VIII – Reinkarnation I

Wie und warum sich der Mensch zu diesem komplexen Wesen entwickelte, sind Fragen, die weder von der Wissenschaft noch von der Religion schlüssig beantwortet werden. Dieser unsterbliche Denker steht an der Spitze einer unermesslichen und stillen Evolution. Er verfügt über so große Kräfte und Möglichkeiten, weil er mit jedem verborgenen Teil der Natur, aus dem er aufgebaut ist, eng verbunden ist. Er fragt nach dem Zweck der Natur, nach dem Ziel des Lebensdramas und wie dieses Ziel erreicht werden kann. Aber weder die Wissenschaft noch die Religion vermögen eine vernünftige Anwort darauf zu geben. Die Wissenschaft gibt auch nicht vor, eine Lösung bieten zu können: Ihre Aufgabe sei lediglich die Erforschung der Dinge, so wie sie sind. Die Religion gibt eine unlogische und bedeutungslose Antwort, die nur dem Frömmler annehmbar ist, verlangt sie doch von uns, wir sollten die Natur als ein Mysterium betrachten; die ganze Bedeutung und Absicht des Lebens mit seinen Leiden sei nur im Wohlgefallen eines Gottes zu suchen, der nicht erforschbar sei. Der gebildete und forschende Sucher weiß, dass die dogmatische Religion nur eine von Menschen aufgestellte Antwort geben kann, von der aber behauptet wird, sie stamme von Gott.

Warum existiert nun das Universum und auf welches Endziel steuert der unsterbliche Denker mit seiner Evolution zu? Alles dient der Erfahrung und Befreiung der Seele – mit dem Ziel, die gesamte manifestierte Materie in den Stand, das Wesen und die Würde bewusster Göttlichkeit zu erheben. Das große Ziel ist, Selbstbewusstsein zu erlangen; nicht durch eine Rasse, ein Volk oder eine bevorzugte Nation, sondern durch Vervollkommnung der gesamten Materie und auch dessen, was man jetzt als Seele bezeichnet, nachdem diese transformiert wurden. Nichts wird oder kann ausgenommen werden. Das Ziel für den gegenwärtigen Menschen ist seine Initiation in das vollständige Wissen und für die unter ihm stehenden Naturreiche, dass sie allmählich Stufe um Stufe emporgeführt werden, um im Laufe der Zeit ebenfalls initiiert zu werden. Das ist Evolution in höchster Potenz; sie bietet eine herrliche Aussicht. Sie macht aus dem Menschen einen Gott und gibt jedem Teil der ganzen Natur die Möglichkeit, eines Tages das gleiche Ziel zu erreichen. Darin liegt Stärke und Würde, weil damit kein Mensch erniedrigt und entwürdigt wird, denn niemand ist von Grund auf so sündhaft, dass er sich nicht über alle Sünde erheben könnte. Die vom materialistischen Standpunkt der Wissenschaft behandelte Evolution berücksichtigt nur eine Hälfte des Lebens, während der religiöse Evolutionsbegriff eine Mischung von Unsinn und Furcht ist. Die gegenwärtigen Religionen pflegen das Element der Furcht und stellen sich zur gleichen Zeit vor, ein allmächtiges Wesen habe nur diese Erde im Sinn, die es nur sehr unvollkommen regiert. Die alte theosophische Anschauung macht das Universum jedoch zu einem großen, vollständigen und vollkommenen Ganzen.

Sobald wir eine doppelte Evolution voraussetzen, eine materielle und eine spirituelle, müssen wir gleichzeitig zugestehen, dass sie nur vermittels der Reinkarnation vor sich gehen kann. Das wird tatsächlich von der Wissenschaft demonstriert. Sie zeigt, dass die Materie der Erde und aller ihrer physischen Objekte darauf früher einmal gasförmig oder flüssig war, dass sie abkühlte; dass sie sich veränderte; und dass aus allen Veränderungen und Evolutionen schließlich die ganze Vielfalt an Wesen und Dingen entstand. Auf der physischen Ebene ist das Transformation oder Wechsel von einer Form zur anderen. Die Gesamtmenge an Materie ist heute ziemlich die gleiche wie am Anfang dieses Globus, es mag noch etwas kosmischer Staub hinzugekommen sein. Die Materie muss daher immer und immer wieder Veränderungen durchlaufen und sich physisch dauernd umgebildet und wiederverkörpert haben. Streng genommen können wir natürlich das Wort Reinkarnation hier nicht anwenden, weil sich ‘inkarnieren’ auf Fleisch bezieht. Deshalb wollen wir lieber ‘wiederverkörpert’ sagen. Wir sehen dann, dass sowohl bei der Materie wie auch beim Menschen die Formen ständig gewechselt haben und das ist, allgemein gesprochen, ‘Reinkarnation’. Von der gesamten Menge der Materie erklärt die Lehre, sie werde auf die Menschenstufe emporgehoben sein, wenn der Mensch selbst weiter fortgeschritten sein wird. Nach der schließlichen Erlösung des Menschen bleibt kein Rückstand übrig, der auf eine mysteriöse Art entsorgt oder auf irgendeiner fernen Müllhalde der Natur abgeladen wird. Die echte Lehre erlaubt keine derartige Möglichkeit, sie schreckt aber gleichzeitig auch nicht vor der richtigen Erklärung darüber zurück, was dem Anschein nach ein Rückstand ist. Alles wird in andere Zustände umgearbeitet. Da diese Philosophie behauptet, dass es überhaupt keine anorganische Materie gibt, sondern dass jedes Atom lebendig ist und den Keim des Selbstbewusstseins in sich trägt, muss gefolgert werden, dass eines Tages alles verändert sein wird. Was heute als menschliches Fleisch bezeichnet wird, besteht aus Materie, die einmal völlig mineralisch und später dann vegetabil war und sich jetzt zu menschlichen Atomen verfeinert hat. In einer sehr fernen Zukunft wird die gegenwärtige vegetabile Materie auf die animalische Stufe emporgehoben sein, und was wir jetzt als unsere fleischliche oder organische Materie benützen, wird sich durch Transformation mittels der Evolution zu selbstbewussten Denkern entwickelt haben und so weiter, die ganze Stufenleiter empor, bis die Zeit gekommen sein wird, in der die jetzige Mineralmaterie auf die menschliche Stufe emporgewandert sein wird und darüber hinaus zum Denker. Beim Beginn einer weiteren großen Evolutionsperiode wird dann die mineralische Materie jener Zeit aus Stoff gebildet sein, die zur Zeit auf anderen Planeten und in anderen Weltsystemen ihre niedrigeren Transformationen durchläuft. Dieses System erscheint vielleicht ‘phantastisch’ für den heutigen Menschen, der daran gewöhnt ist, als von Geburt an sündhaft, böse, schwach und äußerst törich bezeichnet zu werden, so dass er sich tatsächlich vor der Wahrheit über sich selbst fürchtet. Für die Schüler der Theosophen des Altertums ist es jedoch weder unmöglich noch phantastisch sondern logisch und umfassend. Zweifellos wird dieses System eines Tages von allen anerkannt werden, wenn das Denken der westlichen Völker sich von der mosaischen Chronologie und von der mosaischen Vorstellung über den Menschen und die Natur befreit hat. Daher sagen wir, dass die Reinkarnation und die Metempsychose zuerst auf den ganzen Kosmos angewendet werden müssen und nicht nur auf den Menschen allein. Da aber für den Menschen der Mensch selbst der interessanteste Gegenstand ist, wollen wir jetzt im Einzelnen betrachen, wie sich diese Vorgänge bei ihm auswirken.

Die Wiederverkörperung ist die älteste Lehre und die Zahl ihrer Anhänger übersteigt jetzt die der Nichtanhänger. Die vielen Millionen im Orient halten fast alle daran fest. Sie wurde bei den Griechen gelehrt, eine große Anzahl Chinesen glaubt heute ebenso daran wie ihre Vorfahren. Die Juden hielten sie für wahr und sie ist nicht aus ihrer Religion verschwunden. Jesus, der als Gründer des Christentum bezeichnet wird, glaubte und lehrte sie. In der frühchristlichen Kirche kannte und lehrte man sie, und die größten Kirchenväter glaubten und verbreiteten sie.

Die Christen sollten daran denken, dass Jesus ein Jude war, dessen Sendung den Juden galt, denn er sagt im Matthäus-Evangelium: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Er muss ihre Lehren gut gekannt haben. Sie glaubten alle an Reinkarnation. Nach ihrer Auffassung waren Moses, Adam, Noah, Seth und andere wieder zur Erde zurückgekehrt, und zur Zeit Jesu wurde allgemein angenommen, dass der Prophet Elias jetzt wiederkommen werde. Als erstes stellen wir also fest, dass Jesus diese Lehre nie verneinte, sondern sie bei verschiedenen Gelegenheiten bestätigte. Zum Beispiel sagte er, dass Johannes der Täufer tatsächlich der frühere Elias sei, den das Volk erwartet. Das alles kann bei Matthäus nachgelesen werden, im Kapitel 17, 11 und an anderen Stellen.

Aus diesen Passagen geht sehr klar hervor, dass Jesus die Lehre der Reinkarnation anerkannte. Jesus folgend finden wir, wie Paulus im Römerbrief 9 von Esau und Jakob sagt, dass sie tatsächlich existierten, ehe sie geboren wurden. Später lehrten und glaubten große Kirchenväter, wie Origenes, Synesius und andere die Theorie. In Salomons Sprüchen 8, 22 sagt Salomo, dass er gegenwärtig war, als die Erde gemacht wurde, und dass er, lange bevor er als Salomon geboren sein konnte, auf den bewohnbaren Teilen der Erde seine Freude mit den Söhnen der Menschen hatte. Johannes der Offenbarer sagt in der Offenbarung 3, 12, dass ihm in einer Vision durch die Stimme Gottes oder durch eine Stimme, die für Gott sprach, gesagt worden sei, dass jeder, der überwinde, nicht mehr ‘hinausgehen’ müsse, das heißt, dass er dann nicht mehr zu reinkarnieren brauche. Noch 500 Jahre nach Jesus wurde diese Lehre in der Kirche gelehrt, bis zum Konzil von Konstantinopel. Dann wurde der Bann über einen Aspekt dieser Frage ausgesprochen, den viele als gegen die Reinkarnation gerichtet ansahen; wenn sich diese Verdammung aber gegen Jesu Worte richtet, dann ist sie ungültig. Dieser Bann richtet sich gegen ihn und dadurch stellt sich die Kirche praktisch auf den Standpunkt, Jesus habe nicht genug gewusst, um eine Lehre zu verdammen – eine Lehre, die zur Zeit Jesu allgemein gelehrt wurde, ihm wohlbekannt war und die er nie verdammt hat, sondern tatsächlich anerkannte. Das Christentum ist eine jüdische Religion, und folglich gehört diese Lehre von der Reinkarnation schon durch ihre historische jüdische Abstammung zum Christentum und auch deshalb, weil sie von Jesus und den frühen Kirchenvätern gelehrt worden war. Wenn es für die christliche Kirche irgendeinen wahren und logischen Ausweg aus dieser Situation gibt – natürlich Kirchendogma ausgeschlossen –, so möchte der Theosoph ihn gerne kennenlernen. Der Theosoph steht vielmehr auf dem Standpunkt, dass ein bekennender Christ, der diese Lehre verneint, sein Urteil gegen das von Jesus stellt, der doch bestimmt mehr als seine Nachfolger über diese Sache gewusst haben muss. Gerade das vom Kirchenkonzil herausgeschleuderte Anathema und das jetzige Fehlen dieser Lehre haben dem Christentum sehr geschadet und die christlichen Nationen zu Völkern gemacht, die nur vorgeben, Jesus und seinem Gebot der Liebe zu folgen. In Wirklichkeit sind sie als Nationen jedoch Anhänger des mosaischen Gesetzes der Wiedervergeltung. Nur in der Lehre von der Reinkarnation liegen die Lösungen für alle Lebensprobleme. In den Lehren von der Wiederverkörperung und von Karma liegt die Kraft, die die Menschen dazu bewegt, die vorhandene theoretische Ethik in die Tat umzusetzen. Es ist das Ziel der alten Philosophie, diese Lehre in allen Religionen, die sie verloren haben, wiederherzustellen. Deshalb bezeichnen wir diese wichtige Lehre auch als ‘die verloren gegangene Saite des Christentums’.

Aber wer oder was reinkarniert denn eigentlich? Es ist nicht der Körper, denn dieser stirbt und löst sich auf. Und nur wenige Menschen würden immer an solche Körper gefesselt sein wollen, wie wir sie jetzt haben, Körper, die – mit Ausnahme bei den Naturvölkern – für alle Krankheiten anfällig sind. Es handelt sich auch nicht um den Astralkörper, der ja, wie schon gezeigt, ebenfalls nur eine kurze Lebensdauer hat und nach der Auflösung des physischen Körpers zerfällt. Auch die Leidenschaften und Begierden sind es nicht. Diese haben allerdings eine lange Lebensdauer, weil sie die Kraft besitzen, sich in jedem Leben zu regenerieren, solange wir sie nicht ausrotten. Und gerade die Reinkarnation schafft diese Möglichkeit, da sie uns viele Gelegenheiten bietet, die Begierden und Leidenschaften, die das himmlische Bild des spirituellen Menschen entstellen, eine nach der anderen allmählich auszutilgen.

Es ist dargelegt worden, wie unser leidenschaftlicher Teil sich nach dem Tod mit dem Astralkörper verbindet und ein Scheinwesen bildet, das während seiner Auflösung ein kurzes Eigenleben besitzt. Wenn die Trennung zwischen dem abgestorbenen Körper, dem Astralkörper und den Leidenschaften und Begierden vollendet ist – die Lebenskraft beschäftigt sich dann bereits mit anderen Formen – geht die höhere Dreiheit Manas, Buddhi und Ātman, die den wirklichen Menschen bildet, unmittelbar in einen anderen Zustand über; und wenn dieser Zustand – Devachan oder Himmel genannt – vorüber ist, wird die Triade wieder zur Reinkarnation auf die Erde zurückgezogen. Diese Dreiheit ist unser unsterbliches Selbst; sie und nichts anderes sind wir wirklich. Das sollte vom Verstand fest erfasst werden, denn auf der klaren Erkenntnis dieser Tatsache beruht das Verständnis der gesamten Lehre. Was den heutigen westlichen Menschen daran hindert, diese Erkenntnis zu erlangen, ist die lange Schulung, die wir in der materialistischen Wissenschaft und der materialisierten Religion hatten, von denen beide den bloßen physischen Körper zu wichtig gemacht haben. Erstere spricht aussschließlich über Materie und letztere predigt die Auferstehung des Körpers, eine Lehre, die dem gesunden Menschenverstand, den Tatsachen und der Logik widerspricht und unbeweisbar ist. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die Theorie von der körperlichen Auferstehung aus einer Entartung der älteren und richtigen Lehre entstanden ist. Die Auferstehung stützt sich auf die Worte Hiobs, dass er seinen Erlöser in seinem Fleisch sehen würde, und auf die Bemerkung des Paulus, dass der Körper unverweslich auferstehen würde. Aber Hiob war ein Ägypter, der von der Begegnung mit seinem Lehrer oder Initiator sprach, der der Erlöser ist; Jesus und Paulus bezogen sich lediglich auf den spirituellen Körper.

Wenn auch Reinkarnation das Gesetz der Natur ist, so verkörpert sich doch noch nicht die vollständige Dreiheit aus Ātman-Buddhi-Manas in dieser Rasse. Sie benützt und bewohnt den Körper, in den Manas, der niedrigste Teil der drei, eintaucht; und die beiden höheren Prinzipien strahlen darauf nieder und bilden den Gott im Himmel. Das wurde symbolisiert in der alten jüdischen Lehre vom Himmlischen Menschen, der sich mit seinem Haupt im Himmel und mit seinen Füßen in der Hölle befindet. Das heißt, das Haupt, Ātman und Buddhi, sind noch im Himmel, und die Füße, Manas, wandeln in der Hölle, dargestellt durch den Körper und das physische Leben. Aus diesem Grund ist der Mensch noch nicht völlig bewusst. Weitere Inkarnationen sind nötig, um schließlich die Inkarnation der ganzen Dreiheit im Körper zu bewirken. Wenn das erreicht ist, wird die Menschheit zu Göttern geworden sein, und da die gottgleiche Dreiheit dann voll Besitz ergriffen hat, wird die gesamte Materie vervollkommnet und für den nächsten Schritt vorbereitet sein. Das ist die wirkliche Bedeutung von ‘und das Wort ward Fleisch’. Im Falle einzelner Menschen, wie zum Beispiel bei Jesus und Buddha, war das ein so großartiges Ereignis, dass man von einer göttlichen Inkarnation sprach. Daraus bildete sich auch die Idee der Kreuzigung, denn Manas ist auf diese Weise gekreuzigt, um den Dieb ins Paradies zu erheben.

Gerade weil die Dreiheit in der Menschheit noch nicht vollständig inkarniert ist, weist das Leben so viele Mysterien auf. Sie zeigen sich Tag für Tag bei den verschiedenen Experimenten, die am und im Menschen angestellt werden.

Der Arzt weiß nicht, was Leben ist und warum sich der Körper so bewegt, weil der spirituelle Teil noch in den Wolken des Himmels verborgen ist. Der Wissenschaftler tappt im Dunkeln, verwirrt und irritiert von allem, was Hypnotismus und andere sonderbare Dinge hervorbringen, weil der bewusste Mensch auf dem Gipfel des göttlichen Berges nicht sichtbar ist und die Gelehrten daher gezwungen sind, vom ‘Unterbewusstsein’, von ‘latenter Persönlichkeit’ und dergleichen zu sprechen. Der Geistliche jedoch kann uns überhaupt kein Licht bringen, weil er das gottgleiche Wesen des Menschen verneint und alles auf die Stufe der Erbsünde zurückführt und unsere Vorstellung über Gott mit dem schwarzen Stempel der Unfähigkeit belastet, die Schöpfung zu kontrollieren oder zu leiten, ohne Notbehelfe zu erfinden, um vermeintliche Fehler zu korrigieren. Die alte Wahrheit löst jedoch das Rätsel und malt Gott und Natur in harmonischen Farben.

Reinkarnation bedeutet nicht, dass wir nach dem Tod in Tierformen eintreten, wie von manchen östlichen Völkern angenommen wird. „Einmal ein Mensch, immer ein Mensch“, lautet die Aussage der Großen Loge. Für manche Menschen wäre es jedoch keine allzu große Strafe, wenn man sie zur Wiedergeburt in Tierkörpern verurteilen könnte. Die Natur folgt aber nicht Gefühlen sondern Gesetzen, und wir, die wir nicht alles sehen, können auch nicht sagen, ein Unmensch sei seinem ganzen Wesen nach tierisch. Da die Evolution Manas, den Denker und unsterblichen Menschen auf diese Daseinsebene gebracht hat, kann sie ihn nicht wieder zu den Tieren zurückdrängen, die kein Manas besitzen.

Dass einige Völker des Orients ein paar Stellen in den Gesetzen des Manu wörtlich auffassen, in denen die Transmigration in Tiere, Insekten und so weiter anscheinend gelehrt wird, kann auf zweifache Weise erklärt werden. Betrachten wir das näher, werden wir erkennen, dass echte Schüler dieser Lehre nicht dem gleichen Irrtum verfallen.

Die erste Erklärung ist, dass die verschiedenen Verse und Bücher, die von solcher Transmigration handeln, die tatsächliche Methode der Reinkarnation beschreiben, das heißt, sie erklären die wirklichen physischen Prozesse, denen sich das Ego beim Übergang vom unverkörperten in den verkörperten Zustand unterziehen muss, und auch die Bahnen, Wege und Mittel des Abstiegs aus der unsichtbaren in die sichtbare Region. Dieses Thema ist in den theosophischen Schriften noch nicht ausführlich behandelt worden, weil es einerseits eine recht schwierige Angelegenheit ist und zum anderen die Einzelheiten selbst für Theosophen kaum glaubhaft wären, obgleich man sie eines Tages akzeptieren wird. Da diese Einzelheiten auch nicht von größter Wichtigkeit sind, wollen wir sie jetzt nicht ausführen. Da wir aber wissen, dass kein menschlicher Körper ohne die Vereinigung der Geschlechter gebildet werden kann und dass die Keimzellen für eine Zeugung in den Geschlechtern angelegt sind und aus der Nahrung stammen müssen, die in den Körper aufgenommen wird, ist es naheliegend, dass Nahrungsmittel etwas mit der Reinkarnation des Egos zu tun haben. Wenn nun der Weg zur Reinkarnation nur durch ganz bestimmte und keine anderen Nahrungsmittel führt, dann kann es möglich sein, dass das Ego mit bestimmten Nahrungsmitteln in Berührung kommen kann, die zu keiner zeugungsfähigen Keimzelle führen. Damit wird eine Strafe angedeutet, zu der Manu sagt, dass verschiedene Praktiken zur Transmigration führen werden, die dann ein ‘Hindernis’ bilden. Ich führe das zum Wohle jener Theosophen soweit aus, die diese Schriften lesen und deren Theorien zu diesem Thema ziemlich unklar sind und in einigen Fällen auf ganz anderen Hypothesen beruhen.

Die zweite Erklärung ist: Die Natur erwartet von uns, dass wir – neben anderen Zwecken – die in unseren physischen und astralen Körper eintretenden Stoffe durch den Einfluss fördern, der durch ihre Verbindung mit dem menschlichen Ego auf sie ausgeübt wird. Wenn wir ihnen nur einen tierischen Eindruck vermitteln, müssen sie ins Tierreich zurück und werden dort absorbiert, statt dass sie verfeinert und auf der menschlichen Ebene festgehalten werden. Da nun alle Materie, die das menschliche Ego an sich gezogen hat, den Stempel oder den fotografischen Eindruck des Menschen bewahrt, transmigriert diese Materie in die niedrigere Ebene, wenn ihr vom Ego ein tierischer Impuls erteilt wird. Dieser echte Vorgang im großen Chemielabor der Natur kann von Unwissenden leicht missverstanden werden. Die heutigen Schüler wissen jedoch, dass Manas, der Denker, seit er auf der Lebensbühne erschien, nicht in minderwertige Formen eintritt; erstens weil er das nicht will, und zweitens weil er es nicht kann. Denn genauso wie die Herzklappen in unserem Körper verhindern, dass das Blut zurückströmt und das Herz überflutet, so ist auch im größeren universalen Zirkulationssystem das Tor hinter dem Denker verschlossen und sein Rückgang blockiert. Reinkarnation, die sich als Lehre auf den wirklichen Menschen bezieht, lehrt keine Transmigration in Naturreiche, die unter der menschlichen Ebene liegen.