller Natur. Es verkompliziert das Leben, verstärkt die Empfindung der Getrenntheit und steht deshalb dem Naturgesetz der Evolution entgegen. Obwohl es falsch wäre zu behaupten, die okkulten Künste und Praktiken seien der Pfad der schwarzen Magie, sind sie dennoch Schattenpfade, denn sie halten die Menschen vom Pfad des Lichts fern.

Der echte schwarze Pfad ist spiritueller und nicht persönlicher Natur und kann nur von jemandem eingeschlagen werden, der geistig verantwortlich geworden ist. Dies ist ein dunkles und schreckliches Geheimnis, das nur von sehr, sehr wenigen verstanden werden kann. Der Schüler sollte sich nicht damit befassen, sondern sich mit dem vielen oder wenigen hier Mitgeteilten zufriedengeben. Alles, was jemals von den Großen Lehrern der Menschheit geschrieben und gesagt wurde, ist in erster Linie an Neophyten oder potenzielle Neophyten gerichtet. Das geistige Wort enthält für alle eine Botschaft, und das ist sein Erkennungszeichen; Eingeweihte lesen darin jedoch, was geringere Geister nicht wahrnehmen können, und die gewöhnlichen Menschen verstehen es überhaupt nicht oder bestenfalls vage oder schwach. Der Neophyt ist das spirituelle Kind, und den Kindern spendet der Lehrer seinen unmittelbarsten Segen.

Die Weltlehrer unterrichten keine Jünger, denn das ist die Aufgabe einzelner Meister. Wenn sie sich auf Jüngerschaft beziehen, tun sie dies in Gleichnissen und Alle­gorien, die den Schülern ein schwaches Ideal davon geben, nach dem er streben kann. Das brauchen sie, denn sie sind in ihrer Persönlichkeit immer noch selbstisoliert und würden ohne äußere Anreize dazu neigen, in eine selbst­zufriedene Stagnation zu verfallen.

Aus den bedeutenden Äußerungen der Lehrer baut der Neophyt in seinem Bewusstsein ein schattenhaftes Ideal der spirituellen Menschheit auf, analog zu dem vagen Bild des Menschseins im Verstand eines Kindes. Analog dazu beginnt er mit der Verwirklichung des Ideals. Genauso wie tierhafte Gemütszustände erlebt wurden und allmählich wegfallen, müssen auch persönliche Zustände überwunden werden. Das ist das Gesetz, und darum beschränken sich die großen universalen Lehren fast ausschließlich auf Ermahnungen, das persönliche Leben fallen zu lassen, und auf Ermunterungen, ein höheres Leben anzustreben. Dies wird verstanden, aber oft wird gefragt, warum die Worte des Lehrers so vage und paradox sind; und warum er so viel darüber sagt, was erreicht werden muss und so wenig darüber, wie man etwas erreichen kann.

Eine für alle zufriedenstellende Antwort ist nicht einfach zu geben. Eine spirituelle Botschaft kann mit menschlichen Worten nicht übermittelt werden, nach dem Motto: „Wer kandidiert, darf lesen.“ Folgendes sollte verstanden werden: Die persönliche Natur ist selbstisoliert und somit von allem, was außerhalb ihrer selbst liegt, abgeschnitten. Deshalb muss sie notwendigerweise und auf eigene Art versuchen, sich selbst zu entdecken. Jeder Einzelne ist für sich der Pfad und muss die Mittel, ihn zu betreten, in sich selbst finden. Andererseits ist das Bewusstsein des Jüngers nicht isoliert, sondern eins und, soweit es spirituell ist, mit dem des Meisters verbunden; folglich sind alle Anweisungen, die im Bewusstsein des Meisters formuliert sind, auch die des Schülers, weil sie nicht von außen kommen, sondern von innen. Der phänomenale Körper des Meisters ist getrennt, was für alle derartigen Körper gilt, einer vom anderen, aber als solcher wurde er nicht im Körper des Jüngers erbaut, sondern in der spirituellen Sphäre seiner neuen Selbstheit.

Wenn dies verstanden wird, kann es den Schüler dazu führen, sich vor jenen zu hüten, die ihm feste Regeln auferlegen wollen, die er ohne nachzudenken und zu hinterfragen einzuhalten hätte. Bestenfalls sind sie blinde Führer der Blinden; aber wie oft sind sie Agenten der Dunkelheit, die versuchen, seinen geistigen Willen zu fesseln. Es ist bei Weitem besser, sich durch Unwissenheit zu irren als blind auf Anweisung eines anderen richtig zu handeln; denn im ersten Fall erkennt man seinen Fehler, indem man die Auswirkungen erlebt und davon profitiert, im zweiten Fall jedoch lernt man überhaupt nichts und leidet mehr oder weniger durch die Aufgabe der indivi­duellen Verantwortung.

Wie das Kind vom Vorbild und der Kameradschaft älterer Kinder am meisten lernt, ist für den Neophyten der Kontakt mit anderen, weiter Fortgeschrittenen am förderlichsten. Kinder beziehen Nahrung für ihr inneres Wachstum aus dem Boden und der Atmosphäre, welche der liebevolle Rat und die Ermahnungen der Eltern für sie erschafft. Ebenso beziehen Neophyten geistige Nahrung aus dem Boden und der Atmosphäre, die mittels der Worte der Großen Lehrer erschaffen werden, welche unsere geistigen Eltern sind.

Ein älterer Schüler kann einem jüngeren immer in einem gewissen Maß helfen, indem er Teile der ­Lektionen der Eltern-Lehrer in Worten wiederholt, die für den Verstand des Kindes besser geeignet sind – Worte, die dem Neuling mehr bedeuten können als die des Lehrers, da sie aus einem Verstand stammen, der seinem eigenen ähnlicher ist. In Teil II dieses Artikels wird versucht, eine solche Lektion zu erteilen. Er beansprucht keinerlei Autorität; und sein Wert ist nur daran zu messen, inwieweit er zum Verständnis der großen universalen Lehren beiträgt. Alles, was er enthält und nicht mit den Worten der Meisterlehrer übereinstimmt, sollte zwar nicht insgesamt zurück­gewiesen, aber doch beiseite gelegt werden, bis ein breiteres Wissen, das nicht plötzlich erlangt werden kann, seine Falschheit beweist.

Teil 2

Seine Haltung gegenüber dem Leben und seine Auffassung darüber zu verändern ist die Aufgabe, mit der sich der Neophyt im Wahren Okkultismus konfrontiert sieht. Am Beginn seines Weges als Neophyt ist er sich in keinem Fall seiner spirituellen Selbstheit bewusst, gleich einem neugeborenen Baby, das seine menschliche Selbstheit noch nicht kennt. Die Arbeit oder die Pflichten des Lebens; die Lebensumstände; und die gegensätzlichen Gegebenheiten von Leben und Tod stellen ihn vor Herausforderungen, nur schwach ahnt er, dass er sie annehmen muss, um ihrer Herr zu werden und nicht ihr Sklave zu bleiben. Sie und ihre Verwandten binden und unterdrücken ihn unaufhörlich; dies zu realisieren ist der allererste Schritt. Schwäche und Unwissenheit sind untrennbar mit der selbstisolierten Natur verbunden, und indem er das erkennt, kommt das Verständnis für die wahre Natur der von ihm geforderten Anstrengung, nämlich die persönliche Selbstheit abzulegen und durch eine andere zu ersetzen. Was die Natur dieses anderen Bewusstseins sein mag, weiß er nicht und kann sie vorerst lediglich negierend als unpersönlich beschreiben.

Zu leben und zu wachsen und schließlich zum Beherrscher des Lebens zu werden bedeutet, seine Gesetze zu erlernen und in Harmonie mit ihnen zu arbeiten. Die Gesetze des spirituellen Lebens ohne fremde Hilfe durch direkte Erfahrung zu erlernen, wäre eine Aufgabe für viele Leben, aber glücklicherweise ist der Neophyt nicht gezwungen, diesen Weg zu beschreiten. Von Jüngern und Vertretern der Meister verfasste Bücher über die Philosophie des Wahren Okkultismus sind für alle erreichbar, und indem der Schüler sie studiert, kann er die notwendige Erfahrung in verkürzter Form erlangen. Werke, die von Menschen mit echtem Wissen geschrieben wurden, sind nicht, wie es den Anschein haben mag, uninformierte, bloße Leitfäden, in denen die Konfiguration des Universums beschrieben wird. Sie sind Erfahrungsfelder, in welchen sich das Bewusstsein selbst üben und auf diese Weise die Gesetze der universalen Natur direkt kennenlernen kann. Diesen letzten Satz sollte sich der Schüler gedanklich einprägen und darüber nachdenken, bis er seine volle Bedeutung erfasst.

Bei bestimmten okkultistischen Autoren ist es Mode geworden, Schüler nach ihren persönlichen Neigungen zu klassifizieren. Anscheinend glaubt man, dass ein Schüler am meisten Fortschritte macht, indem er die Linie verfolgt, die ihm am besten gefällt. Das wäre völlig korrekt, wäre das Ziel der persönliche Fortschritt, doch wie bereits gezeigt, ist das nicht zutreffend. Klares Denken und Unterscheidung sind erforderlich, um den Kern in seinem wahren Licht zu sehen. Jeder Schüler hat natürlich Vorlieben für eine bestimmte Richtung seiner Studien und wird, wenn sie ihm gewährt wird, scheinbar schneller und reibungsloser vorankommen als andere, die nicht ihren eigenen Neigungen folgen; die Angelegenheit stellt sich jedoch ganz anders dar, wenn man sich daran erinnert, dass seinem persönlichen Verlangen zu dienen bedeutet, jener Natur zu stärken, von der man sich befreien will.

Die Schüler gehören im Allgemeinen natürlicherweise einer von zwei großen Klassen an, nämlich (1) dem Philosophischen und (2) dem Hingebungsvollen Typus. Der erste ist durch einen mehr oder weniger entwickelten Intellekt und eine ziemlich gut kontrollierte emotionale Natur gekennzeichnet. Schüler dieser Art haben einen Wissenshunger, den die spekulative Philosophie befriedigt, was es ihnen ermöglicht, dem Verstand gefällige Daseinsvorstellungen zu bieten. Bei den zweiten dominieren normalerweise die höheren Empfindungen, und der Intellekt ist weniger entwickelt. Das Studium von Büchern zieht sie nicht an. Vielmehr könnten sie sich dadurch verwirrt fühlen, weil es ihnen im Allgemeinen an Konzentrationsfähigkeit mangelt. Die von den Lehrern in den großen Werken dargelegte Struktur des Universums interessiert sie nicht, weil sie meist nicht fähig sind, sie zu verstehen. Sie können Bücher lesen, die sich mit der praktischen oder hingebungsvollen Seite des Okkultismus befassen, und tun dies üblicherweise auch, verstehen jedoch selten ihre Bedeutung, sie gewinnen lediglich eine transzendentale emotionale Befriedigung durch die Betrachtung der Ideale des Dienens und Aufopferns. Ihre Absichten sind immer von höchster Qualität, werden aber selten in die Praxis umgesetzt, eine Tatsache, die sie seltsamerweise selten erkennen.

Diese beiden Typen, die nach gewöhnlichen Maßstäben in vielerlei Hinsicht überaus würdig sind, nähren jeweils die persönliche Natur, anstatt sie zu beseitigen, wenn sie ihren Neigungen entsprechend arbeiten. Der Philosophische Schüler sammelt aus seinen Studien einen ständig wachsenden Vorrat von Fakten, wie er sie sich vorstellt; aber er erkennt nie, dass dies überhaupt keine Tatsachen sind, sondern lediglich Aspekte der Wirklichkeit, wie sie dem getrennten Bewusstsein erscheinen. Aus ihnen baut er mentale Vorstellungen auf, die er für real hält, die aber in Wirklichkeit ebenso wenig real sind wie das Bewusstsein, dass sich diese Vorstellungen erschafft, im Vergleich zu jenem eines vollkommenen Wesens. Er erweitert und verkompliziert lediglich seine persönlichen Erfahrungen, anstatt sie auszuarbeiten.

Der Hingebungsvolle Mensch tendiert ebenfalls zum Persönlichen. Seine Suche nach transzendentalen emotionalen Erfahrungen ist selten etwas anderes als das Streben nach einer auf eine höhere Ebene angehobene Empfindung. Die Hingabe an das „höhere Leben“, wie er es kennt, verstärkt lediglich die Empfindung des Getrenntseins, indem er sich „besser“ fühlt als sein Mitmensch.

Im Falle des Neophyten sollte kein Gedanke daran verschwendet werden, individuelle Bemühungen zu fördern. Im spirituellen Leben ist er ein Baby und kann keinem individuellen Pfad folgen, bevor er nicht eine verantwortungsvolle Individualität erlangt hat. Die Analogie des Kindes sollte in Erinnerung behalten werden.

Auf persönliche Neigungen sollte Rücksicht genom­men werden, so wie weise Eltern den Charakter eines Kindes berücksichtigen. Sie sind die dominierenden Merkmale seiner Natur, und in ihnen sollte das unmittelbarste Erfahrungsfeld gesehen werden, das ausgearbeitet und zurückgelassen werden muss. Der Philosophische Schüler kann sich weiterhin der spekulativen Philosophie hingeben, sofern er die richtige Einstellung dazu hat. Er sollte verstehen, dass die gegebenen „Fakten“ keine endgültigen Realitäten darstellen, sondern Wegweiser sind, die zeigen, in welchen Richtungen die Wirklichkeit gefunden werden kann und dass er seine natürlichen Neigungen angemessen und gewinnbringend nutzen kann. Dies ist das Geheimnis, die Natur zu nutzen und ihr nicht als Sklave zu dienen.

Der weniger intellektuelle Schüler, der als hingebungsvolle Natur bezeichnet wird, sollte seine besonderen Neigungen ebenfalls als sein unmittelbares Erfahrungsfeld nutzen. Anstatt es zu genießen, sollte er sich bemühen, es zu betrachten und zu studieren und nach den Gesetzen zu suchen, die sich darin manifestieren.

Keiner der beiden Typen sollte sich von den neuen Bemühungen sofortige und beeindruckende Ergebnisse versprechen. Dies zu tun würde bedeuten, sich lediglich in einem weiteren der vielen Fallstricke zu verfangen, die das persönliche Selbst auslegt, denn nur das getrennte Bewusstsein kann sich vorstellen, sich selbst etwas hinzuzufügen. Das Ziel ist es, sich eine Haltung anzueignen und nicht ein Bauwerk zu errichten. Der Schüler sollte sich als Samensäer betrachten, nicht als Ernter von Früchten. Die Erntesaison wird zur richtigen Zeit kommen, doch jetzt hat gerade erst der Frühling begonnen.

In der Vergangenheit erschaffene Ursachen können einen Schülern manchmal dazu zwingen, allein zu arbeiten, in der Regel zieht er jedoch andere Menschen an oder wird von jenen angezogen, von denen er möglicherweise Hilfe erhalten oder sie ihnen geben kann. In einer Gruppe können schnellere Fortschritte erzielt werden, als dies bei Einzelbemühungen möglich ist, vorausgesetzt, es kann immer eine Harmonie zwischen ihren Mitgliedern hergestellt werden. Harmonie besteht weder aus zugeneigten Beziehungen noch aus übereinstimmenden Ansichten, zwei Dinge, die praktisch unmöglich zu erreichen sind. Bei dem Versuch, sie zu erreichen, brechen die meisten Gruppen unerfahrener Schüler auseinander. Die zu suchende Harmonie ist von ganz anderer Natur, aber nicht leicht zu definieren. Es wurde gesagt, dass sie eine Haltung und ein Verständnis umfasst. Die Haltung ist gekennzeichnet durch eine Leidenschaftslosigkeit in Bezug auf persönliche Dinge, und ein Verständnis bezieht sich darauf, dass sich die persönlichen Naturen aller voneinander unterscheiden. Einheit in der Absicht, jedoch Vielfalt in der Art, die Absicht zu manifestieren: Zu verstehen, dass dies das unveränderliche Gesetz ist, schafft wahre Harmonie.

Regeln für die Gruppenarbeit können ebenso wenig festgelegt werden wie für die Einzelarbeit, aber es können einige detailliertere Hinweise auf gewinnbringende Arbeitsweisen gegeben werden. Es handelt sich um Hinweise und nicht um Anweisungen, die zu befolgen sind, um Einblicke in das Gesetz der Arbeit zu geben und nicht mehr. Der westliche Schüler macht fast ausschließlich die philosophischen Studien zur Grundlage seiner Arbeit, ­insbesondere in einer Gruppe. Zu Beginn sollte sein Ziel klar verstanden werden. Es wird nicht nach Fakten gesucht, sondern nach Unterweisung, und das letztere Wort kann auch als Gesetz interpretiert werden.

Ein konkretes Beispiel dafür, wie ein universales Gesetz durch philosophisches Studium entdeckt und angewendet werden kann, mag hilfreich sein. Betrachten Sie die vertraute Lehre der Planetenkette: Sie lehrt, dass die Monade, der individuelle Funke des universalen Bewusstseins, von einem der sieben Globen auf den anderen übergeht, auf jedem einen anderen Aspekt des Bewusstseins entwickelt und schließlich nach sieben Umrundungen der Kette auf dem siebten Globus eine selbstbewusste Vollkommenheit erreicht (in Bezug auf diesen besonderen Evolutionszyklus). Gemeinsam mit den damit verbundenen Lehren von den sieben Rassen, sieben Unterrassen usw., zeigt dieses universale Gesetz, dass sich das Bewusstsein, egal in welcher Form es sich manifestiert, ob als Universum oder als der kleinste Gedanke, kontinuierlich durch einen Zyklus von sieben Stufen bewegt und der Aspekt oder die Form, die es zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellt, lediglich einer von sieben ist und in der Tat synthetisiert werden muss, um vollständig zu werden.

Wendet man dieses Gesetz nun auf das Verständnis unserer selbst an, so wird der Eindruck entstehen, dass keine zu einem beliebigen Zeitpunkt existierende Phase des Bewusstseins, sei es eine einzelne Idee oder eine umfassende Sicht des Lebens, vollständig oder dauerhaft sein kann, egal wie real sie wirken mag. Sobald das verstanden ist, hilft einem dieses Verständnis einen Schritt weiterzugehen, wodurch es möglich wird, Ideen wahrzunehmen, und das Bewusstsein wird als Ganzes unterschiedliche Phasen durchlaufen, die, wenn sie untersucht werden, den auf bestimmten „Globen“ herrschenden Zuständen entsprechen, wie die Philosophie lehrt. Der gewöhnliche Verstand kann nicht alle sieben Phasen wahrnehmen, aber er kann genug erfassen, um unmittelbare Gewissheit über das Gesetz zu erlangen.

Es ist sehr leicht einzusehen, dass diese Erkenntnis, auf das Leben angewandt, eine Menge Leid verhindern könnte. Neophyten, insbesondere solche von der sogenannten hingebungsvollen Art, erleben häufig Perioden von Depressionen, Pessimismus und sogar Unglauben an irgendetwas Spirituelles, die Anwendung des Gesetzes der Veränderung würde ihnen aber zeigen, dass diese Phasen vorübergehen und es ihnen ermöglichen, sie leidenschaftslos zu erleben. Das weitere Verständnis dafür, dass sich solche Phasen in mehr oder weniger modifizierter Form immer wiederholen, wird eine distanziertere Haltung fördern.

Der denkende Schüler braucht keine weitere Führung. Es wurde ausreichend gesagt und aufgezeigt, wie schnell und wie weit ein einmal entdecktes Gesetz erweitert werden kann und wie seine Anwendung dazu dient, die Grenzen der persönlichen Sichtweise aufzulösen. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass nicht zu viel Vertrauen in die eigenen Beobachtungen und Schluss­folgerungen gesetzt wird, da Erstere möglicherweise unvollkommen und Letztere möglicherweise falsch sein könnten. Mit anderen Worten, denken Sie daran, dass es die Übung ist, die sich aus der Arbeit ergibt und bedeutsam ist, nicht ihre unmittelbaren Ergebnisse.

Aus der vorstehenden Übung wird sich die Gewohnheit der Selbstbeobachtung natürlich entwickeln, und sie sollte so weit und tief wie möglich ausgedehnt werden, bis es zur zweiten Natur wird, die gesamte Persönlichkeit objektiv zu betrachten. Die vielfältigen Aktivitäten der verschiedenen Aspekte seiner Natur zu beobachten und zu hinterfragen, sollte das ständige Bestreben des Neophyten sein. Auf diese Weise löst er seine Individualität oder sein Selbst immer vollständiger von deren Erfahrungsinstrumenten ab. Auch hier ist Vorsicht geboten, um zu vermeiden, aus dem Beobachteten feste Vorstellungen zu entwickeln und Antworten auf seine Selbstbefragung zu erwarten. Die Haltung eines Fragenden ist richtig, denn solange sie das bleibt und nicht mehr, ist sie rein unpersönlich. Eine Haltung jedoch, welche Antworten verlangt, ist falsch, denn sie ist rein persönlich. Der Schüler, in dem das geistige Bewusstsein aktiv ist, kann vom äußeren Leben verlangen, dass es seine Fragen beantwortet, nicht jedoch der Neophyt. Seine äußere Natur ist sein Erfahrungsfeld; der Schüler sollte damit zufrieden sein, es zu beobachten und zu wissen, dass es nicht er selbst ist, und zu gegebener Zeit werden sich ihm seine Geheimnisse offenbaren. Im Moment sieht er nur den kleinen Teil, der von der Sonne des Bewusstseins beleuchtet wird, und er kann ihn nicht richtig verstehen, solange er nicht auch seine vielen dunklen Ecken erkennt.

Wenn der Schüler sich selbst beobachtet und hinterfragt, kann es geschehen, dass er die Studien der anderen zu schätzen lernt, indem er alle Mitmenschen nicht mehr als getrennte Wesen betrachtet, sondern als Aspekte seiner eigenen Natur, welche ihm als Anschauungs­unterricht vorgelegt werden. Philosophisch gesagt ist es nicht unwahr, wenn nicht gar wortwörtlich, dass alle Wesen, mit denen wir in Kontakt kommen, nur objektivierte Aspekte unserer eigenen Natur darstellen. Das als Karma bekannte Gesetz lehrt, dass jeder Mensch seine eigene Natur und seine eigenen Umstände selbst erschafft – und nicht jene Wesenheiten, die er mit den integralen Bestandteilen seiner Umstände in Zusammenhang bringt. Obwohl das für das gegenwärtige Bewusstsein nicht wörtlich zu verstehen ist, kann diese Ansicht sehr dabei helfen, den Menschen immer näher an das universale Bewusstsein heranzuführen, für welches es absolut zutrifft.

Das große, allgegenwärtige Problem, mit dem alle konfrontiert sind, die diesen Weg beginnen, ist die Eroberung des Verlangens. Je mehr dies in Betracht gezogen wird, desto schwieriger erscheint es jemandem, der nachdenkt, aber immer noch kein klares Verständnis hat. Das Verlangen ist in seinem Verständnis die große Triebkraft des Lebens, und wenn es zerstört wird, was könnte dann seinen Platz einnehmen? Ohne Verlangen, denkt er und liegt damit richtig, gäbe es Apathie und Stagnation, aber er versteht nicht, dass Verlangen als Prinzip in der ­universalen Natur etwas völlig anderes ist als das menschliche Verlangen. Das Begierdenprinzip kann genauso wenig beseitigt werden wie das Universum, mensch­liches Verlangen stellt jedoch einfach das selbstisolierte Bewusstsein dar, das innerhalb dieses Prinzips tätig ist, so wie es auch im mentalen und selbst im spirituellen Prinzip wirken kann. Dies sollte sorgfältig durchdacht werden.

Doch die Lehrer scheinen selbst die höheren Wünsche zu verurteilen, lauten die Beschwerden. Kann es Fortschritt geben, ohne das Verlangen nach Fortschritt? Die Antwort ist, dass die sogenannten „gehobenen Wünsche“ lediglich raffinierte „Tricks“ des persönlichen Selbst sind. Während das Bewusstsein persönlich ist, muss das Verlangen des Menschen, egal wie gehoben es auch sein mag, auch seine individuellen Seinsaspekte darstellen. Indem das selbstisolierte Bewusstsein durch sie agiert, zieht es ständig Material aus dem Leben, um seine eigene Kraft zu verstärken, und woher das Material kommt, ist ohne jede Bedeutung.

Der Schüler sollte ausschließlich eine und nur diese bestimmte Form des Verlangens fördern, und das ist der Wunsch, nichts zu begehren. Das ist der mächtige Motor, dessen Kraft ihn an die Schwelle der Jüngerschaft bringen wird. Trotzdem – und das ist das am wenigsten verstandene Geheimnis der Jüngerschaft – ist der Wunsch, wunschlos zu sein, immer noch persönlich. Er kann alle anderen Wünsche in sich selbst absorbieren, aber am Ende wird es das Wesen der persönlichen Selbstheit bleiben, das den Schüler an der Schwelle der Jüngerschaft erwartet. Das ist die Wirklichkeit des „Hüters der Schwelle“. Die schreckliche, der Einweihung in die Jüngerschaft vorausgehende Prüfung kommt, wenn der Pilger seiner menschlichen Selbstheit in ihrer größten Macht gegenübersteht, dem Selbst, das seine Kinder geopfert und verschlungen hat, und er muss sich in diesem letzten schrecklichen Kampf selbst töten. Ist es verwunderlich, dass so viele scheitern, die verfrüht zu dieser Begegnung eilen, wo der Sieg ohne Hilfe oder Ermutigung durch Menschen, den Meister oder Gott errungen werden muss?

Während der Neophyt Wünsche ausmerzt, indem er sie in den einen Wunsch absorbiert, Wunschlos zu sein, findet er sich immer freier, neue Wissensfelder zu erkunden. Bereiche des Geistes, die bisher getrübt und untätig waren, werden aktiv. Eine Empfindung von Frieden tritt ein, wenn sich die Reihen der widerstreitenden Wünsche lichten. Die Ausgeglichenheit wird immer größer, wenn das Verlangen, sich von anderen abzuheben oder über ihnen zu stehen, nachlässt und das Wissen darüber zunimmt, was wahre Macht bedeutet. Das Leben wird ausgefüllter und reicher, wenn persönliche Bedürfnisse verschwinden. Dorthin trägt das in einen einzigen Strom konzentrierte universale Begierdenelement den Neophyten, der seine Kraft nicht länger in tausend mäandernden Bächen zerstreut, und noch zu vielem mehr. Wenn kein Hindernis seinen Fluss aufhält, kann es ihn unwiderstehlich durch die letzte Begegnung und durch die quer vor der Schwelle liegende Schwärze und Stille ins Licht des Geistes dahinter befördern.

Das Entstehen des Bewusstseins aus der dunklen Kluft des Nicht-Seins, welche die Seele durchsteigen muss, nachdem das letzte Opfer der persönlichen Selbstheit erbracht wurde, kann passend mit dem Aufgehen des Morgensterns verglichen werden, welcher auf die dunkelste und kälteste Stunde der Nacht folgt. In jedem natürlichen Zyklus kann der Mensch seinen ihm bestimmten Kurs lesen, wenn er nur Augen zum Sehen und einen Verstand zum Verstehen hat; kein Mensch kann es jedoch einem anderen beschreiben, der nicht das Wunder des Beginns eines irdischen Tages gesehen hat, noch können Worte dem persönlichen Verstand vermitteln, was das Erwachen zum spirituellen Bewusstsein bedeutet. Um es zu verstehen, muss es erlebt werden. Mehr kann nicht gesagt werden.

Eine letzte Warnung kann dem Schüler hinterlassen werden, der sich dem Ende seiner Probezeit nähert. Jüngerschaft ist das Ziel, das er erreichen möchte, aber nicht in größerem Maße als das Erreichen der mensch­lichen Individualität ein Ziel für das heranwachsende Kind darstellt. Sie ist der Anfang eines neuen Kreislaufs von Anstrengung und Fortschritt für das jetzt relativ verantwortungsbewusste und selbstbewusste spirituelle Wesen. Der Sieg über den Riesen der persönlichen Selbstheit, der den Schüler zum Schüler gemacht hat, bedeutet nicht, dass dieser große Feind getötet wurde und keine Bedrohung mehr darstellt. Im Gegenteil, er wurde nicht getötet, sondern lediglich dominiert und vorerst zu einem ordentlichen und gehorsamen Diener gemacht. Eigentlich ist seine Stärke weitaus größer als zuvor. Die Koordinierung der unzähligen widerstreitenden Aspekte des Begierdenselbstes in die zuvor beschriebene einzige Einheit bedeutet, dass die persönliche Selbstheit in großem Maße gestärkt und vitalisiert wurde; einer undisziplinierten Nation vergleichbar, die von einem großen Führer zu einer gehorsamen Armee gedrillt wird. Wie jedes nationale Heer der Menschen können die Kräfte der niederen Natur jederzeit in Unordnung geraten und ihre internen Streitigkeiten wieder aufflammen, sollte ihr Kommandant, das Spirituelle Selbst, seine Disziplin lockern und seine Identität verlieren, indem er sich unter sie begibt.

Abgesehen von seinem spirituellen Bewusstsein ist der Jünger in jeder Hinsicht ein Mensch und muss in der Welt ewig als Mensch wirken. Sein Bewusstsein muss daher notwendigerweise immer wieder in die persönliche Natur hinabsteigen und durch sie hindurch arbeiten und aus ihr aufsteigen, wenn die Arbeit getan ist. Es ist nicht nur möglich, sondern praktisch unvermeidlich, dass das Heer der persönlichen Begierden zu Unordnung oder sogar zu offener Meuterei neigt, sobald seine distanzierte Kontrolle gelockert wird. Der anfängliche Sieg ist nur der erste von vielen, den er erreichen und beständig verteidigen muss, bis seine Arbeit im rein menschlichen Bereich endlich vollständig abgeschlossen ist und er an der Schwelle eines anderen Reiches steht, das nicht von dieser Welt ist. Diese Schwelle kann er nicht überschreiten, bis sowohl das geringste und als auch das größte der menschlichen Wunschgebilde, welche das Heer der Persönlichkeit bilden, mit ihm selbst in die Sphäre der geistigen Menschheit aufgestiegen sind. Der Meister kann nicht in das Reich der Götter eintreten, bevor nicht die Menschheit, der er angehört und mit deren Schicksalen er untrennbar verbunden ist, als Ganzes in die Sphäre des geistigen Bewusstseins aufgestiegen ist.

Der jüngere Schüler kann diese Ideen vielleicht nicht auf einmal verstehen, aber es wird sich für ihn lohnen, sie zu studieren und darüber zu meditieren. Dabei wird ihm die Philosophie durch ihre Lehre helfen, dass sie alle Teile eines Ganzen sind, und damit alles, was einen von ihnen betrifft, alle betrifft. Der Mensch lebt und arbeitet nicht für sich selbst, sondern für alle. Es ist nicht seine eigene Seele, die er durch seine Arbeit und sein Opfer rettet, sondern die vereinte blinde Seele der verlorenen Menschheit. Wie gezeigt wurde, muss er zur Erfüllung dieser Aufgabe, wenn die Bedeutung richtig verstanden wird, nicht nur einmal, sondern unzählige Male bereit sein, das gerade erst gewonnene geistige Reich zu opfern und erneut in das Leben der Welt hinabzusteigen. So muss er wieder und wieder das Opfer der menschlichen Selbstheit wiederholen und durch den Abgrund des Nichtseins in seine wahre Heimat in die Reiche des Lichts zurückkehren, damit die Menschen den Pfad des Pilgers und den Pilger auf dem Pfad sehen können, wenn sie Augen haben zu sehen.

Davon sprechen die Lehrer, wenn sie vom Pfad des Leids erzählen: Leid, das aus dem Gesetz entsteht, welches die geistige Selbstheit dazu zwingt, aus ihrer eigenen strahlenden Sphäre in die trübe Welt der Menschen hinabzusteigen; Leid, weil die menschliche Selbstheit die Selbstvernichtung akzeptieren muss, um die Menschheit zu erwecken; aber Leid nur für den Kurzsichtigen, der die ewige Gerechtigkeit, die das unendliche Universum durchdringt und unterstützt, nicht wahrnehmen kann.

Für die Spirituelle Seele bedeutet der Pfad kein Leid. Er ist ein Pfad des Mitgefühls, den diejenigen, die ihn betreten, vollkommen verstehen. Er ist ein Pfad der Harmonie, denn er wird glatt getreten von den Füßen, die sich zum richtigen Zeitpunkt im Rhythmus des Lebens bewegen. Er ist ein Pfad der Schöpfung, denn die Baumeister des Lebens wandeln bei ihrer Arbeit auf ihm hin und her. Und schließlich ist er der Pfad der Seher, und die Streitwagen des Gesetzes rollen auf ihm.

Was ich vermitteln möchte, ist nichts Neues, sondern alt, so alt, dass es nie eine Zeit gab, in der es nicht existierte. Ich wiederhole es auf meine individuelle Weise und glaube, dass hier und da eine Seele, die von den Worten anderer unberührt bleibt, von den von mir benutzten Worten berührt werden kann. Die Wahrheit ist Eins, die Formen aber, in denen sie sich manifestiert, sind unzählig: Dennoch ist keine Form, wie grob sie auch sein mag, für irgendeinen Verstand bedeutungslos. Dies ist das Gesetz, und dies ist der Grund, warum die unveränderlichen Wahrheiten des Lebens im Laufe der Jahrhunderte von denen, die ihren Glanz eingefangen haben, immer wieder neu formuliert werden müssen.